Gretsch G6120 Eddie Cochran
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Gretsch G6120 Eddie Cochran
GRAND ELECTRICS Gretsch G6120 Eddie Cochran Eddie Cochran fabrizierte in seiner kurzen Karriere etliche Hits wie beispielsweise „Twenty Flight Rock“, „C’mon Everybody“ und den sicher jedem bekannten „Summertime Blues“. Er war dabei immer mit der gleichen, etwas speziellen Gitarre zu sehen, einer Gretsch G6120. Von Peter Fritsch, Fotos Eddie Cochran Bear Family Records 68 grand gtrs Gretsch G6120 Eddie Cochran Optik Als der Anruf aus der Redaktion kam, ob ich Lust hätte, eine Gretsch Eddie Cochran zu testen, zögerte ich keinen Augenblick. Zum einen spiele ich selbst viel Rock’n’Roll und Fifties Roots Music und zum anderen haben mich die Gitarren der Firma Gretsch schon immer fasziniert. Als ich dann vor zwölf Jahren noch Brian Setzer mit seinem Orchester in Amerika hautnah live erleben durfte, war es um mich vollends geschehen. Eine bessere Show habe ich seitdem nie mehr gesehen. Was er damals auf der Bühne machte, war nachhaltig beeindruckend. Dieser Sound zwischen fett und brillant mit leichter Verzerrung infizierte mich mit dem Gretsch-Bazillus. Eine Gretsch gehört quasi zur Standardausrüstung, der USKlassiker für jeden Rockabilly-Gitarristen. Einen Koffer zu öffnen, ist immer spannend, aber bei einer Gretsch kommen bei mir dann doch fast Weihnachtsgefühle auf. Allein schon die Farbe: Western Maple Stain, dieses warme Orange mit einem Hauch von Honig, das war bereits früher auf den alten Gretsch Gitarren zu finden. Bei richtigem Winkel offenbaren sich auch etliche zarte Riegel, die die Decke zieren. Dass die Optik hier nicht zu kurz kommen darf, zeigen auch die Goldhardware, die Griffbretteinlagen im Westernstyle und natürlich die G-Brandmarke neben dem Bigsby-Vibrato. Bindings an Hals, Korpus und den F-Löchern vervollständigen den showmäßigen Eindruck. Bei solch einem Auftreten ging nicht nur mir, sondern auch anderen ein begeistertes „Wow!“ über die Lippen. Konstruktion Die 6120 Nashville, gebaut als Chet Atkins Modell von 1954 bis 1960, erfuhr im Laufe ihrer Geschichte mehrere Veränderungen. Das betraf vor allem Pickups, Verbalkung und das Holz der Griffbretter. Auch optische Details wie die Griffbretteinlagen variierten mit der Zeit. Die Grundkonstruktion aber blieb immer die gleiche: Eine Hollowbody, bei der Boden, Zargen und Decke aus gesperrtem Ahorn gefertigt wurden, ebenso aus Ahorn auch der Hals. Die Eddie-Cochran-Gitarre entspricht genau dieser Bauweise, und da es sich um einen Nachbau eines frühen Modells handelt, besteht das Griffbrett aus Palisander, der Sattel aus Messing und nicht aus Ebenholz bzw. aus Knochen wie beispielsweise bei den späten Jahrgängen. Als Tonabnehmer fungiert in Stegposition ein Dynasonic, ein Nachbau eines DeArmond Pickups, der bis zum Einbau der Filtertrons aus eigener Produktion verwendet wurde. Am Hals aber sitzt ein P-90 von Lindy Fralin, was diese Gitarre von allen anderen Gretschs deutlich unterscheidet. Die Schaltung funktioniert auch etwas anders als gewohnt. Der Dreiweg-Toggle-Switch zur Tonabnehmeranwahl ist wie bei anderen Herstellern, es folgen zweimal Volume, Mastertone und Gretsch-typisch ein Mastervolume. So kann man alle Mischklänge der beiden Pickups in der Lautstärke