Brennstoffzellen, Typen und Anwendungen

Transcrição

Brennstoffzellen, Typen und Anwendungen
Brennstoffzellen, Typen, Anwendungen, Wirtschaftlichkeit
Klaus Hassmann, Cluster Energietechnik
In den Industrieländern werden diverse Brennstoffzellen-Technologien seit vielen
Jahrzehnten entwickelt. Bis heute haben sich nur einige wenige Typen in
hochpreisigen Marktnischen, wie in der Raumfahrt oder im Bereich der Rüstung im UBoot etabliert. Der Durchbruch in den Massenmarkt als Strom- und Wärmeerzeuger
oder als Fahrzeugantrieb im Straßenverkehr lässt noch auf sich warten. Die
Betriebserfahrung aus den Feldtests und verstärkte Entwicklungsanstrengungen
lassen in den nächsten 10 bis 20 Jahren den Durchbruch für die Polymer- ElektrolytMembran – Brennstoffzelle für mobile und stationäre Anwendungen (Kraft Wärme
Kopplung, KWK) erwarten. Aussenseiterchancen hat noch die Festoxyd Technologie,
deren Einsatz auf stationäre Anwendungen begrenzt ist. Diese Mittelfrist-Perspektive
ist den noch hohen Kosten für den innovativen, elektrochemischen Teil, nämlich der
Zelle bzw. dem Zellstapel (auch Stack genannt) geschuldet.
Typen
In USA, in Japan und in Europa wird seit Mitte des vorigen Jahrhunderts an der
elektrochemischen Umsetzung von Brenngas (in der Regel H2) und dem
Oxydationsmittel (O2) in elektrischen Strom gearbeitet. Die Typen unterscheiden sich
vor allem in ihrer Betriebstemperatur, in den verwendeten Werkstoffen und im
geometrischen Aufbau; nach der Betriebstemperatur sortiert sind das:
Polymer-Elektrolyt-Membran Brennstoffzelle (PEMFC)
150 – 200 °C
Alkalische Brennstoffzelle (AFC)
150 – 220 °C
Phosphorsäure Brennstoffzelle (PAFC)
150 – 220 °C
Schmelzkarbonat Brennstoffzelle (MCFC)
550 – 700 °C
Festoxyd Brennstoffzelle (SOFC)
600 – 1000 °C
Die Abkürzungen in Klammern werden international verwendet:
PEMFC: Polymer Electrolyte Membrane Fuel Cell; AFC: Alkaline Fuel Cell
PAFC Phosphoric Acid Fuel Cell; MCFC Molten Carbonate Fuel Cell
SOFC: Solid Oxyde Fuel Cell
Wirkungsweise
Brennstoffzellen produzieren Gleichstrom bei niedriger Spannung. Prinzipiell sind sie
aus zwei gasdurchlässigen Elektroden und einer die Gase trennenden, ionenleitenden
Elektrolytschicht aufgebaut. Auf der Anodenseite (-) wird das Brenngas Wasserstoff
katalytisch oxidiert; das H2 spaltet sich auf in 2H+ und 2e-. Die Elektronen gelangen
über den äußeren Verbraucherstromkreis zur Kathode (+), wo das Oxidationsmittel
Sauerstoff katalytisch reduziert wird – es bildet sich O2-; je nach Elektrolyttyp wandern
die Wasserstoff-Protonen von der Anode zur Kathode (PEMFC, PAFC) oder die
Anionen in entgegengesetzter Richtung (AFC, MCFC, SOFC), treffen dort auf den
Reaktionspartner und reagieren zu Wasser 2H+ + O2- → H2O. Als Bruttoreaktion ergibt
sich: H2 + 1/2O2 → H2O.
Aufbau
Das Brennstoffzellensystem besteht aus dem Stack als zentrale Komponente und der
Peripherie; letztere setzt sich aus diversen Anlagenteilen für das Brenngas- und
Abgas-Management sowie für die Umwandlung des erzeugten Gleichstroms auf
Wechselstrom, aus Mess-, Regeltechnik und ggf. Netzanbindung zusammen, um die
wichtigsten Elemente zu nennen. Nicht nur aus Kostengründen muss der Stack eine
möglichst hohe Anzahl an Betriebsstunden erreichen; für stationäre Anwendungen ist
von 40000 Stunden (etwas mehr als 4,5 Jahre) zu lesen. Nach dieser Einsatzzeit muss
der Stack ausgetauscht werden. Die Peripherie der Anlage wird jedoch weiter genutzt.
