das magazin - Hamburger Theater Festival

Transcrição

das magazin - Hamburger Theater Festival
DAS MAGAZIN
: HAMBURGER THEATER FE STIVAL _ DA S SECHSTE JAHR _ SEP TEMBER – NOVEMBER 2014 _ W W W.HAMBURGERTHE ATERFE STIVAL .DE
DIE JUNGFR AU VON ORLE ANS Kathleen Morgeneyer als Heilige
»ICH BIN WÜTEND!« Die letzten Zeitzeugen des Holocaust
DER EMPFINDSAME BARBAR Dimiter Gotscheff und »Die Perser«
KEIN TR AUM OHNE DR AMATURGIE Andrea Breth im Interview
DER MANN , DER NABOKOV LIEBT: Ulrich Matthes
Peter Simonischek,
fotografiert von Christian Mastalier
© Friedrun Reinhold
LIEBE LESER
D
iesmal haben wir zum Hamburger Theater
Festival acht außergewöhnliche, in den Feuilletons und von Theaterinteressierten viel diskutierte
und gefeierte Produktionen eingeladen. Ich danke den
Künstlern und den Ensembles, die zu uns nach Hamburg kommen. Ganz besonders danke ich den Gastgebern, die ihre Häuser für sie zur Verfügung stellen,
den Intendanten vom Deutschen Schauspielhaus, vom
Thalia Theater, vom St. Pauli Theater und von Kampnagel für ihre kollegiale und freundschaftliche Zusammenarbeit. Vor allem aber danke ich allen Förderern
und Sponsoren sowie den Mitgliedern des Vorstandes
und des Kuratoriums der Stiftung Hamburger Theater
Festival unter ihrem Vorsitzenden Herrn Ernst Peter
Komrowski von Herzen – sie begleiten die Entwicklung des Festivals mit motivierendem Engagement
und unterstützen es großzügig. Sie alle ermöglichen
die Durchführung des Festivals nun schon im sechsten Jahr!
Ein ganz besonderer Abend ist für uns die Produktion des Wiener Burgtheaters »Die letzten Zeugen«:
Erinnerungen von sieben Überlebenden des Holocaust, von Schauspielern gelesen und von den anwesenden Zeitzeugen kommentiert. Die Idee dazu hatte
der ehemalige Direktor des Burgtheaters Matthias
Hartmann, dessen Inszenierungen von »Amphitryon«
(2009), »Phädra« (2010), »Der Parasit« und »Krieg
und Frieden« (beide 2011), »Was ihr wollt« (2012),
»Onkel Wanja« und »Troja« (2013) die Hamburger
in den vergangenen Jahren zu Begeisterungsstürmen
hingerissen haben. Matthias Hartmann hat die berüh-
rende Dokumentation für die Bühne eingerichtet, und ich freue
mich, dass wir mit diesem Abend im Deutschen Schauspielhaus
das Hamburger Theater Festival 2014 eröffnen können. Was es
bedeutet, mit den Überlebenden auf einer Bühne zu stehen, erzählt die Schauspielerin Mavie Hörbiger (S. 8).
So, wie die eingeladenen Produktionen völlig verschiedene
und unverwechselbare Handschriften der Regisseure zeigen, so
steht dieses Magazin auch für die Handschriften seiner Autoren:
Martin Tschechne schreibt über das Maskentheaterstück »Infinita«
der Familie Flöz (S. 12) und Stefan Schomann über Goldonis »Der
Diener zweier Herren«, Barbara Freys köstliche Regiearbeit in
Zürich (S. 18). Die Autorin Birgit Lahann begegnet dem Schauspieler und Literaturliebhaber Ulrich Matthes (S. 22), und Ursula
Keller schreibt über den im vergangenen Jahr verstorbenen Regisseur Dimiter Gotscheff, an den wir – gemeinsam mit dem Thalia Theater – in einem Memorial erinnern. Mit den »Persern« von
Aischylos zeigen wir eine seiner herausragenden Arbeiten (S. 24).
Dass es manchmal komisch sein kann, hinter einem Erzkomödianten her zu sein, berichtet Wolfgang Michal, nämlich über seine versuchte Annäherung an Peter Simonischek, den Titelhelden
dieses Magazins, der in »Zwischenfälle« zu sehen sein wird, Andrea Breths fulminanter Inszenierung am Wiener Burgtheater.
(Bericht und Interview S. 28–35). Emanuel Eckardt traf in Berlin
Kreuzberg auf Kathleen Morgeneyer, Schillers Jungfrau von Orleans (S. 36), und berichtet von »Tauberbach«, dem vielleicht ungewöhnlichsten Theaterprojekt dieses Jahres (S. 38).
Ich wünsche Ihnen und Ihren Freunden anregende und begeisternde Theaterabende und viel Freude mit diesem Magazin.
Herzlich
Ihr Nikolaus Besch
NIKO L AU S BESCH
ist Intendant des Hamburger Theater Festivals.
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ir freuen uns, Sie zum Hamburger Theater
Festival begrüßen zu können. Wir bedanken uns bei unserem Intendanten Nikolaus Besch, der,
wie schon in den vergangenen Jahren, wieder eine
besonders viel versprechende Auswahl von Regisseuren und Schauspielern des deutschsprachigen Theaters getroffen hat, die zu den Großen ihres Fachs gehören. Die Bandbreite der eingeladenen Inszenierungen
reicht von Aischylos, Goldoni und Schiller bis zum
zeitgenössischen Theater, wobei wir diesmal auch ein
Maskentheater, das noch nie in Hamburg zu sehen
war, und eine als Sensation gefeierte TanztheaterProduktion zu Gast haben.
Der früh einsetzende und teilweise stürmische
Verlauf der Karten-Vorbestellungen zeigt uns, dass
wir mit den eingeladenen Inszenierungen wieder
große Erwartungen geweckt haben. Das Festival ist
offenbar mit seinen so unterschiedlichen Regiehandschriften und den großartigen Schauspielern zu einer
kulturellen Institution geworden, die man nicht versäumen möchte. Das Hamburger Theater Festival, als
einziges dieser Art und Größenordnung allein durch
private Initiative und das Engagement der Bürger ins
Leben gerufen, geht nun schon im sechsten Jahr über
die Bühne, ein Bekenntnis zur lebendigen Kulturstadt.
Hamburger Unternehmer, Förderer und Institutionen haben uns großzügig unterstützt. Ihnen allen
danke ich herzlich! Das Theaterfest im Herbst beansprucht deshalb keine staatliche Hilfe, ließe sich aber allein aus Eintrittsgeldern auch nicht finanzieren. Fairerweise sollte ich hinzufügen, dass die Produktionen, die wir nach Hamburg holen
können, in München und Berlin, in Zürich, Wien und Gent mit
staatlicher Unterstützung entstanden sind.
Mein Dank gilt unserem Schirmherrn Olaf Scholz, Hamburgs
Erstem Bürgermeister, der das Festival am 28. September im
Deutschen Schauspielhaus eröffnen wird. Wir danken den Förderern und Sponsoren, die uns die Treue halten, den Mitgliedern des
Kuratoriums und der Stiftung Hamburger Theater Festival sowie
allen Zuschauern, die mit ihrem Engagement und ihrer Begeisterung fürs Theater dieses Festival zur Tradition werden ließen.
Neu ist in diesem Jahr dank der bemerkenswerten Initiative von Evelyn Jenckel, Catharina Schuchmann und Dr. Anne
Holtwick ein Freundeskreis ins Leben gerufen worden. Auch den
»Freunden des Festivals« sei herzlich für ihre Unterstützung gedankt. Wir hoffen, dass auch Sie sich anregen lassen, dem Freundeskreis beizutreten.
Ich wünsche Ihnen anregende und beglückende Theaterabende.
Ihr Ernst Peter Komrowski
ERNST PETER KOM ROWSKI
ist Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Hamburger Theater Festival
INHALT
Seite 3
Seite 18
: D ER D IENER ZWEIER HERREN
: KAT HLE E N MO RG E N EYE R
LI EBE LE SER
SALTO MORALE
BEKENN TNISSE EI NER
Von Nikolaus Besch
Ein herrlicher Goldoni aus Zürich
Von Stefan Schomann
Seite 5
: GRUSSWORT
6 JAHRE HAMBURGER T HE ATER
Seite 8
Seite 36
: EDITORIAL
Seite 22
: ULRICH M ATTHES
FE ST I VAL
DER MANN, DER NABOKOV LI EBT
Von Ernst Peter Komrowski
Der Schauspieler im Gespräch
Von Birgit Lahann
Seite 24
Seite 8
: ZEITZ EUGEN
»ICH BI N NICHT TRAUR IG,
LICHTGESTALT
Eine Begegnung mit der Jungfrau
von Orleans
Von Emanuel Eckardt
Seite 24
Seite 38
: TAU B E RBAC H
DEPONI E UND POESI E
Das bezaubernde Tanztheater
des Alain Platel
Von Emanuel Eckardt
: D IM ITER GOTSCHEFF
ICH BI N WÜTEND!«
DER EMPFI NDSAME BARBAR
Mavie Hörbiger im Gespräch
Von Wolfgang Michal
Erinnerung an einen großen Regisseur
Von Ursula Keller
Seite 40
: DAS P RO G RA MM
DA S HAMBURGER T HE ATER
FE ST I VAL 201 4
Seite 12
: INFIN ITA
: PETER SIM ON ISCHEK
FI NNEN LACHEN NACH I NNEN
»HALLO, WER IST DA? –
Das Maskentheater der Familie Flöz
Von Martin Tschechne
Seite 18
Seite 28
I DON ’ T KNOW«
Protokoll einer Verfolgungsjagd
Von Wolfgang Michal
Acht Produktionen im Überblick
Seite 44
FÖRDERER UND SPONSOREN
Seite 29
Seite 28
Seite 12
6
Seite 36
Linke Seite:
Oben: Die letzten Zeugen des Holocaust und
ihre Geschichte (© Reinhard Werner / Burgtheater); Aischylos Die Perser: Regisseur
Dimiter Gotscheff († 2013) (© Arno Declair);
Mitte: Lot Vekemans Gift: Ulrich Matthes
(© Arno Declair); Goldoni Der Diener zweier
Herren: Michael Maertens, Carolin Conrad und
Friederike Wagner (© Matthias Horn); untere
Reihe: Infinita Maskentheater der Familie Flöz
(© Evy Schubert); Courteline, Cami, Charms
Zwischenfälle mit Andrea Clausen, Johanna
Wokalek, Markus Meyer und Hans-Michael
Rehberg (© Bernd Uhlig); Schiller Die Jungfrau von Orleans, Kathleen Morgeneyer
(© Arno Declair)
Seite 46
Seite 28
ST I F TUNG HAMBURGER
: ZWISCHENFÄLLE
T HE ATER FEST I VAL
»DI E FRAGE IST SO ÜBERFLÜSSIG –
Impressum
Bild- und Copyrightnachweis
AL S FRAGTE MAN EI NEN KOCH,
WI E ER KOCHT«
Die Regisseurin Andrea Breth
im Interview
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»ICH BIN NICHT TRAURIG,
ICH BIN WÜTEND!«
WIE NÄHERT MAN SICH DEM HOLOCAUST? Was fühlt man, wenn das Schicksal, das man
© Reinhard Maximilian Werner
gerade vorliest, direkt hinter einem sitzt? Burg-Schauspielerin Mavie Hörbiger erzählt,
wie sie das Theaterprojekt »Die letzten Zeugen« erlebte.
Sie entkamen der Vernichtung. Sechs Überlebende des Holocaust auf der Bühne. Schauspieler lesen, die Zeugen sagen aus. (Linke Seite: Lucia Heilman)
:TEXT_WOLFGANG M ICHAL | FOTOS_REINHARD WERNER / BURGTHEATER
E
rst dachte ich, da komme ich gut durch, aber ich
bin sehr nah am Wasser gebaut. Wenn mir was
nahegeht, kann ich es schwer von mir wegschieben.
In der Geschichte von Schoschana Rabinovici gibt es
eine Stelle, an der sie beschreibt, wie die Menschen
selektiert werden. Nur wer es schafft, nach rechts zu
kommen, überlebt. Wer nach links geschickt wird, zu
den Alten, Kranken und Kindern, ist verloren. »Und
30 000 Menschen mussten zur sofortigen Vernichtung.« Von diesem Satz träume ich heute noch manchmal, er schwebt über meinen Träumen. Dann kommt
die Geschichte von Ceja Stojka, die aus Kinderaugen
erzählt, wie ihr kleiner Bruder stirbt, wie sie ihn mit
»DI E I RR SI NNIGE ANGST, WEIL MAN DENK T,
MAN WI RD IHNEN NICHT GERECHT«
dem Hemd zudeckt, weil er doch immer so verfroren
war. Und ich muss den Satz sagen: »Er wurde sieben
Jahre alt.« Ich hab selber zwei kleine Kinder, die sind
eins und fünf. Jedes Mal bei den Proben, wenn diese
Stelle kam, gab es bei mir kein Halten mehr. Das war
nicht nur ein Weinen, mir schossen die Tränen raus.
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Das war mir unangenehm, und wenn einem etwas unangenehm
ist, wird es auch immer schlimmer. Daraufhin habe ich mit Schoschana Rabinovici gesprochen, und sie hat mir einen Satz gesagt,
den fand ich irre. Sie sagte: »Es ist überhaupt kein Problem, wenn
Sie weinen, Sie brauchen sich nicht zu schämen, Sie sollten sich
nur eins merken, wenn Sie die Texte lesen: Sie sind das Sprachrohr
für mich, und ich bin nicht betroffen oder traurig, ich bin wütend.« Das fand ich so irre, dass eine alte Dame mir das so sagt.
Eine jüdische Frau, die das selbst erlebt hat – die ist nicht betroffen, die ist wütend! Das hat mir sehr geholfen …
Man ist natürlich erst mal total befangen, wenn die da nur wenige Meter hinter einem sitzen, man hat eine irrsinnige Angst,
weil man denkt, man wird denen nicht gerecht. Man hat auch
Angst, etwas falsch zu machen. Ich wollte zum Beispiel kein weißes Kleid anziehen, ich fand das total albern, ich hätte lieber was
Dunkles angezogen wie die anderen, aber Matthias Hartmann
wollte, dass das nicht so nach Trauerzug aussieht, wir feiern ja
auch das Leben. Erst als die Zeitzeugen Ari Rath und Rudi Gelbard
sagten, das weiße Kleid sei wunderschön, hab ich gesagt, okay, ich
lass es an …
Wenn Daniel Sträßer, der ja sehr groß ist, mit so einem Stechschritt nach hinten marschiert, um einen der Zeitzeugen abzuholen, das sieht schon etwas merkwürdig aus. Aber wir wollten
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Szenenbild mit Ari Rath
MAVIE HÖRBIGER
1979 in München geboren. Die Enkelin Paul Hörbigers wird früh schon — mit fünfzehn — für den Film
entdeckt und fliegt prompt von der Schauspielschule, weil sie verbotenerweise nebenbei dreht. Sie
nimmt eine Auszeit und spielt ab 2001 vorwiegend
Theater, zunächst in Hannover, dann in Bochum.
2006 erstes festes Engagement in Basel, daneben
— gemeinsam mit ihrem Mann Michael Maertens —
Projekte in Zürich und Salzburg. Ab 2011 Mitglied
des Wiener Burgtheater-Ensembles, wo sie als Marie
in Molnars »Liliom« und als Mascha in Tschechows
»Möwe« brilliert. Zwischendurch ist sie auch immer
wieder in Kino-Komödien (»7 Zwerge — Männer allein
im Wald«, »What a Man!« mit Matthias Schweighöfer) sowie in Fernseh-Krimis zu sehen, zuletzt an
der Seite Til Schweigers im »Tatort«.
vermeiden, dass jemand hinfällt oder stolpert, die
kennen ja alle die Bühne nicht, und es ist schon ein
weiter Weg nach vorn, es gibt nichts Schlimmeres,
als allein auf einer Bühne zu gehen, das ist auch für
uns Schauspieler etwas ganz, ganz Unangenehmes,
da steigt die Nervosität …
»WI R FLOGEN MI T DI ESER REN TNERGANG
I M FLUGZEUG VON MAR SCHALL T I TO«
Natürlich hab ich Angst vor der Begegnung gehabt,
man weiß ja aus der eigenen Familie, wie wahnsinnig
anstrengend alte Menschen sein können, und dann
gleich sechs zwischen 82 und 101 Jahren. Was ist,
wenn jemand aufs Klo muss, was macht man, wenn
jemandem schlecht wird? Aber dann spürt man plötzlich, dass man sechs Freunden begegnet, vor denen
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man großen Respekt hat, weil sie keine Opfer ihrer Geschichte
geworden sind. Wir sind ja allzu schnell bereit, solche Menschen
zu Opfern zu machen. Aber das sind sie nicht. Sie sind darüber
hinweggekommen und wollen ihre Geschichte erzählen …
»ICH HABE GE SAGT: HAUPT SACHE , MAN GI BT
DI E SEN MENSCHEN NOCH MAL EI NE BÜHNE«
Es haben sich auch Freundschaften entwickelt, vor allem durch
die Reisen, die wir gemacht haben. Für das Gastspiel in Dresden
hat uns Herr Mateschitz von Red Bull ein Privatflugzeug zur Verfügung gestellt, weil die Linien-Verbindung von Dresden nach
Wien zu umständlich gewesen wäre, das wollte das Burgtheater
den Damen und Herren nicht zumuten. Also flogen wir in der
ehemaligen Maschine von Marschall Tito. Mit dieser RentnerGang im alten Flugzeug von Tito, das war schon lustig, das werde
ich so schnell nicht vergessen …
Sie kannten natürlich meine Familiengeschichte. Aber ich
habe das Glück, dass mein Großvater (Paul Hörbiger) im Krieg
anständig geblieben ist. Er hat Geld an Widerstandsgruppen
gegeben, er hat nie Propagandafilme gedreht. Als er nach dem
Krieg ausgemergelt nach Wien zurückkam, haben im Theater alle
applaudiert, auch die Schauspieler. Für Elisabeth Orth (Tochter
Attila Hörbigers, ebenfalls Burgschauspielerin) wäre das sicher
schwieriger gewesen. Unser Kinderarzt hat mich vor einiger Zeit
zum Pessachfest eingeladen, und da fragte mich gleich der Erste,
der meinen Namen hörte: Von welcher Seite? Und ich dachte, oh
Gott, jetzt gibt es Ärger. Aber es war reines Interesse. Vor 20 Jahren wäre vielleicht eine größere Wut dabei gewesen …
Ich habe mir keine Sekunde die Frage gestellt, will ich das machen? Ich habe gehört, was dieses Projekt ist, und fand es irrsinnig
© Reinhard Maximilian Werner
© Reinhard Maximilian Werner
Die Schauspielerin Mavie Hörbiger
Bevor der Vorhang fällt. Die Zeitzeugen Rudolf Gelbard, Vilma Neuwirth, Lucia Heilman, Ari Rath, Suzanne-Lucienne Rabinovici und Marko Feingold
interessant und war sofort ein großer Verfechter. Matthias Hartmann hat ja sehr damit gehadert: Stellt man
die Menschen nicht aus? Kann man so etwas machen?