regeln. Noch eine Besonderheit sind die Gurtpins: Der Gurt wird auf einen Dorn mit Gewinde gesteckt und dann mit einer großen Rändelmutter, fast so groß wie ein Poti, fixiert. So etwas wie eine Vintageform eines Straplocks. Ein Wort noch zur Verarbeitung: Die Eddie Cochran wird in Japan gefertigt und ist einfach tadellos. Alles andere hätte mich auch sehr gewundert. grand gtrs 69 GRAND ELECTRICS verwenden. Ich denke, der Austausch des werksseitig vorhandenen Saitensatzes gegen einen stärkeren würde sich akustisch wie auch elektrisch noch fetter äußern. Am Amp DETAILS Hersteller: Gretsch Modell: G6120 Eddie Cochran Signature Hollowbody Herkunftsland: Japan Korpus: Archtop 16“, Decke, Boden und Zargen aus dreifach gesperrtem Ahorn, Parallel Bracing Lackierung: Western Maple Stain, Gloss Urethane Hals: Ahorn zweiteilig Griffbrett: Palisander, 9,5“ Radius Mensur: 62,5 cm Bünde: 22 Sattel: Messing Mechaniken: Grover 98G Sta-Tite Open Steg: Rosewood Based Polished Aluminum Compensated Bigsby Pickups: 1x Lindy Fralin P 90 Dogear, 1x Dynasonic Single Coil Schaltung: Dreifach Toggle Switch, 2x Volume, 1x Mastertone, 1x Mastervolume Vibrato: Bigsby B6BGVF Besonderheiten: Goldhardware, Locking Gurtpins, Griffbretteinlagen, G-Brand Zubehör: Koffer Preis: 3.568 Euro Getestet mit: Fender Bassman ’64, Mesa Boogie MK I und MK III, Matchless DC 30 Typ Vertrieb: Fender Deutschland www.gretschguitars.com www.musicstore.de Bespielbarkeit & Trockentest In die Hand genommen, liegt sie erst mal sehr angenehm. Der Hals mit seinem C-Profil ist nicht zu kräftig und sorgt für ein entspanntes Spielen. Auffallend ist auch noch ein optisches Detail. Die Dotmarker im Griffbrettbinding leuchten in Orangerot, das sieht gut aus und ist mir so auch noch nicht untergekommen. Nur die Bünde hätte ich mir fetter gewünscht, aber das ist eben Vintage und der Originalität des Modells geschuldet. Sie sind sauber abgerichtet und poliert. Wenn eine Neubundierung ansteht, kann man ja immer noch drüber nachdenken. Was mir sehr gut gefällt: Trotz ihrer Größe ist sie alles andere als unhandlich. Dies liegt zum einen an dem niedrigen Gewicht und an der geringeren Zargentiefe, denn mit weniger als 7 cm ist sie um einiges schmaler als die meisten anderen Fabrikate. 70 grand gtrs Trocken angespielt entsteht das erste Aha-Erlebnis. Die Eddie Cochran kommt ganz leicht in die Gänge, geradezu spritzig, dabei hat der Ton etwas Leichtes, sehr Feines, ja fast etwas Zartes, aber auch Warmes. Für eine Hollowbody ist sie mit ausgezeichnetem Sustain ausgestattet. Vor einigen Jahren hatte ich ein Gretsch Brian-Setzer-Modell angespielt, die ich um einiges härter oder, anders ausgedrückt, vielleicht etwas spitzer in Erinnerung habe. Diesen weicheren, angenehmeren Ton führe ich auf das Palisandergriffbrett zurück, und auch der Aluminiumsteg dürfte seinen Beitrag dazu leisten. Die Dynamik ist so, wie ich mir das wünsche, alles, was man reinsteckt, kommt unbeschwert und wird mühelos übertragen. Dabei ist die Bespielbarkeit so gut, dass man nach ein paar Minuten keinen großen Unterschied zu einer Solidbody mehr spürt. Zwar sind die höchsten der 22 Bünde natürlich nicht so leicht zu erreichen, aber das tut der Spielfreude keinen Abbruch. Nachdem sie unverstärkt lauter ist als eine vollmassive E-Gitarre, könnte ich