Rastertunnelmikroskopie

Transcrição

Rastertunnelmikroskopie
Rastertunnelmikroskopie
Betreut von: Janet Schmidt, [email protected]
November 2010
Im Versuch sollen die Praktikaten sich mir der Funktionsweise und Bedienung des Rastertunnelmikroskops auseinander setzen. Die Gitterstrukturen von Graphit und Gold sollen verglichen
werden, wodurch die Anwendung des Rastertunnelmiroskops als modernes Messinstrument kennen gelernt wird.
Die vorliegende Anleitung dient lediglich als Rahmenliteratur und als Anleitung zur Vorbereitung, erhebt aber selbst bezüglich des physikalischen Inhalts keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Vielmehr soll dem Studenten die Möglichkeit zur selbständigen und eigenverantwortlichen Vorbereitung eingeräumt werden. In sofern ist das studium weiterer Quellen zur Vorbereitung auf
den Versuch notwendig und erwünscht.
Inhaltsverzeichnis
1 Organisation / Vorbereitung
1
2 Einführung
1
2.1
Das Rastertunnelmikroskop (RTM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2.1.1
Das Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2.1.2
Theorie
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2.1.3
Regler und Piezoelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
2.1.4
Topographiebilder und Strombilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1.5
Spitzenkonditionierung durch Spannungspulse . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.1.6
Schwingungsdämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.1.7
Der Reibungsmotor für die Grobannäherung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.1.8
Struktur von Graphit
5
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 Experiment
6
3.1
Herstellung und Einbau der Messspitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2
Einbau der Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
7
3.3
Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3.3.1
Starten der Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3.3.2
Annähern der Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3.3.3
Nivellieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3.3.4
Abbilden von Stufen und Atomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
3.3.5
Beenden der Messung
9
4 Aufgaben
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2 EINFÜHRUNG
1
1 Organisation / Vorbereitung
Information
ˆ
Das Praktikum ndet von 09:30 bis 11:30 Uhr und von 13:00 von 16:00 Uhr statt.
ˆ
Während der Mittagspause bitte die Probe ein gutes Stück von der Spitze wegfahren! Der
Computer und das Mikroskop selbst können laufen gelassen werden.
ˆ
Das Protokoll ist spätestens zwei Wochen nach der Versuchsdurchführung abzugeben.
Vorkenntnisse
ˆ
Mikroskopietechniken
ˆ
Tunneleekt
ˆ
Piezoelektrischer Eekt
ˆ
Gitterstrukturen in Festkörpern
2 Einführung
2.1 Das Rastertunnelmikroskop (RTM)
2.1.1 Das Prinzip
Das Rastertunnelmikroskop (RTM, engl. scanning tunneling microscope, STM) ist historisch der
erste Vertreter der Familie der Rastersondenmikroskope (andere Vertreter sind z.B. das Rasterkrafhikroskop und das Optische Nahfeldmikroskop). Das Prinzip dieser Mikroskope besteht
darin, eine Sonde mit kleinen lateralen Dimensionen und einer abstandsabhängigen Wechselwirkung mit der Probenoberäche in kleinem Abstand über der Probe zu rastern. Dabei kann
über einen Reglerkreis die Wechselwirkungsgröÿe konstant und damit der Abstand der Sonde