Der hatte einen irrsinnigen Zwiespalt in sich. Da hab
ich gesagt: Es ist doch total egal, wie man es macht
und warum man es macht, Hauptsache, es findet statt,
es stößt noch mal Diskussionen an, man gibt diesen
Menschen noch mal eine Bühne, und man gibt Schulklassen und Kindern die Möglichkeit, zu sehen und
zu hören, aha, so war das also, und die leben noch unter uns …«
DIE LETZTEN ZEUGEN
75 Jahre nach den Novemberpogromen von 1938 entschließen sich der Wiener Historiker Doron Rabinovici und Regisseur Matthias Hartmann, ein Projekt auf die Bühne zu
bringen, das man — trotz seiner Dramatik — nicht als Stück
bezeichnen mag: Es ist eine erinnernde, sehr eindringliche,
sich langsam ins Entsetzliche steigernde Lesung.
Sechs Zeitzeugen, drei Frauen und drei Männer im Alter zwischen 82 und 101 Jahren, sitzen nahezu regungslos auf der
Bühne und hören ihren eigenen Kindheits-Erlebnissen zu: Wie
sie damals ausgegrenzt, verspottet, von der Schule verwiesen, aus der Wohnung gejagt und schließlich in die Vernichtungslager deportiert wurden. Wie sie — zufällig oder weil ihre
Eltern um sie kämpften oder weil Nachbarn sie versteckten —
den Holocaust überlebten. Ihre schmerzhaft präzisen Berichte hat Doron Rabinovici, Sohn einer der Mitwirkenden, gesammelt und für die Bühne aufbereitet. Vier Schauspieler (aus
der Enkelgeneration) lesen abwechselnd Fragmente aus diesen Schicksalen, während gleichzeitig in Großaufnahme die
dazugehörigen Gesichter auf einer Leinwand zu sehen sind:
SUZANNE-LUCIENNE RABINOVICI , geb. 1932 als Susie Weksler in Paris.
Sie wurde 1941 zusammen mit 60 000 anderen Juden ins Wilnaer Ghetto
deportiert. Dank der Geistesgegenwart ihrer Mutter überlebte sie die
Selektion bei der Auflösung des Ghettos und auch die KZs Kaiserwald und
Stutthof. Nach dem Krieg wanderte sie nach Israel aus.
MARKO FEINGOLD , geb. 1913 in Neusohl (Banska Bistriza), wurde 1938 in
Wien verhaftet, floh nach Prag, wurde dort erneut verhaftet und überlebte
mit viel Glück die KZs Auschwitz, Neuengamme, Dachau und Buchenwald.
Nach der Befreiung engagierte er sich in der Jüdischen Gemeinde Salzburg.
VILMA NEUWIRTH , geb. 1928, musste als Arbeiterkind miterleben, wie ganz
normale Nachbarschaft plötzlich in offenen Hass umschlägt. Sie wurde der
Schule verwiesen und zitterte vor den nächtlichen »Hausbesuchen« der
Gestapo. Nach dem Krieg arbeitete sie im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands.
RUDOLF GELBARD , geb. 1930 in Wien, wurde 1942 ins KZ Theresienstadt
deportiert. Nach dem Krieg arbeitete er als Dokumentar für Zeitgeschichte
beim »Wiener Kurier«.
ARI RAT H , geb. 1925 in Wien, Sohn eines Papiergroßhändlers, konnte am
8. November 1938 zusammen mit seinem Bruder gerade noch rechtzeitig
nach Israel fliehen und wurde Chefredakteur der »Jerusalem Post«.
LUCIA HEILMAN , geb. 1929 in Wien, überlebte die Kriegsjahre in Verstecken,
zuletzt in einem engen, dunklen und feuchten Verlies, oft in Todesangst
vor Entdeckung. Ein Freund der Familie riskierte sein Leben dafür. Nach
dem Krieg arbeitete Lucia Heilman als Ärztin.
Der siebte Stuhl auf der Theaterbühne bleibt jedoch leer. Die siebte Zeitzeugin, die Malerin, Sängerin und Autorin C EIJA STOJKA , geb. 1933 in der
Steiermark als Kind fahrender Rom-Lowara, verstarb 2013. Ihre Erinnerungen an die Konzentrationslager Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen hat sie in mehreren Büchern und zahlreichen Bildern verarbeitet.
WOLFGANG MICHAL
lebt als freier Autor in der Nähe von Hamburg. Für die vorliegende Ausgabe hat er Andrea Breth, Peter Simonischek und Mavie Hörbiger interviewt.
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Mit der Geburt beginnt das Leben — endet es
mit dem Tod? Oder schließt sich ein Kreis?
Als Embryo wartet Björn Leese auf seine Geburt.
FINNEN LACHEN NACH INNEN
DIE BERLINER GRUPPE »FAMILIE FLÖZ« VERBIRGT SICH HINTER MASKEN UND MACHT THEATER
OHNE WORTE.
Ihre Botschaften über Liebe und Macht, das Leben und den Tod sind von profunder
Tiefe – und werden überall auf der Welt verstanden.
:TEXT_MARTIN TSCHECHNE
© Familie Flöz
V
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on links betrachtet: ein Vorgesetzter. Unangenehmer Typ, hakennasig, herrschsüchtig, kalt.
Von rechts: ein Schleimer, schweinsäugig und verschlagen. Aber ist nicht auch Witz in diesen Zügen
zu ahnen? Keckheit, Schadenfreude, Geilheit? Von
oben: ein von der Last des Lebens Gebeugter. Von vorn
ein Allerweltsgesicht, ein Mensch wie du und ich,
ein Spießer, einsam, verzweifelt, ohne Hoffnung. Und
von unten, nur ganz leicht nach hinten gekippt und
schräg von der Seite gesehen: tot. Das Kinn gegen den
Kehlkopf gefallen, die Gesichtsmuskeln erschlafft. So
schnell geht das. Nur die Nase ragt hervor. Eine solche
Nase gibt es im Leben nicht.
Michael Vogel hat eine Maske vom Tisch im frisch
renovierten Probenraum der Familie Flöz in Berlin
genommen und hält sie im Arm. Das Gesicht ist aus
Pappmachee, von der Stirn fallen grau gewellte Haare
nach hinten – und schon eine ganz behutsame Drehung oder Neigung genügt, um den Beginn einer
neuerlichen Erzählung anzudeuten: ein Widerling in
Angriffslaune; ein Aufreißer, der den Gegenstand seiner Begierde ins Auge gefasst hat; ein alter Mann mit
sehnsuchtsvollem Blick auf das, was hinter ihm liegt.
Ein Mensch in Trauer um sich selbst. Viele solcher Lebensdramen liegen da auf der Tischplatte, stupsnasig,
mit kindlich rund gewölbter Stirn, mit säuerlicher
Nasenfalte oder rot gezogenem Lockmund, alle ein
bisschen überhöht in ihren Details, aber nahe genug am Leben,
um dem Betrachter als seinesgleichen zu begegnen.
Vogel ist ihr Spielmeister, und wenn schon das leichte Zurückfallen des Kopfes in seinem Arm genügt, um alles Leben aus dem
nun plötzlich totenbleichen Gesicht fahren zu lassen – was wird
dann erst passieren, wenn ein lebendiger Schauspieler unter die
Maske schlüpft und ihr mit seinem Körper eine ganz neue Dimension von Wirklichkeit verleiht? Der Körper ist einer, der unentwegt plappert und erzählt, sich preisgibt und verstrickt. Und dabei Wahrheiten verkündet, die Worte nicht zu fassen kriegen.
So viel muss wissen, wer sich auf einen Auftritt der Berliner
Theatergruppe einlässt: Ihre Stücke gehen über die volle Länge
von 90 Minuten, ohne Pause – aber gesprochen wird kein einziges
Wort. Es gibt Geräusche, ja. Auch gehören Musiker dazu, die das
Geschehen untermalen, eine Stimmung modellieren oder kommentieren – aber sie sind auch da, um die Momente der Stille hörbar zu machen. Dann atmen oder stöhnen die Figuren auf der
Bühne, und das Publikum atmet und stöhnt dazu. Oder bricht
in Gelächter aus: Wie viel Komik doch durch den Körper geht!
Die tastende Unsicherheit zweier Menschen, die Geborgenheit
suchen, doch einander nicht über den Weg trauen: wirklich witzig. Aber sind es nicht wir selbst, die da umeinanderschleichen?
Sind wir tatsächlich so komisch, mal von außen betrachtet? Und
ist das nicht gruselig?
Manchmal verlässt auch einer den Saal: Dann ist es zu viel
geworden, zu intensiv und zu offen, was da zu ertragen ist. Die
Szene etwa, als die Ehefrau ihren Mann im Altenheim abliefert;
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© Valeria Tomasulo
© La Strada Graz
Am Anfang steht der Friedhof. Und nichts und niemand
weint so herzergreifend wie ein Cello. Dafür entwickeln
die Greise auf der Wartebank zum Tod dann doch noch
eine erstaunliche Lebenslust und Beweglichkeit.
ihr gemeinsames Leben ist zu Ende. Es geht einfach nicht mehr:
eine Entscheidung, eine Erkenntnis, ein Verwaltungsakt; hilflose,
entleerte Formeln der Nähe, ein namenloser Schmerz. Und später,
welche Ironie, ist er es, der Greis im Rollstuhl, der eine Rose auf
ihr Grab legt. Verzweiflung und Groteske können schrecklich nah
beieinanderliegen.
Paradox eigentlich. Sind der Verzicht auf ein zum Weinen
verzogenes Gesicht, auf kummervolle Stirnfalten, ein Lächeln,
ein Augenzwinkern und vor allem: der Verzicht auf gesprochene
Sprache – sind das denn keine Einschränkungen?
Im Gegenteil, meint Hajo Schüler. Gerade darin öffnet sich
eine Tiefe, die anders nicht zu erreichen ist. Die Maske ist nur eine
Membran, eine Vorgabe zur Projektion; durch sie erkennt der Zuschauer sein Abbild in den Figuren. Und weil sie obendrein
stumm sind, erfasst seine Aufmerksamkeit endlich, wovon er
durch den Schwall der Worte und das Stakkato der Gesten abgelenkt war.
Schüler ist der Mann, der die Masken formt. Und auf der Bühne agiert und Regie führt und als Autor die Stücke entwickelt. Wie
auch Michael Vogel Regie führt und auf der Bühne steht und den
Stoffen dabei hilft, in die Welt zu kommen, auf dass sie Freiheit
und Autonomie gewinnen. So ist das bei allen in der Truppe, die
nicht von ungefähr das Wort »Familie« im Namen führt: Jeder
So läuft das im Stück »Infinita«: Kaum hat das Publikum hingenommen, dass die Tapsigkeit kleiner Kinder und die Hilflosigkeit
des Alters einander doch bedrückend ähnlich sind, da kommt so ein Greis mit Rollator und schaltet den Turbo an.
macht alles, mehr oder minder. Bringt sich ein und
hält sich fern, findet seinen eigenen Rhythmus und
lauscht auf den der anderen. Was gesagt werden muss,
findet schon seinen Weg; Formeln, Floskeln, Konzepte und Ankündigungen sind nur weißes Rauschen,
aber keine Mittel der Kommunikation. Das haben sie
nun wirklich gelernt. Seit 20 Jahren spielen sie zusammen. Aber erst kürzlich hat Vogel die MaskenWerkstatt den anderen überlassen. »Wer Regie führt«,
sagt er, »braucht ein bisschen Abstand.«
DI E SPRACHE DE S KÖRPER S
14
© Valeria Tomasulo
IST AUF DER GANZEN WELT VERTRAU T.
Schüler also erzählt, es brauche nach aller Erfahrung
vielleicht zehn, fünfzehn Minuten, bis das Publikum
sich auf die beredte Sprache der Gefühle eingelassen
habe: »Denn jeder beherrscht ja das Vokabular. Da gibt
es nichts zu lernen. Nur eine kleine Erinnerung daran,
dass wir alle eine sehr viel ältere, reichere und auch
intensivere Sprache sprechen, als die meisten es von
ihrem Theater-Abo gewohnt sind.«
Bei den Sehgewohnheiten des Publikums sind sich
alle einig: Das subventionierte Theater in Deutschland
orientiere sich noch sehr an den Traditionen der Aufklärung. Vernunft gehe vor Empfindung, Argumenta-
tion vor Erleben, Wahrheit werde konstatiert und hergeleitet, und
Emotion müsse präzise in Worte gefasst werden – aber was selbst
die erfahrenen Darsteller des Maskentheaters immer wieder wundert: Die Begegnung mit der wortlosen Sprache des Körpers hält
vor. Als könnte ihr Spiel im Publikum eine Bereitschaft wecken,
eine Sensibilität, die dann nicht mehr vergessen wird. In Stuttgart
oder Duisburg, in Städten also, in denen die Familie Flöz regelmäßig auf der Bühne steht, springt der Funken deutlich schneller
über: Wer die Mitteilsamkeit des Körpers einmal kennengelernt
hat, wer sich eingelassen hat auf seine Formulierungen, der bleibt
offen. Das Theater als Ort der Selbsterfahrung?
Vogel winkt ab: Es ist eine Frage der Einstellung zum Leben,
der Traditionen, der Kultur. Darüber hinaus spielten sie lieber vor
vollen als vor leeren Sälen. Aber in Indien oder China gerieten ihre
Auftritte tatsächlich zur Party, und sie selbst würden gefeiert wie
Popstars. Und in Finnland hätten sie vor einem Publikum wie aus
Stein gespielt, keine Regung, keine Antwort – eine entsetzliche
Erfahrung. Bis der Mann mit unbewegtem Gesicht in die Garderobe gekommen sei und jeden von ihnen umarmt habe: Ihr Stück
sei das Lustigste und Anrührendste gewesen, was er je gesehen
habe. Diese Finnen! Alle hier im Probenraum hinter der Karosseriewerkstatt in Berlin-Weißensee müssen lachen bei der Erinnerung. Den Spaß an Missverständnissen haben sie schließlich nicht
so oft. »Die Sprache, in der wir agieren, ist auf der ganzen Welt
verbreitet und vertraut«, sagt Vogel. Erst bei den Gesten gebe es
Differenzen und Fehldeutungen und Widersprüche wie in ge-
15
© Familie Flöz
© Silke Meyer
© Valeria Tomasulo
Der Kampf des Lebens beginnt im Laufstall. Spätestens. Und
im Alter haben sie auch nicht allzu viel dazugelernt — mit dem
Unterschied, dass manchmal doch der Schrecken durch die
Glieder zuckt: Es geht dem Ende zu! »Infinita« ist ein Stück
von Geburt und Sterben. Und von der Erkenntnis, dass beides
doch verdammt nahe beieinanderliegt. Ist der Lebenskreis
dann umrundet, schieben sich Hajo Schüler, Björn Leese und
Benjamin Reber (von links) die Masken auf die Stirn und atmen
auf: Es ist ja noch ein Weilchen hin ...
sprochener Sprache. Sie seien als Vereinbarungen so
abstrakt wie eine beliebige Reihe von Buchstaben.
»Aber Gesten vermeiden wir.«
Der Rest ist klassisches Guckkastentheater: Die
Schauspieler sind kostümiert, sie nutzen Bühnenbild
und Requisiten. Und sie sind gern komisch: »Was ich
auf der Bühne zeige, sind Schwäche und Scheitern«,
meint Vogel. »Das wirkt so grotesk, weil wir genau das
im Leben zu vermeiden suchen: Wir dürfen unser
fortwährendes Scheitern nicht zeigen.«
Aber fest steht auch: Kein noch so geschliffener
Dialog wäre in der Lage, so viel Erleben, so viel Gleichzeitigkeit, Zwiespalt und Widerspruch von der Bühne
in den Zuschauersaal zu befördern. Eine Handlung ist
nicht Thema dieser wortlosen Kommunikation: Sie
ist allenfalls ihr Transportmittel. Bis zu 30 Charaktere
agieren in einem Stück – aber wenn sie zum Schluss
ihre Masken abnehmen und sich verbeugen, dann sind
es meist nur drei oder vier Akteure. Und rechtschaffen
erschöpft: Sie haben das ganze Leben in einen Abend
verpackt.
