FORUM der GEOÖKOLOGIE - Bürger schaffen Wissen

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FORUM der GEOÖKOLOGIE - Bürger schaffen Wissen
FORUMGHUGEOÖKOLOGIE
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Neues aus dem Verband
Außerdem
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Inhalt
Inhalt
Schwerpunkt: Citizen Science
Einführung: Citizen Science
Von Susanne Hecker und Aletta Bonn
6
BürGEr schaffen WISSen – Wissen schafft Bürger (GEWISS): Entwicklung von Citizen Science-Kapazitäten in D.
8
Von David Ziegler, Lisa Pettibone, Susanne Hecker, Wiebke Rettberg, Anett Richter, Laura Tydecks, Aletta Bonn und Katrin
Vohland
Tagfalter-Monitoring Deutschland – Ehrenamt für die Wissenschaft
Von Elisabeth Kühn, Martin Musche, Reinart Feldmann, Alexander Harpke, Martin Wiemers, Norbert Hirneisen, Oliver
Schweiger und Josef Settele
12
Der „Mückenatlas”: Passives Stechmücken-Monitoring unter Beteiligung der Öffentlichkeit
Von Doreen Werner und Helge Kampen
17
Ein unkonventioneller Blick auf das Thema Citizen Science: MaxCine als Ort für Impulse und Austausch
Von Babette Eid
21
Citizen Science und Vereine – Potenziale der Zusammenarbeit
Von Severin Goerss
25
VGöD-Intern
Kurzmitteilungen
2
GeoökologInnen erzählen
3
Steuerbescheinigung
5
Geoökologie
Umweltnaturwissenschaftliche Studiengänge: Masterstudiengang „Umweltplanung / Environmental Planning“ an der
Technischen Universität Berlin
29
Kurzmitteilungen
29
Neues aus Forschung und Praxis
Multiple Umweltauswirkungen der kommerziellen Plantagenwirtschaft in Zentralchile
30
Was, wenn wenig Wind weht? Forschung an Luftströmung und Ausbreitung in Schwachwindsituationen
35
Sonstige Rubriken
Editorial
1
Mitglied werden
38
Forschungseinrichtungen: Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ)
39
Rezension
39
Termine
41
Impressum
43
Vorschau
44
Editorial
Editorial
WissenschaftlerInnen und BürgerInnen
verstanden; eine Zusammenarbeit, die
von der Datenerhebung durch die BürgerInnen bis hin zur Entwicklung gemeinsamer wissenschaftlicher Studien
reichen kann. Im Bereich der Vogelbeobachtung hat die Citizen Science beispielsweise schon eine lange Tradition
und seit vielen Jahren werden Vogelbeobachtungen auf Internetplatformen wie
dem eBird-Projekt der Cornell University eingetragen. Hier entsteht eine
Datenmenge, die durch traditionelle
wissenschaftliche Methoden nicht mit
dieser hohen räumlichen und zeitlichen
Auflösung erreicht worden wäre.
L
iebe Leserinnen und Leser,
immer mehr Bürgerinnen und
Bürger engagieren sich ehrenamtlich im Bereich der Wissenschaft.
Sie arbeiten zwar nicht beruflich als
WissenschaftlerInnen, aber dennoch
tragen sie wesentlich zur Umweltbeobachtung sowie Datenaufnahme bei
und helfen dabei, Wissenschaft in die
Gesellschaft zu integrieren. So werden
sie selbst zu sogenannten Bürgerwissenschaftlern, auch Citizen Scientists
genannt. Unter Citizen Science wird die
enge Zusammenarbeit zwischen
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
In dem Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe werden euch eine Reihe spannender Citizen Science Projekte vorgestellt,
die unter anderem die weitreichende
Anwendbarkeit des Ansatzes verdeutlichen: Von Mückeneinsendungen zur
Erstellung eines deutschlandweiten
Mückenatlas über Schmetterlingzählungen bis hin zu Zugvögelbeobachtungen in Verbindung mit umweltpädagogischen Methoden. Zudem beschreibt
ein Beitrag ein Projekt, dessen übergreifendes Ziel es ist, die Kapazitäten für
die Zusammenarbeit von ehrenamtlichen und institutionellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu för-
dern und neue Formen von Citizen
Science zu entwickeln. Ein weiterer
Artikel wirft einen kritischen Blick auf
Bürgerwissenschaft im Rahmen von
ehrenamtlicher Vereinsarbeit. Außerdem erwartet euch in der Rubrik Neues
aus Forschung und Praxis ein Beitrag
über die Erforschungen von Luftströmungen bei Schwachwindsituationen
sowie ein Bericht aus Chile über die
Umweltauswirkungen kommerzieller
Plantagenwirtschaft.
Viele von euch haben auch an der diesjährigen Jahrestagung des VGöD in
Potsdam teilgenommen, die mit fast
100 Teilnehmenden und vielen interessanten und ausgebuchten Workshops
sowie Exkursionen ein großer Erfolg
war. In unserer nächsten Ausgabe des
FORUMS (1/2015) werden wir im Detail
über die Vorträge und Seminare berichten.
Nun wünsche ich euch, im Namen der
gesamten Forumsredaktion, schöne und
geruhsame Weihnachtstage, das Allerbeste für das Neue Jahr – und viel Spaß
beim Lesen dieser Ausgabe!
Eure Silja Hund
1
VGöD-Intern
Kurzmitteilungen aus dem VGöD
Gruppencoaching
Ab 2015 können wir dir ein GruppenCoaching anbieten. Coaching ist ein
Weg zur Weiterentwicklung der eigenen beruflichen Ziele mit professioneller Unterstützung. Wir haben Angebote
von Coaches in Berlin und Tübingen,
die Gruppen zwischen 6 und 12 Teilnehmenden für zwei Tage begleiten
würden. Die Kosten pro Gruppe liegen
bei rund 2400 €. Davon sponsern wir 25
Prozent! Doch zuerst wollen wir wissen: Willst du ein Coaching wahrnehmen? Wenn ja, wo – in Berlin oder
Tübingen? Wenn ja, wozu – was sind
Deine thematischen Prioritäten? Schreib
uns (vgoed(at)geooekologie.de). Wir
sammeln Eure Wünsche und organisieren das Coaching, sobald es genügend
InteressentInnen gibt.
Euer Vorstand
men mit Wolfram Canzler Ansprechpartner für die GeoökologieStudierenden. Die Lokalreferate des
VGöD stellen die Verbindung zwischen
den Studienstandorten und dem Verband her, machen vor Ort die Angebote
des VGöD bekannt und organisieren
selbst Veranstaltungen. In der nächsten
FORUM-Ausgabe wird sich Arno euch
persönlich vorstellen. LaD
Werde LokalreferentIn in
Bayreuth
Das Lokalreferat Bayreuth ist derzeit
unbesetzt. Deshalb suchen wir dich!
Hast du Lust, folgende Aufgaben zu
übernehmen?
•
AnsprechpartnerIn für die Geoökologie-Studierenden in Bayreuth
sein
•
Veranstaltungen am Studienstandort anregen und koordinieren, z.B.
zu den Themen Praktikum, Berufseinstieg oder Arbeitswelt
•
Angebote und Veranstaltungen des
VGöD vor Ort bekannt machen
Verstärkung im Lokalreferat
Freiberg
Am Studienstandort Freiberg hat das
Lokalreferat Unterstützung bekommen.
Seit Anfang November ist der neue
Lokalreferent Arno Buchholz zusam-
2
•
Als LokalreferentIn bekommst du einen
breiten Einblick in die Tätigkeiten des
VGöD, wirst in diese eingebunden und
kannst dir ein breites Netzwerk zu Studierenden, Lehrenden, Forschenden und
Berufstätigen aus der Praxis aufbauen.
Es lohnt sich!
LaD
Bei Interesse und Nachfragen bitte melden bei Stephan Mummert:
stephan.mummert(at)geooekologie.de
Jahresübersicht
Liebe FORUM-Leserschaft,
wir möchten euch in dieser Ausgabe
darüber informieren, dass es aus Kosten- und Kapazitätsgründen ab diesem
Jahr keine gesamte Jahresübersicht
mehr als Beihefter in der Jahresendausgabe geben wird. Einen Überblick über
alle bisherigen Schwerpunktthemen
findet ihr wie gehabt auf der Internetseite des VGöD www.geooekologie.de
unter FORUM >Ausgaben.
LaD
Kontakt zur Redaktion des FORUMs
halten und ggf. Beiträge verfassen
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
VGöD-Intern
GeoökologInnen erzählen
Luise Neumann-Cosel
In dieser Ausgabe berichtet Luise Neumann-Cosel anhand von 13 vorgegebenen Fragen von ihren Erfahrungen aus Studium und Beruf. In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf die Rubrik „Geoökologie
im Beruf“ auf der Homepage www.geooekologie.de hinweisen, in der unterschiedliche Berufsbilder vorgestellt werden.
Warum haben Sie sich für das
Studium der Geoökologie
entschieden?
I
ch war auf der Suche nach einem
Studium, mit dem ich ökologische
Zusammenhänge auf großer Skala
besser verstehen lernen kann. In der
Schule haben mir die Naturwissenschaften immer schon Spaß gemacht.
Da war Geoökologie naheliegend. Alternativ hätte ich auch die Möglichkeit
gehabt, Meteorologie zu studieren.
Aber der stärker angewandte Fokus der
Geoökologie hat mir mehr zugesagt und
am Ende den Ausschlag gegeben.
Wo und mit welchem
Schwerpunkt haben Sie
studiert?
An der Universität Potsdam; meine
Schwerpunkte waren Bodenkunde und
Modellierung & Datenanalyse.
Gab es etwas, das Sie
während des Studiums
gestört hat und das Sie gerne
geändert hätten? Was haben
Sie hingegen als besonders
positiv empfunden?
Gestört haben mich die altbackenen
Veranstaltungen, die es wohl überall
gibt: Unleserliche Overhead-Folien und
uralte Vorträge. Auch die schlecht vorbereiteten Seminare, die nur aus
Pflichtvorträgen der Studierenden bestanden und in denen es weder Debatte
noch einen Lerneffekt gab, waren ziemlich ermüdend. Positiv war die nahe
Anbindung des Studiums an die ForFORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
schungsinstitute in Potsdam und darüber hinaus. Und die großartigen Möglichkeiten, Studienarbeiten und Feldpraktika im Ausland zu absolvieren.
Das hat mir nicht nur viel wertvolles
Wissen vermittelt, sondern auch viele
Türen in den Bereich der Forschung
geöffnet.
Zu welchem Thema haben Sie
Ihre Abschlussarbeit verfasst?
Zur Dynamik von Bodenkohlenstoff
unter verschiedenen Formen der Landnutzung in den Tropen.
Wie war der Berufseinstieg für
Sie und in welchem Bereich
haben Sie als erstes nach dem
Studium gearbeitet?
Mein Berufseinstieg fand eigentlich
schon während des Studiums statt. Ich
habe bereits parallel zu Abschlussarbeit
und -prüfungen Teilzeit gearbeitet.
Allerdings nicht im typischen Feld der
Geoökologie, sondern bei einer NGO
im Energiebereich.
Was machen Sie heute
beruflich?
Ich leite eine Energiegenossenschaft.
Von den Studieninhalten der Geoökologie bin ich in meiner täglichen Arbeit
also leider ziemlich weit entfernt, was
ich ab und zu auch bedauere, aber...
Welche Inhalte / Erfahrungen
des Studiums helfen Ihnen
auch heute noch im
beruflichen Alltag?
… viele Erfahrungen aus der Uni brauche ich trotzdem jeden Tag in meinem
Job: Angefangen schon beim Handwerkszeug (wie z.B. die vernünftige
Bedienung von MS Excel...) und der
Organisation von Arbeit mit vielen
Menschen. Auch die Sprachkenntnisse,
die ich während meines Studiums erworben habe, helfen mir weiter. Was
aber letztlich fast das Wichtigste war:
Während des Studiums habe ich nicht
nur viele inspirierende Menschen und
Arbeitsfelder kennengelernt, sondern
hatte auch die Gelegenheit und die Zeit,
mich umzuschauen und auszuprobieren,
um schließlich eine Idee zu bekommen,
was, wo und wie ich arbeiten möchte.
Aus heutiger Sicht: Welche
zusätzlichen Studieninhalte /
Kompetenzen hätten Ihnen
für Ihre jetzige Position
geholfen?
Juristische und (betriebs-) wirtschaftliche Grundlagen. Dass ich die im Studium nicht bekommen habe, lag aber eher
an meiner Studienwahl als am Aufbau
des Studiengangs der Geoökologie.
Welche anderen beruflichen
Stationen waren für Sie von
besonderer Bedeutung und
warum?
Mein Einstieg im NGO-Bereich war
meine wichtigste Station: Hier habe ich
nicht nur jede Menge wertvolle Kontakte gewonnen und unheimlich viel praktisches Wissen und Erfahrungen sammeln können. Vor allem habe ich hier
auch das Gefühl gehabt, einer wirklich
3
VGöD-Intern
sinnvollen und notwendigen Tätigkeit
nachgehen zu können, die mir liegt.
Falls Sie promiviert haben,
würden Sie es wieder tun?
Bzw. falls Sie nicht promoviert
haben, haben Sie es jemals
bereut?
Ich habe nicht promoviert. Gelegentlich
überlege ich, ob mir dadurch etwas
fehlt. Ich glaube aber, dass mir das
Arbeiten an einer Dissertation momentan nicht weiterhelfen würde. Zumindest im Moment treibt mich eher die
Arbeit an konkreteren, brennenden
Fragestellungen im politischen und
energiewirtschaftlichen Umfeld mit
schneller sichtbaren Ergebnissen an.
Aber vielleicht ändert sich das ja auch
nochmal...
4
Was sind Ihrer Meinung nach
relevante Themen, mit denen
sich GeoökologInnen heute
beschäftigen sollten?
Für mich war der globale Wandel – vor
allem im Hinblick auf Klima- und
Landnutzungswandel – immer die
drängendste Problematik. Das halte ich
nach wie vor für eine der zentralsten
Fragen, mit denen sich GeoökologInnen
beschäftigen sollten.
schauen – und dann hinterher gar nicht
wissen, was man mit sich anfangen
will.
Was möchten Sie heutigen
Lehrenden empfehlen?
Mein Gefühl war oft, dass die Lehrenden uns Studierende tendenziell eher
unter- als überschätzt haben. Dann wird
es im Kurs schnell langweilig.
Welchen Ratschlag möchten
Sie heutigen Studierenden mit
auf den Weg geben?
Lasst euch Zeit mit dem Studium! Nutzt
die Zeit, um euch umzugucken, nicht
nur an der Uni. Und nehmt alles mit,
was geht! Lieber nochmal ein Semester
dranhängen und ein bisschen in ein paar
„fachfremde“ Kurse reinschnuppern,
Sprachkurse belegen oder Praktika
machen, als streng nach Fahrplan studieren, ohne nach rechts und links zu
Luise Neumann-Cosel
Kontakt:
info(at)buerger-energie-berlin.de
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
VGöD-Intern
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
5
Schwerpunkt
Citizen Science
Von Susanne Hecker und Aletta Bonn, Leipzig
B
ürgerinnen und Bürger in wissenschaftliche Arbeit einzubeziehen, ist kein
neuer Ansatz und über den gesamten
Globus verbreitet. Er erfährt derzeit unter dem
Begriff Citizen Science besondere Beachtung.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
diskutieren durchaus kontrovers die Potenziale
und Hindernisse des Ansatzes, die Forschungspolitik lotet die Bedeutung dieser Kooperationsformen aus und die Medien gestalten und
begleiten kritisch den Dialog zwischen Wissenschaft und Bürgerschaft. International tritt
Citizen Science aus dem Stadium eines ProjektAnsatzes in die Phase der Vernetzung und
Institutionalisierung ein: In Europa gründet sich
im Frühjahr 2014 die European Citizen Science
Association (ECSA, http://ecsa.biodiv.naturkundemuseum-berlin.de), mit Sitz in Berlin,
in Australien schließen sich im selben Jahr
Praktiker und Wissenschaftler zum
Citizen Science Network Australia (CSNA,
http://csna.gaiaresources.com.au/wordpress)
zusammen, und in den USA lädt die
Citizen Science Association (CSA,
http://citizenscienceassociation.org)
zu ihrer offiziellen Eröffnungskonferenz im
Februar 2015 ein.
Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Citizen
Science-Projekte zu verschiedenen Themen
und mit unterschiedlichen Methoden. Das Potenzial ist beachtlich. Dies gilt zum einen für
das Bedürfnis nach Beteiligung von Seiten der
Bürgerinnen und Bürger, wie zuletzt das Wissenschaftsbarometer 2014 von Wissenschaft im
Dialog (www.wissenschaftsbarometer.de) belegt, wonach sich ein Drittel aller Bürgerinnen
und Bürger gerne in wissenschaftlichen Projekten engagieren würden. Zum anderen gilt es für
die Erkenntnis auf wissenschaftlicher und wissenschaftspolitischer Ebene, dass Bürgerinnen
und Bürger früher und intensiver insbesondere
in die Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung
eingebunden werden müssen, um sowohl mehr
Wissensdomänen zu integrieren, als auch die
Akzeptanz und Umsetzung der Forschungsergebnisse zu erhöhen. Ähnliche Stellung bezieht
das neue Global Change Programm „Future
6
Earth“ (www.icsu.org/future-earth/who) und
das EU-Programm Horizon 2020
(http://ec.europa.eu/programmes/horizon2020),
in dem es neben technischen auch um soziale
Innovationen geht sowie um Werte und Vorstellungen im Rahmen der Entwicklung nachhaltiger Pfade.
Wer hofft, mit dem Suchbegriff Citizen Science
eine eindeutige Antwort zu finden, wird enttäuscht werden. Citizen Science ist vielmehr
ein Forschungsansatz als eine festgelegte Methode. Für die Lektüre dieser FORUM-Ausgabe
möchten wir dennoch eine Orientierung geben,
basierend auf der Arbeitsdefinition des GEWISS Konsortiums (siehe Ziegler et al., dieses
Heft):
Unter Bürgerwissenschaft oder Citizen Science
verstehen wir Aktivitäten von Bürgerinnen und
Bürgern, die aktiv zur Vermehrung von wissenschaftlicher Erkenntnis beitragen. Dies geschieht in Kooperation mit etablierten wissenschaftlichen Einrichtungen und umfasst Aktivitäten unter Einbeziehung einer breiten Öffentlichkeit bis hin zu gezielter Zusammenarbeit
mit spezifischen Interessensgruppen.
Ziele von Citizen Science können sein:
•
Aktive Partizipation von Bürgerinnen und
Bürgern in wissenschaftlichen Prozessen,
vom erhöhten Potenzial zur Datenaufnahme und -aufbereitung bis zur aktiven Beteiligung bei der Konzeption und dem Design von Forschungsstudien
•
Steigerung des Verständnisses, der Akzeptanz sowie der Mitsprachemöglichkeiten
und Umsetzungspotenziale für Forschung
in der Gesellschaft
•
Stärkung der Wissenschaft durch Nutzung
von in der Bevölkerung vorhandenem
Wissen und Kapazitäten und Einbringen
von neuen Sichtweisen, Informationen und
Erkenntnissen sowie neuen Partnerschaften
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
Citizen Science stellt eine wichtige
Bereicherung für Wissenschaft und
Gesellschaft dar – die Potenziale, Grenzen und Chancen dieser Kooperationsform sollten weiter im Dialog ausgelotet werden. Die Beiträge in dieser Ausgabe des FORUMs der Geoökologie
wollen dafür einen Beitrag leisten:
BürGEr schaffen WISSen – Wissen schafft Bürger (GEWISS):
Entwicklung von Citizen Science
Kapazitäten in Deutschland
Citizen Science und Vereine –
Potenziale der Zusammenarbeit
Severin Goerss zeigt in seinem Beitrag
das enorme Potenzial der Zusammenarbeit von Vereinen und einem Citizen
Science Ansatz auf – legt den Finger
aber auch auf die kritischen Punkte des
Zugangs zueinander und die Kommunikation untereinander, die besondere
Aufmerksamkeit verlangen.
Elisabeth Kühn und ihr Team präsentieren die Erkenntnisse eines bereits seit
zehn Jahren erfolgreichen Projekts zum
Tagfalter-Monitoring in Deutschland.
Der „Mückenatlas” – Passives
Stechmücken-Monitoring unter
Beteiligung der Öffentlichkeit
Doreen Werner und Helge Kampen
berichten über den wissenschaftlichen
Wert des seit 2012 aktiven Projekts
Mückenatlas, bei dem Bürgerinnen und
Bürger Stechmücken einsenden.
Ein unkonventioneller Blick auf
das Thema Citizen Science –
MaxCine als Ort für Impulse und
Austausch
iDiv | UFZ | FSU Jena
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-JenaLeipzig | Helmholtz Zentrum für Umweltforschung – UFZ | FriedrichSchiller-Universität Jena
Deutscher Platz 5a
Das Team von GEWISS fördert den
Ausbau von Kapazitäten zu Citizen
Science in Deutschland und diskutiert
dafür mit den unterschiedlichsten Akteuren in Dialogforen für die Citizen
Science Strategie 2020 für Deutschland.