über einer homogenen Probenoberäche konstant gehalten werden. Die Stellgröÿe des Reglerkreises, dargestellt in Abhängigkeit der xy-Position der Sonde, gibt ein Konturbild konstanter
Wechselwirkungsgröÿe wieder. Für homogene Proben entspricht dies in sehr guter Näherung der
Probentopographie
2.1.2 Theorie
Der Tunnelstrom läÿt sich als Summe von Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen elektronischen Zuständen in der Spitze und in der Probe beschreiben (Bardeen Formalismus):
I=
2πe X
2
{f (Eµ ) [1 − f (Eν + eU )] − f (Eν + eU ) [1 − f ((Eµ )]} · |Mµν | δ(Eν − Eµ )
~ µ,ν
Dabei bezeichnen f(E) die Fermi-Funktion, e die Elementarladung, U ist die angelegte Tunnelspannung, Mµν ist das Übergangsmatrixelement zwischen den ungestörten elektronischen Zuständen
Ψµ
der Spitze und
Ψν
vder Probe, und Eµ(Eν ) ist die Energie des Zustands
Ψµ (Ψν)
in
Abwesenheit von Tunneln. Die Delta-Funktion beschreibt die Energieerhaltung für den Fall des
elastischen Tunnelns. Das Hauptproblem ist die Berechnung des Übergangsmatrixelements, das
gegeben ist durch:
Mµν
−~2
=
2m
Z
dS · (Ψ∗µ ∇Ψν − Ψν∇Ψ∗µ )
wobei das Integral über eine Fläche, die gänzlich in dem Raum der Potentialbarriere zwischen
den beiden Elektroden liegt, ausgewertet werden muss. Die Elektronenmasse wird mit m bezeichnet, die Gröÿe in Klammern ist die Stromdichte jµν . Da die zur Berechnung notwendigen
Wellenfunktionen der Spitze nicht bekannt sind, müssen Näherungen gemacht werden. Folgende
2 EINFÜHRUNG
2
Näherungen sind gebräuchlich: eine lokal sphärische Spitze mit Wellenfunktionen mit reinem sWellencharakter (Quantenzahl l = 0), niedrige Temperatur und kleine Tunnelspannungen. Damit
erhalten sie folgenden vereinfachten Ausdruck für den Tunnelstrom:
I ∝ U · nt (EF ) · exp(2κR) ·
X
|Ψν (r0 )|2 δ(Eν − EF )
ν
mit der Abklinglänge
κ = (2mΦ/~2 )1/2 , Ψ
als eektive lokale Potentialbarrierenhöhe, nt (EF )
die Zustandsdichte am Ferminiveau, R der eektive Spitzenradius und r0 der Mittelpunkt der
Spitzenkrümmung.
Da die Wellenfunktionen in z-Richtung senkrecht zur Probe exponentiell abklingen, gilt:
Ψν (r) ∝ exp(−κz)
wo s den Abstand zwischen Probe und vorderstem Spitzenorbital bezeichnet. Daher wird der
Tunnelstrom wie erwartet exponentiell vom Abstand s abhängig:
I ∝ exp(−2κs
Abbildung 1: Schematischer Aufbau des RTM
Im RTM besteht die Sonde aus einer feinen Drahtspitze (Tunnelspitze), die Wechselwirkungsgröÿe
ist der Tunnelstrom. Dazu wird die leitende oder halbleitende Probe kontaktiert und zwischen ihr
und der Tunnelspitze eine Tunnelspannung von einigen mV bis wenigen Volt angelegt. Verringert
man nun den Abstand zwischen Spitze und Probe, setzt bei Abständen von unter etwa I nm
der Tunnelstrom ein. Dessen Stärke liegt im Nanoamperebereich und fällt exponentiell mit dem
Abstand zur Probe. Der Tunnelstrom ist ein quantenmechanisches Phänomen (Abb. 2). Ist es
für ein Elektron
klassisch
gesehen unmöglich, eine Potentialbarriere zu überwinden, die höher ist
als seine eigene Energie, so gibt es
quantenmechanisch
dennoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit,
dass dies trotzdem passiert. Diese Wahrscheinlichkeit nimmt exponentiell mit dem Abstand ab.
Die Amplitude der Elektronenwelle nimmt innerhalb der Potentialbarriere exponentiell ab und
ist dann auf der anderen Seite der Barriere entsprechend gedämpft.
