Oberstufe 8

Transcrição

Oberstufe 8
Geschichte
Oberstufe 8
Material für Lehrerinnen
und Lehrer
Mit Maturaleitfaden
und Aufgabenpool
Stephan Scharinger
Thomas Schwaiger
Franz Melichar
Irmgard Plattner
Claudia Rauchegger-Fischer
2
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
Lösungen – Zusatzinformationen
1 Europa und die Europäische Union
Einstiegsdoppelseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
„Was ist Europa?“ – eine Frage und viele Antworten. . . 7
1
Einstiegsdoppelseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Zwei Global Player beziehen außenpolitisch
Position. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24
Europa ist wie ein Fahrrad. Hält man es an, fällt
es um.
Die EU – eine „Organisation ganz eigener Art“? . . . . . . 7
Die Geschichte der EU in politischen Sachbüchern . . . 9
Ein neues, nicht das alte Europa. . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Erweiterungs- und Einigungsprozesse. . . . . . . . . . . . 10
Der Euro und die Euro-Krise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Die Perspektive erweitern I: Meinungen zu Euro
und Euro-Krise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Die Perspektive erweitern II: Meinungen zur
Zukunft der EU. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
„Festung Europa“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
ExpertInnengespräch:
Die Europäische Union – woher, wohin?. . . . . . . . . . . 14
Ich und die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2
2 Internationale Politik und Wirtschaft
1
USA – Anspruch und Last internationaler Führung. . .
Al-Qaida – Aufstieg eines Terrornetzwerkes. . . . . . . .
„Change“ – Barack Obama. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die UNO nach dem Ende der bipolaren Ordnung. . . .
2
4
28
28
29
29
3Globalisierung
Die Welt „globalisiert“ – aber warum?. . . . . . . . . . . . .
„Globo“ – die Welt als kleines Dorf. . . . . . . . . . . . . . .
Der Siegeszug des Kapitalismus . . . . . . . . . . . . . . . .
„Mensch vor Profit“ – die NGOs. . . . . . . . . . . . . . . . .
ExpertInnengespräch:
Finanzkrise, Eurokrise, Staatenkrise. . . . . . . . . . . . . .
Muhammad Yunus: Den Teufelskreis
der Armut durchbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Balkan – der einzige Kriegsort in Europa
nach 1945
30
30
31
31
33
33
East goes West – Osteuropa im Wandel
Deutschland – ein Sonderfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Pioniere des Wandels – Polen und Ungarn. . . . . . . . . 18
Russland – eine Scheindemokratie?. . . . . . . . . . . . . . 19
25
26
26
27
Die Arabische Revolution
„Von der Diktatur zur Demokratie“ . . . . . . . . . . . . . . .
Jasminrevolution in Tunesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sturz des Diktators in Ägypten. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Libyen und Syrien – Krieg gegen das eigene Volk . . .
Erfolge und Krisen von Titos Jugoslawien. . . . . . . . . . 16
Der Zerfall und die blutigen Folgen. . . . . . . . . . . . . . . 16
ExpertInnengespräch:
Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien . . . . . . . . . . . . 17
3
Das Jahr 1989 und seine Folgen
Methode: Dekonstruktion von Graphic Novels
und Comics. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4
Der wirtschaftliche Aufstieg der BRIC-Staaten
„Typisch BRIC“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34
China und Indien – zwei mögliche Supermächte . . . . 34
Russland und Brasilien – Reichtum an Rohstoffen. . . 34
Methode: Historische und politische Urteile
analysieren und vergleichen. . . . . . . . . . . . . . . 35
5
„We are the 99 %“ – Occupy Wall Street
Quo vadis, Europa? – Die Türkei und die EU
Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 1. . . . . . .
Historischer Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pro und Kontra zum EU-Beitritt der Türkei. . . . . . . . .
Der EU-Beitritt aus österreichischer und
türkischer Sicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
21
21
21
Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 2. . . . . . .
Protest der Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wie alles begann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hintergründe der Protestbewegung . . . . . . . . . . . . . .
36
37
37
37
Inhaltsverzeichnis
3
4 Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
3 Österreich öffnet sich der Welt
Einstiegsdoppelseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Das Ende der amerikanischen Supermacht
nach „9/11“?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Einstiegsdoppelseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Zwei Bälle – ein Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1
Österreichs Gesellschaft im Wandel
1
Die postindustrielle Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . 40
„Endstation Prekariat“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Frauen als Modernisierungsgewinnerinnen?. . . . . . . . 41
2
3
4
42
42
43
2
43
44
3
45
45
45
46
46
4
48
5
55
55
55
56
56
57
58
58
58
59
59
59
Kunst und Kultur
Kunst – so vielfältig wie noch nie . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Kunst im (politischen) Konflikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Moderne Medien und Politik
Mediendemokratie und politischer Skandal . . . . . . . .
Möglichkeiten und Grenzen der neuen Medien
am Beispiel des Irans, 2009. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die große chinesische (Internet-)Mauer. . . . . . . . . . . .
Facebook, Twitter – und die Demokratie. . . . . . . . . . .
Die Piraten – eine Herausforderung für die
traditionellen Parteien?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Whistleblower: Gibt es eine Verpflichtung
zur Information der Öffentlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . .
ExpertInnengespräch: Das politische Interview. . . . . .
Methode: Oral History –
ZeitzeugInnenbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Österreichische Jugendliche: Keine Mission,
keine Vision, keine Revolution
Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 3. . . . . . .
Junge Österreicherinnen und Österreicher:
Herkunft = Identität?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jugendliche und Politik – der Wunsch nach einer
„starken Demokratie“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jugendliche und Berufschancen:
Für AkademikerInnen sind die Aussichten rosig . . . . .
54
54
Gesellschaft im 21. Jahrhundert
Migration und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Altern im 21. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
So viel Gender wie heute war noch nie. . . . . . . . . . . .
Patchwork-Familien, Singles, Homo-Ehen –
neue Formen des Zusammenlebens . . . . . . . . . . . . .
Das Recht auf eine freie sexuelle Orientierung . . . . . .
Punk, Gothics, Hip-Hop – Jugendkulturen. . . . . . . . .
44
44
45
53
54
Längsschnitt: Geschichte der Umweltbewegung
Von Rousseau bis zur Romantik. . . . . . . . . . . . . . . . .
Naturschutz- und Hygienebewegung –
Folgen der Hochindustrialisierung im 19. Jh. . . . . . . .
1970er-Jahre: die ökologische Revolution. . . . . . . . . .
Von der Hainburger Au bis Rio. . . . . . . . . . . . . . . . . .
„Think global, act local“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Was kann ich tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das politische System in Österreich –
ein Grundkurs
Wahlen und Wählen – Kennzeichen einer
Demokratie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Direkt oder indirekt? – Formen der
demokratischen Beteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Parlament und Parlamentarismus. . . . . . . . . . . . . . . .
Wie entsteht ein Gesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Berufswunsch Bundespräsidentin oder
Bundespräsident – was nun?. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Verbände und Sozialpartnerschaft. . . . . . . . . . . . . . .
Wann muss ich nach Hause gehen?
– Föderal versus zentral. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Politik wird inszeniert – die Mediendemokratie. . . . . .
Demokratieunzufriedenheit weckt Reformideen. . . . .
ExpertInnengespräch: „Ende des Gehorsams –
Beginn des Umdenkens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Perspektive erweitern:
Postdemokratie versus multiple Demokratie. . . . . . . .
Extremismen gefährden die Demokratie. . . . . . . . . . .
Extremismus und Demokratiefeindlichkeit
in Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Islamismus – politischer Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Österreichische Politik am Beginn des
21. Jahrhunderts
Die „schwarz-blaue“ Koalition. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die dritte Große Koalition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Reformansätze seit 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ExpertInnengespräch:
Wozu brauchen wir das EU-Recht und
den Europäischen Gerichtshof?. . . . . . . . . . . . . . . . .
Demokratie in der Krise?
