Leihst du mir deinen Blick?
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Leihst du mir deinen Blick?
Leihst du mir deinen Blick? Dokumentation deutsch-israelisch-palästinensischer Jugendbegegnungen 2010 und 2011 Anette Klasing, LidiceHaus & Peter Menken, Oberschule Leibnizplatz Bremen Leihst du mir deinen Blick? Deutsch-israelisch-palästinensische Jugendbegegnungen 2010/2011 Vor dem Hintergrund zunehmender Polarisierungen in der Auseinandersetzung mit internationalen sowie innergesellschaftlichen Konflikten hat das LidiceHaus ein Dialog-Projekt ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Jugendlichen und ihrem Lehrer Peter Menken von der Oberschule Leibnizplatz initiierten sie mit den Organisationen Al Tariq, Parents Circle und der Kibbutzschule Shoval (Palästina und Israel) zwei trinationale Begegnungen in Deutschland und in Israel/Palästina. Mit dieser Dokumentation möchten wir unsere Erfahrungen mit anderen interessierten Menschen teilen. Auf den folgenden Seiten finden Sie Auszüge aus den Berichten beider Begegnungen, die konkrete Erlebnisse sowie Gedanken und Reflexionen wiedergeben. Weiterhin sind Originalzitate der Jugendlichen nachzulesen. Sie spiegeln die Vielschichtigkeit, Differenziertheit und auch emotionale Betroffenheit wieder. aus: Weser-Kurier / Stadtteil-Kurier. 21.07.2010 Herausgeber: Jugendbildungsstätte LidiceHaus gGmbh © 2011. Alle Rechte vorbehalten. Fotos: LidiceHaus, TeilnehmerInnen Gestaltung: axent, Ines Hillmann Druck: Perspektiven Offsetdruck GmbH Feindbildszenarien scheinen derzeit die gesellschaftlichen Diskurse, den Alltag in Großstädten bzw. Ballungsräumen sowie die Medienberichterstattungen zu bestimmen. Grenzüberschreitungen, Menschenrechtsverletzungen und gewalttätige Auseinandersetzungen sind die täglichen Bilder, die uns via TV, Zeitschriften sowie Internet präsentiert werden. Dabei geht es in Deutschland und Europa zunehmend mehr auch um antisemitische und islamfeindliche Ausgrenzungen und Diskriminierungen. Besonders in den letzten Wochen und Monaten häufen sich die Talkshows und Medienberichterstattungen, die „den Islam“ in den Focus nehmen. In Deutschland bildet sich zudem der NahostKonflikt auch in oft kontroversen und polarisierenden Debatten ab. Spätestens seit dem Krieg im Gaza Anfang 2009 haben sich auch bei uns die Fronten zwischen den sog. „Israelfreunden“ bzw. „Israelkritikern“ verhärtet. Jugendliche in Israel und Palästina wachsen darüber hinaus in besonderem Maße mit Feindbildern auf; die Separierung durch die Mauer und Checkpoints verhindert zudem reale Begegnungen. Aus den Medienberichten lässt sich z.Z. folgendes Bild zeichnen: Gewalt und Hassbekundungen finden nicht nur zwischen den Menschen aus beiden Gesellschaften und Religionen, sondern auch innerhalb derselben, statt. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt erscheint immer mehr undurchdringbar. Die Bereitschaft zum Dialog und Konsens ist derzeit auf einem Nullpunkt. Hinzu kommt, dass auf ‚legalem Wege‘ vor Ort keine Face-to-Face-Begegnungen mehr stattfinden können bzw. dürfen. Wie können Schule und Jugendbildung darauf reagieren bzw. dieses wichtige Feld aufbereiten und thematisieren? Das Projekt Leihst du mir deinen Blick? ist ein längerfristiges virtuelles und reales Faceto-Face-Projekt, in dem sich die deutschen, israelischen und palästinensischen Jugendlichen zunächst im Web-Tool miteinander bekannt gemacht haben und sich so auf die erste Face to Face Begegnung im Sommer im LidiceHaus Bremen vorbereiteten. 