Tagfalter-Monitoring Deutschland – Ehrenamt für die Wissenschaft
Prof. Dr. Aletta Bonn
D-04103 Leipzig
Susanne Hecker (M.A.)
iDiv| UFZ
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-JenaLeipzig | Helmholtz Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Deutscher Platz 5a
D-04103 Leipzig
E-Mail: susanne.hecker(at)idiv.de
Susanne Hecker studierte Germanistik
und Romanistik an der Freien Universität
Berlin und der Sorbonne Nouvelle in
Paris. Nach ihrem Studium arbeitete sie
mehrere Jahre national und international
im Bereich Kommunikation und Redaktion, bevor sie 2010 die Wissenschaftskommunikation eines Instituts der Leibniz-Gemeinschaft übernahm.
Aletta Bonn studierte Biologie an der
Freien Universität Berlin, University of
Bangor und TU Braunschweig. Mit langjähriger Erfahrung in der Naturschutzforschung und dem Forschungsmanagement
hat sie an der University of Sheffield, im
Peak District Nationalpark und für IUCN
UK (International Union for the Conservation of Nature) in Großbritannien sowie an der Freien Universität Berlin und
dem UFZ gearbeitet.
Sie erhielt einen Ruf auf die Professur
„Ecosystem Services" am iDiv HalleJena-Leipzig, eine gemeinsame Berufung
der Friedrich-Schiller-Universität Jena
und dem UFZ in Leipzig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich
Ökosystemleistungen und partizipativer
Naturschutz an der science-policysociety Schnittstelle.
Seit 2014 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am iDiv Halle-Jena-Leipzig |
UFZ Leipzig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Citizen Science, internationale Forschungssysteme
und Wissenschaftskommunikation.
Babette Eid wirft einen unkonventionellen Blick auf Citizen Science als Leiterin des Zentrums für Kommunikation
und Austausch des Max Planck Instituts
für Ornithologie. Sie knüpft die Verbindung zwischen Bürgerbeteiligung
und Pädagogik und plädiert für die
Überwindung von Fachgebieten und
Expertentümelei.
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
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Schwerpunkt
BürGEr schaffen WISSen – Wissen schafft
Bürger (GEWISS)
Entwicklung von Citizen Science-Kapazitäten in Deutschland
Von David Ziegler, Lisa Pettibone, Susanne Hecker, Wiebke Rettberg, Anett Richter, Laura Tydecks,
Aletta Bonn und Katrin Vohland
E
hrenamtliches Engagement für
die Wissenschaft hat Tradition,
man denke nur an die langjährige Zusammenarbeit von naturforschenden oder historischen Vereinen mit
Universitäten und Forschungsmuseen.
Die Aktivitäten sind vielfältig und heterogen: sie reichen von der Erforschung
der Insektenwelt über die Erschließung,
Digitalisierung und Auswertung geschichtlicher oder kunsthistorischer
Quellen bis hin zur Entdeckung neuer
Galaxien in den Tiefen des Universums.
Das Engagement von Bürgerinnen und
Bürgern für die Beantwortung wissenschaftlicher Fragestellungen boomt
derzeit unter dem Begriff Citizen Science – zu Deutsch Bürgerwissenschaften – und erfährt verstärkt politische
und mediale Aufmerksamkeit (Tweddle
et al 2012; Bonney et al 2009). Die
damit verbundenen Chancen und Möglichkeiten sind mannigfaltig und erstrecken sich von der Gewinnung großer
Datenmengen bis hin zu einer breiteren
Partizipation an der Lösung gesellschaftlich relevanter Probleme (Devictor et al 2010; Dickinson et al 2012).
Doch bei allen Optionen gilt es auch,
zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Allein die Beantwortung der Frage
nach dem aktuellen Stand der Bürgerwissenschaften in Deutschland wird
nämlich durch ihre eingangs beschriebene Vielfalt und Heterogenität –
gleichzeitig auch eine der großen Stärken des Konzepts – zu einer anspruchsvollen und wichtigen Aufgabe. Entsprechend besteht der Bedarf nach einer
wissenschaftlichen, gesellschaftlichen
und politischen Präzisierung, welche
Funktionen und Ziele Citizen Science
erfüllen soll und kann. Diese Analyse
kann sinnvoll nur an der Schnittstelle
von Gesellschaft, Wissenschaft und
Politik geschehen, um in einem größeren Kontext und unter Einbeziehung
aller Interessengruppen neue Kapazitäten zu schaffen.
Um die bestehenden Herausforderungen
anzugehen, einen umfassenden Kenntnisstand zu erarbeiten und die Potenziale der Bürgerwissenschaften im Dialog
mit allen Beteiligten zu erfassen, wurde
das Projekt BürGEr schaffen WISSen –
Wissen schafft Bürger (GEWISS) ins
Leben gerufen. Dabei handelt es sich
um ein Konsortium aus Einrichtungen
der Leibniz- und Helmholtz-Gemeinschaft und ihren universitären und
Abbildung 1: Think-Tank-Workshop Citizen Science, 08.07.2014 Kalkscheune Berlin (Foto: Hwa Ja Götz 2014).
8
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
außeruniversitären Partnern, welches
vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung für zwei Jahre mit finanziellen Mitteln ausgestattet ist.
GEWISS verfolgt das übergreifende
Ziel, die Kapazitäten für die Zusammenarbeit von ehrenamtlichen und
institutionellen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern zu fördern und
neue Formen von Citizen Science zu
entwickeln. Gleichzeitig sollen so Verständnis, Akzeptanz, Mitsprachemöglichkeiten und Umsetzungspotenziale
für Forschung in der Gesellschaft gesteigert werden (Vohland et al 2013).
Die Aktivitäten des GEWISSKonsortiums zur Erreichung dieser
Ziele sind unter anderem:
•
die Online-Plattform
www.buergerschaffenwissen.de zur
Präsentation und Vernetzung von
Citizen Science-Projekten in
Deutschland,
•
interaktive Dialogforen zur Erfassung bestehender praktischer Aktivitäten und zum Erfahrungsaustausch zwischen Bürgerinnen, Bür-
gern und Forschenden sowie die
Entwicklung eines Leitfadens für
Citizen Science-Projekte auf dieser
Grundlage,
•
die wissenschaftlich-konzeptionelle
Auswertung vorhandener Kapazitäten und
•
die Entwicklung technischer und
organisatorischer Ressourcen für
die weitere Verbreitung des Citizen
Science-Ansatzes (zum Beispiel
Trainings-Workshops, Schulungsmaterialien, Filme und entsprechende Downloads für die OnlinePlattform).
In einem Konsultationsprozess mit den
beteiligten Anspruchsgruppen soll bis
Anfang 2016 die Citizen ScienceStrategie 2020 für Deutschland entwickelt werden, die die Essenz dieser
Prozesse und Projekte zusammenfasst
und die Forschungspolitik hinsichtlich
der Möglichkeiten einer nachhaltigen
Förderung der Bürgerwissenschaften in
Deutschland informiert. Im Folgenden
werden die skizzierten Aktivitäten nä-
her vorgestellt.
Bürger schaffen Wissen –
online
Die Online-Plattform www.buergerschaffenwissen.de präsentiert und vernetzt Citizen Science-Aktivitäten in
Deutschland, um bestehende Ansätze
der Bürgerwissenschaften vorzustellen
und den Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren zu erleichtern. Die
dargestellten Projekte, welche sowohl
von institutionellen, als auch von ehrenamtlichen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern initiiert wurden, informieren über ihre jeweiligen Ziele,
Forschungsfragen und Beteiligungsmöglichkeiten. Interessierte können
über eine Suchmaske, in die sie inhaltliche Interessen, bevorzugte Tätigkeiten
oder regionale Verortung eingeben, das
für sie passende Projekt finden. Weitere
Recherchemöglichkeiten, beispielsweise in Bezug auf den Umgang mit Daten,
das Angebot von Weiterbildungsmaßnahmen oder den ökonomischen Auf-
Abbildung 2: Auftaktveranstaltung der Dialogforen Citizen Science, 17.-18.09.2014 KUBUS Leipzig (Foto: Florian Pappert 2014).
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
9
Schwerpunkt
wand, werden gegenwärtig entwickelt.
Die Plattform fungiert zudem als zentrales Kommunikationsinstrument für
das GEWISS-Konsortium: sämtliche
Berichte, Arbeitspapiere und Veranstaltungen werden hier veröffentlicht.
Kommunikation und Kontakt mit den
unterschiedlichen Stakeholdern werden
durch zeitgemäße Social MediaAktivitäten wie Newsletter, Diskussionsforum, Facebook-Seite und TwitterFeed sichergestellt.
Buergerschaffenwissen.de wird gemeinsam vom Museum für Naturkunde
Berlin (MfN) und der gemeinnützigen
GmbH Wissenschaft im Dialog (WiD)
technisch und redaktionell betreut und
vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung sowie dem Stifterverband der Deutschen Wissenschaft gefördert. Seit ihrem Online-Gang im Mai
2014 erfreut sich die Plattform großer
Resonanz; inzwischen präsentieren über
30 Citizen Science-Projekte hier ihre
Arbeit, während weitere Anfragen kontinuierlich in der Webredaktion eingehen. Das Betätigungsfeld der präsentierten Projekte ist breit aufgestellt: Neben
Aktivitäten der klassischen Naturforschung, wie beispielsweise dem Tagfalter-Monitoring-Deutschland, dem Mückenatlas oder interaktiven Karten zur
Verbreitung von Igeln und Wildschweinen in der städtischen Umgebung finden sich Projekte, die die Erforschung von historischen Gemälden
oder Textquellen durch Digitalisierung,
Erfassung in Computerdatenbanken und
innovative Auswertungsmethoden unterstützen. Die Vielfalt der beteiligten
Disziplinen zeigt, dass Citizen Science
für verschiedenste Wissenschaftsbereiche von Interesse sein kann. Fast die
Hälfte der Projekte sind dabei in Eigeninitiative ehrenamtlicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entstanden und werden oft aus Eigenmitteln
der beteiligten Vereine oder von Privatpersonen finanziert, was sowohl Chance
als auch Risiko sein kann.
An dieser Stelle sind alle Bürgerwissenschafts-Projekte herzlich eingeladen,
sich ebenfalls auf der Webplattform
vorzustellen. Bitte nehmen Sie Kontakt
10
Abbildung 3: Interaktive Diskussionen auf der Auftaktveranstaltung der Dialogforen Citizen Science, 17.-18.09.14 KUBUS Leipzig, (Foto: Florian Pappert 2014).
mit uns auf, wir unterstützen Sie gerne
bei der Erstellung einer Präsenz auf
unserer Homepage:
info(at)buergerschaffenwissen.de
Erste Einsichten aus den
Dialogforen
Als erste Veranstaltung wurde ein
Think Tank-Workshop am 08. Juli 2014
organisiert (Abb. 1), im Rahmen dessen
die 120 Teilnehmenden, darunter hochranginge Vertreterinnen und Vertreter
aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, strategische Fragen der Bürgerwissenschaften intensiv diskutierten.
Wichtige Erkenntnisse waren zum einen, dass Citizen Science anschlussfähig an eine Reihe von etablierten Netzwerken und Organisationen – wie beispielsweise Wissenschaftsläden oder
wissenschaftliche Fachgesellschaften –
ist und eine Vernetzung die Entwicklung von Synergien unterstützt. Zum
anderen wurde festgestellt, dass es
großen Bedarf an der Klärung offener
Fragen und der Weiterentwicklung von
Konzepten gibt, beispielsweise im Hinblick auf die Qualität von oder die
Rechte an Daten und Ideen.
Die Auftaktveranstaltung der Dialogforen Citizen Science wurde am 17. und
18. September 2014 durchgeführt (Abb.
2) und widmete sich stärker vertieften
inhaltlichen Fragen und den Anforde-
rungen und Ansprüchen der Bürgerwissenschaftsprojekte. Zwischen den vertretenen 130 Akteurinnen und Akteuren, darunter Initiatoren der unterschiedlichsten Projekte, kam es zu inspirierenden und konstruktiven Gesprächen (Abb. 3). Für das Jahr 2015 sind
sechs weitere Dialogforen zu inhaltlichen Schwerpunkten der Bürgerwissenschaften geplant, unter anderem zu den
Themen Umweltbildung, Ehrenamt und
Datenerhebung im Naturschutz, der
Rolle von Verbänden, Finanzierung und
Wissenschaftsförderstrukturen sowie
Datenqualitätssicherung. Die Erkenntnisse werden dann in einem Handlungsleitfaden mit Good-Practice-Beispielen
zusammengeführt, der die Konzeption
und Durchführung von Bürgerwissenschaftsprojekten unterstützen soll. Das
Bausteinprogramm zur Förderung von
Citizen Science-Kapazitäten beinhaltet
außerdem Trainingsworkshops für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Grundidee ist dabei, Kapazitäten zu
entwickeln, sodass Projekte in einer
hohen Qualität – sowohl in Bezug auf
die wissenschaftlichen Standards, als
auch die Kommunikation zwischen den
Beteiligten – durchgeführt werden können.
Citizen Science-Strategie 2020
Übergreifendes Ziel der Aktivitäten ist
die Erarbeitung einer Citizen ScienceFORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
Strategie 2020 für Deutschland. Dafür
sollen Möglichkeiten und Potenziale
von Citizen Science definiert sowie
konkrete Ziele und Handlungsempfehlungen für die Förderung der Bürgerwissenschaften formuliert werden. Um
zu gewährleisten, dass die Beiträge aller
Anspruchsgruppen berücksichtigt werden, wird dazu vom GEWISSKonsortium ein moderierter Konsultationsprozess durchgeführt. Folgende
Themenkomplexe zeichnen sich für die
Strategie ab:
•
•
Die wissenschaftliche Verankerung
von Citizen Science: Welches sind
erfolgversprechende Einsatzgebiete, wo liegen aber auch die Grenzen des Konzepts? Wie können
wissenschaftliche Gütekriterien an
Datenqualität und Validierung eingehalten werden, sodass die Ergebnisse von Citizen ScienceProjekten in wissenschaftliche
Analysen einfließen können? Wie
kann sichergestellt werden, dass
Forschenden, die im Bereich Citizen Science arbeiten wollen, alle
Optionen einer wissenschaftlichen
Karriere offen stehen?
Die gesellschaftliche Einbettung
der Bürgerwissenschaften: Wie
können ehrenamtliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
in ihren Aktivitäten am besten unterstützt werden? Wo entstehen
Synergien in der Zusammenarbeit
mit der institutionellen Forschung?
Welche Finanzierungsmöglichkeiten bestehen für Projekte, die nur
begrenzte Ressourcen für eine Beantragung von Forschungsförderung zur Verfügung haben? Wie
kann eine wissenschaftliche und
gesellschaftliche Anerkennung des
Engagements sichergestellt werden?
Konsortiums, das Konzept der Bürgerwissenschaften durch Vernetzung der
Stakeholder und Verbreitung von
Good-Practice-Beispielen, eine wissenschaftliche Bedarfsanalyse sowie die
gemeinsame strategische Erarbeitung
eines Leitfadens und der Citizen Science-Strategie 2020 für Deutschland zu
unterstützen.
Danksagung
Dies ist eine gemeinsame Publikation
des Konsortiums „BürGEr schaffen
WISSen – Wissen schafft Bürger“ des
Deutschen Zentrums für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv), des
Berlin-Brandenburgischen Instituts für
Biodiversitätsforschung (BBIB), des
Leibniz-Forschungsverbundes Biodiversität (LVB) und Wissenschaft im
Dialog (WiD), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF). Die Online Plattform
www.buergerschaffenwissen.de erhält
zusätzlich Förderung vom Stifterverband der Deutschen Wissenschaft.
Literatur
Bonney, R., Cooper, C. B., Dickinson, J.,
Kelling, S., Phillips, T., Rosenberg, K.
V., & Shirk, J. (2009): Citizen Science:
A Developing Tool for Expanding Sci-
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Devictor, V., Whittaker, R.J. & Beltrame, C.
(2010): Beyond scarcity: citizen science programmes as useful tools for
conservation biogeography. Diversity
and Distributions 16:354-362.
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ecological research and public engagement. Frontiers in Ecology and the
Environment 10:291-297.
Haug, K. W. (2014): Jahre im Feld ohne
Anerkennung. Wissenschaftsmanagement 20:24-26.
Löwer, C. (2012): Sind Sie auch schon
Forscher? P.M. Magazin. Available online: www.pm-magazin.de/r/
technik/sind-sie-auch-schon-forscher
Shirk, J. L., Ballard, H. L., Wilderman, C.
C., Phillips, T., Wiggins, A., & Jordan,
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17(2):29.
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hidden galaxies at record speed. Symmetry: Dimensions of Particle Physics.
Januar. Available online:
www.symmetrymagazine.org/article/ja
nuary-2014/citizen-scientists-discoverhidden-galaxies-at-record-speed
Tweddle, J.C., Robinson, L.D., Pocock,
M.J.O. & Roy, H.E (2012): Guide to
citizen science: developing, implement-
Fazit
Der Citizen Science-Ansatz bietet große
Potenziale für die wissenschaftliche
Forschung und erfüllt eine gesellschaftlich relevante Aufgabe in einer Wissensgesellschaft und Demokratie. Entsprechend ist es das Ziel des GEWISSFORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Das GEWISS-Team, v.l.n.r.: Wiebke Rettberg (Wissenschaft im Dialog), Susanne Hecker,
Aletta Bonn (Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung, iDiv Halle-JenaLeipzig), David Ziegler, Katrin Vohland (Museum für Naturkunde Berlin, MfN), Anett
Richter (iDiv), Lisa Pettibone (MfN), (Foto: Hwa Ja Götz 2014).
11
Schwerpunkt
ing and evaluating citizen science to
study biodiversity and the environment
in the UK. Natural History Museum
and NERC Centre for Ecology & Hydrology for UK-EOF. Available online:
www.ukeof.org.uk
Vohland, K., Knapp, M., Patzschke, E.,
Premke-Kraus, M., Zschiesche, M.,
Zimmer, R., Freitag, J., Herlitzius, L.,
Kaufmann, G. & Vogel, J. (2013):
Bürgerbeteiligung und internationale
Verhandlungen – die World Wide
Views on Biodiversity in Deutschland.
Naturschutz und Landschaftsplanung
45:148-154.
Autorinnen und Autoren
BürGEr schaffen WISSen – Wissen
schafft Bürger (GEWISS) ist ein Bau-
stein-Programm zur Entwicklung von
Citizen Science Kapazitäten. Als Konsortiumprojekt wird es von Einrichtungen der Helmholtz- und der LeibnizGemeinschaft mit ihren universitären
und außeruniversitären Partnern getragen. Beteiligte Partnereinrichtungen
sind das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Halle-Jena-Leipzig mit dem HelmholtzZentrum für Umweltforschung (UFZ)
und der Friedrich-Schiller-Universität
Jena; sowie das Berlin-Brandenburgische Institut für Biodiversitätsforschung (BBIB) mit den Institutionen
Museum für Naturkunde Berlin – Leibniz Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN), Leibniz-
Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Leibniz-Institut für
Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und
der Freien Universität Berlin. Projektpartner sind außerdem der LeibnizForschungsverbund Biodiversität
(LVB) und Wissenschaft im Dialog
(WiD).
Korrespondierender Autor: David Ziegler, Webredakteur der Online-Plattform
www.buergerschaffenwissen.de
Museum für Naturkunde Berlin
david.ziegler(at)mfn-berlin.de
www.buergerschaffenwissen.de
info(at)buergerschaffenwissen.de
Tagfalter-Monitoring Deutschland – Ehrenamt
für die Wissenschaft
Das methodische und regelmäßige Zählen von tagaktiven Schmetterlingen (Tagfalter-Monitoring) hat in
Europa Tradition. Bereits seit 1976 wird in Großbritannien eine Falterzählung durchgeführt. Seit 1990
zählen Falterfreunde in den Niederlanden und seit 2005 werden auch in Deutschland jedes Jahr in der
Zeit von April bis September Tagfalter erfasst.
Von Elisabeth Kühn, Martin Musche, Reinart Feldmann, Alexander Harpke, Martin Wiemers, Norbert
Hirneisen, Oliver Schweiger und Josef Settele, Leipzig
D
as Besondere daran ist, dass
die Zählungen von BürgerInnen in ihrer Freizeit durchgeführt und die Daten wissenschaftlichen
Einrichtungen zur Verfügung gestellt
werden. In Deutschland hat das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung –
UFZ die Koordination des TagfalterMonitoring Deutschland (TMD) übernommen und hier werden die Daten
auch ausgewertet.
Warum gerade
Schmetterlinge?
Schmetterlinge reagieren aufgrund ihrer
Lebensweise (kurze Entwicklungszeiten, hohe Reproduktionsraten und teils
sehr spezifische Habitatansprüche)
12
schnell auf Umweltveränderungen
(Klima- und/oder Landnutzungswandel)
und sind daher gute Indikatoren für den
Zustand der Umwelt und Biodiversitätsveränderungen. Dank der langjährigen Untersuchungen in verschiedenen
europäischen Ländern ist der Wissensstand über die Entwicklung der Bestände von Tagfaltern sowie über die verschiedenen Möglichkeiten der Auswertung von Monitoringdaten zudem sehr
gut (zum Beispiel Thomas et al. 2004,
van Strien et al. 1997).
Fast alle Tagfalterarten sind in Deutschland geschützt und deshalb von hoher
Relevanz für den Naturschutz. Darüber
hinaus haben Tagfalter nachweislich
einen hohen „Mitnahmeeffekt“, das
heißt durch den Schutz von Tagfaltern
werden auch zahlreiche andere Arten
und Artengruppen geschützt (Randle
2009).