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Das Stück »Infinita« zum Beispiel; sie spielen es seit 2006: Da
spannt die Truppe wirklich den ganzen Bogen von der Geburt bis
zum Tod. Die Schatten der Toten und die der Lebenden huschen
über die Bühne, schwarz und weiß; die beiden Alten trauern umeinander – sie vor seinem Tod, beim Abschied im Altersheim, er
nach dem ihren. Und bei beiden mischt sich in die Trauer um den
anderen auch eine Spur der Erleichterung darüber, selber noch
einmal davongekommen zu sein. Am anderen Ende des Lebens
klettern drei Babys an den Stäben eines Laufställchens hoch, drolBE VOR EI NER DEN MUND AUFMACHT,
IST LÄNGST ALLE S GE SAGT.
lig und furchterregend: Wo liegt der Unterschied zur Welt der
Erwachsenen und zum Alter, zum Hauen und Stechen im Wettbewerb, zum Eingesperrtsein und Reinkommenwollen, zum Purzeln und Fallen? Und wie lernt man es, so lebensecht auf den Po
zu plumpsen?
»Ein paar von uns hatten gerade selber Kinder bekommen«,
sagt Michael Vogel und schwärmt von deren extremer Körperlichkeit. So etwas bewundert natürlich, wer im Probenraum und
auf der Bühne darum kämpfen muss, genau diese Unmittelbarkeit wieder zu erschließen. Für eine Weile
konnten sie aus solcher Beobachtung lernen. Und wie
gut, dass es den anderen genauso ging.
Getroffen haben sie sich an der Folkwangschule in
Essen, der einzigen staatlichen Ausbildungsstätte für
körperbasiertes Theater in Deutschland. Vorher waren
sie mit dem Straßentheater unterwegs, als Pantomime, Puppenspieler oder Kabarettist. Sie sind ein locker
gefügtes Netzwerk um einen harten Kern, haben Erfahrungen gesammelt als Kostümdesigner und Musiker, Balletttänzer in Kanada, Schauspieler in Bremen,
Schüler des großen Theaterpädagogen Jacques Lecoq
in Paris oder als Clown beim kubanischen Staatszirkus. Aber Essen, das Ruhrgebiet, das Leben der Bergleute: das gab ihnen die ersten Impulse. Daher der
Name Flöz: Flöze sind die Schichten unter Tage, in denen Arbeiter das Erz oder die Kohle abbauen. Das erste Stück hieß »Familie Flöz kommt Über Tage«.
So fing es an: mit Szenen aus dem Arbeitsleben
und dem Geschlechterkampf. Mit Hierarchien in ei-
nem Bautrupp, dem hektischen Kuddelmuddel im »Hotel Paradiso«, einem »Ristorante Immortale« oder einem »Teatro Delusio«.
Mit Erwartungen, Ängsten und Regeln. Spannende Stoffe: »Bevor
ein Vorgesetzter den Mund aufmacht, um Anweisungen zu geben
oder Kritik zu äußern«, meint Hajo Schüler, »ist doch schon längst
alles gesagt.«
Es geht ihnen gut. 150, manchmal 200 Vorstellungen in einem
Jahr, ausgebucht bis 2016; im vergangenen Jahr waren es 70 Städte in neun Ländern. Das Theaterhaus in Stuttgart und das Kaohsiung Spring Arts Festival in Taiwan, Izmir, Rovereto und Bois
d’Arcy, Venedig und Teheran, Jerusalem und Newbury, Tiflis und
Belo Horizonte. Und gerade gestern kam eine riesige Kiste mit
Bühnenbild und Requisiten retour aus La Réunion. Die zu Frankreich gehörende Insel liegt östlich von Madagaskar, mitten im Indischen Ozean. Selbst dort verstehen sie die Sprache dieser Familie Flöz.
MARTIN TSCHECHNE
ist promoviert als Psychologe, wurde dann aber Journalist: Chefredakteur
von »Weltkunst«, Textchef bei »Art«. Schreibt heute Bücher und arbeitet
u. a. für »Merian« und »Psychologie Heute«, Deutschlandradio und den NDR.
17
So ein Theater! Links: Truffaldino (Michael Maertens), Smeraldina
(Friederike Wagner), Pantalone (Robert Hunger-Bühler), Dottore
Lombardi (Lambert Hamel), Florindo (Thomas Loibl), Clarice (Marie
Rosa Tietjen), Beatrice (Carolin Conrad), Tottino (Johannes Sima),
Brighella (Gottfried Breitfuss) und Silvio (Christian Baumbach)
debattieren. Unten: Michael Maertens und Thomas Loibl
SALTO MORALE
DAS SCHAUSPIELHAUS ZÜRICH KOMMT MIT CARLO GOLDONIS GRANDIOSER KOMÖDIE
»DER DIENER ZWEIER HERREN« ZUM THEATER FESTIVAL NACH HAMBURG,
von Barbara Frey
italienisch leicht, von Herzen komisch und mit wunderbaren Schauspielern inszeniert.
Wie kann man in einer solchen Stadt Theater machen? Regisseurin Barbara Frey scheint es zu wissen,
sie hat viel am Schauspielhaus inszeniert, hat Zürich
als Intendantin beherzt für das Theater gewonnen,
und inzwischen obliegt ihr neben der künstlerischen
auch die geschäftliche Leitung, was einen großen Vertrauensbeweis darstellt.
Bei Goldoni hat sie sich für die Übertragung von
Werner Buhss entschieden, die grell und schnoddrig
daherkommt und von Anfang an aufs Tempo drückt.
»Die damaligen Texte waren Arbeitsgrundlagen«, keine kanonische Literatur, erklärt Dramaturg Thomas
Jonigk, selbst Bühnenautor. »›Der Diener zweier Herren‹ etwa wurde erst nach der Uraufführung schriftlich fixiert. Das Stück verlangt geradezu nach freiem
Umgang« – Stegreifeinlagen gehörten stets dazu. Goldonis Ensembles hatten nur ein bis zwei Wochen Probezeit, was kaum ausreicht, um auch nur die Rollen zu
lernen. Eine Ahnung von seiner Welt bekommt man
noch heute in jenem entzückenden Barocktheater unweit der Rialtobrücke, das später nach ihm benannt
wurde. Einmal fabrizierte er sechzehn Komödien in
einem Jahr, als wäre er der Diener dreier Theater. Doch
er hatte Schauspieler zur Hand, die dieses irrwitzige
Tempo mitgehen konnten, und einen deutschstämmigen Impresario namens Medebach, der ihn an Um-
In dieses heikle Gemeinwesen platzt nun ein Bauerntölpel –
Truffaldino. Er kommt von draußen, ein Hinterwäldler, ein dubioser Fremder. In der auf Zürich zugeschnittenen Fassung von
Frey und Jonigk spielt Michael Maertens einen grundlos selbstbewussten Piefke, der kein Fettnäpfchen auslässt. Wie gestelzt er
daherredet, wie plump er sich anbiedert, wie hoffnungslos er sich
in sein eigenes Lügengespinst verstrickt! Auch Zofe Smeraldina
(Friederike Wagner), dieser gänzlich ungeschliffene Edelstein,
hat sichtlich einen Migrationshinter- oder vielmehr Vordergrund.
In der Schweiz tummeln sich in den Dienstleistungsberufen zahllose Deutsche und Italiener. Auch weil schon der Mindestlohn
über dem liegt, was ein Professor in Parma oder Piacenza verdient, die beiden Nebenjobs miteingerechnet. Was sich neudeutsch Multitasking schimpft und was die Managementgurus
als letzten Schrei verkaufen, das ist in den Mittelmeerländern seit
Jahrhunderten gang und gäbe. Man muss alles Mögliche gleichzeitig machen, um überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen.
Goldoni studierte etwas Medizin, etwas Philosophie und etwas
mehr Jurisprudenz und Kirchenrecht, er arbeitete als Gesellschafter, Advokat, Diplomat, Sprachlehrer und Stückeschreiber, manchmal nacheinander, meistens durcheinander. Truffaldino beweist
bereits Augenmaß, indem er sich lediglich zwei Herren andient
und nicht fünf. Als klassischer Freiberufler ist er zugleich Herr
und Sklave seiner selbst.
TRUFFALDI NO, EI N BAUERN TÖLPEL ,
KOMMT VON DRAUSSEN.
:T E XT _ST E FA N SC H O M AN N | FOTOS _ MAT T H I AS H O R N
S
ie werden lachen: Das erste Liebespaar ist
schwer kriminell, das zweite leicht debil, das
dritte zumindest nicht ganz koscher (Vorspiegelung
falscher Tatsachen, Verletzung des Briefgeheimnisses,
Mundraub, Unterschlagung) – und dennoch nennt das
Ganze sich Komödie. Zu schlechter Letzt setzen sich
zwei Hauptbeteiligte die Pistole an die Schläfe, ein
dritter stürzt, in einem Fall von akutem Burn-out, wie
tot zu ihren Füßen nieder, eine vierte will lieber verrecken als heiraten. Eine winzige Wendung nur, und
eine Tragödie sondergleichen nähme ihren Lauf.
O Schicksal! O Schwerenot!
Man kann es kaum mit ansehen. Doch man muss
es mit ansehen, es ist einfach zu spannend zu verfol-
18
gen, wie dieser Truffaldino, dieser Tropf, dieser Schelm, dieser
hergelaufene Chaot, wie der sich die Suppe einbrockt, und noch
spannender zu verfolgen, wie er sie wohl wieder auslöffeln wird.
Eine Komödie aus der Schweiz? Aus Zürich gar? Selbst wenn
der Autor aus Italien stammt, selbst wenn Helvetien dort direkt
angrenzt und man im Tessin schon Italienisch spricht – aber liegen
nicht Welten dazwischen? Die Kaufmannsstadt Zürich mag manches mit der Kaufmannsstadt Hamburg gemein haben, doch beide haben nur wenig mit der Kaufmannsstadt in der Adria gemein.
Venedig steckt voller Rätsel, Zürich dagegen kennt nur das Bankgeheimnis. In Venedig ist das Theater zum zweiten Mal erfunden
worden, die Commedia dell’Arte entfaltete sich hier zu voller
Blüte. In Zürich hat Zwingli das Theater verboten, und Bälle und
Tanzvergnügungen gleich dazu.
triebigkeit offenbar noch übertraf (und eine höchst
unwahrscheinliche Verbindung zwischen Sauerland
und Serenissima zustande brachte).
Ein ineinandergeschachtelter Guckkasten rahmt
die Bühne, kahl wie eine reformierte Kirche. Die Figuren können sich nirgendwo festhalten, nirgendwo
schützen, sie müssen sich abfinden mit ihrer existenziellen Unbehaustheit. Wie zur Familienaufstellung
gruppiert, ordnen sie sich in wechselnden Konstellationen einander zu. Kein Dekor und keine Requisiten,
es gibt nur die Menschen und den abstrakten Raum
der Stadt. Fleisch und Stein. »Berührungsangst« betitelte Richard Sennett einen Essay über das Ghetto von
Venedig. Hier ist die Abgrenzung erfunden worden.
19
Die übrigen Figuren sind bewusst holzschnittartig
gehalten, kaum anders wohl als in jenem Marionettentheater, an dem der vierjährige Carlo sich einst ergötzte. Lesen und schreiben konnte er da auch schon; ihm
war das Talent wahrhaftig in die Wiege gelegt, oder
zumindest in den Laufstall. Eine Welt voller Masken,
Puppen, Hampelmänner also. Thomas Loibl, ein überlanger Schlacks, der einherstiefelt wie Lucky Luke,
posiert als cooler, selbstgefälliger Florindo. Robert
Hunger-Bühler mimt den Pantalone als aalglatten
Geschäftsmann und Prototyp eines Wendehalses, il
conformista. Auch Beatrice (Carolin Conrad) kennt
nur zwei Register: als Frau agiert sie hemmungslos
sentimental, als Mann so skrupellos wie alle anderen
auch.
Gottfried Breitfuss gibt den Gastronom. »Hinterfotzig und scheinheilig« sei der. Nicht eine Sekunde
zögere er, sich auf das doppelte Spiel einzulassen,
»Hauptsache, er macht seinen Schnitt«. Aber so sind
sie alle: Üb immer Untreu und Intrige! Das Lachen
könnte einem vergehen, wenn das Ganze nicht so spaßig wäre. Wenn der Plot nicht ständig Purzelbäume
schlüge, wenn nicht Wortwitz und Situationskomik
selbst eingefleischte Moralisten entwaffnen würden.
Kunst kommt von Kalauer.
Was könnte weniger schweizerisch sein als dieser
notorische Unernst? Keine einfache Aufgabe also, in
einem heillos seriösen Land derartigen Leichtsinn
aufzutischen. »Wenn du’s hier schaffst, schaffst du’s
überall«, resümiert Breitfuss seine Erfahrungen mit
dem »stillen Humor« der Helvetier. Nach fünf Jahren
in Basel und zehn in Zürich ist der gebürtige Österreicher hinreichend vertraut mit den protestantischen
Paradoxien: der inständigen Nüchternheit, der exzes-
20
FESTSPIEL
Photos by Kerstin Groh + Carlosh
Komödiant mit Bodenkontakt: Tuffaldino (Michael Maertens)
kriecht vor Brighella (Gottfried Breitfuss), beobachtet von
Pantalone (Robert Hunger-Bühler) und Beatrice (Carolin Conrad).
siven Zurückhaltung, der kontrollierten Lust. Eine krachige,
schrille Spielweise würde hier nicht reüssieren. »Man muss die
Quintessenz bringen, den Maggiwürfel, das Konzentrat der Komödie.« Und sei es noch so bitter.
Vielleicht ist die Schweiz, dieses seltene Beispiel einer gutmütigen Gesellschaft, weniger als alle anderen Nationen zur
Schadenfreude aufgelegt. Nun bildet aber die Schadenfreude das
Lebenselixier jeder Komödie. Sie ist der eigentliche Running Gag –
was könnte amüsanter sein, als anderen dabei zuzusehen, wie sie
sich noch dümmer anstellen als wir. Doch darf man dabei Lust
empfinden, gar diebisches Vergnügen? »Manchmal muss man die
Schweizer zu ihrem Glück überreden«, meint Dramaturg Thomas
Jonigk. »Aber die Sehnsucht nach dem Ungelebten ist natürlich
vorhanden.« Und so geht die Inszenierung indirekt zu Werke,
macht das Stück dem Publikum über andere Qualitäten schmackhaft. Indem sie etwa versucht, neben der Lachhaftigkeit auch die
Liebenswürdigkeit der Figuren herauszuarbeiten, was die deutlich
schwierigere Übung darstellt. Wie das Leben so spielt, wie das
Spiel so lebt. Da mag man an Goldonis Bonmot von den Gesichtszügen als »Dolmetscher des Herzens« denken oder an sein Lippenbekenntnis, ihn interessiere »nichts mehr als die Zergliederung der menschlichen Seele«. Schöne Worte, Ideale wohl auch,
aber nur selten hat er danach gelebt oder geschrieben. So, wie auch
Truffaldino, überhaupt alle Figuren, ständig von Sitte und Tugend
reden, doch ganz etwas anderes treiben. Salto morale. Der größte
Unhold freilich ist der Autor – er geht buchstäblich über Leichen,
nur damit die Handlung in Gang kommt.
O Wonne! O Weh!
Die zweite Masche der Verführung ist das Tempo. »Man darf
nicht zu lange nachdenken«, bekennt Jonigk. Die entsprechend
gekürzte und forcierte Fassung rauscht in einem Rutsch durch,
braucht keine anderthalb Stunden. Doch Venedig wäre nicht
Venedig, bliebe nicht eine gehörige Verunsicherung zurück. Ist
nicht selbst seine Architektur Gestalt gewordenes Verwirrspiel?
In dieser amphibischen Welt gibt es nichts, woran man sich halten könnte. Alles Feste, alle Gewissheit wird vom Flüssigen, Unbestimmten, vom großen Anderen infrage gestellt. So geht es
auch mit der Moral von der Geschicht. Immer wieder scheint im
»Diener zweier Herren« die Utopie einer Welt ohne Bösartigkeit
auf, einer menschlichen Welt, einer Welt voller Schwächen also.
Gerne möchten wir daran glauben, doch wir wissen, dass es so
nicht funktionieren wird, dem dreifachen Happy End zum Trotz.
Haltlos gondelt die kleine Gesellschaft schließlich davon, hinaus
in die trägen Lagunen des Alltags, alle in einem Boot. Das kann
noch heiter werden.
MERET BECKER »Deins & Done«
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Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, spielen auch
unsere Künstler – die Welt des Theaters und die Welt der
Musik sind voneinander nicht zu trennen: Menschen, die
sich von Kultur anregen lassen, sind in beiden zuhause.
Genau wie wir. Gern unterstützen wir das Theaterfestival
auch in diesem Jahr und freuen uns, Sie hier auf
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hinweisen zu können.
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STEFAN SCHOMANN
Stefan Schomann schreibt Reportagen, Essays und Feuilletons. Für das
Magazin des Hamburger Theater Festivals porträtierte er das Wiener Burgtheater (2012) und das Deutsche Theater in Berlin (2013).
21
in seiner Frankfurter Rede unmöglich gemacht. Ist ein
hartes Urteil, sagt er, aber ich bleib dabei. Bei Grass
könnte er dann gleich mit dem absurd schlechten
Nicht-Gedicht zum Thema Israel fortfahren. Ach, und
dann seine unbeschreibliche Eitelkeit. Böll, glaubt
Matthes, habe den Nobelpreis wohl eher für seine
Gesinnung als für seine Literatur bekommen.
