Peter Schwingen (1813-1863) Ein Maler der Düsseldorfer

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Peter Schwingen (1813-1863) Ein Maler der Düsseldorfer
Peter Schwingen (1813-1863)
Ein Maler der Düsseldorfer Malerschule
Zum 200. Geburtstag
Selbstbildnis mit Hut, vermutlich 1837, Öl auf Leinwand,
Kopie von Fritz Faust, 1920er Jahre, Privatbesitz
Peter Schwingen (1813-1863)
Ein Maler der Düsseldorfer Malerschule
Zum 200. Geburtstag
Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung
des StadtMuseum Bonn
im Ernst-Moritz-Arndt-Haus in Bonn
in Kooperation mit der
Peter-Schwingen-Gesellschaft Bonn-Bad Godesberg e. V.
Herausgegeben von Ingrid Bodsch
Bearbeitet und mit Beiträgen von
Pia Heckes und Horst Heidermann
Bonn 2013
Hubert Philipp Schwingen, Öl auf
Leinwand, um 1848, Privatbesitz
Satz und Layout: Sigrid Lange
Redaktion: Sigrid Lange und Ingrid Bodsch in Zusammenarbeit mit den Verfassern
der Beiträge
Bildbearbeitung und Bildredaktion: Sigrid Lange
Fotografie: Hans-Dieter Heckes: S. 2, 8, 15, 16, 20, 27, 29, 35, 81, 83, 86, 90, 106,
108, 117, 128. Ingrid Kemp: S. 4, 77. LVR- Rheinisches Amt für Denkmalpflege:
S. 45. Stiftung Museum Kunstpalast-ARTOTHEK: S. 110. Stiftung Museum Kunstpalast-Horst Kolberg-ARTOTHEK: S. 78. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
Berlin-Brandenburg/Fotograf: S. 53. sowie mit Genehmigung der in den Bildunterschriften genannten Besitzer.
Umschlagentwurf: Hans-Dieter Heckes
Druck: bonndruck GmbH
ISBN 978-3-931878-39-9
© Verlag StadtMuseum Bonn 2013
www.bonn.de/stadtmuseum
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeberin
S. 7
Pia Heckes
Peter Schwingen – Eine Einführung in das Werk
und zugleich ein Vorwort
S. 9
Horst Heidermann
Peter Schwingen (1813-1863) – Leben und Werk
S. 41
Pia Heckes
Peter Schwingen, Düsseldorf, der Vormärz und Heinrich Heine
S. 129
Archivalien S. 150
Gedruckte Quellen und Literatur
S. 152
Damenbildnis, Öl auf Leinwand, 1859,
Wilhelm Körs, Galerie an der Börse Düsseldorf
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Vorwort der Herausgegeberin
Ein Jubilar des Jahres 2013 ist auch der aus dem heute zu Bonn gehörenden
Winzerörtchen Muffendorf gebürtige Maler Peter Schwingen. Aus kleinbäuerlichen und ungebildeten Verhältnissen stammend, verdankt Schwingen
seine Förderung und spätere Ausbildung einem Mitglied des preußischen
Königshauses, das ihn an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz empfahl,
was für Schwingen die Aufnahme an die Düsseldorfer Kunstakademie zur
Folge hatte. Dort reüssierte der junge Mann bald und konnte sich wirtschaftlich und künstlerisch etablieren. Schwingen, der noch vor Erreichen seines
50. Geburtstags am 6. Mai 1863 in Düsseldorf gestorben ist, ist nicht nur der
einzige bekannte Bonner unter den Düsseldorfer Künstlern, sondern gehört
zu den bedeutenden Vertretern der Malerschule.
Ihn im Jahr seines 200. Geburtstags in Kooperation mit der in Bad Godesberg
angesiedelten Peter-Schwingen-Gesellschaft mit einer Ausstellung zu ehren,
war dem StadtMuseum Bonn, das auch im Besitz zweier Schwingen-Gemälde
ist, ein besonderes und gerne aufgegriffenes Anliegen. Die Realisierung von
Ausstellung und Begleitbuch verdanken wir dem finanziellen Engagement der
Peter-Schwingen-Gesellschaft, deren Vorstandsmitglieder Dr. Pia Heckes und
Dr. Horst Heidermann schon seit Jahren die wissenschaftliche Recherche zu
Peter Schwingen betrieben haben, die in den grundlegenden Beiträgen im
Katalog ihren Niederschlag finden. Die gesamte Organisation der Ausstellung
und die Buchherstellung lag in der Hand von Dr. Sigrid Lange. Pia Heckes,
Horst Heidermann und der gesamten Peter-Schwingen-Gesellschaft sowie
Sigrid Lange gilt natürlich mein besonders herzlicher Dank! Eingeschlossen
in den Dank sind auch die Leihgeber, ohne die wir keine Ausstellung zeigen
könnten. Deshalb bin ich sowohl den Leihgebern aus öffentlichen Sammlungen und Stiftungsbesitz − Stiftung Museum Kunstpalast (Düsseldorf ), Museum Haus Martfeld (Schwelm), Stiftung Sammlung Volmer (Wuppertal),
Dr. Axe-Stiftung − wie auch den vielen privaten Leihgebern, von denen ich
hier Wilhelm Körs aus Düsseldorf (Galerie an der Börse) nennen darf, außerordentlich dankbar, dass Sie die von Frau Lange gestellten Leihersuchen zu
erfüllen bereit waren.
Dr. Ingrid Bodsch, Bonn, Ostern 2013
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Wie groß ist das Kind? Öl auf Leinwand, 1846, Privatbesitz
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Pia Heckes
Peter Schwingen
Eine Einführung in das Werk und zugleich ein Vorwort
Mit großer Freude legt Ihnen die Peter-Schwingen-Gesellschaft Bonn-Bad
Godesberg e. V. eine neue, stark erweiterte Dokumentation über Leben und
Werk Peter Schwingens vor.
Fast 20 Jahre sind vergangen, seit wir unser erstes Buch über Schwingen (Pia
Heckes/Horst Heidermann: Peter Schwingen, Leben und Werk, Bonn 1995)
veröffentlicht haben. Fast 20 Jahre Forschung, das Glück des Fleißigen, Trouvaillen, Zufälle, akribisches Archivalienstudium und das geduldige Zusammenfügen zahlreicher Hinweise, die gleichsam Mosaiksteinchen waren, haben
nun unter den kundigen Händen Horst Heidermanns wiederum eine ergänzte Dokumentation entstehen lassen. Eine Schwingen-Monographie, die um
Beträchtliches angewachsen ist und unser Wissen über den Maler aus Muffendorf erheblich erweitert. Daher wird der Leser bei genauem Studium auch
um deutliche Nuancen veränderte Einschätzungen der Autoren vorfinden,
die teilweise sich absetzen vom Text der ersten Dokumentation, die 1995 erschien. Denn fast 20 Jahre Forschung bedeuten eben einen Wissenszuwachs,
der sich ablesen lässt.
Walter Cohen kannte aus eigener Anschauung etwa 20 Bilder Schwingens,
Walter Holzhausen hatte die Möglichkeit, 40 Bilder in Augenschein zu nehmen. Wir gehen heute von insgesamt vielleicht 200 Bildern Schwingens aus,
von denen wir eine sehr große Zahl durch Anschauung oder Überlieferung
kennen. Dies lässt eine Neubewertung notwendig und folgerichtig erscheinen. Wir gehen davon aus, dass das Gesamtwerk Schwingens damit aber nicht
erschöpft ist und erwarten auch für die Zukunft weitere „Zufallsfunde“.
Das heute bekannte Werk des Malers ist weitaus größer als wir dies vermutet
und lange Zeit auch angenommen haben. Die Spannweite seiner Themen ist
größer geworden, die politische Dimension, die Eingebundenheit in die gesellschaftlichen Bedingungen rund um die 1848er Revolution wird sichtbarer.
Und es wird deutlich, dass Schwingen keinesfalls ein „unpolitischer“ oder gar
den Verhältnissen seiner Zeit gegenüber unsensibler Künstler gewesen ist. Das
Gegenteil wird diese Dokumentation belegen.
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Peter Schwingen ist zu lange Zeit als ein zwar interessanter aber in erster Linie
doch regional bedeutender Maler gesehen worden. Begünstigt wurde diese
Einschätzung durch sein bisher absolut unzureichend dokumentiertes Leben
sowie eine vielfach nur auf literarische Quellen sich stützende Forschung über
den Verbleib eines großen Teiles seines Werkes.
In Peter Schwingens Werk vereinen sich zwei große Themen, die die Düsseldorfer Malerschule beherrschten: Zum einen sind es die Porträts von Zeitgenossen, vor allem Industrieller aus dem Tal der Wupper, zum anderen − und
dies scheint mir das eigentlich Bedeutende zu sein − wendet sich Schwingen
erst gar nicht dem oftmals falschen Pathos der akademischen Malerei seiner
Zeit zu, sondern malt Szenen des einfachen bäuerlichen und kleinbürgerlichen
Lebens, die so realistisch wirken, als ob sie aus seiner Erinnerung stammten.
Mit diesen Genrebildern, die zum Überzeugendsten gehören, was die Düsseldorfer Maler der Zeit hervorgebracht haben, reflektiert er liebevoll, bisweilen
auch ironisch, das dörfliche Leben mit seinen deftigen Bräuchen. Das „Schießen um ein fettes Schwein“ oder „Der Gewinn des großen Loses“ schildern
gleichermaßen ein harmlos dörfliches Vergnügen wie auch die sicher oftmals
herbeigesehnte Möglichkeit, durch den Wink des Schicksals reich zu werden – einmal nicht dank mühevoller Arbeit den verdienten Lohn zu erhalten,
sondern reiche Gaben gleichsam von einer Schicksalsgöttin zugeworfen zu
bekommen. Es ist der alte Traum der einfachen Leute auf dem Land, zu denen
Schwingen selbst gehört hatte.
Lotterien waren im Vormärz ein großes gesellschaftliches Thema, wie auch das
äusserst bissige Poem Ferdinand Freiligraths „Ein Patriot“ deutlich macht. Es
gehört in den Gesamtzusammenhang des Gedichtzyklus „Ein Glaubensbekenntnis“, mit dem Freiligrath 1843/44 in heftige Auseinandersetzungen mit
der Zensurbehörde kam.
Peter Schwingen kam aus kleinsten Verhältnissen. Offensichtlich schämte er
sich keineswegs seines Herkommens, sondern er erkannte, dass in diesen Themen viel Neues lag. Die kritische Darstellung einer „Pfändung“, sein Bild war
das erste im Rheinland mit diesem Thema, zeigt die Verelendung der kleinen
Handwerker und ihrer Familien zu Beginn der Industrialisierung. Es ist Beleg
für die These, dass die Düsseldorfer Maler sehr genau die Strömungen ihrer
Zeit aufnahmen und in Bildern verarbeiteten. Es wäre sicher falsch, in diesen
Malern deshalb „Marxisten“ sehen zu wollen.1
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Sie eroberten sich neue Bildthemen und damit eine realistische Bildsprache
und sie beschäftigten sich im weitesten Sinne auch mit der Frage nach der
sozialen Gerechtigkeit. Vielleicht ist gerade dies das Besondere an den „rheinischen“ Malern der Düsseldorfer Malerschule? Eine Maxime des rheinischen
Lebens heißt: Leben und leben lassen. Insofern nehmen gerade auch die
Genrebilder Schwingens einen ganz besonderen Platz ein. Das Rheinland im
Spannungsfeld zwischen Französischer Revolution und dem kurkölnischen
Katholizismus hat ein besonderes Bürgertum hervorgebracht. Ein Bürgertum
für das auch immer die soziale Frage eine wesentliche Rolle gespielt hat, das
kein Großbürgertum mit Dünkel war, sondern ein selbstbewusstes Bürgertum, das bei allen Freizügigkeiten auch immer um die Verantwortung dem
anderen gegenüber wusste.
Die fortschreitende Politisierung des Lebens in den Jahren zwischen 1830
und 1848 lässt sich auch an den Bildzeugnissen ablesen. Schwingens GenreBilder weisen vordergründig nicht über ihre Zeit hinaus. Sie weisen keine der
damaligen Kunstkritik so wichtigen Züge von überzeitlichen Normen und
Gültigkeit auf. Schwingen verarbeitet keine „klassischen“ Themen. Ein Qualitätsmerkmal tritt aber umso deutlicher in den Vordergrund: die Glaubwürdigkeit. Seine Figuren sind weder hölzern noch von falschem Pathos beseelt.
Zurück zur Frage nach den großen Vorbildern und Zeitgenossen der „Düsseldorfer“. Die Düsseldorfer Maler müssen sich an einem großen Namen messen
lassen: Gustave Courbet – ein Zeitgenosse Schwingens. Nur ihm gelang es,
eine Realismus-Diskussion zu entfachen, die ihre Auswirkungen bis weit in
das 20. Jahrhundert hinein hatte. Courbet hatte es gewagt, den Lebensalltag
der kleinen Leute mit einer bis dahin nie da gewesenen Offenheit bis hin zur
Brutalität zu zeigen. Auch er kam, wie Schwingen, aus kleinen Verhältnissen,
und ist daher der geradezu ideale Gegenpart. Während Schwingen in allem
noch die ländliche Idylle liebevoll ausformuliert, fehlt jede Spur von Romantik und Idylle in Courbets Bildern. Seine „Steineklopfer“ konfrontieren das
Bürgertum mit vollkommen neuen Bildthemen. Seine Bilder wirken, als seien
sie unter freiem Himmel gemalt, als sei der Maler direkt Zeuge der Szene.
Ziel ist es, das Bild so nahe wie möglich an die Realität heranzubringen; die
Pleinair-Malerei ist die theoretische Vorwegnahme der etwa zeitgleich entwickelten Fotografie. Diese ist ein Medium der Unmittelbarkeit, der unbedingten Wahrheit: So ist eine Situation gewesen, zwar nur für einen Moment, aber
doch der Wirklichkeit entnommen. Courbets Anspruch war der gleiche. Die
Kunstgeschichte prägte den Begriff vom „sozialistischen Realismus“, der heute
meist verengt für die propagandistische Staatskunst der DDR verwendet wird.
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Die Düsseldorfer Maler waren dagegen noch mehr in der Tradition der akademischen Malerei verhaftet. Vergleicht man die beiden Schulen, die „Schule
von Barbizon“, wo sich die ersten „Pleinair“-Maler zusammen gefunden hatten, und die Düsseldorfer Akademie, so erweisen sich die Düsseldorfer als die
wesentlich Konservativeren. In Düsseldorf blieb man lieber im Atelier, statt
hinaus in die Natur zu ziehen und unter freiem Himmel zu malen. Obwohl
die Akademie von einer rheinischen Provinzialität geprägt war, lässt sich aber
auch hier die Sehnsucht nach der genauen Schilderung des Lebens erkennen.
So wie sich die französischen Maler der Schule von Barbizon dem Tageslicht
mit seinen wechselnden Stimmungen aussetzten und dieses zum Stilmittel für
ihre Bilder erhoben, setzten sich die Düsseldorfer Maler mit den Geschichten
und Ereignissen ihrer näheren Umgebung und in der Eifel auseinander und
fomulierten Bilder, die sich vom akademischen Ideal weit entfernten. Arnold
Hauser, Autor des Standardwerkes „Sozialgeschichte der Kunst und Literatur“
(1953), formulierte dies so: „Prosa des ländlichen Lebens statt Ideallandschaft
heroischer Natur“.
Die „Prosa“, wie Hauser sie versteht, findet sich in Schwingens Bildern geradezu ideal fokussiert: Sein „Mädchen am Brunnen“, „Die Kinder pflegen
ihren kranken Hund“ und „Kind mit Taube, Huhn und Katze“ stehen beispielhaft für diese Kunst der Düsseldorfer Malerschule, die sich gegen den
erklärten Willen ihres damaligen Direktors Wilhelm von Schadow mehr und
mehr der Darstellung der sozialen Wirklichkeit widmete und sich von den
großen Themen der Historie und der Ideenmalerei abwandte. Die Maler der
Akademie emanzipierten sich so vom Diktat ihrer eigenen Schule. Der Vormärz kündigte sich auch in der Malerei an. Offensichtlich kamen zu Beginn
der 1830er Jahre mehrere Zeitströmungen den Düsseldorfer Malern zugute:
Einerseits ihre Neigung, sich Bildthemen zu widmen, die aus der scheinbar
alltäglichen Anschauung stammten, andererseits ein Publikum, das offenbar
nach solchen Bildern verlangte: „... die liberalen Unternehmer, die auf Handelsreisen Beziehungen nach Frankreich und Belgien entwickelten und dabei in
Berührung mit der dort vollzogenen bürgerlichen Revolution und den in diesem
Zusammenhang entstandenen Werken der realistischen Kunst kamen, forderten
die Maler geradezu auf, die Wirklichkeit darzustellen.“ 2 Das Bürgertum des
Vormärz und der nachrevolutionären Zeit schuf sich auf diese Art und Weise eine Kunst, die den eigenen Vorstellungen von Leben und Arbeit, Kunst
und Kultur entsprach. Zum einen entstand eine große Anzahl von Industriellen-Porträts, mit denen sich die Gründerväter des wirtschaftlichen Aufstiegs
Deutschlands selbst auf eine bescheidene Art feierten, zum anderen entstand
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mit den bürgerlichen Kunstvereinen ein Kunsthandelsnetz, das den Künstlern
auch die Abnahme realistischer Bilder sicherte. Schwingens malerisches Werk
ordnet sich in dieses Spannungsfeld ein.
Schwingen ist zunächst ein Außenseiter im Kreis der Düsseldorfer Maler gewesen: Ein Kind vom Land, das zwar des Lesens und Schreibens kundig war,
ansonsten aber eines Stipendiums bedurfte, um sich in der ersten Zeit der
Akademieausbildung über Wasser halten zu können. Kaum ist er sich seiner
Leistungen sicher, scheint ihn der Übermut gepackt zu haben und er verwirkt durch mangelnde Teilnahme am Unterricht diese pekuniäre Sicherheit.
Mangelndes Selbstbewusstsein kann keine herausragende Eigenschaft dieses
jungen Mannes gewesen sein.
Schwingens „Brotkunst“, seine Porträts zeitgenössischer Industrieller und ihrer Familien, haben den größten Anteil am Gesamtwerk. Den Beginn der
Karriere als gesuchter Porträtist durch die Förderung der Familie de Weerth
beleuchtet H. Heidermann in einem Aufsatz, der soeben in der Zeitschrift
„Romerike Berge“ erscheinen ist.3
In den Porträts spiegelt sich allerdings mit großer Deutlichkeit eine unstete
Haltung Schwingens, dem nicht jedes Porträt mit gleicher Qualität zu einem
guten Bild gelang. Offensichtlich war er starken Schwankungen unterlegen,
die sich in den Bildern ausprägen.
Die „Dame mit Spitzenhäubchen“ gehört zu Schwingens bedeutenden Werken der Bildnismalerei. Eine ältere Dame mit strengen Zügen, deren Gesicht
nicht einem Idealtypus der Zeit entspricht, sondern ganz individuell aufgefasst ist. Hier bemühte sich Schwingen um Nähe, um ein lebendig wirkendes
Inkarnat, um die genaue Erfassung der Physiognomie. Die Liebe zum Detail spricht aus der feinen Ausformulierung des zarten Spitzenhäubchens und
des feinen Kragens. Kleid und Hintergrund sind dunkel gehalten, der Kopf
leuchtet aus dem Bild heraus. Schwingen schuf hier ein Bildnis mit großer
Authentizität. Bereits in diesem ersten Beispiel wird deutlich, dass Schwingen
sich besonders um eine Qualität der Malerei bemühte: er strebte Wahrhaftigkeit an. Nicht nur eine möglichst genaue Abbildung war das Ziel, sondern
auch das Erfassen der ganzen Persönlichkeit. Die Dame mit Spitzenhäubchen,
vielleicht war es die Mutter Eduard Bendemanns, glaubt man recht genau zu
kennen. Eine selbstbewusste, strenge Frau, deren Blick zugleich Neugier auf
die Welt wie einen gewissen Grad an Abgeklärtheit enthält. Die schmalen
Lippen mit den hochgezogenen Mundwinkeln verraten eine leichte Skepsis.
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Schwingen schuf hier ein einfühlsames Werk, das sich durchaus mit den besten Porträts der Biedermeierzeit messen kann (Abb. S. 101).
Mit dem Porträt von Schwingens erster Frau, Magdalene Philippine, haben
wir ein für das Biedermeier typisches Bildnis einer jungen Frau mit rosigen
Wangen und großen dunklen Augen. Tracht und Frisur entsprechen der städtischen Mode der Zeit und unterstreichen auch hier die Wirkung des Gesichts.
Auffallend sind der große goldene Ohrschmuck und die goldene Nadel, die
auf einen gediegenen Wohlstand des jungen Ehepaares Schwingen hinweisen. Der Maler hat sich offensichtlich zu dieser Zeit bereits in die bürgerliche
Schicht Düsseldorfs emporgearbeitet.
Zu seinem bescheidenen sozialen Aufstieg verhalfen ihm die Porträtaufträge,
die ihn in das frühindustrielle prosperierende Tal der Wupper führten. Die
späten 1830er Jahre brachten zahlreiche Aufträge und Peter Schwingen wurde
so ein gut beschäftigter Maler. Er füllte wohl eine Lücke aus, die der Tod des
Malers Heinrich Christoph Kolbe im Jahr 1836 gerissen hatte. Kolbe war ein
beliebter Bildnismaler gewesen, der hauptsächlich für Familien im Bergischen
Land gearbeitet hatte.
Um 1837 malte Schwingen seinen Schwager, den Kleidermacher Josef
Schmitz. Schwingen ist bemüht, seinem Schwager mit diesem kleinen Bildnis
einen Dienst zu erweisen. Weste und Gehrock sind fein ausgemalt und zeigen
die hohe Handwerkskunst des Schneiders, der mit diesem Bild auch gleichzeitig für sich werben kann. Weitere kleine Bilder des gleichen Typs und wohl
auch aus der Familie Schmitz sind erst in jüngster Zeit wieder aufgetaucht.
Zu den schönsten Bildnissen, die Schwingen schuf, gehört zweifellos das Porträt der Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen aus dem Jahr 1840. Ob es
sich bei diesem Werk um eine Auftragsarbeit oder um ein freies Werk handelt,
lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Die besondere Qualität des Bildes
mag auch darin begründet sein, dass es sich um eine Kopie nach Schadow
handelt. Es ist sehr fein ausgearbeitet; besonders den Kopfschmuck, ein Samtbarett mit weißen Federn, hat Schwingen mit größter Genauigkeit dargestellt.
Der Mantel mit dem weit geschnittenen Pelzkragen bildet gemeinsam mit der
Stoffbespannung einen dunklen Hintergrund, aus dem das zarte Gesicht der
Prinzessin hervorleuchtet. Auch dieses Bildnis wird beherrscht von den individuellen Zügen der Dargestellten, wobei das Gesicht leicht idealisiert wirkt.
Ganz im Gegensatz zu einem etwas später entstandenen Porträt einer Godesberger Bürgerin, der Großmutter Schwingens. Aus diesem Porträt spricht
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die lebendige Anschauung, die Liebe zur Großmutter Nicolai. Jede Falte des
Gesichts ist dargestellt, ein gütiges Lächeln und wache, leuchtende Augen
charakterisieren diese alte Frau. Schultertuch und Spitzenhäubchen sind mit
großzügigen Strichen ausgeführt, sind wenig wichtige Details, die den Maler
nicht interessieren. Hier fasziniert das vom Alter gezeichnete Gesicht. Hier
nimmt er sich die Freiheit, das Unwichtige nur flüchtig darzustellen – eine
kleine Emanzipation von der biedermeierlichen Feinmalerei.
Das nächste Porträt aus Schwingens Familie treffen wir erst im Jahr 1850. Es
stellt seine zweite Frau, Sophia geborene Zecher, dar. Schwingen findet hier zu
einer Verbindung von Porträt und seinen früheren Genrebildern. Er stellt seine Frau als strickende Hausfrau dar. Ein Motiv das ihn schon häufiger zu Bildern angeregt hatte. Das Bildnis der jungen Frau zeigt eine Arbeit des späten
gereiften Künstlers. Die weichen Züge des Gesichts und die rosigen Wangen
sprechen von einer tiefen Zuneigung und es scheint wieder etwas Ruhe und
Zuversicht in das Leben des alternden Malers einzukehren.
Sophia Schwingen, geb. Zecher, zweite Ehefrau
von Peter Schwingen, Öl auf Leinwand, 1850,
Privatbesitz
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Peter de Weerth (Des Geschäftsmannes Mußestunde),
Öl auf Leinwand, 1838, Privatbesitz
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Zu den herausragenden Arbeiten Schwingens gehören die Bilder, die Porträt
und Interieur verbinden. Diese Werke gehören zum Besten, was diese Epoche
der biedermeierlichen Porträtmalerei hervorbrachte. Schwingen stellt seine
Auftraggeber in ihrer häuslichen Umgebung dar. Er erfasste mit analytischem
Blick die Persönlichkeit auch durch die Dinge, mit denen sich die Zeitgenossen umgaben. Gleich beim ersten Bild gelang dies mit erstaunlicher Präzision
und Kunstfertigkeit. Das Bildnis Peter de Weerths aus dem Jahr 1838 zeigt
einen weißhaarigen alten Herrn, der am Fenster auf einer Polsterbank sitzt,
und offenbar eben beim Lesen innehält, um den Maler anzublicken. In der
einen Hand ein Buch in der anderen die Brille haltend, liegen vor ihm auf
dem Tisch zahlreiche Bücher und Manuskripte aufgeschlagen. Die „Elberfelder Zeitung“ fehlt ebenfalls nicht. Ein Briefumschlag auf dem Tisch, der
an den Porträtierten adressiert ist, gibt Auskunft, um wen es sich handelt.
Auch auf der Bank und auf dem Boden liegen zwischen Aktendeckeln offenbar wichtige Schriftstücke. Um eine „Mußestunde des Geschäftsmannes“, wie
der Untertitel des Bildes oft genannt wird, handelt es sich aber keineswegs.
Das Tintenfass ist geöffnet und die Feder liegt griffbereit daneben auf einem
kleinen Gestell. Im Hintergrund an der Wand hängen eine Karte von Spanien
sowie ein Kalender. Alles Hinweise auf die stete Geschäftstätigkeit Peter de
Weerths. Eine persönliche Note erhält das Bild durch den kleinen Hund, der
vertrauensvoll seinen Kopf dem Herrn zugewandt auf die Bank gelegt hat und
auf eine streichelnde Hand zu warten scheint. Den Hund interessiert der Maler nicht, demonstrativ hat er dem Eindringling in die kleine Welt des Arbeitszimmers den Rücken zugewandt. Die während des Biedermeier so beliebten
Fensterbilder hinterließen auch im Werk Schwingens ihre Spuren. Aus dem
zweiflügeligen Fenster blickt man auf ein schräg gegenüber liegendes Haus,
das mit Schieferplatten verkleidet ist und dunkelgrüne Fensterläden hat. Der
Betrachter weiß sofort: Hier ist man im Bergischen. So schuf Schwingen ein
intimes Bild, das den Menschen inmitten seines Lebens- und Arbeitsumfeldes
zeigt.
Von ähnlicher Qualität ist das Bildnis des Johann Friedrich Wülfing (Abb.
S. 90) aus der Zeit um 1840. Dem Vorgängerbild bis ins Detail entsprechend
aufgebaut, ist dieses Bild jedoch insgesamt privater. Die Möblierung ist die
eines gediegenen Wohnraumes wohlhabender Leute. Auch dieses Bild zeigt,
wie oft bei Schwingen, einen kleinen Hund, der seinem Herren zugetan ist
und dessen Stammplatz sich offensichtlich unter dem Tisch befindet, denn da
steht auch die Futterschüssel. Aus dem Fenster blickend sieht der Betrachter
ein verschiefertes Haus mit grünen Läden, so dass er auch hier sicher sein
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kann, im Bergischen zu sein. Die Figur Wülfings ist gegenüber dem Interieur
zurückhaltend, mehr in den Hintergrund getreten. Das schmückende Beiwerk, das „Dekorum“ hat einen hohen Stellenwert. Schwingens Freude am
erzählenden Moment, am Erfassen von in sich geschlossenen Szenen wird
deutlich. Sein Ziel ist es, den Menschen in seiner Umgebung darzustellen, um
ihm gerecht zu werden.
Im Jahr 1843 erhält er daraufhin auch den Auftrag, Wülfings Schwester Gertrud de Weerth (Abb. S. 86) posthum zu malen. Die bereits 1829 verstorbene Frau Peter de Weerths darzustellen, war sicherlich keine leichte Aufgabe.
Dennoch erledigt Schwingen dies mit Bravour. Die ältere Frau sitzt mit einem schwarzen Kleid und weißen Spitzenhäubchen bekleidet am Fenster und
hält in der Hand einen weißen Strickstrumpf. Auf dem Tisch neben sich ein
Körbchen mit Wolle und Nähutensilien, im Hintergrund ein Fenster und an
der Wand eine edle Nußbaum-Kommode mit Schubladen. Besonderer Blickfang sind die beiden Blumenstöcke rechts und links neben der Uhr. Blühende
Kamelien waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders beliebt,
sie geben dem Bild Wärme und lenken ab von der recht strengen übrigen
Darstellung.
Schwingen scheint mit dieser Art des Porträts zu reüssieren. So schuf er 1846
das Porträt der Familie von Eynern (Abb. S. 95), wobei die Eltern Eynern
wohl auch posthum dargestellt wurden. Bildaufbau und die ganze Auffassung
sind hier den vorhergehenden Bildern wiederum sehr ähnlich, nur die Tochter
Nanette, die eine Häkelarbeit in den Händen hält, scheint nach dem Leben
gemalt. Dieserart Erinnerungsbilder trugen wohl zu Schwingens Ruhm als
Bildnismaler bei. Im Jahr 1844 bekam er den Auftrag, die Familie KeuchenWerlé darzustellen (Abb. S. 92). Schwingen bleibt bei dem bisher so erfolgreich angewandten Bildaufbau, fügt wiederum einen kleinen Hund hinzu
und charakterisiert die Familie durch drei Bilder an den Wänden des Zimmers als kunstsinnig. Auch hier wieder der Blick auf bergische Häuser. Die
Familie scheint wie zur Kaffeestunde versammelt, doch nicht zufällig, sondern
mit dem Bewusstsein, dem Künstler Modell für ein bedeutendes Familienbild
zu sitzen. Schwingens Gemälde nimmt schon einiges dessen voraus, was die
frühe Porträtfotografie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts uns heute
so interessant macht. Maler und Fotografen standen sich kaum nach in der
Intention, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen und eine authentische
Momentaufnahme schaffen zu können. Es ist der analytische Blick, den die
Maler des Biedermeiers die späteren Fotografen lehrten. Es ist der Blick, der
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sich bemüht, hinter die Kulissen zu schauen, ohne dabei allerdings die gesellschaftlichen und persönlichen Tabus zu verletzen. Gekennzeichnet von großer
Genauigkeit aber nicht jener Detailbesessenheit, wie sie das späte 19. Jahrhundert hervorgebracht hat, erlebten gerade die Düsseldorfer Maler, wie es
am Beispiel Schwingens deutlich wird, die sozialen Gegensätze mit eindringlicher Schärfe. Schwingen ist durch seine Herkunft prädestiniert, den Gegensatz zwischen arm und reich besonders deutlich zu spüren. Einerseits reist er
durch das Tal der Wupper und porträtiert die prosperierende frühindustrielle
Gesellschaft, andererseits kennt er die ärmlichen Verhältnisse auf dem Dorf
und hat selbst materielle Sorgen kennengelernt. Ein besonders schönes Familienbildnis schuf Schwingen im Jahr 1854. Es stellt wohl drei Generationen
einer Familie dar, die Großmutter ist offensichtlich erkrankt und ihr Leben
scheint sich dem Ende zuzuneigen. Versorgt von Sohn und Schwiegertochter,
die sich liebevoll um die Kranke bemühen, scheint sie der Mittelpunkt der
Familie zu sein. Hier hat Schwingen wieder ein Erinnerungsbild zu schaffen,
das den Tod der alten Dame ahnen lässt. Ein Bild voller Intimität und größter
Glaubhaftigkeit. Schwingen zeigt die Sorge der Familie und macht dem Betrachter klar, dass ein Leben zu Ende geht. Ein Bild ohne falsches Pathos, das
man mit Recht als ein reifes Spätwerk betrachten kann.
Ein Gemälde, das Schwingens Interieur-Porträts möglicherweise anregte, ist
das Bild „Frau am Fenster“ von 1837. Als Studie nicht bis ins letzte Detail
ausgemalt, ist dieses Bild voller Harmonie und Atmosphäre. Es zeigt eine stickende Frau am Fenster. Die Bilder an den Wänden und die dem Betrachter
geradezu provokativ entgegenblickende Büste machen deutlich, dass es sich
hier nicht um einen kleinbürgerlichen Haushalt handelt. Dieses kleinformatige Bildchen ist gleichsam das Schlüsselwerk für die später so erfolgreich verkauften Einzelporträts und Familienbildnisse. Schwingen sah die Möglichkeiten, die in diesem Bildaufbau lagen und bediente sich dessen über viele Jahre
hin.
Noch aufschlussreicher für sein Gesamtwerk sind aber die Genre-Szenen des
ländlichen Lebens, die einen Zyklus darstellen, der es bei weitem lohnen würde, ihn einmal in der Gesamtschau auszustellen. Leider sind aber auch hier
einige Werke z. Zt. verschollen oder in extrem schlechtem Erhaltungszustand,
so dass dieses Unterfangen der Zukunft vorbehalten bleiben muss.
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Mädchen am Brunnen, Öl auf Leinwand,
nicht datiert, Privatbesitz
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Den Anfang der ebenso aufschlussreichen wie schönen Reihe von Bildern soll
eine undatierte Arbeit machen: Das „Mädchen am Brunnen“. Eine junge,
hübsche Frau lehnt an einer Brunneneinfassung und schaut den Betrachter
ein wenig kokett an. Sie wirkt gleichermaßen neugierig wie skeptisch abwartend – ein Kind vom Land, dessen Tracht mit dunklem, besticktem Mieder
und goldbesticktem Häubchen oftmals den Anlass geboten hat, für Muffendorf eine Art Winzerinnentracht zu vermuten. Da Schwingen diese Kleidung
häufiger dargestellt hat, liegt dies auch nahe. Ein hoher gelber Tonkrug steht
neben den Füßen des Mädchens und ist Hinweis darauf, dass sie den Brunnen
besucht, um Wasser zu holen. Der Krug ist allerdings so auffällig platziert,
dass er wie zum Vorwand mitgenommen wirkt. Vielleicht verbirgt sich auch
ein galantes Geheimnis im Bild, denn sie scheint in ihrer dunklen Schürze
etwas verborgen zu halten. Nach hinten öffnet sich das Bild in eine sanft geschwungene Hügellandschaft. Die Bäume geben einen kleinen Blick auf einen
Steinbruch frei; eine romantische Landschaft, die für ein heimliches Treffen
gut geeignet ist.
Ein weiteres Mal malt Schwingen eine junge Frau in Tracht, das Bild ist ebenfalls nicht datiert: „Die Strickerin“. Auch hier hat Schwingen wieder eine kleine Momentaufnahme geschaffen, die man auf seinen Heimatort Muffendorf
beziehen möchte. Das junge Mädchen sitzt mit einem Strickstrumpf in den
Händen vertieft in seine Arbeit und scheint ganz gefangen von der Tätigkeit.
Nähe und intime Wirkung des Bildes lassen auf ein anonymes Porträt schließen, auch das Gesicht entspricht nicht einem Typus, sondern ist individuell
geschnitten. Dass es sich hier um eine ländliche Szene handelt, hat Schwingen
anhand nur eines kleinen Details deutlich gemacht. In der schadhaften Wand
im Hintergrund des Bildes sieht man einen grob geschmiedeten Nagel, der
wie zufällig dem Auge noch eine kleine Attraktion bietet und den Hintergrund des Bildes abschließt. Auch diese kleinen Kunstgriffe heben Schwingens Bilder über die Masse der biedermeierlichen Bilderproduzenten hinaus.
Schwingens früheste datierte Genreszene ist die „Vesperzeit am Sonntag“ von
1837. Als Vierundzwanzigjähriger malte er diese technisch und thematisch
ausgereifte Szene, die ebenfalls in ländlicher Umgebung spielt. Der Haushalt
der beiden Alten gehört zu den wohlsituierten, wie die liebevoll geschilderte Ausstattung des Raumes anschaulich macht. Ein bescheidener Wohlstand
herrscht im Hause, die Dröppelminna auf dem Tisch wartet auf den Sonntagnachmittäglichen Einsatz, Steinzeugtöpfe stehen herum, der Betrachter weiß,
es kann sich nur um eine Szene handeln, die irgendwo im Rheinischen oder
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Bergischen anzusiedeln ist. Dieses Lokalkolorit bleibt zeitlebens ein Kennzeichen zahlreicher Arbeiten Schwingens. Rechts, ein wenig im Hintergrund,
sitzt eine alte Frau und hält eine Kaffeemühle zwischen den Knien. Sie dreht
das Mahlwerk, das man in der Stille des Nachmittags zu hören glaubt. Ihr
Mann sitzt in einem Ohrensessel am Fenster und liest konzentriert in einem
alten Buch, das mit Metallbeschlägen ausgestattet ist. Die Füße stecken in
Filzgaloschen – bis heute unverändertes Kennzeichen für den Müßiggang am
Feierabend oder am Wochenende. Das Buch hat einen besonderen Wert. Wie
die geöffnete Tür des Wandschranks zeigt, birgt dieser offensichtlich die wenigen Schätze des Hauses. Ein alter Bronzemörser teilt sich den Schrank mit
einem Dokument und einigen alten Büchern. Zwischen den Alten scheint
ein sprachloses Einvernehmen zu bestehen, ein ruhiger Sonntagnachmittag,
eine Idylle, wie Schwingen sie vielleicht aus seiner Kindheit im Dorf gekannt
haben mag.
Das Dorf hat ihn in dieser Zeit noch mehrmals zu Bildern inspiriert, wie die
„Frau mit Kindern im Torbogen“ von 1839 zeigt. Schwingen mag sich einen
Zyklus von Bildern des ländlichen Lebens vorgestellt haben, als er sich mit
diesen Themen beschäftigte. Auch dieses kleine Bild stellt eine Idylle vor, eine
Momentaufnahme des kleinen Glücks, die die Sorgen und Nöte der kleinen
Leute auf dem Land ausklammert.
Eine junge Bäuerin hält ihr Kleinkind, das soeben eingeschlafen ist, in den Armen. Das zweite Kind sitzt ihr zu Füßen und scheint in ein Spiel versunken.
Hühner scharren im Hof, vier Tauben sitzen auf dem Dach und neben der
Tür plätschert ein dünner Wasserstrahl in einen Holzeimer. Auch hier platziert Schwingen als Blickfang einen Steinzeugkrug auf der Türschwelle. Der
Torbogen gibt den Blick frei auf einen Hohlweg, der in eine Auenlandschaft
führt. In weiter Ferne sieht man einen breiten Fluss, auf dem ein großes, weißes Segel zu sehen ist. In Verbindung mit dem rheinischen Steinzeug kann es
sich nur um den Rhein handeln. Schwingens Liebe zum Detail erfasst sogar
die Schwalbennester unter den Kragbalken des alten Fachwerkhauses. Eine
Vorstudie zu diesem Bild, die zunächst nur durch ein Foto von Julius Söhn
bekannt war, ist kürzlich aus dem Besitz des weiteren Familienkreises von
Schwingen wieder aufgetaucht (Abb. S. 40).
Im gleichen Jahr befasst sich Schwingen mit einer weiteren ländlichen Szene.
Die Darstellung einer Winzerin ist als Vorstudie, wahrscheinlich zu dem nicht
überlieferten Bild „Die Winzerin“, erhalten (Abb. S. 40).
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Schwingen hat sich zu Beginn der 1840er Jahre mit sozialen Themen zu beschäftigen begonnen. Möglicherweise hat ihn eine tatsächliche Begebenheit
zum ersten Bild inspiriert – was in der Zeit der großen Lotterien nicht weiter
verwunderlich wäre. Der „Lotteriejude“ ist eines der bedeutenden Schwingen-Bilder, das die kleine überschaubare Welt des Malers reflektiert, das von
Figuren lebt, die Schwingen auch in Bildern mit anderen Themen vorgestellt
hat. In der Wohnstube des Schmieds hat sich die ganze Familie versammelt,
um über das Angebot des reisenden Losverkäufers zu beraten. Der Schmied
prüft skeptisch das Angebot, während der Loshändler lebhaft die Vorteile
seines Angebotes unterstreicht. Im Hintergrund ist die Schmiede-Werkstatt
angedeutet, die Schwingen auch in anderen Bildern gerne als Hintergrundgestaltung verwendete (z. B. im „Martinsabend“, auf den noch später eingegangen wird). Die Ausstattung des Wohnraums erinnert entfernt an das
Ambiente der „Vesperzeit am Sonntag“; auch hier finden sich Dröppelminna
und Steinzeugkrüglein. Zwei Gefäße, die offensichtlich immer dazugehörten.
Die Geschichte des Schmieds erfuhr eine Fortsetzung: „Das große Los“. Der
Schmied, überrascht vom unverhofften Glück, hat den Hammer fallengelassen und kann es kaum fassen. Für die Familie tut sich ein warmer Geldregen
auf; l400 Taler Gewinn ruhen in dem Säckchen, das der Bote des Losverkäufers leger über der Schulter trägt. Hier wird der Losverkäufer zum Glücksboten, wie ihn schon die antike Bildtradition kannte. Das weinumrankte
Fachwerkhaus und die Kirche mit dem rheinischen Turmhelm machen dem
Betrachter auch wieder eindringlich klar, dass die Geschichte in einem kleinen
rheinischen Ort spielt.
Um die Sache aber zu einem richtigen Abschluss zu bringen, arbeitet Schwingen ein drittes Bild aus, das vom „Schmaus nach dem Gewinn des großen
Loses“ erzählt. Ein deftiges Fest mit Musik und großer Gesellschaft findet
in der Stube des Schmieds statt. Vom Spätsommer bis zum Winter hat der
Schmied sein Los soweit verbessert, dass er nun auch die armen Verwandten
zum Fest einladen kann. Schwingen schuf ein Bild, in dem viele wunderbare
kleine Geschichten vereint sind, es gehört zu den Höhepunkten seines Werkes und ist Zeugnis für eine wohl gelaunte Fabulierkunst des Malers. Der
Schmied ist im feinen Gehrock kaum noch wieder zu erkennen, Schnallenschuhe und goldene Uhrkette sind Zeichen des neuen Wohlstands, wobei der
Schmied offensichtlich auch nicht die weniger begüterte Familie vergisst, die
nach langem Fußmarsch durch Schnee und Eis mit offenen Armen empfangen wird. Der Wein fließt reichlich, spielt im Bild immer wieder eine kleine
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Der Schmaus nach dem Gewinn des großen Loses,
Öl auf Leinwand, 1843, StadtMuseum Bonn
aber deutliche Rolle: ganz links füllt der Geselle den Wein in Flaschen ab,
die zur Kühlung in kaltem Wasser stehen. Schwingen selbst hatte offenbar
die Erfahrung, dass der Rheinrotwein gut gekühlt auf den Tisch zu kommen
hatte. Ganz rechts am Tisch haben zwei Freunde die Gläser zum Gruß erhoben, wobei das eine sich bedenklich neigt und der Wein sich dem anderen
über die Sonntagsjacke ergießt. Offenbar haben beide schon recht tief ins
Glas geschaut, wie die rosigen Wangen und roten Nasen verraten. Auch der
jüngste Besucher des Fests nutzt die Gelegenheit, als ihm im allgemeinen Begrüßungstrubel niemand Beachtung schenkt, um den guten Wein zu kosten.