1 Leihst du mir deinen Blick? in Bremen Die israelischen Jugendlichen kommen aus der Kibbutzschule Shoval bei Beersheva/Israel – die palästinensischen Jugendlichen kommen aus Bethlehem bzw. Nablus in der Westbank. Wie stark die politischen Rahmenbedingungen den Verlauf solch eines Projektes geradezu bestimmen können, konnten wir Projektverantwortlichen bereits in der Planungsphase erfahren: im Januar 2010 sollten die ersten Kontakte zwischen den Jugendlichen in dem eigens dafür eingerichteten Blog stattfinden – am 23. Januar wurde der palästinensische Jugendgruppenleiter bei einer nächtlichen Militärrazzia verhaftet und sitzt seitdem im israelischen Gefängnis. Dieses Ereignis hatte natürlich nicht nur auf die palästinensische Jugendgruppe enorme Auswirkungen, sondern auch auf die Bereitschaft der israelischen Gruppe. Zweifel und Ängste machten sich breit. Wir mussten unseren bremischen TeilnehmerInnen mehrfach Mut machen, nicht aufzugeben und Geduld zu bewahren. Die Israelis haben andere Erfahrungen und die Deutschen auch. Die Deutschen wissen nicht, was los ist in Palästina. Nadim, Palästinenser Ich hoffe, wir alle lernen etwas aus diesem Projekt. Noam, Israeli 2 3 Ich habe mehr mit den Palästinensern geredet, denn wir sind fast in derselben Situation mit all den Kämpfen und wir wissen wie sich die Anderen fühlen. Sabina, Israelin Am Anfang war es einfacher mit den Deutschen in Verbindung zu kommen, da wir mit den Israelis im Konflikt sind. Aber nach einer Weile wurde alles normal; wir schlossen uns mit den Israelis und den Deutschen zusammen. Wir wurden Freunde. Ich mag das. Rami, Palästinenser Im Mai 2010 flogen wir (Projektverantwortliche) daher nach Jerusalem, um uns mit beiden Gruppen bzw. deren Jugendgruppenleitern zu treffen; wir wollten mehr verstehen und einschätzen können, ob unser Projekt wirklich eine Chance auf Realisierung hat. Etwas beruhigter kehrten wir nach den Gesprächen zurück und bereiteten das Face-to-Face-Treffen vor. Am 25. Juni war es dann soweit: über 30 junge Leute aus Bremen, Beersheva, Bethlehem/Hebron (Alter ca. 17 Jahre) trafen sich für 10 Tage im LidiceHaus. Das Programm war eine Mischung aus Dialogarbeit, Erlebnispädagogischen Workshops und Simulationsübungen – gepaart mit Exkursionen und Breminale-Besuchen. 4 Erst dachte ich die Unterschiede zwischen den Lebensstilen von Israelis, Palästinensern und Deutschen wären größer, aber jetzt weiß ich, dass wir die gleichen Hobbys haben, uns mit Freunden treffen, ausgehen, Spaß haben, zur Schule gehen, vielleicht einen Job haben – und wie wir sind. Janine, Deutsche 5 Ich muss sagen, dass wir nie vorher über den Konflikt, über unsere Gefühle und so ernste Sachen gesprochen haben. Jetzt sprachen wir auch über diese ernsten Sachen – als Teenanger und unter Freunden. Aber das ist wirklich ganz schön hart, darüber zu sprechen. Wichtig ist der Moment, in dem wir uns wirklich akzeptieren. Der Moment in dem wir wirklich verstehen, dass der Unterschied zwischen uns nur wie der Unterschied zwischen Farben ist. Und das ist nichts, was wir ändern sollten. Es ist etwas, was wir akzeptieren sollten. Wir können unser Glück nicht auf dem Leid der anderen aufbauen. Shany, Israelin Khaled Abu Awad, Palästinenser (Vorsitzender von Al Tariq und Parents Circle) Die 10 Tage waren für alle Beteiligten Tage der Höhen und Tiefen: die Jugendlichen erlebten viel Spaß sowie Annäherungen, aber auch Tränen der Wut und der Verletzung. Alles