Leseprobe dieses Buches

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Leseprobe dieses Buches
Ulli Olvedi
Meditative Energiearbeit
nach den Prinzipien des tibetischen Tantra
Arbor Verlag
Freiamt im Schwarzwald
Copyright © Arbor Verlag, Freiamt, 2007
Inhalt
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2007
Dank
Lektorat: Eva Bachmann
Satz und Gestaltung: Anke Brodersen
Druck und Bindung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm
Dieses Buch wurde auf 100% Altpapier gedruckt und ist alterungsbeständig.
Weitere Informationen über unser Umweltengagement finden Sie
unter www.arbor-verlag.de/umwelt.
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Prinzipien des buddhistischen Tantra
Subtile Energie
Das Mandala der subtilen Energie
„Gefährliches“ Tantrayana
Die kleinen Ziele und das große Ziel
Die drei Entwicklungsstufen
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Fühlendes Wahrnehmen – das Tor zur subtilen Energie
Entspannung von Körper-und-Geist
Imagination
Anfang – Mitte – Ende
Ulli Olvedi
www.arbor -verlag.de
ISBN 978-3-936855-50-0
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Dank
Der tibetische Gelehrte und Meditationsmeister Tarab Tulku (1935–
2004), der fast vierzig Jahre lang in Dänemark lebte und hauptsächlich in Europa
lehrte („Unity in Duality“), hat die Prinzipien des buddhistischen Tantra aus ihrer
tibetischen Kulturverpackung genommen und sie in einfacher, für westliche Menschen zugänglicher Form präsentiert. Auf den inspirierenden Unterweisungen von
Tarab Tulku beruht die „Meditative Energiearbeit“, die ich, von ihm begleitet, entwickelt habe. Er starb viel zu früh, aber er hat mich nicht verlassen.
Außerdem gilt mein tiefer Dank meinen buddhistischen Lehrern Chögyam
Trungpa Rinpoche (1940–1987), Tulku Urgyen Rinpoche (1920–1996) und Chökyi Nyima Rinpoche (geb. 1951), die mich seit 1973 mit den traditionellen Lehren
und Meditationsformen vertraut machten und mir ihre reiche Inspiration für Studium und Praxis des Dharma vermittelt haben.
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Prinzipien des
buddhistischen Tantra
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„Es genügt nicht, dass wir unser Verhalten ändern.
Wir müssen unsere Energie verändern.“
Subtile Energie
Tarab Tulku
Das buddhistische Tantrayana wird unter anderem als „Weg der Energie“ bezeichnet. Das besagt, dass sich die Theorie und die Meditationspraxis des
Tantra mit den subtilen Energien des Körpers und des Geistes (Körper-Geist-Energie) befassen.
In der Meditativen Energiearbeit nehmen wir Beziehung zur subtilen KörperGeist-Energie auf. Man kann diese Energie in verschiedene Ebenen unterteilen, doch
solch eine Einteilung ist nur als Orientierungshilfe zu verstehen. „Energie“ kann
man nicht unterteilen. Jegliche Strukturierung kann sich nur auf ihre „Ladung“
beziehen, und diese hängt im Fall der subtilen Energie von unserer inneren Entwicklung und Intention ab.
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Das Mandala der subtilen Energie
Mandala ist ein Sanskritwort und bedeutet Kreis. Es ist ein grundlegendes Symbol für Ganzheit, für das Ordnungsprinzip, das dem gesamten Universum zugrunde liegt.
Alles, was existiert, hat ein Innen und ein Außen, hat ein Zentrum und umgebende, auf das Zentrum bezogene Anteile. Das ist die natürliche Hierachie. Ist
keine eindeutige Mitte da, fällt das Umgebende auseinander. Der Tiefenpsychologe
C. G. Jung stellte fest, dass seine Patienten ihren Heilungsprozess oft ganz spontan
mit dem Malen von einfachen oder auch komplizierten Mandalas begleiteten, auch
wenn sie noch nie ein traditionelles Mandala gesehen hatten.
Wir können uns die verschiedenen Energieebenen in der Form eines Kreises vorstellen, der drei konzentrische Abschnitte enthält. Die Energie ist letztlich immer
dieselbe, trägt jedoch verschiedene Informationen. Nehmen wir als Vergleich das
Element Wasser (H²O). Vollkommen reines, also mehrfach destilliertes Wasser enthält keine Mineralien, organischen Stoffe und Bakterien mehr. Aber Wasser ist nicht
gleich Wasser. Es gibt sehr unterschiedliche Gewässer mit sehr unterschiedlichen
Gehalten. Wir sagen zwar vereinfachend „Wasser“, doch um präzise zu ein, müssen
wir jedes Wasser nach seinen Inhalten bestimmen. Ähnlich können wir mit der
subtilen Energie verfahren.
Die äußere Ebene
Dies ist die vitale Energie, die vor allem mit dem Körper und den groben, mit dem
körperlichen Geschehen verbundenen Funktionen zusammenhängt. Zu dieser Ebene kann man Heilmethoden wie Akupunktur und Ähnliches zählen. Dies ist auch
der hauptsächliche Bereich der schamanischen Energie, die unter Umständen auch
in die innere Ebene reicht.
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Die innere Ebene
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Die Energie der zweiten Ebene können wir als psychische Energie bezeichnen. Sie
ist feiner und hat mit dem Gefühlsbereich zu tun. „Zweckgebundene“ Meditationen
wie Shamatha (Geisteszähmung) oder auch Bittgebete gehören zu diesem Bereich.