Ganz heimlich trinkt er die Reste aus dem Glas, wobei er nach dem Vater
schielt, sich des verbotenen Tuns bewusst – eine amüsante kleine Szene. Ganz
im Hintergrund versucht ein junger Mann die Magd von seinen Qualitäten
zu überzeugen. Diese scheint hin und her gerissen zwischen der Pflicht, den
knusprigen Gänsebraten auf den Tisch zu bringen, und dem Vergnügen des
galanten Gesprächs. Die beiden Musikanten untermalen die ganze Szene mit
Posaunen- und Geigenmusik. Der eigentliche Gegenstand des Festes, das Los,
prangt wie eine Trophäe an der Tür des Wandschränkchens. Der kleine magere Hund im Vordergrund, dessen deutlich hervortretende Rippen ein Zeugnis
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geben von der ansonsten mageren Kost im Hause, hat natürlich auch ein
Stück vom Braten erhalten. Schwingen hat ein frohes ländliches Fest gemalt,
das ihn selbst als Mann von tiefgründigem Humor charakterisiert. Es waren
die einfachen Dinge des Lebens, die ihm Bildthemen wert waren, und die er
in warmen Tönen ohne jedes Pathos darzustellen verstand.
Der Schmied bot Schwingen auch später wieder Anlass, eine humorvolle Variante des Themas zu malen. Eine junge Frau bringt ihre Sichel zum Schmied,
um sie ausbessern zu lassen, da sie offensichtlich beim Mähen schartig geworden ist. Der deutlich ältere Schmied nutzt die Situation, um mit der Arglosen, da er sich unbeobachtet fühlt, ein wenig zu schäkern. Er ahnt nicht,
dass seine Alte mit geballter Faust hinter dem Butzenscheibenfenster steht
und die Heimlichkeit erfasst. Ein amüsantes Genrebild, das zu Schwingens
Spätwerken gehört. Ganz offensichtlich hat er hier von einem Gemälde David
Teniers d. J. profitiert: „Der alte Mann und das Mädchen“ (um 1631-1641,
55 x 90 cm), das sich heute im Prado in Madrid befindet und dessen Bildidee
er in seine Bildwelt übersetzt hat.4 Auch hier erweist sich wieder, dass Schwingen ein Meister darin war, Bildideen zu variieren.
Offensichtlich waren für Schwingen gute Jahre angebrochen, denn 1844 malte er wiederum ein sehr fröhliches Bild, das ebenfalls aus dem rheinischen
Brauchtum heraus lebte: „Das Preisschießen um ein fettes Schwein“. Auf dieses Bild wird in dem Aufsatz über Schwingen, den Vormärz und Heinrich
Heine noch genauer eingegangen werden (S. 129ff.).
1845 oder 1846 ist es mit der Fröhlichkeit vorbei. Ein bewegendes, dramatisches Bild entsteht, das die Not der ländlichen Bevölkerung, die von der
Frühindustrialisierung und ihren sozialen Folgen bedroht war, verdeutlichte:
„Die Pfändung“ (Abb. S. 110). Ein Bildthema, das im zweiten Drittel des
19. Jahrhunderts mehrfach interpretiert worden ist. Ausgangspunkt war wohl
ein Gemälde David Wilkies mit gleichem Thema, das 1828 durch einen Stich
in Deutschland bekannt wurde. Gerade bei den beiden Düsseldorfern Peter
Schwingen und Karl Hübner traf das Motiv wohl einen Nerv. Schwingens
Pfändung ist ein dramatisches Bild. Während sich der Handwerker, Gesellen und Kinder dem Unabänderlichen hingeben, versucht die junge Ehefrau
auf den Knien liegend, den Gläubiger um Aufschub oder Nachlass zu bitten.
Doch der reiche Bürger scheint in keinem Falle gewillt, von seiner Forderung
abzuweichen. In diesem Bild, von dem Schwingen mehrere ähnliche Fassungen schuf, fokussierte Schwingen die soziale Situation der Handwerker.
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In der zweiten Fassung des Bildes ist das Dramatische der Situation noch
ein wenig gesteigert. Indem Schwingen den Alkoven mit dem Vorhang weg
lässt, sieht man den Gehilfen, der die wenigen Güter fort trägt, umso deutlicher. Ein weiteres Bild mit ähnlichem Inhalt ist heute verschollen: das nicht
versteuerte Brot. Wolfgang Müller von Königs­winter, der den Genrebildern
Schwingens und der „Tendenzmalerei“ skeptisch gegenüber stand, beschreibt
das Bild wie folgt: „ ... Hierher gehört zunächst das nicht verzollte Brod. Dasselbe ist eine derbe Satyre auf die Schlacht- und Mahlsteuer. Wir sehen nämlich
in das Thor einer Stadt. Steueraufseher greifen mit brutalem Ausdrucke ein armes
Bettelkind auf, das einen Laib Brot für die Familie vorbeiträgt, während Jäger,
die sich Rehe nachschleppen lassen und die überdies von Wild strotzenden Taschen
umgehängt haben, unbefangen und ungehindert, sogar salutiert von den Dienern
des Gesetzes vorbeiziehen.“ 5
Es waren keine Einzelschicksale, die zu solchen Bildern Anlass gaben, sondern
häufig wiederkehrende Geschehnisse, die Schwingen veranlassten, die Stimmung des Vormärz und die daraus resultierenden Ereignisse des Jahres 1848
zu formulieren. Schwingen hatte allerdings keinerlei visionäre Vorstellungen
von den politischen Entwicklungen. Diese Werke mit engem politischem Bezug stellten gesellschaftliche Realität dar, nicht überzeichnet, nicht befrachtet mit dem Anspruch auf überzeitliche Bedeutung. Es blieben anekdotische
Einzelwerke, die sich in die Reihe der Genrebilder nahtlos einfügen, aber eine
stärkere Politisierung des Autors signalisierten, die aber mit der Weltanschauung seiner zahlreichen bürgerlichen Auftraggeber zu vereinbaren war.
Das zeitlich folgende Genrebild „Die Weinlaube“ wendet sich dann auch wieder den erfreulicheren Dingen des Lebens zu. Dargestellt ist eine Weinprobe
vor dem Kelterhaus. Der Weingutsbesitzer, gekennzeichnet durch Gehrock
und Zylinder, schaut kritisch, ob der neue Wein auch klar und von guter Farbe ist. Links vorne im Bild sitzt ein kleiner Junge rittlings auf einem kleinen
Fass, dahinter steht der Kellermeister, der seinen Wein anpreist. Im Hintergrund sieht man die riesige Spindel der Weinpresse, davor drei kleine Mädchen, die gerade mit dem Knecht zanken, der ihnen eine lange Nase zeigt.
Schwingen rahmt die ganze Szene durch einen Torbogen ein, um den sich
Weinreben ranken. Die Blätter haben sich schon verfärbt, so dass die nächste
Lese vor der Tür steht, und der Vorjahreswein unbedingt abgefüllt werden
muss, damit eine ausreichende Anzahl von Fässern für den neuen Wein zur
Verfügung steht. Das Bild entstand als Auftrag eines Düsseldorfer Weingutsbesitzes und Hoteliers.
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Eines der letzten Genregemälde Schwingens nimmt ein Thema auf, dem er
sich bereits 1837 gewidmet hatte. Die „Vesperzeit am Sonntag“ wird 1862
zu einem „Beschaulichen Lebensabend“. Das späte Werk ist in der Formulierung von Einzelheiten konsequenter, wenn auch im Bildaufbau und in der
Größe nahezu identisch mit dem frühen Gemälde. Schwingen versetzt die
Szene in eine kleinbäuerliche Umgebung, die einfacheren Ausstattungsstücke
lassen alles bescheidener wirken. Der Ohrensessel, möglicherweise ein Möbelstück, das Schwingen über viele Jahre begleitet hat, wird allerdings unverändert übernommen, wohingegen der Tisch nun kein spätbarockes Prunkstück,
sondern ein einfacher Holztisch ist. Zwei Bilder, die zeigen, dass Schwingen
sich und seinen Bildthemen über 25 Jahre treu geblieben ist. Das Bild macht
aber auch deutlich, dass Schwingen früh seinen Stil gefunden hatte und offensichtlich keinen Anlass sah, ihn zu verändern. Seine Bilder haben ihm ein
auskömmliches, wenn auch nicht allzu üppiges Dasein gesichert, was er dem
Markt zu bieten hatte, fand seine Käufer.
Beschaulicher Lebensabend, Öl auf Leinwand,
1862, Privatbesitz
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Dies gilt in besonderem Maße für die Darstellungen des Martinsabends. Ein
Thema, das Schwingen vielfach variierte und das seine Kinderbilder besonders ins Blickfeld führt. Die Reihe der Kinderbilder führen zwei undatierte
Arbeiten an, die heute nicht mehr nachweisbar sind. Fotokopien von alten
Abbildungen zeigen jedoch, dass Schwingen das Thema Kind und Hund faszinierte. Das erste Bild zeigt ein kleines Mädchen, mit langer Schürze und
Häubchen bekleidet, das auf einer Treppenstufe stehend ins Gespräch mit
dem Hofhund vertieft scheint. Eine Szene, wie sie typisch ist für das dörfliche
Leben und die Zuneigung zwischen Kind und Hund. Ebenso schildert das
nächste Bild eine kleine Anekdote aus dem Leben eines Bauernkindes. Von der
Müdigkeit übermannt, hat sich ein kleiner Junge in die Hundehütte zurückgezogen, den Kopf auf den Rücken des angeketteten Wachhundes gebettet,
und ist tief eingeschlafen. Die Holzschuhe sind ihm von den Füßen gefallen,
der Mund steht im Schlaf weit offen, und nur der Hund bewacht aufmerksam
den Schlaf seines kleinen Herren. Der Hund lässt sich nicht einmal durch ein
eifrig pickendes Huhn ablenken. Beschirmt wird die ganze Szene von einem
ausladenden Holunderstrauch, dessen Blüten auf einen Frühlingstag hinweisen. In einer zweiten Version dieses Themas wird der schlafende Junge vom
Bauern des Hofes überrascht. Sie wurde 2001 im Kunsthandel angeboten und
ist heute in Privatbesitz.
Diese kleinen Dorfidyllen werden ergänzt durch ein 1842 entstandenes Bild,
das drei Kinder mit Hund zeigt. „Die Kinder pflegen ihren kranken Hund“
(Abb. S. 81) – eine alltägliche Begebenheit, wie alle Kinder sie schon einmal
erlebt haben. Der kleine Hund wird zum Gegenstand ernster Sorge, wenn er
einmal einen Tag fastet oder weniger lebhaft als an anderen Tag ist. So lässt
der Hund denn, hin- und her gerissen zwischen echter Freude über die Zuwendung und dem Wunsch, sich den Kindern entziehen zu können, alles mit
sich geschehen. Er erträgt die liebevolle Zwangsfütterung, solange er sich nur
der Aufmerksamkeit der Kinder sicher ist. Auch hier deuten Brunnen und
Holunderbusch auf eine dörfliche Umgebung hin. Schwingen mag sich an
Begebenheiten aus seinen Kindertagen in Muffendorf erinnert haben und mit
leiser Wehmut, gepaart mit feinem Humor, diese Kinderbilder als Beschwörung einer glücklichen Kindheit gemalt haben.
Das Gemälde „Mädchen und Katze“ ist ein weiterer Hinweis darauf, wie stark
Schwingen offenbar von seiner Kindheit im Dorf geprägt war. Die Diele eines
alten Fachwerkhauses ist die Kulisse für die Szene. Das kleine Mädchen hat
sich den Stuhl ans Fenster gerückt und strickt einen bunten Schal. Der Eifer,
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mit dem sie bei der Sache ist, steht ihr ins Gesicht geschrieben, und auch die
Katze, die ihr Gesellschaft leistet und mit dem Wollknäuel spielt, lenkt sie
nicht ab. Für den Stuhl ist sie eigentlich noch zu klein, aber dass die Füße über
dem Boden baumeln, scheint sie nicht zu stören. Mit Ausstattungsdetails ist
Schwingen hier sparsam umgegangen, nur die Gläser auf dem Wandschrank
und der Bierkrug an der Wand geben einen dezenten Hinweis darauf, dass das
Mädchen vielleicht eine Wirtsstube zu betreuen hat, und sich die Wartezeit
mit dem Stricken des bunten Schals verkürzt. Eine kleine Szene, die Ruhe
und kindliches Glück ausstrahlt. Ganz ähnlich aufgefasst ist auch das Bild
„Kind mit Taube, Huhn und Katze“, das noch einmal die Qualität der Kinderbilder Schwingens unterstreicht.
Mädchen mit Taube, Huhn und Katze,
Öl auf Leinwand, 1852, Privatbesitz
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Ein erst kürzlich wieder aufgetauchtes Bild, das den Besuch einer reichen
Dame im Bauernhaus zeigt, gehört ebenso in diesen Zusammenhang, wie das
kleinformatige Gemälde „Wie groß ist das Kind?“ (Abb. S. 8).
Aber nicht nur die Genreszenen weisen Schwingen als liebevollen Erzähler
einer Kinderwelt aus. An seinen Kinderporträts offenbart sich besonders die
Qualität seiner Malerei. Ein Bildnis eines kleinen Mädchens, das bisher nur
aus dem Bildarchiv Söhn bekannt ist, ist ein besonders schönes Beispiel. Ein
etwa drei bis vierjähriges Mädchen trägt einen kleinen geflochtenen Korb am
Arm und es pflückt Blumen, die es liebevoll in diesem Körbchen sammelt. Es
hat seine Aufmerksamkeit gerade einem Fuchsienstock zugewandt und hält
eine Blüte zwischen den Fingern. Die üppigen Weinreben im Hintergrund
und die blühenden Fuchsien bilden einen Kontrast zum zarten, hellen Kleid
des Mädchens. Eine Kette aus dunklen Korallenperlen deutet an, dass dieses Kind nicht aus der kleinbäuerlichen Umgebung der Kindheit Schwingens
stammt. Möglicherweise handelt es sich auch hier um ein Auftragswerk.
Stilistisch in enger Beziehung zu diesem Bild steht auch eine nicht signierte Arbeit, die bereits von Holzhausen Schwingen zugeschrieben wurde.6 Es
handelt sich um die drei Kinder von Ernst Eugen de Weerth (Abb. S. 83).
Schwingen schuf auch hier ein lebendiges Bild, das den Kindern Ernst, Clara und Arthur einen kleinen Hund als Begleiter zugesellt. Der Junge im karierten Kleid bietet dem Hund ein Stückchen rheinisches Schwarzbrot an,
ohne das Tier damit aber sonderlich locken zu können. Hund und Kind – ein
Thema, das Schwingen so häufig malte, vereinte er hier zu einem reizvollen
Familienbild.
Bisher nur aus dem Fotoarchiv Söhn, jetzt aber auch als Original im Familienbesitz, ist ein Kinderporträt bekannt, das einen kleinen Jungen zeigt. Ein fröhliches Kind mit blondem Haar und einem Grübchen am Kinn. Das Format
des Bildes ist fast quadratisch, auf Dekorationen hat Schwingen hier völlig
verzichtet. Nur der weiße kleine Hemdkragen ist schmückendes Beiwerk. Ein
handschriftlicher Zusatz auf dem Söhn-Foto nennt als Dargestellten Hubert
Philipp Schwingen, das dritte Kind Schwingens aus erster Ehe (Abb. S. 4). Da
dieses Kind 1842 geboren wurde und hier als etwa Sechsjähriger dargestellt
ist, muss das Bild um 1848 entstanden sein.
Ein besonders schönes Kinderbildnis schuf Schwingen im Jahr 1858. Das
„Mädchen in Weiß“ zeigt ein etwa sechs- bis achtjähriges Mädchen, dessen
große dunkle Augen einen exotischen Eindruck hervorrufen. Die langen
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dunklen Haare sind streng aus der Stirn zurückgekämmt und am Hinterkopf in einem Netz zu einem großen Knoten zusammen gefasst. Ein goldener Anhänger am Ohr schmückt das Kind, dessen weißes Kleid in reizvollem
Gegensatz steht zu dem dunklen Haar. Es ist nicht überliefert, ob es sich um
ein konkretes Porträt und Auftragswerk handelt, oder ob Schwingen das Mädchen allein wegen seiner faszinierenden Ausstrahlung gemalt hat. Aus dem
Jahr 1862 ist das Bildnis eines Knaben erhalten, der im Samtanzug sonntäglich herausgeputzt dem Maler Modell gestanden hat (Abb. S. 83). Ein Degen
an der Seite und die kleinen roten Korallenknöpfe am Kragen und an den
Manschetten lockern die strenge Komposition auf. Im Hintergrund erscheint
eine großblättrige Zimmerpflanze, deren Stängel mit einer roten Schleife, die
das Rot der Zierknöpfe aufnimmt, zusammengebunden sind. Es ist bisher
nicht bekannt, welchen Knaben das Bild darstellt, doch weisen Bezüge über
die Besitzergeschichte wieder auf eine bergische Fabrikantenfamilie hin.
Das mit Sicherheit erfolgreichste Bildthema Schwingens ist der Martinsabend.
Wie schon die Anzahl der heute nachzuweisenden Bilder erkennen lässt, muss
es sich hierbei um ein im Rheinischen äußerst beliebtes Thema gehandelt haben. Allein sieben Bilder mit dem Titel „Martinsabend“ in unterschiedlichen
Fassungen haben sich erhalten bzw. sind nachweisbar. Es sind durchweg kleinformatige Arbeiten, von denen allerdings ein eigenartiger Zauber ausgeht.
Die runden Kindergesichter leuchten mit den Martinslaternen um die Wette.
Neben Weihnachten ist im Rheinland das Martinsfest das schönste Kinderfest
im ganzen Jahr. Kleine und größere Kinder ziehen gemeinsam durch die Straßen und singen Lieder, die den Hl. Martin ehren und die, die am Wegesrand
wohnen, an seine Mildtätigkeit erinnern sollen. So kommt denn manche gute
Gabe zusammen bei der Mahnung: „ ... hier wohnt ein reicher Mann, der vieles
geben kann ...“. Schwingen schildert hier ein für das Rheinland sehr typisches
Fest, das mit seinen Laternen aus Kürbissen und Rüben, mit seinen Feuern
und den Bettelzügen der Kinder eng verbunden ist mit der Legende des Hl.
Martin von Tours und mit den altgermanischen Bräuchen des Herbstfestes.
Gerade das Martinsfest, das einen der ältesten Patrone rheinischer Kirchen
ehrt, verbindet heidnisches und christliches Brauchtum besonders offensichtlich miteinander.
Im Hintergrund anderer Fassungen des „Martinsabends“ ist eine Schmiede
mit rötlich glühendem Widerschein des Feuers auf den Wänden zu sehen. Die
Kinder haben Kerzen in ihren ausgehöhlten Rüben angezündet und freuen
sich an dem Lichterschein. Im Zentrum des Bildes steht ein junge Frau, ihr
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Kleinkind auf dem Arm. Liebevoller hat kaum ein Maler rheinisches Brauchtum illustriert. Mit kleinen Änderungen in Details hat Schwingen dieses
Thema immer wieder variiert, dabei sind einige Versionen bemerkenswert,
weil sie vedutenartig z. B. den Turm der St. Lambertuskirche oder das JanWellem-Denkmal in Düsseldorf erkennen lassen. Gerade die Darstellung des
Jan-Wellem-Denkmals lässt Schwingens humorvoll-ironische Ader zur Geltung kommen: Die barocke Statue Herzog Johann Wilhelms II. von JülichBerg, Kurfürst von der Pfalz, wohl das Hauptwerk des Hofbildhauers Gabriel
de Grupello, erfährt bei Schwingen eine erstaunliche Wandlung. Aus dem
stolzen Vollblüter wird ein plumpes Pony. Nicht nur die gedrungene Figur
verrät dies, sondern auch die Haltung der Beine. Das Pferd ist im Passgang
dargestellt, und diese Gangart beherrschen nur Kleinpferde. Ein lustiges Bildchen, das Schwingen wahrscheinlich für eines seiner Kinder gemalt hat. Der
Martinsabend war so erfolgreich und die Nachfrage offenbar so groß, dass
eine Radierung nach einem Schwingen-Motiv aufgelegt wurde.
Martinsabend (VI), 1837 oder später,
Verbleib unbekannt, Foto: Julius Söhn
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Die Bilder beweisen, dass Schwingen ein großer Freund der Kinder gewesen
ist. Manche Anekdote über sein Leben mit den eigenen Kindern mag daher ein Körnchen Wahrheit enthalten. Eine besonders schöne Geschichte soll
hier kurz wiedergegeben werden. Es wird heute noch in seinem Geburtsort
Muffendorf, einem kleinen Fachwerkdorf bei Bad Godesberg, erzählt, dass
Schwingens Kinder in einem von einem Ziegenbock gezogenen Wägelchen
durch die Straßen Düsseldorfs fuhren. Nebenher schritt ein stolzer Papa, der
sich wohl unter den Düsseldorfer Malern als ein rheinisches Original erwiesen
hatte. Aber auch diese Hinwendung zum Kind ist typisch für das 19. Jahrhundert, das man zu Recht als das Zeitalter der Entdeckung der Kindheit bezeichnen darf. Bis weit in das späte 18. Jahrhundert hinein wurden Kleinkinder
eben wie kleine Erwachsene behandelt. Erst die frühen Romane (ab 1780)
und die Veröffentlichung des Gesamtwerkes von Johann Heinrich Pestalozzi
zwischen 1819 und 1826 änderte etwas an der Erziehungspraxis. Das wache
und liebevolle Interesse Schwingens an Kindern wird in zahlreichen seiner
Bilder deutlich. Seine Kinderbildnisse gehören sicherlich zum Besten, was
dieses Genre hervorgebracht hat. Er malt die Kinder gleichsam als wertvolle
Schätze, als fröhliche kleine Persönlichkeiten, in denen sich in besonderem
Maße für den Gläubigen die Gottähnlichkeit des Menschen darstellt. Schwingen ist der Maler der rheinischen Seele geworden.
Aus der Studienzeit an der Düsseldorfer Akademie in den dreißiger Jahren
sind zwei Schülerarbeiten Schwingens erhalten. Eine farbige Zeichnung nach
einem Musketier des 17. Jahrhunderts, die eine Bewegungs- und Kostümstudie darstellt, hat Schwingen mit dem Zusatz versehen: „Ist Durindan nicht
hier?“ (Abb. S. 77). Wahrscheinlich handelt es sich um eine Szene aus einem
der damals in Düsseldorf sehr populären Werke von Ariost. Eine andere frühe
Arbeit zeigt einen Kreuzritter vor einer mittelalterlichen Burg. Beide Blätter
beweisen aber, dass die Bildthemen der Akademie Schwingen nur wenig zu
faszinieren vermochten. Die Zeichnungen wirken hölzern und wenig ambitioniert. Er wandte sich ab von den heroischen Figuren der akademischen
Malerei, hin zu den kleinen Szenen des alltäglichen Lebens seiner Zeit. Er
malte nach seiner Akademiezeit, was er selbst beobachtet hatte, was ihm aus
seiner Kinderzeit im Dorf noch vertraut war. Was ihm als selbstverständlich
im Miteinander des täglichen Lebens vorkam.
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Schwingen gehörte zu den Malern, die sich in ihrem Leben mehrfach selbst
porträtierten. So kennen wir Schwingen als jungen Mann, als reifen Herren
und als alternden Künstler am Ende seines Lebens.
Ein frühes Bildnis, das Schwingen als etwa Zwanzigjährigen zeigt (Abb.
S. 74), ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verschollen. Aber auch hier
hat das Foto-Archiv Söhn wertvolle Hinweise geliefert. Das Porträt war unsachgemäß gelagert worden, Bruchkanten zeigen deutlich, dass es zusammengefaltet lange Zeit deponiert gewesen ist. Zwei Zustandsfotos vor und nach
der Restaurierung zeigen einen sensiblen jungen Mann mit ernstem Blick.
Ganz typisch für Schwingens Porträts ist der dunkle Rock und der düstere
Hintergrund, aus dem das Gesicht hervorleuchtet. Der kleine weiße Kragen
schafft den Übergang zwischen Rock und Gesicht und hebt die zarten Züge
gut hervor.
Ein weiteres Selbstporträt muss einige Zeit später entstanden sein. Es zeigt
Schwingen bereits mit dem Ansatz einer hohen Stirn, geschmückt mit einer
schönen Schleife. Dieses Bild lässt sich bisher nur durch ein in der Tagespresse
veröffentlichtes Foto nachweisen, der Verbleib ist bis heute ungeklärt. Etwa
um die gleiche Zeit ist ein drittes Selbstbildnis entstanden, das Schwingen
nach rechts gewandt zeigt. Haartracht und Kleidung entsprechen der Kleidung der Bürgerschicht gegen Mitte der 1830er Jahre. Auch der Verbleib
dieses Bildes ist nicht geklärt. Aus dem Jahr 1837 hat sich eine Kopie nach
einem Selbstporträt Schwingens erhalten: Er hat sich mit einem breitkrempigen hellen Filzhut bekleidet dargestellt. Ein dünner Bart ziert sein Gesicht
(Abb. S. 2).
Einige Jahre später, vielleicht in den Vierziger Jahren, hat Schwingen sich wiederum selbst gemalt. Diesmal erscheint er als reifer Mann mit Bart und goldener Hemdnadel. Das Bild ist zwar signiert und datiert, doch ist die so aufschlussreiche Jahreszahl nicht leserlich. Dennoch weist das Porträt Schwingen
als bescheiden wohlhabenden Mann aus, der offensichtlich in Düsseldorf sein
Glück gemacht hat. Dann bricht die Reihe der Selbstporträts zunächst ab. Ein
unvollendetes Bild, das nicht datiert ist, kann auch im Zusammenhang mit
den 1848er Ereignissen gesehen werden, zumal sich im Bürgerfreund Bremen
vom 20.5.1849 eine Rezension findet. Die skizzenhafte Ausführung legt den
Schluss nahe, dass Schwingen hier vieles, was ihm im Leben bedeutsam gewesen ist, zusammenfasste, um vor sich selbst und der Nachwelt Rechenschaft
abzulegen. Manche Details lassen sich nicht entschlüsseln, so wie das Bild auf
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Der trauernde Künstler, Öl auf Leinwand, 1849, Privatbesitz
der Staffelei, dessen Inhalt nicht zu erkennen ist. Anderes dagegen schien ihm
wohl so wichtig, dass es auch in diesem frühen Stadium der Malerei schon
sorgfältig ausformuliert war. Schwingen stellte sich und seine Frau im Atelier
dar. Sie beugt sich sorgenvoll über ihn und hält seine Hand – die Innigkeit
dieser Verbindung wird damit unterstrichen. Schwingen sitzt am Tisch und
hält den Kopf in die Linke gestützt. Den barocken Tisch kennt man von
anderen Bildern als Atelierausstattung: so von der „Vesperzeit am Sonntage“
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aus dem Jahr 1837 und aus der „Pfändung“. Um den Tisch herum sind die
Dinge gruppiert, die dem Künstler offensichtlich viel bedeuteten: gegen den
Tisch gelehnt steht eine Gitarre, was darauf hin deutet, dass Schwingen auch
der Musik sehr zugetan war. Im Hintergrund, mit wenigen Strichen angedeutet, steht ein Globus, der möglicherweise auf Träume von weiten Reisen in
ferne Länder hindeutet. Soweit bekannt, ist Schwingen aber niemals über das
Rheinland und das Bergische Land hinaus gereist. An der Wand hängen eine
Büchse und ein grüner Filzhut, beides deutet auf eine Leidenschaft hin, die
Schwingen aus seinem Heimatort mitgebracht haben dürfte: die Beteiligung
an der Jagd und das Vogelschießen. Eines seiner Bilder, das „Preisschießen um
ein fettes Schwein“, hat diese, wohl recht beliebte Tradition, beschrieben. Vater Schwingen hatte als Feldhüter die Jagdpacht des Freiherrn von Fürstenberg
zu bewachen und Wilderer fern zu halten. Ihn selbst und seine Söhne können
wir uns gut als Treiber bei den Jagden der Adeligen vorstellen. Schwingen sah
offenbar in der Zeit um 1848/49 die Notwendigkeit, ein Schlüsselbild über
sich selbst zu verfassen, das der Nachwelt und damit auch seinen Kindern
die Möglichkeit bieten sollte, sich ein Bild über den Maler Schwingen, seine
Träume und sein Wesen, zu machen.
Schwingens Hauptwerke entstand in einer Zeit, die sozial engagierte Kunstwerke von Weltgeltung hervorgebracht hat. Die Beschäftigung mit den kleinen Leuten, mit den vom Schicksal wenig begünstigten Mitgliedern der unteren Schichten wurde im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts geradezu zur
Mode.
1837 schuf Albert Lortzing seine Oper „Zar und Zimmermann“ und nahm
damit die Frage des sozialen Status auf. Nur ein Jahr später erschien in England Charles Dickens Roman „Oliver Twist“, der zum Synonym für sozial
kritische Literatur geworden ist. Dickens selbst hatte nach dem Bankrott des
väterlichen Geschäfts einige Jahre lang bittere Not gelitten und als Kind in
einer Fabrik für Schuhcreme arbeiten müssen. Soziales Elend war ihm ein Begriff, den er aus direkter Anschauung kannte. In Mitteleuropa verschlimmerte
sich die Situation besonders nach 1845. Missernten trieben die Brotpreise in
die Höhe; 1848 kam es zur Revolution. Politische sowie soziale Umwälzungen
betrafen auch das Rheinland und wurden von den Malern der Düsseldorfer
Malerschule aufgenommen.
Peter Schwingen gehört zu einer Gruppe von Düsseldorfern Malern, deren
Hauptinteresse dem Genre und dem Porträt galt. Das Genrebild als „freie
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Kunst“, das Porträt als „Brotkunst“. Zu dieser Gruppe der politisch interessierten rheinischen Genremaler sind vor allem der mit Schwingen befreundete
Johann Peter Hasenclever, ferner Wilhelm Joseph Heine, Karl Hübner, Adolf
Schroedter, Henry Ritter und Ludwig Knaus zu zählen.
Man kann daher Schwingen in Teilen seines Werkes zu Recht als „sozialen
Tendenzmaler“ erkennen.7 Doch erschöpfen sich seine Bilder nicht in der
„Elendsmalerei“. Liebevolle Szenen des ländlichen Lebens bleiben als positive
Themen bestehen. Hier drängt sich auch der Vergleich mit einem Zeitgenossen Schwingens auf: Carl Spitzweg (1808 -1885, München). Spitzwegs wohl
berühmtestes Werk, wenn nicht sogar das berühmteste Werk des Biedermeiers
überhaupt, sein „Armer Poet“, den er in drei Varianten malte, entstand 1839.
Mit bissiger Ironie schildert Spitzweg die Lebensumgebung eines Poeten, der
sich hochtrabend mit klassischem Versmaß auseinandersetzt, gleichzeitig aber
eine schäbige Dachkammer bewohnt, die schlecht beheizt und dazu noch
vom Regenwasser bedroht ist. Die Unvereinbarkeit von großem Anspruch
und schäbiger Lebensrealität, die sicher auch das Leben zahlreicher Malerkollegen prägte, blieb lange Zeit unverstanden, und dies machte das Bild zur vollkommen missverstandenen Ikone biedermeierlicher Malerei. Zu dieser ironischen, bitterbösen Betrachtungsweise dessen, der seinen eigenen Ansprüchen
nicht gerecht wird, hat es Schwingen nie gebracht. Seine Art die Dinge zu
betrachten, war eher eine liebevolle, aus rheinischem Humor geborene heitere
Sichtweise, die niemanden vorführen wollte.
Die stille Zurückhaltung seiner Bilder, die Beschäftigung mit den kleinen
Themen seiner Umgebung kennzeichnet Schwingens Werk. Ein schönes
Beispiel hierfür ist das Bild „Stilles Gedenken oder Gebet zweier Kinder am
Gedächtsnistage ihres vom Blitz erschlagenen Vaters am Eichenstamme“.
Schwingen gelingt es hier meisterlich, die kindliche Trauer darzustellen. Die
Geschwister haben das Kreuz mit einem frischen Blütenkranz geschmückt,
das ältere Mädchen hält die Hände zum Gebet gefaltet, das kleinere Kind
widmet sich aufmerksam einer Blüte. Es scheint die Trauer des älteren Kindes
zu spüren, ohne sich aber recht des Grundes bewusst zu sein. Der Maler hat
mit diesem Bild vielleicht auf ein Sprichwort hinweisen wollen. Nicht ohne
Grund bildet eine Eiche den Hintergrund für dieses Totengedenken. Eine alte
Regel für das Verhalten bei Gewitter besagt: Eichen sollst Du weichen! Diesen
Rat hat der vom Blitz erschlagene Vater sicher nicht beherzigt. Mit wenigen
Details entwickelt Schwingen hier wieder eine seiner typischen Geschichten.
Seine Bilder haben ganz offenkundig einen Erzählcharakter.
37
Die große Geste, wie sie aus Gustave Courbets „Steineklopfern“ spricht, ist
nicht Sache der Düsseldorfer Genremaler, sie beschäftigen sich mit den kleinen Dingen, mit den Alltäglichkeiten, ohne sich dabei aber im Kitsch zu verlieren. Auch ihre Ansprüche richten sich auf die Verbesserung der sozialen
Lage, sie prangern Ungerechtigkeit und soziales Elend an, sie überhöhen aber
ihre Themen nicht. Es gibt keine zu Pathosformeln erstarrten Gesten, es gibt
nur den Versuch, durch Objektivität und Genauigkeit zu überzeugen. Die
Düsseldorfer Genremaler hatten eine Nische gefunden, die ihnen erlaubte,
Malerei und politische Gesinnung unschädlich miteinander zu verbinden.
Das ist in der Folge nicht vielen Malern gelungen.
Peter Schwingen hat sich zeitlebens nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt.
Sein Werk umfasst, wie der Überblick gezeigt hat, einen weiten Bogen: Porträts, Familienbildnisse, Kinderbilder, ländliche Szenen, soziales Genrebild,
die Schilderung des rheinischen Brauchtums und Selbstporträts. Gerade diese
Vielfalt machte es in der Vergangenheit schwer, Schwingens Werk einzuordnen. Die meisten seiner Bilder haben einen sehr privaten Charakter, wobei die
Kinderbilder und die ländlichen Szenen am meisten über Schwingen verraten. Den Lebensunterhalt für die große Familie sicherten die Bildnisaufträge,
sein Herz gehörte aber den Kinderbildern und den Szenen des ländlichen
Lebens, die er liebevoll ausformulierte. Ihm ist glaubwürdig eine Synthese
aus Romantik und Realismus gelungen, die für die Düsseldorfer Malerschule
typisch ist. Festzustellen ist: Schwingen gehört zu den bedeutenden Vertretern
seiner Schule.
Anmerkungen
1
Hütt 1958/59, S. 389. Der einzige organisierte Kommunist war Gustav Adolf Köttgen.
Gagel 1972, S. 121.
3
Heidermann 2013, S. 28-33.
4
Das Bild befand sich seit 1794 im Königlichen Palast in der Sammlung des Marquis de la Ensen2
ada und muss demzufolge über einen Stich Verbreitung gefunden haben oder über eine Kopie
bekannt geworden sein.
5
Müller, W. 1854, S. 301.
6
Holzhausen 1964, S. 20.
7
Gagel 1972, S. 12.
38
Herrenbildnis, vermutlich Christian
Gottfried Trinkaus, Öl auf Leinwand,
1854, Privatbesitz
Damenbildnis, vermutlich Sofia Trinkaus
geb. Pfeiffer, Öl auf Leinwand, 1859,
Privatbesitz
39
Frau mit ihren Kindern im Torbogen,
Vorstudie, 1838, Privatbesitz
Winzerin, Öl auf Leinwand,
1839, Privatbesitz
40
Horst Heidermann
Peter Schwingen (1813-1863)
Leben und Werk
Zur Biografie
Unvollständig muss sie immer noch bleiben, die Biografie des in Muffendorf
(seit 1915 Godesberg-Muffendorf ) geborenen Malers. Es gibt bisher außer
seinen Bildern keine eigenen Zeugnisse, keine Korrespondenz, keine Aufzeichnungen, nichts. Sein Leben muss also nach wie vor aus seinen Werken
und aus „Fremd“-Dokumenten rekonstruiert werden, aus Urkunden, Erinnerungen. Wichtige Vorarbeiten dazu leisteten der Düsseldorfer Fotograf Julius
Söhn und auf der Grundlage des von ihm gesammelten Materials die Bonner Kunsthistoriker Walter Cohen und Walter Holzhausen.1 Bereits im Jahre
1914 hatte Söhn seinen ersten Brief „An das löbl. Standesamt Muffendorf b.
Godesberg“ geschrieben und nach dem Geburtsdatum des „Peter Schwingen
geboren wahrscheinlich in den Jahren 1815-1818“ geforscht.2
Herkunft
Die bäuerliche Sippe der Schwingens lässt sich in Muffendorf seit dem
18. Jahrhundert nachweisen. Vermutlich ist sie wesentlich älter. Johannes
Schwingen, der von 1710 bis 1722 als Pächter eines Hofes des Cassiusstiftes,
Bonn, erwähnt wird, ist der Ururgroßvater des Künstlers. Seine Söhne, vor allem Heinrich, der Urgroßvater, und Theodor (Dietrich) tauchen in der ersten
Hälfte des Jahrhunderts immer wieder in den Muffendorfer Kirchbüchern
auf und sorgen in jeweils zwei Ehen für Nachwuchs. Theodor und sein Sohn
Johannes bleiben Pächter des Cassiusstiftes mindestens bis 1770, wahrscheinlich aber bis 1782 (üblicher Pachtvertrag über 12 Jahre). Über Johannes und
seine Söhne sind mehr oder weniger alle Schwingens des 18., 19. und 20.
Jahrhunderts miteinander verwandt – wenn oft auch kaum noch nachvollziehbar. Immer wieder haben einige, oft wenige Sprösslinge die in Muffendorf
so gefürchteten Scharlach- und Diphtherie-Epidemien überstanden. Maler
sind allerdings vor 1813 nicht überliefert.
41
Das ändert sich mit Peter Schwingen. Die Eltern sind Peter Joseph Schwingen und seine Frau Caroline Franziska Antoinette Nicolai. Elternschaft und
auch Geburtsjahr des Malers wurden lange falsch angegeben (1815 statt richtig 1813). Zunächst vermutete man aufgrund eines Briefes des Muffendorfer
Pfarrers Kastert an den Düsseldorfer Kunsthistoriker Dr. Walter Cohen, damals Leiter der Gemäldegalerie der Stadt Düsseldorf, dass Schwingen zwar
1813 geboren, aber erst 1815 getauft worden sei. Auch Cohen ordnete dem
Maler immer noch die falschen Eltern zu.3
Nun aber ging die Initiative auf Bürgermeister Zander in Godesberg über. Er
hatte das Buch von Walter Cohen über „Hundert Jahre rheinischer Malerei“
gelesen und beschlossen, sich dem Maler in seiner Heimatstadt zu widmen.
So begann er, in Muffendorf zu forschen und bald stellte sich heraus, dass ältere Muffendorfer und Verwandte wohl Bescheid wussten. So wurde von dem
Angestellten auf der Godesberger Post Josef Stings4 und dem Weinhändler
Heinrich Raaf sen.5 auf das richtige Elternpaar und damit natürlich auch auf
das richtige Geburtsdatum hingewiesen. Das Godesberger Standesamt bestätigte ihre Aussagen. Die Geburtsurkunde der damals noch französischen Godesberger Verwaltung brachte Klarheit. Nach dieser Urkunde sind Peter Josef
Geburtsurkunde von Peter Schwingen, Stadtarchiv Bonn
42
Schwingen und seine Frau Caroline die Eltern unseres Malers. Die Geburt
war am 14. Oktober 1813.
Der Beruf des Vaters wird mit „Garde-champêtre“, Feldhüter, angegeben; eine
Art ländlicher Hilfspolizist. Jedenfalls schlecht bezahlt. Die Entlohnung musste von den Eigentümern der Felder als Zuschlag zur Grundsteuer aufgebracht
werden. Sie betrug noch 1852 nur 30 Taler jährlich. Wenn der Feldhüter auch
die Aufgaben des Nachtwächters übernahm, konnte er weitere 30 Taler kassieren. Erst 1859 wurde das Gehalt des Feldhüters auf 60 Taler erhöht.6 Peter
Joseph Schwingen war demobilisierter Soldat Napoleons. Er war, mit Peter
Rieck, auch als gerichtlich vereidigter Taxator für Grundstücke tätig, was etwa
bei Erbteilungen, Verkäufen und Kreditaufnahmen eine große Bedeutung
hatte.7 Ortsvorsteher oder Mitglied des Gemeinderates war er allerdings, soweit wir feststellen konnten, nicht, obwohl das gelegentlich berichtet wird. Im
Gemeinderat wirkte hingehen seit dessen Errichtung 1846 bis 1861 Johann
Peter Schwingen, ein entfernter, wesentlich wohlhabenderer Verwandter.
Dank der Unterlagen der französischen Verwaltung können wir noch einiges
mehr über die Eltern erfahren. Der Vater besaß ein eigenes Haus und etwas
Land in Muffendorf. Er wohnte auf der heutigen Muffendorfer Hauptstraße in der Höhe des jetzigen Hauses Nr. 36 (damals Auf der Gassen 95) in
einem Fachwerkhaus, das bereits 1759 in Ehmanns Flurkarte eingezeichnet ist,
allerdings um 1900 abbrannte und größtenteils durch einen Neubau ersetzt
wurde.8 Schon 1925 hatte Käthe Stings geschrieben: „Die elterliche Wohnung
befand sich auf der jetzigen Hauptstraße Nr. 36, und von dem alten Hause, das
allerdings jetzt neu aufgebaut ist, bestehen noch einige Wände, welche jetzt noch
mit verblassten Malereien seines ersten Könnens bedeckt sind.“ 9
Wie waren die Lebensverhältnisse der Familie, deren zweites Kind der Maler
war? Das Grundstück war klein, umfasste 224 Quadratmeter. Unmittelbar
angrenzend gehörten zum Haus zwei Baumgärten (Bungerte) mit 356 und 68
Quadratmetern. Der gesamte Grundbesitz des Peter Josef Schwingen betrug
11756 Quadratmeter, etwas weniger als vier Morgen. Davon waren aber etwa
zwei Morgen Buschland. Nur 4000 Quadratmeter waren Ackerland und vom
wertvollen Weinland waren nur 1339 Quadratmeter vorhanden. Ob dieser
kleine Grundbesitz und die Einkünfte als Feldhüter genug für den Unterhalt der Familie hergaben, wissen wir nicht. Vielleicht hatte man weiteres
Land hinzugepachtet. Es ist aber jedenfalls nicht üppig zugegangen im Hause
Schwingen.
43
In ländlichen Gesellschaften mit fränkischer Erbteilung, also Aufspaltung des
Erbes, gab es eigentlich nur ein probates Mittel, der immer weiteren Zersplitterung des Grundbesitzes entgegenzuwirken. Es war die Praxis, immer
wieder untereinander im Dorf zu heiraten und so die unheilvollen Wirkungen
der Erbteilung auszugleichen. Vater Schwingen konnte oder wollte anscheinend diesen Weg nicht gehen. Er war wohl für die Töchter wohlhabender
Muffendorfer Bauern keine gute Partie. Er heiratete also 1810 eines Wirtes
Töchterlein aus Godesberg: die schon erwähnte Caroline Nicolai. Frisches
Blut kam nach Muffendorf! Die junge Frau war bereits Witwe. Sie war in
erster, nur siebenmonatiger Ehe mit dem Forstaufseher Anton Joseph Maria
Wentzel, einem „Garde-forestier“ – quasi die Wald-Version des Feldhüters
– verheiratet gewesen, der im Forsthaus Venne wohnte. Die Familie Nicolai
stammte aus Eupen. Sie scheint sich gewisser Beziehungen in Godesberg erfreut zu haben. So war Trauzeuge bei der ersten Ehe der jungen Caroline jener
Sebastian Blinzler, dem der letzte Kurfürst Max Franz vor dem Einzug der
Franzosen 1794 die Gästehäuser Prinz von Coburg und Prinz von Oranien an
der heutigen Kurfürstenallee mit Stallungen, Remisen, Gartenland usw. zur
Bewirtschaftung schenkte.10 Daraus entstand das weit über Godesberg hinaus
bekannte Hotel Blinzler. Die Verbindung zu Blinzler und damit zum kurfürstlichen Hof ist insofern interessant, als sie eine Pressemeldung von 1926
zu bestätigen scheint, wonach der Vater der Caroline, Lambert Nicolai, vor
seiner Betätigung als Wirt Diener beim Kurfürsten Max Franz gewesen sei.11
Die Großmutter Gertrud Nicolai geb. Hilgers stammte aus Morenhoven. Sie
lebte noch bis 1849 und wurde von Peter Schwingen in einem seiner schönsten Porträts gemalt. Sie wurde auf dem Burgfriedhof in Godesberg begraben.12 Nach Raaf war auch Peter Schwingen bei der Beerdigung anwesend.