ALS ULRICH MATTHES 1998 ZUM ERSTEN MAL IM DEUTSCHEN THEATER BERLIN SPIELT,
»ICH WÜRDE GERNE ALLE NABOKOV-ROMANE
beschimpfen die Ostler ihn noch als Innerlichkeits-Wessi. Er hat deutlich zurückgeschimpft.
VORLE SEN, ALLE , ALLE ALLE!«
Heute ist er ein Star im Haus.
:T E XT _BI RGI T L AH AN N
W
ir sitzen in Berlin draußen vorm Deutschen
chen über alle möglichen Autoren gelesen. Wenn sie gut geschrieTheater, und Ulrich Matthes sagt: Heute
ben waren, lasen die sich wie Krimis: Ach, so hat der gelebt?
tauschen wir die Rollen mal, ich frage und Sie antworGetrennt von 17 Frauen? Und 58 Kinder gezeugt? Ist ja großartig!
ten. Und wer soll das lesen? Er lacht, sagt, dass er einKennt er auch Biographien von Kollegen?
Hildegard Knefs »Geschenkten Gaul« hat er gelesen und die
fach keine Lust hat, immer nur über seine Rollen zu reJugenderinnerungen von Günter Lamprecht, wie hießen die
den. Dann reden wir eben über Autoren und Bücher,
noch? »Und wehmütig bin ich immer noch«. Ja, und dann
sage ich. Im Theaterstück »Gift« spielen Sie einen
das wunderbare Buch aus dem jüdischen Stetl von AlexanMann, der mit seiner geschiedenen Frau den Tod des
der Granach. Der ostgalizische
gemeinsamen Sohnes beklagt
Mensch, heißt es gleich zu
und über seine Verlustängste
Beginn, sei ein bisschen faul
ein Buch schreiben will. Da ULRICH MATTHES
Ulrich Matthes wurde 1959 in Berlin geboren. Er studierte Gerund fruchtbar wie die Erde.
sind wir doch schon beim Themanistik und Anglistik, wollte Lehrer werden, brach das StudiWas für ein Satz! Martin Held,
ma. Wer war der wichtigste Au- um nach fünf Semestern ab, um Schauspieler zu werden. Bei
Else Bongers, die auch Hildegard Knef, Günter Lamprecht und
sage ich, hat kein Buch über
tor Ihrer frühen Jahre?
Götz George ausbildete, nahm er Privatunterricht, spielte in
sich geschrieben, aber ihm haSo gefällt es Matthes. Der
Düsseldorf, an den Münchener Kammerspielen, der Berliner
ben Sie als junger Mann vorHeld meiner Postpubertät, sagt Schaubühne, der Wiener Burg und ist heute festes Mitglied am
gesprochen. Held habe er verer vergnügt, war Thomas Mann. Deutschen Theater. Für Meisterleistungen in Schlöndorffs Film
»Der neunte Tag«, für »Novemberkind«, »Wer hat Angst vor
ehrt, sagt Matthes. Er sei bei
Diese Zwiespältigkeit von BürVirginia Woolf« und »Onkel Wanja« wurde er mit Preisen überihm in Zehlendorf zum Tee gegertum und Künstlertum, die häuft. Zum Hamburger Theater Festival kommen er und Dagmar
Manzel
mit
dem
Zwei-Personen-Stück
»Gift«.
wesen, alles sehr stilvoll, und
interessierte mich wahnsinnig.
Held habe Anekdoten erzählt
Ich bin doch auch so ein Bürund dann gesagt: Mach mal
gersöhnchen gewesen, sagt er.
Hamlets »Sein oder nicht sein« und Ibsens Oswald aus den GeUnd er wollte wissen, wie er da rauskommt und was
spenstern, »Mutter, gib mir die Sonne …«. Lern das, und dann
das bedeutet, wenn er nicht Lehrer, sondern Schaukommste wieder. Der Hamlet hat ihm nicht gefallen. Den kannsspieler werden würde, Künstler, ob da dieses behütete
te noch nicht, hat er gesagt. Aber meinen Oswald fand er gut. Den
Aufgewachsensein nicht zurückschlagen würde. Ich
hat er mit mir gearbeitet. Und am Ende meinte er: Du hast großes
Talent. Und jetzt, sagt Matthes, erscheint bald ein Buch, in dem
»MART I N HELD SAGTE ZU MI R:
prominente Berliner über prominente Berliner schreiben. Über
›LERN DA S, UND DANN KOMMSTE WI EDER .‹«
wen er denn gerne schreiben würde, hatte man ihn gefragt. Da
habe er Martin Held vorgeschlagen und hat über ihn geschrieben.
hatte ein merkwürdig romantisches Künstlerideal,
Nobelausgabe, sagt er. Kommt im Herbst raus.
sagt er. Hat ihn neben den Romanen auch Thomas
Was konnte er mit dem Dreigestirn Böll, Grass und Walser
Manns Biographie interessiert? Aber ja, und nicht nur
anfangen? Ich sag Ihnen meine Spontanassoziation, sagt Matthes.
die. Ich habe doch fünf Semester Germanistik und
Walser hat sich für mich für alle Zeiten mit der Auschwitzkeule
Anglistik studiert, sagt er. Da habe er die rororo-Bänd-
22
Und was hat er gelesen, als er sich auf die GoebbelsRolle im Film »Der Untergang« vorbereitet hat? Seine
Tagebücher, sagt er. Über tausend Seiten. Matthes umschließt mit beiden Händen seinen Mund und flüstert:
Um es mal ganz pathetisch zu sagen – ich bin’s den
Opfern schuldig. Die Lektüre fand er interessant, weil
alles überformuliert ist, bewusst für die Nachwelt geschrieben. Und als Kind sei Goebbels wegen seines
Klumpfußes gehänselt worden. Ich will mich ja nicht
als Küchenpsychologe aufspielen, sagt Matthes, aber
so was hat natürlich Folgen. Ich erzähle ihm, dass
Goebbels, der wegen dieses Klumpfußes 1916 nicht
in den Krieg ziehen durfte, in einem Schulaufsatz
schrieb, dass jeder auf der Straße die Augen offen halten müsse, um Verdächtige – die ihr Gold nicht
bei der Reichsbank abliefern – auszuspähen
und anzuzeigen. Das ist
ja wahnsinnig, sagt Matthes.
Also, er habe parallel
zu den Goebbelstexten
auch die Tagebücher von
Victor Klemperer gelesen. Zum Teil die gleichen Tage nebeneinander. Ich wollte wissen,
was hat in der Zeit das
Opfer erlebt. Und da
schreibt Goebbels, dass die gelben Tuchballen für die
Judensterne im Gau Soundso ausgegangen seien. Und
Klemperer beschreibt, wie seine Frau zum ersten Mal
mit dem gelben Stern zum Bäcker geht, wie sie angeschaut und behandelt wird und wie sie sich dabei
gefühlt hat. Also hier die Stigmatisierte und dort der
Technokrat. Und was hat neben all der Lektüre die gespielte Rolle am Ende mit ihm gemacht? Na ja, sagt er,
auch wenn man inzwischen alles kennt und über alles
informiert ist, es ist schon was anderes, wenn man
dann wochenlang in einer Naziuniform diese Texte
spricht. Das darf man nicht unterschätzen. Natürlich habe ich das
Bewusstsein von heute, bin mit Willy Brandt aufgewachsen, aber
die Erfahrung mit so einer Macht-Rolle, die möchte ich nicht
missen.
Nun ist Matthes ja nicht nur ein großartiger Schauspieler, er
ist auch ein Vorleser, hat Kafkas »Schloss«, Joseph Roths »Spinnennetz«, Tschechows »Duell« und vor allem den herzzerreißenden »Pnin« von Nabokov gelesen, diesen Exilrussen, der seine
Heimat an die Bolschewiki und seine erste Liebe an die Barbaren
von Auschwitz verlor. Und wie Matthes das spricht, wie er diesen
Verlierer von der traurigen Gestalt in den USA über alle Sprachfallen und den American Way of Life stolpern lässt, das ist ein
wunderbares Kunststück, das 2002 zum Hörbuch des Jahres gekürt wurde. Ach, ich würde gerne alle Nabokov-Romane vorlesen,
alle, alle, alle, sagt er, weil sie sprachlich auf einem Niveau sind,
das einem das Jauchzen in die Seele treibt. Und warum tut er’s
nicht? Weil die Nabokov-Erben Nein gesagt haben. Ohne mein
Hörbuch zu kennen, sagt er. Einfach Nein.
Dann schenke ich Ihnen dafür jetzt eine Theaterrolle, die Sie
noch nicht gespielt haben – Faust. Warum nicht Mephisto?, fragt
er. Weil Faust die bösere Figur ist. Er ist sentimental und brutal.
Das ist eine fatale Mischung. Er hat gemeinsam mit seinem Vater
Hunderte Menschen umgebracht. Mit giftigen Medikamenten.
Das war Massenmord. Ja, ja, sagt Matthes. Ich kann mich düster
an den Text erinnern. Und erzählt, dass er den Faust schon zweimal hätte spielen sollen. Einmal
in Frankfurt, aber das ging zeitlich
nicht. Und einmal hatte Jürgen
Gosch – mein größter Regisseur
überhaupt, sagt er – ihm beide Rollen angeboten. Sitzt bei mir auf
dem Balkon und erzählt, er mache
am Burgtheater »Faust« I und II
und ich könnte wählen: Faust oder
Mephisto. Matthes steckt damals
mitten in den Proben zu »Onkel
Wanja« und sagt: Ich denke drüber
nach. Und dann sind die Rollen mit
zwei Wienern besetzt. Und von
mir, sagt er, war nicht mehr die
Rede. Nein, ich hab keine guten Erinnerungen an Faust. Aber der wäre natürlich die Rolle. Dann
guckt er auf die Uhr. Was? Schon fast sieben! Um halb acht beginnt die Vorstellung »Gift«. Am Bühneneingang ruft er noch
lachend: Ich muss kein Bild von mir sehen, schreiben Sie lieber
mehr Text! Ein winziges Foto reicht. Eine Briefmarke!
© dapd/DAPD
DER MANN,
DER NABOKOV LIEBT
BIRGIT LAHANN
Birgit Lahann arbeitete bei Peter Zadek am Bremer Theater, war 25 Jahre
Autorin beim »Stern«, bekam den Theodor-Wolff- und den Egon-ErwinKisch-Preis und schrieb Reportagebücher und Biographien.
23
DER EMPFINDSAME
BARBAR
– mit drei Inszenierungen
Dimiter Gotscheffs erinnert das Hamburger Theater Festival gemeinsam mit dem Thalia
Theater ein Jahr nach seinem Tod an den großen Regisseur.
»DIE PERSER«, »IMMER NOCH STURM« UND »LEERES THEATER«
:TEXT_URSULA KELLER | FOTO _RETO KLAR
A
ls die Theaterwelt vor einem Jahr zutiefst bestürzt und in großer Trauer Abschied nahm
von Dimiter Gotscheff, da ahnten viele, dass die deutsche Theaterlandschaft nach diesem Verlust eine andere sein würde. Etwas Wesentliches würde fehlen.
Die Stelle, an der einem düster strahlenden Monolithen gleich das Theater stand, das Gotscheff verkörperte, würde für lange Zeit leer bleiben.
Schon als er, aus dem Nichts gleichsam, im Westen
auftauchte und mit seiner ersten Inszenierung, Heiner
Müllers »Quartett«, sofort Aufsehen erregte, war klar,
dass dieser »empfindsame Barbar« aus den bulgarischen Bergen nicht nur von woandersher kam, sondern auch woandershin wollte. Mit einer heutzutage
unüblichen existenziellen Dringlichkeit war er auf der
Suche nach einem anderen Theater. Sie sollte ein Leben lang anhalten und mit jeder neuen Inszenierung
von vorne beginnen.
DIMITER GOTSCHEFF
Dimiter Gotscheff (1943—2013) war einer der bedeutenden Regisseure des deutschsprachigen Theaters. Der Sohn eines bulgarischen
Tierarztes studierte Veterinärmedizin an der Humboldt-Universität
in Berlin. Die Begegnung mit Heiner Müller brachte ihn dazu, Theaterwissenschaft zu studieren. Er arbeitete zunächst in Sofia, wo er
Heiner Müllers »Philoktet« aufführte. Seit 1985 inszenierte er in
Basel, Hannover, Düsseldorf, Hamburg, Bochum, Frankfurt und Wien.
Von 2005 bis zu seinem Tod war er Regisseur am Deutschen Theater
in Berlin. Dort inszenierte er auch »Die Perser«, die das Hamburger
Theater Festival nun im Thalia Theater zeigt.
Das Thalia Theater erinnert zudem mit zwei Abenden an den Regisseur. Am 7. November 2014, 19 Uhr, zeigt es Peter Handkes »Immer
noch Sturm«; am 13. November 2014, 19 Uhr, ist im Thalia
in der Gaußstraße »Leeres Theater. Träume, Witze, Atemzüge« von Heiner Müller zu sehen. Im Anschluss: Essen,
Live-Musik und Gespräche mit Gotscheffs künstlerischen
Weggefährten.
24
In Ostberlin hatten den jungen Gotscheff die Begegnungen
mit Regisseuren wie Benno Besson und Fritz Marquart, tiefgreifender noch die mit dem Dramatiker Heiner Müller geprägt, den
er rückhaltlos bewunderte und bis zuletzt immer wieder inszenierte.
Im Westen aber geriet der bekennende Apokalyptiker mit dem
unzerstörbaren Gefühl für Utopisches und dem anarchischen
Herzen, ein Fremdling mitten in unserer hedonistischen Gegenwartskultur, schnell in die Position des in jeder Hinsicht Anderen.
Anders schon allein seine äußere Erscheinung. Mit seinem tief
zerfurchten Gesicht und der langen grauen Mähne, die seine warmen braunen Augen immer halb verdeckte, mit seinem sonoren,
grollenden Bass, seinem nachlässigen Outfit und stets rauchend
und trinkend gab Gotscheff, den nicht nur seine Freunde Mitko
nannten, selbstironisch das »finstere Balkansubjekt«.
ER GI NG SEI NEN WEG I N DI E ABGRÜNDE
DER GEGENWART.
Unbeeindruckt von den wechselnden Moden und Trends des Theaterbetriebs ging der studierte Veterinärmediziner, der »Agrarmensch«, der seinen »balkanesischen Dschungel nicht vergessen
hat« und der Antike so verpflichtet war wie der Moderne, radikal
und risikobereit seinen ganz eigenen künstlerischen Weg. Einen
Weg, der alles andere als gradlinig war und auch das Scheitern
nicht ausschloss, weil er weiter führen sollte als bis zum nächsten
Erfolg.
Tiefer hinein sollte er führen in die Abgründe der Gegenwart,
tiefer hinunter in die unwegsamen Gelände der menschlichen
Triebnatur, näher heran an die Körper, da, wo sie wirklich lebendig sind, roh und verletzlich. Wörter wie »Wunde« und »Schrei«
klangen bei ihm nicht befremdlich. Er stand mit Leib und Seele
und seinem ganzen schwierigen Leben dafür ein.
25
ER MACHTE DA S T HE ATER ZU EI NEM
ORT DER ERFAHRUNG.
© Iko Freese / Drama Berlin
Jenseits von Psychologie und postmoderner Dekonstruktion arbeitete das »Theatertier« Gotscheff an einer
Theatersprache, die das Elementare, Kreatürliche der
menschlichen Existenz lesbar, mehr noch – erlebbar
macht.
Er dachte nicht daran, den hedonistisch verwöhnten Zuschauer von heute da »abzuholen«, wo er ohnehin schon ist. Er suchte weder das schnelle Einver-
26
nehmen mit ihm noch die erwartbare Gesellschaftskritik. Sein
Theater wollte weder unterhalten noch belehren. Erst die Freisetzung seiner vitalen, subversiven Energien konnte es zu dem
machen, was es sein sollte: zu einem Ort der Erfahrung. Es sollte
enigmatisch sein dürfen und extrem, komisch und wild, apokalyptisch und clownesk, verspielt und tragisch. Und weil es das
alles manchmal zugleich war, vermochte es in Bann zu schlagen.
Gotscheff wollte den passiven Zuschauer herauslösen aus der
Logik der Alltagsrealität, ihn dazu verführen, einzutreten in einen
abgesonderten hermetischen Raum und »das zu berühren, was
der Schauspieler öffnet«. Denn für ihn war Theater immer auch
ein letztes Refugium des Lebendigen. Anders als in der Welt
»draußen« müssen hier Leid, Schmerz und Tod nicht verdrängt
werden. Der Gewalt, dem Rohen und dem Bösen wird ebenso
Raum gegeben wie dem Extremen und dem Tragischen, dem
Schrei ebenso wie dem Schweigen.
»Der Ort der Handlung ist das Theater«, die autonome ästhetische Wirklichkeit der Bühne, ein eigenständiges Universum aus
nichts als Worten, Körpern, Bewegungen, Musik und Licht. Was
in diesem (meist) leeren Raum zählt, ist die intensive und ungeschützte physische Präsenz der Schauspieler, die dem Text, dem
Rhythmus und der Poesie der Sprache einen Körper zu geben vermögen.