Bei der mobilen Anwendung dürften wegen der zahlreichen Lastwechsel sowie Einund Ausschaltvorgängen je nach Nutzungsart andere Zielwerte gelten.
Bewertung der Typen
Man braucht nicht das Internet zu bemühen, um festzustellen, dass die PEMFC bei der
Forschung/Entwicklung und in Feldtests in der Wirtschaft und an Hochschulen die
höchste Aufmerksamkeit genießt. In der Gunst abgeschlagen folgt die SOFC mit
deutlichem Abstand auf Platz 2. AFC, PAFC und MCFC haben in den letzten beiden
Jahrzehnten nicht nur in Deutschland sondern auch international an Bedeutung
verloren. Teils lag das an technischen Problemen, die bei Feldtests auftraten, teils am
fehlenden Vertrauen der Entwicklungs-Firmen, gegen die Konkurrenz die für die
Marktdurchdringung erforderliche Kostendegression zu erreichen. Vielleicht war es in
der weiter zurückliegenden Vergangenheit auch ein Fehler, gleich zu Beginn auf zu
große Leistungseinheiten zwischen 100 kW bis 1 MW zu setzen. Heute sind es fast nur
Anlagen im niedrigen einstelligen kW-Bereich.
Warum ist die PEMFC im Fokus des Interesses? Sie ist sowohl für den stationären
Einsatz im KWK-Bereich als auch für die mobilen Anwendungen geeignet. So kann die
Technologie für die stationären Anwendungen von der Entwicklung für das Fahrzeug
profitieren und umgekehrt. Die PEMFC kann nur mit Wasserstoff betrieben werden;
dieser ist im Moment nicht flächendeckend verfügbar und es wird noch dauern, bis
diese Verteilungsdichte erreicht ist. Die PEMFC kann auch mit anderen
Kohlenwasserstoffen betrieben werden; Erdgas zum Beispiel muss an der Peripherie
der Anlage in reinen Wasserstoff (Reformierung und Shift) umgewandelt werden; das
erfordert zusätzlich Aufwand und Kosten in der Umwandlung und Gasreinigung; CO2
und CO müssen abgetrennt werden, da die PEMFC sehr empfindlich auf diese Anteile
reagiert. Zu erwähnen wäre noch, dass es einen PEMFC-Typ gibt, der Methanol direkt
umwandelt.
Die hohe Betriebstemperatur der SOFC ist Segen und Fluch zugleich. Segen, weil sie
elektrochemisch Kohlenwasserstoffe im Stack selbst ohne zusätzliche periphere
Komponenten in ihre Bestandteile Wasserstoff, CO und CO2 zerlegt und H2 wie auch
CO zur Stromerzeugung beiträgt. Das CO2 wird durchgeschleust ohne weiteren
Schaden anzurichten. Die erzielbaren elektrischen Wirkungsgrade sind mit bis zu 60%
auch deutlich höher als bei der PEMFC (um 40%). Zusätzlich werden im Vergleich zur
PEMFC unedlere, billigere Materialen im Stack verarbeitet. Fluch ist die die hohe
Temperatur verbunden mit einer langen Aufheiz- und Abkühlzeit auf die hohe
Betriebstemperatur und wieder herunter, was die SOFC in ihrer Anwendungsbreite
doch deutlich einschränkt.
Für alle Typen gilt schon heute, dass Entwicklung, Konstruktion und Fertigung auf das
„Recycling“ auszurichten ist; die Preise für die Rohstoffe werden in den nächsten
Jahrzehnten vermutlich deutlich ansteigen. Auch die Entwicklung von neuen
Werkstoffen und innovativer Fertigungstechnik wird noch den einen oder anderen
Beitrag zur Vereinfachung und Verbilligung von Brennstoffzellen leisten.