In Deutschland gibt es etwa 3.700
Schmetterlingsarten, von denen der
überwiegende Teil zu den Nachtfaltern
gezählt wird. Etwa 150 Arten (ohne die
alpinen Spezies) gehören zur Gruppe
der Tagfalter und auf diese beschränkt
sich das Tagfalter-Monitoring Deutschland. Die Arten dieser Insektengruppe
sind mit etwas Übung relativ einfach zu
unterscheiden. Man muss also kein
Expertenwissen haben, um am Tagfalter-Monitoring teilzunehmen und kann
sich auch als AnfängerIn relativ schnell
ausreichende Artenkenntnis aneignen.
Wenn sie einmal eingearbeitet sind,
erfassen viele ZählerInnen zusätzlich
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
noch Widderchen sowie weitere tagaktive Nachtfalter.
Einer der Hauptgründe aber, warum bei
der Initiierung eines deutschlandweiten
Monitoringprojektes die Auswahl auf
die Tagfalter fiel, ist, dass viele Menschen schlichtweg Freude daran haben,
sich in der Natur mit einer emotional so
positiv belegten Insektengruppe wie
den Schmetterlingen zu beschäftigen.
Die Methode
Damit die Daten wissenschaftlich fundiert ausgewertet und europaweit verglichen werden können, werden die
Zählungen nach einem definierten
Standard entlang von festgelegten Zählstrecken (= Transekten) durchgeführt.
Die Lage und auch die Länge der Zählstrecke suchen sich die Transektzähler-
Innen selber aus. Eine Strecke wird in
Abschnitte von jeweils 50 Metern unterteilt. Gezählt wird in einem festgelegten Bereich von jeweils 50 Metern
Länge und 5 Metern Breite. In diesem
Bereich werden alle Tagfalterarten
erfasst sowie die Anzahl der Tiere pro
Art. Ein Transekt kann aus einem bis zu
maximal zehn Abschnitten (= 500 Meter) bestehen. Diese standardisierte
Zählung wird optimalerweise in der
Zeit von April bis September einmal
pro Woche bei geeignetem Wetter
(nicht zu kalt, nicht zu windig) durchgeführt. Einzelne Begehungen können
ausfallen, aber als Minimum werden
zehn Termine pro Saison angesehen.
Die ausführliche Anleitung ist nachzulesen in Kühn et al. (2014a). Wie eingangs erwähnt, werden solche Monitorings auch in Großbritannien, den Nie-
derlanden und einigen anderen europäischen Ländern nach (fast) der gleichen
Methode durchgeführt (van Swaay et al.
2008). Die Daten sind also europaweit
vergleichbar.
Wo wird gezählt?
Eine Übersicht über die Lage der in
Deutschland eingerichteten Transektstrecken gibt Abbildung 1. Da sich die
Zählenden die Lage ihrer Strecken
selber aussuchen, sind die Transekte
nicht gleichmäßig über Deutschland
verteilt und repräsentieren auch nicht
anteilig die verschiedenen Habitattypen
der Landesfläche. Größere Lücken gibt
es beispielsweise in sehr dünn besiedelten Gebieten wie in MecklenburgVorpommern oder in Bereichen mit
intensiver Agrarlandschaft wie in Niedersachsen. Vor allem in den Bereichen, in denen RegionalkoordinatorInnen aktiv sind, existieren viele Zählstrecken, da diese die ZählerInnen der
näheren Umgebung motivieren und
unterstützen. RegionalkoordinatorInnen
sind SchmetterlingsexpertInnen, die das
Projekt ehrenamtlich mit ihrem Fachwissen unterstützen, den ZählerInnen
bei der Bestimmung von Arten helfen,
Exkursionen anbieten oder die regionale Datenkontrolle übernehmen. Zudem
gibt es für jedes Bundesland eine ehrenamtliche Landeskoordination, die
sich insbesondere mit der Sicherung der
Datenqualität beschäftigen.
Von den circa 700 Strecken, die seit
2005 angelegt wurden, werden von
etwa 400 Strecken pro Jahr Daten an
das UFZ geliefert. Dies entspricht etwa
3.000 bis 3.400 Abschnitten mit einer
Gesamtlänge von über 15 Kilometern.
Pro Jahr werden im Durchschnitt
200.000 Individuen gezählt. Seit 2005
haben 636 TransektzählerInnen in
863.307 Einzelmeldungen insgesamt
2.253.534 Individuen gezählt.
Die Ziele
Abbildung 1: Verteilung der Transekte im Tagfalter-Monitoring Deutschland (Stand
September 2014), Quelle: science4you.
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Ziel des Tagfalter-Monitorings ist es,
die großräumige Bestandsentwicklung
der Tagfalterpopulationen zu erfassen.
Die meisten Transekte liegen nicht in
13
Schwerpunkt
Abbildung 2: Populationsentwicklung des Hauhechel-Bläulings (Polyommatus icarus) (Foto: Jutta Luft).
Schutzgebieten oder in besonders falterreichen Gebieten, sondern in Laufentfernung vom Wohnort der ZählerInnen.
Entsprechend werden auch überwiegend häufige Falterarten dokumentiert.
Von den knapp 150 in Deutschland
vorkommenden (außeralpinen) Tagfalterarten werden im Rahmen des Tagfalter-Monitoring Deutschland circa 120
Arten erfasst. Einige sehr seltene Arten
fehlen in der Erfassung und einige Arten werden aufgrund ihrer Lebensweise
seltener gemeldet als sie eigentlich
vorkommen.
Die im Rahmen des Tagfalter-Monitorings erhobenen Daten stellen für die
Wissenschaft einen einmaligen Datensatz dar. Denn nur selten werden Daten
zu einer Tiergruppe in einem solchen
Umfang und über einen so langen Zeitraum hinweg erhoben. Dieser Arbeitsaufwand ist nur mit der Hilfe von ehrenamtlichen ZählernInnen zu bewältigen. Die Daten bieten eine Vielzahl von
Auswertungsmöglichkeiten. So lassen
sich langfristige Bestandsentwicklungen analysieren, aus denen die aktuelle
Gefährdungssituation der Arten abgeleitet werden kann. Da neben den Tagfaltern auch die Lebensräume (Habitate) in
den einzelnen Transektstrecken erfasst
werden, sind Habitatmodellierungen auf
verschiedenen Skalen möglich. Langfristig können die Tagfalterdaten mit
Klima- und Landnutzungsdaten verschnitten werden, um die Ursachen von
14
Veränderungen der Phänologie – also
dem Einfluss von Witterung und Klima
auf die jahreszeitliche Entwicklung der
Pflanzen und Tiere – sowie Verbreitung
und Häufigkeit der Arten zu erklären.
Solche Analysen bilden eine wichtige
Grundlage für Entscheidungsträger in
der Planung und Gesetzgebung sowie
im Naturschutz und tragen zu einem
effektiveren Schutz der Biodiversität
bei.
Tagfalter als Indikatoren
Tagfalter erfüllen eine Reihe wichtiger
Kriterien, um als wirkungsvolle Indikatoren für Umweltveränderungen herangezogen werden zu können. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass
Tagfalter als wechselwarme Organismen mit kurzen Generationszeiten sehr
rasch auf Klimaveränderungen reagieren. So wurden beispielsweise Veränderungen der Phänologie (Stefanescu et
al. 2003), der Verbreitungsgebiete
(Pöyry et al. 2009) und der Populationsdynamik (Oliver et al. 2012) beobachtet, die durch rezente klimatische
Veränderungen erklärt werden können.
Klimanischenmodelle, bei denen die
momentane Verbreitung durch die derzeitigen Klimaverhältnisse erklärt wird,
zeigen, dass in Abhängigkeit vom jeweils zugrunde gelegten Klimawandelszenario viele europäische Tagfalterarten große Teile ihres nutzbaren Kli-
maraumes verlieren könnten (Settele et
al. 2008). Temperaturbedingte Veränderungen von Tagfaltergemeinschaften
zeigt der „Community Temperature
Index“ (Devictor et al. 2008) an. Dieser
Index kann sowohl auf regionaler
(Wiemers et al. 2013) als auch auf europäischer Skala (Van Swaay et al.
2010) als Klimawandelindikator verwendet werden. Auch durch Landnutzung verursachte Veränderungen von
Landschaft und Habitaten, wie Fragmentierung oder Sukzession, üben einen starken Einfluss auf Tagfalterpopulationen aus. Landnutzungseffekte spiegelt auch der „European Grassland
Butterfly Indicator“ wider (EEA 2013),
der einen starken europaweiten Rückgang der Tagfalterarten des Grünlandes
innerhalb der letzten elf Jahre nachweist. Die Entwicklung solcher Indikatoren kann sehr gut auf Basis von Daten
des Tagfalter-Monitorings erfolgen.
Beispielhafte Ergebnisse
Anhand von drei Arten soll beispielhaft
gezeigt werden, wie unterschiedlich
sich die Populationen von Tagfaltern
entwickeln können. Da Tagfalterpopulationen hohen Abundanzschwankungen unterliegen, sind Aussagen zu Bestandstrends erst nach längeren Zeiträumen von mindestens 10 Jahren möglich. Erste (vorsichtige) Trendanalysen
beschränken sich deshalb auf die ZahFORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
Abbildung 3: Populationsentwicklung des Schornsteinfegers (Aphantopus hyperantus) (Foto: Sigrid Lasmanis).
len ausgewählter häufiger Arten für den
Zeitraum von 2006 bis 2012, die im
Jahresbericht 2012 veröffentlicht wurden (Kühn et al. 2014b). Ein Rückgang
lässt sich zum Beispiel für den Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus,
Abbildung 2) aufzeigen. Diese weit
verbreitete Offenland-Art ist in den
letzten Jahren seltener im Rahmen des
Tagfalter-Monitorings gezählt geworden als in den Jahren zuvor. Anders
sieht es bei dem ebenfalls weit verbreiteten Schornsteinfeger (Aphantopus
hyperantus, Abbildung 3) aus, der einen
positiven Bestandstrend zeigt. Ein gutes
Beispiel für die Notwendigkeit langer
Zeitreihen sind die Daten des Kleinen
Fuchses (Aglais urticae, Abbildung 4),
dessen Populationen in den Jahren 2006
bis 2009 starke Rückgänge verzeichneten. In den darauffolgenden Jahren
wurde die Art jedoch wieder häufiger,
sodass über den Zeitraum von 2006 bis
2012 hinweg kein eindeutiger Trend zu
erkennen ist. Hier wird sich erst in den
folgenden Jahren zeigen, wie sich die
Bestände der Art langfristig entwickeln
werden.
Ausblick
Im Jahr 2015 feiert das TagfalterMonitoring Deutschland sein
10-jähriges Bestehen. In dieser Zeit hat
sich das Projekt sehr erfolgreich etabliert und ist eines der bekanntesten
Citizen Science-Projekte in Deutsch-
land geworden. Die Zahl der aktiven
TeilnehmerInnen lag im Jahr 2006
bereits bei circa 500 ZählerInnen bundesweit. Diese Zahl ist in den folgenden
Jahren mehr oder weniger konstant
geblieben, da Neuzugänge und Abgänge sich in etwa die Waage halten.
Die für das Monitoring Verantwortlichen am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ werben permanent für die Mitarbeit im Projekt, um
insbesondere auch jüngere Menschen
für die Beschäftigung mit Schmetterlingen zu begeistern. So wird jeden Sommer ein „Tagfalter-Monitoring Deutschland-Juniorcamp“ angeboten, bei dem
8 bis 16-jährige auf interessanten Exkursionen viel über Schmetterlinge und
Abbildung 4: Populationsentwicklung des Kleinen Fuchses (Aglais urticae) Foto: (Erk Dallmeyer).
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
15
Schwerpunkt
ihre Lebensräume erfahren. Die Gewinnung neuer Citizen Scientists macht
aber nur Sinn, wenn ihre Betreuung
durch RegionalkoordinatorInnen beziehungsweise das UFZ abgesichert werden kann. Gerade in der Anfangsphase
geben RegionalkoordinatorInnen entscheidende Starthilfe. Im Idealfall werden aus ZählerInnen, die sowohl gute
Kenntnisse der Arten als auch der Erfassungsmethode erworben haben, neue
RegionalkoordinatorInnen.
Wurden zu Beginn des Projektes die
Funde noch auf Papierbögen registriert
und an das UFZ gemeldet, so werden
die meisten Daten inzwischen von den
ZählerInnen selbst online eingegeben.
Die entsprechende Plattform wird kontinuierlich weiterentwickelt und ermöglicht es den Zählerinnen und Zählern
inzwischen, immer mehr eigene Bearbeitungen und Auswertungen der Daten
vorzunehmen.
Das Tagfalter-Monitoring Deutschland
ist auf gute Zusammenarbeit mit Unteren und Oberen Naturschutzbehörden
angewiesen, was in der Vergangenheit
mit beiderseitigem Nutzen gut funktioniert hat. Wünschenswert wären mehr
Aufmerksamkeit und Anerkennung für
das Projekt und seine Ergebnisse auch
durch Bundesinstitutionen.
Ebenso haben die Daten das Potenzial,
auf transnationaler Ebene nicht nur in
Auswertungen der Europäischen Umweltagentur einzugehen, sondern auch
in die der IPBES, der "Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services" und weiterer internationaler Prozesse.
Kontakt: Elisabeth Kühn
tagfalter-monitoring(at)ufz.de
Tel.: 0345-5585263
Abbildung 5: Das Team des Tagfalter-Monitorings Deutschland beim UFZ.
Literatur
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climate warming, but not fast enough.
Proc. R. Soc. B. 275, 2743-2748.
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Oliver T.H. & al. (2012): Reduced variability in range-edge butterfly populations
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Pöyry, J. & al. (2009): Species traits explain
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Randle, Z. (2009): Maculinea arion as an
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Stefanescu, C. & al. (2003): Effects of
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Wiemers, M. & al. (2013): Naturschutzfachliches Monitoring Klimawandel und
Biodiversität. Teil 2: Weiterentwicklung des Monitoringkonzeptes und
Auswertung ausgewählter vorhandener
Daten. Schriftenreihe des LfULG, 25,
1-167.
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
Der „Mückenatlas”
Passives Stechmücken-Monitoring unter Beteiligung der
Öffentlichkeit
Von Doreen Werner und Helge Kampen, Müncheberg & Greifswald
I
m April 2012 wurde das Citizen
Science-Projekt „Mückenatlas“
(www.mueckenatlas.de) gestartet,
welches interessierte Bürgerinnen und
Bürger in ganz Deutschland aufruft,
sich durch die Sammlung von Stechmücken aktiv in die Forschung einzubringen. Die gefangenen Insekten werden
an das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und das
Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) geschickt, die sie im Rahmen eines bundesweiten Stechmücken-Monitorings
wissenschaftlich bearbeiten und auswerten. Die EinsenderInnen erhalten im
Gegenzug das Ergebnis der Artidentifizierung sowie Details zur Biologie und
Ökologie „ihrer“ Spezies und können
sich auf einer interaktiven Deutschlandkarte, der „Mückenatlas“Homepage, als SammlerInnen mit ihrem Fundort eintragen lassen. Die Forschung gewinnt ihrerseits umfangreiche
Datensätze, beispielsweise zur Erstellung von Verbreitungskarten der einzelnen Arten. So führte der „Mückenatlas“ zur Entdeckung zweier zuvor nicht
bekannter Populationen der invasiven
Asiatischen Buschmücke Aedes japonicus in Deutschland.
Warum ist
Stechmückenforschung
wichtig?
Die zunehmende Globalisierung und
die anhaltenden ökologischen und klimatischen Veränderungen führen auch
in Deutschland zu Veränderungen der
Biodiversität in den unterschiedlichsten
Lebensräumen. Hiervon ist unter anderem auch die einheimische Stechmücken-Fauna betroffen. Gebietsfremde
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Mückenarten wandern aktiv ein oder
werden passiv eingeschleppt und etablieren sich. Ob im Gegenzug früher
einheimische Arten verschwunden sind,
ist nicht bekannt, da kaum einschlägige
Untersuchungen vorliegen. Abgesehen
vom Oberrheingraben, wo seit mehr als
30 Jahren Stechmücken bekämpft und
entsprechende Daten erfasst werden,
wurde die Stechmücken-Forschung in
Deutschland jahrzehntelang stark vernachlässigt, sodass grundlegende aktuelle Daten zum Vorkommen und zur
Verbreitung, aber auch zur Biologie
und Ökologie der einheimischen Arten
fehlen. Bis vor wenigen Jahren galten in
Deutschland 46 Stechmücken-Arten als
heimisch, wobei diese Zahl nur eine
Aufaddierung aller bisherigen Nachweise darstellt. Nach der Entdeckung
neu eingewanderter und einer neu beschriebenen Art geht man aktuell von
50 Arten für Deutschland aus. Flächendeckend ist aber nicht erfasst, wo und
wann welche Arten vorkommen.
dem Lednice-Virus und dem InkooVirus sechs potenziell humanpathogene
Viren zirkulieren, die durch Stechmücken übertragen werden können. Bis
vor kurzem gab es aber noch keine
systematischen Untersuchungen über
solche möglicherweise in Deutschland
vorkommende Krankheitserreger. Entsprechende Krankheitsfälle sind nicht
bekannt geworden, könnten aber durchaus unter dem Sammelbegriff „Sommergrippe“ aufgetreten sein, da hier
selten differentialdiagnostische Untersuchungen erfolgen. Während über die
biologischen Eigenschaften tropischer
Mückenarten, die in ihrer Heimat Überträger von Krankheitserregern sind,
einigermaßen gute Kenntnisse existieren, ist das Wissen über die einheimischen Arten sehr spärlich. Unter anderem gibt es keine Daten dazu, ob einheimische Mücken eingeschleppte tropische Krankheitserreger übertragen
könnten.
Doch nicht nur die Stechmücken-Fauna
ist im Wandel. Im Rahmen der internationalen Transporte von Tieren sowie
der Reiseaktivität von Menschen werden auch zunehmend Krankheitserreger
nach Europa und Deutschland eingeschleppt, die möglicherweise durch hier
vorkommende Stechmücken-Arten
übertragen werden könnten.
Stechmücken als Überträger
von Krankheitserregern in
Deutschland/Europa
Aus anderen europäischen Ländern ist
schon länger bekannt, dass mit dem
West-Nil-Virus, dem Sindbis-Virus,
dem Tahyna-Virus, dem Batai-Virus,
Abbildung 1: Verschickungsbereite
Stechmücken (Foto: H. Kampen).
17
Schwerpunkt
Fallen, die auf einer Fläche der Bundesrepublik Deutschland als relativ gering
anzusehen ist, wurde durch das Projektbudget limitiert. Um mit einem überschaubaren zusätzlichen Aufwand
trotzdem deutlich mehr Daten zu erhalten, wurde das Projekt „Mückenatlas“
ins Leben gerufen.
Das Citizen Science Projekt
„Mückenatlas“
Abbildung 2: Referenzsammlung genadelter Stechmücken am ZALF (Foto: ZALF).
Der „Mückenatlas“ ist ein klassisches
Citizen Science-Projekt; ein wissenschaftliches Projekt unter Beteiligung
von Bürgerinnen und Bürgern. Diese
sind aufgerufen, Stechmücken im privaten Umfeld zu fangen und an die beteiligten Forschungsinstitutionen zu schicken. Zum Fang der Mücken kann jedes
Untersuchungen in den letzten Jahren
wiesen das Sindbis-Virus, das BataiVirus und das tierpathogene UsutuVirus in Deutschland nach. In anderen
Ländern Europas traten, ebenfalls in
jüngerer Zeit, Einzelfälle oder Ausbrüche des West-Nil-Fiebers, des
Chikungunya-Fiebers, des DengueFiebers und der Malaria auf. Darüber
hinaus wurde eine signifikante Ausbreitung von Dirofilarien (Dirofilaria
repens, D. immitis), die als Parasiten bei
Hunden vorkommen, aber gelegentlich
auch den Menschen infizieren, in Nordund Osteuropa inklusive Deutschland
festgestellt.
Stechmücken-Monitoring in
Deutschland
Seit 2011 erfassen Arbeitsgruppen des
FLI und des ZALF in einem Monitoring-Projekt das Vorkommen sowie die
geografische und jahreszeitliche Verbreitung von Stechmücken-Arten in
Deutschland und untersuchen gefangene Stechmücken auf Krankheitserreger.
Das Projekt wird vom Robert-Koch
Institut (RKI) und dem Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Bis Ende
2013 wurden an über 120, mehr oder
weniger gleichmäßig über Deutschland
verteilten Standorten stationäre Stechmückenfallen betrieben. Die Anzahl der
18
Abbildung 3: Fundortkarte der Einsendungen 2013.
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
verschließbare Gefäß dienen, das dann
zum Abtöten der Insekten in ein Gefrierfach oder einen Gefrierschrank
gebracht werden soll. Nach dem Tod
der Mücke soll diese vorsichtig in ein
kleines bruchsicheres Behältnis überführt werden (Abb. 1), das zusammen
mit einem Fragebogen versendet wird,
auf dem Daten zu den näheren Umständen des Fangs anzugeben sind. Detaillierte Angaben zur Vorgehensweise und
der Fragebogen sowie Hintergrundinformationen zum Projekt und zur Biologie von Stechmücken sind auf der
Homepage des „Mückenatlas“ zu finden (www.mueckenatlas.de).