damit stundenlang üben, ohne einen Amp dafür zu Gretsch-Gitarren definieren sich durch einen sehr eigenständigen, ausgesprochen brillanten Klang. Muffige oder bedeckte Töne sind ihnen völlig fremd. Einen guten Anteil daran bestreiten sicher die Tonabnehmer. Denn sowohl die DeArmond-Typen als auch die späteren Filtertrons entwickeln das hohe Timbre, das diesen Gitarren ihren besonderen Soundcharakter verleiht. Wie sich das nun mit dem eher voluminös tönenden P-90 verträgt, der noch dazu in Halsposition eingebaut ist, interessierte mich dabei besonders. Also Amp an und los geht’s. Gleich zu Beginn fällt auf, dass der Output nicht besonders hoch ist. Nachdem die Pickups relativ weit von den Saiten entfernt sind, ist das ja auch kein Wunder. Höhenverstellbar sind sie nicht, lediglich die Polepieces sind justierbar. So gelingt es bestens, die ideale Balance zwischen den einzelnen Saiten einzustellen. Deshalb die Polepieces etwa um ein bis zwei Umdrehungen angehoben, damit es für mich auch optimal passt. Der P-90 kommt jazzig warm herüber, bringt dabei eine Luftigkeit, die den meisten anderen Gitarren dieser Bauweise abgeht. Viele Jazzgitarren neigen gerne zu einem Dick-und-muffig-Sound, der einer Gretsch völlig fremd ist. Auch verglichen mit meinen eigenen Gitarren, die mit P-90s bestückt sind und viel schneller dicht machen, klingt sie transparenter, leichter und mit akustischem Touch. Um jetzt noch eins oben draufzusetzen, kann ich nun den Dynasonic dazumischen. Oft ist es ja so, dass sich sehr unterschiedliche Tonabnehmer einfach nicht kombinieren lassen und dabei unbrauchbare Soundergebnisse entstehen. Nicht so in diesem Fall. Einen jazzigen Ton kann ich durch den Steg-Pickup stufenlos noch mit sparkling Highs versorgen, die ihm wirklich gut stehen, oder aber den Dynasonic mit mehr Low End versehen. Das Schöne daran ist, dass ich alle diese Mischungen durch das Mastervolume in der Lautstärke verändern kann, was mit einer „normalen“ Schaltung à la Gibson nicht möglich wäre. Auf diese Weise sind eine Unmenge an äußerst gut klingenden Schattierungen möglich. Der Kollege am Steg zeichnet erst mal ein grundsätzlich anderes Bild. Hier dominiert ein ausgeprägtes Höhenspektrum, das man manchmal ein klein wenig bremsen möchte. Als Vergleich möchte ich eine Strat heranziehen, deren Stegtonabnehmer auch etwas spitz klingt, nur kann ich bei der Gretsch den Tonregler einsetzen, um das Ganze in den Griff zu bekommen. Dieses oft nicht beachtete Poti ist schließlich nicht zur Dekoration da, sondern zur sinnvollen Verwendung. Sollte jeder mal versuchen. Auffallend ist diese akustische Note, die dieser Pickup hat. Nur die Filtertrons schlagen noch in die gleiche Kerbe, klingen für mich aber etwas glatter. Die Dynasonics sind da noch direkter und trennen die Saiten noch mehr. So stehen mir eine Menge super Clean Sounds zur Verfügung. Durch den P-90 noch eine ganze Ecke mehr als bei anderen Gretschs. Wenn dann noch ein SlapbackEcho dazukommt, ergibt das Rockabilly vom Feinsten. Das Tüpfelchen auf dem i ist allerdings das Bigsby Vibrato, mit dem der Sound den letzten Schliff an Originalität bekommt. Kein Vibratosystem kann so weich schimmern und ist bei entsprechendem Finetuning erstaunlich stimmstabil. Brian Setzer macht das live immer wieder vor, sogar