2.1.3 Regler und Piezoelemente
Um den Abstand der Tunnelspitze zur Probenoberäche konstant zu halten, wird der Tunnelstrom durch einen elektronischen Reglerkreis konstant gehalten. Der Reglerkreis miÿt den
momentanen Tunnelstrom (Ist-Wert) und vergleicht ihn mit dem vom Betreiber vorgegebenen
Wert (Soll-Wert, engl. setpoint). Weichen diese voneinander ab, versucht der Regler über seinen Ausgang (Stell-Wert), die Dierenz zu eliminieren. Die Regel-Geschwindigkeit läÿt sich über
zwei Reglerparameter beeinussen, den integralen Anteil (I-Teil) und den proportionalen Anteil
(P-Teil). Der I-Teil bestimmt hauptsächlich die Geschwindigkeit, mit der der Regler auf Abweichungen reagiert: groÿe I-Werte heiÿen hohe Geschwindigkeit. Der P-Teil legt fest, wie stark
2 EINFÜHRUNG
3
Abbildung 2: Der Unterschied zwischen klassischer Physik und Quantenmechanik, dargestellt am Bsp. einer Potentialbarriere
proportional der Regler auf Abweichungen reagiert: ein hoher P-Wert heiÿt eine starke Reaktion
des Reglers.
Die Reglereinstellungen hängen sehr stark von der Spitze und Probe und der Befestigungen im
RTM ab und lassen sich nicht beliebig hoch einstellen. Auÿerdem stellt der Reglerkreis an sich
schon ein schwingungsfähiges System mit einer Grenzequenz dar, oberhalb derer es zu Eigenschwingungen des Reglers kommt. Diese Eigenschwingungen können zu Beschädigungen an Spitze
und Probe führen. Lässt sich bei einer gegebenen Rastergeschwindigkeit der Regler nicht schnell
genug einstellen, um die Topographie einwandfrei abzubilden, muÿ die Rastergeschwindigkeit
entsprechend reduziert werden. Dadurch wird die Rate des Datenstromes, die der Regler verarbeiten muss, reduziert und sie ist dann mit langsamerer Reglergeschwindigkeit noch verarbeitbar.
Insofern kann die Rastergeschwindigkeit als weiterer Reglerpararneter betrachtet werden.
Die Änderungvorgaben des Reglers werden über Piezoelemente (Stellglieder), die die Tunnelspitze in xyz-Richtung bewegen können, auf den Tunnelabstand übertragen. Piezoelemente bestehen
aus piezoelektrischen Keramiken, die bei angelegter Spannung ihre geometrische Ausdehnung verändern können (Piezoelektrischer Eekt). Mit Piezoelementen geeigneter Gröÿe und Form lassen
sich mechanische Bewegungen vom sub- ->ngström Bereich bis hin zu etlichen 10 pm realisieren.
Mit ihnen wird einerseits die Tunnelspitze in konstantem Abstand über der Probenoberäche
gehalten, andererseits wird die Spitze gleichzeitig in xy-Richtung über der Probe gerastert.
2.1.4 Topographiebilder und Strombilder
Während der Messung werden zwei Signalkanäle in Abhängigkeit der xy-Position der Tunnelspitze am Bildschirm dargestellt: zum einen der Reglerausgang, d.h. die Spannung, die der Regler
an die Piezoelemente ausgibt, um die Spitze in konstantem z-Abstand zur Probe zu halten. Sie
entspricht der Topographie der Probe. Zum anderen wird der momentane Tunnelstrom dargestellt. Dieses Signal kann als Fehlersignal des Reglers interpretiert werden. Wäre der Regler ideal
eingestellt, d.h. beliebig schnell, würde der Tunnelstrom überall konstant sein und es wäre im
Bild gar kein Kontrast zu sehen. Etwaige Abweichungen des Ist-Wertes vom Soll-Wert erscheinen
im Strombild. Wird hingegen der Regler wesentlich zu langsam eingestellt, kann die Spitze der
Topographie nicht mehr folgen, und im Topographiebild geht Kontrast verloren. Parallel dazu
wird das Fehlersignal des Reglers entsprechend gröÿer, d.h. der Kontrast steigt im Strombild.