49
49
61
61
61
62
62
62
63
49
50
Methode: Dekonstruktion von
Geschichte-Schulbüchern. . . . . . . . . . . . . . . . 64
4
6
Inhaltsverzeichnis
2 Aufgabenpool GO! 5–GO! 8, Beispiele
1 Vorschlag für einen Themenpool
„User oder Loser?“ – der Mensch in der
Wissensgesellschaft
Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 4. . . . . . . 64
Die Entstehung der Wissensgesellschaft . . . . . . . . . . 64
Google+ versus Facebook: „Kampf der Giganten“. . . 65
2
Kompetenzorientierte Maturaaufgaben
MA 3
MA 22
MA 29
MA 42
Maturaleitfaden und Beispiele aus
dem Aufgabenpool
1Maturleitfaden
1 Basisinformation zur Reifeprüfungsverordnung
174. Verordnung für das Fach GSP vom
30. 02. 2012 – Ausschnitte und Erläuterungen. . . . . . 68
Rundschreiben zur neuen Reifeprüfung, Reife- und
Diplomprüfung – Ausschnitte und Erläuterungen. . . . 70
Vorblatt und Erläuterungen zur Prüfungsordnung
AHS – Ausschnitte und Erläuterungen . . . . . . . . . . . . 72
2
GO!-Themenpool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Dekonstruktion von historischen Darstellungen
berühmter Personen am Beispiel von Karl
dem Großen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
„Kriegsschuldfrage“ im Ersten Weltkrieg
aus der Sicht der Wissenschaft. . . . . . . . . . . 88
Wirtschaftskrisen und Krisen
der Demokratie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Die Anti-Atomkraft-Bewegung. . . . . . . . . . . . 94
Bildquellen, Textquellen und
Literatur
Bildquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Textquellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Kompetenzmodelle – Anforderungsbereiche
und Operatoren
Konzepte für den Geschichtsunterricht. . . . . . . . . . . . 73
Kompetenzmodelle: historische und politische
Kompetenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Anforderungsbereiche und Operatoren . . . . . . . . . . . 75
3
GO! > Web
Anleitung zur Erstellung von Maturaaufgaben
Schritt 1: Thema aus dem GO!-Themenpool
auswählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schritt 2: Arbeitsaufgabe 1 oder
Arbeitsaufgabe 2 erstellen . . . . . . . . . . . . .
Schritt 3: Aufgabenstellungen zu den drei
Anforderungsbereichen formulieren. . . . . .
Schritt 4: Material auswählen: Textquellen, Fotos,
Infografiken, Karikaturen usw.. . . . . . . . . . .
79
79
79
81
Hinweis: Eine Übersicht, die auflistet, welche
politischen Kompetenzen im jeweiligen Abschnitt
bzw. Arbeitsauftrag am wichtigsten sind, sowie
eine Jahresplanung für den Geschichtsunterricht
mit zwei Wochenstunden finden Sie als bearbeitbare
Worddokumente auf www.dorner-verlag.at.
Vorbemerkung
5
Liebe Kollegin, lieber Kollege,
im vorliegenden Printteil des GO! Geschichte Oberstufe 8
LehrerInnenmaterials bieten wir Ihnen wie in den Vorgängerheften Lösungen und Lösungsvorschläge zu den Arbeitsaufträgen im GO! 8-SchülerInnenband sowie Zusatzinformationen zu den behandelten Inhalten.
Die auf der Homepage www.dorner-verlag.at abrufbare Jahresplanung zeigt eine Möglichkeit auf, mit GO! Geschichte Oberstufe 8 zu arbeiten.
Im letzten Abschnitt des Heftes finden Sie einen Ausschnitt aus dem GO! 8-Maturaleitfaden mit Aufgabenpool, den wir Ihnen in vollständiger Form auf einer CDROM zur Verfügung stellen.
Wir hoffen, Ihnen mit dieser Maturaleitfaden-CD-ROM die
gezielte Vorbereitung Ihrer SchülerInnen auf die Anforderungen der neuen Reifeprüfung zu erleichtern und Ihnen
Informationen und Material zur Verfügung zu stellen, das
Ihnen die Entwicklung eines Themenpools und die Erstellung von kompetenzorientierten Maturaaufgaben erleichtert.
Im ersten Abschnitt des Maturaleitfadens finden Sie Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und zu
den fachspezifischen Kompetenzmodellen. Es folgt eine in
der Praxis erprobte Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Erstellung von Maturaaufgaben.
Anschließend stellen wir Ihnen einen auf den vier
Bänden der Schulbuchserie GO! Geschichte Oberstufe basierenden möglichen Themenpool vor. Im Schlussteil finden
Sie 42 kompetenzorientierte Aufgabenstellungen mit
ausführlichen Lösungsmöglichkeiten.
Alle Maturaaufgaben entsprechen den Anforderungen der neuen Reifeprüfung und alle Aufgabenstellungen
und Lösungsmöglichkeiten basieren auf den Themen und
Inhalten der Serie GO! Geschichte Oberstufe.
Sie können diese Vorschläge für Maturaaufgaben direkt
übernehmen und Sie z. B. Ihren Schülerinnen und Schülern als Übungsmaterial zur Verfügung stellen. Die Aufgaben können Ihnen auch als Modelle dienen, wenn Sie anhand der Anleitung selbst neue Aufgabenstellungen
konzipieren.
Da Sie auf der GO!-Maturaleitfaden-CD-ROM alle Aufgabenstellungen sowohl als PDFs als auch als bearbeitbare
Worddokumente finden, können Sie die Aufgaben auch
problemlos an Ihren Unterricht und den Wissens- bzw.
Kompetenzstand Ihrer SchülerInnen anpassen.
Bitte beachten Sie dabei, dass Primärtexte aus Fremdquellen im Sinne des Urheberrechtsgesetzes nicht verändert werden dürfen.
Wir hoffen, Ihnen mit diesem Begleitheft die Vorbereitung
des Unterrichts und der neuen Reifeprüfung zu erleichtern.
Herzlichst,
Ihr AutorInnen-Team
6
Lösungen – Zusatzinformationen
1 Europa und die Europäische Union
Themen und Aufbau
Konzept- bzw. aspektorientierte Themen:
Politische Strukturen der EU
Wirtschaftliche Veränderungen als Grundlage gesellschaftlichen Wandels
Urteilsbildung zu aktuellen politischen Problemen am
Beispiel der Eurokrise und der Zukunft der EU
Ursachen, Grundlagen und Auswirkungen von Staatenbildungen am Beispiel der Entstehung und Expansion
der EU
Politische Unterdrückungsmechanismen und Ausgrenzung bestimmter Ethnien am Beispiel der Balkankriege
Politische Organisation von Staaten am Beispiel des
Wandels in Osteuropa
Methodenorientiertes Thema:
Dekonstruktion von Graphic Novels und Comics
• Gegenwartsbezug als Kapiteleinstieg:
Bildquelle: Das Foto des EM-Qualifikationsspiels Österreich – Türkei vom September 2011 ermöglicht es,
ausgehend von der Lebensrealität der Jugendlichen
und von ihren Interessen die Frage der Definition „Europas“ zu diskutieren. Durch die Beschäftigung mit
den Aufgaben auf der Kapiteleingangsseite wird klar,
dass es keine einheitliche Definition von „Europa“ gibt.
Rein geografische Bestimmungen greifen zu kurz und
sind umstritten. Je nach Perspektive werden historische, politische, gesellschaftliche, religiöse, kulturelle
oder wirtschaftliche Kriterien herangezogen, um „Europa“ zu definieren.
Textquellen: Die Textquellen unterstützen die Aus­
sage, dass eine einzige, allein gültige Definition des
Begriffs „Europa“ nicht existiert. Sie machen auch
deutlich, dass je nach Kontext und Intentionen unterschiedliche Definitionen angemessen sind und ihre
Berechtigung haben.
• Kapitel 1 widmet sich dem Thema „Europa und die
Europäische Union“ aus verschiedenen Perspektiven.