Nach Eingang im Labor werden die
Mücken morphologisch und gegebenenfalls molekularbiologisch nach Arten
bestimmt. Anschließend werden sie
präpariert, und die Mücke beziehungsweise deren Erbgut hält Einzug in die
jeweilige Referenzsammlung am ZALF
(Abb. 2) oder FLI. Das Identifizierungsergebnis wird zusammen mit den
anderen Fangdaten in die deutsche
Stechmücken-Datenbank „Culbase“
eingegeben, in die auch die Daten aus
den Fallenfängen und aus anderen deutschen Stechmücken-Projekten einfließen. Im Gegensatz zu manchen anderen
Citizen Science-Projekten wird die
Qualität der „Mückenatlas“-Daten
durch die WissenschaftlerInnen selber
abgesichert.
Jede Person, die Mücken einsendet,
erhält ein Antwortschreiben mit dem
Bestimmungsergebnis und einigen
Informationen zur Biologie der Mückenart. Auf Wunsch kann die Person
den Fundort auf einer interaktiven
Deutschlandkarte der Homepage mit
ihrem Namen oder einem Pseudonym
als Nachweis eintragen lassen (Abb. 3).
Ergebnisse des „Mückenatlas“
für 2012 und 2013
Seit seinem Start hat das Projekt enormen Zuspruch erfahren und einige überraschende und interessante Ergebnisse
erbracht.
Im Jahr 2012 wurden 2.020 Einsendungen verzeichnet, von denen 1.564 (77,4
Prozent) Stechmücken enthielten. Die
restlichen 456 Einsendungen umfassten
andere Arthropoden, unter anderem
Spinnen (Arachnida), Käfer (Coleoptera), Heuschrecken (Ensifera and Caelifera), Wanzen (Heteroptera) und Fliegen- und andere Mückenfamilien
(Diptera). An Stechmücken wurden
insgesamt 6.127 Exemplare erfasst.
2013 wurden 2.409 Einsendungen (mit
teilweise mehreren Tieren) registriert,
darunter 1.838 (76,3 Prozent) mit
Stechmücken.
Die übrigen 571 Einsendungen enthielten wiederum diverse andere Gruppen
von Arthopoden, jedoch nahm der Anteil an Käfern, Heuschrecken, Spinnen
etc. ab und der Anteil an Stechmückenähnlichen Zweiflüglern, wie Zuckmücken (Chironomidae), Wintermücken
12000
11273
10000
8000
6127
6000
4000
2020
2409
1564 1838
2000
456
571
0
Einsendungen gesamt
Einsendungen Mücken
2012
Einsendungen andere
Arthropoden
2013
Abbildung 4: Einsendungen 2012 und 2013 nach Gruppen.
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Anzahl Stechmücken
(Trichoceridae) und Fenstermücken
(Anisopodidae), zu. Dies war möglicherweise die Folge eines gewissen Lerneffektes seitens der EinsenderInnen
durch die intensive Medienarbeit der
Projektverantwortlichen. Die Anzahl
der eingeschickten Stechmücken summierte sich im Jahr 2013 auf 11.273
Individuen. Die Verteilung der Einsendungen auf die verschiedenen Arthropoden-Gruppen ist in Abb. 4 dargestellt.
Die Stechmücken aus 2012 ließen sich
39 Arten, die aus 2013 37 Arten aus den
Gattungen Anopheles, Aedes, Coquillettidia, Culex, Culiseta und Ochlerotatus
zuordnen (Abb. 5), wobei die Gemeine
Hausmücke, Cx. pipiens, den umfangreichsten Anteil der Einsendungen
darstellte. Insgesamt konnten sechs
Anopheles-, fünf Aedes-, eine Coquillettidia-, fünf Culex-, fünf Culiseta- und
17 Ochlerotatus-Arten für die entsprechenden Regionen registriert werden.
Wie erwartet, wurden weit verbreitete
Arten wie Cx. pipiens, Cx. torrentium,
Cs. annulata, Ae. vexans oder Oc. sticticus häufig und aus zahlreichen Regionen Deutschlands eingeschickt. Aber
auch weniger häufige und sogar sehr
seltene Arten, die schon jahrzehntelang
nicht mehr in Deutschland gefangen
wurden, wie Cs. ochroptera und Cs.
glaphyroptera, wurden gesammelt.
Zusätzlich zum reinen Nachweis von
Mückenarten erwies sich der „Mückenatlas” als geeignetes Instrument zur
Entdeckung unbekannter Verbreitungsgebiete von Stechmücken. Dies wurde
besonders deutlich als Einsendungen
zum Nachweis von zwei etablierten,
aber noch unbekannten Populationen
der Asiatischen Buschmücke Ae. japonicus in Westdeutschland (NordrheinWestfalen/Rheinland-Pfalz) und Norddeutschland (Niedersachsen/NordrheinWestfalen) führten.
Diese Spezies ist zwar nicht aus dem
Freiland, aber immerhin aus dem Labor
als kompetenter Überträger einiger
bedeutender Viren (zum Beispiel Dengue-, Chikungunya-, West-Nil-, RifttalFieber-Virus) bekannt.
Aus Sicht der beteiligten WissenschaftlerInnen ist der „Mückenatlas” ein ge19
Schwerpunkt
6000
4881
5000
4002
4000
3139
3000
2242
2000
1000
458 480
681
580
141 187
265 344
0
Anopheles
Aedes
Coquillettidia
2012
Culex
Ochlerotatus
Culiseta
2013
Abbildung 5: Stechmücken-Einsendungen 2012 und 2013 nach Gattungen.
eignetes Werkzeug zum großräumigen
passiven Stechmücken-Monitoring. Er
ist in beide Richtungen, die ein Citizen
Science-Projekt bedienen sollte – die
naturwissenschaftliche und die öffentliche – außerordentlich erfolgreich.
Während die Naturwissenschaft einerseits durch das Interesse und die Bereitschaft zur Mitarbeit interessierter BürgerInnen gestützt wird, stellen die WissenschaftlerInnen andererseits ihre
Expertise in den Dienst der Aufklärung
und Weiterbildung der Öffentlichkeit.
Dr. Doreen Werner
PD Dr. Helge Kampen
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V., Müncheberg
Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Institut für Infektionsmedizin, Greifswald –
Insel Riems
E-Mail: doreen.werner(at)zalf.de
Doreen Werner ist Biologin mit Spezialisierung für die Taxonomie und Ökologie
blutsaugender Mücken. Schwerpunkte
ihrer Forschungstätigkeit liegen in Fragestellungen, in denen Mücken human- und
veterinärmedizinische Bedeutung gewinnen. Seit 2007 leitet sie die Arbeitsgruppe „Med. Entomologie“ am Zentrum für
Agrarlandschaftsforschung (ZALF) im
brandenburgischen Müncheberg.
20
E-Mail: helge.kampen(at)fli.bund.de
Helge Kampen ist Biologe mit Spezialisierung für Medizinische Entomologie
und Parasitologie. Er forscht über ökound infektionsepidemiologische Fragestellungen rund um blutsaugende Arthropoden, die als Überträger von Krankheitserregern in Frage kommen. Seit
2008 leitet er die Arbeitsgruppe „Med.
Entomologie“ am Friedrich-LoefflerInstitut, Bundesforschungsinstitut für
Tiergesundheit, in Greifswald – Insel
Riems.
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
Ein unkonventioneller Blick auf das Thema
Citizen Science
MaxCine als Ort für Impulse und Austausch
Von Babette Eid, Radolfzell
„In Bayern gibt es in den Ortschaften auf jedem Bauernhof Schwalben. Als Kind überlegt man: Wo fliegen die denn hin? Im Winter sind sie einfach weg. Irgendwann hört man, dass sie nach Afrika fliegen.
Wie kommen die dahin? Eine Frage, die noch nicht beantwortet ist. Wir können kleine Ringe dranmachen
und die Schwalbe wird mal im Sudan oder im Tschad gesehen, oder stirbt in Italien. Was macht diese
Schwalbe den Rest ihres Lebens? Wie fliegt die Schwalbe nach Südafrika und kommt dann in denselben
Stall wieder zurück, aus dem sie abgeflogen ist? Könnte die Schwalbe uns erzählen, was sie draußen
sieht? Als 10-jähriger hatte ich dann ein Schlüsselerlebnis als ich drei weiße Kuhreiher auf einer Wiese
gesehen habe. Ich habe sie fotografiert und meinem Biolehrer gezeigt. Er hat mir gesagt, ich solle das
Foto an die Vogelwarte schicken. Von dort wurde es dann weiter geschickt an den Professor Wüst in
München, der die Avifauna bearbeitet hat. Das war mein erster Kontakt mit der Ornithologie.“
S
o wie die Erzählung von Martin
Wikelski oder ähnlich beginnen
die Geschichten vieler Vogelliebhaber und Ornithologen, wenn sie
über die Anfänge ihres Berufes, ihrer
Berufung erzählen, angetrieben von der
natürlichen Neugierde und dem Entdeckergeist.
Für Martin Wikelski ist es seine Geburtsstunde als Wissenschaftler. Heute
ist er Direktor am Max Planck Institut
für Ornithologie, Vogelwarte Radolfzell
und Professor an der Universität Konstanz. Als Experte seines Faches ist ihm
die Zusammenarbeit, der regelmäßige
Austausch und Kontakt mit sogenannten Laien wichtig, um seine Arbeit mit
einem Blick von außen zu reflektieren
und gemeinsam Impulse für die Wissenschaft zu erzeugen.
Er hat am Max Planck Institut für Ornithologie das Zentrum für Kommunikation und Austausch „MaxCine“ ins
Leben gerufen, welches der Öffentlichkeit die einzigartige Möglichkeit bietet,
inmitten des täglichen Wissenschaftsbetriebs in die aktuelle Forschung einbezogen zu werden. Das Ziel von MaxCine ist es, die Öffentlichkeit zu informieren und sie in die Wissenschaft zu integrieren. In MaxCine wird die ForFORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
schung erlebbar gemacht und die wissenschaftliche Neugier geweckt. So
werden zum Beispiel die BesucherInnen (Kinder und Erwachsene) gebeten,
ihre Wegroute zum Max-Planck-Institut
zeichnerisch oder malerisch darzustellen. Diese simple Aufgabe soll auf die
komplexen Orientierungsmechanismen
der Vögel während ihres Zuges hinweisen: Zugrichtung, Dauer, Rastgebiete
und Ziel der Zugvögel. MaxCine ist
also der Beginn einer ganz besonderen
Form von Citizen Science, verknüpft
mit pädagogischen Elementen.
Auf dem Wege zur Realisierung seiner
Vision Tiere weltweit auf ihren Wanderungen zu begleiten, hat Martin Wikelski seine Erlebnisse aus Kindertagen
nicht vergessen. Heute sind ForscherIn-
Abbildung 1: Im Workshop-Raum von MaxCine entwerfen SchülerInnen kreativ eigene
Sender, um Tiere zu beobachten (Foto: MaxCine).
21
Schwerpunkt
ten unsere Sensoren – unsere Augen,
Ohren und Nasen – für die Gesunderhaltung des Planeten sein. Ein ideales
Terrain für Citizen Science und die
Verbindung von Wissenschaft und
bürgerschaftlichem Engagement. So ist
es dem Wissen eines sizilianischen
Ziegenhirten zugute zu schreiben, dass
es in Zukunft vielleicht ein biologisches
Frühwarnsystems für Vulkanausbrüche
gibt. Denn nicht wie von Wissenschaftlern angenommen, ist im Vorfeld das
Verhalten von Gänsen oder Füchsen
besonders auffällig, sondern das Verhalten von Ziegen scheint sich viel
besser als Indikator zu eignen.
Abbildung 2: Jasper, ein 7-jähriger Schüler,
testet auf seinem Rücken einen Storchensender (Foto: MaxCine).
nen in der Lage, mit modernsten und
immer kleiner werdenden Fahrtenschreibern Tiere zu beobachten, ohne
sie zu sehen. Dadurch eröffnet sich ein
völlig neues Feld mit ungeahnten Möglichkeiten. Wikelski und sein Team
möchten globale Wanderbewegungen
kleiner Tiere mit einem Satellitensystem beobachten. Denn globale Daten
über Tierbewegungen sind in der heutigen, international vernetzten Welt unabdingbar, um Naturschutz zu leisten,
globale Umweltveränderungen zu erkennen oder Ökosystemdienstleistungen der Tiere zu ermitteln. Zudem ermöglichen es die Daten, die Verbreitung von Krankheitserregern durch ihre
Wirte zu verstehen oder mithilfe der
globalen, intelligenten Sensorik der
Tiere Naturkatastrophen vorauszusagen.
Da Menschen und Tiere die Erde gemeinsam bewohnen, stehen sie in engem Zusammenhang zueinander. Tiere
können für die Menschen zum Beispiel
Nahrung- oder auch Wissensquelle sein
oder dienen als Früherkennungssystem
menschlicher Eingriffe in die Natur.
Andererseits können sie der Ausgangspunkt oder Überträger von Krankheiten
sein. Milliarden von Tieren ziehen
jährlich in freier Wildbahn um den
Erdball. Sie verbinden die entlegensten
Winkel der Erde und Meere und könn22
Auch am MaxCine stellen wir uns die
Fragen „Was versteht man heute unter
Citizen Science? Wer ist ein Citizen
Scientist?“
Man kann viele Antworten auf diese
Fragen bekommen. Begriffe wie „Bürgerwissenschaft“, „Datensammlung“,
„Mithilfe von Amateuren“ tauchen auf
und es ist die Rede von ehrenamtlichen
Helfern, Experten, Laien, Zuarbeit,
light-proper-professional Science und
Crowdsourcing. Bis zur Spezialisierung
der Wissenschaft Ende des 18. Jahrhunderts galt ein an der Naturgeschichte
Interessierter als Naturforscher oder
Naturalist. Sein Engagement war also
eher eine Laien-Beschäftigung als ein
Beruf. Peter Finke beleuchtet in seinem
Buch „Citizen Science – das unterschätzte Wissen der Laien“ wesentliche
Punkte und Zusammenhänge der aktuellen Diskussion und entwickelt die
„Vision der teilweisen Befreiung der
Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm
und ihrer Rückkehr in die Mitte der
Gesellschaft“. „Was immer Citizen
Science ist, eines ist es sicherlich nicht:
ein Generalangriff auf das, was üblicherweise als Wissenschaft bezeichnet
wird und der Versuch, eine Art Gegenwissenschaft auszurufen!“ (Finke,
2014).
Die Einbeziehung von Laien in die
tägliche Arbeit (Abb. 1) hat am MaxPlanck Institut, Vogelwarte Radolfzell
eine langjährige Tradition. So scheint es
ganz selbstverständlich, dass die Vogelbeobachtung, eine der „Geburtshelferdisziplinen“ (P. Finke) von Citizen
Science, eine zeitgemäße Integration
der Öffentlichkeit möglich macht. Mit
der Gründung von MaxCine wurde eine
Situation geschaffen, in der Interessierte, insbesondere Kinder und Jugendliche, täglich im Alltag der Forschung
dabei sein können. Neben diversen
Angeboten, wie einem Medienhaus,
welches durch Filme und Videoclips
über aktuelle wissenschaftliche Projekte
am Institut informiert, können auch
individuell konzipiert Führungen gebucht werden. Verknüpfungen des aktuellen Unterrichtsstoffes mit laufenden
Forschungsprojekten (Abb. 2) ermöglichen einen lebendigen, praxisorientierten Unterricht mitten unter den Wissen-
Abbildung 3: Jugendliche bei der Benutzung der Animal Tracker App (Foto: MaxCine).
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
Abbildung 4: Mit der Animal Tracker App können Tiere geortet und ihre Verhaltensbeobachtungen gespeichert werden (Foto: MaxCine).
schaftlerInnen. Via Sykpe werden die
WissenschaftlerInnen von der Feldarbeit in aller Welt mit Kurzvorträgen in
die Klassenzimmer „eingeflogen“. In
wöchentlichen Workshops und Feriencamps werden in einem kreativen Laboratorium die eigenen Fragestellungen
der Kinder bearbeitet. Die Konzeption
und Praxistauglichkeit von Tools wie
zum Beispiel der Animal Tracker-App
schaftlerInnen zur Verfügung gestellt
werden.
Wie oft auch in der Wissenschaft, hat
hier das kreative Denken Vorrang vor
einem festgelegten Programm. Fragen
und Ideen der BesucherInnen von
MaxCine sind willkommen und kritische MitdenkerInnen erwünscht. Oft
sind es gerade der unverstellte Blick der
Kinder, ihre kreative Neugier und die
und Zeit zu investieren, entsteht keine
lebendige Auseinandersetzung. In der
Praxis ist es nicht immer ganz einfach,
Verständnis für diese offene Art der
Vermittlung zu wecken und die notwendige Spontanität und Flexibilität zur
Durchführung in den wissenschaftlichen und bürokratischen Alltag einzubauen. Dennoch bestätigt die weitgehend positive Resonanz, dass For-
„Die Ornithologie, die „Scientia amabilis“, wie sie genannt worden ist, hat über die Lust an der
Vogelbeobachtung – ein Gebiet das leichter zugänglich und attraktiver als andere ist – schon sehr
viele Menschen dazu gebracht, ihren Wissensdurst aus Eigeninitiative zu stillen und tiefer in eine
Sache einzudringen, als es vielleicht zunächst beabsichtigt war. Sie ist deshalb eine der Geburtshelferdisziplinen von Citizen Science und hat ihre führende Rolle bis heute beibehalten.“ (Peter
Finke, S. 16)
Peter Finke, Citizen Science: Das unterschätzte Wissen der Laien. oekom verlag 2014.
werden gemeinsam entwickelt. Mit
dieser App können Interessierte Tiere
auf ihren Wanderungen begleiten und
mithilfe einer GPS-Funktion orten.
Verhaltensbeobachtungen und Informationen über die Gegend, in der die Tiere
sich gerade aufhalten, können in die
App eingespeist und damit den WissenFORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
ungehemmten Nachfragen, die Gedanken hervorrufen, die sich Erwachsene
und ExpertInnen mitunter nicht mehr
machen. WissenschaftlerInnen und
Laien sind hier gleichermaßen gefordert
und gefördert. Ohne die Bereitschaft
von beiden Seiten, Visionen zu entwickeln, neue Sichtweisen anzunehmen
schungsvorhaben, die als Citizen Science Projekt in eine gesunde Umgebung
gebettet sind und in denen die Kommunikation zwischen allen Beteiligten auf
gleicher Augenhöhe stattfindet, erfolgreich sind. Als Schnittstelle zwischen
Wissenschaft und Öffentlichkeit ist
MaxCine nicht nur ein Ort, der der
23
Schwerpunkt
Öffentlichkeit die laufenden wissenschaftlichen Projekte näher bringen
möchte, sondern an dem auch Impulse
für ein wissenschaftliches Denken entstehen, sodass dieses gefördert werden
kann. Die Programme und Projekte von
MaxCine entstehen im Austausch zwischen und im Miteinander von ExpertInnen und Laien. MaxCine ist ein
Ort, an dem fächerübergreifendes Denken und gemeinsames Handeln erwünscht ist.
Das MaxCine und seine BesucherInnen
geben ganz konkrete Impulse für Citizen Science: Im Frühjahr 2014 wurden
im Rahmen des Forschungsprojektes
„Sozialverhalten und Lebensgeschichte
der Weißstörche“ in dem Storchendorf
Böhringen in Süddeutschland rund 80
Jungstörche besendert. Durch MaxCine
waren viele Kinder mehrere Tage lang
aktiv an der Arbeit beteiligt. In dem
Forschungsprojekt von Andrea Flack
vom Max Planck Institut für Ornithologie geht es um die Frage, ob Storchengeschwister gemeinsam migrieren: Was
machen die Tiere auf ihrer Reise? Wo
übernachten sie? Mit wem treffen sie
sich? Alle Tiere sind in der Animal
Tracker-App zu finden. Mit den ziehenden Störchen auf Urlaubsreise zu
gehen, entsprang der Idee mehrerer
Jugendlicher. Im Rahmen eines MaxCine-Camps begleiteten sie die Wissenschaftlerin zu Beginn des diesjährigen
Storchenzuges zwei Tage lang in die
Schweiz (Abb. 3 und 4). Die Aktivitä-
24
ten standen unter dem Motto: „Auf zu
unbekannten Orten! Die Rastgebiete der
Störche als Reiseroute etablieren. Citizen Science als Urlaubsreise? Ein neuer
Touristikrenner!“ MaxCine holt durch
solche Projekte die Vögel als Lehrmeister in die Schulen, um fächerübergreifend zu unterrichten und ihr Leben mit
anderen Augen kennenzulernen: Als
Bildhauer die Perfektion der Eiform
nachempfinden, als Maler die verschiedenen Färbungen kopieren, als Handwerker Materialien sammeln und differenziert einsetzen, als Baumeister ein
Nest bauen, als Architekt verschiedene
Bautechniken nutzen.