Abschließend sei noch erwähnt, dass die Elektrolyse als der Umkehrprozess zur
Brennstoffzelle – Strom rein, Wasserstoff raus – einen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit der
PEMFC leisten könnte. Power to Gas wird mittel- und längerfristig zum Einsatz
kommen. Dann sollte es gelingen, einzelne Bauteile im Stack, vielleicht auch an der
Peripherie, baugleich zu gestalten. Das würde der PEMFC einen „Mengeneffekt“
bringen; auch der AFC, als heute in dieser Marktnische gut etablierter Technik könnte
eine Renaissance in der Brennstoffzelle gelingen.
Ausblick
Der aufmerksame Leser von einschlägigen Portalen und von Fachzeitungen erkennt
ein Belebung der Berichterstattung über Brennstoffzellen. Er stösst auf
Artikelüberschriften wie
• Schub für den Markt. Die Hersteller kleiner KWK-Anlagen mit Brennstoffzelle
für den Heizungskeller hoffen auf ein baldiges Technologieeinführungsprogramm (energie&management, e&m Mai 2016)
• Mehr Brennstoffzellen für Stadtwerke (e&m Juni 16)
• BMWi Anreizprogramm Energieeffizient Bauen und Sanieren - Zuschuss
Brennstoffzelle (BINE Informationsdienst)
• Brennstoffzelle Eine Investition in die Zukunft (ZEIT online)
• Brennstoffzellen, der Traum von einer Welt ohne Benzin (FAZ 2. 10. 2016)
• In mehreren Internetportalen können z B zu Schulungszwecken kleine Einzeller
für wenig Geld gekauft werden.
In der e&m unter „Schub für den Markt“ sind 9 Hersteller von Brennstoffzellen
Heizgeräten mit einer elektrischen Leistung zwischen 0,3 und 2,5 kW bei einer
Heitleistung von 0,61 - 3 kW und einem Gesamtwirkungsgrad von 85 bis 104 %
aufgelistet. In der Rubrik Markteinführung wird für die Mehrzahl der Anbieter das Jahr
2016 angegeben. Der Preis für ein 2 kW (Gesamtleistung elektrisch plus thermisch)
Aggregat liegt bei 20000 €. Die herkömmlichen Heiztechnik ist in der Anschaffung
jedoch noch deutlich billiger.
Sicher gibt es Menschen, die diese effektive und fortschrittliche Technik der Erzeugung
von Strom und Wärme selbst zu einem hohen Preis kaufen. Die Anreizprogramme der
beiden Bundesministerien für Wirtschaft (2016 wurde das BMWi Anreizprogramm
Energieeffizient Bauen und Sanieren - Zuschuss Brennstoffzelle gestartet)
und Verkehr (Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und
Brennstoffzellentechnologie (NIP) Phase II, Laufzeit 2016-2026) werden zur
Marktdurchdringung beitragen. Auf Länderebene ist Nordrhein Westfalen
herausragend aktiv. Die Brennstoffzelle ist integraler Bestandteil der Energieagentur
NRW. Der Homepage ist zu entnehmen, dass 110 Projekte mit einem Gesamtvolumen
von fast 200 Mio. EUR inklusive 120 Mio. EUR Fördermitteln des Landes, zum Teil
kofinanziert durch das Ziel-2-Programm (EFRE) der EU, bewilligt sind.
Der Markt wird sich, so die Meinung der Hersteller, langsam (aber stetig) entwickeln.
Wichtig wird auch sein, wie sich die Aggregate in Händen der Nutzer bewähren – die
Entwicklung der Anschaffungskosten über die nächsten 5 bis 10 Jahre, das
Betriebsverhalten und die Kosten für Wartung und Reparatur, auch die Lebensdauer
der Zellen werden die Marktchancen mit bestimmen. Der Grad der Reife für den
Massenmarkt erfordert die Veröffentlichung der Stärken genauso wie der Schwächen –
nur so kann Vertrauen von potenziellen Käufern in ein neues Produkt wachsen. Ein
großer Vorteil der BZ liegt in den vielfältigen Anwendungen im Bereich KWK in
Haushalten und in der Industrie, in der reinen Stromerzeugung mit hohem elektrischen
Wirkungsgrad sowie in der Mobilität. Erfahrungsaustausch kann zur Marktreife der
einzelnen BZ-Typen und auch zur Kostensenkung beitragen. Wir werden im
vorliegenden Portal die Entwicklung weiterhin aufmerksam beobachten und darüber
berichten.