Anhand von Ausschnitten aus politischen Sachbüchern wird ein differenzierter Blick auf den Einigungsprozess Europas und die Geschichte der EU ermöglicht. Im Anschluss daran wird der Fokus auf zwei
kontrovers diskutierte Themen gelegt: die Eurokrise
und die Zukunft der EU. Die Auseinandersetzung mit
verschiedenen Meinungen erleichtert es den Schülerinnen und Schülern, ihre Orientierungs-, Urteils- und
Handlungskompetenz zu entwickeln. Das ExpertInnengespräch mit Univ.-Prof. Dr. Michael Gehler bietet
eine Möglichkeit, die Perspektive auf das Thema Europa zu erweitern. Im Abschnitt „Ich und die EU“ wird
vor allem durch die Grafik nochmals der Alltagsbezug
der Informationen gefestigt.
• Die Grafiken in GO! 8, S. 31 liefern Anregungen für
eine Diskussion über nationale und europäische Identität. Als Erweiterung können auch die Informationen
in GO! 8, S. 108 herangezogen werden.
• Die folgenden zwei Abschnitte beleuchten die Entwicklung von osteuropäischen Staaten seit den
1980er-Jahren. Nach dem Tod Titos und dem Untergang der kommunistischen Sowjetunion verstärkte
die veränderte geopolitische Situation auch den innerjugoslawischen Nord-Süd-Konflikt, da die einigenden Klammern kommunistische Partei, Volksarmee
und Zentralregierung wegbrachen. Die ethnischen
und religiösen Unterschiede zwischen den Volksgruppen wurden von verantwortungslosen Politikerinnen und Politikern sowie Massenmedien propagandistisch genützt, nationalistische Strömungen wurden
verstärkt.
Ein Vergleich mit den Entwicklungen in Deutschland,
Polen und Ungarn macht deutlich, dass die nachsowjetische Ära auch friedlich bewältigt werden konnte.
Russlands Weg vom Zusammenbruch des Kommunismus bis zum steilen Aufstieg Wladimir Putins bildet
den Abschluss der Osteuropa-Abschnitte.
• Der Methodenabschnitt „Dekonstruktion von Graphic
Novels und Comics“ ist eng mit der Kapitelthematik
„Der Balkan – der einzige Kriegsort in Europa nach
1945“ verschränkt. „Dekonstruktion von Graphic Novels und Comics“ festigt und erweitert die schon in
GO! 5, GO! 6 und GO! 7 aufgebaute Kompetenz im
Dekonstruieren von Bildquellen (z. B. GO! 5, S. 40 ff.;
GO! 6, S. 173 ff.; GO! 7, S. 132 ff.).
• Im Transferabschnitt „Die Türkei und die EU“ wird
nochmals die Eingangsfrage „Was ist Europa?“ aufgenommen und kontrovers diskutiert und damit ein
Beitrag zur Orientierungskompetenz der Schülerinnen und Schüler geleistet.
• Die als Lückentext angelegte Zeittafel „Europa und
die EU“ im Anhang dient als Hilfe beim Festigen des
Sachwissens.
Einstiegsdoppelseite
GO! > Seite 8/9
Lösungsvorschläge
Bildinformationen: EM-Qualifikationsspiel Österreich –
Türkei am 6. 9. 2011 im Ernst-Happel-Stadion in Wien; links
Burak Yilmaz (Türkei), rechts Franz Schiemer (Österreich).
© APA/Georg Hochmuth
• Yilmaz und Schiemer kämpfen um den Ball. Ihre
Mannschaftszugehörigkeit wird durch die National-
Europa und die Europäische Union
symbole (Türkei: Halbmond und Stern; Österreich:
Adler auf rot-weiß-rotem Grund) erkennbar. Die
EM-Qualifikationsspiele fanden am 29. 03. 2011,
06. 09. 2011 und 15. 08. 2012 statt. Das erste Spiel
gewann das türkische Nationalteam mit 2 : 0, das
zweite ging unentschieden mit 0 : 0 aus. Das dritte
Spiel gewann das österreichische Team mit 2 : 0
(vgl. www.austriasoccer.at/data/lsp/l2010_19.html,
Juni 2014).
• Die Statuten der UEFA (Union of European Football
Associations) stellen in Artikel 5 Absatz 2 fest: „In
Ausnahmefällen, und mit dem Einverständnis der FIFA,
kann ein Landesverband Mitglied der UEFA werden, der
geographisch zu einem anderen Kontinent gehört und
nicht Mitglied einer anderen Konföderation ist“ (zit. n.
Statuten der UEFA, http://de.uefa.org/ [→ Dokumente →
UEFA-Statuten, Ausgabe 2014]; Juni 2014).
Die UdSSR war Mitglied der UEFA (Europameister im
Jahr 1960), nach dem Zerfall der Sowjetunion traten die
meisten Fußballverbände der Nachfolgestaaten der
UEFA bei. Israel spielt nicht bei der Asian Football
Confederation (AFC), weil Spiele mit den arabischen
Nachbarländern vermieden werden sollen. Die Türkei
wurde bereits 1955 in die UEFA aufgenommen.
• Die Fußball-EM – Ausdruck gemeinsamer Identität
oder Anlass für nationale Inszenierungen?
– Ausdruck einer gemeinsamen europäischen Identität: Menschen verschiedener Nationalitäten kommen zusammen und feiern gemeinsam.
– Anlass nationaler Inszenierungen: Angehörige der
verschiedenen Nationalitäten unterstützen meistens
ihre eigenen Nationalmannschaften; manchmal
kommt es zu Ausschreitungen zwischen rivalisierenden nationalen Fangruppen; die Mannschaften
werden als Vertreter der jeweiligen Länder und nicht
im europäischen Kontext gesehen.
• Am Eurovision Song Contest dürfen alle Länder
teilnehmen, die der Europäischen Rundfunkunion EBU
7
angehören. In der EBU sind zentralasiatische Länder
ebenso vertreten wie arabische und nordafrikanische.
Im Eurovision Song Contest wird daher ein „Europa“
inszeniert, das nicht an geografischen Grenzen gemessen werden kann. Bei seiner Entstehung 1956 nahmen
nur sieben Länder aus „Kerneuropa“ teil, nach der
Öffnung des Eisernen Vorhanges 1989 kamen alle
osteuropäischen Länder hinzu, bis 2013 erweiterte sich
der Teilnehmerkreis auf 43.
• Wichtige historische Stationen in der Geschichte der
europäischen Einigung:
1951: Unterzeichnung des EGKS-Vertrags, Entstehung
der Montanunion
1957: Gründung der EWG
1991/92/93: Vertrag von Maastricht (Gründung der EU)
1995: Schengener Abkommen, Abschaffung der Grenzkontrollen
1999: Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsun­
ion, Einführung des Euro als Buchgeld (Bargeld ab
2002)
2009: Vertrag von Lissabon
2013: Inkrafttreten des ESM zur Stabilisierung des Euro
„Was ist Europa?“ – eine Frage
und viele Antworten
GO! > Seite 10
Lösungsvorschläge
·
·
Schlüsselthesen: Für den Begriff „Europa“ gibt es keine
einheitliche Definition. Eine geografische Fassung von
Europa greift zu kurz und ist überdies sehr umstritten.
Je nach Perspektive werden historische, politische,
gesellschaftliche oder wirtschaftliche Kriterien
herangezogen, um zu beschreiben, was „Europa“ ist.
Keine Musterlösungen möglich.
1 Europa ist wie ein Fahrrad. Hält man es an, fällt es um.
Jacques Delors, 1985–1995 Präsident der Europäischen Kommission
1.1 Die EU – eine „Organisation
ganz eigener Art“?
GO! > Seite 12
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Drei Ebenen:
erste Ebene: BürgerInnen der Mitgliedstaaten, wählen
in direkter Wahl die Mitglieder der nationalen Parla-
mente und des Europäischen Parlamentes;
zweite Ebene: nationale Regierungen, Mitglieder sind
selbst in EU-Gremien tätig bzw. bestellen die Mitglieder
für EU-Institutionen;
dritte Ebene: europäische Institutionen
2 Die BürgerInnen der EU-Mitgliedstaaten wählen
lediglich das EU-Parlament direkt. Den Rat der Europä­
ischen Union bilden die jeweiligen FachministerInnen,
den Europäischen Rat die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der Mitgliedstaaten. Diese ernennen
8
Lösungen – Zusatzinformationen
die Mitglieder der Kommission, wobei deren Präsi­
dentIn vom EU-Parlament gewählt wird.