Danach sei er nie wieder nach Muffendorf gekommen.13
Als der spätere Maler in Muffendorf das Licht der Welt erblickte, stand die sogenannte Völkerschlacht bei Leipzig kurz bevor. Am 31. März 1814 zogen die
Verbündeten bereits in Paris ein. Der Schlacht bei Waterloo folgte der Wiener
Kongress und dieser schlug die Länder am Rhein Preußen zu, obwohl sich
dieses lieber ganz Sachsen einverleibt hätte. Die Rheinländer liebten die meist
protestantischen Preußen und ihre Ordnung und Disziplin nicht besonders.
Vielerlei Spannungen zwischen den neuen Machthabern und den Menschen
der Rheinprovinz waren die Folge.
44
Muffendorfer Hauptstraße, Fotografie, um 1900
Diese Spannungen wurden überlagert von einer anderen Entwicklung, die
mit der Enttäuschung über das nicht eingelöste Verfassungs-Versprechen des
preußischen Königs und mit der reaktionären Entwicklung in Deutschland
zusammenhing und immer deutlicher liberale Forderungen artikulierte. Als
Schwingen 1831 nach Düsseldorf kam, waren die ersten Anzeichen des „Vormärz“ erkennbar. 1837 sorgte die Amtsenthebung der „Göttinger Sieben“,
der sieben Professoren der Universität, die gegen den Verfassungsbruch durch
den König Ernst August von Hannover protestiert hatten, für ein weites Echo.
Auf der anderen Seite taten die neuen preußischen Herren einiges zur Integration der neuen Provinzen in das Königreich. In Bonn wurde die Universität gegründet. In Düsseldorf wurde die alte großherzogliche Kunstakademie
wieder belebt. Zunächst unter dem Rheinländer Peter Cornelius, dann unter
dem „Ostländer“ Wilhelm Schadow gelangte sie bald zu Ruhm und Ansehen
und viele Kunstjünger aus Deutschland und zunehmend auch aus dem Ausland strömten an die Kunstschule.
45
In der Bürgermeisterei Godesberg, zu der auch Muffendorf als selbstständige
Gemeinde gehörte, wurde der Maire aus der Franzosenzeit, Engelbert Kamp,
durch Männer abgelöst, die den neuen Herren genehm waren. Nach kurzen
Zwischenspielen wurde 1818 Wilhelm Hugo Franken aus Poppelsdorf Bürgermeister. Als seinen Gehilfen brachte er ebenfalls aus Poppelsdorf Hubert
Mathonet mit, der dann auch 1841 sein Nachfolger werden sollte. Für das
neue Amt hatte sich Franken als Freiwilliger der „Befreiungskriege“ qualifiziert. Er war Oberleutnant und Kompanieführer der rheinischen Landwehr
gewesen und hatte das Eiserne Kreuz erhalten. Sein ältester, 1818 in Oberbachem geborener Sohn Paul wurde als Maler Paul (von) Franken bekannt und
war später Trauzeuge bei der zweiten Ehe des Peter Schwingen in Düsseldorf.
Ausbildung an der Düsseldorfer Akademie
Für den jungen Mann aus Muffendorf waren zunächst andere Dinge wichtiger als der Machtwechsel am Rhein und seine Folgen. Es ging um seinen
Lebensweg. Schwingen wollte der Kümmerexistenz des väterlichen Umfeldes entfliehen. Sein erkennbares zeichnerisches Talent bot eine Möglichkeit.
Der Schritt in die alte bergische Hauptstadt war ein Weg aus dörflicher Enge
und Beschränktheit. Zum Wunsch nach mehr persönlicher Freiheit und mehr
Wohlstand trat bald auch das Streben nach einer freieren gesellschaftlichen
Entwicklung hinzu.
Besonderes, auch heimatgeschichtliches Interesse fand die Frage, wie wohl der
Junge aus Muffendorf, Sohn eines armen Kleinbauern und Feldhüters, den
Weg an die Akademie in Düsseldorf gefunden habe. Allerlei Legenden ranken
sich um diesen ungewöhnlichen Aufstieg. Eine Prinzessin hatte offenbar die
Hand im Spiel. Aber welche?
Die falschen Prinzessinnen
Da schien es einen Hinweis zu geben: Im Jahre 1840 schuf der Düsseldorfer
Kunstschüler Peter Schwingen, damals schon in der 1. Malklasse und Schüler
Schadows, die Kopie eines Gemäldes seines Lehrers: die „Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen“. Diese war verheiratet mit Prinz Friedrich von Preußen
(1797-1888), der als Kommandeur der 14. Preußischen Infanteriedivision
nach Düsseldorf gekommen war und damit quasi die neue hohenzollernsche
Dynastie vertrat. Diese Prinzessin stammte aus dem Hause Sachsen-Anhalt,
46
war selbst künstlerisch interessiert und studierte als Privatschülerin auch an
der Kunstakademie. So lag es nahe, sie als die Patronin des jungen Malers
aus Muffendorf anzusehen. Wolfgang Hütt hatte aufgrund von damals in
der DDR lagernden Akten berichtet, dass die „Prinzessin Wilhelmine von
Preußen“ ihn zu einem Stipendium vorgeschlagen habe. Zwar ließ sich nicht
aufklären, wieso die Prinzessin von dem Muffendorfer etwas hatte hören können, aber Lücken im Lebenslauf des Malers gab es gerade in der frühen Zeit
ja reichlich.14
Inzwischen hat sich aufgrund einer Prüfung der von Hütt zitierten Quelle
herausgestellt, dass diese Annahme auf einem Lesefehler von Hütt beruhte.
Hütt hatte die Prinzessin „Wilhelm“, wie es im Originaldokument15 eindeutig
heißt, in eine Prinzessin „Wilhelmine“ verwandelt. Der richtige „Prinz Wilhelm“ (1783-1851) und seine Frau hatten ebenfalls Beziehungen zum Rheinland. Der Prinz war der Bruder des Königs Friedrich Wilhelm III., der mit
Maria Anna (Marianne) von Hessen-Homburg verheiratet war. Er wurde oft
mit seinem Neffen, dem späteren Kaiser Wilhelm I., verwechselt, weshalb sich
für ihn die technische Bezeichnung „Prinz Wilhelm von Preußen (Bruder)“
eingebürgert hat. In meinen bisherigen Beiträgen zu Schwingen habe ich die
beiden Hohenzollern ebenfalls verwechselt. Es besteht die begründete Hoffnung, dass nach zwei falschen Prinzen bzw. Prinzessinnen nun die richtige
gefunden wurde. Der weitere Verlauf ist unumstritten.
Als es infolge der französischen Julirevolution 1830 auch in Rhein-Preußen zu
Unruhen kam (Eupen, Malmedy, Aachen, Köln, Elberfeld), sah man sich in
Berlin zu besonderen Maßnahmen genötigt. Die Forderung des Anschlusses
an Frankreich war hier und da wieder einmal aufgetaucht. Zusätzliche Truppen wurden nach Köln und Aachen verlegt. Am 24. September 1830 wurde
Prinz Wilhelm (Bruder) zum Generalgouverneur von Rheinland-Westfalen
ernannt. Der Prinz sollte nicht nur erkunden und schnelle Entscheidungen –
falls sie notwendig wurden – erleichtern, vor allem sollte er Präsenz zeigen und
durch positive Maßnahmen die Bevölkerung für Preußen mehr als bisher motivieren. Allerdings konnte er infolge einer Erkrankung seinen neuen Posten
erst im Dezember 1830 antreten. Amtssitz des Generalgouverneurs war die
Festung Köln.16 Der Prinz war scheu und zurückhaltend. Für seine Aufgabe
im Rheinland war er wohl nicht besonders geeignet. Seine Frau hingegen war
vielfach interessiert und gebildet. Alexander von Humboldt war ihr Lehrer
gewesen. Sie war mit der Königin Louise eng befreundet und übernahm nach
47
dem Tod der Königin die Rolle der „First Lady“ am Berliner Hof. Ihre Berliner Residenz war das Schloss Schönhausen, das sehr viel später zum Amtssitz
der Präsidenten der DDR wurde und inzwischen restauriert zur Besichtigung
freigegeben ist. 1813 begeisterte Marianne sich für die Freiheitskriege und
gründeten den „Frauenverein zum Wohle des Vaterlandes“. Sie war eine gute
Zeichnerin und porträtierte Ferdinand von Schill in Königsberg. Um 1815
wurde sie von Philipp Veit gemalt. Im Berliner Schloss bewohnte sie das „grüne Zimmer“, in dem das Original der berühmten Madonna Holbeins hing.
Ein Junge aus Muffendorf sollte von der Anwesenheit dieser Großmeisterin
des Louisenordens in Bonn profitieren: Prinz Wilhelm besuchte als Gouverneur am 30. Mai 1831 Bonn. Die Prinzessin war dabei.17 Wir erfahren das
aus der letzten Strophe eines Huldigungsgedichtes, das beim „Festmahle“ für
die hohen Herrschaften im Boeselager Hof vorgetragen wurde. Ein Ball, auf
dem der Prinz und seine Frau bis Mitternacht blieben, beendete den Tag. Die
hohen Herrschaften wohnten mit Gefolge im Hotel Stern.18 Eine wichtige
Rolle spielte neben dem Oberbürgermeister und dem Rektor der Universität
bei den Vorbereitungen und auch beim Ablauf des Besuches Freiherr Franz
Egon von Fürstenberg − ein enger Verwandter des Besitzers der Muffendorfer Kommende − war er doch als Reichsfreiherr der ranghöchste katholische
Adelige in Bonn. Es ist anzunehmen, wenn auch nicht zu beweisen, dass er
den „Fall Schwingen“ der Prinzessin vortrug. Vermerkt sei, dass Franz Egon
ein kunstsinniger Mann war, der 1836 auch den Weinberg auf dem Apollinarisberg bei Remagen samt Kirche und Probstei von den Brüdern Boisserée
kaufte und dort aus seinen privaten Mitteln den Bau der neuen Apollinariskirche, deren Ausmalung und den Klosterbau daneben finanzierte. Die vom
Dombaumeister Zwirner erbaute Kapelle wurde von Schülern Schadows ausgemalt und zählt heute noch zu den Schmuckstücken der Neugotik und der
spätnazarenischen Malkunst.
Zur Erhärtung dieser Hypothese kann noch ein Brief des Muffendorfer Weinhändlers Heinrich Raaf an Bürgermeister Zander vom 9. Mai 1925 herangezogen werden. Zander hatte sich an Pfarrer Dr. Herkenne gewandt, um
im Zuge der Vorbereitung des Heimatmuseums mehr über den Maler Peter
Schwingen zu erfahren.19 Der Pfarrer hatte geantwortet, dass der Weinhändler Raaf und Joseph Stings Material über Schwingen gesammelt hätten. Raaf
wusste von einer Begegnung mit einem „Herrn“ zu berichten, der Schwingen
beim Zeichnen beobachtet habe, als dieser etwa 16 Jahre alt in der Landwirt48
schaft seines Vaters arbeitend, im Felde gezeichnet habe. Dieser Herr habe
dann für die weitere Ausbildung Schwingens gesorgt. Das wäre so im Jahre
1829 oder wahrscheinlicher im Jahre 1830 gewesen. Das Treffen habe am
Meelweg stattgefunden.20 Hier wäre demnach das freilich etwas vage formulierte „missing link“.
Da die „Prinzessin Wilhelm“ bis 1831 nur einmal in Bonn gewesen ist, nämlich bei dem erwähnten „Antrittsbesuch“ des Prinzen, bleibt eigentlich nur
die Schlussfolgerung, dass dieser Besuch von Fürstenberg genutzt wurde, den
Namen Schwingen ins Gespräch zu bringen. Ob er selbst bei einem Besuch in
Muffendorf oder über einen Verwandten von der Existenz dieses hoffnungsvollen Adepten der Mal- und Zeichenkunst erfahren hatte, wissen wir natürlich auch nicht. Der Besuch des Prinzen und der Prinzessin in Bonn war im
Mai 1831. Seit dem 13. Oktober 1831, einen Tag vor seinem 18. Geburtstag,
wohnte der Junge aus Muffendorf in Düsseldorf.21 Was war inzwischen geschehen?
Eine Urkunde vom 14. Dezember 1831 im Geheimen Staatsarchiv in Berlin
teilt Folgendes mit: „Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Wilhelm von
Preußen hatten persönlich dringend einen jungen Zeichner, Peter Schwingen aus
Muffendorf, Regierungsbezirk Cöln, dem unterzeichneten Oberpräsidenten zur
Aufnahme in die Kunstschule und, da er ganz vermögenslos, zur Unterstützung
empfohlen.“ Der unterzeichnete Oberpräsident Philipp von Pestel war seit Juli
1831 im Amt, wodurch sich die Intervention der Prinzessin leicht auf die Zeit
nach dem Besuch in Bonn eingrenzen lässt. Das Kuratorium der Kunstakademie ging der Sache sofort nach und stellte fest, dass Schwingen ein Anfänger
sei, über dessen Talent erst etwas nach einem fachlichen Zeichenunterricht
entschieden werden könne. Die Akademie stellte eine Freistelle in Aussicht,
der Regierungspräsident in Köln wurde um Unterstützung gebeten. Dieser
hatte aber kein Geld frei. So gewährte die Akademie, um dem jungen Mann
zu helfen und dem Wunsche seiner hohen Gönnerin entsprechen zu können,
aus eigenen Mitteln ein Stipendium von 50 Talern und zwar in zwei Raten.
25 Taler sollte er beim Eintritt in die Schule erhalten und die restlichen
25 dann, wenn er sich nach Ablauf eines halben Jahres durch ein Attest des
Direktors über seinen Fleiß, seinen Beruf und sein Betragen vorteilhaft ausweisen könne. Diese ganze umständliche Darlegung in der Akte diente dem
Direktorium der Akademie und dem Oberpräsidenten nur zur Klärung der
Frage, wie denn nun im Haushalt der Akademie die im Grunde ohne Geneh-
49
migung ausgegebenen 50 Taler verbucht werden sollten. Unterschrieben haben
der Oberpräsident von Pestel, der Vorsitzende des Kuratoriums der Akademie
Georg Jacobi und der zuständige Regierungssekretär Dr. Fallenstein. In Berlin
entschied das Ministerium der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten im Januar 1832, dass das Geld im Titel „Insgemein“ (heute etwa
„Allgemeine Ausgaben“) für 1831 und 1832 verbucht werden könne, „macht
aber dem Kuratorium zur Pflicht, die zweite Hälfte nur dann anzuweisen, wenn
der Bericht der Akademie über die Anlagen, gute Fortschritte und das Betragen die
Berechtigungswürdigkeit außer allen Zweifel stellt“. Nach offenbar erfolgreicher
Zeichenausbildung in Düsseldorf ab Herbst 1831 wurde Schwingen nach
einem Jahr, im 3. Quartal 1832, in die Vorbereitungsklasse der Akademie
aufgenommen und erhielt glänzende Noten.
Schwingen war also ein reiner Autodidakt, als er nach Düsseldorf kam. Die
Muffendorfer Dorfschule, einklassig, der Lehrer war gleichzeitig Küster des
Dorfes, hatte ihm wohl auch nicht viel vermitteln können. Das Schulhaus ist
schon auf den erwähnten französischen Karten ausgewiesen. 1820 wurde ein
zweites Schulhaus errichtet. In der alten Schule, heute Martinstraße 5, hatte
es nur das Schlafzimmer des Lehrers und einen weiteren Raum für den Unterricht, gleichzeitig Wohnzimmer des Lehrers, gegeben. Der Schulbesuch war
schlecht. Im Sommer kamen vielleicht 25 Prozent der Kinder zur Schule.22
Bisher sind von Schwingen keine Genrebilder aus dem Schulmilieu aufgetaucht, etwa in der Art des Schulmeisters Jobs bei Johann Peter Hasenclever,
mit dem Schwingen später in Düsseldorf befreundet war.
In Düsseldorf wurde Schwingen zunächst mit Vorschusslorbeeren bedacht.
Als Teilnehmer der Vorbereitungsklasse wird er von Carl Ferdinand Sohn
wie folgt beurteilt: Anlage: „Sehr gut“, Fleiß: „Vortrefflich“.23 Obwohl ihm
zunächst aus Mangel an Mitteln im Jahre 1833 kein Stipendium bewilligt
werden konnte, ergab sich im Oktober noch eine Lösung. Er erhielt 50 Taler,
die unvorhergesehen frei geworden waren.24 Bereits im Studienjahr 1833/34
wechselte er in die 2. Klasse der Maler (Lehrer: Ferdinand Theodor Hildebrandt). Anlage und Fleiß wurden weiter mit „Sehr gut“ bewertet. Jetzt wurde
auch das Stipendium vermerkt. Bald aber trübte sich das Bild.
50
Im Studienjahr 1834/35 wurde zwar wieder ein Stipendium angezeigt (nur
sechs von 33 Schülern der zweiten Klasse erhielten ein solches), aber unter
Fleiß stand „Schlecht“ und außerdem enthielt die nach Berlin gesandte Liste den Vermerk: „Hat sich nach den Herbstferien [1834] ohne Entschuldigung
5 Wochen lang nicht eingefunden“. Stipendium ade! Die Akademieleitung
schrieb am 24. Februar 1835 an das zuständige Ministerium nach Berlin:
„Da er nach den Bemerkungen in der mittels besonderen Berichts eingereichten
Schülerliste (Nr. 15 der Malervorbereitungsklasse) sich als unfleißig gezeigt hat, so
wird ihm eine fernere Unterstützung nicht zu bewilligen sein“.25 Man muss der
Akademie zugestehen, dass sie zwar Schwingens Fleiß mit „sehr schlecht“, aber
gleichzeitig seine Anlage mit „sehr gut“ beurteilte.
Neben dem Stipendium verlor Schwingen auch seinen Arbeitsplatz im Akademiegebäude. Dort waren die Raumverhältnisse äußerst beengt und die Akademie hatte deswegen schon 1832 die Neuaufnahmen begrenzt. Außer Schwingen war auch Caspar Scheuren zu spät zurückgekommen. Er verlor ebenfalls
seinen Platz im Atelier des Akademiegebäudes an pünktlicher zurückkehrende Schüler. Sie kamen vor allem aus den östlichen Provinzen Preußens. Dieser
Vorgang wurde Gegenstand einer ausgedehnten literarischen Fehde, als der
bekannte Düsseldorfer Kunstfreund Anton Fahne ihn aufgriff und in einer
Publikation als eines der vielen Beispiele für die Benachteiligung der Rheinländer gegenüber den „Ostländern“ hochstilisierte.26 An dieser Fehde beteiligte sich als Gegner Fahnes auch der Regierungsregistrar Johann Joseph Scotti,
der später im Leben Schwingens noch eine wichtige Rolle spielen sollte.
Im Studienjahr 1835/36 war die strenge Akademie gnädiger: Fleiß: „Geht an“,
aber ein Stipendium gab es nicht mehr. 1836 wurde es dann wieder besser. Begabung: „Ausgezeichnet“, Fleiß: „Gut“, Betragen: „Gut“, „Freischüler“. Also wenigstens keine Schulgebühren. 1837 wurde in der Rubrik Stipendium „arm“
vermerkt, was eventuell eine Freistelle nach Vorlage eines „Armutszeugnisses“
bedeuten könnte.27 Danach gab es in dieser Spalte keinerlei Eintragungen
mehr, also weder Stipendium noch Freistelle. Schwingen ging es finanziell
jetzt besser. Er verkaufte seine Genrebilder, besonders den „Martinsabend“
und die ersten Porträts in Elberfeld. Er hatte auch wieder einen eigenen Arbeitsplatz in der Akademie. Sein Lehrer war nach wie vor Ferdinand Theodor
Hildebrandt.
51
Erste Erfolge und erste Heirat
Schwingen heiratete nach den ersten Erfolgen als Maler am 2. September
1837. Seine Frau Magdalene Philippine Schmitz war die Tochter eines Damenschneiders, der in seinem Haus in der Mühlenstraße auch Zimmer an
die Eleven der nahe gelegenen Kunstakademie vermietete. Schwingen wohnte
vermutlich dort wie andere Maler zur Untermiete. Eduard Bendemann und
Heinrich Mücke dürfte er bei Schmitzens kennengelernt haben.28 Das junge
Paar blieb nach der Heirat noch einige Jahre im Hause der Schwiegereltern.
Aus der ersten Ehe gingen vier Kinder hervor. Als die erste Tochter Caroline Philippine – ihre bevorstehende Geburt war der unmittelbare Anlass der
Heirat – früh verstarb, wurde sie im Familiengrab Schmitz beigesetzt. Das
Grab auf dem Friedhof an der Clever Straße hatte einen Grabstein, was, wie
auch der Hausbesitz, auf einen gewissen Wohlstand schließen lässt. Der Sohn
Joseph Schmitz und die Töchter standen Schwingen für seine frühen kleinformatigen Studien Modell.
Kurz nach der Heirat trat nach der Prinzessin Wilhelm der zweite wichtige
Förderer des Malers ins Bild: der Elberfelder Kaufmann und Millionär Peter
de Weerth.29 De Weerth wollte sich porträtieren lassen und wandte sich an
den bekannten Kenner der Düsseldorfer Kunstszene Johann Joseph Scotti.30
De Weerth schwebte ein Bild des Malers Eduard Steinbrück vor. Scotti konnte ihm das aber ausreden und stellte dem Elberfelder Kunstfreund den jungen
Maler Peter Schwingen vor. Quasi als Versuchsballon ließ de Weerth zunächst
kleine Porträts seiner Kinder und ihrer Ehegatten anfertigen. Als diese sich als
qualitätvoll erwiesen, wurde dann auch der Auftrag für das große Porträt des
Pater familias erteilt. Weiter Aufträge in Elberfeld und Barmen folgten.
Diese Begegnung mit de Weerth war entscheidend für den kommenden Lebensabschnitt des Malers. Zehn Jahre hat er, natürlich unterbrochen durch
andere Aufträge, für Peter de Weerth gearbeitet. Zwölf kleine und zwei große
Porträts entstanden. 100 Pistolen, d. h. 500 Taler hatte er verdient. Weitere
Aufträge kamen aus dem familiären Umkreis des Peter de Weerth. Die Serie
der berühmten Innenraumporträts von Peter Schwingen entstand.
Im Studienjahr 1840/41 wird Schwingen, 27 Jahre alt, in die 1. Malklasse
versetzt. Seine Anlage wird als „bedeutend“, Fleiß und Betragen werden als
„ausgezeichnet“ benotet. Schadow selbst ist jetzt sein Lehrer. Das Porträt der
52
Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen, als Kopie nach Schadow, entsteht.
Der junge Maler ist nun in der Spitzengruppe der Studenten, der ausübenden
Eleven, freilich noch nicht in der Meisterklasse, in die nur bekannte Maler
dann berufen wurden, wenn man sie an Düsseldorf und die Akademie auch
nach Beendigung der Ausbildung binden wollte. Schon die von Schwingen
gewählten Themen für seine Bilder hätten dies in jedem Falle verhindert. Sie
waren sicher nicht im Sinne des Direktors. 1843/44 heißt es in den Akademieunterlagen: „Malt jetzt ein Schützenfest mit Bauern“; 1843/44: „Arbeitet
des Erwerbs halber auswärts. Mehrere Genrebilder: Schießen um ein Schwein“.
So gerät denn auch die abschließende Beurteilung durch die Akademie etwas
säuerlich (1. Klasse 1844/45): „Im 3. Quartal abgegangen. Seine Bilder haben
etwas Kommunes, wozu die von ihm gewählten Gegenstände leicht hinreißen“.
Mit seinen dörflichen Genrebildern und den Wuppertaler Innenraumporträts
hatte Schwingen allerdings schon damals einen der Höhepunkte seiner künstlerischen Laufbahn erreicht.
Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen, Öl auf
Leinwand, 1840, Stiftung Preußische Schlösser und
Gärten Berlin-Brandenburg
53
Allgemeiner Verein der Carnevalsfreunde
Schon bevor Schwingen nach Düsseldorf kam, war dort 1829 ein Vorläuferverein des später größten Karnevalsvereins der Stadt gegründet worden.31 1840
wurde dann nach einigen Intermezzi ein neuer Verein gegründet, der sich nun
„Allgemeiner Verein der Carnevalsfreunde“ nannte. Wir dürfen annehmen,
dass der Maler aus dem heimischen Umfeld dem Karneval zugeneigt war und
sicher bald mit anderen Freunden und, sofern es seine Finanzen erlaubten, das
Vereinslokal dieser Gesellschaft beim „langen Leim”, die Wirtschaft von A. H.
Cürten in der Berger Straße, aufsuchte. Diese Karnevalsgesellschaft, obwohl
allen politischen Richtungen offen, entwickelte sich bald zu einem Treffpunkt
liberaler Düsseldorfer Bürger und Maler.
Wir finden unter ihren Mitgliedern neben dem konservativen Juristen, Historiker und Kunstmäzen Anton Fahne und dem Möbelfabrikanten Friedrich August von Stockum,32 den linksliberalen Advokaten Hugo Wesendonck
(1817-1900), später Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung,
1850 in Abwesenheit in Düsseldorf zum Tode verurteilt,33 ferner den ebenfalls liberalen Advokat-Anwalt Anton Bloem (1814-1884), der in Düsseldorf
in Kunst-, Literatur- und Politikkreisen bestens bekannt war34 und von dem
deutsch-amerikanischen Maler Emanuel Leutze porträtiert wurde. Hinzu
kam der bekannte Arzt Dr. Franz Reinartz, Mitglied des Vorparlaments und
Reformkonservativer.35 Seit 1846 gehörte auch Wolfgang Müller von Königswinter36 dem Vorstand des Vereins an. Laurentz Cantador, ein angesehener
Kaufmann in Düsseldorf, der spätere Kommandant der Düsseldorfer Bürgergarde, war ebenfalls Mitglied.
Von den Düsseldorfer Malern nennen wir als Mitglieder nur Andreas Achenbach, Lorenz Clasen,37 Ernst Fröhlich, Johann Peter Hasenclever,38 Carl Wilhelm Hübner,39 Paul Kiederich, Wilhelm Kleinenbroich, Carl Hilgers,40 Georg Saal,41 Adolf Schrödter, J. B. Sonderland und Franz Wieschebrink. Unterlagen im Nachlass von Anton Fahne belegen, dass auch Peter Schwingen dem
Verein angehörte.42 So meldete er sich 1846 zur großen Maskenredoute am
19. Februar 1846 im Cürtenschen Saal an. An dieser Maskenredoute nahm
auch Seine Königliche Hoheit Prinz Friedrich von Preußen teil. Es war einfach der Ball in Düsseldorf.
54
1847 gehörte Schwingen einem Ausschuss des Vereins an, der den Karnevalsball dieses Jahres vorbereiten sollte. Andere Ausschussmitglieder waren Anton
Fahne (Vorstandsmitglied), der Apotheker von Baerle,43 der Maler Ernst Fröhlich (Vorstandsmitglied), der Wirt Wilhelm Eissenbarth (Vorstandsmitglied),
die Maler Johann Peter Hasenclever, Carl Hübner, G. Saal, Johann Baptist
Sonderland und Franz Wieschebrink. Schließlich gehörten auch Romuald Jacobi, Enkel des von Schwingen porträtierten Friedrich Heinrich Jacobi, und
der bereits genannte Hugo Wesendonck dazu.
Im Vormärz geriet diese Karnevalsgesellschaft immer wieder in Konflikt mit
der Polizei. So wurde ihr am 1. Februar 1844 die Konzession entzogen, die
jährlich neu beantragt werden musste. Ein von Wilhelm Kleinenbroich im
Auftrage des Vereins gemaltes Bild wurde von der Polizei beschlagnahmt.
1848 wurde die Konzession wegen der 1847 ernannten „Ehrenmitglieder“,
darunter viele liberale und kritische Geister, z. B. der Demokrat Karl d’Ester
aus Köln und die französische Schriftstellerin George Sand, erst gar nicht erteilt. Schwingen dürfte im Kreis dieser Karnevalsgesellschaft die politische
Orientierung gefunden haben, die in Herkunft und Aufstiegsstreben des
armen Dorfjungen bereits angelegt war.
Anti-Musik-Verein
Mit einigen Mitgliedern des Vereins und auch der späteren Künstlergruppierungen wie „Verein Düsseldorfer Künstler“ und „Künstler-Verein Malkasten“,
war Schwingen noch besonders durch einen Stammtisch des „Anti-MusikVereins“ verbunden. Damit war m. E. schon in der Namensgebung deutlich, dass man die Philister und die Maler, die mit ihnen „gemeinsame Sache“
machten, in diesem Kreis nicht zu sehen wünschte. Der „Allgemeine Musikverein“ war in Düsseldorf seit 1818 wichtiger Motor der Niederrheinischen
Musikfeste. Das selbstbewusste Liebhaber-Ensemble meist gutbürgerlicher
Musiker und Musikfreunde war seit der Zeit Friedrich August Burgmüllers
und Felix Mendelssohn Bartholdys wichtiger und ständiger Partner der städtischen Musikdirektoren und für viele Maler nicht nur ein Ort, um ihrer Musikliebe Ausdruck zu verleihen, sondern auch, um die Bekanntschaft wohlhabender Düsseldorfer Bürger oder ihrer Töchter zu machen, die als Käufer,
Auftraggeber oder zukünftige Schwiegerväter und Ehefrauen infrage kamen.
Bekannte Maler gehörten dem Verwaltungsausschuss des Vereins an. 1847
wurde – nach Julius Rietz – Ferdinand Hiller städtischer Musikdirektor. Als
Hiller nach Köln ging, folgte dann 1850 bis 1854 Robert Schumann.
55
Diplom des Anti-Musik-Vereins für Peter Hasenclever, Schwingens
Unterschrift links unter den Kreuzen, aus Bestvater-Hasenclever,
Abb. 16
56
Anton Fahne gibt allerdings in seiner Darstellung des Karnevals eine andere
Deutung des Namens.44 Er schreibt: „Keine Stadt der Welt hat, im Verhältnis,
so viele heitere Gesellschaften als Düsseldorf. ... Den Antimusikverein, deshalb
so genannt, weil er keine herumziehenden Bänkelsänger, Orgeldreher etc. duldet, und das Geld statt dessen für Arme verwendet. Zu diesem Ende läßt man
an manchen Tagen eine geschlossene Büchse herumgehen, in welche jeder nach
Belieben sein Scherflein hineinlegt. Die Gesellschaft kommt täglich abends von
8-10 in einem Locale bei einem Glase Bier zusammen. Komische Lieder werden
gesungen, scherzhafte Fragen aufgeworfen und allerhand Exercicien ausgeführt,
z. B. wird das ganze Exercicium eines Infanteristen durch geschicktes Behandeln der Bierglasdeckel täuschend nachgeahmt; man macht unter dem Titel:
Beethoven’sche Symphonien, Musik, wobei allerhand Mundfertigkeiten, die über
den Tisch schnarrenden Finger, der Ofenschirm und die Feuerzange sowie andere
ähnliche Gegenstände die Instrumente bilden, mit denen man höchst spaßhafte
und dabei Bewunderung erregende Sachen aufführt. Mitunter treten Unterhaltungen mit Marionetten ein, Verloosungen von allerhand scherzhaften Gegenständen, wobei die Loos-Einnahmen in die Armenkasse fließen.“ Da Fahne keine
andere der Düsseldorfer Gesellschaften so ausführlich schildert, darf man annehmen, dass er zu den Mitgliedern gehörte. Ganz so ernst wurde aber die
Enthaltung von jeglicher Musik wohl nicht genommen. Im Januar 1850 lud
der Verein zu einem „Großen Kabliau-Essen mit Orchesterbegleitung“ ein.45
Dem Stammtisch mit offiziellem Sitz im „Geburtshaus“ Heines gehörte auch
Johann Peter Hasenclever als wichtiges Mitglied an. So wird es denn auch
kein Zufall gewesen sein, dass – wie Gottfried Keller berichtet – 1850 anlässlich eines Geburtstages von Hasenclever die fröhliche Festgesellschaft im
Hause eines Musik- und Gesangsvereins die Zylinder der Mitglieder an der
Garderobe zertrümmerte.46
Zur Geburt des zweiten Kindes von Hasenclever, des Sohnes Peter, schickten die Freunde 1847 aus der Wirtschaft von Daniel Penke47 in der Bolker Straße 467 an diesen ein Dokument, in welchem der Sohn, das „Häselein“, zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt wurde.48 Das Dokument
ist mit Scherenschnitten von Wilhelm Müller geschmückt, die zeigen, wie
die Hasenfamilie den Armen Geld gibt, damit sie Kohlen und Brot kaufen können. Johann Wilhelm Preyer und Frau Meinardus49 als Paten
danken dem Pfarrer für seine Bemühungen um den Täufling.50 Die lustige
Gesellschaft ging davon aus, dass man im Geburtshaus Heines tagte. Es war
57
keineswegs üblich im Düsseldorf der Zeit, darauf besonderen Wert zu legen.
Doch ganz traf diese Behauptung auch nicht zu. Zwar war das Haus Bolker
Straße 467 von 1809 bis 1820 das Wohnhaus der Familie Heine gewesen, geboren wurde der Dichter aber im Hause gegenüber, Bolker Straße 602 (580),
heute Nr. 53.51
Diese freundschaftlichen Verbindungen könnten als Schlüssel mancher Entwicklungen auch bei Schwingen dienen. Hasenclever ist wie Schwingen Mitglied im „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“, wie Schwingen Gründungsmitglied des „Vereins Düsseldorfer Künstler“ und wird dort in den Vorstand gewählt, wie Schwingen ist er Gründungsmitglied des Malkasten und
dort wiederum im Vorstand. Zwischen Hasenclever und Friedrich Sigmund
Lachenwitz, einem der Trauzeugen von Schwingen bei seiner zweiten Ehe,
bestanden freundschaftliche Beziehungen. Lachenwitz Schwester Emilie wurde 1842, vermutlich anlässlich der Verlobung mit Johann Wilhelm Preyer,
von Hasenclever porträtiert. Zwischen den Brüdern Preyer und Hasenclever
bestand eine enge Freundschaft. 1846 entstand das Porträt Johann Wilhelm
Preyer von Hasenclever (heute Nationalgalerie Berlin) und 1853 das Bildnis Sigmund Lachenwitz (heute Stadtmuseum Düsseldorf ). Hasenclever und
Lachenwitz gehörten 1850 zu den Initiatoren der Aufnahme von Ferdinand
Freiligrath in den Malkasten.
Als Erster hat das „Diplom“ des Anti-Musik-Vereins der Maler Carl Wingender unterschrieben, ein Sohn des Oberprokurators am Elberfelder Landgericht, vermutlich der Verfasser des Diploms. Zu den Unterzeichnern gehörte
neben Peter Schwingen auch Carl Hilgers, den Hasenclever etwa 1850 porträtierte.52 Weiter ist die Unterschrift von Franz Wieschebrink, ebenfalls im Karnevalsverein, zu erkennen, der sich um diese Zeit dem humoristischen Genre
zugewandt hatte und auch zu den Mitarbeitern der Düsseldorfer Monathefte
gehörte. Er war später ebenfalls Gründungsmitglied des Malkasten.
Auch der Scherenschneider Wilhelm Müller ist dabei. Seiner Unterschrift hat
er als Erkennungszeichen eine Schere hinzugefügt. Müller wurde vor allem
bekannt als Autor des im September 1848 entstandenen Scherenschnitts „Die
Toten an die Lebenden“ aus Anlass der Verhaftung Freiligraths, wegen eben
dieses Gedichtes. Auch Hasenclever war bekanntlich Freiligrath eng verbunden. Freiligrath wurde vom Geschworenengericht freigesprochen.53
58
Aber nicht nur Künstler sind vertreten. Neben anderen hat der Kaufmann
Moritz Geisenheimer unterschrieben, der am 10. Mai 1848 als Nachfolger
des in die Frankfurter Nationalversammlung gewählten Hugo Wesendonck
Vorsitzender des „Vereins für demokratische Monarchie“ wurde. Dieser Verein war damals die größte politische Vereinigung Düsseldorfs mit über 2000
Mitgliedern. Er trat für eine konstitutionelle Monarchie bei starker Beschränkung der Rechte des Monarchen ein.54 Der Wirt und Bierbrauer Lorenz
Esser, einer der Mitunterschreiber, gehörte wie der „Rentner“ Andreas Biergans, ebenfalls diesem Verein an. Ab 1849 wird er Mitglied des Stadtrats. In
den Mai-Wahlen des Jahres 1848 konnte der Verein 17 von 19 Düsseldorfer
Wahlkreisen gewinnen.
Auf der Urkunde finden wir auch die Unterschrift „Reinartz“. Der Düsseldorfer Arzt und Stadtverordnete Dr. Franz Reinartz gehörte ebenfalls zum „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“, seit 1846 zum Vorstand. In Düsseldorf
wurde er auch der „Größ-Doctor“ genannt, weil er so bekannt war, dass er
auf der Straße fast ununterbrochen nach beiden Seiten grüßen musste. Reinartz versuchte im November 1848 Laurentz Cantador, den Kommandeur der
Düsseldorfer Bürgergarde, im Gefängnis zu besuchen. Es musste aber beim
Abgeben einer Visitenkarte bleiben.55
Alles in allem war es ein Stammtisch, der manche reformorientierte Geister
vereinte und der über den Karnevalsverein, die „St. Sebastianus Schützenbruderschaft“ und den „Verein für demokratische Monarchie“ – mit zahlreichen
Querverbindungen unter den Vereinen – dem Düsseldorfer Bürgertum durch
ein dichtes Beziehungsnetz verbunden war. Die führenden Mitglieder dieser
Vereine waren auch die Hauptleute und Zugführer bzw. deren Stellvertreter
der Düsseldorfer Bürgergarde.
Die Aufnahmeurkunde für das „Häselein“ stammt aus dem Jahre 1847. Das
Jahr 1847 war bekanntlich das Jahr besserer Ernten, sinkender Getreide- und
Brotpreise und der sich deutlicher abzeichnenden revolutionären Entwicklung in Deutschland. Auch für die Düsseldorfer Künstler der demokratischen
Tendenz schien eine gute Zukunft zu erwarten. Diese Hoffnung trog.
Die deutsche Revolution war gescheitert, lange bevor die revolutionären und
liberalen Akteure es begriffen hatten. Bereits im Juni 1848 war in Paris ein Arbeiteraufstand durch den General Cavaignac blutig niedergeschlagen worden.
59
Am 2. November wurde die Revolution in Österreich gewaltsam unterdrückt.
Der preußische König übertrug den Vorsitz im „Ministerium der rettenden
Tat“ dem kommandierenden General, dem Grafen Brandenburg. Am 9. November vertagte der König die verfassunggebende Versammlung und berief
sie erst auf den 27. November 1848 nach Brandenburg wieder ein. General
Wrangel besetzte Berlin und löste die Bürgerwehr auf.
In den rheinischen Städten wurden diese Aktionen als ein Staatsstreich von
rechts empfunden. Als Reaktion darauf wollte Laurentz Cantador, der Kommandant der Düsseldorfer Bürgerwehr, auch er Mitglied im „Allgemeinen
Verein der Carnevalsfreunde“, dem durch die preußische Nationalversammlung erfolgten Aufruf zur Steuerverweigerung Nachdruck verleihen und hatte
die Wehr zu einer Parade antreten lassen. Außerdem versuchte er, den Versand
von Steuergeldern nach Berlin zu verhindern. Das Militär griff ein. Laurentz
Cantador, ein bekannter und angesehener Düsseldorfer Kaufmann, wurde verhaftet. Wir finden Schwingen als Unterzeichner einer Bittschrift vom
16. Dezember 1848, mit der um eine Beschleunigung der gerichtlichen Untersuchung des Falles gebeten wird. Auch Schwingens Bruder, der Stellmacher
Franz Schwingen, der bis 1856 in Düsseldorf lebt, hat unterzeichnet. Weitere
Maler, die in der Bürgerwehr leitende Funktionen übernommen hatten, sind
vertreten, so E. Leutze und J. P. Hasenclever, der unmittelbar vor Schwingen
unterschrieben hat.56
Der Trauzeuge bei der zweiten Ehe Schwingens, der Wirt (Caffetier) Max
Ebertz, war stellvertretender Zugführer der Bürgergarde gewesen.57 Der Baumeister Deckers, den Schwingen porträtierte, Hauptmann der 8. Compagnie.58 Insgesamt haben über 1500 Personen die Bittschrift unterzeichnet.
Die Bürgerwehr hatte etwa 3500 Mitglieder. So ist anzunehmen, dass die
Unterzeichner vorwiegend aus der Bürgerwehr kamen. Dieses Dokument
könnte andeuten, dass auch Schwingen Mitglied der Bürgerwehr war. Erst am
18. März 1849 wurde Cantador aus der Haft entlassen.59
Verein Düsseldorfer Künstler
Wie bereits erwähnt, war Schwingen 1844 wie viele andere Maler aus dem
Karnevalsverein einer der Gründer des „Vereins der Düsseldorfer Künstler zur
gegenseitigen Unterstützung und Hilfe“, kurz „Verein Düsseldorfer Künstler“
oder „Künstlerunterstützungsverein“. Zu den Gründungsmitgliedern gehör60
ten auch F. S. Lachenwitz und Johann Wilhelm Preyer. Johann Peter Hasenclever wurde in den Vorstand gewählt. Die bis 1860 vorliegenden Jahresberichte
des Vereins weisen Schwingen jeweils als Mitglied aus. Er beteiligte sich auch
an den Aktivitäten des Vereins. 1844 stiftete er für eine Verlosung zugunsten
der Unterstützungskasse das Bild „Lesender Alter“, 1847 ein „Dörfchen mit
dem Schäfer am Heiligenhäuschen“ und 1853 einen „Martinsabend“. Die
Vereinsmitglieder übernahmen in den ersten Vereinsjahren die Bewachung
der jährlichen Ausstellung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen. Das dafür gezahlte Entgelt von 200 Talern floss ebenfalls in die Unterstützungskasse. Schwingen betätigte sich an diesen freiwilligen Bewachungsaufgaben 1847, 1852 (zweimal) und 1853 (dreimal), wie die Jahresberichte verzeichnen.60 Der Künstlerunterstützungsverein war nicht nur zum Zwecke der
Unterstützung in Not geratener Künstler und später deren Witwen gegründet
worden; er war vor allem eine Vereinigung, die den Versand von Kunstwerken
an Ausstellungsorte außerhalb Düsseldorfs organisierte. Wenn wir Schwingen
auf Ausstellungen außerhalb Düsseldorfs finden, so ist in der Regel eine Organisation durch den Künstlerunterstützungsverein anzunehmen. Auch bei der
Permanenten Kunstausstellung im Elberfelder Casino ist davon auszugehen.
Malkasten
Am 6. August 1848 wird dann der Malkasten gegründet. Da sind eigentlich alle dabei. Schwingen, Hasenclever, Preyer, Lachenwitz natürlich auch.
Hasenclever vertritt die nichtakademischen Künstler im Vorstand. Bereits am
11. November 1849 verleiht der „Allgemeine Verein der Carnevalsfreunde“
dem Malkasten eine Ehrenurkunde. 1850, die Revolution ist endgültig gescheitert, stellen Hasenclever und seine Freunde den kühnen Antrag, Ferdinand Freiligrath und Anton Fahne als außerordentliche Mitglieder in den
Malkasten aufzunehmen. Der Antrag kommt durch. Ein Sturm der Entrüstung bricht unter den konservativen Mitgliedern des Vereins aus. Dem Streit
wird aufgrund des Rückzugs von Freiligrath die Spitze genommen. Fahne, zunächst Jurist in preußischen Diensten, trat als Mäzen der Düsseldorfer Künstler hervor und besaß eine bedeutende Kunstsammlung, die zunächst in seinem „Schloss” Roland, später auf der sogenannten Fahnenburg untergebracht
war. In seinem Haus versammelte sich regelmäßig ein Kreis von Künstlern
und Literaten.61 Fahne blieb bis zu seinem Tode Mitglied des Künstlervereins.
