Glaubhaft in der Absurdität

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Glaubhaft in der Absurdität
Focus 23
Mittwoch, 31. August 2016
Verbesserte
Chancen bei
Blutvergiftung
Um die passenden Antibiotika zu
wählen, müssen Mediziner möglichst schnell wissen, welche
Bakterien bei einem Patienten in
die Blutbahn geraten sind und
eine Blutvergiftung verursachen.
Rascher als mit der konventionellen Methodik lasse sich dies
per Massenspektrometrie erreichen, teilte das Universitätsspital Basel mit.
Mit dieser lassen sich die Bakterien direkt in der Blutkultur
identifizieren: Dabei werden
spezifische Muster von Proteinbruchstücken erkannt, die für
jede Bakterienart charakteristisch sind. Das dauere durchschnittlich nur rund 33 Stunden
statt etwa 59 Stunden mit konventioneller Diagnostik.
Nutzen für Betroffene
Diese Zeitersparnis kommt
den Patienten zugute, wie die
Forscher anhand einer Untersuchung an 368 Betroffenen mit
einer Blutvergiftung nachweisen
konnten. In der Gruppe mit
Schnelldiagnose mussten weniger Betroffene auf eine Intensivstation eingeliefert werden,
nämlich nur 23,1 Prozent im Vergleich zu 37,2 Prozent aus der
Gruppe mit konventioneller Diagnostik. Auch die Sterblichkeit
lag in der Gruppe mit Schnelldiagnose etwas tiefer, bei 9,6 im
Vergleich zu 16,4 Prozent. Aufgrund der Resultate haben das
Unispital und das Uni-Kinderspital beider Basel die Massenspektrometrie zu Identifikation
von Bakterien in der Blutbahn in
ihr Routinerepertoire für die Diagnostik aufgenommen. (sda)
Bund hilft Museen
bei Raubkunst
Das Bundesamt für Kultur (BAK)
unterstützt zehn Schweizer Museen – darunter das Kunstmuseum St. Gallen und das Historische und Völkerkundemuseum
St. Gallen –, die Herkunft von
Kunstwerken in ihren Beständen
zu erforschen, um allfällige NSRaubkunst zu eruieren. Für die
Jahre 2016 und 2017 stellt das
BAK rund 908 000 Franken zur
Verfügung.
Insgesamt werden zwölf Forschungsprojekte unterstützt, davon je zwei des Kunsthauses
Zürich und des Kunstmuseums
Bern. Berücksichtigt werden zudem die Kunstmuseen Basel, Luzern, das Aargauer Kunsthaus,
die Fondation Beyeler in Riehen
BS, das Kirchnermuseum Davos
und das Musée cantonal des
Beaux-Arts in Lausanne.
In seinen eigenen Museen
und Sammlungen hat der Bund
die Erforschung der Herkunft
von Kunstwerken 1998 abgeschlossen. In anderen Museen
bestünden aber noch Lücken,
schreibt das BAK. Die Abklärungen erfolgen nach den Washingtoner NS-Raubkunst-Richtlinien
von 1998. Ziel soll sein, «gerechte
und faire Lösungen» zu finden.
Zu diesem Zweck sollen die Ergebnisse öffentlich zugänglich
gemacht werden, unter anderem
auf der Website www.bak.ad
min.ch. (sda)
Glaubhaft in der Absurdität
LESBAR SPANNUNG
Der US-amerikanische Schauspieler und Regisseur Gene Wilder ist im Alter von 83 Jahren
gestorben. Wilder war einer der grossen Filmkomiker der Siebzigerjahre.
den. Kinder liebten diesen
schrulligen, modernen Clown
besonders als Süsswarenfabrikant Willy Wonka in der Erstverfilmung von «Charlie und die
Schokoladenfabrik» (1971). In
den Siebzigerjahren war Wilder
neben Woody Allen wohl der
grösste Komiker Amerikas. Unter
Allens Regie gelang ihm ein
legendäres Kabinettstückchen in
«Was Sie schon immer über Sex
wissen wollten» – als Arzt bekommt er es mit einem armenischen Schafhirten zu tun, der
sich in eine seiner Schutzbefohlenen verliebt hat. Das Tier ist
freilich so bezaubernd, dass sich
auch der Doktor vernarrt.