was vorher Theorie war, geschah ganz hautnah: ein israelisches Mädchen rannte weinend aus dem Raum, weil sie nicht hören konnte und wollte, was ein palästinensischer Junge zu sagen hatte. Wir mussten den palästinensischen Jugendlichen verständlich machen, dass eine erlebte Kassamrakete (auch wenn sie „nur“ ein Haus beschädigte und keine Menschen tötete) genauso traumatisieren kann wie mehrtägige Bombardierungen durch israelisches Militär in Gaza. 6 Und wir mussten die israelischen Jugendlichen immer wieder motivieren, sich auch die Geschichten der anderen Seite anzuhören. Während z.B. die israelischen Mädchen fanden, es wäre zu viel über Politik gesprochen worden, warfen uns einige der palästinensischen Jugendlichen vor, wir seien viel zu pädagogisch an die Themen heran gegangen. Auch das ist nicht untypisch für diese Konstellation. Wenn wir etwas mehr über den Konflikt reden, haben wir in Zukunft vielleicht die Chance, eine Lösung für beide Seiten in einem Land zu finden, so dass wir in Frieden zusammen leben können. Rand, Palästinenserin 7 Der Dialog mit den Deutschen und Palästinensern war sehr interessant, denn ich fand heraus, was die Deutschen von der Zeit des Dritten Reichs halten. Natürlich weiß ich, dass sie keine Nazis sind, aber wahrscheinlich waren ihre Großväter im Krieg oder sogar in der SS. Es war interessant zu erfahren, dass es offenbar immer noch eine Art Tabuthema für sie ist. Mit den Palästinensern habe ich auch über die Nakba, 1948 und über 1967 gesprochen: Ich teile nicht alles, was sie sagen, aber es Teil unserer Geschichte. Mein Vater war in der Armee und ich werde nächstes Jahr auch in der Armee sein. Wir kommen alle gut miteinander aus, aber ich dachte, wir drei Gruppen würden uns noch näher kommen. Die Themen, die wir bearbeiteten, hätten etwas politischer sein sollen. Ich denke die Israelis und Palästinenser hätten lieber etwas mehr darüber diskutiert. Aber es war ein Schritt nach vorne und ich denke alle drei Gruppen würden das wieder machen. Es war gut. Clara, Deutsche Ich denke ich habe neue Freunde gewonnen. Saana, Palästinenserin Gurij, Israeli Und unsere Bremer Jugendlichen? Zu Beginn war es wirklich nicht leicht für sie. Aber nach und nach wurden sie selbstsicherer und achteten darauf, mit möglichst allen im Kontakt zu bleiben. Dialogarbeit mit Jugendlichen aus Konfliktregionen kann nicht ohne Konflikte geschehen. Für uns Projektverantwortliche bleibt die Frage: Wieviel und WAS alles soll pädagogisch moderiert werden und wieviel Raum darf sein für Emotionen. Wo sind die Grenzen zu ziehen? Sicherlich: zu Beginn haben alle TeilnehmerInnen die Spielregeln für Dialogarbeit mit ausgearbeitet – aber da war es noch die Theorie. Erfreut hat uns die Nachricht aus Beersheva, dass die Schule gerne mit Dialogbegegnungen weitermachen möchte. Auch unsere palästinensischen Partner erhofften sich die Fortsetzung. Also prüften wir im Herbst/ Winter 2010 mit „unseren“ Bremer Jugendlichen die Rückbegegnung im Frühjahr 2011 – und hofften und wünschten uns sehr, dass wir dort einen „gemeinsamen Ort“ finden können, an dem sich alle drei Gruppen treffen und sicher sein können... Anette Klasing, LidiceHaus Peter Menken, Oberschule Leibnizplatz September 2010 Wir haben zusammen ein Video über das Leben der Israelis und der Palästinenser gesehen und uns gefiel es zu sehen, dass wir alle den Frieden lieben und alle gegen Terrorismus sind. Nadim, Palästinenser Eine Film-Dokumentation der Begegnung in Bremen kann im LidiceHaus ausgeliehen werden (DVD). 