Um eine Vision in die Realität umzusetzen, braucht es viele MitdenkerInnen, MitarbeiterInnen, viele ExpertInnen sowie viele Sichtweisen und viele
Fähigkeiten. Wenn die ExpertInnen den
Blick der Laien annehmen und die
BürgerInnen mit ihrer Expertise gefragt
sind, weil viele Köpfe, Augen, Ohren,
Nasen und Hände mehr erkennen, sollten wir vielleicht den Citizen Science
Diskurs als Anlass nehmen, um das
Arbeiten in Fachwelten zu revolutionieren. Durch Citizen Science bietet sich
die Chance für die Wissenschaft, aus
dem Elfenbeinturm herauszutreten. Wir
sollten viel weiter gehen und etablierte
Grenzen überwinden, um unsere Sichtweisen als jeweilige ExpertInnen oder
Laien zu schärfen, zu vernetzen, zu
koppeln und als gleichwertig zu betrachten. Ein Netzwerk unterschiedli-
cher Perspektiven auf gleicher Augenhöhe könnte neue Impulse setzen, um
Wissen zu schaffen. Egal in welcher
Liga wir gerade spielen, welchem Kreise wir gerade angehören; ernsthaftes
kritisches Zuhören und Hinterfragen
sowie gemeinsame Denkprozesse sind
stets der Beginn guter Wissenschaft,
wichtiger innovativer Erkenntnisse,
genialer Erfindungen oder auch zeitgemäßer Kunst, Kultur und Philosophie.
Babette Eid hat in München Kunst und
Pädagogik studiert. Sie arbeitet am MaxPlanck Institut für Ornithologie in Radolfzell, wo sie seit 2008 das Projekt
MaxCine - ein Zentrum für Kommunikation und Austausch - konzipiert, leitet
und fortwährend weiter entwickelt.
beid(at)orn.mpg.de
www.orn.mpg.de/MaxCine
www.orn.mpg.de/animaltracker
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
Citizen Science und Vereine – Potenziale der
Zusammenarbeit
Citizen Science (CS), oder auch Bürgerwissenschaft, erfährt gegenwärtig eine gesteigerte Aufmerksamkeit in der deutschen Wissenschaftsgemeinschaft. Das Engagement interessierter Laien wird als Möglichkeit entdeckt, Fragestellungen mit neuen Ansätzen zu bearbeiten – oder auch Fragen ganz neu zu stellen.
Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger öffnet sich die Wissenschaft, sie ermöglicht eine neue Form der
Teilhabe und Anerkennung, auch ohne formale Qualifikationen, erfährt also eine gewisse Demokratisierung.
Von Severin Goerss, Berlin
D
ie Bezeichnung der engagierten Bürger als Laien bezieht
sich dabei vor allem auf deren
nicht-formale Ausbildung in einem
bestimmten Wissensgebiet. Ganz und
gar nicht laienhaft ist oftmals das enorme Fachwissen, das sich Menschen
angeeignet haben, die sich einer Sache
aus purem Interesse angenommen und
sie praktisch und gedanklich weit
durchdrungen haben. Hier liegen Schätze inmitten einer tatsächlichen Wissensgesellschaft, die kaum jemand
wahrnimmt oder gar wissenschaftlich
anerkennt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben oft mit knappen Ressourcen und unzureichenden Werkzeugen zu kämpfen. Vor allem aber fehlt
ihnen oft auch der Zugang zu Orten und
Informationen – oder schlicht einfach
das Wissen um sie. Da liegt es nahe,
WissenschaftlerInnen und BürgerInnen
zusammen zu bringen und beiden Parteien einen neuen Kosmos auf unterschiedlichsten Betrachtungsebenen zu
eröffnen.
Zumindest ist dies die Grundidee. Die
Gleichung ist natürlich nicht so einfach,
denn es stellen sich verschiedene Fragen. Neben den Problemen der Datenqualität oder Finanzierung, die an anderer Stelle diskutiert werden, sind der
Zugang zueinander sowie die Kommunikation miteinander zwei der zentralen
Knackpunkte.
Wo finde ich als Wissenschaftler die
Menschen, die etwas zu meinem ProFORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
jekt beisteuern und mich unterstützen
können? Die für eine Sache brennen,
die das Wissen und den Zugang haben,
der an anderer Stelle fehlt? Eigentlich
liegt es auf der Hand, dass die schon
bestehenden Strukturen der an definierten Themenkomplexen besonders interessierten und engagierten Bürgerinnen
und Bürger eine zentrale Anlaufstelle
sein müssten: die Vereine.
In Deutschland gibt es rund 600.000
Vereine, die sich den unterschiedlichsten Zwecken verschrieben haben. Aus
der Zahl alleine lässt sich noch keine
Erkenntnis ziehen, sie lässt aber eine
hohe Vielfalt der Themen vermuten, die
sich BürgerInnen und WissenschaftlerInnen teilen und in denen sie zusammenarbeiten könnten. So sollte es
auch für Themen abseits populärer
wissenschaftlicher Strömungen Menschen geben, die sich in einem Verein
organisiert und Fachwissen angeeignet
haben.
Die Art der Zusammenarbeit kann verschiedene Formen annehmen. Man
unterscheidet zwischen der Kooperation
als einfachster Möglichkeit, bei der nur
Ressourcen bereitgestellt werden, wie
etwa Rechnerkapazitäten. In der Kollaboration findet eine aktive Teilnahme
statt. Die Vereinsmitglieder sammeln
dabei Daten und leiten sie an die betreuenden Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler weiter. Darunter fallen
auch die weiter unten beschriebenen
Aktionen der „Umweltdetektive“ oder
des Mückenfangens. Die Ko-
Produktion geht einen Schritt weiter,
hier kann auch die Datenanalyse gemeinsam bestritten werden. Und
schließlich können beim Ko-Design
Forschungsfragen gemeinsam entwickelt werden (vergleiche
www.buergerschaffenwissen.de).
Den richtigen Verein und den
richtigen Umgang finden
Bei der Frage nach dem Zugang zueinander stößt man auf verschiedene
Ansatz-Ebenen. Fragestellungen sind
oft abhängig von einem konkreten
Raum oder stehen in Bezug zum Ort der
Datenerhebung.
Für kleinräumige Fragestellungen
braucht es vielleicht nur einen lokalen
Partner, etwa einen Angelverein, der
seine Gewässer und den Fischbestand
bereits lange kennt. Solche spezialisierten Vereine sollten im Zielgebiet relativ
einfach durch eine kurze Recherche zu
identifizieren sein. Anders gestaltet sich
die Bearbeitung von Fragestellungen,
die auf ein größeres Erhebungsgebiet
angewiesen sind. Vorteilhaft ist dafür
eine Vereinsorganisation in mehreren
Hierarchieebenen wie Gebiets-, Landesoder Bundesebenen, aber auch in Dachverbänden, wie etwa der Deutsche
Bundesjugendring (DBJR) im Bereich
der Jugendverbände.
In Kooperation mit den höheren Ebenen
der Vereinsstruktur ist die Reichweite
einer Maßnahme theoretisch größer.
Auch sind sie eine gute Anlaufstelle,
25
Schwerpunkt
um Untergruppen in einem Verein zu
identifizieren und anzusprechen. Man
wird dabei gewiss auf Schnittmengen
zu den angedachten Forschungsfragen
stoßen, die eine Analyse der Vereinsaktivitäten von außen nicht vermuten
ließe.
Nicht selten stehen die Basisstrukturen
von Vereinen einem Top-down-Ansatz
aber kritisch gegenüber. Entsprechend
der Fragestellung muss abgewogen
werden, welche Ebene eines Vereines
wann und wie eingebunden und für sich
gewonnen werden kann. Das direkte
Ansprechen der Zielgruppe, beziehungsweise der relevanten Struktur
wird in der Regel mehr Menschen zum
Mitmachen motivieren. Wenn sich
diese Gruppe oder Struktur aber nicht
identifizieren lässt, bleibt nur der Weg
über die Dachstrukturen oder das Risiko
von nicht zielgerichteten Kommunikationsmaßnahmen, die möglicherweise
wirkungslos verpuffen. Ein Standardrezept dafür gibt es nicht. In der Zusammenarbeit mit Vereinen lassen sich aber
zentrale Punkte benennen, die maßgeblich für die grundsätzliche gute Zusammenarbeit sind.
Wissenschaft und Vereine stehen sich
nicht immer neutral gegenüber. Das
Denken übereinander kann durchaus
positiv überhöht sein. Schwerwiegender
sind Barrieren, die sich etwa im Bild
des abgehobenen Elfenbeinturms der
Wissenschaft manifestieren, oder in der
Vorstellung des übereifrigen Vereinsmeiers, der sich profilieren möchte.
Betrachten wir die Gemeinsamkeiten:
Beide lieben, was sie tun. Das Vereinsmitglied vielleicht noch mehr, da es
in seiner Betätigung keinem ökonomischen Interesse folgt und sich frei, ohne
Karrieregedanken und Verwertungslogik, für genau das entschieden hat, was
es im jeweiligen Verein tut. Diese emotionale Komponente ist die maßgebliche Handlungsmotivation des oder der
Einzelnen im Verein. Auch der Aspekt
der Freiheit ist nicht zu unterschätzen.
Er darf in einem gemeinsamen Citizen
Science-Projekt nicht durch einen aufgezwängten Rahmen gefährdet werden.
26
Entscheidungsprozesse können in Vereinen durchaus länger dauern. Unabhängig von Vereinen Bürgerinnen und
Bürger für ein Citizen Science-Projekt
zu gewinnen, dauert unter Umständen
noch viel länger, als sich auf den
Rhythmus des Ehrenamtes einzulassen.
Der Vorteil der Vereine liegt aber, wie
eingangs erwähnt, in ihrer schon bestehenden Organisation und – je nach
Größe – Untergliederung in Teilgruppen mit diversen Schwerpunktinteressen. Es besteht also bereits ein institutioneller Rahmen, der nicht noch zusätzlich mit aufgebaut werden muss, möchte man ein Citizen Science-Projekt
realisieren.
Es kann jedoch zu Konflikten kommen,
wenn beide Parteien eine unterschiedliche Vorstellung des Projektes haben
oder sich Interessen in die möglichst
objektive Datenerhebung mischen. Hier
ist absolute Offenheit gefordert, um
eine Partei nicht nachhaltig vor den
Kopf zu stoßen. Die Wissenschaft muss
potenzielle Interessenskonflikte ihrer
Partner berücksichtigen und die Vereine
sollten sich selbstkritisch fragen, wie
unbefangen ihre Mitglieder bestimmte
Fragenkomplexe bearbeiten würden. Es
gilt also, spezifische Interessen und
Wertvorstellungen zu berücksichtigen.
Jugendverbände und
Gemeinnützigkeit
Neben den Chancen der Kooperation
von Vereinen und Wissenschaft in Citizen Science-Projekten muss man sich
auch der möglichen Stolperfallen bewusst sein. Eine Zusammenarbeit darf
nicht der reinen wissenschaftlichen
Zweckerfüllung dienen. Dabei geht es
nicht nur um eine Zusammenarbeit auf
Augenhöhe, sondern auch um das Wesen von Vereinen – gerade derer im
Jugendverbandsbereich. Kinder und
Jugendliche müssen sich frei entfalten
können, ihre Motivation und ihre Interessen müssen in gemeinsamen Maßnahmen im Mittelpunkt stehen. Eine
„Verzweckung“ ihres Engagements darf
nicht stattfinden. Auch dürfen Maßnahmen nicht zur Überbrückung wirtschaftlicher Engpässe der Institute konzipiert oder durch eine Unterfinanzierung motiviert sein. Man muss sich
zudem des möglichen Substitutionseffektes bewusst sein, der mit dem stärkeren Engagement von Ehrenamtlichen in
Forschungsfragen einhergehen könnte.
Die Politik sollte das nicht als Anlass
nehmen, sich die Unterstützung von
Wissenschaft zu sparen und Forschung
auf dem Rücken zivilgesellschaftlichen
Engagements durchführen zu lassen.
Abbildung 1: Mit der richtigen Anleitung werden auch von Kindern durchgeführte Untersuchungen zu wissenschaftlich verwertbaren Daten führen (Foto: Naturfreundejugend
Deutschlands).
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Schwerpunkt
richtet. Kinder sind von Natur aus neugierig und haben einen Forschungs- und
Tatendrang, der oft nur einen kleinen
Anstoß und Rahmen braucht, um sich
voll zu entfalten. Hierzu wurden vielfältige Materialien konzipiert, um den
Naturraum vor der Haustür spielerisch
zu erkunden, den Blick für Details zu
schärfen und Zusammenhänge zu verstehen.
Abbildung 2: Forschungs- und Tatendrang braucht oft nur einen kleinen Anstoß – und
schon ist man Bürgerwissenschaftlerin (Foto: Naturfreundejugend Deutschlands).
Weitergedacht darf die Kooperation
von Vereinen mit der Wissenschaft
auch nicht zu einer Bedingung der Vereinsförderung werden. Forschung mit
Vereinen sollte einen Gemeinnützigkeitscharakter aufweisen und darf nicht
der reinen wissenschaftlichen oder
wirtschaftlichen Verwertungslogik
unterworfen werden (siehe dazu auch:
Deutscher Bundesjugendring, Selbstbestimmt und nicht verzweckt, Berlin
2011).
In der Kooperation mit wissenschaftlichen Institutionen profitiert auch der
Verein. Die Beschäftigung mit wissenschaftlichen Herangehensweisen und
die Betreuung durch die wissenschaftlichen Partner bedeuten nämlich einen
Wissenstransfer in die Vereine. Der
Bildungscharakter eines Citizen
Science-Projektes ist unbestritten und
kann aus Sicht eines Jugendverbandes
einen positiven Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen
liefern. Eine Kooperation mit Vereinen
ist zudem eine Unterstützung ihrer
Arbeit, beziehungsweise ermöglicht sie
es den Vereinen, neue Aspekte ihrer
Tätigkeiten zu entdecken und Kompetenzen zu erschließen. Ehrenamtliches
Engagement erfährt hier nicht zuletzt
eine Anerkennung und Würdigung von
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
neuer Seite. Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung kann davon nur profitieren.
Beispielprojekt
„Umweltdetektive“
Die „Umweltdetektive“ der Naturfreundejugend Deutschlands sind ein
umweltpädagogisches Projekt, das sich
an Kinder zwischen fünf und 13 Jahren
Die Ökosysteme Wiese, Wald und
Wasser stehen dabei im Fokus. Sie sind
für Kinder in der Regel schnell zu erreichen, beziehungsweise Teil der alltäglichen Lebenswelt. In sogenannten Erlebnisbögen wird Kindern nicht nur
spielerisch Wissen vermittelt, es werden
ihnen auch Methoden nähergebracht,
wie sie Experimente durchführen und
Daten selbst erheben können. Die Experimente zielen dabei auf eine bewusste
Erschließung der naturräumlichen Umwelt von Kindern ab. Dazu gehören
beispielsweise pH-Wert-Messungen
(Abb. 1), dendrochronologische Untersuchungen (Abb. 2) oder Baum- und
Tierbestimmungen.
Teil der Publikationen sind außerdem
Bestimmungsschlüssel, anhand derer
Kinder Tiere im Laubstreu, Bäume im
Wald oder Tiere im Gewässer (Abb. 3)
bestimmen können. Natürlich handelt es
sich dabei um ein kindgerechtes Ni-
Abbildung 3: Ein junger „Umweltdetektiv“ bei der Gewässeruntersuchung am Bachlauf
(Foto: Naturfreundejugend Deutschlands).
27
Schwerpunkt
Auch schon die Zusammenarbeit an
sich kann erstrebenswert sein, um einen
innergesellschaftlichen Dialog über
Wissenschaft zu führen, die Akzeptanz
von Wissenschaft zu fördern und beiderseitige Anerkennung zu erfahren: für
ehrenamtliches Engagement wie auch
für Forschung und Wissenschaft.
Abbildung 4: Kinder untersuchen und
bestimmen Wasserorganismen (Foto: Naturfreundejugend Deutschlands).
veau. Es ist aber immer wieder faszinierend zu erleben, wie Kinder dadurch
unter anderem einen Blick für naturwissenschaftliche Details entwickeln können. Eine wissenschaftliche Fragestellung muss hier entsprechend der Betrachtungsebene und des Handlungsvermögens von Kindern formuliert
werden. Durch ihre ganz eigene Wahrnehmung betrachten junge Menschen
ihre Umwelt anders als Erwachsene und
kommen zu Schlüssen, die ein verschultes Denken vielleicht gar nicht erst
zulassen würde.
Die Aktionen der Umweltdetektive
könnten auch mit Fragestellungen verknüpft werden, die bisher nicht Teil der
Konzeption sind. Kinder, die draußen
unterwegs sind, wird man sicherlich
leicht davon überzeugen können, auch
Mücken zu fangen und zur Untersuchung einzusenden, wovon beispielsweise der bekannte Mückenatlas des
ZALF in Müncheberg profitieren könnte. Die Wissenschaft kann in Vereinen
also nicht nur Partner finden, indem sie
sich existierenden Aktivitäten anschließt. Vielmehr kann Wissenschaft
auch eigene Aktivitäten konzeptionieren, die einfach in bestehende Aktionen
integriert werden können.
Es müssen nicht nur verwertbare Daten
erhoben werden, um ein erfolgreiches
Citizen Science-Projekt durchzuführen.
28
Wenn Kinder anhand eines Bestimmungsheftchens Zeigerorganismen des
Gewässers vor ihrer Tür bestimmen
(Abb. 4), werden sie zu LaienforscherInnen, die Daten erheben. Sie sind
damit junge Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftler, auch
ohne sich des Konzeptes bewusst zu
sein. Vereine sind, wie weiter oben
bereits angedeutet, auch eine Wertegemeinschaft und verfolgen einen bestimmten Zweck. Hier kann es zum
Konflikt mit dem Anspruch wissenschaftlicher Wertefreiheit kommen,
dessen man sich bewusst sein muss. Am
Beispiel der Umweltdetektive soll ausdrücklich auch eine positive Beziehung
zur Natur hergestellt werden. Eine Wertegemeinschaft engagiert sich in ihrem
Interessensgebiet aber mit großer Motivation und Ausdauer, was für die Datenerhebung an sich vorteilhaft ist.
onsstelle, die diese Schnittstelle bedient. Im vorliegenden Artikel wurde
auf das Potenzial der Kooperation von
Wissenschaft und Vereinen hingewiesen und es wurden in diesem Zusammenhang elementare Aspekte der ehrenamtlichen (Jugend-)Arbeit benannt.
Im Vordergrund steht dabei immer ein
an den Bedürfnissen von Kindern und
Jugendlichen ausgerichtetes Erleben,
was der Kooperation von Wissenschaft
und Jugendverbänden aber nicht im
Wege steht. Wir sollten das Potenzial
umsichtig nutzen.
Links:
www.umweltdetektive.de
www.dbjr.de/uploads/tx_ttproducts/datashee
t/DBJR_brosch_engagement_web.pdf
www.buergerschaffenwissen.de/citizenscience/wie-funktioniert-citizen-science
Fazit
Das Beispiel der Umweltdetektive ist
nur eines von unzähligen Anknüpfungspunkten für Citizen Science. Andere Jugendumweltverbände beschäftigen sich mit ähnlichen und weiteren
natur- und umweltbezogenen Fragestellungen, in der theoretisch verwertbare
Daten erhoben werden. Der Schwerpunkt von Citizen Science liegt zumeist
in den Naturwissenschaften. Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftler werden sich in der mannigfaltigen Vereinslandschaft aber ebenfalls
für andere Wissenschaftsfelder finden
und für deren Fragestellungen gewinnen lassen.
Die Frage ist nur, wie sich die Zusammenarbeit initiieren lässt und Ehrenamtlichen wie Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler gerecht werden kann.
Bisher gibt es dafür noch keinen Leitfaden oder gar eine zentrale Koordinati-
Severin Goerss ist freiberuflicher Geograf und arbeitet als Assistent der Geschäftsführung für die Naturfreundejugend Deutschlands. Mitte der Nullerjahre
studierte er Geoökologie in Potsdam,
bevor er sich in Geografie an der Humboldt-Universität zu Berlin auf MenschUmwelt-Beziehungen spezialisierte. Das
Ehrenamt kennt er aus eigenem, jahrelangem Engagement.
severin.goerss(at)geoecoservices.com
www.geoecoservices.com
Naturfreundejugend Deutschlands
Warschauer Straße 59a
10243 Berlin
info(at)naturfreundejugend.de
+49 (0) 30 - 29 77 32 70
Autorenfoto: Sebastian Bozada / Naturfreundejugend Deutschlands
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Geoökologie
Masterstudiengang „Umweltplanung / Environmental Planning“
an der Technischen Universität Berlin
Von Gesa Geißler & Lisa Odparlik, Berlin
V
or fünf Jahren startete an der
Technischen Universität Berlin
der Masterstudiengang Umweltplanung / Environmental Planning.
Das international ausgerichtete Studienangebot bietet Studierenden aus dem Inund Ausland eine fundierte Vorbereitung für eine Tätigkeit in einem hochgradig innovativen und zukunftsfähigen
Arbeitsfeld.
Unsere Umwelt verändert sich stetig.
Immer wieder müssen Mensch und
Natur sich anpassen – sei es wegen des
steigenden Ausstoßes von Treibhausgasen, neuartiger Landnutzungskonkurrenzen oder des zunehmenden Flächenverbrauchs urbaner Räume. Die Umweltplanung bietet die Instrumente und
Methoden, um auf diese Veränderungen
zu reagieren.
Studierende des Masterstudiengangs
Umweltplanung der TU Berlin qualifizieren sich für die Herausforderungen
einer sich rasch veränderten (Um-)Welt.
Erreicht wird dies zum einen durch den
interdisziplinären Ansatz des Programms sowie andererseits durch die
vielfältigen Kooperationen mit Partnern
aus dem öffentlichen und privaten Bereich. Der Masterstudiengang vermittelt
das für UmweltplanerInnen notwenige
querschnittsorientierte Wissen durch
ökologische, gestalterische, sozial-,
ingenieur- und planungswissenschaftliche Fachinhalte. Im Detail bedeutet
dies, dass die Studierenden Kompetenzen in den Bereichen Landschaftsplanung, Umweltprüfung, Naturschutzund Umweltökonomie, Klimaökonomie, Fernerkundung und im Umgang
mit geographischen Informationssystemen erwerben.