Diese beiden Extremfälle der Reglereinstellungen heiÿen auf Englisch
constant gap width mode
(CGM-Modus, Regler möglichst schnell, Kontrast vollständig im Topographiekanal) bzw. etwas
irreführend
constant height mode
(CHM-Modus, Regler extrem langsam, Kontrast vollständig
im Stromkanal, keine z-Bewegungen der Spitze
↔ konstante Höhe). Der CHM-Modus hat gegen-
über dem CGM-Modus den weiteren Vorteil, daÿ damit sehr viel höhere Rastergeschwindigkeiten
möglich sind, da der Regler keine Limitierung mehr darstellt. Da dem Tunnelstromsignal immer
ein frequenzabhängiges Rauschen überlagert ist, das mit zunehmender Frequenz abnimmt (llfRauschen), führt die Verlagerung des Meÿsignals durch schnelleres Rastern in höhere Frequenz-
2 EINFÜHRUNG
4
bereiche zu einer Verbesserung des Signal-Rausch- Verhältnisses. Zusätzlich wird der Einuÿ von
Temperaturdrifts durch die schnellere Bildakquisition verringert. Ein Nachteil besteht darin, daÿ
sich der CHM-Modus nur bei hinreichend kleinen Rasterbereichen und achen Proben anwenden
läÿt, da die Spitze ja sonst die Probe rammen würde.
Für den CGM-Modus verwendet man bei dem hier verwendeten RTM für P- und I-Teil des
Reglers typischerweise Werte zwischen 10 und 12, für den CHM-Modus Werte zwischen 8 und
10.
2.1.5 Spitzenkonditionierung durch Spannungspulse
Da die verwendeten Tunnelspitzen gemäÿ elektronenmikroskopischer Aufnahmen Krürnrnungsradien von mindestens einigen 10 nm an der Spitze besitzen, lässt sich die extrem hohe atomare
Auösung des RTMs nur mit dem Vorhandensein von so genannten Minispitzen in Verbindung
mit der exponentiellen Abstandsabhängigkeit des Tunnelstroms erklären. Im wesentlichen läÿt
sich die Abhängigkeit des Tunnelstroms I von der Spannung U und dem Abstand zwischen Spitze
und Probe s mit folgender Näherung beschreiben:
√
I ∝ f (U ) · e−α·s·
wobei
Φ
2κ
1
√
mit α = √ ≈ 10
Φ
nm eV
Φ die Höhe der Energiebarriere ist, die die Elektronen durchtunneln müssen. Die Funktion
f(U) ist in einfachen Fällen proportional zu U und hängt im allgemeinen von der elektronischen
Struktur der Spitze und Probe ab. Setzt man in der obigen Formel für
Φ
einen typischen Wert
für eine Austrittsarbeit von 4 eV ein, sieht man, dass ein nur um 1 -> gröÿerer Abstand eines
Spitzenteils zur Probe schon zu einem um eine Gröÿenordnung kleineren Tunnelstrom durch
dieses Spitzenteil führt. Daraus folgt, dass fast der gesamte Tunnelstrom nur über die zur Probe
allernächste Minispitze ieÿt, und dementsprechend hoch ist die laterale Auösung.
Die Anordnung dieser Minispitzen auf der Tunnelspitze ist aber keineswegs statisch, sondern
kann sich im Laufe der Messungen immer wieder von alleine ändern - mit sowohl positiven als
auch negativen Auswirkungen auf die Auösung. Diese Spitzenveränderungen lassen sich auch
mehr oder weniger gezielt hervorrufen, indem man Spannungspulse von 4 - 10 V und einer
Breite von < 1 ps zu der angelegten Tunnelspannung addiert. Manchmal kann so die Spitze
von aufgesammeltem Material befreit werden, das die Auösung verschlechtert hatte, oder eine
neue Minispitze kann geformt werden. Leider sind durch Pulsen aber auch Verschlechterungen
der Auösung möglich, weil Material an der Minispitze deponiert werden kann, was zu einer
Vergröÿerung des Spitzenradius führt. Auÿerdem kann die Minispitze selbst zerstört werden. Der
weitere groÿe Vorteil der Spannungspulse ist eine manchmal dadurch stimulierte Organisation
der organischen Moleküle auf der Oberäche.