Und eben das können die ebenso verrückten wie eigenwilligen Schauspieler, die »Mitko« über Jahre hinweg um sich versammelt hat, in vollendeter Weise. In besonderem Maße gilt das für
die »Kernfamilie« Samuel Finzi, Wolfram Koch, Maria Bendokat
und Almut Zilcher (die auch seine Frau war), aber auch für vorübergehende »Familienmitglieder« – mit »Mitko« waren sie bereit,
weiter zu gehen als sonst, oft bis zum Äußersten. Sie konnten das,
weil er ihnen auf Augenhöhe begegnet ist, ihnen im Probenprozess alle spielerische Freiheit gelassen hat. Es hieß, er sei der einzige Regisseur hierzulande, der seine Schauspieler liebt. Er seinerseits fand, er brauche sie mehr als sie ihn. In jedem Fall aber
mussten alle, die mit ihm gearbeitet haben, durch diese schon
legendären Proben hindurch, die oft aus langem Schweigen, Trinken, Rauchen und Grübeln bestanden, bis die zündende Idee
plötzlich da war – man war eben gemeinsam auf der Suche. »Heimat –«, sagte er, »das ist für mich die Probe.« Ein Privatleben gab
es nicht. Sein Leben war das Theater.
Während der Proben zu den »Persern« im Amphitheater von
Epidaurus (wo er sie 2009 zum zweiten Mal inszenierte) hatte
Gotscheff auf einem kleinen Zettel notiert: »Unser Programm aus
den tiefsten Schichten ist der Mensch, die Gegenwart. Gier ist eine
wesentliche Energie der Bestie Mensch. Wir haben große Lust und
Energie, ihre Erbärmlichkeit zu analysieren« – sein ästhetisches
Programm in drei Sätzen.
In kaum einer Arbeit lässt sich das Einzigartige von Gotscheffs
Kunst klarer erkennen, in keiner ist es so verdichtet und formvollendet zu erleben wie in seiner gefeierten Inszenierung der Aischylos-Tragödie »Die Perser« (bearbeitet von Heiner Müller). Sie ist
2006 am Deutschen Theater Berlin entstanden, 2007 zu einer der
© Iko Freese / Drama Berlin
Kein anderer Regisseur hat die Suche nach der
vom Gang der Dinge bedrohten Substanz des Menschlichen so obsessiv betrieben wie er. Dem Schmerz seiner Figuren hat er mit tiefer Empathie nachgespürt,
ihre Erbärmlichkeit hat er kalt analysiert und schonungslos ausgestellt. Wie seine Geistesverwandten
Artaud, Beckett, Büchner, Tschechow und Heiner Müller war er entschlossen zu zeigen, dass die Wahrheit
zumutbar ist.
Im Theater dieses »Bauchmenschen« verband sich
die immer neue Suche nach einer Sprache der Körper
mit einem ausgeprägten Formwillen, der die biographisch grundierte Spannung zwischen Archaik und
Avantgarde auf einzigartige Weise zu versöhnen verstand. »The last man standing« hat man ihn genannt,
»den Letzten, der künstlerisch noch was bringt«.
Eben diese exzentrische Position hat den notorischen Außenseiter in seinen letzten Jahren zum Regiestar gemacht. Es gab Preise und zahlreiche Einladungen zum Berliner Theatertreffen. Das diesjährige,
eröffnet von seiner letzten Inszenierung »Zement«,
war ihm gewidmet.
»Die Perser« von Aischylos, ältestes Drama
der Weltliteratur; Samuel Finzi spielt den
geschlagenen Xerxes, ein Machtmensch
ohne Hemd. Linke Seite unten: Almut Zilcher
als Xerxes’ Mutter Atossa mit Wolfram Koch
als Perserkönig Dareios, eigentlich schon
im Reich der Toten zu Hause
herausragendsten Inszenierungen des Jahres gewählt
und steht bis heute im Spielplan.
In dieser ältesten der antiken Tragödien erzählt
Aischylos vom Untergang des gewaltigen persischen
Heeres in der Schlacht von Salamis 480 v. Chr., in der
er selbst siegreich auf der griechischen Seite gekämpft
hat. Jetzt aber, acht Jahre nach der Schlacht, spricht er
aus der Sicht des besiegten Feindes. Ein langer Klagegesang, der die unzähligen Toten des Krieges und die
blinde Zerstörung einer ganzen Kultur beschwört.
Gotscheff und seine vier Schauspieler Finzi, Koch,
Zilcher und Bendokat machen aus diesem »organisierten Nervenzusammenbruch« (Durs Grünbein) ein
Sprachkunstwerk von vibrierender körperlicher Intensität und Genauigkeit. Kein Pathos, keine SinnstifDA S UNGEHEUERLICHE , DA S ERBÄRMLICHE DER
BE ST I E MENSCH WI RD SCHONUNGSLOS SE ZI ERT.
tung, keine pazifistische Ideologe. Statt Bedeutungsschwere und Überwältigungsgestus schnörkellose
Leichtigkeit und kalte Lakonie. Das Ungeheuerliche,
die Erbärmlichkeit der Bestie Mensch, seine Machtgier, seine Verblendung und Selbstüberhebung, schonungslos seziert und ihre Folgen konkret benannt.
Und zugleich kunstvoll verwandelt in eine Feier der
suggestiven Kraft der Sprache, die das Entsetzen,
das ganze Grauen erst in unseren Köpfen entstehen
lässt.
Einmal mehr erweisen sich Gotscheff und seine
Schauspieler mit ihrer Lust am Text als geniale »Verkörperer« von Sprache, ihrer Energie, ihrer Musika-
lität, ihres Rhythmus, ihrer Poesie auch da, wo sie sich an Ungeheuerlichem abarbeitet.
Einen nicht geringen Anteil an der Wirkung dieses kleinen
Meisterwerks hat die große, inzwischen berühmte gelbe Wand
des Bühnenkünstlers Mark Lammert.
Gotscheff, von Haus aus ein Verfechter des leeren Raums, fand
zum Glück immer wieder Bühnenkünstler, die seinen Minimalismus mit einem einzigen starken, aber bedeutungsoffenen Zeichen
oder Objekt fokussierten und so auf ebenso konkrete wie subtile
Weise Magie erzeugten. Oft bildeten diese Objekte oder Zeichen
erst den Raum, wie etwa Karin Bracks das ganze Stück hindurch
rieselnder grüner Blätterregen in »Immer noch Sturm« und ihre
Konfetti-Schlangen in »Tartuffe«. Oder sie wurden zu Mitspielern
auf der Bühne, wie Bracks ambulante Nebel in Tschechows »Iwanow« und Mark Lammerts gelbe Wand in den »Persern«.
Am Anfang wird dieses riesige dickwandige Objekt – von
Finzi und Koch in einer Slapstick-Nummer verschoben, gewendet und im Kreis gedreht – zum Auslöser eines Grenzstreits, der
zum Krieg eskaliert, später bildet und verändert es den Raum und
gibt den Schatten der Schauspieler einen magisch leuchtenden
Hintergrund. Mit minimalistischen Mitteln verleiht diese Wand
der Sprache dieser ersten antiken Tragödie der Verblendung einen
fast sakralen Hallraum.
Mit drei sehr verschiedenen Inszenierungen – »Die Perser«,
»Immer noch Sturm« und »Leeres Theater« – sehen wir diesen
großen Regisseur ein Jahr nach seinem Tod noch einmal auf der
Höhe seiner Kunst.
URSULA KELLER
Ursula Keller, promovierte Literaturwissenschaftlerin, Journalistin in Funk
und Fernsehen, Dramaturgin und von 1992—2005 Leiterin des Literaturhauses Hamburg, lebt heute als freie Autorin in Hamburg.
27
»HALLO, WER IST DA? –
I DON’T KNOW«
DIE BURGTHEATER-INSZENIERUNG »ZWISCHENFÄLLE« HAT DEM SCHAUSPIELER PETER SIMONISCHEK
Er habe bei den Proben oft hinter der Bühne gestanden und sich
gefragt, ob das wirklich ein Beruf für Erwachsene ist. Das geht Journalisten genauso.
EINEN HÖLLENSPASS BEREITET:
TEXT_WOLFGANG M ICHAL | FOTOS _BERND UHLIG
M
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Oft ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen ein
Kabel: Hans-Michael Rehberg und Andrea Clausen (links). Aber
wie kriegt man einen Draht zu Peter Simonischek (rechts)?
© Josef Gallauer
ail der Pressestelle des Burgtheaters: Ihr Interview-Termin mit Peter Simonischek ist
am 30. Juni um 11:00 Uhr im Café Landtmann. Ein
Tisch ist reserviert.
Prima, maile ich zurück, dann kann ich die Reise
also buchen? – Ja, können Sie.
Ich buche Hamburg–Wien, 29. Juni, 17:35 Uhr, Supersparpreis (Germanwings). Anreise am Vorabend.
Das ist auf jeden Fall sicherer.
Mail vom Burgtheater: Herr Simonischek muss
wegen schlechten Wetters leider nachdrehen, er fliegt
am 30. nach Bukarest, morgens um 6:00 Uhr. Am 29.
hat er Vorstellung von 18:00 bis 22:45 Uhr (er spielt
den Glagoljew in Tschechows »Platonow«). Wann landen Sie?
Ich überlege. Der Flug hat keine Flex-Option (Supersparpreis).
Mail vom Burgtheater: Herr Simonischek sagt,
wenn Sie am 29. um 22:00 Uhr ins Akademietheater
kämen, hätten Sie während des 5. Aktes eine Stunde
Zeit zum Reden in der Kantine.
Ich denke: Was für eine coole Sau! In der Pause!
Ich maile zurück: So machen wir’s. Über Google Maps
finde ich ein Hotel gleich gegenüber dem Theater.
29. Juni: Ich fahre mit der S-Bahn zum Flughafen
Hamburg (Supersparpreis). Um 17:30 Uhr ist noch
keine Maschine da. Am Desk vor dem Gate wird es
langsam unruhig. Es ist schwül. Um 18:35 Uhr sitzen
alle im Flugzeug.
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Durchsage des Kapitäns: Ich muss Sie leider bitten,
wieder auszusteigen, eins der technischen Systeme
funktioniert nicht. Eine Ersatzmaschine aus Köln ist
unterwegs. Abflug gegen 20:00 Uhr. Wir bekommen
einen Verzehrgutschein, der für ein altes Brötchen und
ein Glas Wasser reicht (Supersparpreis). Auf den Flatscreens spielt gerade Mexiko gegen die Niederlande.
Anruf beim Burgtheater. Keine Verbindung. Die
Spielzeit ist zu Ende. Die Pressefrau ist seit gestern im
Urlaub. Sie schickt aber Simonischeks Telefondaten
per SMS. Der steht jetzt im dritten Akt auf der Bühne
(ohne Handy) und schwitzt. In Wien gewittert es.
Um 21:00 Uhr kann die Maschine in Hamburg
endlich starten, bitte schalten Sie Ihre Mobile Devices
aus …
22:30 Uhr, Wien, Flughafen-Gepäckband. Eine SMS vom
Burgtheater ist da. Bitte kommen Sie nach der Vorstellung in die
Theaterkantine.
Ich suche nach Münzen für die Schnellbahn (denn ich habe die
PIN-Nummer meiner Kreditkarte vergessen). Gleichzeitig versuche ich, Simonischek in der Theaterpause zu erreichen. Es meldet
sich die Pressefrau. Sie ist verärgert, denn sie hat bereits Urlaub.
Wo ist jetzt die Nummer von Simonischek? Ah, hier. Ich schwitze. Es meldet sich eine ältere Dame mit ungarischem Akzent. Ich
wähle noch mal. Wieder meldet sich eine ältere Dame mit ungarischem Akzent.
Ich habe nur elf Euro klein, brauche aber für die Schnellbahn
zwölf (Supersparpreis). Das Wasser tropft mir von der Stirn. Endlich ruft Simonischek zurück. Die ältere Dame mit ungarischem
Akzent ist das ehemalige Kindermädchen und gleichzeitig seine
Anrufbeantworter-Ansage. Da muss man erst mal
drauf kommen!
Simonischek sagt, er sei ziemlich kaputt. Die Hitze! Und morgen müsse er in aller Herrgottsfrühe nach
Bukarest. 46 Drehtage. Ob wir das Gespräch nicht verschieben könnten?
Ich komme auf jeden Fall noch zum Akademietheater, sage ich. Es regnet in Strömen. Ich finde kein Taxi.
Außer meiner PIN-Nummer fehlt mir auch noch ein
Schirm.
Durchnässt erreiche ich das Theater, es ist 23:45
Uhr, im Keller sitzen die Leute in der Kantine, man
kann sie von außen sehen. Ich bin erleichtert. Der Herr
Simonischek, sagt der Pförtner, ist vor zehn Minuten
gegangen.
(Vorhang)
NACHSPIEL
Dienstag, 1. Juli. Wir haben uns für 16:00 Uhr zum Skypen verabredet. Ich skype ihn an, er nimmt aber nicht ab. Ich rufe die ungarische
Kinderfrau an. Er sagt, es hätte bei ihm nicht geklingelt.
Neuer Versuch. Jetzt klappt die Sprech-Verbindung, er kann mich
aber nicht sehen. Er ruft nach seinem 16-jährigen Sohn, ich rufe nach
meinem 16-jährigen Sohn, alle probieren wild durcheinander. Wir
fangen an zu lachen.
Das ist ja wie bei den Zwischenfällen, sage ich. Ja, sagt er, das
könnte man gut verwenden.
Peter Simonischek ist ein Erzkomödiant.
PETER MARIA SIMONISCHEK
1946 in Graz geboren. Soll die Zahnarztpraxis seines Vaters übernehmen,
sieht aber Helmut Lohner als Hamlet und schreibt sich heimlich an der
Grazer Akademie für darstellende Kunst ein. Erste Bühnenerfahrungen in
Bern, Zürich und Darmstadt. 1979 der Quantensprung: Er wird Mitglied des
Berliner Schaubühnen-Ensembles, arbeitet mit Peter Stein, Klaus-Michael
Grüber, Luc Bondy, Andrea Breth und Robert Wilson. 1999 Rückkehr in die
Heimat, ans Wiener Burgtheater. In Salzburg gibt er 100 Mal den »Jedermann«, in Yasmina Rezas Erfolgs-Stück »Kunst« feiert »der Präzisionsschauspieler« (»FAZ«) an der Seite seines Schauspielerfreundes Udo Samel
im Januar 2015 sein 20-jähriges Rollen-Jubiläum. Simonischek ist bekannt
aus zahlreichen Fernseh- und Kinofilmen (»Hierankl«).
»Zwischenfälle« in Bildern. Nicht jeder überlebt, denn es wird
scharf geschossen. Tathergang und Motive erklären sich aus
dem Handlungsablauf oder auch nicht. Verdächtig allemal:
Peter Simonischek mit Markus Meyer (ohne Bewusstsein),
Elisabeth Orth, Peter Simonischek, Corinna Kirchhoff und
Andrea Clausen (mit Tatwaffe) sowie Peter Simonischek mit
Corinna Kirchhoff (rechts)
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31
Linke Seite: »Die Braut, die sich nicht traut.«
Elisabeth Orth, Corinna Kirchhoff und
Johanna Wokalek. Rechts: Andrea Breth
Warum haben Sie Szenen dazuerfunden?
Breth: Allein die Texte von den drei Autoren hätten nicht funktioniert.
Wo haben Sie eingegriffen, damit der Abend
nicht in seine Einzelteile zerfällt?
Breth: Das kann man kaum beantworten. Es hat
mit musikalischem Gefühl zu tun, dem Verbot, langweilig zu werden. Aber an das Publikum denkt man
nie, das Publikum kennen wir ja nicht.
Das Bühnenbild besteht aus Türen und Wänden, die Schauspieler tragen graue Anzüge oder
graue Kostüme, manchmal Koffer. Wo spielt das
»SELBST VER STÄNDLICH HAT EI N
TRAUM EI NE DRAMATURGI E – E S IST
EI NE FRAGE DER MON TAGE .«
»DIE FRAGE IST SO ÜBERFLÜSSIG,
ALS FRAGTE MAN EINEN KOCH,
WIE ER KOCHT«
Die Regisseurin Andrea Breth über ihre Wiener Inszenierung »Zwischenfälle«
Stück? In einem imaginären Hotel, in einem
Büro? Oder ist der Ort die verrückte Welt im
eigenen Kopf?
Breth: Es gibt wesentlich mehr Räume als die von
Ihnen aufgezählten, aber überall befindet sich ein Loch
in der Wand, das der Golfspieler zu Beginn des Abends
in die vierte Wand (sprich: in Richtung Zuschauerraum) schlägt. Das ist der erste Zwischenfall. Es gibt
perspektivische Verrückungen, Traumszenen, Verkleinerungen und Vergrößerungen der Objekte, je nachdem, wie der Blick auf diese verrückte Welt fällt.
In einem Interview haben Sie gesagt, Sie wollten
sich mit der Inszenierung der Dramaturgie des
Traums annähern. Hat ein Traum überhaupt
eine Dramaturgie?
Breth: Selbstverständlich hat ein Traum eine Dramaturgie, es
ist eine Frage der Montage. Die größte Schwierigkeit war die Montage der Variationen über ein Thema, fast alles wiederholt sich drei
Mal, so wie die Geschichten an dem kleinen Esstisch. Auch Musikstücke kommen in verschiedenen Situationen wieder vor.
Wenn Sie der Dramaturgie des Traums folgen – wie muss
man sich dann den Träumer vorstellen? Ist das eher ein
Mensch im entspannten Zustand? Oder einer, den Sorgen
quälen?
Breth: Beides.
Der Blickfang auf der Bühne ist ein großes Loch in der
Wand, dahinter eine weitere Wand mit einem kleineren
Loch. Was hat es mit diesen Löchern auf sich?