Das Studium ist gegliedert in vier Semester, in denen die Studierenden in
Vorlesungen, Seminaren, Projekten und
der Masterarbeit die fachlichen Inhalte
und Methoden der Umweltplanung
erlernen, anwenden und reflektieren.
Der Schwerpunkt der Lehre liegt dabei
in den zwei einsemestrigen Studienprojekten, in welchen in kleinen Gruppen
eine Forschungs- beziehungsweise
innovative Planungsaufgabe gelöst
wird. Neben dem Erwerb von fachlichen Kenntnissen steht dabei vor allem
die Vertiefung von Fähigkeiten wie
Projekt- und Zeitmanagement, Teamfähigkeit und wissenschaftlichem Arbeiten im Vordergrund.
Die Lehrveranstaltungen werden überwiegend englischsprachig durchgeführt
und haben durch die Themenauswahl
sowie die Teilnahme Studierender aus
aller Welt eine starke internationale
Ausrichtung.
Das Studienangebot richtet sich an
InteressentInnen mit Bachelor- oder
Diplomabschluss in Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur, Stadtund Regionalplanung, Raumplanung,
Geographie oder Biologie (mit dem
Schwerpunkt Ökologie/Naturschutz),
Geoökologie, Politikwissenschaften mit
Bezügen zur Umweltplanung oder vergleichbaren Disziplinen.
Der Masterstudiengang Umweltplanung
ist am Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der Fakultät VI
– Planen-Bauen-Umwelt der TU Berlin
angesiedelt. Neben dem Masterstudiengang Umweltplanung wird hier zusammen mit dem Institut für Ökologie der
Bachelorstudiengang Ökologie und
Umweltplanung angeboten. Weiterhin
finden sich an der Fakultät VI mehrere
verwandte Masterstudienangebote wie
Landschaftsarchitektur, Stadtökologie /
Urban Ecosystem Sciences, Stadt- und
Raumplanung, aus deren Lehrangebot
Veranstaltungen als Wahlmodule im
Master Umweltplanung belegt werden
können.
Die Bewerbungsfrist für das Wintersemester 2015/2016 ist der 15. Juli 2015.
Bei Interesse finden Sie weitere Informationen zum Studienverlauf und zur
Bewerbung im Internet unter:
www.ilaup.tu-berlin.de/
index.php?id=1129 oder Facebook:
www.facebook.com/master.
environmental.planning.berlin.
Für weitere Fragen steht Ihnen die Studienfachberatung zur Verfügung
(lapla.info(at)fak6.tu-berlin.de).
Kurzmitteilungen
A
n dieser Stelle möchten wir auf
einen Beitrag der Geoökologin
Renate Ell hinweisen. Sie
studierte von 1984 bis 1989 Geoökologie in Bayreuth und ist seit vielen Jahren als freie Wissenschaftsjournalistin
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
tätig. Jüngst wurde von ihr im Bayrischen Rundfunk (Bayern 2) eine Sendung über das Grüne Band ausgestrahlt
– ein zutiefst geoökologisches Thema.
Die Sendung ist auch als Podcast zu
hören:
www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/sendung914516.html
LaD
29
Neues aus Forschung und Praxis
Neues aus Forschung und Praxis
Multiple Umweltauswirkungen der kommerziellen
Plantagenwirtschaft in Zentralchile – Zwischenbericht einer
deutsch-chilenischen Lehr- und Forschungskooperation
Von Andreas Ch. Braun, Callum C. Banfield, Pablo Jaramillo, Iris Meyer, Claudia Schmidt-Cotta, Danny
Tröger, Violeta Volceski, Gunhild Hansen-Rojas und Joachim Vogt
Einleitung
A
ufgrund seiner besonderen
Geographie, die zwischen den
Kältewüsten der Antarktis und
den Hitzewüsten der Atacama zahlreiche Vegetations- und Klimazonen beherbergt, ist Chile seit jeher ein Schwerpunktgebiet biogeographischer, landschafts- und geoökologischer Grundlagenforschung.
Schon die Übertragbarkeit der klassischen Pflanzensoziologie wurde von
Oberdorfer (1960) in Chile nachgewiesen. Mit der Habilitation von Endlicher
erschienen 1988 die ersten Beiträge, die
explizit als „geoökologische Untersuchungen“ deklariert wurden. Während
Endlicher Landschaftsveränderungen
allgemein thematisiert, rückt spätestens
mit der Dissertation der Geoökologin
Frank (1996) ein besonderer Landnutzungs-Prozess ins Augenmerk, dem
sich auch dieser Beitrag widmet: die
Abholzung der Küstenwälder zugunsten
kommerzieller Forstplantagen.
abgeholzt. Es entstanden vegetationsarme Bereiche, mit deren hoher Erosionsanfälligkeit sich Endlicher (1988)
auseinandersetzte. Zum Zwecke der
Erosionsprävention wurden gegen Ende
des 19. Jahrhunderts erstmals Baumplantagen mit nicht-heimischen PinusSpecies angepflanzt.
Forschungshintergrund
Diese Maßnahme, die zunächst vorrangig landschaftspflegerischen Charakter
hatte, entwickelte sich jedoch zu einer
Raumnutzung mit kommerziellem Hintergrund weiter. Nachdem unter der
Regierung von Allende Anfang der
1970er Jahre die zuvor genannten vegetationsarmen Bereiche sozialisiert wurden, befanden sich große Raumanteile
in Staatsbesitz. Im Zuge der Wirtschaftsreformen subventionierte die
Diktatur von Pinochet ab 1974 massiv
die Forstwirtschaft, die sich entsprechend ausweitete. Die landschaftspflegerisch motivierte Einrichtung von
Baumplantagen entwickelte sich zum
lukrativen Geschäft. In diesem Zuge
wurden Plantagen zunehmend nicht
mehr auf waldfreien Bereichen eingerichtet. Stattdessen wurden innerhalb
weniger Jahre große Waldflächen abgeholzt, um Plantagen anzupflanzen.
Diese Flächen, vorrangig durch Pinus
und Eucalyptus charakterisiert, bilden
heute viele Hundert Hektar große Monokulturen, die als KurzumtriebsPlantagen bewirtschaftet und durch
Kahlschlag geerntet werden.
Die Küstengebirge der temperaten Zone
Zentralchiles waren ursprünglich mit
Laub- und Hartlaubmischwäldern mit
Nothofagus-Species als Hauptbaumarten bedeckt. Im Zuge der Conquista und
der darauf folgenden Besiedlung des
Raums durch europäische Siedler, wurden diese Wälder zugunsten extensiver
Land- und Viehwirtschaft teilweise
Abbildung 1: Kartierungen der Veränderung der Landnutzung und der Entwaldung
zwischen 1975 und 2010 (nach Braun 2013).
30
Das hier beschriebene Projekt fragt
nach den ökologischen Konsequenzen
dieses Prozesses. Es begann im Rahmen
der Dissertation von Braun (2013) und
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Neues aus Forschung und Praxis
wurde durch ein JungwissenschaftlerStipendium des KIT ermöglicht. Parallel zu dieser Promotion unterstützten
mehrere studentische Arbeiten das
Projekt.
Motivation und Zielsetzung
Die Forschungsperspektive der
Geoökologie ist charakterisiert durch
eine starke Orientierung theoretischer
Forschungsfragen an konkreten Umweltproblemen. Dies ist auch für das
hier besprochene Projekt der Fall. Der
vorliegende Beitrag versucht jedoch
weder die Umweltauswirkungen der
Plantagenwirtschaft in Chile abschließend, noch umfassend zu bewerten.
Stattdessen dokumentiert er, welche
Ergebnisse bislang vorliegen und wo
noch Forschungsbedarf besteht.
Hinsichtlich ihrer Fachorganisation
strebt die Geoökologie stets eine hohe
Integration ihrer Studierenden in wissenschaftliche Abläufe an. Auch in
diesem Beitrag liegt ein wesentlicher
Schwerpunkt darauf, aufzuzeigen, dass
und wie studentische Abschlussarbeiten
gewinnbringend für beide Seiten in
aktuelle Forschungsprozesse integriert
werden können.
Bisherige Ergebnisse
Auswirkungen der Landnutzung
auf die pflanzliche Biodiversität in
Zentralchile
Die Dissertation von Braun (2013) fragt
nach Auswirkungen des Landnutzungswandels auf die Biodiversität.
Betrachtet wird ein 67.000 km² großes
Untersuchungsgebiet (die VII. und VIII.
Region Chiles). Zunächst ist die vorherrschende massive Entwaldung zugunsten von Plantagen nachzuweisen,
die von den Forstfirmen bestritten wird.
Braun gelingt dies durch multitemporale Satellitenbildkartierungen (1975 bis
2010). Er zeigt, dass von den einst
knapp 40 Prozent Waldflächen im Küstengebirge weniger als 4 Prozent verbleiben. Er zeigt auch, dass die entwaldeten Flächen zu fast 80 Prozent in
Plantagen umgewandelt werden (vgl.
Abb. 1).
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Abbildung 2: Vergleich zentraler Biodiversitätsindikatoren von Wäldern und Plantagen.
A: Artenvielfalt, B: Simpson-Index, C: Deckungsgrad der Krautschicht (nach Braun et
al. 2014).
31
Neues aus Forschung und Praxis
Im nächsten Schritt untersucht Braun
die Auswirkungen auf die Biodiversität.
Dazu erhebt er 175 Braun-Blanquet
Aufnahmen in unterschiedlichen Wäldern und Plantagen. Er zeigt, dass die
Biodiversität in Plantagen um bis zu 68
Prozent reduziert ist (vgl. Abb. 2).
Im dritten Schritt regionalisiert er die
punkthaften Biodiversitätsaufnahmen
durch die Fernerkundungsergebnisse
flächenhaft. Damit erstellt er eine
Schätzung der Biodiversität im Gesamtgebiet, die mit R²=0.78 relativ
zuverlässig ist.
Erweiterungspotenzial besteht vor allem
in der Untersuchung der Gründe für die
Reduktion der Biodiversität in Plantagen (also etwa Lichtkonkurrenz, Pestizideinsatz, Schädigung durch Ernte).
Darüber hinaus kann aus dem Fehlen
einer Art in einem Bestand selbstverständlich kein Aussterben in der gesamten Region gefolgert werden. Metapopulations-theoretische Untersuchungen
könnten die Wahrscheinlichkeit des
Artensterbens einzelner Arten klären.
Untersuchungen zur Fragmentierung der Wald-Habitate
Denn während etwa Arten der WaldBuschland-Ökotone durch die relative
Zunahme der Waldrand-Habitate profitieren könnten, ist eine Beeinträchtigung von Arten der Wald-Kernhabitate
zu erwarten.
Erfassung der Verminderung des
Erosionsschutzes in Plantagen
Braun (2013) zeigt, dass die Dichte und
Diversität der Krautschicht in Plantagen
stark reduziert, die Durchwurzelung des
Oberbodens also vermindert ist. Damit
entsteht für Banfield (2013) und
Schmidt-Cotta (2014) in ihren Diplomund Bachelorarbeiten die Frage, inwiefern der Erosionsschutz von Plantagenoberböden aufrechterhalten werden
kann.
An einer Versuchsstelle, an der ein
Sekundärwald in gleicher Hangposition
an eine Eucalyptus- und eine PinusPlantage angrenzt, wird ein sehr umfangreicher, zweiseitiger Messansatz
zur Erfassung rezenter Erosionsprozesse aufgebaut. Einerseits werden mehr
als zehn Erosionsindikatoren, wie etwa
die Tiefe eines diagnostischen Horizonts, aber auch moderne 137CsIndikatoren in Leitprofilen, Catenen
und Punktrastern bestimmt. Ebenso
werden die angekoppelten Sedimentationsprozesse am Hangfuß durch Sedimentationsfallen erfasst. Banfield zeigt,
dass sowohl die Tiefe des diagnostischen Horizonts, als auch die Nachweisbarkeitsgrenze des 137Cs in der
Plantage um etwa 6 Zentimeter vermindert sind. In der näheren Vergangenheit
ist also etwa dieser Betrag gegenüber
dem Wald stärker erodiert worden (vgl.
Abb. 4). Auch die anderen Erosionsindikatoren sprechen mehrheitlich für
rezente Erosionsprozesse in der Plantage (Banfield et al., in prep.). SchmidtCotta zeigt, dass entlang einer Catena
vom Wald in die Plantage hinein, der
Mittel- und Feinsandanteil, aber auch
der Organikgehalt deutlich abnehmen,
was – gestützt durch weitere Ergebnisse
– als Erosionsindikator gedeutet werden
kann.
Erweiterungsbedarf besteht vor allem in
der Klärung der Pedogenese, insbeson-
In ihrer Diplomarbeit untersucht
Volceski (2012), unterstützt von Jaramillo (2012), die morphologische Veränderung der einzelnen Wald- und
Plantagenbestände durch Landschaftsmetriken. Sie folgt der Hypothese, dass
Form und Verbundenheit der Bestände
Auswirkungen auf ihre Eignung als
Habitate für Arten haben.
Zunächst fertigt sie Satellitenbildkartierungen für einen Teil des Untersuchungsgebiets von Braun (2013) an.
Dann berechnet sie Landschaftsmetriken anhand der FRAGSTATS-Software
von McGarigal et al. (2002). Sie zeigt
dabei im Wesentlichen, dass die einzelnen Plantagenbestände zwischen 1975
und 2010 zunehmend größer werden,
während die Waldbestände einerseits
kleiner, anderseits isolierter voneinander werden, insgesamt also fragmentieren (vgl. Abb. 3).
Erweiterungspotenzial besteht in der
empirischen Klärung der Auswirkungen
dieser Fragmentierung im Gelände.
32
Abbildung 3: Veränderung der Waldhabitate. TCA: Fläche der Kernhabitate der Wälder,
PLAND: Prozentanteil der Wälder an der Landschaft, LPI: Prozentanteil des größten
Waldpatches am Gesamtbestand (nach Volceski 2012).
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Neues aus Forschung und Praxis
dere hinsichtlich Seismik und Massenbewegungen, die eine genauere Interpretation der rezenten Erosionsprozesse
ermöglichen würde.
Untersuchungen zum Pestizidaustrag aus Plantagen
Plantagen werden nach der Ernte durch
Pestizide behandelt. Die von Braun
(2013) nachgewiesene Abholzung von
Vegetations-Pufferbereichen wie Bambusbeständen mindert eine Schadstoffrückhaltung. Meyer (2014) fragt in ihrer
Bachelorarbeit danach, inwiefern diese
Pestizide die Plantagenböden verlassen
und die menschliche Nahrungskette
erreichen.
Ihr Ansatz ist dabei dreistufig. Zunächst
untersucht sie durch einen TracerVersuch mit einer Beregnungsanlage
die Möglichkeiten präferenziellen Fließens und damit unmittelbaren Auswaschens von Schadstoffen durch die
Bodenzone. In einem nächsten Schritt
erfasst sie mit HPLC Messungen das
empirische Vorhandensein von Pestiziden in Plantagen-Bodenproben. Zuletzt
untersucht sie anhand von Versuchsorganismen – einer in Plantagenböden
lebenden und in Chile als Delikatesse
verzehrten Krebsart – kumulative Anzeichen für Pestizidauswirkungen.
darstellen (etwa zwei Prozent). Eine
diachrone Untersuchung der Kartierungen zeigt jedoch, dass sie auch in Patagonien teilweise auf Waldflächen angelegt werden. Deswegen vergleicht Tröger anhand von 21 Braun-Blanquet
Aufnahmen die BiodiversitätsVerhältnisse. Auch wenn die patagonischen Wälder deutlich artenärmer sind,
als die zentralchilenischen, ist der Verlust an Artenvielfalt in den Plantagen
deutlich ausgeprägt und statistisch signifikant. Damit zeigt er, dass die derzeitige Tendenz, Plantagen zunehmend
nicht mehr in Zentralchile, sondern in
Patagonien anzulegen, zu ähnlichen
Verlustprozessen führt.
Aufgrund der Ähnlichkeit der Ansätze,
ist auch das Erweiterungspotenzial
ähnlich zu Abs. 2.1. Als besonders
wichtig erscheint im hochdynamischen
Patagonien eine BiodiversitätsModellierung, die für das Monitoring
des Raums entscheidend ist. Des Weiteren stellt sich die Frage nach der Qualität der Plantagen bezüglich des Erosi-
onsschutzes, da aufgrund der klimatischen Verhältnisse die Erosionsraten
vergleichsweise hoch sind und ein zentrales Problem für die langfristige
Nutzbarkeit darstellen.
Diskussion,
Schlussfolgerungen und
Ausblick
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass
die chilenische Forstwirtschaft, die die
Literaturvorschläge zur nachhaltigen
Forstnutzung weitestgehend nicht berücksichtigt, teils erhebliche Auswirkungen auf Eigenschaften der Ökosysteme und Artengemeinschaften hat.
Zentral ist hier sicherlich die erhebliche
Veränderung der pflanzlichen Biodiversität, die gemäß der insurance hypothesis ihre Versicherungseigenschaft für
das Funktionieren von Ökosystemen
verliert (Yachi und Loreau, 1999). Viele einzelne Schlussfolgerungen haben
bislang noch vorläufigen Charakter, da
während der studentischen Forschungs-
Die Forschungsarbeiten zeigen unter
anderem ein Vorhandensein von DDT,
Beta Endosulfan und Heptachlor in
Bodenproben. Eine Auswaschung dieser Substanzen in die anliegenden
viehwirtschaftlichen Bereiche und damit in die Nahrungskette ist möglich.
Auswirkungen der Landnutzung
auf die pflanzliche Biodiversität in
Patagonien
In seiner Bachelorarbeit untersucht
Tröger (2012) ebenfalls die Zusammenhänge zwischen Landnutzung und
Biodiversität. Der Ansatz ist dabei ein
ähnlicher wie der von Braun (2013),
überprüft jedoch die Übertragbarkeit
der Ergebnisse auf das chilenische
Patagonien.
Durch Fernerkundungs-Kartierungen
kann Tröger dabei zunächst zeigen,
dass die Plantagen derzeit nur einen
sehr kleinen Anteil der Landfläche
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Abbildung 4: 137Cs Erosionsindikator, Vergleich der Cäsium-Konzentration von Wald und
Plantage mit erosions-/sedimentationsfreier Referenzfläche. Kurven links der
Referenzkurve zeigen Erosions-, rechts der Kurve Sedimentationsprozesse an (nach
Banfield 2013).
33
Neues aus Forschung und Praxis
arbeiten auftauchende Fragen aus Zeitgründen nicht mehr beantwortet werden
konnten. Dies hätte dem zeitlichen
Umfang einer Dissertation entsprochen.
Für eine vollständigere Diskussion der
Ergebnisse wird auf die Arbeiten selbst
verwiesen.
Hinsichtlich der Organisation geoökologischer Forschung kann gesagt werden, dass eine Integration studentischer
Abschlussarbeiten aller Leistungsniveaus sehr gewinnbringend für alle
Beteiligten möglich und daher wünschenswert ist. Für die Studierenden
wirkt die Integration ihrer Leistungen in
aktuelle Forschungsfragen, die tatsächlich von wissenschaftlichem Interesse
sind, statt hinterher „in der Schublade
zu verschwinden“ stark motivationsfördernd. Darüber hinaus bietet sich durch
die Aktualität auch die Chance, Ergebnisse gemeinsam zu publizieren (vgl.
Braun et al. 2014, Banfield et al., in
prep), was sich für möglicherweise
erforderliche Bewerbungen gut macht.
Für DoktorandInnen ist die Integration
studentischer Arbeiten durchaus gewinnbringend, wobei angeraten wird,
eben nicht lediglich eine Repetition
oder Erweiterung der eigenen Promotionsarbeiten, sondern den eigenen Arbeiten angegliederte Folgefragestellungen auszuschreiben.
Für beide Parteien sind derartige Forschungsvorhaben – besonders wenn sie
in anderen Ländern stattfinden – auch
mit erheblichen Herausforderungen
verbunden. Für Studierende, für die die
erstmalige Durchführung eigener Forschungsarbeiten ohnehin mit großer
Neuerung verbunden ist, ist die Erfordernis auf einem fremden Kontinent, in
einem fremden Natur- und Sozialraum
und in einer fremden Sprache zu arbeiten, nicht selten mit erheblichen psychischen Leistungen verbunden. Darüber
hinaus ist der Anspruch, im Rahmen
einer Bachelorarbeit ein Thema an der
Grenze zum wissenschaftlichen Kenntnisstand zu bearbeiten, mit einer ungleich höheren Leistung verbunden, als
eine Themenstellung etwa auf Grundlage eines bereits untersuchten Datensatzes.
34
Im vorliegenden Projekt wurden diese
Ansprüche in jedem Fall erreicht. Dies
hat Gründe, die zu erörtern sind. Ganz
zentral ist es, auf der Seite des Ziellandes kompetente Ansprechpartner zu
haben, die die Studierenden persönlich
kennen, ins Sozialsystem einführen und
unterstützen.