3 Lösung am Beispiel „Europäische Investitionsbank“:
Ich vertrete die Europäische Investitionsbank (EIB), d. h.
die Bank der EU, in Luxemburg. Wir gewähren Darlehen
und Bürgschaften zur Finanzierung von Projekten, die
dazu beitragen, die EU-Ziele zu erreichen. Die Entscheidungen über die Gewährung von Darlehen sowie die
Aufnahme von Anleihen trifft der EIB-Verwaltungsrat.
Seine Mitglieder werden von den EU-Staaten benannt
und vom Rat der Gouverneure für fünf Jahre bestellt;
jeder Mitgliedstaat ist durch ein ordentliches Mitglied
vertreten, außerdem gibt es ein ordentliches Mitglied
als Vertreter der EU-Kommission.
Linktipps:
www.eib.org/
http://europa.eu/about-eu/institutions-bodies/index_
de.htm
wikipedia.org [Europäische Investitionsbank]
GO! > Seite 13
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Politische Fragen:
„Vereinigung der europäischen Nationen“ – „Gegensatz
zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht“ –
„französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer
gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, in einer
Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum
Beitritt offensteht“ – „die erste Etappe der europäischen
Föderation“ – „jeder Krieg zwischen Frankreich und
Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell
unmöglich ist“
Wirtschaftliche Fragen:
„Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion wird
sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die
wirtschaftliche Entwicklung sichern […] und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung
von Waffen gewidmet waren“ – „Solidarität der Produktion“ – „Die Schaffung dieser mächtigen Produktionsgemeinschaft […] mit dem Zweck, allen Ländern […] die
notwendigen Grundstoffe für ihre industrielle Produktion
zu gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen Fundamente zu ihrer wirtschaftlichen Vereinigung legen.“
Beispielsatz:
„Robert Schuman wollte durch die Zusammenlegung der
Kohle- und Stahlproduktion, zweier für die Kriegswirtschaft
und Industrie sehr wichtiger Bereiche, die Wirtschaftskraft
der Länder angleichen, um damit erneute Kriege zwischen
den europäischen Staaten – v. a. Deutschland und Frankreich – zu verhindern.“
2 Grafik „Ich und die EU“ ( GO! 8, S. 30):
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten ist heute notwendiger denn je, v. a. um mit den
·
großen Industrienationen USA, China, Indien etc.
mithalten zu können, die – als „Einzelstaaten“ – mehr
Arbeitskräfte, Fläche und Rohstoffe besitzen als jedes
EU-Land und alle Mitgliedstaaten zusammen.
Innerhalb der EU gibt es einen regen Wettbewerb, der
sich auch auf die Konsumentinnen und Konsumenten
positiv auswirkt – z. B. durch niedrige Handytarife. Ein
gemeinsamer Markt und intergouvernementale Zusammenarbeit sorgen auch für Verbesserungen in den
Bereichen Klimaschutz, Hygienestandards, Krankenversorgungswesen etc. Durch die Freiheit im Personenverkehr wird das Reisen in EU-Länder erleichtert. Auch
Austauschprogramme für Schülerinnen und Schüler
sowie für Studierende stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl Europas und fördern die Anerkennung von
Bildungszertifikaten im gesamten Unionsgebiet.
3 Auf dem Weg von wirtschaftlicher Kooperation und
Handel zu gerechten Bedingungen kann der Frieden
gesichert werden, weil es keinen Grund mehr gibt,
Krieg zu führen – die Mitgliedstaaten bekommen, was
sie brauchen, auf friedlichem Weg. Gerade eine „Vergemeinschaftung“ der für die Kriegswirtschaft und
Industrie wichtigen Güter Kohle und Stahl verschafft
keinem einzelnen Land einen Vorteil – im Sinne einer
günstigeren Ausgangslage oder Monopolstellung.
4 Schumans „europäische Gesinnung“ steht in enger
Verbindung mit seiner Biografie. Sein Vater wurde 1871
durch die Annexion Lothringens durch das Deutsche
Reich zum Deutschen. Die Muttersprache des 1886 im
heutigen Luxemburg geborenen Robert Schuman ist
Luxemburgisch. Er studierte in Bonn Rechtswissenschaft und promovierte in Berlin. Nach der Rückgabe
von Elsass-Lothringen an Frankreich nahm er die
französische Staatsbürgerschaft an und wurde Abgeordneter der französischen Nationalversammlung.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde er 1941 von der
Gestapo verhaftet, konnte jedoch fliehen. 1946 wurde er
Finanzminister und 1947 kurzfristig Ministerpräsident
von Frankreich. Geprägt durch seine Erfahrungen
setzte er sich als Außenminister Frankreichs (1948–
1953) besonders für die Beilegung des deutsch-französischen Konfliktes ein. Er entwickelte – zusammen mit
Jean Monnet – einen Plan für eine westeuropäische
Montanunion, dessen Umsetzung 1951 mit der Gründung der EGKS begonnen wurde. Auch als langjähriger
Präsident der Europäischen Bewegung und des Europäischen Parlamentes (1955–1960) zeigte er sich als „echter
Europäer“.
Linktipps:
www.hdg.de/lemo/html/biografien/SchumanRobert/
http://europa.eu/about-eu/index_de.htm [→ Geschichte
→ Die Gründerväter der EU]
5 Schuman bekam den Karlspreis in Anerkennung seiner
Verdienste um die europäische Einigung (Mitinitiator
der Gründung der EGKS).
Europa und die Europäische Union
1.2 Die Geschichte der EU in
politischen Sachbüchern
GO! > Seite 15
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Ansatzpunkte für die Diskussion:
• Gelungen ist die Überwindung der Nationalismen
dann, wenn nicht mehr nur die nationalen Interessen
der einzelnen Staaten im Vordergrund stehen, wie z. B.
im Falle Großbritanniens beim „Britenrabatt“ (Sonderregelung aus dem Jahr 1984, die Großbritannien
innerhalb der EU gegenüber anderen Mitgliedern
finanziell bevorzugt).
Frankreich ist gemeinschaftsorientierter als andere
europäische Staaten, was sich auch aus der konfliktreichen Geschichte Frankreichs mit Deutschland erklärt.
In Österreich gibt es – bereits seit dem Beitritt 1995 –
viele EU-Skeptikerinnen und -Skeptiker. Rechtspopulistische Kreise fördern diese Haltung.
Auch Ungarn rückt unter Ministerpräsident Orban
(Fidesz – Ungarischer Bürgerbund) v. a. seit 2010 immer
weiter ins rechte Spektrum und damit auch in Richtung
EU-Skeptik.
• Pro: Eine Überwindung der Nationalismen ist sinnvoll,
weil Europa wirtschaftlich und politisch mit einer
Stimme sprechen muss, um einflussreich zu sein. Eine
Überwindung lässt die Menschen in Europa zusammenrücken und kann eine friedliche Zukunft eher
sicherstellen.
9
• Kontra: Eine Überwindung der Nationalismen ist nicht
sinnvoll, weil die historische Entwicklung der einzelnen Nationen nicht einfach ausgeblendet werden kann.
Zudem ist das Nationenbewusstsein in allen Köpfen
(unbewusst) vorhanden.
Außerdem stellt sich die Frage, ob die Organisationsform der EU als supranationale Institution eine Überwindung der Nationalismen anstrebt. Sie versucht wohl
eher, die unterschiedlichen Nationalstaaten zu integrieren. Ein Bekenntnis zur EU schließt ja ein Bekenntnis
zur eigenen Nation keineswegs aus – und umgekehrt.
2 Keine Musterlösung möglich.
Zur Eintragung in Zeittafel 1 siehe die Lösungen für
GO! 8, S. 16, Punkt 2.
3 Bewertung der Rolle der Wirtschaft:
• Pelinka: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den
Bereichen Kohle und Stahl war ein wichtiger erster
Schritt auf dem Weg zur politischen Zusammenarbeit,
da es einfacher war, gemeinsame wirtschaftliche
Interessen zu verfolgen, als „hehre Ideale“ zu verwirklichen.