Der Muffendorfer Schwingen ist um die Jahrhundertmitte ein anerkannter
und bekannter Maler. Fast dreißig Porträts hat er für Wuppertaler Fabrikanten
61
gemalt. Seit 1837 weisen ihn die gedruckten Verzeichnisse des „Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen“ als regelmäßigen Teilnehmer an den
Düsseldorfer Ausstellungen aus. 1857 – nach Unterbrechung 1853 und 1854
(vermutlich wegen der Beteiligung an der Wuppertaler Ausstellung) – zeigt er,
soweit heute feststellbar, letztmalig ein „Bildnis“. Jedenfalls ist er 1860 nicht
mehr dabei. Allerdings sind die Kataloge nur unvollständig überliefert.62 Seit
1836 ist er wie andere Düsseldorfer regelmäßig auf den Akademieausstellungen in Berlin vertreten. Auch die Ausstellungen des „Kölnischen Kunstvereins“ werden seit 1839 ziemlich regelmäßig beschickt, meist im Anschluss
an die Düsseldorfer Ausstellungen. Neben dem „Martinsabend“ werden
zwei weitere – heute verschollene – Bilder als Grafiken verbreitet. Ankäufe
erfolgen u. a. durch den „Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen“
und den Prinzen Georg von Hessen. Seine Bilder sind auch in Leipzig, München, Lübeck, Hannover und Breslau zu sehen.63 In die Spitzengruppe freilich dringt Schwingen nicht vor. Keines seiner Bilder wird – wie die anderer
Düsseldorfer, z. B. Johann Peter Hasenclever – von dem bekannten Sammler
Konsul J. H. W. Wagener in Berlin aufgekauft. Der Berliner Hof ist zurückhaltend, was angesichts der Themen verständlich sein mag. In der Sammlung
des Düsseldorfer Kunstfreundes Anton Fahne ist er ebenfalls nicht vertreten,
obwohl Fahne ihn in seinem ersten Buch über die Düsseldorfer Malerschule
erwähnte und mit ihm gemeinsam in einem Festausschuss der Karnevalsgesellschaft saß.
Düsseldorfer Monathefte
In der Literatur wird immer wieder auf die grafischen Arbeiten Schwingens
und seine Mitarbeit bei den „Düsseldorfer Monatheften“ hingewiesen. Bis jetzt
allerdings lassen sich keine grafischen Arbeiten nachweisen. Die Düsseldorfer
Monathefte führen seinen Namen seit ihrer Gründung 1847 bis zum Jahr 1854
unter den Mitarbeitern auf dem Titelblatt; eine signierte Arbeit Schwingens ist
aber in allen Heften dieser Zeit nicht identifizierbar. Es gab allerdings eine Zusammenarbeit zwischen Schwingen und dem führenden Grafiker der Monathefte Johann Baptist Sonderland. Der von Sonderland ausgeführte Stich des
Martinsabends trägt keine Signatur Schwingens. So könnte auch in den Monatheften verfahren worden sein. Einzelne Blätter erinnern in Aufbau und Detail an seine Innnenraumporträts, so die Lithografie im Jg. 1/2, 1847/48 nach
S. 336 „St! Still Kinder der Vater möchte gern Minister werden“.
62
Bis Mitte der 1850er Jahre war Schwingen in Düsseldorf in liberalen Kreisen der Künstler und des Bürgertums bekannt und anerkannt. So kann denn
auch sein Name nur aus Reklamegründen auf dem Titelblatt der „Düsseldorfer Monathefte“ gestanden haben. Auch der von J. P. Hasenclever stand dort,
obwohl er nur einmal mit einer Lithografie als Beiträger auftaucht. Lorenz
Clasen, der Herausgeber der Monathefte, war – natürlich – Mitglied im Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde. Später wurde er auch noch stellvertretender Kommandant der Düsseldorfer Bürgerwehr.
Dunklere Jahre
Ende der 1840er Jahre scheint es aber einen Knick in der Lebenskurve
Schwingens zu geben. Am 25. Januar 1848 stirbt seine erste Frau. Die Kinder sind 8, 6 und 3 Jahre alt. Man darf durchaus vermuten, dass der Tod der
jungen Frau, sie ist 32 Jahre alt, mit einer unglücklich verlaufenen, weiteren
Schwangerschaft zusammenhing. In der Familie muss es weiter gehen, Geld
muss gerade jetzt verdient werden. Geht das über die Kräfte des ja ebenfalls
noch jungen Witwers? Er ist 35 Jahre alt.
Zunächst heiratete Schwingen erneut am 21. November 1849, diesmal die
Tochter eines „Staabsschmidts“ (in der Sterbeurkunde der Tochter allerdings
als Ackerer bezeichnet) aus Iserlohn, die elf Jahre jüngere Sophie Zecher.64
Der Vater der Braut war bereits 1839 verstorben. Die Mutter lebte in Grüne
in Westfalen. Die junge Frau dürfte in Düsseldorf einer Arbeit als Dienstmädchen oder Ähnlichem nachgegangen sein. Man könnte auch vermuten,
dass sie in einer Gaststätte als Serviererin arbeitete. Einer der Trauzeugen
war der Caffetier Max Josef Ebertz. Nach dem Tode Schwingens heiratete
die Witwe einen Gastwirt aus Mülheim/Ruhr. Jedenfalls blieb Schwingen im
angestammten Milieu, schließlich war ja auch seine Mutter die Tochter eines
Dieners und späteren Gastwirtes.
Auch aus der zweiten Ehe gingen vier Kinder hervor. Leider ist der nun
folgende Lebensabschnitt noch schlechter dokumentiert als die vorangegangenen. Offizielle Akten stehen nicht mehr zur Verfügung. Die Berliner Ausstellungen verlieren nach dem Scheitern der Revolution und dem
Beginn der Restauration an Bedeutung. Das Werkverzeichnis Schwingen
ist denn auch für die Zeit zwischen 1850 und 1863, dem Todesjahr, vermutlich ziemlich lückenhaft. Gerade in jüngster Zeit tauchen aber immer wieder Bilder, in der Regel Porträts, auch aus diesen Jahren auf.
63
Bei beiden Trauungen Schwingens waren neben Verwandten und Bekannten auch Künstlerfreunde als Trauzeugen vertreten. Bei der ersten Trauung
waren es junge Schüler der Akademie, die später nicht weiter in Erscheinung
traten. Lediglich Samuel Rahm gewann in Krefeld einen gewissen Ruf.65 Bei
der zweiten Eheschließung finden wir als Zeugen den sieben Jahre jüngeren
Sigmund Lachenwitz (1820-1868), der zwar als Künstler und Tiermaler nicht
zur Prominenz in Düsseldorf zählte, aber ein damals erfolgreicher, viel gekaufter Künstler und ein Schwager des bekannten Stilllebenmalers Johann Wilhelm Preyer war. Lachenwitz ist gemeinsam mit Schwingen auf dem einzigen
überlieferten Foto des Künstlers zu sehen.66 Dieses Foto ist von W. Severin
gemacht worden, der als Erster in Düsseldorf auf dem Steinweg ein Fotoatelier eröffnete. Lachenwitz einziger Sohn Karl wurde nach einer Ausbildung
als Xylograf und kurzem Zwischenspiel an der Akademie Fotograf.67 Damit
ist die Frage von Walter Cohen, ob Schwingen wohl die Arbeiten der frühen
Daguerreotypisten gekannt habe, positiv zu beantworten.
Peter Schwingen (links) und Sigmund Lachenwitz, etwa 1850, Fotografie von Julius Söhn nach
einer Daguerreotypie von W. Severin
64
Einen anderen Trauzeugen − Paul (von) Franken − mochte Schwingen aus
seiner Jugend in Muffendorf kennen. Franken (1818-1884), in Oberbachem
(heute Wachtberg-Oberbachem) geboren, war Sohn des Godesberger Bürgermeisters Wilhelm Hugo (von) Franken. Dieser hatte sich allerdings den Adelstitel (als Standesbeamter) selbst zugelegt. Er wurde ihm und der Familie später
wieder abgesprochen. Dennoch signierte sein Sohn Paul Franken vielfach mit
einer zumindest zweideutigen Unterschrift. Er war zur damaligen Zeit bereits ein viel gereister und international ausgebildeter Maler. 1841 und 1842
hatte er in Düsseldorf studiert, dann war er nach Dresden und Amsterdam
gegangen. 1849 kam er mit seiner Verlobten, der baltischen Malerin Helene
Köber wieder nach Düsseldorf. 1851 heirateten sie in Godesberg und reisten
über Paris in die baltische Heimat von Frau Franken − nach Mitau. Es folgte
ein langer Aufenthalt im Kaukasus. Auch Franken war in seinen Düsseldorfer Jahren Mitglied des „Malkasten“. Beide, Lachenwitz und Franken, waren
übrigens, im Gegensatz zu Schwingen, in der bedeutenden Sammlung des
Düsseldorfer Kunstfreundes und Mäzens Anton Fahne auf der Fahnenburg
vertreten.
Auffällig ist, dass Schwingen − neben den Auftragsbildern − viele Angehörige seiner Familie gemalt hat, dass aber Bilder von Künstlerfreunden, damals
ein typisches Düsseldorfer Produkt, nicht auftauchen. Ebenso wenig wurde
Schwingen selbst von anderen Künstlern gemalt. In der „Ahnengalerie“ des
Malkastens ist er nicht vertreten, was mit seiner späteren Streichung als Mitglied infolge fehlender Beitragszahlung zusammenhängen mag. Schwingen
hatte wohl auch das Interesse an den inzwischen überwiegend gesellschaftlichen und auch kostspieligen Aktivitäten des Malkastens verloren, während er
im Künstlerunterstützungsverein, der für die Organisation von Ausstellungen
in Düsseldorf und auswärts wichtig war, regelmäßig mitarbeitete.
1850, 1851 und 1852 organisierte die im Malkasten vereinigte Künstlerschaft
Frühlingsfeste auf der Fahnenburg, dem späteren Wohnsitz des Kunstmäzens
Anton Fahne am Grafenberg. Diese Künstlerfeste zeichneten sich nicht mehr
durch die spontane Fröhlichkeit der jungen Künstler aus, sondern wurden
immer mehr zu aufwendigen und prunkvollen Inszenierungen. Die Beteiligung an diesen Festen stellte auch eine ziemlich große finanzielle Belastung
dar. So war vorwiegend das Establishment anzutreffen. 1850 war das Thema
der „Kampf der guten Gesellen mit den Weinen“. 1851 ging es um die „Befreiung der Prinzessin Waldmeister durch den Prinzen Rebensaft“. Am Fest
65
des Jahres 1851 nahm Schwingen vermutlich mit seiner Frau teil. Jedenfalls
meldet die Teilnehmerliste „2 Couverts bezahlt. Abzeichen erhalten“.68 Auch
Lachenwitz war dabei.69 Dass auch Wilhelm Busch an diesem Künstlerfest
teilnahm, sei hier nur als Kuriosität erwähnt. Der Vetter von Lachenwitz,
Friedrich Wilhelm Hackländer, stellte eines der Feste in das Zentrum seines
„Künstlerromans“.
Elberfeld 1851-1854
1851 startete im Gartensaal des „Casino“ in Elberfeld ein ungewöhnliches
Unternehmen. Eine „Permanente Kunstausstellung für Elberfeld-Barmen“
wurde angekündigt. Vom Mai 1851 bis Mai 1854 wurden auf Kommissionsbasis Bilder ausgestellt, verkauft und verlost. Führende Unternehmer und
Beamte aus den Wupperstädten hatten ein Organisations-Komitee gebildet.
Im Hintergrund wirkte bis Mitte 1853 der Schriftsteller, Journalist und „wahre“ Sozialist Hermann Püttmann, der zahlreiche beachtliche Besprechungen
der ausgestellten Bilder in der Elberfelder Zeitung von 1851 und 1852 publizierte. Fast alle bedeutenden Maler Düsseldorfs waren vertreten. Bis Mai
1852 waren etwa 1000 Bilder ausgestellt worden. Peter Schwingen war mit
13 Bildern dabei, darunter „Die geizige Bauersfrau“, „Singendes Mädchen“,
„St. Martinsabend“, „Kinder an der Pumpe spielend“, „Der als Krüppel heimkehrende Krieger“, „Das Kind die Taube fütternd“, „Der schlafende Knabe
im Hundestall“ (2-mal) und „Der neue Wein“ bzw. „Die Weinlaube“. Auch
eine Fassung der „Pfändung“ wurde gezeigt, zwei Porträts von Wuppertaler
Bürgern wurden vorgestellt. Leider sind sie nicht näher beschrieben.
In diesem Zusammenhang schrieb der „Tägliche Anzeiger für Berg und Mark“:
„Auch der Düsseldorfer Maler Peter Schwingen zeigt uns in zwei Porträts (ebenfalls hiesige Persönlichkeiten darstellend) ein feines Gefühl für Individualisierung,
nebenbei ist die milde, zarte Behandlung der Farben sehr anerkennenswert, sodass
wir uns nicht erinnern, von dem bekannten Meister gelungenere Bildnisse gesehen
zu haben.“ 70
Schwingen zeigte also weiterhin Flagge an der Wupper. Das bemerkte auch
Hermann Püttmann in der „Elberfelder Zeitung“ vom 11. Juni 1851. Er
schrieb: „Von den übrigen Porträts der Ausstellung erfreuen uns die beiden Bildnisse von P. Schwingen durch solide Tüchtigkeit. Der Künstler, der hier durch seine
Arbeiten in gutem Andenken steht, wird nicht verfehlen, in freundliche Erinnerung zu kommen“.71 Schwingens „Geizige Bauersfrau“ wurde verkauft.
66
1860 kam es zu dem Versuch einer Wiederbelebung der Permanenten Kunstausstellung in Elberfeld auf privater Basis durch die Galeristen Pfeiffer &
Meyers. Ein langes Leben war dem Experiment wohl nicht beschieden. Dort
wurde im Januar 1861 von Peter Schwingen das Bild „Der Spazierritt“ ausgestellt, wobei die Galerie versichert, dass es sich bei Reiter und Pferd um echte
Porträts handele. Das Bild sei nur für wenige Tage ausgestellt.72 Wir wissen
nicht, ob Schwingen selbst hier ein spät gemaltes Werk zum Verkauf anbot
oder ob ein anderer Besitzer sein früher erworbenes Prachtstück verkaufen
wollte. Unter den Werken Schwingens ist das Bild bisher nicht wieder aufgetaucht.
Krank − und vergessen ?
Anfang der 1850er Jahre hat es wohl finanzielle Probleme gegeben. Seine Beiträge zum Malkasten hat Schwingen 1854 und 1855 nicht mehr oder jedenfalls nicht rechtzeitig bezahlt.73 1858 wird er im gedruckten Mitgliederverzeichnis des Malkastens nicht mehr aufgeführt.74 Auch Lachenwitz fehlt dort,
tritt aber später wieder ein. Es wird stiller um den Maler aus Muffendorf. Sein
Landsmann Franken hat Düsseldorf bereits 1850 oder 1851 verlassen und
kehrt erst 1861 dorthin zurück. 1853 stirbt Henry Ritter. Auch der befreundete Johann Peter Hasenclever stirbt im gleichen Jahr. 1854 wird Schwingen
zum letzten Mal als Mitarbeiter auf dem Titelblatt der Monathefte genannt.
Seine malerischen Werke sind in dieser Zeit dennoch beachtlich. Der Trend,
der sich in den „politischen“ Bildern in den Jahren vor und in der Revolution
abgezeichnet hatte, war freilich in der Zeit der Reaktion nicht mehr durchzuhalten. Soweit die Maler dieser Richtung nicht auswanderten, wie zum Beispiel der Bonner (Poppelsdorfer) Maler Heinrich Vianden, oder, wenn man
so will „rechtzeitig“, starben, waren sie gezwungen, zu harmloseren Genrebildern und zu Porträts ihre Zuflucht zu nehmen.
1850 malt Schwingen seine junge Frau. Im Auftrage eines Düsseldorfer Weinhändlers entsteht das großformatige Gemälde „Die Weinlaube“. 1854 sind
zwei Porträts und 1855 wiederum ein Porträt aus dem Wuppertal zu erwähnen. Weitere Porträts aus den Jahren 1857 und 1859 sind neuerdings bekannt
geworden. Schwingen wiederholt 1856 sein erfolgreiches Bild „Der Lotteriejude“ und 1862 in leichter Abwandlung die „Vesperzeit am Sonntage“ von
1837. Mit den Bildern „Mädchen in Weiß“ (1858), „Bildnis eines Knaben“
67
(1862) und „Preußischer Kadett“ entstehen Werke, die zwar im Aufbau konventionell, aber in der malerischen Gestaltung von beachtlicher Qualität sind.
1861 wohnt Schwingen mit seiner Familie noch in einem efeuumrankten
Häuschen in Bilk. Infolge seiner Erkrankung kann er aber nur noch sehr wenig malen. Am 6. Mai 1863 stirbt der Maler in Düsseldorf in der Verlängerten
Pfannenschoppenstraße (heute Klosterstraße). Im Düsseldorfer Bürgerbuch ist
die Eintragung „Invalide“ vermerkt, d. h. dass er aus gesundheitlichen Gründen
als zum Wehrdienst nicht tauglich angesehen wurde. An einer aufwendigen
Todesanzeige (wenn auch mit falschem Todesdatum) im „Düsseldorfer Anzeiger“ ist zu erkennen, dass die Familie Schwingens nicht zu den Ärmsten der Stadt
gehörte.75 Als Todesursache wird eine „Abnehmungskrankheit“ angegeben.
Düsseldorfer Anzeiger vom 9. Mai 1863
68
Seine Witwe wird vom Künstlerunterstützungsverein die üblichen 30 Taler
für die Beerdigung erhalten haben. Sie zog nach dem Tod des Ehemannes mit
ihren Kindern (12, 11 und 8 Jahre alt) nach Mülheim/Ruhr, wo sie ein zweites
Mal, diesmal einen Gastwirt, heiratete, geschieden wurde, und schließlich im
Hause der jüngsten Tochter 1886 starb.
Auf der Jubiläumsausstellung des Malkastens 1898 ist Schwingen wieder mit
einem Porträt vertreten. Er war also nicht ganz vergessen. Soweit wir sehen,
das erste Mal, dass eines seiner Bilder nach seinem Tode wieder ausgestellt
wurde.76
Wir können heute nicht mehr genauer feststellen, wie die persönlichen Verhältnisse des Malers in den letzten Jahren seines Lebens gewesen sind. Generell
war jedoch in Deutschland/Preußen der Stern der Düsseldorfer Malerschule
so schnell gesunken, wie er kometenhaft aufgestiegen war. Erste Anzeichen
hatte es schon in den vierziger Jahren gegeben. Joachim Großmann weist auf
einige Ursachen hin. Da ist einmal die stark zunehmende Zahl der Künstler
zu nennen, die der vorangegangenen Kunsteuphorie zu danken war. Ernteausfälle in den vierziger Jahren trieben die Preise in die Höhe und waren wohl
auch mitverantwortlich für den Ausbruch der Revolution. Andere Autoren
weisen auf die bedeutende Rolle der Kunstkritik hin, die zunächst himmelhoch jauchzte (mit kräftiger Hilfe der Akademie und des rührigen Schadow),
dann aber ebenso schnell zu einem „Kreuzige! Kreuzige!“ bereit war.77 Das
politische Gewicht verlagerte sich zudem mehr und mehr in die Hauptstädte
Berlin und München.78 Schadow schrieb 1848: „Wie’s hier unter den Künstlern
steht, ist nicht zu sagen! Selbst die Besseren haben nichts zu tun.“ 79
Die Jahrhundertausstellung 1906
Wie viele andere blieb Schwingen nach seinem frühen Tode lange unbeachtet. Seine Genrebilder teilten die Verachtung dieser Sparte durch die offiziöse
Kunstkritik. Nach der Revolution mochte sich wohl auch niemand mehr der
eher politischen Gemälde erinnern.
Für die Wiederentdeckung von Schwingen und die Neubewertung seiner
Werke war von größter Bedeutung, dass sein Bild „Die Familie KeuchenWerlé“ (Abb. S. 92) 1906 auf der Jahrhundertausstellung in Berlin gezeigt
wurde. Dieses Bild galt lange als verschollen. Walter Cohen wies in seinem
69
Vortrag 1932 in Godesberg darauf hin, dass alle Nachforschungen bis dahin
vergeblich gewesen waren. Das Bild ist im Jahre 2000 wieder aufgetaucht
und aus Godesberger Privatbesitz inzwischen in die Wuppertaler Sammlung
Volmer gelangt! Worin liegt sein besonderer Stellenwert?
Um die Jahrhundertwende wurde der Ruf nach einer Revision des akademischen Kanon der Kunstwertung immer lauter. Immer noch galt offiziell die
Historienmalerei als die bedeutendste Sparte der Malerei. An die Stelle einer
am Inhalt der Werke orientierten Kunstkritik sollte nun ein Qualitätsbegriff
etabliert werden, „der sich an einer rein malerisch verstandenen Kunstentwicklung orientierte, in deren Mittelpunkt die traditionell als weniger anspruchsvoll
eingeschätzten Gattungen Bildnis-, Landschafts- und Genremalerei standen.“ 80
Führende Museumsleute wie Alfred Lichtwark in Hamburg, Woldemar von
Seidlitz in Dresden, Kunstschriftsteller wie Julius Meier-Graefe in Paris und
Berlin und schließlich auch der neue Direktor der Nationalgalerie in Berlin
Hugo von Tschudi wurden die Initiatoren einer sogenannten Revisionsausstellung, wie der Arbeitstitel deutlich lautete. Diese Ausstellung wurde als
Jahrhundertausstellung, in Anlehnung an die „Centennale“ in Paris „zum
Schlüsselereignis für die kunstgeschichtliche Rezeption der deutschen Malerei des
19. Jahrhunderts.“ 81
In Barmen gehörte der Kunsthistoriker Richart Reiche82 zu denen, die sich
energisch für die Ausstellung und ihre Ziele einsetzten. Obwohl noch nicht
zum künstlerischen Leiter des „Barmer Kunstvereins“ berufen, veranstaltete
er in Zusammenarbeit mit diesem 1906 eine Ausstellung in der Ruhmeshalle,
auf der Bilder aus Privatbesitz gezeigt wurden, die für die Jahrhundertausstellung in Berlin bestimmt waren.83 Es war zwar nicht erstaunlich angesichts der
Bedeutung der Werke von Peter Schwingen im Wuppertal (meist in Elberfeld), aber auch nicht selbstverständlich, dass zu diesen auch Peter Schwingens
„Die Familie Keuchen-Werlé“ gehörte. Hugo von Tschudi, als Direktor der
Nationalgalerie für Ausstellung und Katalog verantwortlich, widmet dem Bild
eine ganze Seite im Illustrationen-Band. So gingen die Anfänge der Wiederentdeckung Schwingens vom Wuppertal aus, wo er ja auch als Maler seine
großen Erfolge errungen hatte.
„Die Familie Keuchen-Werlé“ gehörte dann auch zu den Werken Schwingens,
die in den folgenden Jahren mehrfach abgebildet und in kunsthistorischen
Darstellungen erwähnt wurden. 1909 wurde das Gemälde in einer Veröffent70
lichung von F. W. Bredt und R. Reiche wieder vorgestellt. Richard Hamann
erwähnt es in seiner Überblicksdarstellung der deutschen Malerei wegen seines typischen Biedermeier-Interieurs. Sogar die „Berliner Illustrierte“ stellte
es ihren Lesern vor.
Reiche war freilich weniger an der Wiederentdeckung Düsseldorfer Genremaler als an der zeitgenössischen Malerei interessiert und baute in den folgenden
Jahrzehnten die Sammlung des Barmer Kunstvereins zu einer bedeutenden
Galerie der Moderne aus. So ging die Initiative der „Revision“ auf den Direktor des Städtischen Kunstmuseums Friedrich Fries in Elberfeld, Bürgermeister
Zander in Godesberg und Walter Cohen in Düsseldorf über.
Elberfeld 1907 und 1922
1907 fand im Städtischen Museum in Elberfeld (heute Von der Heydt-Museum) eine Ausstellung statt, in der auch fünf Porträts von Schwingen aus
Elberfelder Privatbesitz gezeigt wurden. Friedrich Fries hatte diese Ausstellung
organisiert.84
1922 folgte eine Ausstellung von Interieurbildern in Elberfeld, in der Schwingen mit den Bildern Peter de Weerth und Gertrud de Weerth (Abb. S. 16
und S. 86) vertreten war. Walter Cohen wies in seiner Besprechung der Ausstellung zunächst auf die „Reinigungsarbeit“ der Jahrhundertausstellung hin
und betonte, dass nach dieser Ausstellung die Geschichte der Malerei Düsseldorfs neu geschrieben werden müsse. Dabei verwies er besonders auf einen
Künstler. „Den Namen des Künstlers, Peter Schwingen, setze ich mit dem Gefühl
der Beschämung hin, dass diesem Manne von Mit- und Nachwelt in Düsseldorf
schweres Unrecht widerfahren ist.“ 85 Anschließend besprach er geradezu enthusiastisch die Bilder Peter und Gertrud de Weerth. Er schloss seinen Aufsatz in
den „Düsseldorfer Nachrichten“ mit der Frage: „Wird es auch für Düsseldorf
gelingen, die Erinnerung an diesen Verkannten und Vergessenen zu beleben und
festzuhalten?“ 86
Walter Cohen und die Ausstellung in Düsseldorf 1925
Bei der Ausstellung in Elberfeld war Walter Cohen zum ersten Mal auf
Schwingen aufmerksam geworden. Er entwickelte sich in den folgenden zehn
Jahren, unterstützt von Julius Söhn, zum eifrigen Propagandisten für seine
71
Kunst, besonders seine Bildnisse.87 Cohen und Reiche waren gute Bekannte
und hatten bei der Vorbereitung der Sonderbundausstellung eng zusammengearbeitet. Wie Reiche gehörte Cohen dem Vorstand des Sonderbundes an. In
der Ausstellung „Düsseldorfer Bildnismalerei der Vergangenheit“ hatte Cohen
nur das kleine Bildchen des Schneidermeisters Schmitz aus dem Privatbesitz
von Julius Söhn zeigen können. Die Ausstellung „Die letzten hundert Jahre rheinischer Malerei“ im Kunstpalast in Düsseldorf 1925 präsentierte aufgrund der Bemühungen von Cohen schon neun Bilder Schwingens.88 Hatte
die mit der Ausstellung von 1906 angestrebte Revision stattgefunden?
Peter Schwingen am Ort seiner Geburt
In seinem Buch „Hundert Jahre rheinischer Malerei“ hatte Cohen schon 1924
geschrieben: „Am Rhein sollte man endlich anfangen, diesem Vergessenen die Ehre
zu erweisen, die ihm zukommt; denn Peter Schwingen ist in Wahrheit von allen
rheinischen Bildnismalern der originellste und der begabteste.“ 89 1926 gab es in
Bad Godesberg, wohl als Echo auf die Düsseldorfer Jahrhundertausstellung,
eine kleine Ausstellung im Büro der „Deutschen Reichs-Zeitung“ mit acht
Schwingen-Bildern aus Privatbesitz.90
Der Godesberger Bürgermeister Zander war ein aufmerksamer Leser der Veröffentlichung von Walter Cohen. Er begann nicht nur nach den Vorfahren
des Malers und dem Verbleib von Bildern zu forschen, er regte gleichzeitig an,
dass Cohen doch einen Vortrag in Godesberg über den Maler halten möge.
Schließlich kam es zu der Idee, zunächst eine Ausstellung der Werke von Peter
Schwingen zu veranstalten und diese dann mit einem Vortrag zu verbinden.91
Die Ausstellung kam aus den auch heute noch fast notorischen Gründen –
hohe Versicherungskosten, Probleme mit den Leihgebern – nicht zustande.
Aber Zander ließ nicht locker. Erst 1931 sollte sich ein Teilerfolg seiner Bemühungen zeigen.
Abschluss und Höhepunkt seiner Bemühungen und auch der „SchwingenWiedergeburt“ war der Lichtbildervortrag von Dr. Cohen 1931 in Bad Godesberg, der 1932 auch als Broschüre veröffentlicht wurde.92 Dieser Vortrag
sollte einer der letzten des Kustos der Gemäldesammlungen der Stadt Düsseldorf sein. Als „Jude“ nach Hitlers Rassenvorstellungen wurde er zunehmend
bedrängt, musste sein Amt aufgeben, kam ins Konzentrationslager Dachau,
wo er 1942 starb.93 Als Kuriosum sei erwähnt, dass nach der Entlassung von
72
Bürgermeister Zander NS-Staatskommissar Heinrich Alef die Broschüre Cohens am 31. März 1933 an die Schulabgänger der Gemeinde Friesdorf mit
den Zeugnissen überreichen ließ. Widmung: „Den Schulkindern im Jahre der
nationalen Erhebung zur Schulentlassung gewidmet von der Gemeinde Godesberg”.94
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
Schwingen wurde in der kunstgeschichtlichen Literatur nach dem Zweiten
Weltkrieg zunächst nicht zur Kenntnis genommen, obwohl die lokale Presse
immer wieder über ihn berichtete. 1960 wurden „Der Schmaus nach Gewinn
des großen Loses“ und 1962 das „Bildnis Frau Heseler“ von den Städtischen
Kunstsammlungen Bonn aufgekauft. Erst als dann der „Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg“ und Walter Holzhausen, der
pensionierte Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Bonn, zusammen mit der Stadt Bad Godesberg durch Ausstellung und Veröffentlichung
das Thema aufgriffen, wurde man auch überregional wieder auf den Maler
aufmerksam. Anlass boten der 150. Geburtstag und der 100. Todestag von
Schwingen 1963. Die Initiative ging vom damaligen Vorsitzenden des Godesberger Heimatvereins, Dr. Haentjes, aus. Am 29. Mai 1963 hielt Dr. Holzhausen einen Lichtbildervortrag über Schwingen auf der Mitgliederversammlung
des „Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte“, die aus diesem Anlass
im Gasthaus „Zur Post“ in Muffendorf stattfand.95 Sogar der Malkasten erinnerte sich seines Gründungsmitglieds und lud Holzhausen zu einem Lichtbildervortrag ein (6. November 1963). Auch der „Bergische Geschichtsverein“
sprach eine Vortragseinladung aus und ließ die Ausführungen Holzhausens
ganzseitig im „General-Anzeiger“ veröffentlichen. Die Ausstellung, die erste Einzelausstellung des Malers, konnte vom 1. bis 22. März 1964 in der
Godesberger Stadthalle durchgeführt werden.96 1994 fand im Godesberger
„Haus an der Redoute“ eine repräsentative Schwingen-Ausstellung statt, die
die „Peter Schwingen-Gesellschaft“ realisiert hatte. Das neu erwachte Interesse an Schwingen führte auch dazu, dass Werke aus Privatbesitz auftauchten,
die bislang entweder völlig unbekannt gewesen waren oder, wie das bekannte
Bild „Die Familie Keuchen-Werlé“, seit Langem als verschollen galten. Das
Kunsthaus Paul Schweitzer, Bad Godesberg und die Galerien Georg Paffrath
und Wilhelm Körs, Düsseldorf spielten dabei eine wichtige Rolle.
73
Selbstbildnis, vermutlich 1832, Verbleib
unbekannt, Foto: Julius Söhn
74
Zum Werk
Selbstporträts
Das erste Bild, das uns von Schwingen durch Fotos überliefert ist, frühere
Bilder kennen wir nur aus Berichten, ist ein Selbstporträt, das lange in der
Familie aufbewahrt wurde und stark beschädigt war. Nach der Restaurierung
durch Spinrath in Düsseldorf blickt uns ein aufgeweckter Junge aus dem Dorfe selbstbewusst an, so wie wir ihn auch heute noch auf den Dorfstraßen
seiner Heimat antreffen können. Wahrscheinlich ist das Bild noch vor oder
gleich zu Beginn des Akademiebesuches entstanden. Es ist mit anderem Inventar des Godesberger Heimatmuseums in den Wirren der Zeit nach dem
Zweiten Weltkrieg verschwunden.
Schwingen hat auch weitere Stationen seines Lebens in Selbstporträts festgehalten. Ein etwas später entstandenes Selbstbildnis zeigt Schwingen im Halbprofil und bereits mit dem Ansatz einer hohen Stirn. Das Bild ist ebenfalls verschollen. Die Grundkonzeption wiederholte Schwingen in den 1837 entstandenen kleinen Porträts der Kinder des Peter de Weerth. Eine andere Arbeit
zeigt einen jungen Maler mit typisch beschatteter Augenpartie und breitem,
weichem Künstlerhut (Abb. S. 2). Dann begegnet uns das Bild eines festlich
gewandeten Herrn, der durch seine Busennadel auffällt. Alle diese Bilder sind
ohne großen dekorativen Aufwand als Brustbilder konzipiert. Lediglich das
letzte Bild dieser Serie (Abb. S. 35), wohl um 1849 entstanden,97 erinnert an
die berühmten Innenraumporträts aus dem Wuppertal. Wir sehen den Künstler und seine Frau im Atelier. Im Hintergrund eine Staffelei mit einem angefangenen Bild, eine Gitarre, ein Globus, an der Wand ein Gewehr. Eine Bilanz
enttäuschter Hoffnungen. Die Revolution, für die sich Schwingen mit vielen
anderen Düsseldorfer Malern eingesetzt hatte, ist gescheitert. Reisen konnte
Schwingen nie machen, die Lieder sind verstummt. An die glanzvollen Tage
als Schützenkönig oder Mitglied der Düsseldorfer Bürgerwehr erinnert nur
noch das Gewehr.
75
Studien des Schülers der Düsseldorfer Akademie
Im Besitz der Nachfahren Schwingens sind Studien, die schon wegen ihrer
Thematik nicht auf eigene Initiative der Kunststudenten zurückgehen konnten. Eine dieser Arbeiten zeigt einen mittelalterlichen Ritter und trägt die
Unterschrift „Ist Durindan nicht hier?“ Der Ritter erwartet einen Gegner,
hat aber sein Schwert noch in der Scheide. Das Schwert „Durindan“ spielt in
Ariosts’ „Der rasende Roland“ eine große Rolle. Es gelangte aus dem Besitz
Hectors in den Besitz Orlandos (Rolands). Der abgebildete Ritter dürfte demnach Rinaldo vorstellen, der seinen Gegner erwartet. Karl Ferdinand Sohn,
der Lehrer Schwingens in der „Vorbereitungsklasse“ der Akademie, hatte
schon 1828 das Thema Rinaldo und Armida in einem Gemälde angesprochen. Schwingen dürfte Ariost weder damals noch später gelesen haben.
Bei der kleinformatigen Studie eines Kreuzfahrers vor einer Burg wird ein
Modell der Akademie Pate gestanden haben. Als Entstehungszeit ist 1836
angegeben. Für 1837 nennt Nick in seinem Manuskript für den Thieme/
Becker98 noch einen „Wache stehenden Kriegsknecht“. Auch der könnte gemeint sein. Als Peter de Weerth 1838 Peter Schwingen in Düsseldorf besuchte, zeigte ihm dieser in seinem Atelier einen „Ritter“. Es könnte sich um den
„Kreuzfahrer“ aber auch um „Durindan“ gehandelt haben. Nur diese beiden
Studien sind von den Studentenarbeiten Schwingens überliefert. Es dürften
aber wesentlich mehr gewesen sein.
Kinderbilder
Eines der ersten Bilder Schwingens hieß „Jesus der Kinderfreund“. Es ist nicht
überliefert und wahrscheinlich in der Zeit vor seiner Ausbildung in Düsseldorf entstanden. „Schwingen der Kinderfreund“ wird man später formulieren
dürfen.
Die Kinderbilder Schwingens finden früh Beachtung. Die kleinformatigen
Skizzen mit dem Motiv „Martinsabend“ stellen den ersten größeren malerischen Erfolg des jungen Malers dar. Im Jahr 1837 werden gleich vier Fassungen produziert. Auch in späteren Jahren wird das Motiv leicht abgewandelt
immer wieder gemalt. Das Thema ist altem rheinischen Brauchtum entnommen und stellt die Laternenumzüge der Kinder am Martinstage verbunden
mit einem Bettelsingen um Früchte und Süßigkeiten dar. Die Umzüge erinnern an den Frankenheiligen Martin von Tours und an seine Mildtätigkeit.
76
Ist Durindan nicht hier? Öl auf
Leinwand, 1833/34, Privatbesitz
Der Kreuzfahrer, Öl auf Pappe,
1836, Privatbesitz
77
Die alte Dorfkirche des Schwingen-Geburtsortes Muffendorf ist dem Heiligen Martin geweiht. Die Fassungen im Museum Kunstpalast, Düsseldorf und
die Fassung im Stadtmuseum Düsseldorf verlegen denn auch das Martinssingen in ein dörfliches Umfeld. Der Blick auf das offene Schmiedefeuer im
Hintergrund, ein Versatzstück, das später auch in dem Gemälde „Der Lotteriejude“ wiederkehrt, könnte die dem Geburtshaus von Schwingen gegenüber
liegende Dorfschmiede andeuten. Andere Fassungen verlegen den Martinszug
in die Düsseldorfer Altstadt mit Lambertuskirche oder Jan-Wellem-Denkmal.
Der Martinsabend (V), Öl auf Leinwand,
1837, Stiftung Museum Kunstpalast
Düsseldorf
Die Lebendigkeit der Schwingen’schen Darstellung lässt das eigene Erleben
des Künstlers aus der Muffendorfer Jugendzeit deutlich nachklingen. Die
überwiegend in gelb-braun-roten Tönen gehaltenen Bildchen beeindrucken
nicht nur durch die Natürlichkeit und Ursprünglichkeit der Darstellung, sondern auch durch Farbgestaltung und Lichtführung. Die Laternen, teils ausgehöhlte Rüben und Kürbisse, leuchten mit den fröhlichen Kindergesichtern
und dem der laut singenden Mutter um die Wette. Das Schmiedefeuer wird
in anderen Versionen durch ein hell erleuchtetes Fenster oder durch von links
einfallendes Mondlicht ersetzt.
78
Die Kinderbilder zeichnen sich – wie auch der Martinsabend – dadurch
aus, dass der Eigenwert der Welt der Kinder deutlich wird. Sie wird mit den
Augen der Kinder und nicht aus der Perspektive der Erwachsenen gesehen.
Die Überlieferung, dass Schwingen seine Kinder in einem selbst gebastelten
„Bollerwagen“ (Handwagen), gezogen von einem Ziegenbock, durch Düsseldorf gefahren habe, könnte zutreffen und belegen, dass Schwingen auch als
Erwachsener die kindliche Freude und Naivität nicht verloren hatte. (Einen
solchen Kinder-Handwagen finden wir auch in einer Karikatur von Henry
Ritter in den Düsseldorfer Monatheften. Diesmal allerdings gezogen von einem preußischen Offizier!). Der Martinsabend von Schwingen wurde später
auch als Radierung verbreitet (Sonderland, 1849).
Schwingen knüpft mit weiteren Kinderbildern an die erfolgreiche Serie der
Martinsabende an. Ebenfalls 1837 entsteht das Bild etwas größeren Formats
„Stilles Gedenken oder Gebet zweier Kinder am Gedächtnistage ihres vom
Blitz erschlagenen Vaters am Eichenstamme“. In naiver Auffassung sind die
Kindergestalten entwickelt. Die „Geschichte“ ergibt sich allerdings nicht aus
dem Bild, sondern vollständig nur aus dem erläuternden Titel.
Das kleine Bildchen „Kind und Hund“, das – nicht datiert – entsprechend
der Malweise und dem Format zu den naiven frühen Werken zu zählen ist,
gibt eine Szene an der Haustür eines Bauernhauses wieder. Das Mädchen im
langen Kinderkleid steht etwas unbeholfen auf der Schwelle und scheint die
Vögel zu füttern. Der Hund schaut zu, bleibt aber liegen. Ein tönener Krug
auf der Schwelle hat zwar keine Funktion, füllt aber sonst entstehende Leere.
Ein blühender Rosenstock und Teile des Bauernhauses bilden den Hintergrund. Das Bild ist nur durch ein schwarz-weißes Foto überliefert, was die
Beurteilung erschwert. Naive Malerei ja, aber ohne die höchst professionelle
Naivität der heutigen Vertreter dieser Kunstrichtung.
Ein verwandtes Bildchen „Wie groß ist das Kind?“(Abb. S. 8) von 1846 stellt
eine Familie dar, die sich um ein Kleinkind versammelt und wie üblich, den
Sprössling uneingeschränkt bewundert. Es dürfte sich um das gleiche Kind
handeln, das um 1839 unter einem Rundbogen in seinem Bett schlummert,
während auf der Bettdecke einer kleiner Spielzeughund mit rotem Halsbändchen wacht.
79
1842 kommt mit „Die Kinder pflegen ihren kranken Hund“ ein Meisterwerk
auf den Markt. Zwei Jungen und ein Mädchen bemühen sich um den ihrer
Meinung nach kranken Hund. Blühender Holunder beschirmt das Quartett.
Schwingen hat das Bild in zwei Formaten gefertigt, wohl eine Fassung für den
Verkauf und eine für Ausstellungen. Der Hund hat es auf jeden Fall besser als
der auf dem ebenfalls 1842 entstandenen Bild von Henry Ritter „Verlobungsszene in der Normandie“. Hier wird der Hund von zwei Jungen mit (grüner?)
Farbe angestrichen. Das Bild Schwingens konnte 1966 von der Stadt Bad
Godesberg erworben werden. Der „Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg“ gab zum Gesamtpreis von 4000 Mark einen Zuschuss von 1000 Mark.
Eine dörfliche Szene stellt auch das Bild „Mädchen und Katze“ von 1848 dar.
Das Mädchen sitzt in einer ländlichen Stube und strickt mit hoher Konzentration an einem mehrfarbigen Schal. Licht fällt von links durch das Fenster
ein. Der Fußboden aus Natursteinen ist mit großer Akribie dargestellt, scheint
aber doch etwas kalt zu sein; denn der Katze und dem Stuhl des Mädchens ist
ein kleiner Teppich untergeschoben.
Nicht datiert ist das Bildnis eines Kindes beim Füttern der Hühner. Im Hintergrund sieht man die Schwelle eines Fachwerkhauses. Auf der Schwelle liegt
eine Katze, die dem Treiben zwar interessiert, aber geduldig zuschaut. Vermutlich ist das Hühnerfutter nicht nach ihrem Geschmack. Die Brauntöne
des Hauses und des Erdbodens geben einen guten Hintergrund für das blonde
Haar des Kindes, seinen roten Rock und seinen grünen Pullover ab.
In dem Werk die „Die Strickerin“ sind die Genreelemente auf das absolut
Notwendige reduziert. Eine kahle, schadhafte Wand, darin ein eiserner Haken, ein grober hölzerner Tisch. Die strickende junge Frau ist dagegen mit
einer festlichen bestickten Bluse und einer übergezogenen Jacke bekleidet. Als
Kopfschmuck trägt sie eine Mütze, dazu einen wärmenden Schal. Das Bild ist
nur in einer schwarz-weißen Fotografie überliefert. Die Struktur der Darstellung lässt aber deutliche farbige Akzente vermuten. Wahrscheinlich handelt es
sich auch hier um ein für uns leider anonymes Porträt.
80
Kinder pflegen ihren kranken Hund, Öl auf Leinwand, 1842, Stadt Bonn
81
Auch in späteren Bildern hat der Maler Kinder in Verbindung mit Tieren abgebildet. Besonders gut ist ihm diese Kombination bei dem in einer
Hundehütte schlafenden Jungen gelungen. Der Hund im Vordergrund bewacht seinen Gast aufmerksam. Blühender Holunder auch hier. 1853 zeigte
Schwingen dieses Bild auf der Permanenten Kunstausstellung im Gartensaal
des Elberfelder Casinos in zwei Fassungen.99
Von diesen bescheidenen dörflichen Darstellungen weicht ein elegantes,
„städtisches“ Kinderbild für den Elberfelder Kaufmann Ernst Eugen de
Weerth zwar ab, weil der Maler wohl nicht riskieren konnte, den Reichtum
und die Besonderheit des Auftraggebers zu ignorieren. Trotzdem bleibt es ein
Schwingen-Kinderbild. Es entstand vermutlich Mitte bis Ende der 1850er
Jahre. Ernst Eugen de Weerth (1807-1869), der als Rentner in Elberfeld lebte,
wollte seine Kinder aus zweiter Ehe, Ernst Artur (1845-1875), Clara (18461931) und Artur Karl (1848-1906) abgebildet wissen. Schwingen zeigt sie mit
ihrem Hund spielend.