8 9 Leihst du mir deinen Blick? im Heiligen Land Dieses Gefühl der Irrealität begleitete mich durch den ganzen Tag. Die Welt, über die wir seit einem Jahr in unserer Gruppe sprechen, deren Probleme wir versuchen nachzuvollziehen und welche wir nur von Bildern, aus dem Fernsehen und aus Berichten kannten, war plötzlich Realität... Man spürte, dass sie es gerne sehen, wenn Menschen, die die Region besuchen, [... ] sich auch für die Probleme und Missstände interessieren. Jugendliche der gymnasialen Oberstufe der Schule Leibnizplatz sind Ende März 2011 aus Israel und den palästinensischen Gebieten zurückgekehrt: Dort haben sie auf Einladung des LidiceHauses an einem Dialogseminar mit gleichaltrigen Jugendlichen aus Beersheva und Bethlehem teilgenommen. Dieser Besuch sollte die 2010 im LidiceHaus begonnenen Kontakte und Gespräche mit israelischen und palästinensischen Jugendlichen vertiefen. Leihst du mir deinen Blick? Das Motto der Begegnung im Sommer zuvor sollte für uns auch das Anliegen dieser erneuten Begegnung sein. Trotz aller vorhandenen Probleme, die wir während der Vorbereitung des Followup-Treffens erlebten, setzen wir uns das Ziel, die Begegnung auch unter schwierigen Bedingungen zu ermöglichen, um Stereotypen und Feinbilder in diesem trilateralen Verhältnis abzubauen. Die Jugendlichen wollten zeigen, dass es in allen drei Gesellschaften junge Menschen gibt, die sich für Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit einsetzen. Am Checkpoint auf dem Weg nach Jerusalem: Dort angekommen mussten wir erst einmal wie Löwen in einem Zirkus durch einen langen Gittergang laufen und uns durch schwere Drehtüren zwängen. Überwacht wurden wir von Kameras und bewaffneten Soldaten, die gut versteckt mal hier und mal dort standen. Inga 10 11 Johann Der Unterschied zwischen den beiden Städten (Bethlehem und Beersheva) ist meiner Meinung nach enorm. [...] Flüchtlingslager (Deheishe) gegen Hochhäuser, kleine Supermärkte am Straßenrand gegen eine bewachte Mall. Alles in allem war dies beeindruckend, aber auch bedrückend. Sarah Das Treffen im Heiligen Land zwischen den drei Gruppen war für alle Beteiligten eine Herausforderung. Die israelischen Partner (Kibbutzschule Shoval) konnten im Rahmen von „Schule“ mit den Jugendlichen nicht nach Bethlehem kommen, da Israelis das Betreten der palästinensischen Gebiete untersagt ist. Zudem müssen „Schulausflüge“ immer mit bewaffneten Sicherheitskräften begleitet werden. So blieb uns nur die Möglichkeit, für die palästinensischen Jugendlichen aus Bethlehem und Nablus eine so genannte Permit bei den israelischen Behörden für das gemeinsame Treffen in Beersheva/Israel zu beantragen. Wenn diese Permits überhaupt ausgestellt werden, dann meistens nur für einen Tag. So kam es: erst am Vorabend des gemeinsamen Seminars kamen die lang ersehnten Genehmigungen für die palästinensischen Jugendlichen. Nach fast acht Monaten ausschließlicher Facebook-Kontakte sahen sie sich also wieder – für ein paar Stunden in Beersheva. Dies in einer Woche, die von Gewalttätigkeiten und leider auch Toten zwischen Siedlern und Palästinensern überschattet war. Und so erstaunte es uns, dass sich die jungen Leute trotz der widrigen Rahmenbedingungen herzlich begrüßten und umarmten. „Das, was es im letzten Jahr an Streitigkeiten gab, war gestern – heute seid ihr hier und das ist schön“, sagte eine israelische Jugendliche zur Begrüßung. Die gemeinsame Zeit war viel zu knapp bemessen, das war die deutliche Meinung aller Jugendlichen. Die persönlichen Gespräche kamen zu kurz und auch der Workshop musste vorzeitig beendet werden. „Warum können wir nicht länger zusammen sein?