• Obermayer: Die Wirtschaft ist der dominierende
Bereich der europäischen Zusammenarbeit, obwohl die
Römischen Verträge mehr politische Aktivität zulassen
würden.
• Portisch: Politische Ziele werden in Europa über
wirtschaftliche Maßnahmen erreicht.
4 Übersichtstabelle über EU-Einrichtungen (nach Abb.
12.1) – Auswahl:
·
Einrichtungen
Tagungsort
Funktionen
Parlament Plenum
Straßburg,
Brüssel
Gesetzgebungsfunktion: Erörterung und Verabschiedung von EU-Rechtsvorschriften;
Budgetfunktion: Erörterung und Verabschiedung des EU-Haushalts;
Wahlfunktion: Wahl des Präsidenten der Kommission;
Kontrollfunktion: Kontrolle anderer EU-Institutionen, insbesondere der Kommission
Parlament Ausschuss
Brüssel
ständige Fachausschüsse zu bestimmten Themen/Ressorts und zur Vorbereitung der
Plenarsitzungen;
nichtständige Ausschüsse, z. B. Untersuchungsausschüsse
Gerichtshof (EuGH)
Luxemburg
Auslegung des EU-Rechts;
Entscheidung bei Rechtsstreit zwischen Mitgliedsstaaten oder zwischen Privatpersonen,
Unternehmen, Organisationen und EU-Institutionen
Zentralbank (EZB)
Frankfurt/M.
Verwaltung des Euro und Inflationskontrolle in der Eurozone;
Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems (Beaufsichtigung der Finanzmärkte und
-institute)
Ausschuss der
Regionen (AdR)
Brüssel
Vertretung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in der EU;
Stellungnahmen für die Kommission und Beratung der Kommission
Linktipps:
http://europa.eu/about-eu/index_de.htm [→ Institutionen und Einrichtungen der EU]
www.parlament.gv.at [→ Parlament erklärt → Parlament und Europäische Union]
http://europa.eu/about-eu/index_de.htm [→ Geschichte]
10
Lösungen – Zusatzinformationen
1.3 Ein neues, nicht das alte
Europa
GO! > Seite 16
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Beschreibung der Karikatur:
• Schritt 1: Die Karikatur besteht aus zwei Kästen: Im
ersten, kleineren Kasten ist eine Frau mit Kalb und
daneben ein Mann mit der Erdkugel als übergroßem
Kopf zu sehen. Im zweiten, größeren Kasten ist ein sehr
großer Stier zu sehen, auf dem die Frau sitzt. Daneben
steht nun der Mann mit Erdkugelkopf – er wirkt
deutlich kleiner. Der Stier ist ungeheuer gewachsen, die
Erde ist im Verhältnis zum Stier geschrumpft.
• Schritt 2: Zwei Abkürzungen: im ersten Kasten EWG
(Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) mit der Jahreszahl 1958; im zweiten Kasten EWR (Europäischer
Wirtschaftsraum) mit der Jahreszahl 1993. Die Jahreszahlen und die Bildunterschrift „Wachstum“ unterstützen die Deutung, dass der Stier gewachsen ist, während
die Welt „gleich geblieben“ ist.
• Schritt 3: Kalb/Stier und Frau stehen für Europa – nach
dem antiken Mythos „Europa und der Stier“ (vgl. dazu
die Lösungen zu Kapitel 1.4, Punkt 5) – bzw. die EWG.
Der Mann mit Erdkugelkopf stellt den Welthandel dar.
• Schritt 4: Die Karikatur entstand – noch vor 1993 – im
Jahr 1991. Sie wurde in einer deutschen Zeitung veröffentlicht und richtete sich an ein breites Publikum. Der
Zeichner ist der mehrfach ausgezeichnete Karikaturist
Rolf Henn. Die Zeichnung bezieht sich auf das (zukünftige) rasche Fortschreiten der europäischen Einigung
und die innerhalb von 35 Jahren ungeheuer gewachsene Wirtschaftskraft der EU.
• Schritt 5 – Interpretation: Die 1957 gegründete EWG
wuchs durch den Anschluss v. a. der EFTA-Staaten rasch
zu einem großen Wirtschaftsraum (EWR) heran, der
1993 eine Bevölkerung von 375 Mio. Menschen umfasste und einen Anteil von ca. 30 % an der globalen
Industrieproduktion sowie von ca. 40 % am Welthandel
aufwies. Die EWG war damit der größte Wirtschaftsraum geworden, zu dem nun der personifizierte
Welthandel – mit wenig Begeisterung – aufschaut,
während der Stier ihn komisch/böse anschaut und
Europa auf ihn hinunterblickt.
Linktipp:
www.univie.ac.at/hypertextcreator [→ Ausgaben →
Europa → Suche: Rolf Henn]
2 Eintragungen in Zeittafel: 1950 Gemeinschaft für Kohle
und Stahl; 1951 Frankreich, Italien, (West-)Deutschland,
Niederlande, Belgien, Luxemburg; 1957 Römische Verträge
3 Die EWG bestand 1958 aus sechs Mitgliedstaaten
(Frankreich, Deutschland und Italien waren bedeutende Industrienationen), während sie bis 1993 auf zwölf
Mitglieder (darunter wirtschaftlich starke Länder wie
z. B. Großbritannien und Spanien) mit gemeinsamem
Markt durch die vier Freiheiten zum EWR anwuchs. Das
Wachstum an Mitgliedern war zwar groß, doch trifft die
in der Karikatur dargestellte Relation zum Globus
(Welthandel) kaum zu. Auch 1993 gab es bereits größere
Wirtschaftsräume, z. B. NAFTA (North Atlantic Free Trade
Association), Mercosur (Mercado Comun del Sur – Lateinamerika) etc. Der Aufstieg der Schwellenländer (· GO! 8,
S. 74 f.) und besonders der BRIC-Staaten (· GO! 8, S. 82 f.)
im Zeitalter der Globalisierung veränderte auch die
wirtschaftlichen Machtverhältnisse. Die Karikatur lenkt
den Blick nur auf das Verhältnis zwischen Europa und
der Weltwirtschaft und wäre somit heute zu einseitig.
4 Die europäische Geschichte war geprägt von den
kriegerischen Rivalitäten zwischen Deutschland und
Frankreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der
Konflikt endgültig beigelegt und Deutschland und
Frankreich wurden die treibenden Kräfte im Einigungsprozess. Obwohl Österreich Richtung Deutschland
orientiert war, war eine EU-Vollmitgliedschaft erst nach
dem Zusammenbruch der Siegermacht Sowjetunion
möglich. Hierbei muss aber die spezielle Situation
Österreichs als neutrales Land mitbedacht werden. Der
Einigungsprozess ist auch unter dem Blickwinkel des
Ost-West-Konflikts zu sehen. Ins Spiel kommen dabei
auch die USA, die durch den Marshall-Plan zu einem
„Geburtshelfer“ der jungen Union wurden. Damit war
aber freilich auch die politische West-Orientierung der
EU gesichert.
1.4 Erweiterungs- und Einigungs­
prozesse
GO! > Seite 17
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Keine Musterlösung möglich.
2 Die EU besteht aus 28 Staaten mit unterschiedlich
starker Wirtschaftskraft. Langfristiges Ziel ist die
wirtschaftliche Angleichung aller Regionen („Konvergenz“). Dazu dient die EU-Strukturpolitik. Gemäß
ihrem Subsidiaritätsprinzip erstellt ein Bundesland
oder der Bund ein regionales Entwicklungsprogramm
und schlägt der EU förderbedürftige Regionen vor. Dies
sind meist Randgebiete der EU, z. B. Südspanien,
Portugal, Süditalien mit Sizilien, Griechenland und die
meisten Staaten der Osterweiterung 2004. In Deutschland sind die meisten ostdeutschen Regionen förderungswürdig, in Österreich v. a. das Burgenland.