DANIEL KOTHENSCHULTE
«Frühling für Hitler» (1969), Mel
Brooks aberwitzige BackstageKomödie über die Unmöglichkeit, mit einem geschmacklosen
Musical über Adolf Hitler keinen
Erfolg zu haben, war seiner Zeit
zu weit voraus. Nicht nur in seinem Fingerzeig auf die enttabuisierende Kraft der Popkultur. Mel
Brooks hatte in Gene Wilder
einen Typen entdeckt, den es so
im US-Kino noch nicht gegeben
hatte: eine unschuldige, gleichwohl intellektuelle Erscheinung,
die irgendwie britisch wirkte –
obwohl der Mann 1933 in Milwaukee zur Welt gekommen war.
Ein Grund war wohl die gute
Schule, die der Sohn einer Polin
und eines russisch-jüdischen
Emigranten an Bristols berühmtem Old Vic genossen hatte.
Wilders zerbrechliche Seite
Ein schrullig-moderner Clown
Auf Twitter erinnerte Mel
Brooks an seinen langjährigen
Weggefährten: «Gene Wilder –
eines der wirklich grossen Talente unserer Zeit. Er segnete jeden
unserer gemeinsamen Filme mit
seinem Zauber, und er segnete
mich mit seiner Freundschaft.»
In der Tat schien Brooks in Wilder seinen idealen Protagonisten
gefunden zu haben – einen Star,
der wie die frühen Stummfilmkomiker Buster Keaton oder Harold Lloyd auch in den absurdesten Situationen glaubhaft wirkte
– und der noch dazu durch sein
Sprachgefühl Brooks’ berühmten Wortwitz bestens transportierte. Sein drahtiger Lockenkopf
kam bestens zur Geltung in
Brooks’ «Frankenstein Junior»
(1974), wo ihm schon auf dem
Plakat die Haare zu Berge stan-
Bild: ap/Jessica Hill
Komiker Gene Wilder an einer Veranstaltung im Jahr 2008.
Als Liebhaber konnte Wilder
hinreissend verloren wirken –
etwa in seiner eigenen Regiearbeit «Die Frau in Rot»; wie
überhaupt seinen Figuren oft ein
Element der Entfremdung anhaftete. Ob als «Rabbi im Wilden
Westen» oder als «Sherlock
Holmes cleverer Bruder» – Wilder-Figuren trugen Schuhe, die
ihnen zu gross waren, um während der Dauer einer Filmlänge
wirklich hineinzuwachsen.
So schrill viele der Komödien
waren, berührte in ihnen vor
allem die zerbrechliche, androgyne Seite des Hauptdarstellers.
Und es verwundert nicht, dass
seine Fröhlichkeit zum Teil auf
einem melancholischen Fundament ruhte.
Nachdem er eine Erkrankung
an Lymphdrüsenkrebs überlebt
hatte, wurde bei ihm 2013 Alzheimer diagnostiziert – er entschied sich, die Erkrankung, an
der er nun 83jährig gestorben ist,
nicht bekanntzugeben.
Kind zurück und verloren
«Justins Heimkehr» setzt an, wo
andere Stories aufhören: beim
Happy End. Bret Anthony Johnston zeigt, wie ein vermeintlich
glücklicher Ausgang einer Kindsentführung aufwühlen kann. Der
zwölfjährige Justin Campbell
verschwindet spurlos. Das Familienleben der Campbells erstarrt.
Das Zimmer des Jungen lassen
sie unverändert, jedes Jahr kaufen sie Geschenke für ihn. Nach
vier Jahren taucht er plötzlich
wieder auf. Die ganze Zeit hatte
er unweit seines Zuhauses bei
seinem Entführer gelebt. Die anfängliche Freude weicht einer
Irritation. Aus Angst, ihn zu bedrängen, stellen sie keine Fragen. Die Geschehnisse sind geschickt durch die Perspektiven
der Familienmitglieder erzählt
und geben einen tiefen Einblick
in die Gefühle der Figuren: die
Mutter, die während der Suche
sich selber aufgibt; der Vater, der
Zuneigung bei einer anderen
Frau sucht; der Bruder, der seinen Bruder imitiert. Nur in das
Innenleben Justins lässt der Autor nicht blicken. Wie die Figuren
im Roman kann der Leser nur erahnen und aus Gesprächsfetzen
erschliessen, was der Junge ertragen musste. Mit seinem Roman ist Johnston ein internationaler Bestseller geglückt.
