Urbanes Elektrofahrzeug auf Basis der Isetta
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Urbanes Elektrofahrzeug auf Basis der Isetta
Urbanes Elektrofahrzeug auf Basis der Isetta Es begann 1952 in Italien, nähe Mailand, wo der italienische Ingenieur Ermenegildo Preti für die Firma Iso, später Iso Rivolta, das Kleinfahrzeug Isetta entwickelte. Das Mikro-Fahrzeug war klein, leicht, wendig und kostengünstig. Leider verlief die IsettaVermarktung in Italien aber nicht so erfolgreich wie geplant und Renzo Rivolta suchte daraufhin einen Abnehmer für sein Projekt. Er wurde bei BMW fündig. Die Isetta bekam einen 12-PS-Einzylinder-Viertakt-Motor (250 cm³) aus dem Motorradprogramm von BMW. Nun wurde die Isetta zum Erfolg. Zwischen 1955 und 1962 wurden über 160 000 Motocoupés verkauft. Retrofit ZHAW 50 Jahre später begeistert die kleine «Knutschkugel» noch immer. Inspiriert vom historischen Isetta statteten Tobias Wülser und Frank Loacker von der Firma Designwerk, einer Denkfabrik für Elektromobilität in Winterthur, eine 1962erIsetta mit einem elektrischen Antrieb aus. Es entstand im Rahmen dieser Konzeptstudie eine Neu-Interpretation des beliebten Motocoupés. Wülser und Loacker wandten sich ans Zentrum für Produkt- und Prozessentwicklung (ZPP) der ZHAW um abzuklären, wie man den bisherigen Metallaufbau in eine leichtere und kostengünstigere Materialversion für die selbsttragende Karosseriehülle lösen könnte. Mehrere Teams aus dem Studiengang Maschinentechnik und ein Team aus dem Studiengang Verkehrssysteme lösten die Aufgabe anhand der in der Lehre vermittelten Konstruktionsmethodik und -systematik. Wegen des zu erwartenden grossen Absatzmarkts wurden möglichst viele Teile aus Kunststoff entwickelt und die dafür einsetzbaren Technologien gründlich untersucht. Die Studenten klärten ihre Lösungsansätze mit den externen Kunststoffherstellern in der Schweiz ab, welche für gross dimensionierte Bauteile unterschiedlichste Herstellverfahren /-technologien abdeckten. Für den Vertrieb des «E-Setta»Fahrzeugs wurden Benutzergruppen, -orte und -verwendung geprüft. Kauf oder Miete (z. B. Car-Sharing) ergänzten die entsprechenden ausgearbeiteten Konzepte weiter. Die daraus ent- ZHAW Studierende der ZHAW School of Engineering haben in Zusammenarbeit mit den Industriepartnern Designwerk und Micro Mobility Systems ein urbanes Elektrofahrzeug konzipiert. Als Basis diente die legendäre Isetta. Klein, leicht, wendig und trendig: die Studie Microlino. standenen Erkenntnisse flossen in den Entwicklungsprozess der einzelnen MaschinentechnikProjektteams ein und wurden an einem Anwendungsbeispiel im urbanen Städtebereich von Winterthur aufgezeigt. Neben dem Designwerk schaute sich auch Wim Ouboter, der Inhaber von Micro Mobility Systems, die Lösungskonzepte an und gab anschliessend den Auftrag für die weitere Vertiefungsarbeit in drei Bachelorarbeiten an die ZHAW School of Engineering. Bachelorarbeiten Die Sicherheit zeigt sich bei der FEM-/Crash-Analyse. Das Fahrzeug soll in der Kategorie L7e (max. Leergewicht 400 kg) positioniert werden und über einen rein elektrischen Antrieb verfügen. Aufgrund des grossen Umfangs der Fahrzeugentwicklung wurde das Fahrzeug in zwei Baugruppen unterteilt: Chassis und Karosserie. Seitens Maschinentechnik wurden am ZPP zwei Teams von je drei Studierenden mit der Entwicklung des FahrzeugUnterbaus und -Aufbaus beauftragt. Seitens Systemtechnik befasste sich am Institut für Mechatronische Systeme (IMS) ein Team von zwei Studierenden mit der Messung des Energieverbrauchs der bestehenden E-Setta, erstellten eine MatlabSimulation der E-Setta mit alternativem Antriebsstrang zur Evaluation des Energieverbrauchs und verglichen die beiden Antriebssysteme mit ACund PM-Motor. Als weiterer Teilaspekt wurde eine Analyse von verschiedenen Ladekonzepten, auch ohne Stromkabel, durchgeführt. Fahrgestell-Unterbau Das Fahrgestell wurde in vier Teilbaugruppen aufgeteilt: die Vorderachse, das Chassis, die Elektrokomponenten und die ZHAW ZHAW So sieht der neu entwickelte Fahrgestell-Unterbau des Microlinos aus. Der Microlino ist von vorne zugänglich. Hinterachse . Die Vorderachse umfasst Themen wie die Lenkung und Aufhängung, das Chassis hauptsächlich die Struktur des Rahmens und die Elektrokomponenten die Unterbringung der nötigen Akkupakete und andere Komponenten. Bei der Hinterachse wurden die Themen rund um den Antrieb, die Bremsanlage und das Fahrwerk mit der passenden