“ bzw. „Wozu diese Regelungen?“ – am Ende des Tages stand die Ernüchterung. Und für die palästinensischen Jugendlichen gab es einen weiteren Konflikt: die Permits waren bis 22 Uhr ausgestellt und gerne wären sie noch nach Jerusalem gefahren. Da aber in dem Papier der Militärverwaltung als Reiseziel nur Beersheva angegeben war, war ihnen der Besuch in Jerusalem nicht möglich. An der Promenade Tel Aviv: Auf unserem Rückweg kamen wir an der ausgebrannten Diskothek vorbei, die ein weiteres Beispiel für den fürchterlichen Konflikt zwischen Israel und Palästina ist. In dieser Diskothek gab es 2003 ein schreckliches Selbstmordattentat. Anna 12 13 Die Bremer Gruppe konnte während der Woche eine friedliche Jugenddemonstration in Bethlehem miterleben: dort und in anderen Orten der Westbank demonstrierten Jugendliche für einen Wechsel der politischen Führung in Westbank und Gaza. Die junge Generation dort schließt sich den arabischen Jugendprotesten in der Region dem Wunsch und der Forderung nach Freiheit und Unabhängigkeit an. Alle am Projekt Beteiligten waren und sind trotz der schwierigen Bedingungen überzeugt davon, dass nur Dialoge und persönliche Treffen helfen können, Spannungen und Konflikte abzubauen. Dialogarbeit mit der „Basis“ ist eine notwendige Aufgabe neben den politischen Verhandlungen. Dies erfordert Geduld und langfristige Projektpartnerschaften. Anette Klasing, LidiceHaus Peter Menken, Oberschule Leibnizplatz 14 in Bethlehem [...] In der Altstadt besuchten wir dann das Internationale Begegnungszentrum, Diyar: „Diyar ist der Plural des arabischen Wortes Dar und bedeutet „Heimat“. [...] Diyar verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, durch den besonders Kinder, Jugendliche, Frauen und ältere Menschen unterstützt werden. [...] Während wir dort das Zentrum besichtigten, hörten wir, dass zum selben Zeitpunkt eine Jugenddemonstration in der Altstadt stattfand. Frau Klasing führte uns also auf das Dach des Zentrums, von dem wir eine gute Aussicht auf die Demonstration hatten. Wir sahen Jugendliche, die gemeinsam laut rufend und Fahnen schwenkend durch die schmale Altstadt zogen und für einen Wechsel der politischen Führung in der Westbank und Gaza demonstrierten. Sarah 15 Wieder mussten wir durch den Checkpoint, doch diesmal sah der Soldat in seinem Häuschen nicht einmal richtig auf, als sei es ihm egal, wer da in das palästinensische Gebiet wollte. Im Grunde ist es (Tel Aviv) eine große Stadt mit vielen viel zu großen Häusern, von denen uns einige an den Kunstunterricht zurückdenken ließen. Katja Inga in Beersheva / Workshop Tel Aviv und Jaffa Wüste, Meer und Strand [...] Wir begannen das Seminar, indem sich jeder noch einmal namentlich in einem großen Stuhlkreis vorstellte, da wir uns ja seit einigen Monaten nicht mehr gesehen hatten. Danach haben alle ihre Namen an die Tafel neben das „Welcome to Israel“ geschrieben und wir begaben uns in Arbeitsgruppen, in denen sich jeweils Deutsche, Israelis und Palästinenser/innen befanden. [...] [...] Auf dem Weg nach Jaffa kamen wir an einer großen Synagoge vorbei. Da am Samstag in Israel Sabbat ist, liefen dort gerade die Vorbereitungen für die Sabbat Gebete. [...] Als wir von Jerusalem in die Judäische Wüste fuhren, konnten wir die wunderschöne