Die EU-Strukturpolitik unterscheidet dabei drei
Kategorien:
• Ziel-1-Regionen: Regionen mit Entwicklungsrückstand
(BIP < 75 % BIP-EU28-Durchschnitt),
Europa und die Europäische Union
• Ziel-2-Regionen: Gebiete mit Strukturproblemen
(industrielle und ländliche Regionen),
• Ziel-3-Regionen: Gebiete mit Bildungsrückstand und
hoher Arbeitslosenrate.
25 % der Fördermittel müssen die Mitgliedstaaten selbst
aufbringen, der Rest kommt aus den Strukturfonds.
Dafür standen für 2007 bis 2013 ca. 336,2 Milliarden
Euro zur Verfügung.
Beispiele für Fonds:
• Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)
v. a. für Arbeitsplatzschaffung und Infrastrukturausbau,
• Europäischer Sozialfonds (ESF) zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit und zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern,
• Kohäsionsfonds zur Verbesserung der Umwelt und Integration in die (trans-)europäischen Verkehrsnetze.
Linktipp: www.eu-info.de/europa/6325/
3 Die neue EU-Roaming-Verordnung macht deutlich, dass
die EU als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum begriffen
wird, dem Drittstaaten gegenüberstehen. Im gemeinsamen Wirtschaftsraum gibt es Regelungen und Begünstigungen („Aufschließungseffekte“).
Anmerkung: Die Roaming-Verordnung von 2010 sieht
vor, dass die Mobilfunkanbieter nicht mehr als 46 Cent
für einen Anruf in einem ausländischen Netz verlangen dürfen. Seit Juli 2014 sind die Roaming-Gebühren
weiter gesenkt worden, ebenso wie die Kosten für
Internetsurfen im Ausland. „Das Zieldatum der EU-Kommission lautet 1. Juli 2016. ‚Alle Verbraucher sollen dann die
Möglichkeit haben, zu denselben Preisen wie zuhause zu
telefonieren‘, sagt EU-Internetkommissarin Neelie Kroes.
[…] Laut EU-Kommission bringt Roaming den Konzernen
jährlich Milliarden ein. Kommissarin Kroes hält Roaming
nicht mehr für zeitgemäß: ,Roaming zahlt der Europäer
dann, wenn er Landesgrenzen überschreitet, die überhaupt nicht mehr existieren.‘“ (Wie Brüssel die RoamingGebühren drücken will, www.fr-online.de/digital/
wie-bruessel-die-roaming-gebuehren-drueckenwill,1472406,24291212.html, Juni 2014)
4 Analyse und Interpretation des Coverbildes:
Im Zentrum ein Stier, seine Körperhälften greifen wie
Hände ineinander; auf seinem Rücken sitzt eine Frau in
weißem Überwurf (mythische Gestalt Europa), sie setzt
einen leuchtenden Stern in die Lücke des Sternenkreises am Himmel; im Hintergrund Landschaft mit
Wolken.
Anspielung auf „Gründungsmythos“ Europas; Kreis mit
gelben Sternen auf blauem Hintergrund als Symbol für
die EU, mit dem Setzen des „Schlusssterns“ wird sie
„vollendet“ bzw. vollkommener.
Das Coverbild illustriert die Osterweiterung 2004, als
zehn neue Mitglieder der EU beitraten. Die Headline „1.
Mai 2004. Das Neue Europa“ spielt zusätzlich darauf an,
dass erstmals auch ehemals östlich-kommunistische
Länder der EU beitreten.
11
Rafal Olbinski: geboren in Polen 1945; nach künstlerischer Ausbildung Emigration in die USA 1981 (Anfang
1980er-Jahre), Maler, Illustrator und Designer („poetischer Surrealismus“); zahlreiche Preise und Auszeichnungen; Designer zahlreicher Opernhaus-Poster und
Coverbilder von „Time“, „Newsweek“ und „The New
Yorker“ sowie „Stern“ und „Spiegel“.
Linktipps:
http://ec.europa.eu/enlargement/index_de.htm
www.patinae.com/artists/rafal-olbinski
5 Zum Mythos „Europa und der Stier“:
Zeus entführt in Gestalt eines Stieres die schöne junge
Europa. Er reitet mit ihr durch das Meer ins heutige
Europa, das ihren Namen tragen sollte. Europa wird zur
Stammmutter der Minoer.
Vergleich der beiden Darstellungen: Olbinskis Bild von
2004 (Abb. 17.1) stellt das Wachsen Europas bzw. das
Ausgreifen auf Osteuropa als sehr positiv dar, der Stier
wirkt lebendig und die Hände sind Symbol für ein
Aufeinander-Zugehen und für Zusammenhalt. Die
Karikatur von 2012 (Abb. 20.1) hingegen stellt die
Eurokrise und die Verpflichtung zu harten Sparmaßnahmen für Regierungen desolater Mitgliedstaaten in
den Mittelpunkt. Der Stier ist nur mehr ein Gerippe,
Europa wird verkörpert durch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die das Skelett füttert.
Während Europa in Olbinskis Darstellung positive
Strahlkraft besitzt, scheint das Projekt Europa in Schopfs
Karikatur geradezu „verhungert“, gescheitert zu sein.
1.5 Der Euro und die Euro-Krise
GO! > Seite 19
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Seit Beginn des europäischen Einigungsprozesses war
man auf ausgeglichene Machtverhältnisse im Europaraum bedacht. Um nach der Wiedervereinigung von
BRD und DDR eine wirtschaftliche Übermacht Deutschlands zu verhindern, sollte die starke deutsche Währung geschwächt werden. In der deutschen Währungsunion wurde daher der Wechselkurs von 2 Ostmark zu 1
Westmark festgeschrieben, obwohl ein Kurs von 4,3 zu 1
realistisch gewesen wäre. Deutschland musste auf die
sehr starke D-Mark verzichten, die Einführung einer
gemeinsamen Währung (Euro) wurde vereinbart und
im Vertrag von Maastricht 1991 festgeschrieben.
Aus sicherheitspolitischem Kalkül unterstützten
Frankreich und Großbritannien die Beitrittspflicht des
wiedervereinigten Deutschlands zur NATO. Das Heer
wurde im Zwei-plus-Vier-Vertrag auf 370 000 Mann
beschränkt, die deutschen Grenzen wurden bestätigt.
Anmerkung: Vgl. GO! 8, S. 40 f.; zum Zwei-plus-VierVertrag GO! 7, S. 54 f.
·
·
12
Lösungen – Zusatzinformationen
2 Wirtschaftliche Schritte zur Währungsunion in
Zeittafel 1:
1972: Wechselkursmechanismus mit gemeinsamem
Leitkurs
1979: erstes Europäisches Währungssystem (EWS I) und
Verrechnungswährung ECU
1989: Ratsbeschluss zur Realisierung einer Wirtschaftsund Währungsunion
1993: vier Freiheiten, darunter freier Kapitalverkehr
1999: Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion; Euro als Buchgeld
2002: Euro als Bargeld in zwölf Mitgliedstaaten (Erweiterung bis 2013 auf 25)
3 Die EU-Länder werden von den Autoren als kein
„optimaler Wirtschaftsraum“ bezeichnet, weil eine
gemeinsame Währung gemeinhin auch ein einheitliches Wirtschaftsgebiet umschließt, mit gemeinsamen
Gesetzen und Steuern – eine zentrale Budgethoheit. Das
ist in den Euroländern nicht gegeben, es gibt keine
gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik, da
politische, nicht wirtschaftliche Gründe zur Währungsunion führten, denn das wiedervereinigte Deutschland
gefährdete das Kräftegleichgewicht. Die Euroländer
weisen außerdem eine ganz unterschiedliche Wirtschaftsleistung und Wachstumsrate auf und sind ganz
unterschiedlich strukturiert. So sind etwa die west­
lichen Mitglieder (z. B. Frankreich) auf Großbetriebe
in der Industrie etc. ausgerichtet, während in Zentral­
europa die Wirtschaftskraft mit den Mittel- und Klein­
betrieben steht und fällt. Südeuropa ist zunehmend
auf die Tourismuswirtschaft ausgerichtet. Dazu kommt
ein großer Anteil im Agrarsektor, wofür v. a. die östlichen
Mitglieder stehen.Die Frage, ob die EU-Länder kein
„optimaler Wirtschaftsraum“ wären, müsste diskutiert
werden. Denn gerade die Produktion von so unterschiedlichen Gütern in den jeweiligen Ländern und
ihre unterschiedliche Ausrichtung in den Wirtschaftssektoren sind für einen gemeinsamen Markt oder eine
Wirtschaftsunion förderlich. Sie sorgen für Aufschließungseffekte („trade creation“), die den Import aus
Drittstaaten vermindern, weil unterschiedlichste
Waren und Dienstleistungen im Unionsgebiet hergestellt werden.