Breth: Ein Loch ist ein Loch. Dahinter ist manchmal etwas,
manchmal nichts. Manchmal eine Verheißung, manchmal ein
Wunsch. Oder eine Katastrophe.
Was machen wir hier? Johanna Wokalek, Markus Meyer, Udo Samel, Corinna
Kirchhoff, Roland Koch, Elisabeth Orth, Gerrit Jansen und Andrea Clausen
: I NT E RV I E W _WO LFGAN G M I C H AL | FOTOS_ B ER N D UH LI G
»Die deutsche Bühne« bezeichnete die »Zwischenfälle« als »Sammelsurium von absurden
Kurzdramen und Miniszenen«. Das Wort Sammelsurium meinte ursprünglich ein »saures
Gericht aus gesammelten Speiseresten«. Trifft
diese Beschreibung zu?
Andrea Breth: Bescheidener und genauer würde
ich die Zwischenfälle als Collage bezeichnen.
Sie verknüpfen drei Autoren des frühen 20. Jahrhunderts, zwei französische Farce-Autoren und
32
einen russischen Dadaisten. Warum haben Sie ausgerechnet diese drei ausgewählt?
Breth: Wir haben nicht nur die drei als Vorlage benutzt. Der
Anteil von Courteline und Camis ist nicht sehr groß. Charms interessierte mich am stärksten, da seine Minidramen und Prosatexte nicht nur »Quatsch« sind, sondern auch hochpolitisch. Wir
dürfen nicht vergessen, dass er in der Stalinzeit geschrieben hat
und für seine Kunst von Stalin umgebracht wurde. Dann gibt
es Texte, die ich bei YouTube gefunden habe, und auch Texte
aus Derrick-Filmen, die dazu dienten, die lächerliche Sprache des
deutschen Fernsehkrimis zu Gehör zu bringen, weil sie in absurden Situationen gesprochen wird.
33
England schwimmt nicht weg, denn es ist gut vertäut.
Johanna Wokalek und Udo Samel
Die Welt, eine Bühne.
»T I MI NG IST GANZ WICHT IG. WI R HABEN
MI T DER STOPPUHR GE ARBEI TE T.«
Breth: Den roten Faden – wenn man ihn wirklich
braucht – kann man sich selber zusammenreimen.
Vieles kennt man ja aus dem eigenen Scheitern im
Leben, davon erzählt der Abend viel. Aber es gibt auch
kleine dumme Sehnsüchte, poetische Momente, die
keiner Erklärung bedürfen. Man muss nicht immer
den Zwang haben, alles erklären zu müssen oder zu
wollen.
Physisch ist die Inszenierung ein ungeheurer
Kraftakt: 53 Szenen, 90 Rollen, 10 Schauspieler,
drei Stunden Aberwitz. Trotzdem hat der
Abend etwas Schwereloses. Wie schwer ist es,
leicht zu sein?
Breth: Die Frage ist so überflüssig, als fragte man
einen Koch, wie er kocht.
Entwickeln Sie – im Erarbeiten der Leichtigkeit –
einen ähnlichen Perfektionismus wie Loriot?
Breth: Timing ist ganz wichtig. Wir haben mit der
Stoppuhr gearbeitet. Die Schauspieler hatten bei den
Proben viel Zeit, zu erfinden und zu improvisieren,
aber jetzt ist alles ganz präzise.
Hatten Sie manchmal Zweifel, ob »der Quatsch«
als solcher funktionieren würde?
Breth: Zweifel hat man immer, aber hier musste
man so viel arbeiten, dass zum Zweifeln kaum Zeit
war.
Gab es auch Diskussionen darüber, was mit dem
Abend erreicht werden soll? Oder stellen professionelle Schauspieler solche Fragen nicht?
34
Breth: Schauspieler stellen Gott sei Dank immer Fragen, aber
in diesem speziellen Fall war doch die Freude größer, auszuprobieren und wieder Kind sein zu dürfen.
Die Musik spielt eine wichtige Rolle, sie dient – wie der
Tanz – oft komischen Einlagen. Was unterscheidet die
»Zwischenfälle« vom literarischen Musiktheater, etwa von
den »bunten Abenden« eines Franz Wittenbrink?
Breth: Ein bunter Abend ist es in keiner Weise. Die musikalischen Szenen erzählen eine Geschichte und sind in das Ganze
auch eingebettet. So gibt es einen Ballsaal, in dem die Braut aus
einer der vorangehenden Szenen wieder auftaucht, es gibt einen
Kampf der Eitelkeiten zwischen den Geschlechtern, das ist eine
Hommage an Pina Bausch. Eins kann ich mit Bestimmtheit sagen:
Dieser Abend ist unsere Erfindung.
Nicht wenige Szenen enden ohne Pointe. Als Zuschauer
fragt man dann seine Begleitung: Hast DU das verstanden?
Wie helfen Sie ratlosen Zuschauern über diese SinnSchwelle?
Breth: Für mich stellt sich die Frage nicht, da alle Menschen
unten im Parkett anders reagieren. In Amsterdam oder in Berlin
hat das Publikum auf die Veranstaltung ganz unterschiedlich reagiert, aber merkwürdigerweise haben die Holländer ohne Übertitel alles verstanden und sehr heftige Reaktionen gezeigt.
Sollte man beim Ansehen den Verstand ausschalten?
Breth: Das kann man halten, wie man will. Ich finde es schön
und unterhaltsam, zu denken, aber ich liebe auch den Unsinn im
tiefsten Sinne des Wortes.
ANDREA BRETH
1952 in Rieden bei Füssen geboren. Studium der Literaturwissenschaft in Heidelberg und Regieassistentin am dortigen
Theater. Es folgen die Stationen Bremen, Wiesbaden, Bochum,
Hamburg, Berlin und Zürich. In Freiburg gelingt ihr 1985 der
Durchbruch mit Lorcas »Bernarda Albas Haus«. Ein Jahr
später holt sie Intendant Frank-Patrick Steckel nach Bochum,
wo sie u. a. »Süden« von Julien Green und »Sommer« von Edward Bond inszeniert. Als Künstlerische Leiterin der Berliner
Schaubühne (1992—97) widmet sie sich russischen Autoren
(Gorki, Tschechow). Seit 1999 ist sie Hausregisseurin am Wiener Burgtheater. Sie beherrscht sowohl die kleine Form als
auch die große Oper. Breths Regiestil wird als poetischer Realismus in der Tradition Peter Steins bezeichnet.
Die literarische Reise in antike,
asiatische, biblische Gefi lde. Hier
ist Geschichte große Erzählung –
es ist ein Vergnügen, mit dem
Kopf in den antiken Orient, nach
Indien und Hellas zu fahren, auf
den Spuren von Sinn und Unsinn,
Werten und Vorstellungen.
Hardcover mit Schutzumschlag, 144 Seiten,
Fadenheftung
Pasolini bereiste Indien 1960 und
bestaunte das Land, seine Menschen, die irritierenden Riten,
Religionen und Kulturen. Andreas
Altmann, einer der bekanntesten
Reiseschriftsteller, ist 50 Jahre
später auf Pasolinis Spuren im
heutigen Indien: Zwei ungewöhnliche Autoren – ein außerordentliches Buch.
Ein Geschichts-, ein Geschichtenbuch: Es erzählt von den
Menschen, Märkten und Basaren, von der Schönheit des Goldenen Horns und des Bosporus,
den Sehnsüchten in dieser
einmaligen Metropole – Orhan
Pamuk: »das schönste Buch über
das alte Istanbul«.
Leineneinband mit eingelegtem Schildchen,
192 Seiten mit 45 Fotografien in Duotone
Rüdiger Görners Capriccios
sind poetische Momentaufnahmen, Erkundungen
und Betrachtungen Londons
und seiner Menschen –
querbeet und querstadtein.
Hardcover mit Schutzumschlag, 96 Seiten
mit vielen Fotos im Duotone, Fadenheftung
Hardcover mit Schutzumschlag, 128 Seiten,
Fadenheftung. Mit vielen farbigen Fotos
von Isabela Pacini
Foto von Isabela Pacini
Charms wollte die einzelnen Theaterelemente
aus ihrem traditionellen dramatischen Korsett
befreien, er verweigerte sich dem sinnhaften
Stück und letztlich der Regie. In Charms Vorstellung führen die Schauspieler und die Requisiten Regie. Haben Sie dieses Konzept – der
Werktreue wegen – akzeptiert, oder haben Sie
Charms’ Theaterideen ignoriert?
Breth: Wir haben Charms’ Material genommen
und damit gearbeitet, wir haben kurze Dialogstellen
aus seiner Prosa verwendet und in eigene Situationen
gestellt. Um Werktreue kann und konnte es nicht gehen. Unser Abend ist absurd in seiner Konkretheit.
Jede Szene erzählt einen Zwischenfall, auch deshalb
der Titel der Aufführung.
Gibt es einen roten Faden, eine »Sujetlinie« für
die arrangierten Szenen?
Brauchen wir für den Unsinn denn noch den Ort
des Theaters? Genügt es nicht, abends fernzusehen oder die Zeitung zu lesen?
Breth: Also, ich sehe »meine« Schauspieler lieber
als das Traumschiff oder irgendwelche Talkshows
oder whatever. Unser Abend hat Anmut, Esprit und
wunderbare Unverschämtheit. Zeitungen oder Fernsehabende haben das nicht.
In Wien wurden die »Zwischenfälle« bei der
Premiere bejubelt, manche Kritiker überschlugen sich förmlich vor Begeisterung, doch zum
Berliner Theatertreffen wurde das Stück nicht
eingeladen. Es sei »zu kalt«, hieß es. Haben die
Berliner Juroren keine Ahnung?
Breth: Das müssen Sie die Juroren fragen. Das
Berliner Publikum – wir waren ja in Berlin beim europäischen Theaterfestival – konnte mit dem Abend
sehr viel anfangen.
Nun hat Hamburg das Stück eingeladen. Trockenen Humor gibt’s hier reichlich.
Breth: Wir werden ja erleben, wie das Hamburger
Publikum auf die Inszenierung reagieren wird. Ich
freue mich schon auf die Begegnung.
Die Feuilletons waren davon angetan, dass sich
»die Tragödienregisseurin« Breth endlich mal
der kleinen Form angenommen hat. Werden Sie
nun häufiger solche Abende inszenieren, oder
war das ein einmaliger Ausflug, eine Art Zwischenfall?
Breth: Bestimmte Dinge kann man nicht wiederholen. Ob es ein einmaliger Ausflug war, kann ich
noch nicht sagen. Im Moment stehen viele andere
Dinge an.
Sie befinden sich gerade in Griechenland.
Spannen Sie dort aus, oder bereiten Sie etwas
vor? Eine griechische Tragödie vielleicht?
Breth: Ich bereite vieles vor, aber keine griechischen Tragödien, sondern Opern.
Mit unseren Büchern präsentieren wir Geschichten über Land und
Leute, Leben, Lust und Leidenschaften, machen Station in
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35
Eine zierliche Person und eine
große Tragödin. Fast unbewegt
und bewegend, umhüllt und geblendet von einer Lichtsäule spielt
Kathleen Morgeneyer Schillers
»Die Jungfrau von Orleans«.
:TEXT_EM ANUEL ECKARDT | FOTOS_ARN O DECLAIR
E
BEKENNTNISSE
EINER
LICHTGESTALT
SIE STEHT ALS SCHILLERS JUNGFRAU VON ORLEANS
Kathleen Morgeneyer, ein Bauernmädchen im Krieg, anrührend, verstörend, grausam.
Michael Thalheimers Regie richtet den Scheinwerfer
auf eine schreckliche Heilige.
AUF DER BÜHNE,
36
in Café in Berlin-Kreuzberg. Kathleen Morgeneyer erzählt vom vergangenen Sommer, von
den Proben zur »Jungfrau von Orleans« bei den Salzburger Festspielen. »Es war echt heftig. Das Stück dauert mehr als zwei Stunden, in denen ich allein im
Scheinwerferlicht stehe, geblendet, ohne zu sehen,
was um mich her geschieht, ohne zu wissen, was die
anderen denken oder fühlen. Nach der Probe bin ich
immer sofort nach Hause geeilt. Meine Tochter war
gerade zwei Monate alt, ich habe ja noch gestillt. Ich
habe in zwei Parallelwelten gelebt und nicht mitgekriegt, was vor und nach den Proben lief.«
Und dann Schiller, dieses schimmernde Sprachgebäude, den Riesentext zu lernen, den Klang der
Verse, diese Figur mit Leben zu füllen, was für ein
Akt! »Johanna« ist ein starkes Stück, die Geschichte
der Jungfrau, die in Gottes Namen gegen Frankreichs
Feinde zu Felde zieht, gesteuert von einer höheren
Macht, angehimmelt, verraten, alleingelassen, verurteilt, im Alter von 19 Jahren auf dem Scheiterhaufen
verbrannt im Namen der Kirche, die sie 1920 heilig
sprach. Sie tat ja nur, was der Himmel ihr befahl.
Kathleen Morgeneyer hat die Prozessakten des Jahres 1431 gelesen, das Verhör der Inquisition ist Wort
für Wort überliefert. »Die Fragen waren klug, sie stand
ja Wissenschaftlern gegenüber. Und sie hat wahnsinnig schlau geantwortet. Nein, eine naive Bauerstochter war sie nicht.« Sie hat sich Carl Theodor Dreyers
»Passion der Jungfrau von Orleans« auf YouTube angesehen, den französischen Stummfilm aus dem Jahr
1928, ein Meisterwerk. »Da habe ich eine Vorstellung
davon bekommen, wie diese Fragen auf sie gewirkt haben müssen, was für eine Frau sie war.«
In Michael Thalheimers Regie steht die Bühnenfigur in einer Lichtsäule; der Strahl kommt von oben,
direkt vom Himmel. Sie ist darin gefangen. Das Leben
zieht wie ein düsterer Traum an ihr vorüber, Stimmen
schreien den Schrecken des Krieges heraus, blutverschmierte Gestalten treten aus dem Dunkel, geharnischte Krieger, ihr König (gespielt von Christoph
Franken), seine Geliebte (Meike Droste), seine Mutter
(Almut Zilcher). Johanna, die Lichtgestalt in der Nacht
des Hundertjährigen Krieges, eine Wahnsinnige im
weißen, bald blutbefleckten Büßerhemd mit schrecklich grollender Ganzkörperstimme, unangreifbar, solange sie das Schwert in Händen hält.
»Ich will mit dieser Stimme zeigen, wie der Wahnsinn über sie kommt, der sie zur Heerführerin, zur
KATHLEEN M ORGENEY ER
1977 in Erlabrunn im Erzgebirge geboren und in Chemnitz aufgewachsen.
Der Vater war Ingenieur, die Mutter Berufsschullehrerin für Blinde und Körperbehinderte. Nach ihrer Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« in Berlin war sie Ensemblemitglied im Düsseldorfer
Schauspielhaus, am Schauspiel Frankfurt und seit 2006 im Deutschen Theater Berlin. Sie arbeitete mit den Regisseuren Jürgen Gosch, Karin Henkel,
Robert Schuster, Stephan Kimmig, Michael Thalheimer und Roland Schimmelpfennig. Für ihre Darstellung der Nina in Tschechows »Möwe« am
Deutschen Theater Berlin erhielt sie 2009 den Alfred-Kerr-Preis. Das Stück
unter der Regie von Jürgen Gosch wurde 2012 beim Hamburger Theater
Festival gezeigt.
Kriegsmaschine, zur Zerstörerin macht«, erklärt die Schauspielerin. »Sie kann nicht mehr zurück, sie tötet. Sie wird nicht zum Instrument, sie macht sich zum Instrument, und in der radikalen
Hinwendung zur Gewalt zeigt sie ihre Unabhängigkeit und Stärke. Ob Johanna wirklich getötet hat, weiß ich nicht. Sie sagt im
Prozess, sie habe kein Schwert in die Hand genommen. Bei uns
tötet sie, Schiller beschreibt Johannas Kriegsführung als höchst
brutal und unerbittlich. Aber da ist auch die Sehnsucht nach
Menschlichkeit. In dem Moment, wo sie Lionel, dem Heerführer der Engländer (Alexander Khuon) ins Auge blickt, wird sie
schwach. Sie kann nicht mehr töten, verliert ihre Kraft, ein Versagen vor Gott.
Am Ende nimmt ihr der schwarze Ritter (Markus Graf) das
Schwert aus der Hand, zieht nüchtern Bilanz: »Die einzige Ausbeute, die wir aus dem Kampf des Lebens wegtragen, ist die Einsicht in das Nichts und herzliche Verachtung alles dessen, was
uns erhaben schien und wünschenswert.«
»Das ist für mich eine der tiefsten Stellen im Stück«, sagt
Kathleen Morgeneyer. »Allein deshalb lohnt es sich, es immer
wieder aufzuführen. Zu erkennen, was es heißt, wenn Ideale zusammenbrechen und man sich nur auf diesen einen Moment besinnen kann, in dem man lebt und atmet.«
EMANUEL ECKARDT
Der ehemalige »Stern«-Reporter und Egon-Erwin-Kisch-Preisträger war
Mitglied der Chefredaktionen von »Geo« und »Merian« und schreibt seit
2012 für das Magazin des Hamburger Theater Festivals. Er ist verantwortlich für die Redaktion dieses Heftes.
37
DEPONIE UND POESIE
MIT »TAUBERBACH« INSZENIERT DER BELGISCHE CHOREOGRAPH ALAIN PLATEL EINEN EINZIGARTIGEN,
RADIKAL POETISCHEN BÜHNENZAUBER aus Müll, Schauspiel, Tanz und Musik und schreibt Theater-
geschichte. Ein Gastspiel der Münchner Kammerspiele.
zu Leipzig aufführen ließ. Diese verstörend irritierende, tief berührende Musik hat Platel in sein Stück integriert.