Als Kinderbilder dieses Typs sind noch das „Mädchen mit Blumen“ und das
„Mädchen in Weiß“ von 1858 zu nennen. Das Blumenmädchen ist nur durch
ein Foto von Julius Söhn überliefert. Das helle Kleid hebt sich von einem
dunklen, wahrscheinlich grünen Hintergrund ab. Ein Blumenkorb hängt am
rechten Arm, mit dem linken wird die Blüte einer Topfblume eher berührt
als gepflückt. Das Mädchen in Weiß ist ein Kind im Alter von sechs bis acht
Jahren. Die großen dunklen Augen des Mädchens blicken den Betrachter interessiert und freundlich an. Vom Stil und Eigenart der frühen Kinderbilder
ist nicht mehr viel geblieben. Schwingen hat sich deutlich an die Salonmalerei
der Zeit angepasst. Dennoch haben diese Werke den eigenartigen Charme der
frühen Porträts nicht verloren.
Ein ähnlich repräsentatives „Bildnis eines Knaben“ entstand 1862. Der porträtierte Junge trägt einen kleinen Degen an der Seite und die typischen roten
Korallenknöpfe am Kragen. In Fotografierpose stützt er seine rechte Hand auf
ein Tischchen. Dahinter ist eine Blattpflanze zu erkennen. Der konventionelle
Aufbau wird durch die souveräne Malerei überspielt. Auch hier handelt es sich
vermutlich um ein spätes Auftragsbild aus dem Wuppertal.
82
Die Kinder des Ernst Eugen de Weerth,
Öl auf Leinwand, um 1850, Privatbesitz
Bildnis eines Knaben, Öl auf Leinwand,
1862, Privatbesitz
83
Innenraumporträts
Die Darstellung von Menschen in typischen Situationen zeichnet die Genremalerei aus. Schwingen hat dieses Prinzip auch auf einen Teil seiner Porträts
übertragen.
Ob es sich bei dem Bild „Frau am Fenster”, entstanden etwa 1837, bereits
um das fertige Porträt oder erst um die Vorstudie zu einem solchen handelt,
ist nicht bekannt. Dabei ist das eher großbürgerliche Umfeld zu betonen,
das weder in der persönlichen Erinnerung des Malers anzutreffen, noch im
Atelier zu rekonstruieren war. Wir können also von einem Auftragsbild ausgehen. Für eine Vorstudie spricht die eher impressionistische Ausführung, die
im Gegensatz zur Gewohnheit Schwingens steht, Einzelheiten präzise auszumalen. In der Anlage ist die Nähe zu den Bildern aus Elberfeld und Barmen
unverkennbar.
Als Schwingens erster großer Auftrag entstand das Gemälde „Des Geschäftsmannes Mußestunde“ (Abb. S. 16), ein Porträt des Familienpatrons Peter de
Weerth aus Elberfeld. Dieser Auftrag war eine besondere Herausforderung.
Peter de Weerth war bereits in einem hervorragenden Bild von Heinrich Christoph Kolbe gemalt worden. Schwingen stand vor der Frage, dieses Bild zu
kopieren oder eine völlig andere Lösung zu versuchen. Er wählte einen Mittelweg: Er verband Porträt und Genrebild, zwei Fachrichtungen der Malerei
in denen er zuhause war. Peter de Weerth wurde in Anlehnung an Kolbe in
seinem Stuhl sitzend in der persönlichen Umgebung seines Hauses in der
Elberfelder Schwanenstraße dargestellt. Ein Fenster erlaubt den Durchblick
auf ein anderes bergisches Haus mit Schiefer und grünen Schlagladen. Im
Zimmer selbst zahlreiche Andeutungen. An der Wand ein Kalender mit dem
Jahr 1838, eine Reitgerte, eine Karte von Spanien (es war die Zeit der Karlistenkriege), auf dem Tisch die Elberfelder Zeitung und Korrespondenz. Auf
einem der Briefe ist die Anschrift „Peter de Weerth Elberfeld“ deutlich zu erkennen. Der „müßige“ Kaufmann hat die Bearbeitung der Post unterbrochen
und zu einem Buch gegriffen, dessen Titel leider nicht zu entziffern ist; kein
Geschäftsbuch jedenfalls. Die Füße des schon älteren Herrn sind gut gewärmt
auf einem Teppich unter dem Tisch platziert, wo auch der Futternapf für den
Hund zu finden ist, der sich am Studium der Literatur zu beteiligen scheint.
Auf dem Tisch weiterhin Schreibutensilien, eine Kerze und zwei Folianten.
Andere Bücher wohl geschäftlicher Art stehen auf der Erde, anscheinend an
84
einen Schrank angelehnt. All das deutet an, dass auch der Geschäftsmann
geistige Kost nicht verabscheute, dass aber die Sorge um die Geschäfte ihn nie
verließ. Dass die Geschäfte des Peter de Weerth im Wesentlichen in der Verwaltung seines umfangreichen Grundbesitzes bestanden, änderte daran wohl
nichts.
Walter Cohen schrieb schon 1932: „Was Peter Schwingen uns bietet, ist eine
bewusst bürgerliche Interieurkunst, die wohl unbewusst, in ganz modernem Gewande auf die beste Überlieferung der holländischen Raumporträts des 17. Jahrhunderts zurückgeht. … Für Düsseldorf bietet das Bild auch dadurch etwas ganz
Neues, dass durch das halb verhängte Fenster ein Ausblick gegeben wird, der in
wahrhaft kühner Freilichtmalerei die lebhaften Farben eines grauen bergischen
Schieferhauses mit dem Grün der Fensterläden wiedergibt. Das eindringende
Licht wird von der großen hellen Landkarte an der Wand reflektiert und erhellt
den ausdrucksvollen markanten Kopf des alten Herrn im dunklen Tuchanzuge.
Mit unendlicher Liebe, aber ohne jede Kläubelei ist alles Beiwerk gemalt. … Bildnis und Genrebild verfließen hier in eins, aber die Grenzen verwischen sich nicht;
alles Anekdotische ist vermieden und die außerordentliche Frische und Feinheit
des Malerischen heben dieses bedeutende Werk über alles hinaus, was damals in
der Blütezeit einer schon recht verwässerten Romantik in Düsseldorf geschaffen
wurde.“ 100 Eigentlich handelte es sich bei diesem Bild um eine Schülerarbeit.
Schwingen war noch in der 2. Malklasse bei Hildebrandt. Zusammen mit
Peter de Weerth zeigte Schwingen seinem Lehrer das fast fertige Gemälde.
Hildebrandt gab noch einige Hinweise, die Schwingen bei der Schlussfassung
beachten sollte.101
85
Gertrud de Weerth, Öl auf Leinwand, um 1843, Privatbesitz
86
Gertrud de Weerth
Das Porträt von Gertrud de Weerth dürfte um 1843 entstanden sein. Auch
bei Gertrud de Weerth hat Schwingen die Szene in die Wohnung des Ehepaares verlegt. Das Zimmer ist allerdings nicht das Arbeitszimmer wie bei Peter,
sondern ein Wohnzimmer, in dem Gertrud mit einem Strickzeug an einem
Ausziehtisch sitzt, beleuchtet aus dem Fenster rechts im Bild. Gertrud sieht
nach links und, wenn man so will, ist das die Richtung, in der sie bei richtiger
Platzierung der Bilder ihren Mann erblicken kann und vice versa. So jedenfalls hingen später auch die Bilder im Hause der Marion von Stein geborene
de Weerth in Köln. Im Hintergrund eine Schrank-Kommode, auf der eine
Empire-Pendüle und eine Glocke zum Herbeirufen des Hauspersonals dezent den Wohlstand andeuten und zwei Kamelienstöcke für etwas Verzierung
und das bei Schwingen obligatorische Rot sorgen. Auf dem Schrank auch ein
Buch, dessen Inhalt aber verschwiegen wird. Der Rücken steht zur Wand. Das
Zimmer ist mit einer Blumentapete, einer grünbraun gestrichenen Täfelung
und einem glänzenden Fußboden ausgestattet, der ebenfalls grün gestrichen
zu sein scheint. Auf dem Boden unter dem Tisch ein Fußbänkchen.
Da Gertrud de Weerth zum Zeitpunkt des Entstehens des Bildes bereits lange
verstorben war, griff Schwingen auch diesmal auf ein Gemälde Kolbes zurück,
dem er die Gesichtszüge der Verstorbenen entnahm. Obwohl das Bild notwendigerweise als „gestellt“ bezeichnet werden muss, ist doch anzunehmen,
dass die Ausstattung des Zimmers – wie bei allen anderen Schwingen-Bildern
dieser Art – der Originalmöblierung im Hause de Weerth entspricht. So stellen die Bilder auch wichtige Dokumente für die Wohnungen der führenden
Kaufleute des Tals im 18. Jahrhundert und Anfang des 19. Jahrhunderts dar.
Gediegen und durchaus anspruchsvoll, aber nicht zu aufwendig, so wird man
sie charakterisieren können.
87
Johann Friedrich Wülfing
Johann Friedrich Wülfing (1780-1842) war mit Johanna Maria Christina
Siebel (1786-1859), einer jüngeren Schwester des Kaufmannes, Dichters und
Freimaurers Gerhard Siebel (1784-1831), verheiratet. Er war wie sein Schwager Peter de Weerth, der auch sein Vormund gewesen war, Millionär und
Großgrundbesitzer, Garn- und Tuchhändler und Inhaber einer TürkischrotFärberei. Wie sein Schwager war er mit seiner Frau bereits von Heinrich Christoph Kolbe gemalt worden. Schwingen wählte für sein Porträt das bewährte
Verfahren. Wieder wird durch ein Fenster ein anderes bergisches Haus sichtbar. Natürlich sind die Einrichtung des Zimmers und die Utensilien dem
Porträtierten angepasst. Sie waren identisch mit der Originalmöblierung im
Hause Wülfing. So befinden sich z. B. die klassizistische Kommode rechts im
Bild und die darauf stehende Pendüle noch heute im Familienbesitz. Auch
Arbeitstisch und Brille haben sich erhalten. Im Übrigen ist die Einrichtung
fast spartanisch. Auf und in einem Wandschränkchen allerlei Kleinfiguren
(Bibelots), vielleicht einige aus Meißener Porzellan, und eine Klassikerausgabe in Leder gebunden. Ein Hund nebst Hundefutter auch hier. An der Wand
sorgt ein bestickter Glockenzug dafür, dass der reiche Mann nicht ohne Bedienstete bleiben muss. Ein Sofakissen mit Petit-Point-Stickerei und das rote
Futter des aufgeschlagenen Hausmantels mit Samt- oder Pelzkragen liefern
das rote Element. Das Fenster ist mit einem gepolsterten „Kältefeind“ ausgestattet, was ausweist, dass auch damals die Fenster der bergischen Häuser,
da keine Doppelfenster, im Winter einfach nicht dicht zu kriegen waren. Der
Vorhang mit einer Bordüre und auf beiden Seiten durch Messingschmucknägel gehalten, weist wieder auf Wohlstand. Oberhalb der Kommode ein
Spiegel, der die gegenüberliegende Zimmerwand mit einem Türausschnitt
erkennen lässt. Am Türbalken ist eine blaue Mütze aufgehängt, wie sie
die Elberfelder Weber trugen. Gegen die Fußkälte soll diesmal keine Fußbank, sondern ein grün-roter Teppich mit einem Weinrankenmuster helfen.
Nach dem Tode von Wülfing erhielt Schwingen den Auftrag, so viele Fassungen des Bildes eigenhändig zu wiederholen, dass jedes der lebenden acht
Kinder der Familie eine erhalten konnte.102 Für den jungen und immer noch
wenig bekannten Maler ein „dicker Fisch“, der seinen guten Beziehungen zu
Peter de Weerth zu verdanken war.
88
Die Suche nach dem Verbleib der vielen Fassungen des Bildes wurde zu
einer spannenden Aufgabe. Walter Cohen leitete sie ein, es folgten die Galerie
Paffrath in Düsseldorf und Walter Holzhausen. Das größte Verdienst aber
gebührt Gisela Schniewind, die, aufgrund ihrer genealogischen Forschungen dazu besonders qualifiziert, bei potenziellen Besitzern herumfragte und
so sechs erhaltene Fassungen und ihre Wege durch die Familiengeschichte
ermitteln konnte. Eine Fassung verbrannte im Zweiten Weltkrieg in Köln,
das Schicksal einer einzigen Fassung ließ sich nicht ergründen. Sie muss als
verschollen gelten. Die Recherchen von Gisela Schniewind ergaben Folgendes: Eine sich heute in Düsseldorfer Privatbesitz befindende Fassung I war das
Bild, das Hulda Meckel geborene Wülfing geerbt hatte. „Sie war das 7. Kind
von Johann Friedrich Wülfing. Da ihre Tochter Johanna Maria de Weerth geb.
Meckel (1842-1880) schon früh verstarb, vererbte sie es dem Sohn der Johanna
Maria, ihrem Enkel Wilhelm de Weerth“.103 Dessen Tochter Marion von Stein
übernahm das Bild wie auch die beiden Porträts de Weerths aus dem Besitz
ihres Vaters. Eigentümer dieser Bilder war der kürzlich verstorbene Sohn von
Marion von Stein aus erster Ehe.
Das Schicksal des Bildes II, das die zweite Tochter Johann Friedrich Wülfings,
Emma Schniewind, erbte, ist etwas komplizierter. Es ging zunächst an deren
älteste Tochter Emma Weyermann und wurde von Nachfahren etwa 1960 an
die Galerie Paffrath verkauft. Von dort erwarb es ein Nachfahre der Meckels,
sodass es heute wieder in der weiteren Familie der ursprünglichen Besitzer ist.
Karoline Wülfing heiratete Julius Bemberg. Ihr Bild III wurde an die Bembergs
auf Flamersheim vererbt. Immer noch im Besitz der Familie Wülfing ist das
Bild IV, das Friedrich Hermann Wülfing erbte, heute bei seinen Nachfahren in
Berlin. Das Exemplar V von Robert Wülfing kam in den Besitz seines Nachkommen Günter von Frowein. Es befindet sich als Leihgabe in Köln. Zwischenzeitlich war es bei Elisabeth von Frowein in Bonn, was gelegentlich zu der Annahme führte, es handele sich um eine weitere Fassung. Das trifft aber nicht zu.
Nicht aufzuklären war das Schicksal des Exemplares VI, das sich über Bertha
Rosalie Wülfing im Besitz der Familie Von der Heydt hätte befinden müssen.
89
Johanna Maria Wülfing heiratete Rudolf Egbert Steinkauler. Ihr Bild VII war
noch im Jahre 1939 im Besitz von Nachkommen in Köln-Mülheim. Wahrscheinlich ist es dort während des Zweiten Weltkrieges verbrannt.
Schließlich das Bild VIII, welches Elisabeth Wülfing verheiratete Peill gehörte.
Es war zuletzt im Besitz des Nachkommen Dr. Mallinckrodt in Köln. Vermutlich kam es danach in den Besitz der Familie von Stoesser und wurde
schließlich von dieser durch Gerda von Wülfing erworben. Heute ist das Bild
bei ihrer Familie in Hannover.104
Johann Friedrich Wülfing, Öl auf Leinwand,
um 1840/1842, Privatbesitz
90
Die Familie Keuchen-Werlé
1844 folgt ein Bildnis der Familie Keuchen-Werlé, d. h. die Großeltern
Keuchen mit ihrem Enkel Werlé. Im Katalog der Jahrhundertausstellung
heißt es zu diesem Bild105 „Bildnisgruppe (die Köpfe sind von Sohn). [!]106
Die Fleischfarbe des Herrn braunrötlich, die der Dame rosagrau. Der Herr
in hellblauen Hosen. Schwarzes Sofa, bräunlich-graue Wand.“ Richart Reiche selbst schreibt in seinem Aufsatz „Pflege der bildenden Kunst“, 1926:
„Johann Peter Keuchen und Frau Sophie Karoline geb. Frowein mit ihrem Enkel Eduard Werlé in einem Eckzimmer des Keuchen-Werlé ’schen Hauses, Neuer
Weg - Ecke Poststr. Barmen“. Johann Peter Keuchen aus Barmen (1776-1858)
war Inhaber der Firma Gebr. Keuchen am Neuen Weg. Keuchen stammte
mütterlicherseits von den Bembergs aus Bonsfeld ab. Johannes Keuchen, sein
Vater, war mit Johanna Helene Berg aus Solingen verheiratet. Die Marschallin
von Frankreich, Louise Soult geb. Berg, war seine Tante. Er war 1808 Stadtdirektor, ab 3. November 1808 Maire von Barmen. Verheiratet mit Sophie
Karoline Frowein (1777-1856). Sophia Karoline war die Tochter von Abraham Frowein und Dorothea Wortmann. Abraham war einer der zahlreichen
Träger dieses Namens, jedenfalls nicht der Begründer der Elberfelder Firma.
Er stammte zwar ebenfalls aus Elberfeld, war aber Inhaber des Unternehmens
Frowein & Wortmann in Unterbarmen, Kaufmann und Garnhändler. Die
Tochter der Keuchens, Emilie Luise Mathilde, war mit dem Kaufmann Wilhelm Werlé (1804-1880) verheiratet. Dieser war Beigeordneter und Mitgründer des Barmer Verschönerungsvereins. Er war katholischer Konfession und
mit Johann Friedrich von Eynern eng befreundet. Beide arbeiteten im Barmer
Stadtrat zusammen. Zeitweise hatte er wie Friedrich von Eynern jr. auch dem
preußischen Abgeordnetenhaus angehört. Sein Sohn Eduard ist der auf dem
Bild porträtierte Junge. Das Bild wurde vom Verlag Bruckmann in München
auch als Einzelblatt (H 24 x B 18 cm) vertrieben. Der Preis pro Blatt „mit
Kulisse“ betrug 1,50 Mark.
Angela Lorenz vergleicht das Bild mit einer Fotografie des Elternpaares von
Philipp Otto Runge: „Eine im biedermeierlichen Familienbild entwickelte klare
Sachlichkeit, die Dinge und Personen gleichermaßen in entmythisierender, nicht
transzendierender Absicht dargestellt sehen will, findet im neuen Medium [der
Fotografie] gleichsam verschärfte Durchsetzungsmöglichkeiten.“ 107 Auf die Nähe
Schwingen’scher Porträts zur Fotografie hatte bereits Cohen hingewiesen.
91
Die Familie Keuchen-Werlé, Öl auf Leinwand,
1844, Stiftung Sammlung Volmer Wuppertal
Lorenz charakterisiert im Übrigen das Bild wie folgt: „Im nahtlosen, dicht aneinander anschließenden Kreislauf der Generationen im Familienbild offenbart
sich der bürgerliche Kosmos einer der Natur anvertrauten Abfolge des Lebens im
Rahmen der selbst erstellten Dingwelt. Greis und Kind als die Pole der Personifikation von Vergangenheit und Zukunft gibt sinnfällig Peter Schwingen im Bild
der Eheleute Keuchen-Werlé mit ihrem Enkel an. Im Winkel des Zimmers, in
das die Welt in uns schon bekannter Weise durch die Fenster Zutritt hat, sitzt das
alte Paar nebeneinander auf dem Sofa. Eingefangen ist das leicht Statische ihres
jetzigen Lebens wie auch die Zusammengehörigkeit der beiden, die aufeinander
bezogen sind wie die über ihnen an der Wand hängenden Pendants der beiden
Landschaftsbilder. Ergänzt und zugleich aufgebrochen wird diese Situation durch
92
den zwischen ihnen stehenden Enkel, der, vergnügt aus dem Bild herausschauend,
den Hund mit einem Bissen neckt.“ 108 Das neben den Landschaften hängende
kleine Porträt stellt wahrscheinlich Wilhelm Werlé dar. Jedenfalls ist die Ähnlichkeit mit seinem Sohn Eduard nicht zu übersehen.
Cohen meinte 1932 das Bild sei unwiederbringlich verschollen.109 Es hat sich
erfreulicherweise kürzlich wiedergefunden und gehört nun zu der Wuppertaler Sammlung Volmer.
Die Familie von Eynern
Aus dem Kreis der Verwandten des Peter de Weerth und damit auch der Wülfings folgte 1846 nach Vollendung der Kopien des Wülfing-Bildes und des
Familienbildes Keuchen-Werlé der nächste Auftrag: „Dargestellt sind nach Cohen laut Familientradition Johann Wilhelm von Eynern (1773-1845), ... seine
Frau Johanna Katharina, geborene Rittershaus (1779-1842) und ihre unverheiratete Tochter Nanette (1806-1875), in deren Auftrag, wie Cohen vermutet, das
Bild entstand. An der Echtheit der Signatur ‚P. Schwingen 1843‘ [! Muss heißen
1846] ist nicht zu zweifeln. Vermutlich griff Schwingen für die Darstellung des
Ehepaares, das 1846 bereits verstorben war, wie bei seinem Bildnis der Gertrud de
Weerth, 1843, auf ältere Bildnisse zurück und schuf nur das in Farbe und Auffassung ein wenig anders angelegte Porträt der Nanette nach dem Leben. Die Familie
ist in ihrer häuslichen Umgebung, in einem Raum des von Johann Wilhelm von
Eynern errichteten großen Hauses in Barmen gezeigt, Nanette mit einer in der
Zeit beliebten Straminarbeit.“ 110
Schon der Vater des Wilhelm, Johann Peter von Eynern (1737-1809), hatte als jüngster von sieben Brüdern den Hof Eynern verlassen und war nach
Wichlinghausen gezogen, wo er ein „Fabrikgeschäft“ betrieb und durch Heirat mit Maria Magdalena Egeldyk zu Wohlstand kam. Als Lutheraner setzte
er zusammen mit anderen die Errichtung einer lutherischen Gemeinde „auf
dem Wupperfelde“ durch.111
Sein Enkel Johann Wilhelm von Eynern, der älteste Sohn der Familie von
Eynern/Rittershaus war mit Bernardine Juliane de Weerth verheiratet. Nanette von Eynern, die neue Auftraggeberin, war seine unverheiratete Schwester. Johann Wilhelm betrieb zusammen mit seinem jüngeren Bruder Johann
Friedrich von Eynern sen. die Firma „J. P. von Eynern & Söhne“. Friedrich
93
sen. war von 1825 bis 1837 als Handelsrichter in Elberfeld tätig und Mitglied
der gemeinsamen Handelskammer von Elberfeld und Barmen. Er war im Verwaltungsrat der späteren Köln-Mindener Eisenbahn und hatte sich sehr für
diese Verbindung des Wuppertals nach Osten eingesetzt. Wilhelm wirkte stets
mehr in kirchlichen Ehrenämtern und überließ die kommerziellen Vertretungen seinem jüngeren Bruder Friedrich von Eynern sen.
Hildegard Westhoff-Krummacher fasst wie folgt zusammen: „Dem rheinischen
Genremaler gelingt es nicht nur, mit unauffälligen Mitteln nuanciert die patriarchalische Struktur der Familie sichtbar zu machen, sondern auch die Besonderheit des pietistisch geprägten Wuppertaler Unternehmer-Milieus zu charakterisieren. Hier ist man in allem gediegen, aber im beginnenden Maschinenzeitalter
werktäglich nüchtern, schmucklos und sparsam. Man gibt das Kapital nicht aus,
sondern reinvestiert es. Man hält an alten Formen und Normen fest, wie der
Hauptgegenstand der Einrichtung, der solide Tisch aus der guten alten Zeit des
‚Louis Seize’ dartut. Nur so, immer tätig, Seelenheil und das Geschäft im Blick,
mit Gebetbuch, Zeitung und Gottes Hilfe kann man es zu etwas bringen.“ 112
Man könnte von Routine sprechen, wenn das Bild nicht so gut wäre. Natürlich ist da wieder das lichtdurchflutete Fenster mit seitlich gerafften Vorhängen. Allerdings wird dessen Lichtwirkung geschickt durch einen grünen
Paravent gesteuert, der Frau von Eynern im Licht vor Halbschatten deutlicher
hervortreten lässt. Die Gesichter sind sorgfältig ausgemalt und kennzeichnen
den strengen und erfolgreichen Vater (mit Brille!), die etwas müde aber gütige
Mutter und die eher vergrämte Tochter ungeschminkt. Vater liest die liberale
„Barmer Zeitung“, Mutter hat gerade aufgehört zu stricken, die Tochter stickt
– wie üblich – aber: Vor ihr liegt das bergische Gesangbuch, was ihren Charakter als mustergültige Protestantin unterstreichen mag. Allerdings sehen wir
bei ihr nicht nur die das nötige Rot bringende Stickerei, sondern auch den
dem gleichen Zweck dienenden Korallenschmuck, typisch für spätere Porträts
des Malers. Er lockert aber hier die Strenge des Bildes nicht auf. Spitzenkragen bei Tochter und Mutter werden bei der Mutter durch eine Spitzenhaube
ergänzt. Mit gefalteten Händen blickt sie wie die beiden anderen Familienmitglieder den Bildbetrachter offen und klar an. Es gibt kaum eine treffendere
Studie des frommen und selbstgerechten Barmer Kaufmannsmilieus als dieses
Bildnis des Muffendorfer Malers.
94
Die Familie von Eynern, Öl auf Leinwand, 1846,
Stiftung Museum Kunstpalast Düsseldorf
95
Brustbilder und andere Bildnisse
Neben den Innenraumporträts, die vor allem Schwingens Nachruhm begründeten, hat er bedeutende Bildnisse in traditioneller Konzeption gemalt.
Immer wieder ist der Familienkreis im Bilde festgehalten. Neben dem Vater die Großmutter, die in kräftigen Pinselstrichen und durchaus moderner
Auffassung an ähnliche Porträts Waldmüllers erinnert. Zu dieser Großmutter hatte der Maler bekanntlich ein sehr persönliches Verhältnis. Anlässlich
ihrer Beerdigung 1849 war er zum letzten Mal in Godesberg. Das Bild des
Vaters (1786-1856) ist schon 1837 entstanden. Überliefert ist es lediglich
durch einen Bericht in der „Deutschen Reichs-Zeitung“ von 1926. Entsprechend wenig aussagekräftig ist die Abbildung. Auffällig sind lange Koteletten
und eine ziemlich lange Nase.
Seine erste junge Frau und deren Geschwister sind ebenso unter den Bildnissen vertreten, wie die zweite Frau Sophia Zecher (Abb. S. 15). Von den Kindern wurde der Sohn Hubert Philipp (Abb. S. 4) in einem kleinen Bildchen
porträtiert. Es ist anzunehmen, dass Schwingen auch bei den Kinderbildern
und den Genrebildern immer wieder auf die Modelle seiner eigenen Familie
zurückgegriffen hat. So bleiben grundsätzlich die Übergänge fließend.
In Schadows 1. Malklasse entsteht 1840 eine Kopie nach Schadow, das Bildnis der Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen (Abb. S. 53). Schadow hatte
die Prinzessin um 1830 in Berlin gemalt. Walter Cohen kannte das Bild, aber
nicht den Zusammenhang. Er vermutete einen Auftrag, weil er sich anders die
Abweichung vom üblichen Stil Schwingens nicht erkären konnte.113
Es ist möglicherweise der Düsseldorfer Bankier Christian Gottfried Trinkaus,
den Schwingen 1854 porträtierte (Abb. S. 39). Ein konventionelles Porträt,
gekonnt gemalt und dadurch auffallend, dass der Abgebildete in der rechten
Hand lässig eine Zigarre trägt. Ein Pendant zu diesem Bild stellt vermutlich
Frau Trinkaus dar (Abb. S. 39). Zu den Düsseldorfer Porträts dürften auch
zwei im Kunsthandel aufgetauchte Werke gehören, die als „Hofapotheker mit
seiner Frau“ bezeichnet sind.
Eine Legende rankt sich um die Bilder der Schwägerin von Peter Schwingen,
Petronella Schmitz. Diese gebar am 30. Oktober 1852 einen unehelichen
Sohn Emil Hubertus Pius Schmitz, später Friseur in Düsseldorf. Das in der
96
Familie verbreitete Gerücht verkündete eine Vaterschaft von Schwingens
Freund Lachenwitz. Jedenfalls kannte dieser ebenso wie sein Freund Peter die
junge Frau. Der Düsseldorfer Heimatforscher Dr. Schmitz-Porten, ein Enkel
des Emil Schmitz,114 kommt allerdings zu der überraschenden These, auch
Schwingen könne der Vater gewesen sein. Dafür sprechen die Porträts und
dass ein Sohn Schwingens aus erster Ehe später als Trauzeuge bei der Heirat
des Emil Schmitz aufgetreten ist. Allerdings war dieser ja auch als Vetter (und
nicht nur als eventueller Halbbruder) ein geeigneter Kandidat für das Amt.
Heute können wir dieses Geheimnis nicht mehr lüften. Die Daguerreotypie
von W. Severin, die sich im Besitz des Friseurs Schmitz befand, hilft auch
nicht weiter, da beide „Kandidaten“ abgebildet sind.
Der Bruder der Petronella wurde ebenfalls porträtiert. Das Bild – heute im
Kunstmuseum im Ehrenhof Düsseldorf – zeigt auch für diese frühe Zeit und
in seiner fast naiven Auffassung die hohe Bildniskunst des jungen Malers.
Sie wird durch die erst kürzlich wieder bekannt gewordenen Porträts aus
dem Besitz der Familie Hieronymus Arbeiter (Bildnis einer Frau mit Haarschmuck, Bildnis eines älteren Mannes mit Fliege, Bildnis eines jüngeren
Mannes, großes Frauenbildnis) eindrucksvoll bestätigt.
Die Gemälde für Peter de Weerth und seine Familie nehmen einen bedeutenden Platz im Porträtschaffen des Malers ein. Über ihr Zustandekommen
haben wir bereits berichtet.115 Die Bilder hatten sehr verschiedene Schicksale.
Die Bildnisse von Friedrich August de Weerth (1804-1879) und seiner Frau
Eleonore Mathilde Fauth (1800-1864) wurden 1989 bei Lempertz versteigert und sind heute in unbekanntem Privatbesitz in den USA. Ernst Eugen
de Weerth (1807-1869) war der Zweitälteste der Söhne des Peter. Er war in
erster Ehe mit Marie Konstanze Peill (1810-1840) verheiratet. Von dieser
früh verstorbenen ersten Frau des Ernst Eugen ist das Foto eines Gemäldes
überliefert, das nach der Art der Darstellung ebenfalls von Peter Schwingen
gemalt wurde. Das Original war leider bisher nicht zu finden, ebenso wenig
das Porträt des Ernst Eugen. Aus dieser Familie hat sich das Schwingen-Bild
erhalten, das die Kinder von Ernst Eugen de Weerth aus zweiter Ehe darstellt (Abb. S. 83). Werner de Weerth (1809-1859) war ein Jahr vor seiner
Schwester Emilie Elisabeth geboren worden. Er heiratete erst 1847 die wesentlich jüngere Anna Goldfuß (1826-1900) aus Bonn, Tochter eines Geologen der Universität. So wurde zunächst nur ein Porträt des Junggesellen
angefertigt. Das Werk ist leider verschollen. Zwei weitere „Kinder“-Bilder
97
Frau Heseler, Öl auf Leinwand, 1855, StadtMuseum Bonn
98
sind noch heute im Privatbesitz. Sie zeigen Benjamin Friedrich Wichelhaus,
den Schwiegersohn, und Emilie Elisabeth de Weerth (1810-1847).116 Benjamin Friedrich Wichelhaus war Bankier in Elberfeld und Sohn des Gründers
der Bank Johann Peter Wichelhaus.
Als 1847 Emilie Wichelhaus starb, beauftragte de Weerth Peter Schwingen,
von dem Bild aus dem Jahre 1837 eine Kopie mit einer freundlicheren Miene anzufertigen. Er erinnerte sich an die Zeit vor zehn Jahren, als die ersten
Bilder seiner neun Kinder entstanden. Am 8. Dezember 1848 war dieses Bild
mit veränderter Kleidung und veränderten Haaren fertig. Auch dieses Bild
ist verschollen. Es bleibt noch, das Ehepaar Bernhardine Juliane de Weerth
(1813-1860) und Wilhelm von Eynern (1806-1880) zu erwähnen. Leider
sind auch diese Porträts nicht überliefert, wurden aber zweifellos von Schwingen gemalt.
In die Reihe dieser Elberfelder Porträts prominenter Ehepaare gehören auch
die Bildnisse von Julius Bemberg und seiner Frau Karoline geborene Wülfing.
Die Bilder ähneln in der Anlage den de Weerth-Porträts, sind aber wesentlich
größeren Formats. Sie dürften in zeitlicher Nähe zu den de Weerth-Bildern
entstanden sein. Karoline Wülfing war eine Tochter von Johann Friedrich
Wülfing, dessen berühmtes Innenraumporträt wahrscheinlich aber erst nach
diesen Porträts gemalt wurde. Genaue Datierungen sind nicht möglich. Das
Porträt der Karoline ist im Original, das des Julius nur in einer Kopie117 erhalten. Julius und Karoline Bemberg wurden später auch von Alfred Rethel
gemalt. Bei dem Bildnis des August ist das Vorbild Schwingen unverkennbar.
Wahrscheinlich wurden beide Bilder erst nach dem Tode von August im Auftrage von Karoline gemalt.
Schließlich ist aus Unterbarmen noch der Auftrag eines Bildes aus dem Jahre
1855 bekannt. Das Bild trägt die wesentlichen Merkmale der SchwingenPorträts der „Spätzeit“ wie routinierte Malweise, eine sachliche Darstellung
ohne Beiwerk, bei den Damen fast immer Korallenschmuck als Halskette,
Armband und/oder Ring. Spitzenbesatz am Kleid eher sparsam verteilt, das
Gesicht ohne Schmeichelei, wenn wohl auch nicht gerade Hässlichkeit hervorkehrend. Die Darstellung ist zwar repräsentativ, aber keine Schaustellung
wie bei manchen Bildnissen von Sohn. Ein Bild ohne besondere Inspiration,
aber noch immer im oberen Qualitätsbereich der Düsseldorfer Porträtkunst.
Dargestellt ist die Frau von Friedrich Wilhelm Heseler sen. Ihr Mann war
99
Besitzer einer Türkischrot-Färberei zunächst in Elberfeld an der Kluse, später
in Barmen an der Haspeler Straße.118 Wenn hier auch wahrscheinlich keine
Familienbeziehungen eine Rolle spielten, so ist doch festzuhalten, dass die
Bembergs, die Wülfings und die Heselers aus der gleichen Branche kamen.
Zu den späteren Bildern gehört auch das im Schwelmer Museum Haus Martberg ausgestellte Bildnis des Schwelmer Kaufmanns und Schlossfabrikanten
Johann Daniel Bever (1790-1860), das erst 1857 entstand. Das Brustbild erinnert an Kolbe und demonstriert eine routinierte Malerei auf hohem Niveau.
Die Firma war bereits 1809 in Elberfeld gegründet worden. 1820 nahm mit
Daniel Bever als Teilhaber die Eisenhandlung Schaeffer & Bever in Schwelm
ihre Tätigkeit auf, die sich 1843 mit der Elberfelder Gründung vereinigte
und seitdem den Namen Bever & Klophaus trägt. Erst jetzt ging man von
Handel zur eigenen Schlossfabrikation über. Bever war von 1836 bis 1860
auch Meister vom Stuhl der Schwelmer Freimaurer-Loge. Er war Mitglied des
Frankfurter Vorparlaments (als Vertreter der Stadt Schwelm), das bereits in
der Paulskirche tagte.
1861 entstand das ganzfigurige Bild eines preußischen Kadetten in Uniform.
Es war mit Sicherheit eine Auftragsarbeit. Seit 1840 waren zwei Kompanien
preußischer Kadetten im Bensberger Schloss untergebracht. Die Entfernung
nach Düsseldorf war also überschaubar. Der jugendliche Kadett strahlt in seiner Uniform, die die Hauptattraktion des Porträts ausmacht.
Hervorzuheben ist unter den konventionelleren Bildnissen noch „Die Dame
mit Spitzenhäubchen” als Werk, in dem Schwingens Porträtkunst auch bei
weniger origineller Auffassung einen besonderen Höhepunkt erreicht. Ob
es sich bei diesem Bild um ein Porträt der Mutter von Eduard Bendemann
handelt, bleibt als Frage. Als Walter Cohen am 2. Dezember 1931 im Weißen
Saal der Bad Godesberger Redoute seinen Lichtbildervortrag hielt, stellt er
als sechstes Bild das „Bildnis der Frau Bendemann“ vor. Die Bemerkungen
in der stichwortartigen Mitschrift des Vortrages lauten: „Das schönste Werk
Schwingens, hervorragende Darstellung des Kleides, Schmuck etc.“ Die „Dame
mit dem Spitzenhäubchen“ gehörte zu den durch Söhn fotografierten Werken Schwingens und war also Cohen bekannt. Leider ist im gedruckten Text
seines Vortrages das Bendemann-Bild nicht erwähnt.
100
Bildnis einer Dame mit Spitzenhäubchen (Fanny
Eleonore Bendemann), nicht datiert, Verbleib
unbekannt, Foto: Julius Söhn
101
Dorfbilder ohne und mit Sozialkritik
Genrebilder im engeren Sinne bilden einen wesentlichen Teil des
Schwingen’schen Oeuvre. Wir finden neben meist kleinformatigen eher romantischen und stillen Szenen wie „Versperzeit am Sonntage“ (1837), „Frau
mit ihren Kindern im Torbogen“ (1838), „Die Winzerin“ und, „Besuch einer
wohlhabenden Dame“ oder konventionellen und typisch Düsseldorfer Themen wie „Die Leserin“, „Der ertappte Liebesbrief“ (Skizze 1835, Gemälde
1836), „Die Wahrsagerin des 19. Jahrhunderts“ (1836, auch als Lithografie),
„Das Dachstübchen“, „Die überraschte Leserin“ (1836) prachtvolle Inszenierungen dörflichen Lebens.
Die „Vesperzeit am Sonntage“ Schwingens entsteht schon 1837. In der „guten
Stube“ sitzen zwei Alte in sonntagnachmittäglicher Ruhe. Der Bohnenkaffee,
den es wahrscheinlich nur sonntags gab, wird vorbereitet. Eine Dröppelminna
wird ihn aufnehmen. Der Alte liest in einem großen Buch. Es könnte eine
Bibel sein, was der Feier des Tages entsprechen würde. Ein typisches Sujet der
Düsseldorfer. Das Werk wurde auch als Lithografie verbreitet.
1851 hat der Godesberger Maler Paul von Franken, der um diese Zeit in Düsseldorf lebte und 1849 Trauzeuge bei der zweiten Heirat Schwingens gewesen
war, anscheinend eine Version des Bildes oder die danach gefertigte Lithografie gesehen. Er versucht sich an dem gleichen Thema. Seine „Häusliche
Szene“ ist jedoch eine Karikatur. Die sonntägliche Ruhe der Alten, eindeutig
in Anlehnung an Schwingen dargestellt, zu denen sich eine jüngere Familie
mit zwei Kindern gesellt hat, wird durch hereinstürmende Hunde gestört. Die
Hunde gehören einem Jäger, der in der Haustür mit einem Mädchen schäkert und das angerichtete Unheil nicht zur Kenntnis nimmt. Die Hauskatze
flüchtet fauchend auf die Schulter der Alten. Die Kaffeemühle fällt zu Boden.
Die kostbaren Kaffeebohnen werden im Zimmer zerstreut. Ein grün glasierter
tönerner Krug geht zu Bruch. Mit einem hölzernen Löffel versucht die Frau,
sich eines Hundes zu erwehren. Der Alte bedeckt erschreckt seinen Folianten
mit den Händen, um ihn zu schützen. Die Kinder blicken entsetzt auf das Geschehen. Mit dem Bild wollte sich Franken wohl von der Düsseldorfer Genremalerei verabschieden.119 Oder war es ein originelles „Freundschaftsbild“?
102
Besuch einer wohlhabenden Dame, Öl auf
Leinwand, um 1846, Dr. Axe-Stiftung
103
1839 ist Schwingen mit einem Bildchen des ländlich-bäuerlichen Typs auf
der ersten Ausstellung des Kölnischen Kunstvereins vertreten. Ernst Weyden
schreibt in der Kölnischen Zeitung: „Ein gut durchgeführtes und vielen Fleiß
verrathendes Bildchen ist die Spinnerin120 von Schwingen in Düsseldorf, wie denn
überhaupt was die Erfindung betrifft, die meisten deutschen Genrebilder an Gediegenheit des Gedankens vor vielen belgischen den Vorzug verdienen und wir
ihnen unbedingt den Preis zuerkennen würden, wenn sie nur alle mit jener Meisterschaft und Frische gemalt wären, durch welche die flämische Schule vorzüglich
fesselt.“ 121
Gleichzeitig malte Schwingen eine „Ländliche Szene“, die einen Jäger und ein
Mädchen am Brunnen darstellt. Der Brunnen ist ein anscheinend nur von außen zugänglicher Hausbrunnen. Das dazu gehörende Haus mit Außentreppe
macht nicht gerade einen gepflegten Eindruck. Ein Schild über der Tür lässt
auf ein Geschäft oder ein Wirtshaus schließen. Will der Jäger nur mit dem
Mädchen schäkern, will er Jagdbeute verkaufen oder nach der Jagd im Wirtshaus seinen Durst löschen? Die Fortsetzung muss unsere Fantasie hinzufügen.
Ähnliches ist von einem anderen Mädchen zu sagen. Das nicht datierte, mittelgroße Bild zeigt wieder ein „Mädchen am Brunnen“ (Abb. S. 20). Der
Brunnen ist diesmal als ein dauernd laufender Quellbrunnen dargestellt. Ein
Tuch am Brunnenrand lässt auch hier auf häusliche Nähe schließen. Das
Mädchen macht aber keinerlei Anstalten seinen Krug, der auf der Erde steht,
mit Wasser zu füllen. Mit schönen Augen und dem Zeigefinger an den Lippen
blickt es auf einen für uns unsichtbaren herbeikommenden jungen Mann,
dem ihr Interesse gilt und mit dem sie sich wahrscheinlich am Brunnen verabredet hat. Dorfbrunnen waren immer beliebte Treffpunkte der jungen Leute,
zumal das Wasserholen immer eine harmlose Ausrede der Mädchen darstellte,
das Haus mehrmals täglich ziemlich unkontrolliert zu verlassen.
Vom Wein
Muffendorf war ein Winzerdorf, ja ist es mit einigen privaten Weingärten
noch heute. Wein will getrunken sein. Schon 1839, Schwingen war 26 Jahre
alt, hat er in großem Format eine „Winzerin“ auf der Düsseldorfer Kunstausstellung präsentiert. Diese Fassung ist verschollen. Erhalten ist aber eine
Vorstudie (Abb. S. 40), die sich noch heute in Familienbesitz der Nachfahren
Peter Schwingens befindet. Die Winzerin, in der wir getrost eine der Töchter
104
Schmitz aus Düsseldorf vermuten dürfen, zeigt die roten Trauben vor, die
sie einer Kütze entnommen hat. Der Wein ist offenbar gut geraten und ein
schmackhafter Tropfen ist zu erwarten. Weinlaub umrankt Fachwerkgebälk.
Für die Winzer war der Verkauf des Weins entscheidend, war er doch oft
die einzige Möglichkeit, etwas Bargeld ins Haus zu bringen. So wundert es
nicht, dass 1841 die erste „Weinprobe“ entstand. Der Titel legt eine fröhliche
Männerrunde in der bekannten Art Hasenclevers nahe. Bei Schwingen ist das
aber anders. Er stellt Verkaufsverhandlungen eines Muffendorfer Winzers dar.
Füssli beschrieb 1843 das Bild wie folgt: „Der Fuhrmann versucht das Getränk,
man spricht über Qualität. Auf der Treppe des in malerischer Holzkonstruktion
gebauten Hauses beobachten weibliche Hausgenossen und Kinder des Bauern, was
unten vorgeht. Die Tochter mit dem Milchbecken an der Hand, eine graziöse
Figur, die Kinder muntere Wesen. Im Ganzen viel Bewegung, nirgends Leerheit,
nirgends Überladung, alle Teile mit Sorgfalt ausgeführt.“ 122
Die Vermarktung war schon seit dem Anfang der 1830er Jahre das Hauptproblem der kleineren und mittleren Winzer an Mosel, Ahr und Rhein. Der
Zollverein Preußens mit Hessen und der Pfalz erleichterte die Konkurrenz der
südwestdeutschen Weine. Die Not der Winzer war es denn auch, durch die
Kinkel, Marx und andere erstmals näher mit den sozialen Problemen ihrer
Zeit und ihrer Heimat konfrontiert wurden. 1843 schrieb Georg Weerth das
Gedicht „Der Wein ist nicht geraten“. Das Thema blieb aktuell. Schon 1842
war die erste Fassung des Bildes verkauft worden. Schwingen hat dann wohl
weitere Fassungen gemalt, jedenfalls wird eine Weinprobe 1847 bei Tonger in
Köln ausgestellt.