2.1.6 Schwingungsdämpfung
Die Erdoberäche ist bekanntlich nicht ruhig: neben den eher seltenen Erdbeben, gibt es kleinere
durch die Natur (Wind, Meeresbrandung, Erdschwingungen (Mikroseismik), etc.) und durch die
Menschen (Verkehr, gehen im Schulzimmer etc.) verursachte Schwingungen. Wäre der Messkopf
direkt d.h. ohne Dämpfung mit dem Boden verbunden, könnte man keine Messung mit atomarer Auösung machen. Die Messspitze würde die Oberäche so unruhig und unpräzise abtasten,
wie wenn ein Rodeo-Reiter versuchen würde, einen Brief auf dem Rücken einer wilden Kuh zu
schreiben.
Die Steinplatte ist mit vier Füssen aus Weichgummi mit dem Tisch verbunden und hat eine grosse
Masse. Die Gummifüsse wirken wie eine Feder mit kleiner Federkonstanten. Wegen der grossen
Masse und der kleinen Federkonstanten ndet die Eigenschwingung des Systems SteinplatteGumrnifüsse bei einer tiefen Frequenz statt. Die Gummifüsse haben weiter die Eigenschaft, dass
eventuelle Schwingungen durch Reibung ezient gedämpft werden. Die durch die Lagerung sehr
ruhige Steinplatte trägt den runden Messkopf, auch hier ist eine Gummimatte dazwischen geschoben. Die Übertragung der Schwingungen von der Steinplatte auf den Messkopf ist ebenfalls
sehr klein. Diese zwei Dämpfungssysteme sind so aufeinander abgestimmt, dass Schwingungen
des Tisches praktisch keine Störung auf die Messung verursachen.
2 EINFÜHRUNG
5
2.1.7 Der Reibungsmotor für die Grobannäherung
Wir haben das Problem, dass wir einen relativ grossen Weg in vielen sehr kleinen Wegstücken
zurücklegen wollen. Beim easyScan wurde das Problem folgendermassen gelöst: Der Metallzylinder mit der Probe liegt in einer Mulde, in der er magnetisch festgehalten wird. Dabei liegt
sein hinteres Ende auf zwei Keramikpunkten, die auf einem senkrecht stehenden Plättchen angebracht sind (siehe Abb. 3), Die Grössenverhältnisse sind übertrieben!). Dieses Plättchen verbiegt
sich, wenn man eine Spannung anlegt (ein Piezoelement, siehe nächster Abschnitt). Jetzt legt
man eine Sägezahnspannung an. Die Spannung steigt also langsam linear an. Dabei verbiegt
sich das Plättchen und der Probenzylinder darauf wird nach vorne geschoben. Wenn die Spannung ihren Maximalwert erreicht hat, fallt sie sehr schnell wieder auf ihren Anfangswert zurück.
Dadurch klappt des Plättchen ruckartig wieder in seine Anfangsposition. Diese Bewegung ist
aber zu schnell für den darauiegenden Probenzylinder. Er wird nicht wieder mit zurückbewegt,
sondern bleibt ein Stückchen näher an der Spitze liegen. Mit diesem "Reibungsmotor" kann der
Probenzylinder also Mikrometer für Mikrometer an die Spitze herangeschoben werden. Sobald
die Elektronik jedoch einen Tunnelstrom im Nanoamperebereich feststellt, wird dieser Annäherungsvorgang abgebrochen. Spitze und Probe haben jetzt den richtigen Abstand voneinander
und die Messung kann beginnen.
Abbildung 3: Positionierungssystem
2.1.8 Struktur von Graphit
Neben Diamant und Russ ist Graphit eine der möglichen Formen, in der elementarer Kohlensto
in der Natur vorkommt. Graphit ist ein relativ guter elektrischer Leiter, was eine wichtige Voraussetzung für die Untersuchung mit dem RTM darstellt. Wie in Abb. 4 dargestellt, besitzt Graphit
eine ausgeprägte Schichtstruktur. Innerhalb einer Schicht ist jedes Kohlenstoatom durch eine
kovalente Bindung (Elektronenpaar-Bindung) mit jeweils drei Nachbaratomen verbunden.