Aufhängung behandelt. Mittels einer vorgängigen Marktanalyse wurde abgeklärt, ob bereits ähnliche Konzepte bestehen. Dabei stellte sich heraus, dass es zwar verschiedenste Variationen von L7e-Fahrzeugen gibt, diese jedoch nicht den gestellten Anforderungen bezüglich Sicherheit, Design oder Preis entsprechen. In der Entwurfsphase wurden diese Schritt für Schritt bezüglich Material, Gewicht und Gestaltung optimiert. Parallel dazu wurden die Entscheidungen für den Antrieb, das Fahrwerk, die Elektrokomponenten und die restlichen benötigten Teile gefällt. So entstand ein 3DCAD-Modell, das als Grundlage für den Bau eines Prototyps des Microlinos dienen soll. Die Sicherheit der Insassen bei einem Crash zu garantieren, ist eine Herausforderung. Zu diesem Zweck wurde ein äusserst stabiler Gitterrohrrahmen entwickelt, der den Insassen einen sicheren Überlebensraum bietet. Dieser wurde mittels FEM Analysen verifiziert. Knautschzonen in Front (Profile gefüllt mit energieabsorbierendem Metallschaum) und Heckbereich (Scherboxen) verringern die bei einem Aufprall auf die Insassen wirkenden Beschleunigungen und somit die Verletzungsgefahr. Der Gitterrohrrahmen dient zudem als Montagegerüst, an dem Kunststoffclips schnell und kostengünstig befestigt werden können. Vorderachse Die Aufgabe war es zu konstruieren. Ziel war, die Lenkung, die Vorderachsaufhängung und die Bremsanlage mit möglichst wenig Teilen zu realisieren. Im Vergleich zur Isetta konnte die Anzahl erheblich gesenkt wer- den. Sie wurde einem normalen Automobil nachempfunden. Chassis Die Erhöhung der Sicherheit für einen möglichen Aufprall war eine Kernaufgabe. Dafür wurde das Chassis entsprechend dem Kraftfluss optimal gestaltet. Eine weitere Funktion war die Unterbringung des Akkumoduls und der Elektrokomponenten und deren Befestigung. Hinterachse Für den Antrieb musste ein effizienter Elektromotor eingebaut werden. Aufgrund der eingeschränkten Platzverhältnisse wurde eine Konstruktion erarbeitet, die sowohl den Antrieb mit Getriebe, die Bremsanlage sowie das Fahrwerk aufnehmen soll. Fahrzeug-Aufbau Das Designwerk entwarf ein neues Design, das an die BMW-Isetta aus den 50er-Jahren erinnert. Im Rahmen der Bachelorarbeit sollte dieses Design in ein Konzept für einen Prototypen umgesetzt werden. Entstanden ist das Fahrzeug Microlino, das zwei Personen inklusive Gepäck Platz bietet, eine Reichweite von ungefähr 100 Kilometern abdeckt sowie eine Maximalgeschwindigkeit von 90 Stundenkilometer erreicht. Der Microlino ist ein erschwingliches Elektromobil und hebt sich mit einem durchdachten Sicherheitskonzept von der Konkurrenz in seiner Klasse ab. Grosse und kleine Lenker Bei der Sitzposition und Lenkung war wichtig, dass diese auf die Grösse der Insassen angepasst werden kann. Dies wurde durch eine in Länge und Winkel einstellbare Lenkung umgesetzt, die beim Öffnen der Türe mitschwenkt. Die Sitzposition lässt sich ebenfalls einstellen. Die Sicherheitselemente der Gurte sind dabei direkt in die Sitzbank integriert. Ein Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer erlauben ein kontrolliertes Auffangen und Abbremsen der Insassen. Der Frontausstieg erlaubt ein bequemes Aussteigen in engen Parklücken. Das bei Betätigung des Türgriffs automatisch öffnende Faltdach erleichtert den Einstieg zusätzlich. Um eine kostengünstige Realisierung der Verschalung zu gewährleisten, werden Vakuum-Tiefziehteile aus Kunststoff verwendet. Die Heckklappe erlaubt einen guten Zugang zum Kofferraum. Die Fenster sind in einer «wraparound» Bauweise realisiert und lassen sich seitlich öffnen. Zusätzlichen Insassenschutz bieten Frontairbags. Die nächsten Schritte Bisher handelt es sich beim ESetta nur um ein Konzept. Ein Prototyp soll demnächst gebaut werden, um Erfahrungen zu sammeln: bei der Herstellung, der Montage, beim Einstieg in den Microlino, bei der Bedienung, dem Fahrkomfort, der Fahrdynamik, dem Sichtverhältnis, dem Fahrgeräusch oder rein optisch bei der Betrachtung des Fahrzeuges. Gemäss Wim Ouboter soll der erste Microlino frühestens im Februar 2016 zu Testzwecken auf Schweizer Strassen zu sehen sein. Mit der Markteinführung ist frühestens 2017/2018 zu rechnen. Weil Elektromobile für den Normalverbraucher oft zu teuer sind, wird für den Microlino ein Preis von rund 10 000 Franken angestrebt. Rino Anniballo, Dozent am Zentrum für Produkt- und Prozessentwicklung der ZHAW School of Engineering in Winterthur, www.zhaw.ch/zpp