»Tauberbach« wurde in den Münchner Kammerspielen und am NT Gent gefeiert. Die 54-jährige Schauspielerin Elsie de Brauw leistet Ungeheuerliches im
Wirbel dieser anarchisch-ekstatischen Anti-Revue um
Leben, Liebe und Tod, äußert weise und dann wieder
verwirrt ihre Sicht der Welt in englisch und brasilianisch klingenden Wortfetzen. »I do not agree with
life!«, sagt sie und wandelt umher in der Kakophonie
der Klänge, die zu einem Summen werden, das Sirren
der Mücken über dem Müll, das sich in die Ansagen
eines Börsianers wandelt. Und in all diesem Dreck
philosophiert Estamira: »Die Menschen sollten achtgeben auf das, was sie benutzen. Dinge bewahren heißt,
sie zu schützen, zu waschen, zu reinigen und so viel
wie möglich zu nutzen. Denn ohne sie zu sein ist
schrecklich.«
Platel sucht die Schönheit im Hässlichen, die Tänzer sind Wesen ohne Bewusstsein für das Böse, handeln intuitiv, neugierig, feiern das Leben, das Ende
und den Anfang der Welt. Wie bei Pina Bausch gelingt
Platel die Verschmelzung von Schauspiel und Tanz,
aber in einer ganz elementaren Weltsicht. Die Sprache
der großartigen Tänzer Bérengère Bodin, Lisi Estaras,
Ross McCormack, Elie Tass und Romeu Runa kommt
direkt zur Sache, zeigt den Überlebenskampf in elektrisch aufgeladener Bewegung, zeigt gierigen Sex und
zärtliche Berührung, rohe Gewalt, Schrecken und
Angst.
Platel verlangt viel. »Ich will, dass das Publikum
die Tänzer ›mit nach Hause‹ nimmt in sein Leben und
sie lieb gewinnt. Theater hat für mich mit der physischen Präsenz von Menschen zu tun, die ihre Bestes
zeigen und es mit mir teilen. Wenn ich ins Theater gehe, möchte
ich ins Herz getroffen werden«, sagte er im Gespräch mit Renate
Klett, der Theater- und Tanzkritikerin, die ihn in ihrem Interviewband »Nahaufnahme Alain Platel« befragte und zu der Erkenntnis kam: »Platels Universum aus Dreck und Glorie lässt sich
nicht nacherzählen, nur erleben. Es braucht das Klima, die Musik,
den Schweiß, braucht Augen, randvoll mit Tanz und Verzweiflung, oder jemanden, der auf einem Geländer sitzt und einen
Apfel isst.«
ALAIN PLATEL
Alain Platel, 1959 in Gent geboren, Choreograph, Theaterregisseur und
studierter Psychologe, gründete 1984 die Tanzcompagnie Les Ballets C de
la B (Les Ballets Contemporains de la Belgique). 2004 erhielt er den Europäischen Theaterpreis für sein Lebenswerk; seit 2006 ist er Mitglied der
Akademie der Künste in Berlin. Er arbeitete zeitweise als Orthopädagoge
in einem Krankenhaus für behinderte Kinder. »Tauberbach« ist eine Koproduktion der Compagnie Les Ballets C de la B, der Münchner Kammerspiele und des NT Gent und wurde auch zum diesjährigen Theatertreffen
nach Berlin eingeladen. Das Gastspiel in Hamburg ist ein Gemeinschaftsprojekt des Hamburger Theater Festivals mit Kampnagel und wird gefördert von der »Zeit«-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
:T E XT _E M A NU E L EC KAR DT | FOTOS_ JULI AN R Ö D ER
W
o nimmt er das her? Diese phantastischen
Bilder, diese Idee, aus einer Müllhalde einen Wald von Füßen wachsen zu lassen, den Einfall,
dieses absurde Motiv mit Johann Sebastian Bachs
Musik und dem Gesang und Geschrei eines gehörlosen Chores zu verzaubern? Wie kann es gelingen, das
Thema Menschenwürde in der Figur einer schizophrenen Frau zu erzählen, die im Dreck lebt? Alain Platel,
der belgische Regisseur, Freiheitskämpfer für neue,
sinnliche Erfahrungen im Theater räumt die Barrikaden der Genres beiseite, verquirlt Sprache, Musik und
Bewegung zu einer Darstellungsform, die er »Bastardtanz« nennt, »das sind Bewegungen, die entstehen,
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wenn die Performer in jenen Teil ihres Kopfes kriechen, in den die
Zivilisation noch nicht vorgedrungen ist«.
Zehn Jahre lang hat sich Platel mit der Stoffsammlung und
Konzeption für »Tauberbach« beschäftigt, angeregt von der Dokumentation »Estamira« des brasilianischen Filmemachers Marcos
Prado über eine 63-jährige schizophrene Frau, die zwanzig Jahre
lang auf der Müllhalde von Jardim Gramacho bei Rio de Janeiro
lebte. Sie kam in psychiatrische Behandlung – und brach sie immer wieder ab, um dorthin zurückzukehren, wo sie sich frei und
zu Hause fühlte.
Der Titel »Tauberbach« ist dem Projekt »Tauber Bach« des polnischen Video-Künstlers Artur Zmijewski entlehnt, der Johann
Sebastian Bachs Chorgesang von Gehörlosen in der Thomaskirche
Impressionen eines Bühnenereignisses.
Regie und Konzept: Alain Platel, der auch
das Bühnenbild entwarf. Immer in Bewegung: Die niederländische Schauspielerin
Elsie de Brauw und die Tänzer und Tänzerinnen Bérengère Bodin, Lisis Estaram,
Ross McCormack, Elie Tass und Romeu
Runa
39
DAS PROGRAMM
: A ISCHYLOS, Ü BERSETZUNG VON HEINER MÜLLER, NACH EIN ER ÜB E RT RAG UNG
VON PETER W ITZ MANN
DIE PER SER
Fr., 10. Oktober 2014
Beginn 20 Uhr
Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde 25 Minuten, keine Pause
Im Thalia Theater, Alstertor, 20095 Hamburg
Eine Produktion des Burgtheaters Wien
: SZE N E N VON CO URT E LI NE , CA M I , CHA RM S
ZWISCHENFÄLLE
So., 19. Oktober 2014
Mo., 20. Oktober 2014
Beginn jeweils um 19 Uhr
Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden 15 Minuten, eine Pause
Im Deutschen Schauspielhaus, Kirchenallee 39,
20099 Hamburg
Eine Produktion des Deutschen Theaters Berlin
und der Salzburger Festspiele 2013
Eine Kooperation mit Kampnagel
Eine Produktion des Deutschen Theaters Berlin
Eine Produktion des Burgtheaters Wien
»Dieser Abend ist ein Fest genialer
Schauspieler« SÜDDEUTSCHE
ZEITUNG
»Ein kluger, großer, unverzichtbarer
Abend.« DER STANDARD
»Die letzten Zeugen« ist ein eindringliches (Theater-)Dokument, wie wir es
wohl nie wieder werden sehen können.
Nach der Vorstellung finden im Schauspielhaus drei moderierte Fragerunden
mit den Zeugen statt.
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»Die konzentriert und schnörkellos inszenierte Collage […] gab auch neuen
Mut. Denn die Überlebenden, so verschieden ihre Biografien sich entwickelt
haben, sind alle starke Persönlichkeiten
voller Beharrlichkeit, die ein Wunsch
eint […]: künftigen Generationen vermitteln, wie es war. […] Diese Geschichten, die 1938 begannen und bis in die
unmittelbare Nachkriegszeit führten,
bekamen in der dramatischen Einrichtung von Hartmann ungeheure Intensität.« DIE PRESSE
»Da sitzen […] ein paar der allerletzten
Überlebenden des Holocaust und führen
uns vor, wie wichtig Erinnern ist. Und
wie schnell es mit dem Vergessen gehen
kann, wenn man nicht achtgibt.«
DIEPRESSE.COM
»Die Schlichtheit dieser Inszenierung
lässt die Wucht des Erzählten voll zur
Geltung kommen.«
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
»Selten erlebt man einen vollen Theaterraum so konzentriert.« FALTER
Mit den Zeitzeugen Lucia Heilmann,
Vilma Neuwirth, Suzanne-Lucienne
Rabinovici, Marko Feingold, Rudolf
Gelbard, Ari Rath und den Schauspielern Mavie Hörbiger, Dörte Lyssewski,
Peter Knaack, Daniel Sträßer
Einrichtung: Matthias Hartmann
Bühne: Volker Hintermeier
Kostüme: Lejla Ganic
Licht: Peter Bandl
Video: Moritz Grewenig, Anna
Bertsch, Florian Gruber, Markus Lubej
Dramaturgie: Andreas Erdmann
480 v. Chr. verloren die Perser in der
Schlacht bei Salamis gegen die ihnen
zahlenmäßig weit unterlegenen Griechen. Acht Jahre später schrieb Aischylos die älteste überlieferte Tragödie der
Weltliteratur. Ein Grieche spricht zu
Griechen, als wäre er ein Perser, und
stellt nicht den Sieg, sondern die Katastrophe der Niederlage dar. In Botenberichten, Litaneien, Dialogen und Erklärungen rückt etwas Verborgenes,
in dunklen Ahnungen und Befürchtungen sich Abzeichnendes immer
stärker ins Sichtbare. Die Erkenntnis
der Niederlage fügt sich zu einem einzigen langen Schrei.
»Dimiter Gotscheffs schnörkellose Inszenierung mit dem virtuosen Darstellerquartett macht aus der Tragödie ein
lichtes Kinderspiel über Werden und
Vergehen; aus dem Kinderspiel aber einen giftigen Abgrund, in dem mehr als
eine Flotte versinken kann, heute nicht
weniger als gestern.« FAZ
»Gotscheffs ›Perser‹-Arbeit ist ein großes
Kunstwerk, eine ungemein zwingende
Verdichtung, ein Abend von kompromissloser Härte, Klarheit und Schönheit« TIP
»Die Klugheit der gesamten Anlage, die
Intensität des Spiels – kein anderes Theater und kein anderes Stück hat seither
diese Qualität erreicht.«
TAGESSPIEGEL
Samuel Finzi: Xerxes, Bote
Wolfram Koch: Schatten des Dareios,
Bote
Margit Bendokat: Chor
Almut Zilcher: Atossa
Regie: Dimiter Gotscheff
Bühne und Kostüme: Mark Lammert
Dramaturgie: Bettina Schültke
© Bernd Uhlig
»Die Aufführung ist von einem atemberaubenden Reichtum an Einfällen …«
DIE PRESSE
© Iko Freese / Drama Berlin
© Reinhard Werner / Burgtheater
»Erschütternd, wachrüttelnd, aber auch
berührend« KRONEN ZEITUNG
Sie sind die Letzten. Wie lange werden
wir noch Überlebende befragen können, wie lange ihnen noch zuhören
dürfen? Sie treten auf und sprechen,
um zu erzählen, wie sie der Vernichtung knapp entkamen.
75 Jahre nach dem Novemberpogrom
1938 kommen in dieser Produktion,
die am 20. Oktober 2013 zum ersten
Mal in Wien gezeigt wurde, sieben
Zeitzeugen mit ihren Texten zu Wort.
Sechs Überlebende des Holocaust sitzen schweigend hinter einem durchsichtigen Vorhang auf der Bühne,
ihre nur scheinbar regungslosen Gesichter werden auf die Leinwand projiziert. Vier jüngere Schauspieler lesen
deren Lebens- und Leidensgeschichten
vor. Die beeindruckenden Frauen und
Männer sind zwischen 82 und 101 Jahre
alt und erhalten hier eine der letzten
Möglichkeiten, selber öffentlich zu
Wort zu kommen – ein Stück lebende
Geschichte, die nicht vergessen werden
darf!
: F RI E D RI CH SCHI LLE R
DIE JUNGFRAU VON ORLE ANS
Do., 30. Oktober 2014
Fr., 31. Oktober 2014
Beginn jeweils um 20 Uhr
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden 10 Minuten, keine Pause
Auf Kampnagel, K6, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg
Andrea Breth bringt mit »Zwischenfälle« über fünfzig verschiedene Fragmente aus unterschiedlichen Textvorlagen zusammen. Kurzszenen und
Improvisationen zu Prosaminiaturen
der Autoren Daniil Charms, Georges
Courteline und Pierre Henri Cami ergeben ein Panorama der unterschiedlichsten Zwischenfälle, in denen zehn
Darsteller in beinahe neunzig Rollen
aufeinandertreffen.
Amüsant, musikalisch und auf ungewöhnliche Art gehen sie den Fragen
des Alltags nach. Was hat es zu bedeuten, dass zwei Menschen gleichzeitig
von einem Dach fallen? – Ist es nicht
eigentlich eine Zumutung, dass man
jeden Morgen pünktlich im Büro zu erscheinen hat? – Lässt sich der persönliche Glaube auf einer Waage messen? –
Besteht die Gefahr, dass die britische
Insel in den Ozean hinaustreibt?
»Mich interessiert nur der ›Quatsch‹:
nur das, was keinerlei praktischen Sinn
hat; mich interessiert das Leben nur in
seiner unsinnigen Erscheinung«, bekannte der russische Avantgardist Daniil Charms. Brüder im Geiste sind die
französischen Farcenautoren Georges
Courteline und Pierre Henri Cami.
»Andrea Breth inszeniert […] eine Weltkomödie in Splittern und Brüchen. Daraus wird das Witzwunder der Saison.
Mit überwältigenden Schauspielern.«
FAZ
»Gewiss handelt es sich bei den Wiener
›Zwischenfällen‹ auch um ideales
Schauspielerfutter. Wo sonst dürfen Mimen alles zeigen, was sie können? Doch
überschreitet die Aufführung keineswegs die Grenze zu Klamauk und
Schmiere. Das verdankt sich Präzision
und Perfektion, in dieser Fülle kaum je
zu bestaunen. Andrea Breth gelang eine
Hymne an den Zauber, an die Unvergänglichkeit des Theaters: eine Reise um
die Welt in 180 Minuten.« DIE WELT
»Das gesamte Ensemble arbeitet unglaublich präzise, es bereitet stundenlange Freude zuzuschauen.«
NACHTKRITIK
Mit: Andrea Clausen, Corinna Kirchhoff, Elisabeth Orth, Johanna Wokalek,
Daniel Sträßer, Roland Koch, Markus
Meyer, Hans-Michael Rehberg, Udo
Samel, Peter Simonischek
Orchester: Lenny Dickson,
Otmar Klein, Raphael Preuschl
Andreas Radovan, Aaron Wonesch
Stuntman: Tom Hanslmaier
Regie: Andrea Breth
Bühnenbild: Martin Zehetgruber
Kostüme: Moidele Bickel
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Wolfgang Wiens
Sounddesign: Alexander Nefzger
Produktionsleitung: Constanze Albert
Requisite: Angelika König
© Arno Declair
: EI N PROJ E KT VO N D O RO N RABIN OVI C I U N D MATTH I AS H ARTM AN N
DIE LETZTEN ZEUGEN
So., 28. September 2014
Beginn 19 Uhr
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden, anschließend moderierte Gespräche
Im Deutschen Schauspielhaus, Kirchenallee 39, 20099 Hamburg
Gegen Ende des Hundertjährigen Krieges scheint Frankreichs Lage aussichtslos, die Engländer sind auf dem Vormarsch. Da verkündet Johanna, die
Tochter eines lothringischen Landmanns, die Rettung des Vaterlandes
durch eine reine Jungfrau – sie selbst sei
dazu von göttlichen Stimmen berufen.
Und tatsächlich: Die behelmte Jungfrau
führt eine verloren geglaubte Schlacht
zum Sieg! Johanna wird an die Spitze
des königlichen Heeres gestellt. Als sie
aber auf dem Schlachtfeld auf Lionel,
einen englischen Heerführer, trifft, ist
sie nicht fähig, ihn zu töten – ihr Abstieg beginnt …
»Das ist ganz große Schauspielkunst.«
SÜDKURIER
»Der Regisseur hat das Stück auf den
Kern reduziert, ganz auf Johanna zugeschnitten, die Hirtentochter mit dem
göttlichen Kampfauftrag. Ein kluges,
eindringliches Destillat.«
MÜNCHNER MERKUR
Kathleen Morgeneyer: Johanna
Alexander Khuon: Lionel, englischer
Anführer
Michael Gerber: Thibaut d’Arc
Christoph Franken: Karl der Siebente,
König von Frankreich
Meike Droste: Agnes Sorel,
seine Geliebte
Andreas Döhler: Graf Dunois,
Bastard von Orleans
Henning Vogt: Du Chatel,
königlicher Offizier
Jürgen Huth: La Hire, königlicher
Offizier
Almut Zilcher: Königin Isabeau,
Karls Mutter
Peter Moltzen: Philipp der Gute,
Herzog von Burgund
Markus Graf: Talbot, Feldherr der
Engländer
Regie: Michael Thalheimer
Bühnenbild: Olaf Altmann
Kostüme: Nehle Balkhausen
Musik: Bert Wrede
Dramaturgie: Sonja Anders
»Die junge Kathleen Morgeneyer hat ein
unendliches Repertoire an Gesichtern
und Stimmfarben […]. Sie anschauen zu
dürfen, das ist ein großes Glück.«
FRANKFURTER ALLGEMEINE
SONNTAGSZEITUNG
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DAS PROGRAMM
: EI N ST Ü C K VO N FA MIL I E F LÖZ
INFINI TA
Sa., 1. November 2014
Beginn 20 Uhr
Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
Auf Kampnagel, K6, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg
Eine Produktion von Familie Flöz, Berlin,
Admiralspalast und Theaterhaus Stuttgart
Eine Kooperation mit Kampnagel
: A LA I N P LAT E L
TAUBERBACH
Fr., 28. November 2014, Sa., 29. November 2014, So., 30. November 2014
Beginn jeweils 20 Uhr
Auf Kampnagel, K6, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg
Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
Eine Koproduktion von Les Ballets C de la B, Münchner Kammerspiele und
NT Gent zusammen mit Theatre National de Chaillot (Paris), Opéra Lille,
KVS Brüssel, Torinodanza und La Batie, Genf. Mit Unterstützung der
Flämischen Regierung, der Stadt Gent, Provinz Ostflandern.