Abbildung 4: Hexagonale (hcp) Gitterstruktur des Graphit
Die übereinanderliegenden Schichten werden miteinander durch die sehr viel schwächere van-derWaals-Bindung zusammengehalten. Diese Tatsache ermöglicht die relativ einfache Präparation
der Graphitprobe. Die Schichten sind so angeordnet, dass sich jedes zweite Atom genau über
einem Atom der Schicht unterhalb bendet.
3 EXPERIMENT
6
3 Experiment
3.1 Herstellung und Einbau der Messspitze
Die Präparation der Messspitze ist der anspruchvollste Teil der Messvorbereitung. Nur eine gute
Messspitze ermöglicht brauchbare Resultate!
1. Reinige die benötigten Werkzeuge an den Stellen, die bei der folgenden Prozedur mit dem
Platindraht in Kontakt kommen (insbesondere die Schneiden des Seitenschneiders) sowie
den Draht selbst mit etwas Ethanol.
2. Greife mit der Flachzange das Ende des Platindrahts.
3. Setze den Seitenschneider so schräg wie möglich etwa 5 mm oberhalb vom Drahtende an
(siehe Abb. 5).
Abbildung 5: Präparation der Messspitze
4. Trenne nun den Draht wie abgebildet ab, achte darauf nicht am Draht zu reiÿen, sondern
sauber abzuschneiden.
5. Setze die frisch geschnittene Messspitze mit der Pinzette wie in Abb. 6 dargestellt in die
Halterung ein, so dass die Spitze 2-3 mm über die Halterung herausragt.
Abbildung 6: Einlegen der Messspitze
Beachte folgendes:
ˆ
Die geschnittene Spitze dasr nicht berührt werden!
ˆ
Die vergoldeten Federn sind sehr fein und dürfen nicht hochgebogen werden !
ˆ
Die Spitze sollte durch die Federn gut in der Kerbe xiert sein !
3 EXPERIMENT
7
3.2 Einbau der Probe
Nachdem die Graphit-Probe präpariert wurde, wird diese in das RTM eingebaut. Vorsicht ! Die
Spitze darf die Probe nicht berühren. Schon eine leichte Berührung kann die Spitze unbrauchbar
machen.
1. Setze die Probe mit der Pinzette zentrisch auf den Magneten des Probenhalters.
2. Setze den Probenhalter wie in Abb. 7 dargestellt in den Messkopf.
3. Nähere den Probenhalter von Hand bis auf Ca. einen Millimeter an die Mess-Spitze an.
4. Setze die Acrylglas-Haube auf (der Probenhalter sollte nicht berührt werden!)
Der Probenhalter sollte nur am Kunststoende und so wenig wie möglich mit bloÿen Händen
angefasst werden. Auch wenn man ihn nur am Kunststoende berührt, wird dieser dabei erwärmt,
was zu unerwünschten Drifterscheinungen führt. Ist der Probenhalter verschmutzt, muss er zuerst
mit Ethanol gereinigt werden.
Abbildung 7: Einlegen des Probenhalters
3.3 Messung
3.3.1 Starten der Software
Die Steuerung der Messung erfolgt per Software mit dem Programm easyscan. Nach dem Start
von easyScan wird der Code für die CPU der Messelektronik hinaufgeladen. Danach hört die
Leuchtdiode der Messelektronik auf zu blinken und die Leuchtdiode des Messkopfes leuchtet
gelb. Gelb bedeutet, dass das Mikroskop messbereit ist, aber kein Tunnelstrom iesst. Falls die
Fehlermeldung No connection to microscope ! erscheint, ist wahrscheinlich irgendwo ein Kabel
nicht angeschlossen oder die Elektronik hat keinen Strom.
