inge niedek bringt wissen- schaft via wetterbericht in die welt
Transcrição
inge niedek bringt wissen- schaft via wetterbericht in die welt
nicht insbesondere auf diesen Aspekt des Berufslebens vorbereitet hat, indem sie die Kluft zwischen Theorie und Praxis verkleinerte: „Kommunikation und Unterricht in Kommunikation fehlten. Die wissenschaftlichen Lehrer konnten es bis auf wenige Ausnahmen ja selbst nicht.“ Ergebnissen solcher Versäumnisse begegnet man allenthalben in offiziellen Daten offizieller Wettermacher. „Ich will diesen Mist nicht lesen“, sagt sie nur. inge niedek bringt wissenschaft via wetterbericht in die welt „Es lief mir übern Weg“, sagt Inge Niedek zu ihrer Fernsehkarriere. 1987 war die Stelle in der Wetterredaktion des ZDF ausgeschrieben, ein halbes Jahr später machte sie Probeaufnahmen, und im März 1988 ging es los. „Es war eine schwere Entscheidung nach Mainz zu gehen“, sagt die gebürtige Kölnerin mit Wahlheimat Berlin. Heute bedauert die ehemalige Mitarbeiterin der Lufthansa nur, dass sie zu wenig Zeit zum Segelfliegen und zum Schreiben fürs Fliegermagazin hat. Denn eigentlich wollte Inge Niedek höher hinaus als bis auf den Mainzer Lerchenberg. Flugmeteorologie war ihre Sache, „Meteorologische Faktoren bei Flugzeugunfällen unter besonderer Berücksichtigung von kritischen Windverhältnissen“ der Titel der Diplomarbeit 1981 bei Prof. Horst Malberg. Die Wetterredaktion ist „wie ein kleiner Wetterdienst“, erzählt sie, Rohdaten und Satellitenbilder kommen vom Deutschen Wetterdienst. „Der sachliche Wetterbereicht ist schnell gemacht“, erklärt die 46-Jährige, schwieriger ist der journalistische Teil: „Wie sage ich’s meinen Zuschauern“. Die neun Diplom-Meteorologen der Wetterredaktion sind alle auch geschulte Journalisten, Computerspezialisten und Grafiker. Rohdaten werden ins selbst entwickelte Computersystem eingespeist und dann zu dem aufbereitet, was die Zuschauer allabendlich sehen. – Für einen Wetterbericht, der „eigentlich viel zu kurz ist“. Es ist jedes Mal ein Husarenstück in Wissenschaftskommunikation, das immens komplexe System Wetter auf 1 Minute 10 Sekunden zu reduzieren. „Und glauben Sie mir“, sagt die Expertin für Komplexitätsreduktion, „es gibt nichts komplizierteres als Wetter“. Besonders schwierig sind Detailvorhersagen. Für das Wettergeschehen in den Alpen werden auch schon mal die Kollegen in Österreich und der Schweiz hinzugezogen. „Manchmal kann man Schwerpunkte setzen. Aber man kann das Wetter nicht so hoch auflösen.“ So kommt die Wissenschaft via Wetterbericht in die Welt, und das ist gut so, findet die Meteorologin, die gleichzeitig bedauert, dass die Uni sie Doch das andere Extrem ist auch nicht besser. Wetter ist ein lukratives Geschäft, und inzwischen gibt es ein Menge zweifelhafter Anbieter, die billigst aus dem Internet zusammengeschusterte Wetterdaten verkaufen. Wenn Inge Niedek amerikanische Wetter-Entertainer „ja ganz nett“ findet, weiß sie doch, dass da, „wo es darauf ankommt“, Fachleute sitzen. Männliche Entgleisungen wie strippende Wetterbunnies sind dann schon weniger ihr Ding. Sensationsmache à la „Urlaubsparadies bedroht – Schnee auf Teneriffa !“ auch nicht. „In den Bergen auf Teneriffa schneit es jedes Jahr“, erklärt die Fachfrau. „Man muss da mal eine Lanze für das Fach brechen: Den Wetterbericht müssen Fachleute machen und auch vortragen.“ Die machen das zum Erstaunen vieler Zuschauer auswendig und ohne Teleprompter. „Sowas kann man, wenn man was von der Sache versteht.“ Auch wenn gelegentlich manche Zuschauer anderer Meinung sind. Aber es sind nicht so viele, wie mancher wohlfeile Witz es will. Und es gibt die Fans. Inge Niedek hat die Autogrammkarte dabei. „Die Waschkörbe voller Post bekommen allerdings die Nachrichtenleute“, sagt sie ohne jedes Bedauern. Aber Inge Niedek ist diejenige, die von ihren Nachbarn gefragt wird: „Na, wie wird’s denn ?