Landschaft Israels bestaunen. Hierzu muss gesagt werden, dass man selten so eine abwechslungsreiche Landschaft zu bestaunen bekommt: Wüste, dann wieder Bäume, Beduinengruppen, den Blick aufs Meer sowie die verfallenen Häuser am Straßenrand, als wir am Toten Meer ankamen. Diese Anfahrt erwies sich aufgrund des ständigen Druck in den Ohren als nicht sonderlich angenehm. [...] In diesen Arbeitsgruppen bekamen wir dann Arbeitsblätter, auf denen wir notieren und in der Runde diskutieren sollten, welche 5 Gegenstände wir in unseren Koffer packen und mit anderen teilen bzw. selbst von den anderen annehmen würden, wenn wir für längere Zeit an einen einsamen Ort reisen würden. Sinn und Zweck dieser Übung sollte sein, dass die Gruppen ins Gespräch bzw. ins Thema kommen. [...] Janin 16 in Jerusalem [...] In der Altstadt hat mir persönlich vor allem das Handeln um die Gegenstände Spaß gemacht, denn so etwas wie Handeln hatte ich vorher noch nie gemacht. Und es lief wirklich gut! [...] Leider wurde es im Laufe der zwei Stunden immer voller in den kleinen Gassen der Altstadt, so waren wir am Ende der Zeit froh, aus dem Getümmel rauszukommen. Nach den zwei Stunden in der Altstadt besuchten wir das Willy Brandt Center. [...] Dort trafen wir auf Margret, eine Erzieherin, die für das Haus-Management im Willy Brandt Center zuständig ist. Bei einer Tasse Tee und Kaffee erzählte sie uns viele spannende Dinge über das Willy Brandt Center und dessen Arbeit. Das Zentrum hat das Ziel, gewaltfreie Kommunikation zwischen jungen Israelis und Palästinensern zu stärken und bietet viele Seminare, Workshops usw. an. [...] Inga Tel Aviv wuchs allerdings sehr schnell, weil die Stadt Zentrum der jüdischen Immigration war. In Jaffa angekommen sah man die schönen alten renovierten Hauser und ganz viele Verkaufsstände. Denn das ‚alte’ Jaffa von früher gibt es jetzt so nicht mehr, es ist eher ein Ort, der Touristen anziehen soll. Im Gegensatz zu Tel Aviv ist Jaffa eine sehr alte Stadt, in der ursprünglich Palästinenser lebten. [...] Anna Margret erzählte uns eine Geschichte, die wir sehr erschreckend fanden. Eine Geschichte über ein kleines jüdisch-israelisches Mädchen, das in Jerusalem im muslimischen Gebiet wohnte: Margret sah sie eines Tages ängstlich an der Straße stehen und fragte, was denn los sei. Das Mädchen antwortete, es traue sich nicht über die Straße, da wären die ganzen ‚bösen’ arabischen Menschen. Margret nahm sie an die Hand und begleitete sie über die Straße. Dann sah sie das Mädchen an und sagte, sie selbst sei auch eine Araberin. Das Mädchen riss sich los und rannte weg. Schwimmen in diesem Meer, dessen Salzgehalt bei unglaublichen 33% liegt, erwies sich – nun ja – als schwierig, da es für die meisten Menschen doch eher ungewohnt ist nur auf dem Rücken schwimmen zu dürfen und automatisch oben zu treiben. [...] Durch die ständige Wasserentnahme aus dem Jordan zur Versorgung Israels und Jordaniens mit Trinkwasser ist das Tote Meer von schleichender Austrocknung bedroht und sein Wasserspiegel sinkt seit ca. 1980 jährlich um einen Meter. Katja 17 2010 Das Programm in Beersheva/Israel und Bethlehem/Westbank Das Programm im LidiceHaus, Bremen Fr, 25. Juni Ankunft der israelischen und der palästinensischen Gruppe Begrüßungsspiele Kennenlernen des Ortes, des Teams und der Anderen Di, 29. Juni Workshop Der Planet meiner Träume Simulationsspiel über gesellschaftliche Normen, Werte und Bedürfnisse Reflektion Sa, 26. Juni Workshops 1. Wer bin