Vor allem dann, wenn forschungsrelevante Arbeiten in einem anderen Land
durchzuführen sind, ist ausreichend Zeit
einzuplanen. Bei keiner der Arbeiten
konnte der von der Studienordnung
vorgeschlagene Zeitrahmen eingehalten
werden, stets war deutlich mehr Zeit
notwendig. Dies ist nur auf Grundlage
einer Einwilligung der Studierenden
möglich. Diese können selbstverständlich auf eine Einhaltung des Zeitrahmens bestehen, müssen dabei allerdings
in Kauf nehmen, dass dann der Anspruch, auf einem anderen Kontinent zu
forschen nicht erfüllt werden kann. Eine
Einwilligung zu einer Ausweitung des
Zeitrahmens ist für DiplomandInnen
durchaus einfacher als für Bachelor/Master-Kandidaten, die durch
die erhebliche Straffung des Studiums
im Rahmen der Bologna-Reform hier
nur schwerer Konzessionen machen
können. Hinsichtlich der Betreuung in
Deutschland ist es sehr ratsam, Themenstellungen nicht fest, sondern eher
umrissartig vorzugeben.
Die Anforderung, das Thema der eigenen Abschlussarbeit nicht bloß zu übernehmen, sondern selbst zu entwickeln,
hat die Motivation der AbschlusskandidatInnen nicht gemindert, sondern eher
erhöht. Dies erfordert von ihnen die
Bereitschaft, sich vorab gründlich mit
der Literatur auseinanderzusetzen und
den Forschungsplan Stück für Stück
selbst zu entwickeln. Seitens der Betreuer ist es unbedingt erforderlich, sich
sehr viel Zeit für die Planung und
Durchführung der Arbeiten einzuräumen und sich sehr intensiv mit Person
und Vorhaben zu beschäftigen. In jedem Fall waren mindestens fünf Besprechungstermine notwendig, noch
bevor eine finale Zusage durch die
Studierenden erfolgte. Bei der Benotung der Arbeit ist es für die betreuende
Person wichtig, zwischen den Anforderungen von Studium und Wissenschaft
zu unterscheiden, und die Arbeiten nach
der Art ihrer Durchführung und Dokumentation und nicht ausschließlich nach
der Belastbarkeit der wissenschaftlichen
Aussagen zu bewerten.
Literatur
Banfield, C. (2013): Bodenerosion in kommerziellen Baumplantagen in Südzentralchile - mit einem Ausblick auf
die Pestizidbelastung von PlantagenOberböden, Diplomarbeit, KIT.
Banfield, C., Braun, A., Burger, D., Schuller, P., Barra, R., Vogt, J. (in prep):
Comparing soil erosion indicators in a
E. globulus plantation and adjacent forest site in South Central Chile.
Braun, A. (2013): Eine fernerkundungsgestützte geoökologische Prozessanalyse
zum Risikozusammenhang zwischen
Landnutzung und Biodiversität an einem Beispiel aus Chile, Dissertation,
KIT.
Braun, A., Banfield, C., Vogt, J., Barra, R.,
Schuller, P., Koch, B. (2014): Assessing Erosion Risks Induced By
Land-Use Change in Favor of Commercial Forestry in Chile, In Proc.:
EaRSEL Symposium 2014.
Echeverria, C., Coomes, D., Salas, J., ReyBenayas, J. M., Lara, A., & Newton, A.
(2006): Rapid deforestation and fragmentation of Chilean temperate forests,
Biological Conservation, 130(4), 481494.
Endlicher, W. (1988): Geoökologische
Untersuchungen zur Landschaftsdegradation im Küstenbergland von Concepcion (Chile), Habilitation, Franz
Steiner Verlag Wiesbaden GmbH,
Stuttgart.
Frank, D. (1996): Umweltauswirkungen des
Landnutzungswandels in der IX. Region Chiles: Untersuchung von
Waldökosystemen und forstlichen Monokulturen am Beispiel der Umgebung
Temucos, Dissertation, Mensch und
Buch Verlag, Berlin.
Jaramillo, P. (2012): Spatial analysis of the
forestation and deforestation in Chile
using ArcGIS 10, Bachelorarbeit,
KIT/UdeC.
Yachi, S., Loreau, M. (1999): Biodiversity
and ecosystem productivity in a fluctuating environment: the insurance hypothesis, Proceedings of the National
Academy of Sciences, 96(4), 14631468.
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Neues aus Forschung und Praxis
McGarigal, K., Cushman, S. A., Neel, M.
C., & Ene, E. (2002): FRAGSTATS:
spatial pattern analysis program for
categorical maps.
ralen Fernerkundungsdaten, Diplomarbeit, KIT.
Landschaftsinformationssysteme
Chair of Remote Sensing and Landscape
Information Systems
Meyer, I. (2014): Pestizididentifikation und
Darstellung deren präferentieller
Fließwege aus Eucalyptus globulus
Plantagen in der Region Bio-Bio sowie
sublethale Effekte auf Parastacus pugnax, Bachelorarbeit, KIT.
Albert-Ludwigs Universität
D- 79085 Freiburg
Tel: (0) 761 / 203 67657
E-Mail: andreas.braun(at)felis.unifreiburg.de
Oberdorfer, E. (1960): Pflanzensoziologische Studien in Chile: Ein Vergleich
mit Europa, J. Cramer Verlag, Weinheim.
Andreas Ch. Braun studierte Geoökologie an der Technischen Universität Karlsruhe, dem heutigen Karlsruher Institut
für Technologie. Momentan beendet er
ein Master-Studium der Soziologie an
der FernUniversität in Hagen. Andreas
promovierte über den Landnutzungswandel in Chile, wobei er Fernerkundungsmethoden und geoökologische
Felduntersuchungen kombinierte. Aufgrund der großen Anzahl an AutorInnen
steht er als korrespondierender Autor
stellvertretend für alle Beteiligten.
Schmidt-Cotta, C: (2014): Vergleichende
Erfassung der Bodenerosion in einer
Pinus radiata (D.Don) Plantage und einem naturnahen Sklerophyllenwald in
Südzentralchile, Bachelorarbeit, KIT.
Tröger, D. (2012): Untersuchungen zur
Landschaftstransformation durch Plantagenwirtschaft und deren Einfluss auf
die Biodiversität im chilenischen Patagonien, Bachelorarbeit, KIT.
Volceski, V. (2012): Verlust von Waldökosystemen und Habitatfragmentierung in
Chile - Prozessbeobachtung und Prozessbewertung anhand von multispekt-
Professur für Fernerkundung und
Dr. Andreas Ch. Braun
(Dipl.-Geoökologe)
Was, wenn wenig Wind weht? Forschung an Luftströmung und
Ausbreitung in Schwachwindsituationen
Von Christoph Thomas, Bayreuth
J
eder kennt es aus eigener Erfahrung: An einem lauen Sommerabend sitzt man gemütlich um ein
Lagerfeuer und der Rauch weht einem
immer ins Gesicht, egal, wohin man
sich setzt. Was sich wie eine harmlose
Anekdote aus dem alltäglichen Leben
anhört, beruht auf handfester atmosphärischer Ausbreitungsphysik, die bislang
weitestgehend unbekannt ist und deshalb von uns erforscht wird. Die Relevanz für das Ökosystem, in dem
Mensch, Tier, Pflanze und physische
Umwelt durch Stoff- und Energieaustausch organisch miteinander verbunden sind, ist hoch: Schwachwindsituationen gehen mit erheblich eingeschränkFORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
ter vertikaler Luftdurchmischung (Diffusion) und nahezu unvorhersagbarer
horizontaler Ausbreitung (Dispersion)
von Spurengasen und Luftschadstoffen
einher. Diese können dadurch hohe
oder extreme bodennahe Konzentrationen erreichen. Schwachwinde ergeben
sich aus fehlenden synoptischen Druckgradienten und hoher Reibung mit der
Unterlage und haben mittlere Geschwindigkeiten ≤ 1,5 ms-1. Entgegen
den Vorhersagen üblicher Gauß’scher
oder Lagrange’scher Ausbreitungsmodelle, die hier versagen, bleiben Emissionen räumlich über hunderte Meter
und Kilometer konzentriert und können
plötzliche Richtungswechsel von bis zu
180 Grad vollziehen. Dieses Verhalten
wird als Mäandrieren bezeichnet und ist
häufig zu beobachten. Dabei gewinnt
das Relief der Landschaft an Bedeutung, sodass kleine Unebenheiten, einzelne Hecken, Schuppen oder schwache
Hangneigungen erhebliche Auswirkungen auf das Fließen der Luft und deren
Transport haben können. Nebelbildung
mit erheblicher Sichteinschränkung
sowie Frostgefahr durch Kaltluftabfluss
und Bildung von Kaltluftseen in Tallagen sind häufige Begleiterscheinungen
(Abbildung 1). Ein erheblicher Teil
unserer Landschaft ist von systematischen Schwachwinden betroffen, insbesondere Bereiche wie Siedlungen, Wäl35
Neues aus Forschung und Praxis
Abbildung 1: Künstlich erzeugter Nebel eignet sich hervorragend zur Visualisierung von
Luftströmung und bei schwachen Winden. In Kaltluftseen, die die vertikale Durchmischung verhindern, können Emissionen extreme hohe Konzentrationen nahe am Boden
erzielen. Derzeitig verfügbare Modelle versagen jedoch bei der Vorhersage solcher
Phänomene und des horizontalen und vertikalen Transports bei Schwachwindsituationen,
da die Ausbreitungsphysik weitgehend unbekannt ist (Foto: Christoph Thomas).
Winden an Einfluss und können zum
Beispiel plötzliche Richtungswechsel
und Durchmischung bewirken. Diese
Strukturen verletzen grundlegende
Annahmen gängiger Theorien für
stochastische Prozesse, da sie weder
periodisch, noch zufällig sind.
(3) Wie kann man beobachten und messen? Übliche Wetterstationen und
Flussmesstürme einschließlich der
Eddy-Kovarianztechnik sind ungeeignete „Punkt“-Ansätze, die zwar flächengemittelte Daten liefern, jedoch
aufgrund der Verletzung der Ergodenhypothese bei Schwachwindsituationen
keine räumlich repräsentativen Messungen ermöglichen. Hier sind Beobachtungen mithilfe von Sensorennetzwerken in Kombination mit räumlich-zeitlich auflösenden Auswertemethoden notwendig (Thomas, 2011), die
auch auf seltene oder Einzelereignisse
anwendbar sind. Erfolgreiche Methoden
wie die Multi Resolution Decomposition, die einer Wavelettransformation mit
der Haarfunktion ähnlich ist, zerlegen
Messungen in ungewichtete Mittelwerte
variabler Länge und ermöglichen so
der und Talböden, wo der Wind durch
erhöhte Rauigkeit oder Windschutz
abgebremst wird.
ten bis Stunden und räumlichen Ausdehnungen von hunderten Metern bis
Kilometern gewinnen bei schwachen
Die wissenschaftliche Herausforderung
besteht zunächst in der Beantwortung
dreier zentraler Fragen, um anschließend das langfristige Ziel einer neuen
Theorie mit anwendbaren Modellen zu
erreichen:
(1) Welche Einflussgrößen sind wichtig? Klassische Ähnlichkeitsansätze, die
auf lokalen Parametern wie zum Beispiel der Oberflächenrauigkeit und
Höhe über Grund basieren, sind ungültig, da Strömung und Transport aufgrund der meist stabilen Schichtung von
der Unterlage entkoppelt sind. Mehrere
Luftschichten können ähnlich einer
Schichttorte übereinander gelagert sein,
ohne sich zu durchmischen. Sogenannte
nichtlokale Größen gewinnen an Bedeutung, sodass beispielsweise eine
weit entfernte Waldkante für den Austausch über dem benachbarten Feld
wichtiger ist als die Eigenschaften der
Feldoberfläche selbst.
(2) Wie lässt sich der Stoff- und Energietransport mathematisch beschreiben? Sogenannte submesoskalige
Strukturen mit Lebenszeiten von Minu-
Abbildung 2: Die Messung der Lufttemperatur mithilfe einer zweidimensionalen optischen
Glasfaser-„Harfe“ durch die Distributed Temperature Sensing (DTS) Technik ermöglicht die
zeitlich und räumlich hochauflösende Visualisierung von Strömung und Wärmetransport.
Modernste DTS Geräte erreichen Messauflösungen von 10 bis 20 Zentimetern entlang einer
Glasfaser mit bis zu 2 Kilometern Länge mit einer zeitlichen Integration über einige
Sekunden (Foto: Christoph Thomas).
36
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Neues aus Forschung und Praxis
eine skalenabhängige Auswertung.
Beispiele simulierter Ausbreitungen in
beobachteten Windfeldern, die Modelle
ersetzen, solange das physikalische
Prozessverständnis fehlt, sind auf
www.submeso.org zu finden.
Wir verwenden zunehmend lange optische Glasfasern zur Beobachtung, die
mit der innovativen lichtbasierten Distributed Temperature Sensing (DTS)
Technik zu hochauflösenden Sensoren
werden. Diese bislang vorwiegend in
Fließgewässern verwendete Technik
(Selker et al, 2006) ermöglicht die Erfassung der Lufttemperatur als Prozesstracer für den Wärmetransport und
die Strömung mit solcher Präzision und
Auflösung, dass selbst einzelne Turbulenzwirbel sichtbar werden und quantitativ auswertbar sind (Thomas et al.,
2012). Die circa ein Millimeter dicken
Fasern werden mit Rahmen beliebiger
Geometrie in der Luft gehalten (Abbildung 2). Die aktuellste Studie verwendet die bisher größte „Mess-Harfe“ von
40x7x5 Meter Abmessung mit über
8.000 simultanen Temperatursensoren
von 12,5 Zentimeter Länge entlang
einer kontinuierlichen 1,9 Kilometer
langen Faser zur Erfassung eines Kaltluftsees in einer flachen Senke in agrarischer Landschaft (Zeeman et al.,
2014). Eine Animation der Messungen
ist unter http://dx.doi.org/10.5281/
zenodo.7611 zu sehen. Ein spannendes
Ergebnis war die erstmalige Erfassung
und Beschreibung wellenähnlicher
Strukturen von circa 200 Sekunden
Andauer, die sich entgegen der
Hauptwindrichtung ausbreiten und zu
einer kurzfristigen Vertiefung und
Durchmischung der Kaltluft führen. Der
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Vorteil der DTS Technik für die Umweltforschung ist die kompartimentübergreifende Erfassung der Temperatur, da eine Faser in Luft, Boden,
Schnee und Wasser gleichzeitig messen
kann.
Die Erkenntnisse über Schwachwinde
werden neben der meteorologischen
Grundlagenforschung zur verbesserten
Quantifizierung der Kohlenstoffsenke
und Verdunstung von Wäldern verwendet und liefern wichtiges Prozessverständnis der Wechselwirkungen zwischen Pflanze und Mikroklima.
Literatur
Selker J, van de Giesen N, Westhoff M,
Luxemburg W, Parlange MB (2006):
Fiber optics opens window on stream
dynamics. Geophys Res Lett.
2006;33(24).
doi:10.1029/2006gl027979. 4.
Thomas CK, Kennedy AM, Selker JS, et al
(2012): High-resolution fibre-optic
temperature sensing: A new tool to
study the two-dimensional structure of
atmospheric surface layer flow.
Boundary-Layer Meteorol.
2012;142:177-192.
doi:10.1007/s10546-011-9672-7. 2.
Thomas CK (2011): Variability of subcanopy flow, temperature, and horizontal
advection in moderately complex terrain. Boundary-Layer Meteorol.
2011;139:61-81. doi: 10.1007/s10546010-9578-9. 3.
Zeeman MJ, Selker JS, Thomas CK (2014):
Near-surface motion in the nocturnal,
stable boundary layer observed with fibre-optic distributed temperature sensing. Boundary- Layer Meterology.
2014:online first. doi:10.1007/s10546014-9972-9.
Prof. Dr. Christoph Thomas studierte
Geoökologie an der Universität Bayreuth
und ging nach der Promotion in Mikrometeorologie am Bayreuther Institut für
Terrestrische Ökosystemforschung
(BITÖK) im Jahr 2005 zunächst als
Postdoc in das College of Forestry an der
Oregon State University (OSU) im Pazifischem Nordwesten der USA. Seit 2008
leitete er dort als Professor die Grenzschichtmeteorologie und AtmosphäreVegetation Wechselwirkung am College
of Earth, Ocean, and Atmospheric Science. Seit dem Wintersemester 2014/15
lehrt und forscht er wieder in Bayreuth
als Nachfolger von Prof. Dr. Thomas
Foken.
Prof. Dr. Christoph K Thomas
Mikrometeorologie
Universität Bayreuth
95540 Bayreuth
Telefon +49 (0) 921 55 2293
christoph.thomas(at)uni-bayreuth.de
www.bayceer.uni-bayreuth.de/meteo
www.researcherid.com/rid/I-5751-2012
37
Mitglied werden
Mitglied werden im VGöD
Drei Schritte in den VGöD: (1) Eintrittserklärung ausfüllen, (2) Eintritts- und
Datenschutzerklärung unterschreiben, (3) das ausgefüllte Blatt an den VGöD schicken
(Alexanderstr. 9, D-95444 Bayreuth, Fax: 09 21 / 85 14 97, vgoed(at)geooekologie.de)
Eintrittserklärung:
Datenschutzerklärung:
Ich unterstütze die Tätigkeiten und Ziele des Verbandes für
Geoökologie in Deutschland (VGöD) e.V. und möchte Mitglied werden:
Der Verband für Geoökologie in Deutschland
(VGöD) e.V. erhebt mit dem Beitritt die folgenden Daten
seiner Mitglieder:
Titel, Name, Vorname
Anschrift (Straße, Wohnort)
Telefon / E-Mail (privat)
Arbeitgeber
Telefon / E-Mail (geschäftlich)
Bankverbindung (Kontonr., Bankleitzahl, Geldinstitut)
Geburtsdatum
Mitgliedsstatus (studierend / nicht erwerbstätig, teil-/
vollzeitbeschäftigt, Familienmitglied, Fördermitglied)
Der Verein veröffentlicht Daten seiner Mitglieder auf seiner
Homepage, in den offiziellen Verbandsorganen des VGöD
und im gedruckten Mitgliederverzeichnis nur, wenn die Mitgliederversammlung einen entsprechenden Beschluss gefasst
hat und das Mitglied nicht widersprochen hat.
Name, Vorname (Titel): __________________________
___________________________
Geburtsdatum:
___________________________
Straße:
___________________________
Wohnort:
___________________________
Telefon (privat):
___________________________
E-Mail (privat):
___________________________
Arbeitgeber:
___________________________
___________________________
Telefon (geschäftlich):
E-Mail (geschäftlich):
Der jährliche Beitrag von (bitte ankreuzen)
€
€
€
€
25
40
70
135
für Studierende / nicht Erwerbstätige
für Teilzeitbeschäftigte
für Vollzeitbeschäftigte
für Fördermitglieder
ist jeweils zu Jahresbeginn fällig. Ich ermächtige den VGöD
bis auf Widerruf zum Einzug des Beitrages von meinem
Girokonto im Lastschriftverfahren. Spenden und Mitgliedsbeiträge an den VGöD sind in vollem Umfang steuerlich
absetzbar!
Kontonummer:
___________________________
Bankleitzahl:
___________________________
Geldinstitut:
___________________________
Familienmitgliedschaft (bitte ggf. ankreuzen):
Übersicht der von der Mitgliederversammlung beschlossenen
Veröffentlichungen von Mitgliedsdaten (nicht Bestandteil der
Datenschutzerklärung):
im Verbandsorgan FORUM der Geoökologie:
Name, Vorname, Wohnort von neuen Mitgliedern;
Name, Vorname von „verschollenen“ Mitgliedern
(Mitglied ist nicht mit den in der Geschäftsstelle vorliegenden Kontaktdaten erreichbar) und verstorbenen Mitgliedern;
im Online-Mitgliederverzeichnis (passwortgeschützter
Bereich der Homepage): Titel, Name, Vorname,
Anschrift (Straße, Wohnort), Telefon / E-Mail (privat /
geschäftlich), Arbeitgeber;
im gedruckten Mitgliederverzeichnis (Versand an Mitglieder): Titel, Name, Vorname, Anschrift (Straße, Wohnort), Telefon / E-Mail (privat).
Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen und erkläre mich einverstanden.
Mein Partner ist VGöD-Mitglied (Nr.: ____)
bzw. meldet sich ebenfalls an
(2. Eintrittserklärung liegt bei).
Näheres zur Familienmitgliedschaft: siehe www.geooekologie.de
Datum, Unterschrift:
Datum, Unterschrift
_____________________________________________________________________________________________________
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FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Forschungseinrichtungen/Rezension
Forschungseinrichtungen
Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ)
D
er Forschungsgegenstand des
GFZ ist das System Erde. Wir
befassen uns mit der Geschichte der Erde, ihren Eigenschaften
sowie den in ihrem Inneren und an der
Oberfläche ablaufenden Vorgängen.
Wir untersuchen aber auch die vielen
Wechselwirkungen, die es zwischen
seinen Teilsystemen gibt, der Geo-, der
Hydro-, der Kryo-, der Atmo- und der
Biosphäre. Das GFZ ist mit derzeit
1.177 Beschäftigten (Stand:
30.09.2014), darunter 458 WissenschaftlerInnen und 198 DoktorandInnen, das nationale Forschungszentrum
für Geowissenschaften in Deutschland.