Literaturtipp: Ohr, Renate/Theurl, Theresia (Hg.) (2001):
Kompendium Europäische Wirtschaftspolitik.
4 Sparmaßnahmen und Proteste in der EU:
In Athen führten Ende September 2013 die Massenentlassungspläne für Beamtinnen und Beamte zu einer
zweitägigen Arbeitsverweigerung. Darauf folgte u. a.
ein friedlicher Demonstrationszug durch die Stadt.
Bereits im September 2012 legten die Seeleute Schifffahrt und Seehandel für einen Tag lahm.
Auch in Spanien kam es bereits im September 2012 zu
Demonstrationen vor dem Parlament, um dieses zu
blockieren und abzuriegeln. Die Versammlungen
führten teilweise zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften.
In Belgien und Italien wurden durch Streiks Verkehrsverbindungen lahmgelegt.
In Frankreich demonstrierten in mehreren Großstädten mehr als zehntausend Menschen.
In Portugal gingen im Jänner 2013 Hunderte Menschen
auf die Straßen und demonstrierten gegen die rigiden
Sparmaßnahmen und die Einsparung bzw. Auflösung
von Gemeinden.
Linktipps:
www.stuttgarter-zeitung.de [→ Europas Bürger Sparkurs]
www.fluter.de [→ Fluter-Heft → Jetzt reicht’s aber]
Linktipp: www.eab-berlin.de/Unterrichtseinheit-zurEurokrise.309.0.html
1.6 Die Perspektive erweitern I:
Meinungen zu Euro und EuroKrise
Der multiperspektivische Zugang zum Thema „Euro und
Euro-Krise“ soll den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bieten, sich eine eigene Meinung zu bilden und
ihre Urteilskompetenz zu stärken. Die ausgewählten Kommentare zu diesem Thema führen unterschiedliche Argumente für oder gegen eine Währungsunion ins Feld.
GO! > Seite 21
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Keine Musterlösung möglich.
2 Vor- und Nachteile des Euro:
• Vorteile: bewährt; Akzeptanz der Bevölkerung; Identitäten hängen nicht an nationalen Währungen; Vereinfachung für Exportwirtschaft (keine unterschiedlichen
und schwankenden Währungen); guter Absatz in
Exportwirtschaft (Preisgestaltung); Erhaltung von
Arbeitsplätzen innerhalb der EU; wenig angreifbar
durch Spekulantinnen und Spekulanten; Auftreten als
eine Eurozone zur Sicherung des wirtschaftlich-politischen Einflusses in Weltwirtschaft und -politik
• Nachteile: gemeinsame Währung für sehr unterschiedliche Mitglieder; Europa zu uneinheitlich; Einzelne
nützen Europapolitik aus, kann zum „fahrlässigen und
betrügerischen Schuldenmanagement“ anregen;
Glaubwürdigkeitskrise Europas durch Eurokrise und
Beibehaltung des Euro; keine gemeinsame Währung
zur Erhaltung einzelner Staaten auf Kosten der anderen
Europa und die Europäische Union
1.7 Die Perspektive erweitern II:
Meinungen zur Zukunft der EU
Drei politische Interviews und ein Kommentar aus der Wochenzeitung DIE ZEIT machen deutlich, dass durch die Beschäftigung mit solide argumentierten Meinungen von
Fachleuten Orientierungskompetenz und Urteilskompetenz entstehen können. Den Schülerinnen und Schülern
soll auch vermittelt werden, dass „Stammtischbehauptungen“, wie sie z. B. in Postings zu finden sind, oft aufgrund
von fehlendem Wissen formuliert werden.
GO! > Seite 23
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Drei Formulierungen zur EU-Weiterentwicklung:
Schüssel:
1) „[…] das [Vereinigte Staaten von Europa] geht zu weit.“
„Auch eine zentrale Wirtschaftsregierung […] ist nicht
durchsetzbar.“
2) „[…] dass ein europäischer Finanzminister die EU in den
internationalen Finanzgremien vertreten soll.“
3) „[…] wir müssen auch in der Sicherheits- und Außenpolitik stärker und selbstbewusster auftreten.“
Fischler:
1) „Man muss eine Wirtschaftskoordination innerhalb des
Lissabon-Vertrages schaffen […].“
2) „Wenn es um die Budgetpflichten [z. B. Strafe für
Budgetsünder] geht, kann man das über die einfache
EU-Gesetzgebung lösen.“
3) „[Vereinigte Staaten von Europa] finden meiner Meinung nach auch in zehn Jahren nicht statt, da es genügend Staaten gibt, die strikt dagegen sind […].“
2/3 Keine Musterlösung möglich.
4 Bewertung der Vorschläge:
Schüssel argumentiert v. a. ausgehend von der globalen
Situation. Will die EU am Weltmarkt und in der Weltpolitik mithalten, muss sie „mit einer Stimme reden
lernen“. Zur Lösung der Finanzkrise und Verhinderung
weiterer Eurokrisen scheint ein europäischer Finanzminister notwendig.
Fischler hat – wie Schüssel – einen realistischen Blick,
wenn er die Übergabe von Souveränitätsrechten in den
Bereichen Wirtschaft, Soziales und Sicherheit als nicht
möglich ansieht – u. a. auch basierend auf dem Hintergrund der Renationalisierung. Er denkt eher an „kurzfristige“ Lösungen, auch wenn eine europäische
Wirtschaftsregierung „wünschenswert“ wäre.
Wilkens fordert mehr politisches Engagement für die
EU bei den europäischen Bürgerinnen und Bürgern.
BürgerInneneinsatz kann viel bewirken. Das hat etwa
in Deutschland die Anti-Atomkraft-Bewegung gezeigt,
die zum Beschluss der Abkehr von der Atomenergie bis
2022 führte.
13
·
5 Michael Gehler ( GO! 8, S. 28 f.) sieht die EU der Zukunft als Vermittlerin zwischen Amerika und Asien
und als Kultur- und Rechtsexporteurin.
Die EU müsse in der Organisation vereinheitlicht und
mit mehr Geld und Kompetenzen ausgestattet werden.
Als Voraussetzungen für eine politische Union sollte
eine europäische Finanz- und Wirtschaftsregierung
geschaffen werden.
GO! > Seite 24
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den
Vorstellungen der zwei Bundeskanzler:
• Vranitzky fordert v. a. die Erweiterung der EU vom
wirtschaftlichen zum politischen Bereich, er möchte
eine „politische Union“. Er setzt dabei v. a. auf die
Erfolge der Konvergenzpolitik, die mithilfe ausgeweiteter Strukturpolitik erreicht werden soll. Vranitzky
betont den innereuropäischen Handlungsbedarf.
• Schüssel ist auch für eine Stärkung der EU, jedoch eher
auf der globalen Bühne. Die EU müsse endlich – um
wirtschaftlich und politisch bedeutend zu sein – mit
einer Stimme sprechen. Eine politische Union schwebt
ihm nicht vor. Schüssel betont den außenpolitischen
Handlungsbedarf.
2 Analyse der Postings, Beispiel:
Im dritten Posting wird – anders als bei den vorhergehenden – korrekterweise nicht mehr von einer wirtschaftlichen Union als Ausgangspunkt der europäischen Einigung gesprochen. Dennoch sind die
gezogenen Schlüsse falsch. Es ging nicht um die
Überwachung aller Nationalstaaten, sondern um eine
Balance der Mächte und um friedliche Zusammenarbeit. Zentralismus kann nicht mit Faschismus gleichgesetzt werden – das Unwissen über die verwendeten
Begriffe wird an dieser Stelle deutlich bemerkbar. Es
geht auch nicht um die Abschaffung der Vielfalt,
sondern um ein Zusammenwirken der vielfältigen
Kräfte. Die Erhaltung der Kulturen wird gerade durch
EU-Maßnahmen gefördert. Europa ist eben dadurch
etwas Besonderes, dass es die „Einheit in der Vielfalt“
sucht.