ich, wo komme ich her, was kann ich bieten? Biographische Arbeit 2. Unsere Regeln & Verständnisse für die Zusammenarbeit Empfang im Rathaus u. Museumsbesuch Entdeckungs-Rallye durch die Stadt Bremen in multi-kulturellen Gruppen, mit Aufgaben Grillen Feedback zur Stadt-Ralley So, 27. Juni Workshop Wo sind wir hier? – Was ist wichtig über Deutschland zu sagen? Eine Präsentation der deutschen Gruppe Kleingruppenarbeit in nationalen Gruppen Was haben wir gehört, gesehen, gelernt Was wollen wir erreichen? FIFA Fußballspiel Präsentationen der Gruppen Mo, 28. Juni Outdoor-Workshop über Teamwork Zusammen lernen – Zusammen erleben Ausflug nach Bremerhaven: Klimahaus: interaktives Museum Mi, 30. Juni Genderbezogener Workshop Alle unterschiedlich – Alle gleich? zu gesellschaftlichen Normen und Bedürfnisse Outdoor Aktivitäten Flöße bauen – Werdersee – Kletterwände Team-Bildung Gruppen-Feedback Do. 1. Juli Workshop Ich und die Anderen – über Demokratie und Partizipation Besuch der deutschen Jugendlichen bei ihnen Zuhause Treffe die Anderen Fr, 2. Juli Workshop Wie gehen wir mit Konflikten um? (World-Café) Kleingruppenarbeit in nationalen Gruppen Sa, 3. Juli Evaluation individuell – national – gemeinsam Vorbereitungen Präsentaionen und Abschiedsfeier So, 13. März Ankunft in Beit Jala Mo, 14. März Einführung in die Situation vor Ort Besuch bei Lotty Camerman und Khaled Abu Awwad von Al Tariq: Beit Jala, ein arabischer Ort zwischen Bethlehem u. Jerusalem Treffen mit den palästin. Jugendlichen und Rundgang durch das Flüchtlingslager Deheishe/Bethlehem Besuch bei Umm Ahmet: die Situation und Rolle der Frauen in der palästin. Gesellschaft Di, 15. März Erkundung zu Fuß von Beit Jala nach Bethlehem Besuch des Colleges des Internationalen Begegnungszentrums Dar Al Kalima Rami Khader: Kultur und Bildung in der jungen palästinensischen Gesellschaft Besuch des Internat. Begegnungszentrums Gespräch mit TeilnehmerInnen der Jugenddemonstration in Bethlehem Treffen mit Noam und israelischen Jugendlichen des gemeinsamen Projekts in Beersheva Mi, 16. März Ankunft der palästinensischen Jugendlichen aus der Projektgruppe in Beersheva gemeinsame Fahrt zur Kibbutzschule Shova“ Workshop Wie ist es mir/uns seit unserer letzten Begegnung 2010 in Bremen ergangen Was wir miteinander teilen / teilen wollen, was uns trennt / unterscheidet trinationale Arbeitsgruppen Rundgang im Kibbutz Shoval Fahrt zum Schutzbunker in Beersheva 18 Noam, Initiative Negev Coexistence Forum for the Beduins: Lage der Beduinen im Negev und die Arbeit der Initiative Do, 17. März Thematische Jerusalem-Erkundung: Jerusalem – eine Stadt für Menschen aller Religionen und Kulturen? Besuch des Willy-Brandt-Zentrums Jerusalem bei Margret Kirreh: Anliegen u. Angebote des Zentrums für israeli sche, palästinensische u. andere junge Leute Besuch bei der Familie von Margret Kirreh: Lebensbedingungen und Konfliktlinien in der Heiligen Stadt Abschlussabend mit den palästinensischen TeilnehmerInnen Fr, 18. März Fahrt in die judäische Wüste sowie zum Toten Meer Zur geopolitischen Lage des Jordantals und zur Wasserproblematik in Israel und Palästina Freizeit am Toten Meer Abfahrt nach Tel Aviv und erster Rundgang Zwischenbilanz Sa, 19. März Rundgang in Tel Aviv 100 Jahre Tel Aviv – Geschichte und Entwicklung der Stadt Besuch der großen Synagoge Besuch in Neve Zedek zu Fuß nach Jaffa: Das alte und das neue Jaffa – zur Geschichte einer ehemals arabischen Stadt Evaluation des Seminars und