3.3.2 Annähern der Probe
Damit die Probe in Tunnelkontakt mit der Mess-Spitze kommen kann, muss die Probe noch
mehr angenähert werden. Dazu verwendet man das Approach Panel. Drückt man den nachUnten- Knopf, bewegt der Piezomotor die Probe in Richtung Spitze. Mit Blick durch die Lupe
kann man die Probe bis auf etwa 0.1 mm an die Probe annähern.
Das Drücken auf den Approach-Knopf startet den Autopiloten, er die Probe bis zum Tunnelkontakt annähert. Dies geschieht durch schrittweises herantasten, wobei nach jedem Schritt
der Tunnelstrom kontrolliert wird. Kommt die Meldung Approach done!, und leuchtet die Diode
am Messkopf grün, so iesst der im Feedback Panel unter Setpoint eingestellte Tunnelstrom.
Falls die Leuchtdiode rot leuchtet, hat die Spitze die Probe gerammt (es iesst ein sehr hoher
Tunnel-Strom). In diesem Fall ist die Spitze unter Umständen beschädigt.
3.3.3 Nivellieren
Nachdem nun der Tunnelkontakt hergestellt wurde, kann man durch Betätigung des Start-Knopfs
im Scan Panel mit dem Scannen beginnen. In der Grundeinstellung wird irn Scan Panel links die
zuletzt gemessene Zeile im LineView dargestellt, während rechts alle gemessenen Zeilen zu einem
Bild zusammengesetzt werden (TopView). Dabei wird die gemessene z-Distanz durch Graustufen
dargestellt.
3 EXPERIMENT
8
Abbildung 8: Messbereich
Die Gröÿe des Messbereichs ist durch Z-Range und Scan-Range gegeben, wobei der Z-Range
gegenüber dem Scan-Range um den Faktor 5-10 gestreckt dargestellt wird. Dieser Messbereich
kann noch in allen drei Rawnrichtungen verschoben werden (X-, Y- und Z-Oset. Bei der Grundeinstellung wird der Z-Oset automatisch so gesetzt, dass sich die Messwerte möglichst in
der Mitte des Messbereichs benden.
Im Normalfall ist die Probenoberäche gegenüber dem Messbereich verkippt, so dass eine gemessene Zeile im LineView schräg erscheint. Diese Schräglage kann durch die Scan-Elektronik
kompensiert werden, indem man die Werte für X-Slope beziehungsweise Y-Slope entsprechend
einstellt:
1. Setze Rotation auf 0± und stelle X-Slope ein, so dass die Schräglage in X-Richtung minimiert wird.
2. Setze Rotation auf 90± und optimiere in gleicher Weise den Wert für Y-Slope.
3. Setze Rotation zurück auf O± Hinweis: Änderungen sind erst nach einer gewissen Zeit
oder nach dem Betätigen des Apply-Knopfs aktiv.
3.3.4 Abbilden von Stufen und Atomen
Nachdem die Schräglage der Probe kompensiert wurde, sollte die Messzeile im LineView auf
der Mittellinie verlaufen, im TopView sollte sich ein einheitlich graues Bild aufbauen. Wenn
die Software frisch gestartet wurde, ist der Messbereich in allen Raumrichtungen maximal, d.h.
ZRange = 200 nm, ScanRange = 500 nm. Bevor der Tunnelkontakt nach einem Unterbruch neu
hergestellt wird, sollten diese Werte von Hand auf diese Grundeinstellung gesetzt werden.
Falls die Oberäche Stufen aufweist, sind diese unter Umständen bereits im maximalen Z-Range
(200 nm) sichtbar. Um Atome abzubilden, müssen Z-Range und ScanRange abwechslungsweise
sukzessive verkleinert werden. Typische Werte für diese Bereiche sind:
Z-Range = 1:56 nm
ScanRange = 4 nm
Das Verkleinern in xy-Richtung (ScanRange) geschieht von Vorteil durch die Zoom-Funktion; es
sollte dafür eine möglichst ache Stelle gewählt werden. Im folgendem noch einige Tips:
ˆ
Bereits kleinste Temperaturänderungen können auf atomarer Skala zu enormen Temperaturbewegungen führen (Drift), deshalb sollte die Scan-Geschwindigkeit möglichst gross
gewählt werden, das heiÿt TimeLine auf einen möglichst kleinen Wert (z.B. 0.06 s) gesetzt werden. Thermische Drift macht sich unter anderem dadurch bemerkbar, dass das
TopView-Bild in vertikaler Richtung gestreckt oder gestaucht ist. Oft lohnt es sich, die
Messung einige Zeit laufen zu lassen, bis sich das System thermisch beruhigt hat.