Das vermutlich 1852/53 entstandene Bild „Die Weinlaube” ist ebenfalls Genrebild und Innenraumporträt des Düsseldorfer Hoteliers Stelzmann zugleich.
Der Innenraum ist freilich in eine Weinlaube verwandelt. Stelzmann verkostet
aus einem Glas auf seinem Weingut in Oberwesel den neuen roten Wein, den
ihm der Kellermeister gereicht hat. Seinen Sohn Joseph hat er mitgenommen.
Stolz posiert dieser mit Strohhut auf einem Weinfässchen. Links im Bild eine
offene Tür und ein tanzendes Paar. Den Hotelier und seine Frau hat Schwingen auch in Brustbildern porträtiert.
Der Kellermeister taucht auch 1853 in einem ähnlichen Genrebild, genannt „Die Weinprobe“, auf. Er ist nun in die Rolle des Winzers geschlüpft,
der einem Weinhändler, oder ist es wieder der Hotelier, seinen Wein zur
105
Weinprobe (Der neue Wein), Öl auf Leinwand,
1853, Privatbesitz
Probe anbietet. Eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm schaut aus dem
Hintergrund interessiert zu. Was würde wohl herauskommen? Der Sohn des
Händlers sitzt nicht mehr auf einem kleinen Fass, sondern schaut ohne Hut
interessiert zu und fragt sich, wie der Wein aus einem Steinzeugbecher genossen wohl schmecken mag. Die Kelter und die Mädchen, die dort den Wein
ausgießen, sind aus der Stelzmann-Fassung bekannt, haben aber zum Teil die
Kleider gewechselt. Ein junger Mann, der ein Mädchen von hinten umgreift,
ist in der Weinprobe deutlicher zu erkennen. Links wird die Szene belebt
durch ein weiteres tanzendes Paar und einen Mann, der durch die Tür hereintritt. Auf der Schulter trägt er einen Korb wohl mit Trauben. Die Verwandtschaft beider Bilder ist so stark, dass wir die „Weinprobe“ vielleicht auch als
Innenraumporträt bezeichnen würden, wenn wir den dort sitzende Händler
identifizieren könnten. Welches der beiden Bilder zuerst entstanden ist, lässt
sich nicht ermitteln.
106
Im Dorf ist was los!
1842 bis 1844 – Schwingen ist Schüler der 1. Klasse der Akademie – entstehen in dichter Folge, „Der Lotteriejude“, „Das große Los“, „Der Schmaus
nach Gewinn des großen Loses“ (Abb. S. 24) und das „Preisschießen um ein
fettes Schwein“. Das Ganze ist eine figurenreiche Dorfgeschichte. Mit den
Preußen kam auch die Preußische Klassenlotterie ins Rheinland. Der jüdische Viehhändler (in Muffendorf gab es mehrere) ist auch gleichzeitig Losverschleißer. Er überredet den Schmied und seine skeptische Frau, ein Los zu
kaufen.123 Das Wunder geschieht, das Los gewinnt. Vor Überraschung hat der
Schmied den Hammer auf die Erde fallen lassen. Der Losverkäufer erscheint
persönlich, um den Gewinn zu überbringen: Ein Junge trägt einen prall gefüllten Geldsack. Die Sache spricht sich herum, ein Fest ist fällig. Das halbe
Dorf ist anwesend.124
Gottfried Kinkel, der den Muffendorfer Maler wahrscheinlich auch persönlich kannte, schrieb in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“: „Höchst lustig
ist auch Schwingens (aus Godesberg), Schmaus nach dem Gewinn des großen Looses‘, gleichsam die Fortsetzung der beiden sehr artigen Lotteriebilder, welche wir
im vorigen Jahr in Köln sahen. Man sieht, die Leute waren arm, aus allen möglichen Formen von Gläsern trinken sie, wie sich alter Hausrath im Lauf der Jahre
bei ihnen angesammelt, aber der glückliche Bauer hat sich einen braunen Frack
mit langen Schößen eigens auf den Leib machen lassen, um die Honoratioren
des Örtchens ehrbar zu Gast bitten zu können. Eben tritt sein Bruder im blauen
Kittel mit seiner Familie ein, der das Glück noch nicht begreifen kann und weit
durch den Schnee hergelaufen ist, um sich zu überzeugen. Der Reiche empfängt
die armen Verwandten so herzlich – gewiss, er ist ein herzensguter Mann und
wird‘s bleiben und sein Geld gut anwenden.” 125 Das „Kunstblatt“ berichtete
über die Münchner Ausstellung 1845: „Schwingen in Düsseldorf hat ein gelungenes heiteres Bild ‚Der Schmaus nach dem Gewinn des großen Loses‘ geliefert.“ 126
Diese Serie der Dorfbilder gruppiert sich um eine Schmiede, wie sie in der
heutigen Muffendorfer Hauptstraße nicht weit vom Haus der Schwingens zu
finden war. Immer wieder hat der Maler auf den Schmied und die Schmiede
mit dem flackernden Feuer zurückgegriffen, nachdem sie schon im „Martinsabend“ erfolgreich aufgetreten war. 1849 versucht er noch einmal, an die
Erfolge dieser Serie anzuknüpfen. Das Bild „Der Zahnarzt“, zunächst in Düsseldorf ausgestellt, findet in der Kritik keine begeisterte Aufnahme. Der Rezensent der „Kölnischen Zeitung“ schreibt: „Die Scene spielt in einer Schmiede.
107
Der Unglückliche, welcher operiert wird, hängt an einem Faden, welcher um den
Zahn gewickelt ist, an einer Kette, die wiederum am Amboss ihre Befestigung
findet. Ein Knecht zieht die Bälge und der Schmied holt ein glühendes Eisen aus
der Esse und fährt damit nach dem Munde des Patienten, welcher dann wohl
so kräftig zurückzieht, dass der Zahn weichen muss. Eine seltsame Art der Operation, welche in den Handbüchern nicht vorkommt und auf den Universitäten
nicht gelehrt wird! Aesthetisch ist die Darstellung gerade nicht, aber man muss
doch dabei lachen und es gibt eine Art von Kunstfreunden, die diesen Genuss
suchen.“ 127 Allerlei Praktiken des Zähneziehens waren in den rheinischen
Dörfern bis ins 20. Jahrhundert hinein geläufig. So wird Schwingen die Szene nicht frei erfunden, sondern aus seinem Muffendorfer Erfahrungsschatz
entwickelt haben.
In der Schmiede, Öl auf Leinwand, 1862, Privatbesitz
Noch 1862 greift Schwingen wieder auf die Schmiede zurück. Diesmal sehen
wir den Schmied am Amboss und ein junges Mädchen, das gekommen ist,
um seine Sichel schärfen zu lassen. Der Schmied interessiert sich aber weniger
für die Arbeit als für die weiblichen Reize der jungen Kundin. Er übersieht
dabei, dass seine Frau ihn durch das Fenster von außen beobachtet. Da wird
er wenig zu lachen haben, wenn er nach Hause kommt.
108
Im Dorf ist Schützenfest angesagt. Wir treffen einige Dorfbewohner wieder beim „Preisschießen um ein fettes Schwein“ (Abb. S. 128 und S. 147).
Schwingen hat auch diese heitere Dorfszene gleich doppelt gemalt, eine größere Fassung für die Ausstellungen und eine kleine für den hoffentlich bald
eintreffenden Käufer. Wieder sind Nachbarn und Freunde aufgeboten. Diesmal steht im Mittelpunkt in der schon bekannten Gewinnerpose der Schützenkönig, dem als Preis ein fettes Schwein winkt, das schon von einem Jungen herangeführt wird. Der Durchblick gibt eine rheinische Landschaft mit
Kirche und Rhein als Hintergrund frei. Wir kennen sie aus anderen Bildern,
z. B. der Frau mit ihren Kindern im Torbogen. Wolfgang Müller von Königswinter schrieb in der „Kölnischen Zeitung“ zu dem in Düsseldorf 1844
ausgestellten Bild „Preisschießen um ein fettes Schwein“: „Das Preisschießen
um ein fettes Schwein entbehrt des Humors, welchen dieser Künstler gewöhnlich
seinen Bildern zu geben weiß, aber es ist auch freier von der wenig edlen Auffassung der Gegenstände, welche ihnen in gleicher Weise eigen zu sein pflegt“.128 Wir
erkennen deutlich den Unterschied in Ton und Urteil gegenüber Kinkel. Die
mosernden Stellungnahmen Wolfgang Müllers haben dann lange Jahre das
Urteil über Schwingens Werke geprägt.
Alle diese und andere Szenen, einige sind leider verschollen wie „Der Besuch
des reichen Oheims” und „Die geizige Bauersfrau“, beruhen auf der genauen
Beobachtung der dörflichen Welt, sie sind Berichterstattung, Realismus nicht
als Stil, sondern als Inhalt. Die Themen sind der Erfahrung des jugendlichen
Künstlers im heimischen Muffendorf entnommen und gewinnen dadurch
eine in der Genremalerei der Düsseldorfer Akademie seltene Authentizität.
Der Titel „Besuch des reichen Oheims“, wirft bereits ein Schlaglicht auf die
sozialen Verhältnisse − wie ja auch „Das große Los“, „Die geizige Bauersfrau“ und der „Schmaus nach Gewinn des großen Loses“ das Thema Arm und
Reich ansprechen. Für Schwingen mussten die sozialen Themen nicht modern werden, es war seine Welt, die er malte. Freilich, mit dem Herannahen
der Jahrhundertmitte werden die Darstellungen kritischer. „Die Pfändung“
und „Das nicht versteuerte Brot“ erregen Aufsehen. Für diese Bilder unseres
Malers gilt, dass sie eine sozialkritische und politische Interpretation zulassen,
aber nicht aufzwingen. Schwingen ist kein Tendenzmaler in dem Sinne, dass
ohne die politische Aussage das Werk seinen Wert einbüßt. Im Vergleich mit
dem Gesamtwerk ist die Zahl dieser Bilder gering. Sie haben aber zu Recht die
Stellung des Malers in der Kunstgeschichte nachhaltig geprägt.
109
Die Pfändung, Öl auf Leinwand, 1845,
Stiftung Museum Kunstpalast Düsseldorf
Mit der Pfändung gelang Schwingen ein Klassiker. Kinkel sah das Bild 1845
in der Ausstellung des Kölnischen Kunstvereins und schrieb: „Nach der Seite des ideenvollen Genres sehen wir nun mehrere Bilder unserer Ausstellung auf
einem neuen Wege, den im vorigen Jahre Karl Hübner mit seinen schlesischen
Webern zuerst betrat. Diesmal gehören dahin desselben Malers Jagdrecht und
Forstrecht und Schwingens Pfändung und in gewissem Maße auch Richters Flucht
vor der Wassernot. Es ist in diesen Werken die Saite angeschlagen, die eben jetzt
in allen Herzen bang oder fröhlich, aber immer laut wiedertönt; es ist die Not des
Proletariats gegenüber der Härte der Besitzenden und des Gesetzes oder gegenüber
den zwingenden Notwendigkeiten der Natur. Aus der milden Idylle springt somit
das Genre in das lebhafteste geschichtliche Interesse um; ein Neues unserer Zeit
Entsprechendes ist hier gefunden, wie es früher nur entfernt von den Malern des
niederländisch-spanischen und des Dreißigjährigen Krieges in grässlichen Plünderungs-Scenen versucht worden ist, und diese Neuheit hat denn auch jenen Bildern
alsbald die heißeste Teilnahme zugewendet. Düsseldorf behauptet das Verdienst
110
dieses großen Fundes, obwohl selbst Hübner anfänglich durch fremden Rath auf
jenen schlesischen Stoff gestoßen worden ist; auch erinnere ich mich, schon 1837
im Museum in Lyon ein derartiges socialistisches Bild von einem jungen französischen Künstler gesehen zu haben, das der Schwingen’schen Pfändung im Stoffe
nahe verwandt war. Mit Liebe und Bewusstsein scheinen jetzt nur Düsseldorfer
diese Richtung zu pflegen, welche leicht eine große Zukunft gewinnen möchte.
Auch in technischer Hinsicht, wie denn stets ein tüchtiger Gehalt zugleich Auffassung und Malweise hebt, zählen wir übrigens diese Stücke getrost zu den erfreulichsten der ganzen Ausstellung.“ 129
In der Einzelbesprechung der Bilder fährt Kinkel fort: „Die Pfändung von
Peter Schwingen. Das derbe Talent des noch jungen Malers, der in rastloser Anstrengung und Aufopferung das Recht erkaufte, den Pflug mit dem Malstock zu
vertauschen, tritt hier schon viel tüchtiger und geschlossener hervor als in seinen
früheren lustigen Lottrieloosbildern. Schwingen stammt selbst aus dem Volke, das
kommt ihm in seinem Fache zu Gut; er hat weniger Poesie als Hübner, aber an
deren Stelle ein scharfes Auge für die barocke Prosa des Volksthums. Hier sehen wir
einen feisten, und wie ein rheinischer Küfer sagen würde, weingrünen Herrn, der
von einem gehorsamen Huissier bei einem armen Schuster das Pfändungsprotokoll
anfertigen lässt. Der Ofen ist schon abgebrochen, das beste Hausgeräth in einem
Korbe zusammengeschleppt. Der Mann gibt die Hoffnung auf, den Gläubiger zu rühren, der mit richtigem Griff nicht als ein leibhaftiger Satan, sondern
als ein platter Bonvivant gefasst ist. Aber die Frauen lassen noch nicht ab. Das
jugendliche Weib des Gepfändeten liegt händeringend zu Füßen des Peinigers, die
alte Mutter aber deutet noch viel wirksamer auf das kleinste Enkelkind, das sie im
Arme hält. Alle diese Figuren sind saftig gemalt, lebhaft und mit scharfer Naturtreue gefasst, dabei aber würdig und so edel, als das Volksstück eben gestattet; nur
der große Junge vorn, mit dem schreiend weit geöffneten Maul, der mit sehr empfindlicher Derbheit den Kopf gegen die Brüste der Mutter quetscht, ist bäurisch
und unter der Schönheitslinie; hinten links in der Werkstatt sieht man dann neben
einem weinenden Mädchen den Gesellen wütend die Ahle erheben; rechts aber erscheinen zwei Gestalten, über die Streit ist. Sind’s bloße Helfer beim Pfänden, warum flüstern sie dann? Gehören sie nicht vielmehr der Familie an und suchen nur
den Ofen als das beste Mobiliarstück flink auf die Seite zu schaffen? Hier müsste
der Maler deutlicher sein. Errate ich seine Intention, so hat er das Letztere gewollt,
und es ist dann in dieser Selbsthülfe der Armut wider das Gesetz eine halbwegs versöhnende Episode einflochten. Auf keinen Fall möchte ich im Fell des feisten Herrn
stecken – wenn ihm einmal diese Beiden da links und rechts zu Nacht begegnen,
111
wird der Gesell sicher mit derselben Exstase, wie jetzt den Pfriemen, seinen Prügel
schwingen und der Bursch in der Militärhose ihm eben so kaltblütig secundieren,
wie er jetzt den Ofen wegschleppt. Denn das ganze Bild hat sein Ende nicht in
sich, es spinnt sich gewiss noch novellistisch weiter – und dies Novellistische hat
seine Bedeutung auch noch für ganz andere Leute als diesen dicken Herrn.“ 130
Kinkels Auffassung war, dass die Genremalerei zwar Not, Jammer und Leid
schildern müsse, andererseits dabei den Ausdruck des Hässlichen, der Zerrissenheit, d. h. des im Sinne Kinkels Unästhetischen, zu vermeiden habe.131
Die Darstellung des sozialen Elends sei so anzulegen, dass neben Trauer, Verbitterung und Verzweiflung die baldige Aussicht auf eine Umkehr deutlich
erkennbar werde. Das Genrebild müsse insofern den Charakter einer reinen
Momentaufnahme überwinden und den Betrachter zum Weiterspinnen der
Geschichte ermuntern, dessen „novellistisches Interesse“ wecken. Genau dieses
hat Kinkel in der Besprechung der Pfändung versucht.
Aus dem Bild heraus lässt sich aber kaum erkennen, dass der reiche Gläubiger
und möglicherweise auch andere demnächst in dunkler Nacht die Prügel der
Gesellen des Gepfändeten zu spüren haben werden. Man könnte diese „Novelle“ als eine Aufforderung zur Revolution interpretieren.
Zu einer weiteren Ausstellungsbesprechung von Kinkel in der „Kölnischen
Zeitung“ kam es vielleicht auch deshalb nicht. Die Erste war wohl auch allzu
lang geraten. Außerdem soll es mancherlei Beschwerden gegeben haben, von
Künstlern, die sich abqualifiziert oder gar nicht behandelt fühlten. Kinkel führt
diese Kritiken und die Kölner Intrige als Grund dafür an, dass er im folgenden
Jahr nicht wieder beauftragt wurde, sondern „ein geborener Belgier“ den Auftrag erhielt.132 Entweder wusste Kinkel tatsächlich nicht, dass die nächstjährige Rezension der Kölner Ausstellung von seinem Quasi-Landsmann Wolfgang Müller von Königswinter geschrieben wurde, oder er wollte diesem wegen der gewählten Anonymität mit der Bezeichnung „geborener Belgier“ eins
auswischen.
Schwingen packte mit der Pfändung ein europäisches Thema an. Der junge
Maler stellte sich in eine Reihe bedeutender Darsteller des gleichen Sachverhalts. David Wilkie, wichtiger Anreger der deutschen Genremalerei, hatte
den Stoff zuerst aufgegriffen. Seine Arbeit wurde 1828 durch einen Stich von
A. Raimbach in Deutschland bekannt. Müller von Königswinter wies
112
Hasenclever auf das Thema hin. Nicht dieser, wohl aber sein Freund Schwingen sprach darauf an. Carl Wilhelm Hübner griff es, nach Schwingens Erfolg,
erst 1848 auf und gab ihm dann noch einen ziemlich versöhnlichen Akzent.
Danhauser, Fendi und Waldmüller malten eine Pfändung.
Schwingen war sich offenbar des mit dem Thema erhobenen Anspruchs bewusst. Er wählte ein großes Format. Zuerst stellte er das Opus wie üblich in
Düsseldorf aus. Dann ging es nach Köln und dort kam es 1845 zum Verkauf
an privat für 400 Taler.133 Das war zwar kein Spitzenpreis, aber immerhin
weit über dem Durchschnitt der Düsseldorfer Genremaler. Sofort musste eine
zweite Fassung gemalt werden. Als Schwingen diese etwas kleinere Fassung
im Sommer 1847 in Lübeck ausstellt, fordert er einen Preis von 90 Friedrich
d‘Or (450 Taler). Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen stellt
1845 die erste Fassung und 1848 die zweite Fassung in Düsseldorf aus.
Obwohl dieses Bild die typischen Merkmale Düsseldorfer Genrebilder aufweist wie schmale Vorderbühne, expressive Gestik, theaterhafte Szenerie und
Lichtführung der „lebenden Bilder“, ist das Opus ein Meisterwerk, das nicht
nur im Werke Schwingens, sondern auch in der kritischen Genremalerei der
Zeit eines Spitzenplatzes würdig ist. Das Pathos der Darstellung ist nicht
aufgesetzt, sondern der Bedeutung des drohenden Existenzverlustes für drei
Generationen der Handwerkerfamilie angemessen. Es mag Zufall sein, dass
allein die Mutter und die Frau des Schusters durch Kniefall und inständiges
Bitten das Unabänderliche abzuwenden suchen. Wir finden allerdings immer wieder auf den Genrebildern Schwingens die Mutter mit ihren Kindern
in wichtiger oder dominierender Stellung (Martinsabend, Frau mit Kind im
Torbogen, Der Lotteriejude, Das große Los), freilich nicht auf den Barrikaden
wie beim zeitgenössischen Delacroix.
Der reiche Bürger, der selbst erschienen ist, um die Pfändung zu überwachen, lässt sich freilich durch das Flehen der Frau nicht beeinflussen. Die
eindruckvolle Gesamtkomposition wird durch die liebevolle Ausstattung des
Bildes mit den Details der dörflichen Wohnstube (einige kennen wir von
anderen Bildern, auch von Henry Ritter, aus der ständigen Requisitenkammer der Düsseldorfer Ateliers) nicht erdrückt oder abgeschwächt. Das Bild
zeichnet sich durch freudige Farbigkeit aus, die gerade weil sie im Gegensatz
zum dargestellten Ereignis steht, Aufmerksamkeit erregt. Obwohl Schwingen
auf das Werkstatt-Butzenscheibenfenster nicht verzichtet – wie beim Mar-
113
tinsabend als Durchblick links – kommt diesmal das Hauptlicht von vorn
und erhellt scheinwerferartig die Szene, deren Dramatik damit steigernd. Wie
Hasenclever gelingt Schwingen eine virtuose Darstellung der verschiedenen
Seelenstimmungen der Beteiligten. Schwingen stellt sich mit diesem Bild eindrucksvoll in die Spitzengruppe der sozialkritischen Künstler der Düsseldorfer
Schule.
Henry Ritter malt im gleichen Jahr (1845) ein Bild, das in vieler Hinsicht als
eine Art Parodie der Pfändung Schwingens gesehen werden kann. Er knüpft
gleichzeitig an die Atelierszene mehrerer Düsseldorfer Künstler (Hasenclever
u. a. 1836) an. Der Hausherr erscheint im Atelier und fordert den Mietzins
ein. Haltung und rote Wangen erinnern stark an den Gläubiger bei Schwingen. Freilich, bei den Künstlern ist nun rein gar nichts zu holen! Leere Weinflaschen zeugen vom Verbleib der Moneten. Jetzt trinkt man Kaffee, raucht
und singt ein Lied zu (Schwingens?) Gitarre. Kostüme von Künstlerfesten
liegen umher. Zwei Helfer – wie in Schwingens Bild – oder weitere Gläubiger
sehen das Sinnlose des Tuns ein und wenden sich zum Gehen. Auf der Treppe
eine Frau mit Häubchen, die wir aus der Atelierszene kennen. Auch manche
Requisiten erinnern an Bilder Schwingens. Eine schlüssige Erklärung dafür
gibt es nicht. Die drei Künstler sind blond und rothaarig, wie es scheint keine
Porträts, wohl aber Karikaturen bekannter Maler. Da sie alle noch kostümiert
von einem Umzug oder Kostümfest kommen, könnten sie auch Perücken tragen. Schwingens aktive Mitgliedschaft im „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“ mag hier erwähnt werden. Auch Ritter arbeitete 1845 mit den Carnevalsfreunden zusammen und entwarf für sie ein Ehrendiplom unter dem
Motto „Durch!“134 Im Text hieß es: „Auch wir gehören zu den Hoffenden und
Vertrauenden; auch wir flüchten unter den Schutz der bunten Kappe; und bergen
in der Narrheit die Hoffnung auf das Licht.“ Wir wissen aber letzten Endes
nicht, welche Beziehungen es zwischen Schwingen und Ritter gab. Immerhin,
das Bild zeigt, dass sie sehr wahrscheinlich bestanden haben.135
Ein weiteres sozialkritisches Bild aus dieser Zeit hat die Mahl- und Schlachtsteuer zum Gegenstand. „Das nicht versteuerte Brot“ von 1846 ist leider wie
so manches andere aus dem Oeuvre Schwingens verschollen. Müller von Königswinter hat das Bild auf der Kölner Ausstellung von 1846 gesehen. Er beschreibt es in seinem Buch wie folgt: „Seine letzten Bilder sind dagegen sozialer
Natur. Hierher gehört zunächst das nicht verzollte Brod [!]. Dasselbe ist eine derbe
Satyre auf die Schlacht- und Mahlsteuer. Wir sehen nämlich in das Thor einer
114
Stadt. Steueraufseher greifen mit brutalem Ausdrucke ein armes Bettelkind auf,
das einen Laib Brot für die Familie vorbei trägt, während Jäger, die sich Rehe
nachschleppen lassen und die überdies von Wild strotzenden Taschen umgehängt
haben, unbefangen und ungehindert, sogar salutiert von den Dienern des Gesetzes
vorbeiziehen. Ob sich dieser Gegenstand nicht besser für die Caricatur eignet, will
ich nicht untersuchen.“ 136 Das Bild wurde 1846 in Düsseldorf und in Köln auf
den Ausstellungen der jeweiligen Kunstvereine gezeigt. In Köln hat es wahrscheinlich den Maler Wilhelm Kleinenbroich angeregt, sich an dem gleichen
Thema zu versuchen.137 Auch bei ihm sehen wir die verfolgte Armut und die
reiche Jagdgesellschaft.
In diesen Jahren arbeitet Schwingen anscheinend − allerdings im Einzelnen nicht nachweisbar − als Illustrator an den Düsseldorfer Monatheften
mit. Hier finden wir die karikierende Wunschvorstellung der Künstler (von
W. Camphausen) zu diesem Thema mit einem schlafenden Zöllner und dick
bepackten Hausfrauen und Schmugglern, die die offene Schranke durchschreiten.
Kaum ein Thema interessierte die einfachen Menschen und den Mittelstand
mehr als diese als ungerecht empfundene Steuer. An ihrem Aufkommen waren die Kommunen zu 40, später zu 50 % beteiligt, was ihre einfache Abschaffung besonders erschwerte. Schwingen kannte die negativen Folgen der Steuer
aus der Sicht des Bauern, der seine Erzeugnisse in der Stadt verkaufen will. In
Bonn z. B. wurde die Steuer am Koblenzer Tor erhoben.
Wilhelm Kleinenbroich hat, wie bereits erwähnt, das Bild Schwingens, das
1846 in Düsseldorf und Köln ausgestellt wurde, gekannt. Er griff das Thema
auf. Sein „viel diskutiertes Bild“ wurde ein großer publizistischer Erfolg. Wir
kennen zwar die Reaktion auf die Arbeit Schwingens nicht, man kann aber
unterstellen, dass auch er mit diesem Thema ebenso wie mit der Pfändung
überregionales Aufsehen erregt hat. Das Bild wurde z. B. 1847 gleichzeitig mit
der „Pfändung“ in Breslau gezeigt.138 Damaliger Eigentümer dieser Pfändung
war der mit Ferdinand Lassalle seit der gemeinsamen Schulzeit befreundete
Baron Hubert von Stücker.
Das folgende Jahr 1847 ist das Jahr besserer Ernten, sinkender Getreide- und
Brotpreise und der sich deutlicher abzeichnenden revolutionären Entwicklung in Deutschland. Noch im April hatte allerdings auch der Gemeinderat
115
in Muffendorf als eine Notstandsmaßnahme verbilligten Roggen von der Bezirksregierung übernommen, um ihn an die Bürger weiter zu verkaufen.139
1841 hatte Hoffmann von Fallersleben in den „Unpolitischen Liedern“
geschrieben:
Verspottet nur den Vetter Michel!
Er pflügt und sät:
Einst sprießt die Saat, die keine Sichel
der löblichen Zensur ihm mäht.140
In einem im Vormärz (1847) entstandenen Bild scheint Schwingen das Ökonomische und das Politische dieser Verse miteinander verbunden zu haben.
Das bisher unbekannte Bild tauchte Anfang 1997 in der Düsseldorfer Galerie
Wilhelm Körs aus Privatbesitz auf. Sein Titel: „Die Heimkehr vom Felde“
oder, wie es wahrscheinlich ursprünglich hieß, „Die Not ist vorüber“.
Beim Versuch einer Annäherung an das Werk ist man zunächst etwas befremdet, weiß aber nicht warum. Im Bild einige bekannte Figuren aus den früheren Arbeiten Schwingens: die Großmutter aus der „Pfändung“, die junge Frau
mit zwei Kindern aus „Frau mit ihren Kindern im Torbogen“. Herein in die
enge Stube aber tritt ein Unbekannter. Ein junger Gott, möchte man sagen.
In pathetischer Geste hält er einige abgeschnittene Ähren hoch wie die Fackel
einer Freiheitsstatue. In der linken Hand eine Sichel. Die anderen Personen
himmeln ihn an. Nur das Baby schläft. So kommt man nicht vom Felde heim!
Die bäuerliche Familie ist ja über den Stand der Feldfrucht normalerweise gut
unterrichtet, zu triumphaler Gebärde also wenig Anlass. Das wusste auch der
Muffendorfer. Im Herbst 1847 soll die Ernte auf den Feldern allerdings auch
dort besser als vorher ausgefallen sein. Falsches, typisches Pathos der Düsseldorfer Malerschule? Ähnliche Posen kennen wir aus Schwingens Bildern
„Schmaus nach Gewinn des großen Loses“ und „Preisschießen um ein fettes
Schwein“, aus Hasenclevers „Arbeiter vor dem Stadtrat“, aus Hübners „Die
schlesischen Weber“. Hat der Maler hier einfach einen beliebten Stereotyp in
eine nicht adäquate Situation übertragen? Auf den bisher bekannten Bildern
Schwingens ist das Pathos nicht aufgesetzt, passt ins Bild. Hier auch? Ja dann,
wenn man sich zu einer extensiveren Interpretation entschließt. Sie beruht
u. a. auf der Annahme, dass Schwingen ein guter Maler war, der ein falsches
Pathos im Bild nicht zugelassen hätte. Was also könnte das Bild sagen wollen?
116
Heimkehr vom Felde (Die Not ist vorüber),
Öl auf Leinwand, 1862, Privatbesitz
Der bis dato in Schwingens Bildern unbekannte Jüngling trägt die Zipfelmütze der Bauern und die Kniebundhose des Deutschen Michel. Eine typische
Bekleidung der Muffendorfer, zumal wenn sie vom Felde kommen, ist das
nicht. Nun, der junge Bauer kommt zwar vom Felde, aber Schwingen könnte
eher das politische Feld als den heimischen Acker gemeint haben. Haben der
Maler und seine Freunde Texte von Hoffmann von Fallersleben gesungen?
Hoffmann gehörte mit zu den Autoren des Liederbuches des Allgemeinen
Vereins „Schellenklänge“. Es gab noch viele andere Lieder ähnlicher Tendenz,
in denen der beliebte Reim Michel/Sichel dominierte.
117
Von Schwingen gibt es keine Memoiren oder Briefe. Sein Medium sind die
Bilder. 1847 erntet er, so scheint es. Er ist auf der Höhe seines Schaffens und
auch finanziell wahrscheinlich nicht schlecht gestellt. Er selbst ist ein Bauernsohn, der mit und durch die Kunst den sozialen Aufstieg, die Freiheit, und
sei es nur die des Künstlers, erstrebt. Schwingen könnte sich selbst als den
erwachten deutschen Michel gesehen haben. An Selbstbewusstsein mangelte es ihm bekanntlich nicht. Selten klingen in der „Michel“-Literatur und
Karikatur damals schon soziale Töne an. Der Maler lässt zumindest diesen
Aspekt mit aufleuchten. Für ihn ist der deutsche Michel auch der Bauer, dem
es besser geht.
Tendenzmaler ? Sozialist ?
Natürlich kann man das auch alles anders sehen. Schwingen hat beispielsweise
auch hier auf die schmutzigen Schuhe des Dörflers nicht verzichtet, Kniebundhosen kommen auch in anderen Bildern vor. Ein bäuerliches Genrebild
also doch? Wir wissen, dass der Muffendorfer dazu neigt, seinen Bildern eine
„Bedeutung“ über das bloß Genrehafte hinaus zu verleihen. Das Genre wird
zwar allegorisch überhöht, bleibt aber gleichzeitig Genremalerei, die auch unpolitisch gesehen werden kann. Darin liegt ja nicht zuletzt der Unterschied
zwischen etwa Schwingen und der eindeutigen Tendenzmalerei z. B. Carl
Hübners oder des Kölners Wilhelm Kleinenbroich.141
So dürfte denn auch Müllers kritische Stellungnahme zur „Tendenzmalerei“
Schwingen am allerwenigsten treffen. Müller schreibt: „Über den Werth und
Unwerth der socialen Richtung in der bildenden Kunst sind in der neueren Zeit
verschiedene Urtheile laut geworden. Ich kann mich durchaus nicht mit denen
einverstanden erklären, welche dieselbe in Bausch und Bogen verurteilen. Auch
die alten Niederländer und die Spanier haben ähnliche Stoffe behandelt. Noch
mehr ist dies bei dem genialen Engländer Wilkie der Fall. Wohl aber ist es rathsam, möglichst vorsichtig in der Wahl der Gegenstände zu sein, zumal da wir
unter den obigen Bildern Stoffe antreffen, welche sich Dank der fortschreitenden
Humanität schon heute überlebt haben. Scenen, wie das Jagdrecht von Hübner,
werden wohl nicht mehr in dieser eclatanten Schreckhaftigkeit vorkommen, und es
wird hoffentlich nicht lange mehr dauern, daß die Schlacht- und Mahlsteuer besteht. Alsdann wird ein Bild wie das von Schwingen durchaus unverständlich sein.
Die Gegensätze von Reichthum und Armuth hingegen werden so leicht nicht verschwinden und es lassen sich an dieses Thema ohne Zweifel noch sehr erfolgreiche
118
Variationen knüpfen. Nur handelt es sich darum, die Aestethik nicht außer Acht
zu setzen, denn Maaß und Schönheit sind die ersten Bedingungen für den Werth
von Kunstwerken. Auch möchte den betreffenden Künstlern zu rathen sein, daß sie
zugleich andere dramatische Conflicte behandeln, denn in der Kunst ist das Suchen nach Tendenz gefährlich: Man merkt die Absicht und man ist verstimmt.“ 142
Wolfgang Hütts These, Schwingen sei „Sozialist“ gewesen, lässt sich nicht
belegen.143 Er ist Mitglied im „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“,
hat dort möglicherweise wie manche andere Düsseldorfer Maler seine politische Grundüberzeugung gewonnen. Er gehört zu den Gründern des „Vereins
Düsseldorfer Künstler“, in dem wir die meisten Maler aus der Karnevalsgesellschaft wiederfinden und der wichtige soziale und wirtschaftliche Aufgaben im Interesse der nichtakademischen Maler wahrnimmt. 1848 begegnet
uns Schwingen als aktives Gründungsmitglied des Malkastens, wiederum
zusammen mit seinen Freunden und Bekannten aus früherer Zeit. Über seine weitere Tätigkeit dort lässt sich freilich wenig ausmachen. Unter den genannten Vereinigungen ist der Malkasten auch der unpolitischste Verein und
seine Gründung markiert eher das Ende denn den Beginn des revolutionären
Aufschwungs. Schwingens Rolle in den revolutionären Ereignissen selbst ist
unklar. War er – wie viele seiner Malerkollegen – Mitglied der Düsseldorfer
Bürgerwehr oder gar Barrikadenkämpfer?
Wir wollen der Versuchung widerstehen, den Maler vorschnell einer der damaligen oder gar heutigen politischen Richtungen zuzuordnen, und so „den
sozialistischen Realismus vorzudatieren“ (G. Grass).
Realismus der Genremalerei ?
Die Stärke Schwingens liegt in Genre wie Porträt im Realismus. Er malte,
was er sah, was er kannte, was er gesehen hatte und woran er sich zumindest
in den ersten Jahrzehnten seines Schaffens noch erinnerte. Dass dabei auch
soziale Not und Anklage ins Bild gerieten, war nicht Ergebnis ideologischen
Nachdenkens, sondern der eigenen Herkunft und des täglichen Erlebens als
„armer Bauernjunge“. Detailgetreu malt er Umfeld und Umwelt, liebevoll
die Menschen, die ihm nahe stehen, Kinder, Familie. In den Auftragsbildern
kommen diese Fähigkeiten teils mehr, teils weniger deutlich zum Ausdruck.
Auch in ihnen freilich zeigt sich in jedem Falle ein bedeutendes Talent aus
dem Volke, dem manches an literarischer und formaler Bildung abgehen
119
mochte, das aber gerade deshalb den Versuchungen des bloß Gedachten, des
Konstruierten, des Süßen und überzogen Kritischen nicht erlag – wahrscheinlich, weil er diese Versuchungen gar nicht kannte. „Schwingen ist Wegbereiter
eines neuen, sachlichen Realismus, wie es die Frühmeister der Fotografie waren.
Von hier aus betrachtet gewinnt sein Gesamtwerk ein ganz neues und neuartiges
Interesse. Es ist kein ,großes Reich‘ das Schwingen bestellt hat, aber er gehört zu
jenen gar nicht so häufigen Künstlern, die ‚im kleinsten Punkt die höchste Kraft
sammeln‘“, schrieb Walter Cohen.144
Natürlich ist Schwingen nicht frei von den Eigenarten der Genremalerei des
19. Jahrhunderts. Ute Ricke-Immel schreibt zu Recht im Katalog „Angesichts
des Alltäglichen“: „Das Genre gibt kein Abbild der Wirklichkeit, sondern einen
Detailrealismus, dessen stückweise Naturaufnahme durch ,poetisches‘ Verschönern
des Gewohnten und Alltäglichen überhöht und idealisiert wird“.145
Martina Sitt fährt fort: „Auch Peter Schwingen schilderte Milieus, stets aber liebevoll und neutralisiert … Nicht die Unabwendbarkeit des Armeleute-Schicksals
Mitte des 19. Jahrhunderts ist sein vorrangiges Thema, sondern das spektakuläre,
ja bühnenreife Ereignis.“ 146 Das ist richtig und falsch zugleich. Es verdeckt die
Sonderstellung des Muffendorfer Bauernjungen, der in einigen Bildern aus
den 40er Jahren – trotz des Vokabulars seiner Schule – eine in der übrigen
Düsseldorfer Genremalerei unbekannte Authentizität erreicht. Seine strenge
und penible, wenig elegante Malweise unterstreicht das. Schließlich: Im Vormärz glaubte man nicht an die „Unabwendbarkeit des Armeleute-Schicksals“.
Der Muffendorfer gehört zu den herausragenden Düsseldorfer Malern des
19. Jahrhunderts. In seinem Fach, dem Genre, können nur wenige Maler sein
Niveau für sich in Anspruch nehmen: Henry Ritter, J. P. Hasenclever in ihren
besten Werken, wer noch?
Die Kunst im Hinblick auf die Bedingungen ihres Entstehens betrachten,
so schreibt Helmut Börsch-Supan,147 führe zum umfassenden Verstehen. Das
gilt ganz besonders für Schwingen, dessen geringe soziale Herkunft auch im
19. Jahrhundert für Künstler durchaus ungewöhnlich war. Zwar galt die
künstlerische Betätigung in dieser Zeit als ein Mittel der Befreiung, eine Möglichkeit, aus der durch Stand und Vermögen vorgeschriebenen Ordnung auszubrechen. Peter Schwingen ist diesen Weg gegangen. Seine in der SchwingenLegende hauptsächlich von Julius Söhn und wahrscheinlich wahrheitsgemäß
120
übermittelten Eskapaden und Extravaganzen können als Versuch gedeutet
werden, subjektiv diese Freiheit des Künstlers zu beweisen. Die Grenzen werden am Beispiel Schwingen ebenso klar. Er wurde kein „Malerfürst“, sondern
blieb dem Kleine-Leute-Milieu verhaftet. In der sich um die Jahrhundertwende anbahnenden Neubewertung der Düsseldorfer Malerschule konnte
Schwingen nur gewinnen. Anständig und ordentlich malen, das konnte er in
Düsseldorf erwiesenermaßen lernen, alles andere kam aus der Persönlichkeit
des Muffendorfer Bauernjungen.
Anmerkungen
1
Der Erste, der sich systematisch mit Leben und Werk Peter Schwingens befasste, war Julius Söhn,
Hof-Fotograf in Düsseldorf und mit einer Enkelin des Malers verheiratet. Söhn legte ein Archiv
über Peter Schwingen an. Heute noch die wichtigste Quelle. 1925 griff der Godesberger Bürgermeister Josef Zander die Anregungen in den Veröffentlichungen Walter Cohens auf und trug wesentlich zur Klärung der Familienbeziehungen Peter Schwingens in Muffendorf bei. Vom Verein
für Heimatpflege und Heimatgeschichte, Bad Godesberg und dessen damaligem Vorsitzenden
Dr. Haentjes ging nach dem 2. Weltkriege die Initiative zur Wiederbelebung der Erinnerung an
den Maler aus. Er gewann Dr. Walter Holzhausen für diese Aufgabe.
2
Brief vom 23.1.1914 im Archiv Söhn, Privatbesitz.
3
Cohen 1931 (handschriftliches Manuskript Dr. Walter Cohen für eine Veröffentlichung in den
Düsseldorfer Nachrichten vom 18.12.1931. Nachlass Cohen, Stiftung Museum Kunstpalast,
Düsseldorf ).
4
Die jüngste Schwester von Peter Schwingen, Catharina, war mit dem Schuster Johannes Stings
aus Muffendorf verheiratet. Josef Stings ist vermutlich deren Enkel.
5
StA Bonn, Go 317, Schreiben von Heinrich Raaf sen. an Bürgermeister Zander vom 9.5.1925.
6
StA Bonn, Go 10098, Protokolle des Gemeinderates Muffendorf von 1846-1891, Sitzungen vom
15.5.1852 und vom 19.12.1859.
7
Pfarrarchiv Villip, Nr. 248/1831 mit Originalgutachten der Taxatoren Schwingen und Rieck. StA
Bonn, Go 317, Käthe Stings schreibt, Vater Schwingen sei Ortsvorsteher gewesen.
8
Diese Lokalisierung des Geburtshauses ist möglich aufgrund der Sterbeurkunde Nr. 209 1814
der Großmutter Schwingens Anna Maria Völsgen im Bad Godesberger Standesamt und der Karten, die die französische Verwaltung zur Erhebung der Grundsteuer 1811 mit großer Präzision
angefertigt hatte. Diese Karten wurden von Herbert Strack weitgehend aufbereitet und geben
dem, der sie sorgfältig analysiert, manche Auskunft. 1811 gab es in Muffendorf nur einen Peter
Joseph Schwingen, den Vater des Malers, und dieser wohnte Auf der Gassen 95, Katasternummer
912. Strack 1987.
9
StA Bonn, Go 317, Bericht „Peter Schwingen“ von Käthe Stings, Muffendorf, etwa 1925.
10
Kleinpass 1964. Hans Kleinpass danke ich für zahlreiche Hinweise zu Schwingen und zur
Schwingen-Rezeption in Bonn und Bad Godesberg.
11
Deutsche Reichs-Zeitung, Bad Godesberg, 21.5.1926.
12
Das Grab ist heute nicht mehr auffindbar. Auch das Grab von Sebastian Blinzler ist nicht mehr
vorhanden. Im Familiengrab Blinzler auf dem Burgfriedhof befindet sich lediglich eine Erinnerungstafel. Ammermüller 2010, S. 6.
13
StA Bonn, Go 317, Schreiben von Heinrich Raaf sen. an Bürgermeister Zander vom 9.5.1925.
14
Hütt 1995, S. 102.
121
15
GStA PK, Rep. 76 Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal Angelegenheiten,
Ve Sect. 18, Abt. V, Bl. 163-165.
16
Hansen 1919, S. 3 König Friedrich Wilhelm III. an den Oberpräsidenten v. Ingersleben in Koblenz. Anzeige von der Ernennung des Prinzen Wilhelm zum Generalgouverneur der Provinzen
Niederrhein und Westfalen. Berlin 1830 September 24. Herres 2012, S. 125/126.
17
StA Bonn Pr 1391.
18
Zum Ablauf des Besuches auch „Zwei Bonner Chroniken (Fortsetzung)“ in: Bonner Archiv.
Monatsschrift für die Geschichte der Stadt Bonn hg. von Dr. Felix Hauptmann, 5. Jg., Nr. 2,
S. 30/31.
19
StA Bonn, Go 317, Prof. Dr. Heinrich Herkenne (1871-1948) war von 1920 bis 1927 Pfarrer in
Muffendorf; Godesberger Heimatblätter 33/1995, S. 129-131.
20
Der Mehlweg war die Verbindungsstraße von Muffendorf in Richtung Plittersdorf, heute
Theodor-Heuss-Straße. Freundlicher Hinweis von Herbert Strack. Käthe Stings weiß noch zu
berichten, dass Schwingen die Bilder „Jesus der Kinderfreund“ und „St. Martinus“ gemalt habe.
Sie seien aber ebenso wie ein Selbstbildnis des etwa zwanzigjährigen Schwingen von der Familie
vernichtet worden. Dieses erste Selbstbildnis ist später in einem stark beschädigten Zustand von
einem Herrn Stings aus Lüftelberg für das Heimatmuseum gestiftet worden. Der Bericht der
Käthe Stings aus Muffendorf entsprach demnach weitgehend den Tatsachen.
21
StA Düsseldorf, Bürgerbuch S. 228.