“ SW Inge Niedek gehört seit 1988 zur Wetterredaktion des ZDF FOTO: ZDF 35 Alumni Die Geisteswissenschaftler rüdiger safranski liebt die sprache und bringt die philosophie unters volk Dr. Rüdiger Safranski gehört zu den erfolgreichsten „Philosophieschriftstellern“ in Deutschland FOTO: BAUER „Es machte mir unsägliche Freude, dieses Buch zu schreiben. Aber es war mir nicht klar, dass das auch den Lebensweg entschiede.“ Rüdiger Safranskis Grenzgängertum zwischen Philosophie und Literatur begann mit der Entscheidung, E.T.A. Hoffmann nicht in einer Habilitationsschrift der philosophischen Binnenkultur der Universität anheim zu geben. Hoffmann sollte in die Welt wie nach ihm Heidegger, Nietzsche und „Das Böse“, Bestseller allesamt. Die Philosophie in die Massenkultur Fernsehen zu zerren, hat Safranski allerdings den Missmut der akademischen Philosophie und der schreibenden Schöngeister des Feuilletons eingebracht. Das philosophische Quartett „Im Glashaus“, gesendet alle paar Wochen sonntags abends im ZDF, ist ein Erfolg. Die Zuschauerreaktionen sind freundlich, die Einschaltquoten gut. Die Idee dazu hatte er zusammen mit seinem Freund und Kollegen Peter Sloterdijk dem Sender angeboten. „Einige hatten wohl gedacht, wir setzen uns ins Fernsehen und reden über Philosophie. Wir reden aber über die Welt – mit dem philosophischen Blick“, wehrt sich Safranski gegen den allzu engen Blick auf das weite Feld seines Faches. 36 Alumni 1965 kam der 57-jährige Württemberger nach Berlin an die FU und studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte. „Man musste mal in Berlin gewesen sein.“ Dass daraus 37 Jahre würden, war nicht voherzusehen. „Es war auch die FU, die mich hielt und die kleine Rebellion, die wir für eine große hielten.“ Von 1971 bis 1977 war er Assistent im Fachbereich Germanistik und erforschte die Romantik, besonders E.T.A. Hoffmann, Eichendorff, die Manns, Enzensberger, machte Methodenseminare, bevor ihn die Entscheidung für das Buch aus der Uni hinausführte. Eine gute Entscheidung: Philosophische Literatur erzielt hohe Auflagen, und nun hat das spröde Fach sogar den Schritt ins Massenmedium Fernsehen geschafft. „Philosophie hat Konjunktur wie nie“, weiß der Grenzgänger Safranski. Wo Religion als moralische Reflexionsinstanz und Literatur als Welterklärung zu eng werden, verschafft sie „geistige Geräumigkeit“ und bietet Orientierung in einer Welt, in der Technik und Wissenschaft ihre Erkenntnisse nur allzu häufig als geoffenbarte Wahrheit verkaufen. Philosophie dagegen betreibt Autonomieverstärkung ganz im Sinne von Sokrates: Der Philosoph ist nur Geburtshelfer, denn die Lösung liegt schon in jedem selber. „Die praktische Philosophie und Philosophieschriftsteller wie ich nehmen die akademische Philosophie in die Zange. Aber es gibt großen und kleinen Grenzverkehr.“ Der Blick in die neue Welt zeigt es wie so häufig: Auch mit schweren Stoffen tun sich die Amerikaner leichter. Sie sind „souveräner im Umgang mit der Philosophie“, erzählt Safranski. Sein Heidegger-Buch wird im normalen Uni-Unterricht verwendet. Hier zu Lande ist ein gut geschriebenes, verständliches Buch noch allzu oft dem Verdacht der Unwissenschaftlichkeit ausgesetzt. Verständlichkeit ist zuallererst eine Frage des Verstehens, findet Safranski: „Wenn ich selber verstehe, verstehen auch die anderen, und dann habe ich auch eine Sprache dafür. Man hat oft das Gefühl, dass manche Autoren nur noch Terminologien auf dem Schachbrett hin- und herschieben. Und es drängt sich die Frage auf: ‚Worum geht’s eigentlich ?‘“ Doch es gibt Hoffnung. „Besonders bei jüngeren Philosophen erkennt man die Tendenz, sich verständlich machen zu wollen.“ Die Faszination des „Philosophischen in der Literatur und des Literarischen in der Philosophie“, die den „Meistererzähler“ ergriffen hat, könnte da helfen. Eines seiner stärksten Motive, den Elfenbeinturm zu verlassen: „Ich liebe die Sprache.“ Safranskis „unsägliche Freude“ hat ihn zum erfolgreichen Schriftsteller gemacht. Nachwachsenden Philosophen rät er aber sicherheitshalber „zu etwas Handfestem für den Brotberuf“ – ohne jedoch von der Philosophie zu lassen. „Man verdient zwar nichts, aber man bekommt etwas.“ SW