: LOT V E KE M A N S
GIF T
In einer Übersetzung von Eva Pieper und Alexandra Schmiedebach
Di., 11. November 2014
Mi., 12. November 2014
Beginn jeweils um 20 Uhr
Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
Im St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29–30, 20359 Hamburg
: CARLO GOLDONI
DER DIENER ZWEIER HERREN
Deutsche Fassung von Werner Buhss, für das Schauspielhaus Zürich
bearbeitet von Barbara Frey und Thomas Jonigk
Mi., 5. November 2014
Do., 6. November 2014
Beginn jeweils um 20 Uhr
Aufführungsdauer ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
Im Thalia Theater, Alstertor, 20095 Hamburg
Eine Produktion des Deutschen Theaters Berlin
Eine Produktion des Schauspielhauses Zürich
Die ersten und letzten Momente im
Spiel um Leben und Tod, die Zeit, in
der die großen Wunder geschehen:
»Infinita« ist ein physisches Mosaik des
Lebens, einfach, genial und virtuos
komponiert.
Das Leben selbst spielt hier die
Hauptrolle, seine kreative Kraft, die
uns scheitern und triumphieren lässt.
Erleben Sie eine Inszenierung, die sich
in temporeicher und komödiantischer
Szenenfolge dem Werden und Vergehen menschlicher Existenzen und ihrer
zusammenfließenden Lebenslinien annimmt. Obwohl die Inszenierung ohne
das gesprochene Wort auskommt, versteht man beglückt jede Regung und
jede Handlung. Familie Flöz aus Berlin
wird national und international regelmäßig begeistert gefeiert.
»Das Publikum quiekt vor Begeisterung,
es trampelt mit den Füßen und steht am
Ende von den Stühlen auf, als wolle es
sich für ein Geschenk bedanken. Theater
kann großartig sein.«
BERLINER ZEITUNG
»Eines der ungewöhnlichsten Theaterprojekte unserer Zeiten.«
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
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»Ohne Worte und doch so ausdrucksstark, ergreifend und doch voller Freude,
das ist eine meisterhafte Komödie. «
THE GUARDIAN (UK)
»So simpel und klar kann Theater sein –
und so bewegend.« DPA
Ein Stück von und mit
Björn Leese
Benjamin Reber
Hajo Schüler
Michael Vogel
Regie: Michael Vogel, Hajo Schüler
Masken: Hajo Schüler
Bühne: Michael Ottopal
Kostüm: Eliseu R. Weide
Sound Design: Dirk Schröder
Lichtgestaltung: Reinhard Hubert
Animation, Video: Silke Meyer
Video: Andreas Dihm
Produktionsleitung: Pierre Yves Bazin
Als Diener zweier Herren erhofft sich
Truffaldino doppelte Bezahlung für
halbierte Leistung. Aber die Rechnung
geht nicht auf: Statt heimlich für zwei
Herren zu arbeiten und Essen für vier
zu erhalten, bezieht er ein Vielfaches an
Prügel, egal wie sehr er auf alles achtet.
Das Einmaleins der turbulenten Komödie folgt nicht den Regeln der Logik,
sondern denen maximaler Komik – nur
für Truffaldino selbst gibt es nichts zu
lachen. Jede knapp umschiffte Klippe
leitet nur die nächste Katastrophe
ein …
Goldonis Personal entstammt der
Commedia dell’Arte und erinnert doch
an Komiker wie Buster Keaton, Charlie
Chaplin oder Bill Murray. Über diese
traurigen Clowns schlägt die Inszenierung mühelos den Bogen zur Gegenwart.
»Barbara Frey liest Goldonis ›Diener
zweier Herren‹ neu. Und bedient dabei
Kopf und Bauch des Zuschauers.«
TAGES -ANZEIGER
»Ein einziges Augenzwinkern voller
Witz, Ironie und Charme.« NZZ
»›Der Diener zweier Herren‹ ist Schauspielerfutter vom Feinsten und eine
Schlachtplatte des höheren Klamauks.«
FAZ
Michael Maertens: Truffaldino
Robert Hunger-Bühler: Pantalone de
Bisognosi
Marie Rosa Tietjen: Clarice, seine
Tochter
Lambert Hamel: Dottore Lombardi
Christian Baumbach: Silvio, sein Sohn
Carolin Conrad: Beatrice Rasponi
Thomas Loibl: Florindo Aretusi
Friederike Wagner: Smeraldina
Gottfried Breitfuss: Brighella
Johannes Sima: Tottino
Regie: Barbara Frey
Bühne: Bettina Meyer
Kostüme: Esther Geremus
Licht: Rainer Küng
Dramaturgie: Thomas Jonigk
Regieassistenz: Kateryna Sokolova
Bühnenbildassistenz: Dominik
Freynschlag
Kostümassistenz: Mitra Karimi
Souffleuse: Gabriele Seifert
Inspizienz: Aleksandar Sascha
Dinevski
© Julian Röder
© Arno Declair
© Simona Fossi
© Matthias Horn
Ein Gemeinschaftsprojekt des Hamburger Theater Festivals mit Kampnagel
Ein Friedhof, zwei Menschen. Eine gemeinsame Vergangenheit, ein gemeinsamer Verlust und zehn Jahre Trennung, Schweigen. Weil das Grab ihres
Sohnes verlegt werden muss, treffen
»Sie« und »Er« wieder aufeinander. Die
Frau und der Mann betrachten ihr gemeinsames Leben, das eines Silvesterabends auseinanderging. Was ist aus
ihr und was aus ihm geworden? Wer
hat sich was vorzuwerfen? Zwischen
Abrechnung und Annäherung, Trost
und Trauer, Zärtlichkeit und Härte
oszillieren die Szenen dieser Wiederbegegnung.
»Das Tolle an diesem Dialogstück ist,
dass es en passant nicht nur viele Wahrheiten ausspricht, sondern diese auch
fühlbar werden lässt.« TAZ
»Grandioses Schauspielertheater, das
sich in schwierigste Gefilde wagt und
keinen Augenblick an sich selbst zweifelt.« BERLINER ZEITUNG
»Mit Verlegenheit, Verletzbarkeit,
Wut, aber auch Zärtlichkeit fluten die
Darsteller den unwirtlichen Raum.
Gut dosiert, perfekt getimt und mit
einer Wärme, die kein Pathos braucht.«
BERLINER MORGENPOST
Dagmar Manzel: Sie
Ulrich Matthes: Er
Regie: Christian Swochow
Bühne: Anne Ehrlich
Kostüme: Pauline Hüners
Dramaturgie: John von Düffel
Licht: Heimhart von Bültzingslöwen
Eine Frau lebt auf einer Müllhalde. Zu
überleben und dabei die menschliche
Würde nicht zu verlieren ist ein zentrales Thema dieser internationalen
Theater-, Tanz- und Musikproduktion
des belgischen Choreographen und
Theaterregisseurs Alain Platel. Inspiriert von einem Dokumentarfilm über
eine schizophrene Brasilianerin und
dem Projekt »Tauber Bach«, in dem Gehörlose Bachkantaten singen, bringt
Platel eine packende Collage aus verschiedenen Künsten auf die große Theaterbühne, deren Kraft man sich nicht
entziehen kann.
»Alain Platel und seiner Compagnie ›Les
Ballets C de la B‹ ist ein glänzender
Abend gelungen, intellektuell, zugleich
sehr sinnlich, […] und immer wieder […]
direkt an Herz und Nieren gehend.« FAZ
»Frenetischer Beifall für eine außergewöhnliche Aufführung. […] Ergreifend
und berührend. Ein großer Abend.«
ABENDZEITUNG
»Wie ein Sonnenstrahl durchbricht der
Humor hier gelegentlich das Grau unserer Existenz. Alain Platel ist wirklich auf
seine Art ein Magier.« LES ECHOS
Von und mit
Bérengère Bodin
Elsie de Brauw
Lisi Estaras
Ross McCormack
Elie Tass
Romeu Runa
Regie und Konzept: Alain Platel
Bühne: Alain Platel, Les ballets C de la B
Kostüme: Teresa Vergho
Musikalische Konzeption: Steven
Prengels
Sounddesign: Bart Uyttersprot
Licht: Carlo Bourguignon
Dramaturgie: Koen Tachelet, Hildegard
de Vuyst
Diese Produktion wird gefördert von
der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd
Bucerius.
»Tauberbach«, eine Kooperation mit
der Theaterakademie Hamburg, wird
ergänzt durch einen Vortrag von Alain
Platel, einen Workshop einer Tänzerin sowie eine öffentliche Diskussion
unter der Leitung der Dramaturgin
Eva-Maria Voigtländer.
Nähere Informationen unter
www.hamburgertheaterfestival.de
43
DAS HAMBURGER T HEATER FEST IVAL DANK T
DEN FÖRDERERN UND SPONSOREN
DI E FÖRDERER:
DI E SPONSOREN:
Hildegard und Franz Günter Wolf
Gebr. Heinemann SE & Co. KG
Annegret und Claus-G. Budelmann
BMW Niederlassung Hamburg
HASPA Hamburger Sparkasse AG
Ernst Komrowski Reederei KG
Die Haspa macht’s möglich: Schüler,
Studierende und Jugendliche zahlen 10,– €
für eine Eintrittskarte. Mit dem HaspaJoker
Intro oder Unicus sparen Sie noch einmal.
Otto Wulff Bauunternehmung GmbH
Hamburg Team Gesellschaft für
Projektentwicklung mbH
Christa und Nikolaus W. Schües, Hamburg
Aug. Bolten Wm. Miller’s Nachfolger
Marlis und Franz-Hartwig Betz-Stiftung
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Susanne und Dirk Martin Wogart
Cornelia Herz
Martha Pulvermacher Stiftung
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
MEDI ENPARTNER
DE S FE ST I VAL S:
NDR Hamburg Journal
NDR 90,3
NDR Kultur
Eberhard Wienholt
Sabine und Dr. Klaus Landry
Inge und Dr. Gerhard Groh
PARTNER DE S FE ST I VAL S:
Hotel Europäischer Hof
Sandra Patricia und Dr. John Benjamin
Schroeder
Michael Haentjes
Adolf Weber KG
Amelie und Dr. Thomas Guth
Sophie und Mathias Bach
Familie Dammann, Hamburg
Dr. Ursula Köhler-Lutterbeck und
Heinrich Köhler
Groothuis.
Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH
Hamburg Berlin | www.groothuis.de
sowie fünf weitere großzügige Förderer, die
nicht namentlich genannt werden möchten
Tragende Rollen
werden oft auch hinter
den Kulissen gespielt.
»FREUNDE DES FESTIVALS «
Werden Sie ein »Freund des Festivals« und unterstützen Sie das Fortbestehen
dieser einmaligen Institution mit einem Mindestbetrag von 500,— Euro pro
Festival. Im Gegenzug erhalten Sie ein zeitlich befristetes Vorbuchungsrecht für
unsere Veranstaltungen, Zugang zu den Premierenfeiern und eine Spendenbescheinigung. Sie sind interessiert?
Dann kontaktieren Sie uns einfach unter Tel.: +49 (0) 40 / 36 09 84 34
oder per E-Mail an: [email protected]
Die Freunde des Festivals (Stand August 2014):
Evelyn Jenckel, Catharina Schuchmann, step by step GmbH — Gil und Dr. Martin
Buchholz, Dagmar Schmeding, Karl-L. Widow, Dr. Anne Holtwick und Johann
Schwenn, Ulrike und Otto Gerstein, Susanne und Jan Piehl, Christine und Holger
Hertz, Peter Hansen, Ute und Nikolaus H. Schües, Dr. Ute Bavendamm, Barbara
und Dr. Karl-Joachim Dreyer, Ingrid und Dr. Wolfgang Gloy; Bärbel Binder, Hildegart Börner-Hack, Lutz Wiemer, Hannelore und Dr. Claus Löwe, Klasen Grundstücks- und Beteiligungsverwaltung GmbH & Co. KG, Britta und Dr. Henner Buhck,
Dr. Eugenie Stantchev, Gabriela und Christian Ross, Sabine und Dr. Hans-Joachim
Waitz, Dagmar Loewe, Ilsabe und Dr. Vincent Fischer-Zernin, Imke Ströbel und
Dr. Gisbert Beckers, Heribert Diehl, Dr. Monika und Prof. Dr. Horst H. Siedentopf,
Viktoria und Ulf Bertheau.
sowie weitere Freunde des Festivals, die namentlich nicht genannt
werden möchten.
www.jungheinrich.de
44
1
45
ST IF TUNG HAMBURGER T HEATER FEST I VAL
SCHIRMHERR DES HAMBURGER THEATER FESTIVALS
Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
Das Festival wird getragen von der Stiftung Hamburger Theater Festival. Die Mitglieder des Kuratoriums
und des Vorstandes der Stiftung unterstützen das Festival nachhaltig und begleiten seine weitere Entwicklung.
Sie setzen sich in ihrem jeweiligen Umfeld als »Botschafter« für die Idee des Festivals ein.
DIE MITGLIEDER DES KURATORIUMS:
Ernst P. Komrowski (Vorsitzender), Gunnar Heinemann (Stellv. Vorsitzender), Stefan Wulff (Stellv. Vorsitzender),
Prof. Carl Bergengruen, Gerhard Binder, Claus-G. Budelmann, Dr. Klaus von Dohnanyi, Dr. Karl-Joachim Dreyer,
Prof. Jürgen Flimm, Cornelia Herz, Ian K. Karan, Joachim Knuth, Prof. Dr. Manfred Lahnstein, Jörg Pilawa,
Prof. Dr. Hermann Rauhe, Erik Santer, Dr. John Benjamin Schroeder, Dr. Harald Vogelsang, Franz Günter Wolf
DER VORSTAND DER STIFTUNG
Dr. Jörg Verstl, Partner in der Kanzlei Asche Stein Glockemann Verstl Wiezoreck, Hamburg
Dr. Kay Jeß, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Partner in der Kanzlei GGV Grützmacher,
Gravert, Viegener
INTENDANZ UND BÜRO
Hamburger Theater Festival
Börsenbrücke 5 – 7, 20457 Hamburg
Tel.: 040 . 360 98 434
Fax: 040 . 360 98 435
Mail: [email protected]
www.hamburgertheaterfestival.de
Intendant: Nikolaus Besch
KULTUR BRAUCHT UNTERSTÜTZUNG:
Sie können die Entwicklung des Festivals mit Spenden unterstützen. Jeder Betrag hilft!
Selbstverständlich erhalten Sie für Ihre Spende eine Spendenbescheinigung.
DIE KONTOVERBINDUNG DER STIFTUNG LAUTET:
Hamburger Sparkasse
IBAN: DE 76 2005 0550 1280 3193 18
Kontoinhaber: Andreas Völker, Treuhänder für die Stiftung Hamburger Theater Festival
IMPRESSUM
Autoren dieses Heftes: Emanuel Eckardt, Ursula Keller, Birgit
Herausgeber: Theater Festival Besch GmbH
Lahann, Wolfgang Michal, Anja Michalke, Stefan Schomann,
Nikolaus Besch (V. i. S. d. P.)
Martin Tschechne
Gesamtherstellung: optimal media GmbH, Röbel
Redaktion: Emanuel Eckardt (verantw.), Anja Michalke,
Fotografen: Arno Declair, Iko Freese / Drama Berlin, Simona
Abb. vermerkt.
Nora Frank
Fossi, Romanus Fuhrmann, Matthias Horn, La Strada Graz, Reto
Gestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und
Reinhold, Julian Röder, Valeria Tomasulo, Bernd Uhlig, Reinhard
Passionen mbH, Hamburg | www.groothuis.de;
Werner
Lithografie: edelweiß publish, Hamburg
Bild- und Copyrightnachweis: wie bei Cover und
Klar/archiv-klar, Christian Mastalier, Silke Meyer, Friedrun
Rainer Groothuis, Lars Hammer, Carolin Beck
Titelfoto: Peter Simonischek, fotografiert von Christian Mastalier
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Abbildung zeigt BMW i3 mit reinem Elektroantrieb BMW eDrive. Energieverbrauch (kombiniert): 12,9 kWh/100 km;
*
CO2-Emissionen, die durch die Produktion und Bereitstellung des Kraftstoffes bzw. anderer Energieträger entstehen,
wurden bei der Ermittlung der CO2-Emissionen nicht berücksichtigt. BMW i3 mit Range Extender (zur Verlängerung
der Reichweite bis zu 340 km): Energieverbrauch (kombiniert): 13,5 kWh/100 km; Kraftstoffverbrauch (kombiniert):
0,6 l/100 km; CO2-Emission (kombiniert): 13 g/km. Abbildung zeigt Sonderausstattung.
BMW Niederlassung Hamburg
BMW i Agent
Offakamp 10-20
22529 Hamburg
www.bmw-i-hamburg.de

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