ˆ
Helligkeit und Kontrast des Bildes können durch Veränderung des Visible Input Range im
View Panel optimiert werden. Diese Einstellungen ändern nichts am tatsächlichen Messbereich und können auch nach der Messung noch korrigiert werden. Werte, die ausserhalb
des eingestellten Bereich liegen, werden farbig dargestellt (zu hoch ! rot, zu niedrig ! blau).
4 AUFGABEN
ˆ
9
Durch Betätigung des Default-Knopfs irn Feedback Panel werden alle Feedback- Parameter
auf Werte gesetzt, welche sich speziell für die atomare Auösung von Graphit eignen. In
Ausnahmefällen kann jedoch eine Variation dieser Werte (insbesondere P- und I-Gain) die
Messung in hohem Masse positiv beeinussen, da jede Messspitze ihren eigenen Charakter
hat. Beim allfälligen Ändern dieser Werte sollte man schrittweise vorgehen, und nach jedem
Schritt genau beobachten, wie sich die Änderung auf die Messung auswirkt. Zu tiefe Pbeziehungsweise I-Werte bewirken, dass die Messspitze der Probenoberäche nicht schnell
genug folgen kann: Im LineView zeigt sich eine mehr oder weniger gerade Linie. Zu hohe
Werte bewirken, dass der Regler über das Ziel hinausschiesst: Das Reglersystem schwingt
um den Sollwert.
ˆ
Nachdem die Schaltäche Photo gedrückt wurde, wird zunächst das Bild fertig aufgebaut
und dann eine Kopie davon erstellt.
Abbildung 9: Beispiel einer Messung an Graphit
3.3.5 Beenden der Messung
1. Scan-Bewegung anhalten mit der Schaltäche Stop.
2. Probe um mindestens 0.5 mm zurückfahren mit dem Pfeil-nach-Oben-Knopf.
3. Scan Panel schliessen und alle Messungen speichern. Die Messungen können später wieder
eingelesen und bearbeitet werden.
4. Software beenden und alles ausschalten.
4 Aufgaben
1. Beschreiben Sie kurz die Funktionsweise unterschiedlicher Elektronenmikroskope (Transmissionselektronenmikroskop - siehe Wandtafeln im Praktikumsraum)
2. Beschreiben Sie die Funktionsweise des RTM etwas genauer. (Tunneleekt, Piezoeekt,
Schwingungsdämfung, Reibungsmotor, Herstellung der Messspitze)
3. Stellen Sie eine Tunnel-Spitze her und setzen Sie diese vorsichtig ein.
4. Führen Sie alle notwendigen Schritte durch, um Stufen und Atome abzubilden.
5. Zeichnen Sie auf Ihrem RTM-Bild der Graphitoberäche die kristalline Graphitstruktur
und einen Längenrnassstab ein. Warum sind die Sechsecke ev. Nicht ganz symmetrisch?
Wie groÿ ist die Vergröÿerung?
4 AUFGABEN
10
6. Interpretiere die Messungen. Weshalb ergibt sich eine Dreiecks-Struktur, obwohl die Atome
auf Sechsecken liegen? Messen Sie den Abstand zwischen zwei Atomen (vergleichen Sie
auch mit Literaturwert!). Wie ist dieser Abstand in Relation zur Länge einer normalen
C-C Bindung zu sehen?
7. Untersuchungen am Gold-Präparat. Welche Unterschiede gibt es zum Graphit und warum?