ziemlich extrem. Bei steigender Lautstärke gebärdet sie sich natürlich recht ungestüm und neigt schnell zum Koppeln, da hat man schon einiges zu tun, um sie im Zaum zu halten, aber mit Volumepoti und Winkeländerungen zum Amp ist das einigermaßen zu kontrollieren. Schwieriger wird Anzeige The Biggest European Guitar-Amplifier Boutique-Store! D-90592 Schwarzenbruck | Buchenweg 13 | Phone: 0049-9183-902 90 24 | www.proguitar.de | [email protected] GRAND ELECTRICS Empfehlenswerte Scheiben zu Eddie Cochrans Musik: Eddie Cochran – Somethin’ Else! (8-CD Box mit 192-seitigem Buch) Eine Werkschau sämtlicher Gesangsaufnahmen Eddie Cochrans als Solo-Künstler und Mitglied der Cochran Brothers. Neben zeitlosen Hits wie „Twenty Flight Rock“, „Sittin’ In The Balcony“, „Summertime Blues“ und „C’mon Everybody“ sind Outtakes, Testaufnahmen und Live-Mitschnitte enthalten. Das Begleitbuch im Format 30 x 30 cm enthält seltene Fotos, Hunderte von Label- und Cover-Reproduktionen und eine neu recherchierte Biografie von Stuart Colman. Eddie Rocks (1-CD Digipack mit 40-seitigem Booklet, 35 Titel, Spieldauer: 70:58) Die erste CD, die nichts als den rockenden Eddie Cochran präsentiert. Mit allen Tempo-Tracks seiner LP von 1957 „Singin’ To My Baby“ sowie selteneren Titeln wie „Completely Sweet“ und „Stockings And Shoes“. Hier gibt es alles, von Eddies ersten Rock’n’Roll-Aufnahmen als Solist Anfang 1956 bis zu seiner letzten Studiosession im Januar 1960: Anschnallen – denn hier rockt Eddie Cochran. es allerdings, wenn man mit steigendem Gain arbeitet. Die Rückkopplungen der Gitarre sind dann bald nicht mehr in den Griff zu kriegen und der Dynasonic ist schon etwas feedbackempfindlich. Zudem ist der starke Höhenanteil eher dazu angetan, Verzerrungen ziemlich harsch wiederzugeben. Da braucht es einiges Fingerspitzengefühl bei der Verstärkereinstellung und viel Vorsicht beim Höhenregler, um ein gutes Ergebnis zu bekommen. Aber für einen saftigen Crunch Sound reicht es allemal. Bei Verwendung von Overdrive-Pedalen eignen sich am besten solche der eher milderen Sorte wie z. B. der Tube Screamer, damit es nicht zu heftig wird. Der beste Bereich ist der, an dem die ersten sanften Verzerrungen beginnen und mehr unterschwellig, also nicht bewusst, wahrgenommen werden. So kann ich mir vorstellen, einen Gig locker und mit Laune zu bestreiten und dabei jede Menge Spaß zu haben. Genauso wie beim Testen dieser Gitarre. Resümee Eddie Cochran – At Town Hall Party (DVD mit 12-seitigem Booklet, 17 Einzeltitel, Spieldauer: 31:12) Wir schreiben das Jahr 1959, Eddie Cochran tritt mit seiner Band in der legendären „Town Hall Party“ auf. Ein Bilddokument aus der Hochzeit des Rock’n’Roll. Neben „Old School West Coast“-Interpreten wie Merle Travis traten hier auch Johnny Cash, Wanda Jackson, Carl Perkins und Gene Vincent auf. www.bear-family.de 72 grand gtrs Die Gretsch Eddie Cochran ist ein Instrument so ganz nach meinem Geschmack. Sauber verarbeitet und super bespielbar ist sie eine Gretsch, wie man sie sich vorstellt. Durch den P-90 in der Halsposition aber bietet sie für mich um einiges mehr an Flexibilität als andere G6120-Modelle. Die Farbe und kleinen Details machen sie zudem zu einem optischen Leckerbissen, der fast jeden begeistert. Also rauf auf die ■ Bühne und lasst die Show beginnen!