In den traditionellen Energiesystemen Tibets, Indiens und Chinas umfasst die jeweilige Energiepraxis im Allgemeinen die äußere und die innere Ebene und bezieht –
vor allem im tibetischen Buddhismus – im Rahmen zumeist geheim übermittelter
Übungen auch die innerste Ebene mit ein.
Die innerste oder geheime Ebene
Die Energie der innersten Ebene kann man als spirituelle Energie bezeichnen. Dies
ist die feinste aller subtilen Energien, der Bereich der höchsten Meditationsformen,
die den Geist zur Loslösung von der dualistischen Fixierung und in den Zustand der
Nichtdualität führen. Die Erfahrung dieses geistigen Bereichs wird im Tantrayana
auch als „die große Glückseligkeit“ bezeichnet.
Berichte über Erfahrungen der innersten Ebene finden sich vor allem im Buddhismus, aber auch in anderen spirituellen Entwicklungsformen wie in der altindischen vedischen Überlieferung, in der christlichen Mystik oder im Sufismus, der
mystischen Richtung des Islam.
Diese Ebene wird vor allem deshalb als geheim bezeichnet, weil sie nicht ohne
spezielle geistige Voraussetzungen zugänglich ist.
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„Gefährliches“ Tantrayana
Die traditionelle Bezeichnung „geheim“ weist darauf hin, dass diese
Ebene erst mit den geeigneten mündlichen Unterweisungen und eigener meditativer Erfahrung erschlossen werden muss. Sie hält sich für „Außenstehende“ selbst
geheim, und wer sie „knacken“ möchte, ohne die Voraussetzungen zu erfüllen, fällt
auf unsinnige oder sogar gefährliche Missverständnisse herein.
Die Ebenen unterscheiden sich im Hinblick auf die Subtilität der Energie. Nehmen wir die Analogie der Kokosnuss: Außen ist die harte Schale, innen das weichere
Mark und ganz zuinnerst ist die flüssige, klare Kokosmilch. Alle drei Bereiche gehören zusammen, um die Kokosnuss zu bilden. So gehören alle Ebenen des EnergieMandalas zusammen, um die Ganzheit unseres Seins zu bilden. Keine Ebene darf
negiert werden, weder die grobe äußere noch die subtilste innerste.
Die kleinen Ziele und das große Ziel
Unser Mandala lässt uns die Beziehung zwischen kleinen Zielen (auf
der Ebene der vitalen Energien) und dem großen Ziel (die spirituelle Zielsetzung)
erkennen. Wir können hier zwischen Persönlichkeitsentwicklung und spiritueller
Entwicklung unterscheiden. Die Persönlichkeitsentwicklung ist eine notwendige
Vorbereitung für die spirituelle Entwicklung, aber sie ist nicht mit ihr identisch.
Ein traditioneller tibetischer Spruch sagt: „Der Weg zum heiligen Berg Kailash
beginnt mit dem Schritt vor die Haustür.“ Auf diesem Weg gibt es Stationen, Tagesetappen, und jede davon stellt für sich ein kleines Ziel dar. Doch alle diese kleinen
Ziele liegen auf einer Linie zum großen Ziel, sind darauf bezogen. Die kleinen Ziele
– Verbesserung der körperlichen und geistigen Spannkraft, Heilung von körperlichen und geistigen Störungen usw. – sollten ebenso in Beziehung zum großen Ziel
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im Mittelpunkt des Mandalas stehen: der geistigen Verwirklichung oder Transformation, das heißt der Verwandlung der Energien des Ego in die Energien der Weisheit
und des vollkommenen Mitgefühls. Dann ist das Lebensmandala erfüllt. Ohne die
Beziehung zu diesem großen Ziel besteht die Gefahr, dass kleine Ziele in falschen
Richtungen angesteuert werden, die also eher wegführen vom großen Ziel, nämlich der Entfaltung vom potentiellen Menschen zum verwirklichten Menschen. Wer
beispielsweise „Energiearbeit“ mit Shaolin-Kunststücken verwechselt oder sich um
schamanische Tricks bemüht, um andere zu beeindrucken, katapultiert sich möglicherweise allzu wirkungsvoll aus dem Mandala hinaus.
Vom „großen Ziel“ zu sprechen ist allerdings nur im Zusammenhang mit der
Orientierung sinnvoll. Denn auf dem spirituellen Weg geht es nicht darum, etwas zu
erreichen. „Das Ziel existiert in jedem Augenblick unserer Lebenssituation, in jedem
Augenblick unseres spirituellen Weges“ (Chögyam Trungpa).
Persönlichkeitsentwicklung und spirituelle Entwicklung
In der Persönlichkeitsentwicklung geht es darum, dass man sich wohler fühlen und
mit dem Leben besser zurechtkommen möchte. In der spirituellen Entwicklung geht
es darüber hinaus darum, sich selbst, den eigenen Geist, den „Geist“ überhaupt,
wirklich zu verstehen und über die Kluft zwischen „ich“ und „andere“ hinauszuwachsen, um die inhärente Weisheit und Liebesfähigkeit zu entfalten. In unserem
ganzheitlichen Mandala ist das „kleine“ Ziel, die kleine Motivation, im großen Ziel,
in der spirituellen Motivation, enthalten.
Das Mandala ist der bildhafte Ausdruck der spirituellen Motivation. Ohne diese
Motivation kann es keine Ganzheit in unserer Entwicklung geben. Tibetische spirituelle Lehrer drücken es manchmal sehr einfach aus: „Das Allerwichtigste ist ein
gutes Herz.“
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