Bret Anthony Johnston: Justins
Heimkehr. C. H. Beck, 420 S., Fr. 32.–
SENDEPLATZ
Hoffen und mitfiebern bei der Rettung
In der Einsatzzentrale klingelt
das Telefon. Ein Notruf geht ein,
und Gitti Kuhn nimmt ab. Ein
Skitourenfahrer hat sich am
Knie verletzt und kann sich
nicht mehr bewegen. Das
Rega-10-Team aus Interlaken
wird informiert und ins Gebiet
des Steingletschers geschickt.
Der Pilot Rick Maurer, der Arzt
Thomas von Wyl und der Rettungssanitäter Marco Lei sind
mit ihrem Helikopter «RomeoTango» innert fünf Minuten in
der Luft, um den Verletzten zu
bergen.
naht» ermöglicht einen Blick
hinter die Kulissen. «In den
‹Dok›-Serien begleiten wir
immer Menschen in herausfordernden Lebenssituationen, das
ist bei der Rega wie bei den
Bergrettern der Fall», sagt die
Produzentin der Serie, Barbara
Frauchiger.
Als Zuschauer verfolgt man
gespannt die Rettungsaktionen.
Und erlebt so alles hautnah mit.
Doch leider gelingt es den RegaMitarbeitern nicht immer, den
Personen in Not zu helfen. So
etwa bei einem Gleitschirmflieger im Simmental, der aus 150
bis 200 Metern gestürzt ist und
lebensrettende Massnahmen
nicht mehr helfen können.
Die bedrückte Stimmung in
der Einsatzzentrale und die unmittelbar miterlebten Rettungsversuche schlagen auch auf die
Blick hinter die Kulissen
Mit 3,3 Millionen Gönnern
und Gönnerinnen hat die Rega
einen Kultstatus. Beinahe jedes
Kind in der Schweiz kennt sie.
Nun wurden erstmals dem
Schweizer Fernsehen SRF die
Türen geöffnet. Nach der
«Dok – Die Bergretter»-Reihe,
bei der Air Zermatt begleitet
wurde, folgt nun in fünf Teilen
eine neue Serie über die schweizerische Rettungsflugwacht. Die
Sendung «Rega 1414 – Hilfe
Fliehend jagen
Hinweis: Rega 1414 – Hilfe naht,
SRF 1, Start der fünfteiligen Serie
Freitag, 2.9., um 21.00 Uhr
Der Jäger wird zum Gejagten:
Das ist ein klassisches Muster für
einen Thriller: Kinoheld Jason
Bourne etwa lässt grüssen. Fast
ebenso bekannt ist Jack Reacher,
Held von nunmehr 18 Romanen
des Briten Lee Child. Im neuesten wird Reacher mit einer
Mordanklage konfrontiert. Er hat
keine Ahnung, wovon die Rede
ist, wittert ein Komplott und will
die Sache selber aufklären. So
entzieht sich der coole und erbarmungslose Kämpfer für Gerechtigkeit seiner Festnahme, an
seiner Seite Nachfolgerin Susan
Turner. Es folgt eine sehr spannende Flucht, bis «die Gejagten»
aufdecken, was hinter der ominösen Anklage steckt. Als zweite
Reacher-Geschichte wurde dieses Buch verfilmt und kommt
Anfang November in die Kinos.
Hauptdarsteller Tom Cruise entspricht äusserlich nicht unbedingt dem literarischen Vorbild.
Im Buch ist der Held 1,95 Meter
gross und hat einen Brustumfang von 127 Zentimetern.
Lee Child: Die Gejagten. Blanvalet,
448 Seiten, Fr. 19.–
Sereina Jörg
Marie Frech/DPA/SDA
Stimmung in den eigenen vier
Wänden. «Die Geschichten hinter den Rettungseinsätzen sind
sehr emotional, die Arbeit unserer Protagonisten ist sehr beeindruckend», sagt Frauchiger.
Neben Helikopter auch Jets
Das Publikum erfährt, wie die
Rega arbeitet und wo sie überall
zum Einsatz kommt. «Jeder
könnte einmal auf die Hilfe der
Rega angewiesen sein», sagt
Barbara Frauchiger. Deshalb
wird neben dem Helikopterteam im Inland auch ein RegaJet-Team, das Auslandseinsätze
fliegt, vom Fernsehen begleitet.
Neben den Menschen, dem
technischen und dem medizinischen Ablauf bannen den Zuschauer eindrückliche Bilder
aus der Luft. Und mit den Verunfallten wird mitgefiebert und
auf ein gutes Ende gehofft.
Bild: srf
Der verunfallte Skitourenfahrer wird ins Spital geflogen.
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