22
Zur Schulsituation in Muffendorf: Küpper 1963, S. 43-47. Dort auch Einzelheiten über die sehr
spärliche Ausstattung, die geringe Vorbildung der Lehrer und ihre entsprechende Besoldung.
23
HStA Düsseldorf, Regierungspräsidium Düsseldorf, Präsidialkanzlei, Bd. 1558-1559 (Microfiche) Schülerlisten der Kunstakademie Düsseldorf.
24
GStA PK, Rep. 76 Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten,
Ve Sect. 18 Abt. V, Vol. III, Bl. 33.
25
GStA PK, Rep. 76 Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten,
Ve Sect, 18 Abt. V, Vol. III, Bl. 33.
26
Fahne 1837 I. Darauf erwidert Johann Joseph Scotti polemisch. Scotti 1837. Dann wieder Replik
von Fahne 1837 II. Schließlich Scotti 1838.
27
Die Studiengebühr betrug in der zweiten Klasse einen Taler im Quartal.
28
Markowitz 1980, S. 55, Nr. 241. Felix Mendelssohn Bartholdy hatte beide „beim Schneidermeister Schmitz“ besucht.
29
Dieser Zusammenhang wurde erst kürzlich nach der Digitalisierung der Tagebücher Peter de
Weerths durch die Wuppertaler Gartenarchitektin Dr. Antonia Dinnebier bekannt. Sie entdeckte bei der Transkription zahlreiche Anmerkungen über Peter Schwingen und stellte sie mir zur
Verfügung. Zu Einzelheiten vergl. Heidermann, Horst, Das große Los, in: Romerike Berge. Zeitschrift für das Bergische Land 63. Jg. 2013, Heft 1, S. 28-33.
30
Johann Joseph Scotti wurde am 16.4.1787 in Bonn geboren. Die Eltern waren der aus Italien
stammende Galanteriewarenhändler Ludwig (Louis, Luigi) Scotti und seine Frau Maria Anna
Juliana Thelen. Sie hatten am 1.2.1785 geheiratet. Scotti betrieb sein Geschäft am Markt in Bonn
und bot Pariser Hüte, Stiefelschäfte, Pariser Toback und Senf an. J. J. Scotti starb am 3.4.1866 in
Düsseldorf; nach Kirchenbücher St. Remigius Bonn, Taufen 1782-1797; J. Dietz, Topografie der
Stadt Bonn vom Mittelalter bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit, in: Bonner Geschichtsblätter
Bd. 16/17, 1962/63, S. 459.
31
Zu Einzelheiten Frohn 2000.
32
1848 stellvertretender Zugführer der Bürgerwehr. Später Repräsentant des Grafen von Hatzfeldt.
33
Hugo Wesendonck war Sohn eines Kaufmanns aus Elberfeld. Von 1842 bis 1849 AdvokatAnwalt in Düsseldorf. Vorsitzender des „Vereins für demokratische Monarchie“. Mitglied der
Frankfurter Nationalversammlung. Hauptmann der Düsseldorfer Bürgerwehr. Im Dezember
122
1849 Emigration in die USA. Dort erfolgreiche geschäftliche Tätigkeit.
Vorstandsmitglied des „Vereins für demokratische Monarchie“. 1848 Zugführer der Düsseldorfer
Bürgerwehr. In die preußische Nationalversammlung gewählt. Langjähriger Verteidiger Lassalles
und der Gräfin Hatzfeldt. Die Schwester Bloems, Käthe, heiratete später Heinrich Koester, der
mit Ferdinand Freiligrath, Hoffmann von Fallersleben und Hermann Püttmann eng befreundet
war. Koester, ursprünglich in Barmen tätig, hatte schon dort dem Kreis um Freiligrath angehört
und war an der Barmer Stadtschule auch Lehrer von Friedrich Engels gewesen.
35
Franz Anton Reinartz, geboren 1813 als Sohn eines Gutsbesitzers in Derikum (heute Stadtteil
von Neuss), gestorben 1887 in Düsseldorf, Gymnasium in Köln, Studium in Bonn und Berlin.
Promotion in Berlin. Wahrscheinlich in Bonn und Berlin Studienfreund von Karl Marx. Frdl.
Hinweise von Erhard Kiehnbaum, Greifswald. Führender Reformkonservativer, Stadtverordneter, nahm an den Abgeordnetenfesten 1843 und 1845 in Düsseldorf teil und gehörte 1848
dem Vorparlament an, 1847 Vorstandsmitglied des „Allgemeinen Vereins der Carnevalsfreunde“,
1848 Vorstandsmitglied der „St. Sebastianus Schützenbruderschaft“, 1849 Vorsitzender.
36
1848 Hauptmann der 2. Compagnie der Bürgerwehr.
37
1848 stellvertretender Chef der Bürgerwehr, Hauptmann der 7. Compagnie, Vorstandsmitglied
der „St. Sebastianus Schützenbruderschaft“.
38
1848 stellvertretender Zugführer der Bürgerwehr.
39
1848 stellvertretender Zugführer der Bürgerwehr.
40
1848 stellvertretender Hauptmann der Bürgerwehr.
41
1848 stellvertretender Zugführer der Bürgerwehr.
42
HAStK, Nachlass Anton Fahne, Nr. 225.
43
Mitglied des Stadtrates.
44
Fahne 1854, S. 269/70. Die Darstellung folgt Heidermann 2002 II. Den Hinweis auf den AntiMusik-Verein verdanke ich Sabine Schroyen.
45
Düsseldorfer Zeitung vom 18.1.1850.
46
Soiné 1990, S. 125.
47
In der Unterschriftenliste einer Petition zwecks Beschleunigung der gerichtlichen Untersuchung
des Falles Cantador vom 16.12.1848 finden wir in unmittelbarer Nähe der Unterschriften von
Hasenclever und Schwingen auch D. Penke. Es dürfte sich um den Wirt handeln, der wahrscheinlich dem „Verein für demokratische Monarchie“ nahe stand oder angehörte. Kat. Düsseldorf 1998, S. 347.
48
Bestvater-Hasenclever 1979, Abb. 16.
49
Wahrscheinlich die Frau des Bildhauers Dietrich Meinardus (1804-1891). D. Meinardus war
Gründungsmitglied des „Künstler-Vereins Malkasten“.
50
Bestvater-Hasenclever 1979, Abb. 16.
51
Söhn 1966; Kruse 1998, S. 193; Heidermann 2002 II.
52
In Düsseldorf gab es einen weiteren Carl Hilgers, den Möbelfabrikanten, der viele Jahre dem
Düsseldorfer Stadtrat angehörte. Aufgrund der freundschaftlichen Verbindung zu Hasenclever
kann man aber m. E. von der Unterschrift des Malers ausgehen.
53
Kortländer 1998, S. 47 und S. 55, dort Abbildung des Scherenschnitts von Wilhelm Müller. Das
Original befindet sich in der Lippischen Landesbibliothek in Detmold.
54
Der Gewürzhändler Moritz Geisenheimer war auch Vorstandsmitglied des ersten Düsseldorfer
Turnvereins, ebenfalls 1848 gegründet.
55
Kat. Düsseldorf 1998, S. 347.
56
Kat. Düsseldorf 1998, S. 347.
57
Herchenbach 1882, S. 47. Max Ebertz war der Inhaber des Gasthauses „Prinz von Oranien“ am
Burgplatz 12. Ebertz war Mitglied des „Vereins für demokratische Monarchie“ und kandidierte
für diesen in den Maiwahlen 1848 als Wahlmann. Niemann 1993, S. 101.
34
123
58
Herchenbach 1882, S. 47 und 48.
Reinicke 1998, S. 129-131.
60
Jahresberichte des „Vereins der Düsseldorfer Künstler zur gegenseitigen Unterstützung und Hilfe“ über Lage und Wirksamkeit des Vereins ab 1844 unvollständig im Nachlass des Malers und
langjährigen Vorsitzenden des Vereins Hermann Becker (bis 1860), Stadtarchiv Düsseldorf.
61
Dazu Fahne 1853. Der Nachlass Fahnes befand sich im HAStK.
62
Verzeichnis der Kunstwerke in den Ausstellungen des „Kunstvereins für die Rheinlande und
Westfalen“. Düsseldorf 1837 ff. Unvollständig vorhanden in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.
63
Kat. Berlin 1971. Für die anderen Ausstellungen Boetticher 1891/1901.
64
Heiratsurkunde im Archiv Söhn. Die Braut war in Menden, Regierungsbezirk Arnsberg am
19.1.1824 geboren.
65
Sein Bild „Katholischer Gottesdienst“ von 1839 wurde von dem Berliner Bankier Konsul Wagener für seine Sammlung erworben. Die Sammlung des Bankiers Wagener, Kat. Berlin 2011,
S. 100/101, Abb. 184.
66
Kopie von Julius Söhn nach einer Daguerreotypie. Archiv Söhn, Privatbesitz.
67
Zur Fotografie in Düsseldorf Schülke 1994 mit Beiträgen über F. S. Lachenwitz und Julius Söhn.
68
Teilnehmerliste im Archiv des Malkastens. Siehe Nr. 195 von Schroyen 1992, S. 145.
69
Fahne 1873.
70
Täglicher Anzeiger für Berg und Mark, Elberfeld vom 21.3.1852.
71
Elberfelder Zeitung vom 11.6.1851 (Kunstausstellung III von P.)
72
Elberfelder Zeitung vom 21.1.1861.
73
Mitgliederlisten im Archiv des Malkastens, Düsseldorf.
74
Künstlerverein Malkasten 1858.
75
„Düsseldorfer Anzeiger“ vom 9.5.1863.
76
Kat. Düsseldorf 1898.
77
Großmann 1994, S. 125-130, 161-174.
78
Hütt 1956, S.11/12.
79
Brief an Julius Hübner zitiert nach Tucholski 1984, S. 281.
80
Beneke 1999, S. 7.
81
Beneke 1999, S. 7.
82
Richart Reiche wurde am 2.12.1876 in Barmen geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und
Kunstgeschichte und promovierte 1903 bei Dehio in Straßburg. Anschließend war er als Assistent von Paul Clemen in Bonn tätig. 1907 wurde er zum künstlerischen Leiter des Barmer
Kunstvereins berufen. An den Ausstellungen des Sonderbundes in Düsseldorf wirkte er als Vorstandsmitglied mit. Nachdem in Elberfeld 1929 als Nachfolger von Friedrich Fries nicht Reiche, sondern Victor Dirksen gewählt worden war, legte Reiche im Januar 1932 sein Amt nieder.
Reiche zog nach Düsseldorf-Oberkassel, arbeitete aber noch weiterhin nebenamtlich mit der
Städtischen Galerie in Bochum zusammen. Reiche kam am 11.7.1943 bei einem Luftangriff auf
Düsseldorf ums Leben.
83
Becks-Malorny 1992, S. 261.
84
Frau J. A. Bemberg, J. A. Bemberg, Peter de Werth, Gertrud de Werth, J. F. Wülfung.
85
Düsseldorfer Nachrichten vom 2.2.1922
86
Düsseldorfer Nachrichten vom 2.2.1922.
87
Zu Cohen siehe besonders Sitt 1994.
88
Kat. Düsseldorf 1925. Darunter Friedrich August de Weerth, Eleonore Mathilde de Weerth geb.
Fauth, Josef Schmitz, Peter de Weerth, Johann Friedrich Wülfing, Gertrud de Weerth, Der Martinsabend.
89
Cohen 1924.
59
124
90
91
Deutsche Reichs-Zeitung, darunter die Bildnisse: Jugendliches Selbstbildnis, Peter Josef Schwingen, Gertrud Nicolai geb. Hilgers.
StA Bonn, Go 317, Gründung eines Heimatmuseums, Korrespondenz Zander/Cohen.
92
93
94
95
96
98
97
99
Dazu General-Anzeiger, Bonn vom 3.12.1931; Godesberger Volkszeitung vom 3.12.1931 und
Godesberger Tageszeitung, 8. Jg., 1931, Nr. 163.
Zur Familiengeschichte Cohen: Fremerey-Dohna 1985.
Diesen Hinweis verdanke ich Hans Kleinpass. Siehe auch Godesberger Heimatblätter 1984,
S. 116.
Dazu zahlreiche Zeitungsartikel u. a. General-Anzeiger, Bonn v. 19.3.1962, 25.9.1962, 9.5.1963,
31.5.1963; Bonner Rundschau v. 1.6.1963.
Godesberger Wochenblatt v. 16.-24.2.1964, S. 15.
Zur Datierung s. Der Bürgerfreund, Bremen vom 20.5.1849.
StA Bonn, Go 1503, Maler Peter Schwingen (1813-1863) aus Muffendorf, Werke, Forschungen,
Biographisches.
Täglicher Anzeiger für Berg und Mark vom 9.1.1853 und vom 6.3.1853.
Cohen 1932 II, S. 8.
100
101
Heidermann 2013, S. 31.
De Weerth 1935, S. 76.
103
De Weerth/Schniewind 1972, S. 294.
104
Verkürzte Wiedergabe der Aufsätze von Gisela Schniewind 1972, von Ergänzungen 1997 und aus
Briefwechsel des Verfassers mit Frau Schniewind 2001.
105
Kat. Berlin 1906, Bd. II, Nr. 1629.
106
Dieser Hinweis bedeutet wohl nicht, dass es sich hier um eine Gemeinschaftsarbeit SohnSchwingen handelt. Wahrscheinlich hatte Schwingen auch hier auf ältere Porträts von Sohn, der
sein Lehrer in der Vorbereitungsklasse gewesen war, zurückgegriffen.
107
Lorenz 1985, S. 250.
108
Lorenz 1985, S. 166/167.
109
Cohen 1932, S. 9.
110
Kat. Düsseldorf 1969, S. 327. Das Haus lag in der Berliner Straße Nr. 20. Sein Bruder Friedrich
wohnte Berliner Straße 47.
111
Eynern 1901, S. 1.
112
Kat. Münster 1995, S. 264.
113
StA Bonn, Go 1503, Brief von Walter Cohen an Bürgermeister Zander vom 9.10.1932.
114
Ich danke Frau Schmitz-Porten für die Erlaubnis, die Aufzeichnungen ihres
verstorbenen Mannes über Lachenwitz und Schwingen einsehen zu können.
115
Die Bildnisse von Friedrich August de Weerth und seiner Frau tragen auf der Rückseite die
Bezeichnung „gemalt im Herbst 1837 von Peter Schwingen zu Düsseldorf“. Walter Holzhausen,
Bilder von Peter Schwingen. Nachlese, in: Godesberger Heimatblätter 3 1965, S. 45/46.
116
In dem zweiten, anscheinend älteren Vermerk zum Bildnis der Emilie Elisabeth heißt es genauer,
dass es im November 1837 gemalt worden sei.
117
Wahrscheinlich von dem Maler Fritz Schnitzler aus Tönisheide, heute Velbert-Tönisheide.
118
In den 1850er Jahren wurde der Betrieb der Firma Wülfing & Heseler nach Unterbarmen Haspeler Straße 43 verlegt. 1875 erscheint Wwe. Heseler als alleinige Inhaberin des Unternehmens,
1879 ist der Sohn Friedrich jun. (Fritz) als Teilhaber hinzugetreten. Besitzerin des Bildes war die
1848 geborene, mit Friedrich Heseler jun. verheiratete Schwiegertochter Marie Arnberg. 1887
zeichnet neben Fritz noch Ernst Heseler als Inhaber der Firma. Siehe Küpper 1964.
119
Das Bild befindet sich in Godesberger Privatbesitz. Es wurde 1925 auf der Jubiläumsausstellung
in Düsseldorf erworben.
120
Gemeint ist das 1838 entstandene Bild „Die Spinnerin mit ihren Kindern vor des Hauses Tür“.
102
125
121
Kölnische Zeitung vom 3.7.1839.
Füssli 1843, S. 633.
123
In die Fußstapfen Schwingens trat später Philip Schmitz (1822-1887) mit seinem Bild „Besuch
eines Losverkäufers“. Während die Szene in eine bürgerliche Stube verlegt worden ist, lässt der
Losverkäufer das Vorbild Schwingen deutlich erkennen. Das Bild erreicht jedoch nicht die gestalterische und malerische Qualität Schwingens. Schmitz hat als Zeitgenosse Schwingens und
Gründungsmitglied des Malkasten Schwingens Bilder mit Sicherheit gekannt.
124
In den Schülerlisten der Akademie heißt es für das Sommersemester 1843: „Hat ein Gastmahl
mit Kleinstädtern und malt jetzt ein Schützenfest mit Bauern“.
125
Kinkel 1843.
126
Kunstblatt, 26. Jg., 1845, Nr. 88, S. 367.
127
Kölnische Zeitung vom 23.8.1849.
128
Kölnische Zeitung vom 22.8.1844.
129
Kinkel 1845.
130
Kinkel 1845. Auch das Bonner Wochenblatt berichtete am 18.8.1845 unter Nennung des
Namens Schwingen kurz über die Ausstellung.
131
Rösch-Sondermann 1982, S. 162.
132
Kinkel 1931, S. 171.
133
Dieser Verkauf sollte endlich die immer wieder in der kunsthistorischen Literatur vertretene
Meinung, dass Carl Hübner als erster Düsseldorfer eine Pfändung gemalt habe, widerlegen. Hübners Pfändung entstand erst 1848.
134
Frohn 1999, S. 290.
135
Das Bild war in der Galerie Paffrath in Düsseldorf ausgestellt und ist im Kunstkalender der
Galerie 1995 für den Monat Februar abgebildet. Siehe auch Lexikon Bd. 3, 1998, S. 149.
136
Müller, W. 1854, S. 301.
137
Die Erhebung der Schlacht- und Mahlsteuer an einem Kölner Stadttor.
138
Tittel 1998, S. 43, S. 46. Die Ausstellung gehörte zu dem Ausstellungs-Zyklus der Kunstvereine
„östlich der Elbe“. Zu diesem Ausstellungs-Zyklus hatten sich die Kunstvereine in Königsberg,
Stettin, Breslau, Posen und Danzig zusammengeschlossen.
139
StA Bonn, Go 10098, Sitzung vom 21.4.1847.
140
Hoffmann von Fallersleben 1841, S. 9.
141
Dazu auch Heidermann 1999.
142
Müller, W. 1854, S. 302.
143
Hütt 1964.
144
Cohen 1932 II, S. 11.
145
Kat. Düsseldorf 1996, S. 10.
146
Kat. Düsseldorf 1996, S. 19.
147
Börsch-Supan 1988, S. 14.
122
126
August Stelzmann, Öl auf Leinwand,
nicht datiert, Privatbesitz
Christine Stelzmann, geb. Weidenhaupt, Öl auf Leinwand, nicht
datiert, Privatbesitz
127
Schießen um ein fettes Schwein, Öl auf Leinwand, um 1844, Privatbesitz
128
Pia Heckes
Peter Schwingen, Düsseldorf, der Vormärz
und Heinrich Heine
„Ich bin kein Gelehrter, ich gehöre nicht zu den 700
Weisen Deutschlands. Ich stehe mit dem großen Haufen
vor den Pforten ihrer Weisheit, und ist da irgend eine
Wahrheit durchgeschlüpft, und ist diese Wahrheit bis zu
mir gelangt, dann ist sie weit genug: - ich schreibe sie mit
hübschen Buchstaben auf Papier und gebe sie dem Setzer;
der setzt sie in Bley und giebt sie dem Drucker; dieser
druckt sie und sie gehört dann der ganzen Welt.“
Heinrich Heine1
Dieses so wunderbare Zitat könnte auch zur Profession Schwingens passen,
einen Ausschnitt aus der Wahrheit der Welt zu zeigen. Und sei es nur ein
unbedeutend kleiner. Und sei es nur die subjektive Wahrheit, die Schwingens
individuelles Bild von der Welt prägte.
Peter Schwingen (1813-1863) war lange Zeit der Forschung als Porträtist und
Genremaler der Düsseldorfer Malerschule bekannt, zumal auch nur recht wenige Gemälde von Schwingen in öffentlichem Besitz sind und viele seiner
Arbeiten sich in weit verstreutem, teilweise nicht nachweisbarem, Privatbesitz
befinden.
Erfreulicherweise sind in den letzten zwanzig Jahren aber zahlreiche Werke
Schwingens aus privatem Besitz in den Handel gelangt und uns zur Kenntnis
gebracht worden, so dass wir uns ein genaueres Bild über den Maler und sein
Werk machen können. Insbesondere eine Facette seiner Interessen rückt dabei
verstärkt in den Fokus: Die Kritik an den sozialen und politischen Missständen seiner Zeit, die bereits von Müller von Königswinter und Kinkel erkannt
wurde, jedoch bei Cohen und Söhn vollkommen fehlt. Erst Wolfgang Hütt
beschäftigte sich eingehender mit diesem Thema.
Was aber in jedem Falle eine zu korrigierende Annahme ist, dass Schwingen
verarmt und vergessen verstorben wäre. Diese Ansicht war in der Vergangenheit daher entstanden, da man davon ausging, dass das Gesamtwerk des
Malers nur relativ wenige Werke umfassen würde. Dies ergab sich aber wohl
129
schlicht aus einer mangelhaften Kenntnis der Tatsachen. Im Laufe unserer
Forschungen in den letzten 20 Jahren konnte das Werkverzeichnis von ungefähr 65 Bildern auf über 140 erweitert werden. Wenn man einen gewissen
Verlust ansetzt, der möglicherweise durch Beschädigung oder die Folgen des
Zweiten Weltkrieges eingetreten ist, so dürfte das Werk Schwingens noch umfangreicher sein als bisher angenommen und nachgewiesen.
Wenn man von vielleicht 200 Ölbildern ausgeht, die Schwingen insgesamt
geschaffen haben könnte in der Zeit zwischen 1837 und 1863, also in insgesamt 25 Jahren, so wären etwa durchschnittlich im Jahr acht Bilder entstanden. Die produktivste Zeit Schwingens, so wie es sich nach dem heutigen
Wissen darstellt, waren die Jahre zwischen 1838 und 1859, also ein Zeitraum
von etwa 22 Jahren, in dem er ein gut beschäftigter Porträtist gewesen ist. Die
Porträts sind das „Brot- und Butter-Geschäft“ des Malers gewesen, der eine
wachsende Familie mit acht Kindern, von denen sieben das Erwachsenenalter
erreichten, zu versorgen hatte.
Herausragende Stellung nehmen im Werk Schwingens die Kinderbilder ein.
Stimmungsvolle, kleine Szenen aus dem ländlichen Kinderleben, die von großer Kinderliebe und tiefem Humor zeugen, gehören mit zum Überzeugendsten, das Schwingen geschaffen hat. Den Auftakt zum Erfolg seiner Porträts
bildete der Auftrag des Peter de Weerth, wie weiter unten noch geschildert
wird.
Wenden wir uns aber einem bestimmten Werkkomplex zu: Genrebilder, die
in den 1840er Jahren entstanden sind, im Vorfeld der 1848er Revolution.
Das sind u.a. das „Preisschießen um ein fettes Schwein“ (1844), „Der Besuch
des reichen Oheims“ (1845), „Die Pfändung“ (1845), „Das nicht versteuerte
Brot“ (1846), und „Heimkehr vom Felde“ (1847).2
Von diesen Gemälden kennen wir das „Preisschießen“, die „Pfändung“ und
die „Heimkehr vom Felde“, die anderen Bilder sind nur durch den Titel belegt. Soweit wir die Bilder kennen, kann man feststellen, dass dies alles Hauptwerke Schwingens sind. „Die Pfändung“ 3 gehört mit zum Überzeugendsten,
was die Düsseldorfer Maler Malerschule in diesem Genre hervorgebracht hat.
Für das Jahr 1848, das Jahr der Revolution, sind im Werkverzeichnis nur
drei datierte Bilder nachgewiesen. Bilder, die keinen politischen Inhalt haben:
130
„Mädchen mit Katze“, „Bildnis Hubert Philipp Schwingen“ und „Der Sonntagsjäger“.4
1848 war für Schwingen kein sehr glückliches Jahr, seine erste Frau, Magdalene Philippine Schmitz, die Tochter des Schneiders Schmitz, verstarb und ließ
Schwingen mit drei kleinen Kindern zurück. Das älteste Kind von den vier
Kindern aus dieser Ehe, Caroline Philippine (geb. 1837), war bereits 1843 im
Alter von sechs Jahren verstorben. Ende 1849, nach Ablauf des traditionellen
Trauerjahrs, heiratete Schwingen Sophia Zecher. Für Schwingen also, was das
persönliche Umfeld angeht, eine sehr turbulente und belastende Zeit, die ihm
sicherlich wenig Freiraum ließ für intellektuelle Auseinandersetzungen mit
den Geschehnissen seiner Zeit. Anders wohl in den Jahren kurz zuvor.
Was aber verbindet die Bilder der Jahre 1844 bis 1847 und wie ist dieser doch
vehement politische Werkkomplex zu verstehen? Um den Versuch einer Deutung zu wagen, muss man etwas weiter ausholen.
Peter Schwingen kam aus einfachen Verhältnissen, geboren in die Familie eines Feldhüters hinein in der ärmlichen Zeit der Napoleonischen Besetzung
des Rheinlands, wuchs er in einem kleinen Bauerndorf auf, das seine mittelalterlichen Strukturen bis weit in das 19. Jahrhundert hinein bewahrt hatte.
Der „Rheinische Antiquarius“, Christian Stramberg, gibt für 1815 die Zahl
von 110 Häusern und 543 Einwohnern für Muffendorf an. Also eine recht
überschaubare Kommune. Die großen Themen der Weltgeschichte werden
an dem Kind und später am jungen Mann vorübergegangen sein. Die unzureichende Bildung der Landbevölkerung im Rheinland war geradezu sprichwörtlich aufgrund der mangelnden Bildung und oft auch Eignung des Lehrpersonals.
Mit den gesellschaftlich relevanten Themen der Zeit wird Schwingen sich also
überhaupt erst in seiner Düsseldorfer Zeit beschäftigt haben. Als Mitglied
der wesentlichen Künstlervereine dort hat er entsprechende Kontakte gepflegt
und wird mit den wichtigen Themen der Zeit konfrontiert gewesen sein. Aus
wenigen Hinweisen wird deutlich, dass Schwingen sich noch bis 1853 ganz
selbstverständlich in den Düsseldorfer Künstlerkreisen bewegte. 1851 findet
er sich in der Einschreibliste zum Frühlingsfest des „Malkastens“ in der zweiten Spalte.5
131
Das Eintauchen in die Welt der Akademie, der Kontakt mit anderen Malern, die einen klassischen Bildungsgang hinter sich hatten, mit Künstlern,
die über einen wesentlich weiteren Horizont verfügten, wird für Schwingen
mehr als anregend gewesen sein. Der Katalog zur Ausstellung „Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819-1918“ zeichnet ein lebendiges Bild von den unterschiedlichen Beziehungsgeflechten der
Düsseldorfer untereinander. Die Akademie war zu Beginn der 1830er Jahre
ein Anziehungspunkt geworden, der junge Menschen geradezu einsog. Der
Schriftsteller Karl Immermann schildert: „Wie muß es nun erstaunen, daß diese
Schule [...] innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren die größte Reputation in
ganz Deutschland errungen hat; daß eine große Zahl junger Leute, die unter anderen Meistern studierten, diese der Düsseldorfer Schule wegen verließen, und daß
die Säle nicht mehr genügten, um die täglich wachsende Menge von Schülern zu
fassen?“ 6 Schon dies zeigt, dass es einen höchst lebendigen Austausch von Ideen und Lebenserfahrungen, die hier zusammenkamen, gegeben haben wird.
In diese vibrierende künstlerische Atmosphäre hinein wuchs Peter Schwingen
als Student an der Akademie.
Schwingen lebte während der Zeit seines Studiums ab dem 13. Oktober
1831 in Düsseldorf bei Schneidermeister Schmitz, in der Mühlenstraße.
Dort scheint er, bis zu seiner Eheschließung 1837, gewohnt zu haben. Dieser
Schneidermeister Schmitz, der auch Schwingens Schwiegervater wurde, pflegte gute Kontakte zu den Studenten und scheint sein Haus attraktiv gehalten
zu haben für die Studenten der Akademie. So wohnte zeitgleich mit Schwingen z.B. Eduard Bendemann (1811-1889) dort. Dieser war bereits seit 1827
an der Akademie in Düsseldorf und bereiste von 1829 bis 1831 gemeinsam
mit Wilhelm Schadow Italien und lernte um 1830 in Rom Felix Mendelssohn
Bartholdy kennen. Danach hielt er sich vorzugsweise wieder in Düsseldorf
auf, wo er als freier Maler im Hause des Schneidermeisters Schmitz lebte.
Bendemann kam aus sehr wohlhabendem Hause; sein Vater war der jüdische
Bankier Anton Heinrich Bendemann. Eduard Bendemann schuf im Jahre
1833 die sehr bekannte Porträtzeichnung von Felix Mendelssohn Bartholdy,
der ihn sogar persönlich in der Mühlenstraße aufgesucht hatte. Bendemann
galt um diese Zeit als ein strahlend aufgehender Stern am Himmel der Düsseldorfer Akademie, wohin Mendelssohn Bartholdy gereist war, um die neuesten Strömungen der Kunst seiner Zeit kennenzulernen.7 In geselliger Runde
scheint Mendelssohn Bartholdy während eines Frühstücks bei Bendemann
und Heinrich Mücke sogar ein Lied komponiert zu haben.8
132
Über Mendelssohns Termine in Düsseldorf sind wir für das Jahr 1834 recht
gut informiert:
„5. Mai 1834 abends zu Gast bei Bendemann
6.4. 1834: Ball bei Familie von Woringen
10.4. 1834: Kränzchen, das abwechselnd bei Sohns, Hübners, Woringens und
Steinbrücks tagt.
Anfang Mai 1834: Kirche St. Maximilian, Kirchenmusik für gemischten Chor,
op. 23, mit Ferdinand von Woringen als Solist (Tenor)
17.5. 1835: Mit Ferdinand von Woringen (Tenor aus Düsseldorf ) nach Aachen
per Schnellpost
16. 12.1834: Hausmusik bei von Woringens Düsseldorf und Mendelssohn“ 9
In diese vielfältigen gesellschaftlichen Verflechtungen, die einen Anknüpfungspunkt im Hause Schmitz hatten, wird Schwingen am Rande miteinbezogen gewesen sein. Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn er in dieser
Umgebung mit den geistigen Strömungen und künstlerischen Ideen seiner
direkten Wohnungs-Nachbarn in Kontakt gekommen wäre, wofür auch sein
von Cohen erwähntes Bildnis „Frau Bendemann“ spricht (Abb. S. 101). Für
Schwingen wird sich eine ganz neue Welt aufgetan haben, der er sich wahrscheinlich Schritt für Schritt genähert haben wird, bis er im gesellschaftlichen
Künstlerleben in Düsseldorf angekommen ist. Es muss eine verwirrend-aufregende Zeit im Düsseldorf des Vormärz gewesen sein. Die Stadt avancierte zum
zeitweilig wichtigsten Kunstzentrum Deutschlands, sie verdoppelte ihre Einwohnerzahl zwischen 1816 und 1850 auf etwa 45.000: „Ganz anders verlief
die Entwicklung der ehemaligen Residenz Düsseldorf, die sich 1820 mit 15.000
Einwohnern vor allem als Garten- und Kunststadt auszeichnete. Im Vormärz
war sie das bedeutendste rheinische Kulturzentrum. Die 1819 wieder gegründete
Kunstakademie, das Theater, die Musikfeste und nicht zuletzt die Anwesenheit des
preußischen Prinzen Friedrich auf Schloß Jägerhof trugen einen wesentlichen Teil
dazu bei. Seit 1824 war Düsseldorf zudem Sitz des Provinziallandtags“.10
Der Familienverband „Schadow-Bendemann-Hübner [bildete] den inneren
Kern der Domestika, denn Julius Hübner d.Ä. heiratete Pauline Bendemann,
Eduard Bendemann Lida Schadow, die Stiefschwester seines Lehrers. Eng angeschlossen waren verschiedene Familienclans wie die der Maler Sohn und Rethel“.11
Einige Zeit später scheint auch Schwingen in eine Art Düsseldorfer Familienverband eingetreten zu sein, indem er die Tochter seines Vermieters, des
Schneidermeisters Schmitz, heiratete. Es scheint eine erzwungene Ehe gewe-
133
sen zu sein, denn die Eheschließung erfolgte erst ganz kurz vor der Geburt
des ersten Kindes im Jahr 1837. Es mag sein, dass Vater Schmitz nicht all zu
viele Hoffnungen gehegt hatte, dass der Maler Schwingen aus der rheinischen
Provinz seiner Tochter eine gute Zukunft würde bieten können, und deshalb
erst im letzten Augenblick seine Zustimmung gegeben hat. Dies wäre kaum
wunderlich.
Doch Schwingen scheint der Aufmerksamkeit des damals wohl besten Kenners der rheinischen Malerei, Johann Joseph Scotti (1787-1866), nicht entgangen zu sein. So stellte Scotti nachweislich der Tagebücher des Peter de
Weerths den Kontakt zwischen de Weerth und Schwingen her. Ab November
1837 arbeitete Schwingen an den Porträts der Familie de Weerth.12 Schwingen erhielt 5 Pistolen pro Bild. Keine kleine Summe, bestand der Friedrich
d’or (Pistole) doch aus 21-karätigem Gold und hatte das Gewicht von 6,032
Gramm. Insgesamt, so stellt Heidermann fest, hat Schwingen 14 Gemälde für
de Weerth gearbeitet, „12 kleinere und 2 größere Bilder waren entstanden, über
100 Pistolen hatte er“ an diesen Aufträgen „verdient“.13 Schwingen reussierte
dank dieses Auftrages mit seinen Porträts.
Das Genre allerdings, im Gegensatz zur Porträtmalerei, galt in der Hierarchie
der Akademie nicht viel. So lässt sich „an den scherzhaften Namen der Ateliers
‚Neubethlehem’ bzw. ‚Jerusalem’ für die Historienmaler, ‚Alhambra’ für die Landschaftsmalerei und ‚Sibirien’ für die Genremaler ... die symbolische Ordnung der
Akademie ablesen“.14
„Sibirien“ macht deutlich, dass das Genre das ungeliebte Kind der Akademieführung gewesen ist. So schreibt Schadow z.B. geradezu gehässig im Tonfall:
„...die Legion junger Genre-Genies mit ihrer Begeisterung für Lumpensammlungen und Bierschenken, unbekümmert um das Gefühl für Schicklichkeit und Anstand. Diese sind das Ungeziefer in der Malerwelt und treffen meist ihren Gegenstand richtig, schon wegen der inneren Sympathie...“.15 Ein hartes Urteil über
die, welche den historisch und humanistisch geprägten hohen Ansprüchen
der elitären Führung der Akademie, aus welchen Gründen auch immer, nicht
folgen mochten. Geradezu programmatischen Charakter hatte das Gemälde
„Atelierszene“ von Johann Peter Hasenclever von 1836, der seine Auffassung
von moderner Genremalerei in diesem Bilde zusammenfasste.16 Es spricht von
einem neuen Selbstbewusstsein der nach „Sibirien“ Verorteten. Bis heute ist
„Sibirien“ im Rheinland ein Begriff für die tiefste Provinz. Die rechte Rhein134
seite gilt noch heute manch eingefleischtem Rheinländer bereits als die westliche Grenze Sibiriens.
Schon in den späten 1830er Jahren finden aber Bilder mit sozialkritischem Inhalt ihre Käufer: Wilhelm Heines Gemälde „Gottesdienst in der Zuchthauskirche“ von 1838 erwarb der Berliner Kaufmann Joachim Heinrich Wilhelm
Wagener, dessen Sammlung erheblichen Einfluss auf die Gründung der Berliner Nationalgalerie hatte.17 Dies war gleichbedeutend mit der Nobilitierung
des oft abschätzig als „soziale Tendenzmalerei“ bezeichneten Genres.
Einer der bedeutendsten rheinischen Genremaler in Düsseldorf, Johann Peter
Hasenclever, brachte der demokratischen Bewegung besonderes Interesse entgegen. Sein Porträt Ferdinand Freiligraths stellt in diesem Zusammenhang ein
besonderes Zeugnis der politischen Überzeugung dar.
Die vielfältigen gesellschaftlichen Kontakte der Düsseldorfer Maler beleuchtet Horst Heidermann sehr eingehend, wobei besonders dem „Allgemeinen
Verein der Carnevalsfreunde“ viel Aufmerksamkeit gewidmet wird.18
Schwingen dürfte im Kreis dieser Karnevalsgesellschaft die politische Orientierung gefunden haben, die in Herkunft und Aufstiegsstreben des aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden Dorfjungen bereits angelegt war.
Auch wird er dort die für ihn wichtigen gesellschaftlichen Kontakte geknüpft
haben. 1863 hat Schwingen in der Pfannenschoppenstraße (spätere Klosterstraße) gewohnt, ebenso wie Adolph Schroedter (Haus Nr. 35) und die Malerin Marie Wiegmann (Haus Nr. 32). Also wieder in engstem Kontakt mit
Malerkollegen. Was auch dafür spricht, dass er kollegial gut eingebunden war.
In diesem Zusammenhang ist nun besonders interessant, dass der „AntiMusik-Verein“ nach der Beschreibung Anton Fahnes eher sozialen Zwecken
dienlich war, im Gegensatz zu seinem Gegenstück, dem „Allgemeinen Musikverein“, der insbesondere sich der Pflege des Musiklebens und der Niederrheinischen Musikfeste widmete, eine Verbindung schuf zu Heinrich Heine,
der 1797 in Düsseldorf geboren worden war. Die Lokalität, in welcher der
Verein tagte, war ein damals als das Geburtshaus Heinrich Heines angesehenes Gasthaus in der Bolkerstraße 467. Von 1809 bis 1820 war es tatsächlich
das Wohnhaus der Familie Heine, geboren wurde der Dichter aber im Hause
gegenüber, Bolkerstraße 602 (580), heute Nr. 53.19
135
Der Karneval wurde mit der Zeit in Düsseldorf zu einem politischen Spektakel des Vormärz, wie schon die Aufmerksamkeit, die die preußische Obrigkeit dem karnevalistischen Treiben entgegenbrachte, deutlich macht. In den
1830er und 40er Jahren entsandte der Landrat Spitzel in die Karnevalsvereine
und die Veranstaltungen, die detaillierte Berichte lieferten über die „Umtriebe“.20 Dies ist wenig verwunderlich, wenn man Goethes Einschätzung über
den rheinischen Karneval in die Waagschale wirft, „der als Erster im Kölner
Karneval ‚den Keim zu einem nationaldeutschen Volksfeste’ erkannte“.21 Dies
musste den Argwohn des preußischen Herrscherhauses und der nachgeordneten Behörden geradezu herausfordern. So trugen die Ehrendiplome des
Düsseldorfer Karnevalsvereins AVdK dazu bei, dass die Polizei, der die Listen
der Empfänger in die Hände gefallen waren, in den Empfängern politisch
Liberale und Demokraten erkannte und einen politischen Hintergrund in
den karnevalistischen Umtrieben vermutete. Folge war, dass man dem Verein
die Konzession für 1848 entzog.22 Die Kryptopolitisierung des Karnevals in
Düsseldorf wurde von den Aktiven in den Vereinen getragen, darunter eben
auch zahlreiche Künstler, deren Austausch untereinander über Ideen und Bilder man sich sehr lebendig vorzustellen hat. Zu den vom Düsseldorfer AVdK
Geehrten gehörten u. a. auch die für das Düsseldorfer Musikleben so wichtigen Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy. Aber auch George
Sand und Karl Grün (beide Paris), sowie Ferdinand Freiligrath wurden ausgezeichnet.23
Der politisierte Düsseldorfer Karneval findet seine sehr aufschlussreiche Darstellung in der Arbeit Christina Frohns über den rheinischen Karneval im
19. Jahrhundert. Spätestens bis 1847 wich dann die Kryptopolitisierung einer tatsächlichen Politisierung der bürgerlichen Vereine. Mitten im Karneval
kam es dann im Festtrubel am 3. März 1848 zum Aufruhr, der als Beginn der
Revolution am Rhein angesehen werden kann. Und ein Maler der Düsseldorfer Akademie, Johann Peter Hasenclever (1810-1853), befand sich mitten
darin. Er engagierte sich als stellver­tretender Zugführer der Bürgergarde. In
der Malerei folgte er dem Erlebten. Sein Gemälde „Arbeiter und Stadtrat“ von
1848 thematisierte die zentrale politische Frage des Jahres 1848, er malt den
Aufruhr, der im August 1848 einen Höhepunkt in Düsseldorf erlebte, „als
der preußische König Friedrich Wilhelm IV. auf der Kastanienallee, der heutigen
Königsallee, mit Pferdeäpfeln beworfen wurde.“ 24 Ein vergleichsweise harmloser
Akt des Widerstandes und der Missachtung, aber durchaus folgenreich für die
Geschichte Deutschlands.
136
Gerade die Düsseldorfer legten Wert auf einen Karneval mit Esprit, der ebenso geistvoll wie spitz, so breit getragen wie auch wohltätig war. Ein Beispiel
dafür ist der sogenannte „Klumpenverein“ gewesen, der sich zum Ziel gesetzt
hatte, von einem minderen Teil der Einnahmen Holzschuhe (Klumpen) und
Feuerholz für die Versorgung armer Haushalte zu bestreiten.25 Die von der öffentlichen Hand erhobenen Lustbarkeitssteuern, die der Armenpflege galten,
waren eine wesentliche Steuereinnahme für die Armenverwaltung, die man
z.B. über die Einführung einer „Maskenkarte“ im Karneval zu erhöhen suchte.26 Die „Klumpen“ sind auffälliges Detail in zahlreichen ländlichen Szenen,
die Schwingen malte. Vielleicht auch eine Anspielung, die die Zeitgenossen in
und um Düsseldorf herum durchaus verstanden?
In der Zeit, in welcher Schwingen nach Düsseldorf gelangte, begann der literarische Aufstieg des Dichters Heinrich Heine und sein Ruhm erreichte auch
dessen Heimatstadt Düsseldorf. Schwingen wird im Laufe der Jahre direkt
oder indirekt Kontakt gehabt haben mit Werken Heines, zumal bekanntermaßen das Verbotene besonders reizvoll scheint: Heines Schriften waren seit
1835 in Deutschland aufgrund eines Bundestagsbeschlusses gegen das „Junge
Deutschland“ verboten.
Heines besonderes Interesse an Deutschland galt seiner Heimat, dem Rheinland. So schreibt er am 13.2.1838 an Karl August Varnhagen von Ense
(Diplomat und Schriftsteller):
„Die Interessen der altpreußischen Provinzen sind mir eben so unbekannt wie
gleichgültig und es kostet mir keine Ueberwindung hierüber entweder ganz zu
schweigen oder nur die Meinungen Anderer zu referieren. Anders ist es mit den
Rheinprovinzen. Hier ist der Vogel zuhause, dieser Boden ist mir nicht ganz
gleichgültig, und es ist mir eben so sehr Bedürfniß wie Pflicht, mich über die heimathlichen Vorgänge frei auszusprechen. Hier muß mir das uneingeschränkte Wort
gestattet seyn. Aber die pr. Regierung kann sicher seyn, daß bey der jetzigen Lage
der Dinge, in Betreff der Rheinlande, alle meine Sympathien auf Seiten Preußens
sind, daß ich nie die Verdienste Preußens um dieses Bastardland verkenne, das erst
durch Preußen für Deutschland wiedergewonnen und zu deutscher Art und Weise
erhoben wird – denn Ihnen, dem Landsmann, darf ich es wohl ohne Scheu sagen,
dass unsre Landsleute nie Charakter besessen, nie ein Volk waren, sondern nur ein
zusammengelaufener Haufen, den jeder Rabulist regieren kann, dessen Frechheit
durch Nachgiebigkeit nur gesteigert wird aber kleinlaut zu Kreuze kriecht, wenn
137
man strenge Maßregeln entgegensetzt – sie sind weder Deutsche noch Franzosen,
sie haben nur die Fehler der erstern, Brutalität namentlich, ohne die Tugenden
der letzteren zu besitzen, am allerwenigsten die französische Menschlichkeit – mit
einem Worte, sie sind Belgier. Wie diese den Holländern gegenüber, so stehen die
Preußen gegenüber meine Landsleute; ich liebe die Holländer nicht, aber ich habe
Achtung für sie, sie haben Charakter, sie besitzen Volkswürde, sie führen die Revoluzion aus, welche die Belgier nur beginnen konnten, und wie einst ihre Republik,
so wissen sie auch jetzt ihren König zu vertheidigen....“ 27
Schon in diesem Schreiben erwähnt er, dass im Rheinland der „Vogel zuhause“
sei. Was ihm ganz offensichtlich als sympathischer Wesenszug des rheinischen
Brauchtums erscheint. Sympathisch deshalb, weil doch das Schützenwesen
ursprünglich weniger vom Schießen, denn vom Beschützen ausging.