Mit einem Jahresetat von 92,2 Millionen Euro (Stand: 31.12.2013) bearbeiten unsere MitarbeiterInnen alle Disziplinen der Geowissenschaften von der
Geodäsie bis zum Geoingenieurwesen
und den benachbarten Natur- und Ingenieurwissenschaften zusammen.
Mission
Das rasant und anhaltende Wachstum
der Weltbevölkerung, die damit einhergehende immer intensivere Nutzung
unseres Planeten und seiner Ressourcen
sowie die zunehmende Anfälligkeit
unserer Gesellschaft gegenüber Naturgefahren erfordern ein international
abgestimmtes Handeln. Zu dieser großen Zukunftsaufgabe der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge will das GFZ mit
seiner Erdsystemforschung einen substantiellen Beitrag leisten und Handlungswissen und technologische Konzepte für ein nachhaltiges „ErdsystemManagement“ bereitstellen.
Langfristiges Ziel ist es, das hochkomplexe nichtlineare System Erde und
seine wechselwirkenden natürlichen
Teilsysteme mit ihren ineinandergreifenden Kreisläufen und weitverzweigten Ursache-Wirkung-Ketten zu verstehen, das Ausmaß des Globalen Wandels
und seine regionalen Auswirkungen zu
erfassen sowie den Einfluss der Tätigkeit des Menschen auf das „System
Erde“ zu bewerten.
Das GFZ umfasst als HelmholtzZentrum für Geoforschung alle Disziplinen der Geowissenschaften und betreibt sie in einem engen interdisziplinären Verbund mit den benachbarten
Naturwissenschaften Physik, Mathematik und Chemie sowie den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen Felsmechanik, Ingenieurhydrologie und Ingenieurseismologie. Die methodischen
Kernkompetenzen des GFZ liegen in
der Anwendung und Entwicklung von
Satellitentechnologien und raumgestützten Messverfahren, im Betrieb
geodätisch-geophysikalischer Messnetze, in der Tomographie der festen Erde
mit Verfahren der geophysikalischen
Tiefensondierung, in der Durchführung
von Forschungsbohrungen, in der Labor- und Experimentiertechnik sowie in
der Modellierung von Geoprozessen.
Franz Ossing
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum
GFZ
Telegrafenberg
14473 Potsdam
Tel.: +49 (0)331 288-0
www.gfz-potsdam.de.
Die Artenvielfalt muss erhalten werden!
Aber warum nur? Eine Rezension zu Donald Maier (2012)
M
yers et al. (2000) schlagen
vor, jährlich 500 Millionen
Dollar für den Schutz der
Biodiversitäts-Hotspots zu investieren.
Vorrangig von Staaten getragen, würde
diese von Ökologen vorgeschlagene
Summe nicht aus dem Mehrwert der
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Investitionen des eigenen Unternehmens gestellt, sondern aus dem Mehrwert fremder Arbeit: den Steuergeldern.
Warum soll dieses Geld aufgebracht
werden? Warum soll Diversität erhalten
werden? Wie begründet man dem „einfachen Arbeiter“, dass ihm weniger
Netto vom Brutto bleibt, damit die
Uferschwalbe überlebt? Warum ist es
„schlimm“, wenn der Hirschkäfer ausstirbt?
Relativistische Legitimierungen, etwa,
dass in der Raumfahrt höhere Summen
investiert werden (Myers et al., 2000,
39
Rezension
Nature, 403, 853-858), oder normative
Legitimierungen, etwa, dass die Biodiversitätskonvention es fordert, helfen
nicht weiter. Einerseits ist solch Relativismus nicht hilfreich für die Akzeptanz
des Artenschutzes in der Bevölkerung.
Für diese besteht keinerlei Verpflichtung, dem Umweltschutz ein höheres
Primat einzuräumen als anderen aus
Steuern finanzierten Unternehmungen.
Und ferner, wäre es umgekehrt, würden
die meisten Ökologen Legitimierungen
von zum Beispiel wirtschaftlichen Investitionen lediglich durch Verweis auf
die höheren Ausgaben im Naturschutz
oder auf die Existenz eines Freihandelsabkommens, wohl kaum akzeptieren.
Was sollen wir dem besagten „einfachen Arbeiter“ auf seine berechtigte
Frage nach der Legitimation des durch
ihn finanzierten Artenschutzes also
antworten? Zwar wird durchaus versucht, hier Antworten anzubieten, etwa
mit dem Verweis auf den Nutzen der
Diversität und selbst einführende Kurzlehrbücher behandeln sie. Doch für
Donald Maier sind diese Fragen bislang
unzureichend beantwortet.
Als Philosoph behandelt er Diversität
dabei nicht als vorläufig akzeptierte
prima facie Tatsache, sondern setzt
radikal (lat. „an die Wurzel gehend“)
an, indem er fragt: „Was ist denn so gut
an der Biodiversität?“. Nachdem er
einige philosophische Begriffe und
Ansätze umreißt, und dabei nicht zuletzt einen Einstieg in philosophisches
Denken erleichtert, entwirft Maier zunächst eine Ontologie der Diversität,
erläutert also, was Diversität in seinem
Verständnis ist – und eben nicht ist.
Anschließend charakterisiert er Diversität als Paradigma, welches innerhalb
der Ökologie als fraglos schützenswert
behandelt werde, wobei deren Schutzwürdigkeit zumeist nicht, oder nur
unzureichend begründet sei. Warum
diese Begründungen für ihn unzu-
40
reichend sind, diskutiert er nachfolgend
detailliert. Dabei geht er einzelne Ansätze, etwa gefühlsethische (Diversität
als emotional evidenter Wert), utilitaristische (Diversität als Bereitsteller von
Dienstleistungen) oder deontologische
(der Mensch als verantwortlicher
Schützer der Artenvielfalt) durchaus
sehr kritisch an, bezeichnet einige von
ihnen als „Trugschlüsse“ und zeigt aus
seiner Sicht „unbequeme Implikationen“ auf, etwa, dass die Bewertung von
menschlich-gesteuerten Artenmigrationen häufig stark durch gesellschaftliche
Harmonievorstellungen geprägt sei.
Durch eine radikale Verwerfung vieler
tradierter, aber für ihn wenig stichhaltig
begründeter Paradigmen, findet Maier
dann zu einer neuen, sehr bemerkenswerten Begründung der Schutzwürdigkeit von Diversität.
Maiers „Aufruf zu einer besseren Begründung des Wertes der Natur“ wird –
wie vielleicht auch diese Rezension –
sicherlich viele Ökologen zunächst
ärgern. Dies ist wohl solange der Fall,
als man die eigene Perspektive beibehält, die Ökologie also aus Sicht der
Ökologie betrachtet. Dann kommt bei
einer Begründung des Artenschutzes
hinten das heraus, was man vorne angenommen hatte, nämlich dass die Artenvielfalt prinzipiell zu schützen ist. Als
Rezensionist bleibt einem dann nur,
Maiers Werk als „ärmliche Analyse“ zu
verbrämen (siehe Vellend, 2014, TREE,
29(3)). Ist man jedoch bereit, mit ihm
die Perspektive zu wechseln, die Ökologie also aus Sicht der Philosophie zu
betrachten, dann ist eine solche, radikal
die Paradigmen klärende Analyse genau
das, was ein Philosoph liefern muss, um
konstruktiv zur Diskussion beizutragen
und das, was Ökologen weiterhelfen
kann. Denn wenn beispielsweise von
der Ökonomie – nicht zuletzt aus der
Ökologie heraus – gefordert wird, ihre
eigenen Paradigmen neu zu denken und
zu begründen (Stichwort: Postwachstums-Ökonomie), dann verpflichtet sich
eine moralphilosophische behandelte
Ökologie über die Universalisierbarkeit
dabei, selbiges auch mit den eigenen
Paradigmen zuzulassen.
Lässt man sich also auf die an die Wurzel gehende Argumentation von Maier
ein, dann kommt man mit ihm nicht
etwa zu dem Schluss, dass die Artenvielfalt nicht zu erhalten sei, sondern ist
in der Lage, die Notwendigkeit des
Artenschutzes auch außerhalb der ökologischen Arena überzeugender zu
begründen.
Dr. Andreas Ch. Braun
Maier, D.S. (2012): “What’s So Good
About Biodiversity? A Call for Better
Reasoning About Nature’s Value”, The
International Library of Environmental,
Agricultural and Food Ethics, Vol. 19,
Springer-Verlag, Dordrecht/Heidelberg/New York/London,
ISBN-13: 978-94-007-3990-1, 577 Seiten, Gebundene Ausgabe 230,50€,
Taschenbuch, 22,95€, eBook, 19,51€
(Amazon, 03.11.2014).
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Termine
Termine
Geoökologie-Stammtische
Stammtisch Augsburg
Stammtisch Karlsruhe
Der Ort wird bei Interesse zwei bis drei
Wochen vor Termin per E-Mail bekannt
gegeben.
Nächste Treffen: 08. Jan., 05. Febr. und
05. März 2015. Den Ort bitte per EMail bei Christoph Oehm erfragen.
Ansprechpartner: Eduard Würdinger
eduard_wuerdinger(at) yahoo.de,
Tel.: 0821 / 311557
Ansprechpartner: Christoph Oehm,
christoph.oehm(at)gmx.de
Stammtisch Frankfurt /
Wiesbaden / Mainz
Stammtisch wurde vorläufig eingestellt.
OrganisatorIn gesucht!
Ansprechpartnerin: Alexandra Oberthür
oberthuer(at)web.de
Stammtisch Freiberg
Ansprechpartner: Robert Sieland,
Wolfram Canzler, Arno Buchholz
freiberg(at)geooekologie.de
Stammtisch Kassel /
Witzenhausen / Göttingen
Ansprechpartner: Stefan Reuschel,
stefan.reuschel(at)geooekologie.de
Einladung und weitere Informationen
werden jeweils zwei bis drei Wochen
vorher per E-Mail verschickt.
Stammtisch Köln / Bonn /
Düsseldorf
Termine werden kurzfristig bekanntgegeben
Ansprechpartner: Johannes Ruppert
johannes.ruppert(at)gmx.de
Stammtisch Leipzig
Nach Absprache
Ansprechpartnerin: Heike Büttcher
heike.buettcher(at)geooekologie.de
Stammtisch München
Nächstes Treffen: 3. Februar 2015 ab
19 Uhr, Speisecafé Rigoletto, RosaAschenbrenner-Bogen 9, München
Ansprechpartner: Michael Außendorf
m.aussendorf(at)gmx.de,
Tel.: 089 / 28626-265
Cafe Filmdose, Zülpicher Str. 45,
Bahnhof Köln-Süd
(www.filmdosekoeln.de)
Tagungen, Workshops, Kurse etc.
Bayreuth, 8.-12. Januar 2015
Tagung „Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Biogeographie“
Die 7. internationale wissenschaftliche
Tagung widmet sich in vier Symposien
der ganzen Bandbreite der Biogeographie. Das Themenspektrum reicht von
der Einzugsgebiets- bis zur globalen
Skala, vom Paläozoikum bis zum Anthropozän und von Mikroorganismen bis
hin zur Megafauna. Fast 600 WissenschaftlerInnen aus 50 Ländern haben
sich angemeldet. Ausrichter ist die
Universität Bayreuth mit seinem Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung (BayCEER).
www.bayceer.uni-bayreuth.de/ibs2015/
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Leipzig, 27.-29. Januar 2015
Internationale Messe „TerraTec“
Die TerraTec ist die internationale
Fachmesse für Umwelttechnik und dienstleistungen. Schwerpunkte sind
zukunftsfähige Lösungen für die Wasser-, Rohstoff- und Kreislaufwirtschaft
und relevante Aspekte für Anpassungen
an den Klimawandel. Mehr als 340
international und national agierende
Marktführer sowie Mittelstandsbetriebe
werden sich präsentieren. Neben den
Fachveranstaltungen gibt es unter anderem ein Karriereforum. Schirmherr ist
das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
(BMUB).
www.terratec-leipzig.de
Hannover, 13.-15. Februar 2015
Workshoptreffen des Jugendbündnis
Zukunftsenergie
Das Jugendbündnis Zukunftsenergie
(JBZE) ist ein bundesweites, offenes
Netzwerk von jungen Menschen zwischen 17 und 27 Jahren, die sich für die
Themen Energiewende und Klimapolitik interessieren. Das Bündnis setzt sich
für 100% Erneuerbare Energien und für
einen Verzicht auf fossile Energieträger
und Kohle ein. 2015 stehen die Treffen
unter dem Titel "Fracking, CCS und Co
- Wundermittel oder Schuss in den
Ofen?" Dabei werden diese technischen
Innovationen, die von manchen angepriesen werden, um den Energiehunger
zu stillen, kritisch unter die Lupe genommen. Du willst dabei sein und dich
einbringen oder hast Fragen zum JBZE?
Dann melde dich bei der Naturfreunde41
Termine
jugend Deutschlands:
larissa(at)naturfreundejugend.de
www.zukunftsenergie.org
Bonn, 19.-20. März 2015
Konferenz „Tag der Hydrologie
2015“
Zur führenden Konferenz zu hydrologischen und wasserwirtschaftlichen Themen im deutschsprachigen Raum werden circa 300 Vertreter europäischer
Universitäten, Forschungseinrichtungen, Behörden und Firmen erwartet.
Der Wasserschwerpunkt des Geographischen Instituts der Universität Bonn
lädt ein, Prozesse, Methoden und Konzepte im europäischen, aber auch weltweiten Flussgebiets- und Hochwassermanagement zu beleuchten sowie Erfolgsfaktoren und Hemmnisse zu ermitteln. Daneben wird in Fachvorträgen
auch klassischen hydrologischen und
wasserwirtschaftlichen Fragestellungen
Platz eingeräumt.
Husum Messe. Bei den Career Days
finden Jobsuchende Stellenangebote
sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Erneuerbare-EnergienBranche.
www.new-energy.de/new_energy/de/
http://tinyurl.com/Hydrosystemmodelling
Dresden, 25.-27. März 2015
Internationale Konferenz „Dresden
Nexus Conference DNC“
Die Veranstaltung findet unter der
Überschrift „Globaler Wandel, Ziele
der Nachhaltigkeitsentwicklung und der
Nexus-Ansatz“ zum ersten Mal statt.
Dabei stehen die drei Aspekte Klima,
Urbanisierung und Bevölkerungswachstum im Mittelpunkt. Das „Institute for
Integrated Management of Material
Fluxes and of Resources“ der Universität der Vereinten Nationen (UNUFlores), die TU Dresden und das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) organisieren die Veranstaltung.
www.tdh2015bonn.uni-bonn.de
www.dresden-nexus-conference.org
Husum, 19.-22. März 2015
Internationale Messe „New Energy
Husum“
Tübingen, 7.-10. April 2015
„Integrated Hydrosystem Modelling
2015" Conference
Die Messe New Energy steht im Zeichen der Energiewende „von unten“. Im
Fokus stehen der Eigenverbrauch erneuerbarer Energien, die alternative
Mobilität mit Elektrofahrzeugen sowie
energieeffizientes und ökologisches
Bauen/Sanieren. Bei den Besucherforen
erfahren MessebesucherInnen alles über
aktuelle Technologien beispielsweise in
den Bereichen Geothermie und Kleinwindenergie. Ein umfangreiches Rahmenprogramm zu aktuellen Themen
ergänzt das Angebot der New Energy
It is now well accepted that waterresources protection requires considering the coupled terrestrial hydrosystem
at catchment scale, including atmospheric and land-surface processes, surface-water bodies, and processes in the
unsaturated soil zone and in groundwater. The Universities of Tübingen, Hohenheim and Waterloo started an International Research Training Group on
this topic in the year 2012, which is
funded by Deutsche Forschungsgemeinschaft. With the first generation of
doctoral candidates approaching their
42
degrees, we have invited internationally
renowned specialists in various aspects
of integrated hydrosystem modelling to
give their broader perspectives on recent issues in modelling coupled systems.
Leipzig, 17.-18. April 2015
Internationale Passivhaustagung
Das Programm bietet in vier parallelen
Arbeitsgruppen und mehreren Plenarsitzungen rund 100 Vorträge zu allen
Bereichen des energieeffizienten und
wirtschaftlichen Bauens und Sanierens.
Am Beispiel realisierter Projekte zeigen
Experten aus aller Welt die Potenziale
intelligenter Architektur für Klimaschutz und Kosteneinsparung. Eine
Fachausstellung begleitet die Tagung.
Aufgrund der rasant wachsenden Nachfrage nach Informationen im Passivhausbau veranstaltet das Passivhaus
Institut Darmstadt jährlich Tagungen,
die sich zu einer zentralen Plattform für
Wissenschaft, Architektur, Technik und
Produktentwicklung im Bereich hochenergieeffizienten Bauens entwickelt
haben.
www.leipzig.de/bauen-undwohnen/stadtentwicklung/projekte/
passivhaustagung-2015
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Termine/Impressum
Seminare im Angebot der BDG Bildungsakademie e.V.
Den Mitgliedern des VGöD stehen die Seminarangebote der Bildungsakademie, eines Schwestervereins des Berufsverbands
Deutscher Geowissenschaftler (BDG) e.V., mit einem Preisnachlass von 10% offen. Weitere Informationen und Anmeldung
unter www.geoberuf.de.
Das Bildungszentrum für die Ver- und Entsorgungswirtschaft ist Kooperationspartner.
Thema
Datum
Ort
Bewertung von Bodenbelastungen für die Wirkungspfade
„Boden-Mensch“ und „Boden-Pflanze“
17.03.2015
Duisburg
Klimaschutzmanager/ in in Kommunen
Handlungsempfehlungen - Netzwerke- Leitfäden
15.04.2015
Essen
Erfolgreiche Partizipation von Wutbürgern
Kommunikationsstrategien für Infrastrukturprojekte
22.04.2015
Essen
Bodenschutz in der Bauleitplanung
aktuelle Arbeitshilfen zu flächenhafter Bodenschutz
21.05.2015
Essen
Impressum
Das FORUM der Geoökologie ist das offizielle Mitteilungsorgan des Verbandes für Geoökologie in Deutschland e. V. Es erscheint dreimal
jährlich. Für Mitglieder des Verbands ist jede Gesamtausgabe auf der Homepage www.geooekologie.de auch als pdf verfügbar. Für NichtMitglieder sind nur ausgewählte Artikel freigeschaltet. Herausgeber: Verband für Geoökologie in Deutschland e. V., Alexanderstr. 9, D95444 Bayreuth. Redaktionsadresse: Verband für Geoökologie in Deutschland e. V., Redaktion FORUM, Alexanderstr. 9, D-95444 Bayreuth.
E-Mail: forum.der(at)geooekologie.de. Redaktion: Larissa Donges, larissa.donges(at)geooekologie.de (V.i.S.d.P.); Andreas C. Braun,
andreas.braun(at)geooekologie.de; Silja Hund, silja.hund(at)geooekologie.de; Daniel Klein, daniel.klein(at)geooekologie.de; Andrea
Mehling, andrea.mehling(at)geooekologie.de; Julia Wesley, julia.wesley(at)geooekologie.de. Koordination des Schwerpunkts: Aletta
Bonn und Susanne Hecker. Koordination im Vorstand: Alexandra Nonnast. Druck: Kössinger AG, Fruehaufstr. 21, D-84069 Schierling.
Vertrieb: Geschäftsstelle des VGöD.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle Meinung des Verbandes wieder. Die Redaktion behält sich eine
Redigierung der eingesandten Beiträge vor. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Zustimmung des Herausgebers gestattet. Auflage
dieser Ausgabe: 850 Exemplare. Der Preis beträgt 4,60 €. Die Abgabe an die Mitglieder des VGöD erfolgt kostenlos. Gedruckt auf RecyStar Papier aus 100 % Altpapier. ISSN 0939 6632.
Aus Gründen der Lesbarkeit wird in einigen Beiträgen ausschließlich die männliche Form verwendet. Gemeint ist selbstverständlich stets
die weibliche und die männliche Form.
Autoren der mit Kürzeln gekennzeichneten Beiträge: Larissa Donges (LaD)
Homepage: www.geooekologie.de bzw. www.vgoed.de
Der VGöD dankt dem Studiengang Geoökologie der Universität Tübingen für die Fördermitgliedschaft.
Vorschau:
1/15: Jahrestagung
2/15: Vegetationskunde und Biogeografie
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
43
Vorschau
Vorschau: Berufliche Wege in der Geoökologie und aktuelle
Umweltthemen in der Gesellschaft
Der Schwerpunkt der ersten FORUM-Ausgabe 2015 wird einen Rückblick auf die VGöD-Jahrestagung 2014 werfen Die Workshop-Tagung fand vom 21. bis 23. November unter dem Titel „Berufliche Wege in der Geoökologie und aktuelle Umweltthemen in der Gesellschaft“ in Potsdam statt. Prof. Dr. Matthias Finkbeiner der TU Berlin eröffnete den Freitagabend mit dem
Vortrag: „Wann sind Produkte grün? – vom Carbon Footprint zur Nachhaltigkeitsbewertung“. Am nächsten Tag folgten diverse Workshops zu den Themen Berufseinstieg, nachhaltige Hochschullandschaft, Statistikprogramme, Fernerkundung und
Umweltbildung in der Jugendverbandsarbeit. Den Abschluss der Veranstaltung bildeten zwei Exkursionen – auf den Potsdamer Wissenschaftsstandort am Telegrafenberg und in die Sielmann Naturlandschaft Döberitzer Heide.
Fotos: Stefan Reuschel, Larissa Donges
44
FORUM GEOÖKOL. 25 (3), 2014
Im nächsten Heft:
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