Urlaub bei Krankheit – Zusammenfassung der Rechtsprechung Die

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Urlaub bei Krankheit – Zusammenfassung der Rechtsprechung Die
Urlaub bei Krankheit – Zusammenfassung der Rechtsprechung
Die im Anschluss an die geänderte Rechtsprechung zum Verfall des Urlaubs bei
Krankheit aufgetretenen Folgefragen sind inzwischen überwiegend höchstrichterlich
geklärt. Den derzeitigen Stand der Rechtsprechung fassen wir wie folgt zusammen:
Tariflicher Mehrurlaub
Es ist zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem tariflichen Mehrurlaub des
TVöD zu unterscheiden (BAG vom 22. 5. 2012 – 9 AZR 575/10 –; Rundschreiben
Nr. 18 vom 25. 5. 2012, Punkt 3.2).
Der tarifliche Mehrurlaub verfällt auch bei Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten
gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD spätestens am 31. Mai des Folgejahres (BAG
vom 22. 5. 2012 – 9 AZR 575/10 –; a.a.O.).
Gesetzlicher Mindesturlaub
Der gesetzliche Mindesturlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen
werden konnte, verfällt 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres, also zum
31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres (BAG vom 7. 8.
2012 – 9 AZR 353/10 –; Rundschreiben Nr. 26 vom 13. 8. 2012, Punkt 1, und Nr. 32
vom 15. 11. 2012, Punkt 4).
Beispiel
Ein Beschäftigter mit 30 Urlaubstagen nach TVöD ist seit dem 14. 3. 2010 krank.
Urlaubsanspruch 2010:
10 Tage tariflicher Mehrurlaub verfallen zum 31. Mai 2011
20 Tage gesetzlicher Urlaub verfallen zum 31. März 2012
Urlaubsanspruch 2011:
10 Tage tariflicher Mehrurlaub verfallen zum 31. Mai 2012
20 Tage gesetzlicher Urlaub verfällt am 31. März 2013
Urlaubsanspruch 2012:
10 Tage tariflicher Mehrurlaub verfällt am 31. Mai 2013
20 Tage gesetzlicher Urlaub verfällt am 31. März 2014
Urlaub bei ruhendem Arbeitsverhältnis
Der gesetzliche Erholungsurlaub (§§ 1, 3 BUrlG) und der schwerbehinderten
Menschen zustehende Zusatzurlaub (§ 125 Abs. 1 SGB IX) setzen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus. Gesetzliche Urlaubsansprüche
entstehen auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung (§ 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD) das Ruhen
des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft (BAG vom 7. 8. 2012
– 9 AZR 353/10 –; a.a.O.). Die gesetzlichen Urlaubsansprüche unterliegen allerdings
der 15-monatigen Verfallfrist (s.o.).
§ 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD ist insoweit unwirksam, als er auch die Verminderung
gesetzlicher Urlaubsansprüche von Beschäftigten und schwerbehinderten Menschen
erfasst, die aus gesundheitlichen Gründen keine Leistung erbracht haben (BAG vom
18. 9. 2012 – 9 AZR 623/10 –).
Diese Entscheidungen betreffen nur den gesetzlichen Urlaub nach dem BUrlG sowie
den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen, nicht jedoch den tariflichen
Mehrurlaub. Dieser ist weiterhin nach § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD für jeden vollen
Monat des Ruhens des Arbeitsverhältnisses um ein Zwölftel zu kürzen.
Ob diese Grundsätze auch bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen des
Arbeitslosengeldbezugs nach Ablauf der Krankengeldzahlungen gelten, ist noch nicht
höchstrichterlich entschieden. Entsprechende Verfahren sind beim BAG anhängig.
Urlaubsabgeltung
Auch für Abgeltungsansprüche ist zwischen dem gesetzlichen und dem tariflichen
Urlaub zu unterscheiden. Die Abgeltung tariflicher Mehrurlaubsansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht davon abhängig, dass der Beschäftigte die
Arbeitsfähigkeit wiedererlangt (BAG vom 22. 5. 2012 – 9 AZR 618/10 –; Rundschreiben Nr. 18 vom 25. 5. 2012, Punkt 3.2).
Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein reiner Geldanspruch und damit unabhängig
von der Arbeitsfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeit des ausscheidenden Beschäftigten
zu erfüllen. Er unterfällt deshalb nicht dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG und
muss auch nicht im Urlaubsjahr geltend gemacht werden. Für den Abgeltungsanspruch als reinen Geldanspruch gelten damit auch die tariflichen Ausschlussfristen
(BAG vom 19. 6. 2012 – 9 AZR 652/10 –, Rundschreiben Nr. 30 vom 11. 10. 2012,
Punkt 4).
Der Urlaubsabgeltungsanspruch wird auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig und unterliegt als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis den tariflichen Ausschlussfristen (BAG vom 9. 8. 2011 – 9 AZR 352/10 –;
Rundschreiben Nr. 15 vom 31. 8. 2011, Punkt 3).
Tilgungsbestimmungen
Differenziert eine tarifvertragliche Regelung hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem tariflichen
Mehrurlaub, liegt in Höhe des gesetzlichen Urlaubs Anspruchskonkurrenz vor. Das
hat zur Folge, dass mit der Freistellung des Beschäftigten von der Verpflichtung zur
Arbeitsleistung der Arbeitgeber beide Ansprüche ganz oder teilweise erfüllt, auch
ohne ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung (BAG vom 7. 8. 2012
– 9 AZR 760/10 –). Das gilt z.B. auch für den TVöD.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer ist vom 1. 1. 2005 bis zum 28. 2. 2011 beschäftigt. Der Urlaubsanspruch
beträgt 29 Tage im Kalenderjahr. Im Jahr 2009 erhält der Beschäftigte 15 Tage Urlaub. Ab dem
29. 4. 2009 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ist der Beschäftigte durchgehend infolge
Krankheit arbeitsunfähig. Er verlangt nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von weiteren 14 gesetzlichen Urlaubstagen aus dem Jahr 2009.
Die 15 Urlaubstage für 2009 sind sowohl auf den gesetzlichen als auch auf den tariflichen
Urlaub gewährt worden. Es steht ihm nur noch eine Urlaubsabgeltung für fünf weitere Tage
gesetzlichen Resturlaub aus dem Jahr 2009 zu.
Rundschreiben KAV RP Nr. 3 vom 6. 2. 2013
(Az.: 312.26 A und 625 A)