Wenige Jahre später, im „Wintermärchen“, ist ein Wandel eingetreten. Ein
bedeutendes Gedicht Heines, das zum Anlass für ein obrigkeitliches Verbot
wird, entstanden auf Heines vorletzter Deutschlandreise im Winter 1843/44,
war es bereits im Spätsommer 1844 bei Hoffmann und Campe in Hamburg
in einer Gedichtsammlung veröffentlicht worden. Nicht ohne dass Heine es
überarbeiten und für die Veröffentlichung entschärfen musste. Der Verleger
hat Heine gewarnt, dass er mit dem Gedicht in Zukunft viel Ärger haben
werde. Heine hat dies in Kauf genommen, und es kam schlimmer, als Campe
dies überhaupt je erwartet hätte.
Selbst die überarbeitete Fassung enthielt immerhin noch so viel Sprengstoff,
dass das Buch bereits am 4. Oktober 1844 verboten und beschlagnahmt wurde. Am 12. Dezember 1844 erfolgte ein königlicher Haftbefehl gegen Heine
in Preußen. Heine muss aber das Risiko, das die Veröffentlichung des Wintermärchens mit sich brachte, sehr bewusst gewesen sein. Sein Brief an Campe
vom 3. Mai 1844 stellt in Rechnung, dass die Zensur das Gedicht in jedem
Falle nicht zur Veröffentlichung zugelassen hätte. Die erwartete Wirkung des
Gedichts beschreibt Heine folgendermaßen:
„Ich hatte Ihnen in dieser Beziehung den Atta Troll vorgeschlagen, aber bey näherem Erwägen Ihrer Interessen habe ich ausgefunden, daß es viel besser wäre,
wenn ich das neue Gedicht an die Stelle des Atta Troll in den 2ten Gedichtband
aufnehme. Ich sichere dadurch diesem 2ten Band die ungeheuerste Vogue, ich gebe
ihm den einen Schwung über den Sie erstaunen werden...“ 28
138
Heine ringt mit Julius Campe um das Werk, in seinem Brief vom 5.6.1844 an
Campe versucht er ihn folgendermaßen zu überzeugen:
„Da ich Ihrer Aengstlichkeit wegen, aller jener prosaischen Beygabe, die wirklich
sehr radikal geworden wäre, enthalte, so ist mein Gedicht nicht bedenklicher als so
manches Andre was in Deutschland gedruckt wird. Wird das Buch nicht zu streng
verboten, so giebt ihm dennoch das neue Gedicht einen Zug, wodurch es mit dem
Buch der Lieder gewiß rivalisieren kann und tausende werden es kaufen, die
gewiß für den zahmeren lyrischen Inhalt des Buchs kein Interesse gefühlt hätten.
Tritt aber der schlimmste Fall ein und das Buch würde strenger verpönt als zu
erwarten steht, so verlieren Sie nicht viel, denn da Ihnen die Gedichte gehören,
so können Sie sie ja als ein neues Buch nach Belieben wieder drucken und ohne
das große politische Gedicht werden Sie gewiß überall die Censur passiren. Lassen
Sie nur bey Leibe niemanden mein Mspt [Manuskript] sehen und sprechen Sie
niemanden davon, damit das Buch gedruckt und ausgegeben werden kann ehe
man nur im mindesten Lunte riecht; bey dem unverfänglichen Titel (ich nenne
das Buch ‚Neue Gedichte von H. Heine’ merken Sie sich das) gehen wir noch
sicherer und man ist weit davon entfernt von mir etwas zu revolutionäres zu
erwarten...“.29
Die bittere, ja beißende Ironie des Gedichts macht Heines Kritik an den Zuständen in Deutschland überdeutlich. Vieles ist über das „Wintermärchen“
geschrieben worden. Hat das Gedicht damals konkrete aktuelle Themen aus
künstlerischen Kreisen aufgenommen? Zumindest für einen kleinen Teil des
Gedichts, Caput III, kann man dies annehmen:
„Zu Aachen, auf dem Posthausschild,
Sah ich den Vogel wieder,
Der mir so tief verhaßt! Voll Gift
Schaute er auf mich nieder.
Du häßlicher Vogel, wirst du einst
Mir in die Hände fallen,
So rupfe ich dir die Federn aus
Und hacke dir ab die Krallen.
Du sollst mir dann, in luft‘ger Höh‘,
Auf einer Stange sitzen,
139
Und ich rufe zum lustigen Schießen herbei
Die rheinischen Vogelschützen.
Wer mir den Vogel herunterschießt,
Mit Zepter und Krone belehn ich
Den wackern Mann! Wir blasen Tusch
Und rufen: »Es lebe der König!«“
Dieser kleine Abschnitt des Gedichts korrespondiert auffällig mit Schwingens
Gemälde „Das Schießen um ein fettes Schwein“, das er in mindestens zwei
Ausführungen auf den Markt brachte. Eine für Schwingen geradezu monumental zu nennende Fassung im Format 81 x 102 cm von 1844 (Abb. S. 147),
die auf der Akademieausstellung gezeigt wurde, und eine kleinere Fassung im
Format 35,5 x 25 cm (Abb. S. 128), die nicht datiert ist und deutliche Pointierungen im Vergleich zur größeren Fassung zeigt. Bereits 1843 ist in den
Akademieunterlagen erwähnt, dass Schwingen ein Schützenfest mit Bauern
malt.
Beide Bilder zeigen den Moment, in dem der Vogel gefallen ist und der Schützenkönig feststeht. Man reicht ihm den Weinpokal und das fette Schwein,
der Hauptpreis des Schießens, wird ihm zugeführt. Es sind wunderbar stimmungsvolle Genrebilder, die zunächst eher unverdächtig daher kommen. Bilder, die vordergründig die Tradition des rheinischen Schützenwesens feiern.
In Verbindung mit den Versen Heinrich Heines allerdings verliert insbesondere die kleinere Fassung der beiden Bilder ihre Unschuld und wird dem Kenner zur Metapher für den Argwohn, den die Rheinländer den Preußen entgegenbrachten. Unglücklich mit der Entscheidung, die während des Wiener
Kongresses getroffen wurde, das Rheinland Preußen einzugliedern, wäre man
lieber unter der doch eher als sanft empfundenen Hand der Bayerischen Regierung, die man durch die Kurfürsten lange gewöhnt war, geblieben. So nun
seit 1815 Preußen eingegliedert, wofür die preußische Vergangenheit Kleves30
sicher ein wesentliche Rolle spielte, sprach aus den Zeilen Heines die ganze
Verachtung, die der Rheinländer dem Preußentum entgegenbrachte.
Der doppeldeutige Ruf „Es lebe der König“ galt selbstverständlich dem
Schützenkönig, nicht dem in Berlin residierenden Staatsoberhaupt. Und
genau diesen Moment malt Schwingen, der Schützenkönig als neuer Bürgerkönig, den treuen Jagdhund vom Typus des Kleinen Münsterländers zu
140
Füßen. Im Hintergrund ein altes Kirchlein mit einem Fachwerkhaus davor, ein
rheinisches Dorf, wie Schwingen es aus seiner Kindheit kannte. Die Fahnen sind
eben nicht in den preußischen Farben, sondern weiß-blau und rot-weiß, die
alten kurfürstlichen Farben des Rheinlands. Das Jagdrecht war seit alters her
das Privileg des Adels, daher kann der Jagdhund in diesem Zusammenhang
durchaus als eine Anspielung auf die Emanzipation der Bauern und Bürger
gesehen werden. Ein erstes Jagdgesetz entstand in Preußen erst 1848 nach der
Revolution.
Schwingen zeigt sich hier als ein Meister der sehr versteckten Botschaft,
die nur der Eingeweihte zu lesen versteht. Deutlich wird aber, dass er sich
etwa gleichzeitig mit Heine mit dem Thema des Vogelschießens beschäftigt.
Es macht ihm offensichtlich Freude, diese humorvoll-naive Szene des bäuerlichen Lebens mit einer versteckten Botschaft zu versehen. Es kann wohl
kaum Zufall sein, dass er dieses Bild im Jahr 1844, dem Erscheinungsjahr des
„Wintermärchens“, malt. Der Anti-Musikverein wird mit seinen intellektuellen Köpfen, tagend im damals angenommenen Geburtshaus Heines, dessen
Frontalangriff auf die deutsche Politik in diesem Jahr wahrgenommen und
diskutiert haben.
Dass Heine mit dem „Wintermärchen“, das er im Winter 1843/44 verfasst
hatte, ein Meisterwerk gelungen war, ist dem Autor selbst bereits klar, als
er das Werk seinem Verleger Julius Campe in Hamburg in einem Brief vom
20.2.1844 anbietet:
„Liebster Campe! Ihren Brief habe ich bereits vor 8 Tagen erhalten und auch heute
bin ich noch nicht im Stande Ihnen ordentlich zu schreiben. Denn seit 10 Tagen
ist mein schreckliches Augenübel, schrecklicher als je, wieder eingetreten und ich
schreibe Ihnen diese Zeilen mit der größten Mühe diese Zeilen; ich kann kaum die
Buchstaben sehen. War just mitten in einer großen Arbeit, als das Malheur wieder
kam. Hab seitdem ich zurück viel gearbeitet z. B. ein höchst humoristisches ReiseEpos, meine Fahrt nach Deutschland, ein Cyklus von 20 Gedichten gereimt, alles
gottlob fertig; werde eine Porzion Prosa hinzuschreiben u Ihnen also [Textverlust]
bald das nothwendige Bändchen geben. Sie werden sehr mir zufrieden seyn u das
Publikum wird mich in meiner wahren Gestalt sehen. Meine Gedichte, die neuen,
sind ein ganz neues Genre, versifizirte Reisebilder, und werden eine höhere Politik
athmen als die bekannten politischen Stänkerreime. Aber sorgen Sie frühe für
Mittel etwas was vielleicht unter 21 Bogen ohne Censur zu drucken.“ 31
141
Am 10. Juli 1844 beantwortet Campe Heines Schreiben und warnt ihn eindringlich davor, dieses Gedicht zu veröffentlichen:
„Wäre mir die Sache recht gewesen, hätte ich mich freuen können, ich würde
Ihnen sogleich geschrieben haben; – aber das konnte ich nicht. Sie werden sehr
viel für dieses Gedicht zu leiden haben! – Es ist durchaus unpopulair und nur für
Männer zugänglich. Nicht zu gedenken, daß Sie den Patrioten neue Waffen gegen
Sich in die Hände geben und so die Franzosenhasser wieder in die Schranken
rufen: auch die Moralisten werden über Sie herfallen–. Von allen Seiten werden
Sie gestoßen und gehechelt werden. Im Geiste sehe ich alle diese Fatalitäten aufbrausen, die mich ebenso unangenehm, wie Sie Selbst berühren, da es mir nicht
gleichgültig ist, wie Sie in Deutschland accreditiert stehen.“ 32
Im September 1844 schreibt Heine an Karl Marx:
„Liebster Marx! Ich leide wieder an meinem fatalen Augenübel, und nur mit
Mühe kritzle ich Ihnen diese Zeilen. Indessen, was ich Ihnen wichtiges zu sagen,
kann ich Ihnen Anfangs nächsten Monaths mündlich sagen, denn ich bereite mich
zur Abreise, beängstigt durch einen Wink von Oben – ich habe nicht Lust auf
mich fahnden zu lassen, meine Beine haben kein Talent eiserne Ringe zu tragen,
wie Weitling sie trug. Er zeigte mir die Spuren. Man vermuthet bei mir größere
Theilname am Vorwärts als ich mich deren rühmen kann, und ehrlich gestanden
das Blatt beurkundet die größte Meisterschaft im Aufreitzen und Comprimittiren.
Was soll das geben, sogar Mäurer ist debordirt! – Mündlich mehr hierüber. Wenn
nur keine Perfidien in Paris ausgesponnen werden. Mein Buch ist gedruckt wird
aber erst in 10 bis 14 Tagen hier ausgegeben, damit nicht gleich Lärm geschlagen
wird. Die Aushängebogen des politischen Theils, namentlich wo mein großes Gedicht, schicke ich Ihnen heute unter Kreuzkouvert, in dreyfacher Absicht. Nemlich, erstens damit Sie sich damit amüsiren, zweitens damit schon gleich Anstalten
treffen können für das Buch der der deutschen Presse zu wirken, und drittens
damit Sie, wenn Sie es rathsam erachten im Vorwärts das Beste aus dem neuen
Gedichte abdrucken lassen können. ...“ 33
Der „Vorwärts!“, den Heine hier erwähnt, war das deutschsprachige Wochenblatt, das in einer Auflage von 1000 Stück zwei mal wöchentlich in Paris
erschien. Es war das Sprachrohr der deutschen Exilanten in Frankreich und
wurde von Giacomo Meyerbeer finanziert. Ab Juli 1844 hatte Karl Marx wesentlichen Einfluss auf die Redaktion des Blattes, das 1845 sein Erscheinen
142
einstellen musste, da die Redakteure ausgewiesen wurden. Wilhelm Christian
Weitling, den Heine hier erwähnt, war der erste Theoretiker des Sozialismus
– er geriet später in einen heftigen Gegensatz zu Karl Marx und – in Vergessenheit. Aber Heine war das Schicksal des „genialen Schneiders“ Weitling (so
Rosa Luxemburg), der in den Jahren 1843/44 in Zürich eingekerkert war und
ergreifende Gedichte über diese Zeit verfasst hat, durchaus bekannt.34
Karl Marx Verteidigung Heinrich Heines im Pariser Vorwärts ist eine scharfe
Stellungnahme, die den politischen Stellenwert, der dem Gedicht damals beigemessen wurde, verdeutlicht:
„Paris 1844, ersten Dezember
Vor einigen Tagen sah man eine Anzahl sogenannter ‚deutscher Patrioten’ von
einem französischen Redactionsbureau zum anderen, vom National zum Charivari, von der Revue de Paris zur Démocratie practique usw. usw. hausieren gehen
mit etlichen anonymen Artikeln der Ausgsb. Zeitung. Diese Artikel waren dazu
bestimmt als Überführungsdokumente gegen einen großen Verbrecher, gegen Heinrich Heine, zu dienen. Die französischen Zeitungen sollten ich öffentlich für einen
Abtrünnigen erklären und die Aufrichtigkeit seiner Teilnahme an der neuesten revolutionären Bewegung Deutschlands verdächtigen helfen. So wahrhaft komisch,
wenn einige gänzlich unbedeutende Subjecte, welche sich der kritiklosesten Ignoranz über die neuste Entwicklung erfreuen, das Verhältnis deutscher Schriftsteller
zu eben dieser Entwicklung zu bestimmen sich unterfangen. Wir würden derselben Komik verfallen, wollten wir Heinrich Heine, eine der deutschen Incarnationen des humanistischen Princips, rechtfertigen gegen jene großen Unbekannten,
deren gesammelte officielle wie private Thätigkeit sich darauf beschränkt, Ludwig Börne gekannt und sich für das Hambacher Fest enthusiasmirt zu haben.
Übrigens stellen jene ‚Patrioten’ sich selber ihr gebührendes Armuthszeugniß aus,
indem sie von vornherein auf jede Kritik der umfassenden literarischen Wirksamkeit Heine’s verzichten, und zu kleinlichen, auf anonyme Zeitungsartikel gefußten
Denunziatiönchen ihre Zuflucht nehmen. Sie finden hierin die ihren Fähigkeiten
entsprechendste Operationsweise. Wir aber sind überzeugt, daß die französischen
Redactionen ihrerseits nur aus Unbekanntschaft mit deutschen Verhältnissen ihre
Blätter einen Augenblick zu Organen dieser gehässigen, lediglich persönlichen
Umtriebe hergegeben haben“.35
143
Ebenfalls im Dezember 1844 veröffentlichte die Revue de Paris in den Nummern 94 und 95 das Wintermärchen in einer französischen Übersetzung.
Man kann also davon ausgehen, dass im Dezember 1844 die gebildete Welt
im Detail über diesen Geniestreich Heines informiert war.
Bereits im Oktober 1844 berichtete der Verleger Julius Campe vom wirtschaftlichen Erfolg des Buches, das sich trotz (oder wegen) heftiger Kritik
am Markt doch gut bewährt: „Wie ich Ihnen gleich sagte, der Deutsche verträgt
dergleichen Huren- und Nachtstuhl-Geschichten nicht. Sein Schiller wird immer
vorgeritten, der solche Sünden nicht beging ...“ (Brief vom 25.10.1844). Mitte
Oktober bittet Heine bereits wieder um zwölf neue Exemplare der zweiten
Auflage, da er alle seine Exemplare bereits verausgabt hat.
Dass das Thema „Vogelschießen“ in den Jahren um 1844 eine gewisse Rolle
in den Düsseldorfer Künstlerkreisen spielte, macht auch das Gemälde von
Friedrich Boser „Vogelschießen der Düsseldorfer Künstler im Grafenberger
Wald“ aus diesem Jahr deutlich.36 Hier handelt es sich allerdings um eine
ideal-dokumentarische Darstellung der damals wichtigsten Vertreter der Düsseldorfer Malerschule, die Boser kunstvoll im Gemälde versammelt hatte. Es
zählt zur „Freundschaftsgalerie“, wie der Düsseldorfer Katalog von 2011 dies
so treffend benennt. Das „Vogelschießen“ Bosers scheint auch eine sehr versteckte Botschaft enthalten zu haben: „Wir können auch anders ...“ Erinnerte
das Vogelschießen doch an die seit dem Mittelalter gepflegten Traditionen
eines selbstbewussten Bürgertums, das in der Waffenführung geübt war, um
die eigenen Belange zu schützen.
Bereits 1842 entstanden Vorskizzen für das Gemälde, das wegen seines dokumentarischen Charakters für die Mitglieder der Akademie sicher Gesprächsstoff geboten hat. Der Austausch über Themen und Gegenstände wird den
Malern zur Anregung geworden sein. Möglich wäre, dass Schwingen dieses
Thema aus den Vorskizzen Bosers aufgenommen und recht eigenwillig interpretiert hat. Vielleicht ist er mit dem kleinformatigen Bild ein wenig früher als
Boser an die Akademie-Öffentlichkeit gegangen und hat dann eine weniger
politische Version des Bildes, die großformatigere Arbeit, auf der AkademieAusstellung gezeigt. Die große Version vom „Schießen um ein fettes Schwein“
(heute in der Sammlung Volmer) hat fast das gleiche Format (81 x 102 cm)
wie Bosers Gemälde vom Schießen im Grafenberger Wald (81 x 104,8 cm).
144
Wenn dieser Vorgang so gewesen wäre, würde Boser sicherlich darüber verärgert gewesen sein, seine Bildidee in einem gänzlich anderen Zusammenhang
wiederzufinden. Schwingen hat Bosers Bildthema den erhabenen Ernst genommen, er hat es in das ländliche, folkloristische Genre versetzt. In diesem Zusammenhang muss man auch feststellen, dass Schwingen auf Bosers
„Freundschafts-Bild“ vom Vogelschießen der Künstler nicht dargestellt wurde.
In den Zeiten des Vormärz muss ein solches Thema immer kryptopolitisch
verstanden worden sein. Eine der Führungspersonen der revolutionären Umtriebe 1848 war der bereits oben erwähnte Kaufmann Laurentz Cantador. Er
war im Vormärz nicht nur aktiv im Karneval und bei den wohltätigen Vereinen der Stadt, er war Vorsitzender der St. Sebastianus­schützen in Düsseldorf,
somit eng vertraut mit dem Thema „Vogelschießen“. Konsequenterweise gehörte er dann auch zu den Gründern der Bürgerwehr, der im Laufe des Jahres 1848 etwa 2.500 Männer zuströmten. (Zum Vergleich: Düsseldorf hatte
damals etwa 24.000 Einwohner.) Cantador wurde Kommandeur der Bürgerwehr, der auch Maler der Akademie angehörten. So ist eine enge Verknüpfung
zwischen Malern der Akademie und den Schützen Düsseldorfs gegeben. Das
Vogelschießen war also ein allseits bekanntes Brauchtum, das auch von den
Malern gepflegt wurde.
Überhaupt waren die Künstler der Akademie sehr stark eingebunden in das
städtische Leben, was auch daran zu erkennen ist, dass die Künstler zum antipreußischen „Einheitsfest“ im August 1848 eine monumentale Figur der Germania aufbauten. Die Themen, welche die Stadt bewegten, bewegten auch die
Künstler und umgekehrt.
Aber auf welchen Wegen hätte das Thema „Vogelschießen“ in den akademischen Kreisen Düsseldorfs im Jahr 1844 vermittelt werden können? Warum
wenden sich verschiedene Künstler diesem doch eher abgelegenen Thema zu?
Wie kamen Heine, Boser und Schwingen dazu, das Vogelschießen zu thematisieren und ihm, weniger bei Boser als bei Heine und Schwingen, eine
zentrale antipreussische und zugleich prorheinische Aussage zu konnotieren?
Abgesehen von den Allgemeinplätzen, dass ein Thema erscheint, wenn die
Zeit reif dafür ist.
Eine Möglichkeit, die in Betracht zu ziehen wäre, ist diese: Der Maler Christian Köhler (1809-1861) war zunächst Pferdeknecht beim Schriftsteller Carl
145
Gottlieb Samuel Heun (1771-1854) gewesen. Die Begabung Köhlers zur
Malerei erkannte Wilhelm von Schadow, der ihn 1826 nach Düsseldorf an
die Akademie holte. Dort wurde Köhler Schadows Meisterschüler.37 Heun
veröffentlichte unter dem Pseudonym Heinrich Clauren zahlreiche Erzählungen und romantische Romane, ebenso Komödien. Darunter die 1822 in
Dresden erschienene Komödie „Das Vogelschießen“, die mit viel Erfolg auf
den Bühnen in Berlin aufgeführt worden war. Heunes Schriften zogen zahlreiche Kritik auf sich, kulminierend in der satirischen Dichtung Hauffs „Der
Mann im Mond“, der Heunes Stil nachahmte und zugleich in Lächerliche
zog. Doch dem Publikum gefiel Heunes Dichtung. Er gehörte zu den beliebtesten Schriftstellern des frühen 19. Jahrhunderts. Heinrich Heine kannte
Claurens Komödien. Möglicherweise auch das „Vogelschießen“, welche er
mit der enthusiastisch gefeierten Schauspielerin Amalie Neumann 1822 in
Berlin gesehen haben könnte. Heines „Briefe aus Berlin“ berichten ausführlich über die Anekdoten rund um „die Neumann“, die damals ganz Berlin
bezaubert haben soll.38
Es handelt sich bei Claurens „Vogelschießen“ um eine höchst humorvolle,
feinsinnige Komödie, in der die Liebe, Intrigen, Politik und die Ereignisse
rund um das Vogelschießen im Örtchen Flachsensingen, in der Sächsischen
Schweiz gelegen und als eine Art Schilda beschrieben, große Verwirrungen
mit sich bringen. Kurz, es wird eine nette Verwechslungskomödie organisiert,
im Mittelpunkt steht natürlich, wie sollte es anders sein, die Liebe. Standesdünkel, Versagen der Verwaltung, Vergehen der Hofschranzen, der Journaille
und der Möchtegerne-Bürger werden vorgeführt. Am Schluss löst sich alles
auf durch den Mut einer jungen Frau und ihres Geliebten. Der gute Fürst
waltet klug, bestraft die Schuldigen und belohnt die Anständigen. Ein Lob
auf den aufgeklärten Absolutismus, das damals durchaus politisch verstanden
wurde. Das Stück wurde häufig und mit viel Erfolg aufgeführt. Zahlreiche
Bühnen bedienten sich der beliebten Vorlage, teilweise allerdings ohne die
entsprechenden Gebühren an den Verlag bzw. den Autor zu entrichten, wie
dieser in einem beigehefteten Anhang beklagt.39
Carl Heun hatte eine im Wesenskern staatstragende Liebeskomödie auf die
Bühne gebracht. Dies ist im Zusammenhang mit seiner etwa zeitgleichen Verantwortung als Redakteur (in den Jahren von 1820 bis 1823) der Allgemeinen
Preußischen Staatszeitung, die als Regierungsorgan etabliert wurde, zu sehen.
146
Heine schien zwar die Neumann auf der Bühne goutiert zu haben, eher weniger aber die Werke aus der Feder Claurens, die ihn zu einer äußerst spitzen Bemerkung provozierte: Im „Buch Le Grand“ ist über Clauren zu lesen:
„Clauren ist jetzt in Deutschland so berühmt daß man in keinem Bordell eingelassen wird wenn man ihn nicht gelesen hat.“ Dies ist eine durchaus als böswillig zu bezeichnende Unterstellung, die aber deutlich macht, dass Heine
dem Autor Käuflichkeit unterstellt. Was durch seine enge Verbindung zum
preußischen Staatsapparat sowie seinen populistischen Markterfolg aus Heines Sicht nahe lag.
Deutlich wird aber, dass das Vogelschießen ein Thema von breiterem Interesse war und seinen Niederschlag sowohl in der Literatur wie in der Malerei
fand. Heinrich Heine und Peter Schwingen widmeten sich jedenfalls etwa zur
gleichen Zeit diesem Thema. Der eine voller Sarkasmus, der andere mit feiner
gemalter Ironie. Eine erstaunliche Parallele.
Schießen um ein fettes Schwein, Öl auf Leinwand, um 1844,
Stiftung Sammlung Volmer Wuppertal
147
Es gibt aber weitere Verbindungen zum Thema. So schrieb der in den Düsseldorfer Künstlerkreisen berühmte Ferdinand Freiligrath in dem Gedicht „Zwei
Flaggen“ im Zyklus „Ein Glaubensbekenntnis“ (1844) folgende Strophen:
„Und runzeln wir ihm auch die Braun,
Wir sagen doch: Ein wackrer Kämpfer! –
Denselben Tag im Abendgraun
Fuhr noch stromab ein Kölner Dämpfer.
Dem flog, vom Winde flott geschwellt,
Breit übern Bord der Aar von Preußen;
Daneben, schwarz im gelben Feld,
Der Doppeladler aller Reußen!
Derselbe schwarze, der zerfleischt
Den weißen jüngst als gute Beute;
Derselbe, der das Dach umkreischt
Wildfreier Bergbewohner heute;
Derselbe, der von seinem Pol
Rundspäht mit immer kühnerm Dräuen,
Und, als der Despotie Symbol,
Feind und verhaßt ist allen Freien!“
Der preußische sowie der österreichische Adler waren allgemein zum Symbol
der politischen Unterdrückung geworden. Man kann davon ausgehen, dass
dies auch und gerade in den Düsseldorfer Künstlerkreisen so gesehen wurde.
Anmerkungen
Alle Internetadressen wurden im Mai/Juni 2012 eingesehen.
1
http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/start - Heinrich Heine Portal.
Vgl. www.muffendorf.net/PeterSchwingen/index.html
3
Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, S. 307.
4
Dieses Bild kennen wir bisher leider nicht, allerdings soll hier der Hinweis gegeben sein auf ein Gemälde Carl Spitzwegs mit gleichem Titel aus dem Jahr 1845.
5
Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 1, S. 278.
6
Zitiert nach Baumgärtel 2011, S. 25.
7
Markowitz 1980, S. 55.
8
Markowitz 1980, S. 55.
9
www.mendelssohn-in-duesseldorf.de/
10
Frohn 1999, S. 7.
2
148
11
Baumgärtel 2011, S. 27.
12
Heidermann 2013, S. 28-33.
Heidermann 2013, S. 28-33.
14
Baumgärtel 2011, S. 34.
15
Baumgärtel 2011, S. 28.
16
Abb. Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, Kat.-Nr. 31, S. 55.
17
Verwiebe 2011, Bd. 1, S. 321 ff.
18
Siehe Heidermann, Leben und Werk, S. 54ff.
19
Heidermann Dokumentation Peter Schwingen auf: www.muffendorf.net, Peter-SchwingenGesellschaft Bonn-Bad Godesberg e.V.
20
Frohn 1999, S. 22, 23.
21
Frohn 1999, S. 105.
22
Frohn 1999, S. 105, S. 294.
23
Frohn 1999, S. 296.
24
http://ww.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/gestern_heute/b_09_stadtgeschichte.shtml
25
Vgl. Frohn 1999, S. 86.
26
Vgl. Frohn S. 234.
27
http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/searchengine/briefe?briefnr=HSA21
,687&letterid=W21B0687&lineref=A253_36&mode=2&textpattern=Vogel&firsttid=0&width
given=30
28
http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/briefe/04baende/band22/index_html?widthgiven=
30&letterid=W22B1002&lineref=0&mode=1
29
http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/briefe/04baende/band22/index_html?widthgiven=
30&letterid=W22B1002&lineref=0&mode=1
30
1614 kamen Kleve, Mark und Ravensberg unter Brandenburgische Verwaltung
31
hhp.unitrier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/briefe/01briefevon/adressat/A/index_html?width
given=30&letterid=W22B0992&lineref=0&mode=1
32
http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/briefe/02briefean/absender/A/index_html?widthgiven=30&letterid=W26B0712&lineref=0&mode=1
33
www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/briefe/04baende/band22/index_html?widthgiven=30&let
terid=W22B1027&lineref=0&mode=1
34
Zu Weitling siehe: Hans-Arthur Marsiske: SoZ Magazin, Jg. 12, Nr. 26, Weihnachten 1997,
S. 22-24.
35
Nach dem Faksimile des „Vorwärts“. Der anonym erschienene Text wird durch Jacques Grandjonc als Text von Marx identifiziert, erschien am 1. Januar 1845 im Prospektus des Vorwärts!, der
am 1.1.1845 als Monatsschrift herauskam. Dazu J. Grandjonc, Du Vorwärts! à Lutezia: á propos
des rapports entre Heine, Marx et Bernays en 1844 et 1848, in: Heinrich Heine 1797-1856,
Schriften aus dem Karl-Marx-Haus, Trier Bd. 26, 1981“. Dank an Horst Heidermann für diesen
Hinweis.
36
Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, Kat. Nr. 21, S. 43.
37
Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, S. 41
38
Vgl. http://hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/searchengine/werke/baende/D06/ent
erdha?pageid=D06S0457&bookid=D06&lineref=Z28&mode=2&textpattern=Vogelschiessen&
firsttid=0&widthgiven=30http://hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/searchengine/
werke/baende/D06/enterdha?pageid=D06S0457&bookid=D06&lineref=Z28&mode=2&textp
attern=Vogelschiessen&firsttid=0&widthgiven=30
39
So im Expl. der Universitätsbibliothek München vorzufinden.
13
149
Archivalien
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin
I. H.A. Rep. 76 Ministerium für die geistlichen, Unterrichts- und MedicinalAngelegenheiten V e Sekt. 18 Abt. V, Nr. 1 Vol. II, Blatt 163-164 (Coblenz
und Düsseldorf d.14. Dezember 1831 Unterstützung des Kunstschülers Peter
Schwingen aus Muffendorf betr.)
wie oben, Vol. III, Bl. 33 (Schreiben des Kuratoriums der Königlichen Kunstakademie Düsseldorf vom 24.2.1835 an das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten)
Stadtarchiv Bonn
Go 317 Gründung eines Heimatmuseums; Go 1375 Geschichte Godesbergs, Erwerb eines Gemäldes von Peter Schwingen; Go 1503 Maler Peter
Schwingen, darin Vortrag Dr. Cohen in Bad Godesberg 1931, Manuskript
Nick für Thieme/Becker; Go 1508 Inventarverzeichnis des Heimatmuseums;
Go 10098 Protokolle des Gemeinderates Muffendorf 1846 bis 1891; Go
16716 Ausstellung 1964 Bad Godesberg; Personenstandakten; Zeitungsausschnittsammlung
Landesarchiv NRW, Düsseldorf
Regierungspräsidium Düsseldorf, Präsidialbüro, Bd. 1558-1559, darin Schülerlisten der Kunstakademie Düsseldorf 1832-1845 (Microfiche); Gerichte
Rep. 11, Nr. 1447, Bl. 310-329, Bittschrift vom 16.12.1848 anlässlich der
Verhaftung von Laurentz Cantador
Stadtarchiv Düsseldorf
(Teil-)Nachlass Hermann Becker mit Jahresberichten des „Vereins Düsseldorfer Künstler zur gegenseitigen Unterstützung und Hilfe“ (unvollständig);
Bürgerbuch, S. 288; Personenstandsakten; Handschriftensammlung; Adressbücher Düsseldorf
150
Archiv des Künstler-Vereins Malkasten, Düsseldorf
Mitgliederlisten; Teilnehmerliste des Frühlingsfestes auf der Fahnenburg 1851
Archiv Söhn, Düsseldorf (Privatbesitz)
U. a. Korrespondenz von Julius Söhn und Walter Cohen; Personenstandsunterlagen; Fotografien von Julius Söhn
Archiv Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf
Teil-Nachlass Walter Cohen
Historisches Archiv der Stadt Köln
Nachlass Anton Fahne (über den „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“)
Kath. Pfarramt Muffendorf
Tauf-, Heirats-, und Sterberegister
Privatbesitz, Wuppertal
Nachlass Peter de Weerth, darin Tagebücher von 1808 bis 1855 (digitalisiert
und zum Teil transkribiert von Dr. Antonia Dinnebier)
151
Gedruckte Quellen und Literatur
Ammermüller 2010:
Ammermüller, Martin, Spaziergang über den Burgfriedhof, hg. vom Verein
für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V., Bad Godesberg
2010
Baumgärtel 2011:
Baumgärtel, Bettina, Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale
Ausstrahlung, in: Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 1, S. 25-49
Becks-Malorny 1992:
Becks-Malorny, Ulrike, Der Kunstverein in Barmen 1866-1946. Bürgerliches
Mäzenatentum zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Wuppertal
1992
Beneke 1999:
Beneke, Sabine, Im Blick der Moderne: die „Jahrhundertausstellung deutscher Kunst (1775-1875)“ in der Berliner Nationalgalerie 1906, Berlin 1999
Bestvater-Hasenclever 1979: Bestvater-Hasenclever, Hanna, J. P. Hasenclever. Ein wacher Zeitgenosse des
Biedermeier, Recklinghausen 1979
Börsch-Supan 1988:
Börsch-Supan, Helmut, Die deutsche Malerei. Von Anton Grafff bis Hans
von Marées, München 1988
Boetticher 1891/1901:
Boetticher, Friedrich von: Malerwerke des 19. Jahrhunderts. 4 Bde. Dresden
1891-1901 (Unveränderter Neudruck Leipzig, 1944-1948)
Cohen 1922:
Cohen, Walter, Der Maler Peter Schwingen (1815-1863). Zu einer Ausstellung im Elberfelder Museum, in: Düsseldorfer Nachrichten vom 2.2.1922
Cohen 1924:
Cohen, Walter, Hundert Jahre Rheinischer Malerei, Bonn, Friedrich Cohen
1924
152
Cohen 1931:
Cohen, Walter, Wann ist Peter Schwingen geboren? in: Düsseldorfer Nachrichten vom 18.12.1931 (Manuskript im Nachlass, Stiftung Museum Kunstpalast,
Düsseldorf )
Cohen 1932 I:
Cohen, Walter, Peter Schwingen. Leben und Werk, in: Mitteilungen des
Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen, 3. Jg., Heft 1, 1932
Cohen 1932 II: Cohen, Walter, Peter Schwingen der Bildnismaler aus Muffendorf, Bad Godesberg, Verlag des Verschönerungsvereins 1932 (Manuskript im Nachlass,
Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf, maschinengeschriebene Fassung
mit Stenogramm über die Lichtbilder im Stadtarchiv Bonn, Go 1503. Besprechung der Veröffentlichung in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Jg. 1932,
S. 246).
de Weerth 1915:
de Weerth, Dr. Wilhelm, Geschichte der Familie de Weerth, 2 Bde.,
Düsseldorf 1915
de Weerth 1932, 1935,1938:
de Weerth, Dr. Wilhelm, Müttergeschlechter in der Ahnentafel, 3 Folgen,
Düsseldorf 1932, Düsseldorf 1935, Düsseldorf 1938
de Weerth/Schniewind, 47, 1972:
de Weerth, Gerda Dorothea und Gisela Schniewind, Nachkommen des Julius
Bemberg und seiner Frau Karoline Wülfing, in: Deutsches Familienarchiv,
Bd. 47, 1972, S. 1-22; Nachkommen des Robert Wülfing und seiner Frau
Emma Wever, S. 23-42; Nachkommen des Rudolf Steinkauler und seine Frau
Maria Wülfing, S. 43-62
Eynern 1901:
Eynern, Ernst von, Friedrich von Eynern. Ein bergisches Lebensbild, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 35. Band, 1901, S. 1-103
Fahne 1837 I: Fahne, Anton, Die Düsseldorfer Malerschule in den Jahren 1834, 1835 und
1836, Düsseldorf 1837
Fahne 1837 II:
Fahne, Anton, Die Düsseldorfer Malerschule und ihre Gegner, Düsseldorf
1837
153
Fahne 1853:
Fahne, Anton, Schloss Roland, seine Bilder-Gallerie und Kunstschätze, Köln
und Bonn 1853
Fahne 1854:
Fahne, Anton, Der Carneval mit Rücksicht auf verwandte Erscheinungen.
Ein Beitrag zur Kirchen- und Sittengeschichte, Bonn 1854, Neudruck Wiesbaden 1972
Fremerey-Dohna 1985:
Fremerey-Dohna, Helga und Renate Schöne, Jüdisches Geistesleben in Bonn
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Frohn 1999
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Diss. Bonn 1999, http://hss.ulb.uni-bonn.de/1999/0212/0212.pdf
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Frohn, Christina, Der organisierte Narr. Der Karneval in Aachen, Düsseldorf
und Köln 1823-1914, Marburg 2000
Füssli 1843: Füssli, Wilhelm, Die wichtigsten Städte am Mittel-und Niederrhein im deutschen Gebiet, mit Bezug auf alte und neue Werke der Architektur, Skulptur
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Großmann, Joachim, Die Sozialfigur des bildenden Künstlers in Preußen
1786-1850, Dissertation, Essen, Juli 1992, Veröffentlicht unter dem Titel:
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1786-1850, Berlin 1994
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Hansen, Joseph (Hg.), Rheinische Briefe und Akten zur Geschichte der politischen Bewegung 1830-1850, Bd. I 1830-1845, Essen 1919, Neudruck
Osnabrück 1967
154
Heidermann 1999: Heidermann, Horst, 1848/49 – Die Revolution des Malers Kleinenbroich,
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Heidermann 2002 I:
Heidermann, Horst, Peter Schwingen (1813-1863): Gemalte Familiengeschichten aus dem Tal, in: Romerike Berge. Zeitschrift für das Bergische
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Heidermann 2002 II:
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Heidermann 2013:
Heidermann, Horst, Das große Los: Peter de Weerth, Johann J. Scotti und
Peter Schwingen, in: Romerike Berge. Zeitschrift für das Bergische Land,
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Herchenbach 1882:
Herchenbach, Wihelm, Düsseldorf und seine Umgebung in den Revolutionsjahren 1848-1849, Düsseldorf, W. Herchenbach [1882]
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Herres, Jürgen, Köln in preußischer Zeit 1815-1871, Köln 2012
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Holzhausen 1964: Holzhausen, Walter, Peter Schwingen. Maler aus Muffendorf, Bad Godesberg
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Hütt, Erich Wolfgang, Die Düsseldorfer Kunst und die demokratische Bewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 2 Bde., Dissertation, Halle/
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155
Hütt 1958/59:
Hütt, Erich Wolfgang, Der kritische Realismus und die Anfänge der proletarischen Kunst in Deutschland, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg, VIII, 1958/59
Hütt 1964, 1984, 1995:
Hütt, Wolfgang, Die Düsseldorfer Malerschule 1819-1869, Leipzig 1964,
2. überarbeitete, verbesserte und erweiterte Aufl. 1984, 3. Aufl. 1995 (vom
Verlag als 1. Aufl. bezeichnet)
Kat. Berlin 1971:
Börsch-Supan, Helmut (Bearb.), Die Kataloge der Berliner Akademie-Ausstellungen 1786-1850, 2 Bde. und Registerband, Berlin 1971
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Kittmann, Udo, Birgit Verwiebe und Angelika Wesenberg (Hrsg.), Die
Sammlung des Bankiers Wagener. Die Gründung der Nationalgalerie (E. A.
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Kat. Düsseldorf 1898:
Aus der Geschichte des Künstlervereins Malkasten. Zur Jubelfeier seines fünfzigjährigen Bestehens 1848-1898, hg. Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf
1898
Kat. Düsseldorf 1925: Kunstausstellung der Jubiläumsausstellungen Düsseldorf 30.5.-4.10.1925,
Katalog, Düsseldorf 1925
Kat. Düsseldorf 1979:
Kalnein, Wend von, (Hg.), Die Düsseldorfer Malerschule, Mainz [1979]
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Kunstmuseum im Ehrenhof, Katalog der Ausstellung „Angesichts des Alltäglichen”. Genremotive in der Malerei zwischen 1830 und 1890. Aus dem Bestand des Kunstmuseums Düsseldorf im Ehrenhof mit Sammlung der Kunstakademie, Bearb. von Martina Sitt und Ute Ricke-Immel, Köln 1996
Kat. Düsseldorf 1998:
Dascher, Ottfried und Everhard Kleinertz in Verbindung mit Eberhard Illner
(Hg.), Petitionen und Barrikaden. Rheinische Revolutionen 1848/49. Bearbeitet von Ingeborg Schnelling-Reinicke, Münster 1998
156
Kat. Düsseldorf 2011:
Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 18191918, 2 Bde., Katalog zur Ausstellung im Museums Kunstpalast, Düsseldorf
2011
Kat. Münster 1995:
Westhoff-Krummacher, Hildegard, Als die Frauen noch sanft und engelsgleich waren. Die Sicht der Frau in der Zeit der Aufklärung und des Biedermeier, Münster 1995
Kinkel 1843:
Kinkel, Gottfried, Kunstausstellung zu Düsseldorf (Beschluß), in: Augsburger
Allgemeine Zeitung v. 23.9.1843
Kinkel 1845:
Gottfried Kinkel, Die Kölnische Kunstausstellung vom Jahre 1845, in: Kölnische Zeitung vom 28.8. und 19.9.1845
Kinkel 1931:
Gottfried Kinkels Selbstbiographie 1838-1848, hg. von Richard Sander,
Bonn 1931
Kleinpass 1964: Kleinpass, Hans, Biographisches über den Muffendorfer Maler Peter
Schwingen und seine Familie, in: Mitteilungen der Stadt Bad Godesberg,
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Kruse 1998:
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Küpper 1964:
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Kunstblatt, 26. Jg., 1845, Die Münchner Kunstausstellung im Jahre 1845,
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Lorenz 1985:
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Markowitz 1980:
Markowitz Irene, Armer Maler − Malerfürst. Künstler und Gesellschaft, Düsseldorf 1819-1918. Stadtmuseum Düsseldorf, 1980
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Müller von Königswinter, Wolfgang, Düsseldorfer Künstler aus den letzten
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Scotti, J.[ohann] J.[oseph], Die Düsseldorfer Malerschule oder auch KunstAkademie in den Jahren 1834, 1835 und 1836 und auch vorher und nachher,
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Scotti, J.[ohann] J.[oseph], Die Kunstschule zu Düsseldorf. Leistungen in den
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ein Wegbereiter der Moderne, in: Kölner Museums-Bulletin, Heft 3, 1993,
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Sitt, Martina, Auch ein Bild braucht einen Anwalt. Walter Cohen – Leben
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Soiné, Knut, Johann Peter Hasenclever. Ein Maler im Vormärz, Neustadt/
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Strack 1987:
Strack, Herbert, Auszüge aus den Ur-Flurbüchern der Gemeinde Muffendorf
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Tucholski 1984:
Tucholski, Barbara, Friedrich Wilhelm von Schadow 1789-1862. Künstlerische Konzeption und poetische Malerei, Dissertation, Bonn 1984
Verwiebe 2011
Verwiebe, Birgit, Der erste, der den wahren, neu belebten Genius erkannte
− Die Düsseldorfer Malerschule und ihr Berliner Sammler Joachim Heinrich
Wagener, in: Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 1, S. 321ff
159
Heimkehrender Krieger, Öl auf Leinwand,
um 1837, Privatbesitz

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