Abschlußabend So, 20. März Abfahrt der deutschen Gruppe nach Tel Aviv Flug nach Bremen 19 2011 Nachwort Während wir noch an dieser Dokumentation arbeiten, erreicht uns eine traurige Nachricht: Juliano Mer Khamis, Direktor des FreedomTheatre in Jenin wurde ermordet. Durch unsere Freundin und Kollegin Lotty Camerman (Israel) erreichte uns am Montag, den 4. April die Nachricht vom grausamen Mord an Juliano Mer Khamis, Direktor und Schauspieler des Freedom Theatre in Jenin. Das LidiceHaus hat – ebenso wie einige andere Jugendkultureinrichtungen in Deutschland – mit Juliano und seinen jungen SchauspielerInnen des Freedom Theatre zusammen gearbeitet – zuletzt waren sie im Herbst 2009 im LidiceHaus zu Gast. Juliano hatte sich der Theaterarbeit mit „seinen Kindern“ verschrieben. Seine Lebenserfahrungen als Sohn einer jüdischen Mutter und eines palästinensischen Vaters sowie seine professionellen Schauspielerfahrungen brachte er mit Leidenschaft in das Theater ein. Er thematisierte immer wieder die belastenden Erfahrungen durch die israelische Besatzung im Flüchtlingslager Jenin sowie auch die innerpalästinensischen Widersprüche innerhalb der eigenen Gesellschaft. Juliano und sein Team waren immer sehr mutig und arbeiteten dem Leben zugewandt. Wir trauern um Juliano und wünschen „Julianos Children“ und seiner Familie viel Kraft, zuverlässige Freunde und große Unterstützung auf ihrem weiteren Weg. 5. April 2011 für das LidiceHaus Anette Klasing 20 Danke Hier einige Gedanken von Schauspielstudenten des Freedom-Theatre: Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Förderern unseres Projektes ganz herzlich bedanken. Denn ohne deren Unterstützung wären die Begegnungen nicht möglich gewesen. “Juliano, your mother’s children have passed away, your mother Arna has passed away and so did you – but your children are going to stay, following your path on the way to the freedom battle, and we will go on with your revolution’s promise, the Jasmine revolution.“ 2010: - Europeans for Peace / Stiftung ‚Erinnerung – Verantwortung – Zukunft’ - Bundesjugendministerium / ConAct (Deutsch – Israelisches Jugendwerk) - Stiftung ‚Begegnung: Deutsch – Palästinensisches Jugendwerk’ “The Revolutionary message will not pass away. It will come storming the yellow sands and the mountains covered by almond trees, blowing the jasmine revolution out of the freedom fighter’s hands, from here, from the Freedom Theater’s stage, where men were and are made to be free and engaged in the cultural revolutionary battle for Freedom.“ “In thousands of silences only one violin is playing, and in thousands of silences only one voice is rising up, it’s the freedom fighters’ voices, to whom you taught how to carry the cultural gun on their shoulders.” Juliano’s Children Wir möchten diese Dokumentation dennoch auch mit einer erfreulichen Nachricht beenden: Im April haben wir von der Stiftung Demo kratisch Handeln erfahren, dass unser Projekt Leihst du mir deinen Blick? im Rahmen des 2010 ausgeschriebenen Wettbewerbs ausgewählt worden ist und einige Jugendliche – stellvertretend für die Projekt gruppe – im Juni diesen Jahres in der Akademie Tutzing eine Auszeichnung für das außergewöhnliche Engagement erhalten werden. 2011: - Senatorin für Jugend & Soziales, Bremen - Beirat Neustadt - Stiftung ‚Begegnung: Deutsch – Palästinensisches Jugendwerk’ - Bernd und Eva Hockemeyer Stiftung sowie - Saleh El Serray - Hanse Security - Willi Lemke - Anning Lehmensiek - Katja Barloschky