3 Unterschiede zwischen Sachbüchern und Stammtischparolen liegen v. a. im fundierten Wissen und einer
guten Recherche, die für ein Sachbuch notwendig sind.
Neben mangelndem (Hintergrund-)Wissen fehlt den
Stammtischparolen meist auch eine objektive Betrachtung und bei subjektiven Urteilen ein schlüssiger
Argumentationsprozess.
14
Lösungen – Zusatzinformationen
1.8 „Festung Europa“
GO! > Seite 27
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Relevante Rechtsbereiche für Asylsuchende:
Rechte zum Schutz der Person, Verfahrensrechte,
Freiheitsrechte, wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte
2 Lebensumstände der Asylsuchenden, Beispiel Foto 2
(Abb. 26.1):
Die Menschen auf dem Foto, afrikanische Bootsflüchtlinge, wollen in Europa Arbeit, vielleicht auch eine neue
Heimat finden. Aufgrund der strengen Einwanderungsbestimmungen in die EU-Staaten sind ihre Aussichten
darauf, legal in Europa leben und arbeiten zu dürfen,
jedoch gering.
Die strengen Kontrollen auch auf den Meeren verletzen
nicht nur das Recht auf freie Einreise (Artikel 13, Menschenrechtskonvention), sondern auch das Recht auf
Leben, Freiheit und Sicherheit der Person (Artikel 3). Die
EU-Mitgliedsländer sollen den Asylsuchenden „im
Normalfall ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und
vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten“ garantieren – so die Richtlinie 2003/9/EG des Rates
vom 27. 1. 2003, Punkt 7.
Anmerkung: Die internationale Flüchtlingshilfsorganisation (UNHCR) bekräftigte die positiven Ansätze in der
europäischen Asylpolitik, kritisierte sie aber auch.
Linktipp: google.at [→ zusammenfassende Beobachtungen UNHCR]
3 Die Abschottung der Grenzen bzw. des Hoheitsgebietes
einiger EU-Staaten verhindert es, dass Asylsuchende
überhaupt erst ins Land bzw. in die EU kommen und als
Flüchtlinge anerkannt werden können. Es widerspricht
daher Artikel 14 (1) der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte: „Jeder hat das Recht, in anderen
Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“
Zudem fördert die rigide Grenzpolitik das illegale
Schlepperwesen an der afrikanischen Küste.
Linktipp: www.unhcr.at/recht.html [→ Europäisches
Flüchtlingsrecht]
4 Eine Wiedereinführung von Zollkontrollen an den
Binnengrenzen zu den südlichen EU-Mitgliedsländern
würde keine Verbesserung der Lage bringen. Eine
Verbesserung ist nur für die südlichen EU-Staaten
notwendig, weil sie von den „Flüchtlingswellen“
betroffen sind. In den Mitgliedstaaten ohne (südliche)
Außengrenze ist die Lage nicht prekär – sie nehmen
meist viel zu wenige Flüchtlinge auf. Auch das ab Mitte
2015 geplante Gemeinsame Europäische Asylsystem
(GEAS) beinhaltet keine verpflichtenden Aufnahmequoten für die Mitgliedstaaten.
5 Die EU beruht u. a. auf dem Prinzip der Solidarität. Eine
Unterstützung der Staaten untereinander ist daher
geboten. Dies trifft in besonderem Maße auf die
Grenz(-sicherungs-)politik zu. Gerade aufgrund des
Schengener Durchführungsübereinkommens von 1990
sind die Binnenstaaten stärker verpflichtet, bei der
Außengrenzen-Sicherung ihren Beitrag zu leisten.
Zur Verbesserung der Asylpolitik müsste die EU
Aufnahmequoten für die Mitgliedstaaten festlegen und
die Einhaltung kontrollieren und sanktionieren.
Auch in humanitärer Hinsicht sind Verbesserungen der
Regelungen und ihrer Durchführung notwendig.
Österreich könnte dafür einen besseren Beitrag leisten.
Auch könnten Hilfslieferungen zur Versorgung der
Asylsuchenden initiiert werden und die humanitäre
Hilfe verbessert werden. Das Entsenden von Grenzwachen etc. erscheint wenig gewinnbringend, auch wenn
die Asylpolitik der EU auf die Frage fixiert ist, wie
Asylsuchende am wirksamsten abgehalten werden
können, eine Einwanderung in die EU zu versuchen.
6 Keine Musterlösung möglich.
Bedacht werden sollten die unterschiedlichen Lebensumstände von Asylsuchenden und die gesetzlichen
Rahmenbedingungen in den einzelnen Staaten.
Linktipp: www.littlealien.at
Linktipp: google.at [→ Eurostat → Asylbewerber]
ExpertInnengespräch:
Die Europäische Union – woher,
wohin?
GO! > Seite 28/29
Zur Person Michael Gehler: Michael Gehler ist Universitätsprofessor für Zeitgeschichte und seit 2006 Leiter des
Instituts für Geschichte an der Stiftung Universität Hildesheim. Er hat eine Reihe von Publikationen zur österreichischen und europäischen Zeitgeschichte verfasst. Ihm wurde 2011 zum zweiten Mal der „Jean-Monnet Chair“ für
Europäische Geschichte durch die EU-Kommission verliehen.
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Begriffsklärungen:
• Intergouvernementalismus: „Zusammenarbeit und
gegenseitige Abhängigkeit von Regierungen, Ministerien
und Behörden in einem Bundesstaat, in der EU etc.“
(www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon
[→ Intergouvernementale Beziehungen], Juni 2014)
• Supranationalität: „[lat.: übernational, überstaatlich] Mit
dem Adjektiv supranational werden Organisationen,
Zusammenschlüsse oder Vereinbarungen versehen, die
durch völkerrechtliche Verträge begründet und deren
Europa und die Europäische Union
Entscheidungen und Regelungen für die einzelnen
Mitglieder (Staaten, Nationen) übergeordnet und verbindlich sind.“
(www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon
[→ supranational], Juni 2014)
2 Linktipp: www.bpb.de [→ Nachschlagen → Lexika: Das
Politiklexikon]
3 NATO-Beitritte im Zuge der EU-Osterweiterung 2004:
Estland, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien;
NATO-Beitritt 2004, EU-Beitritt erst 2007: Bulgarien,
Rumänien; frühere NATO-Beitritte von Staaten der
Osterweiterung: Zypern (1990), Polen, Tschechien,
Ungarn (1999).
4 Keine Musterlösung möglich.
5 Mögliche Punkte:
• Chancen:
europäische Datenschutzverordnung nach Spionageaffäre; Energieautarkie und erneuerbare Energien bzw.
Unabhängigkeit von großen Energielieferanten; EU als
sozial-ökonomische Wohlstandsregion erhalten; EU als
global wichtiger Wirtschaftsraum, mehr Eigenständigkeit der Institutionen, Schwächung des Intergouvernementalismus (evtl. politische Union); EU als Vermittlerin in globalen und regionalen Konflikten etc.
• Gefahren:
Schwächung des Euro bei anhaltender Krise; schlechtes
Image der EU, wenn keine langfristige Lösung zur
Regelung der fiskalen Angelegenheiten (Schuldengrenze, europäische Finanzmarktüberwachung und -regelungen etc.) gefunden wird; Konflikte mit Russland
sorgen für schwierige Lage in Energieversorgung;
weitere Uneinigkeit in den Gremien mit zunehmender
Nationalisierungstendenz der Mitgliedstaaten;
Rechtspopulismus wird stärker etc.
1.9 Ich und die EU
GO! > Seite 31
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Beispiel Erfolge im Bereich „Personenverkehr“:
Bei den Urlaubsreisen in den Ferien erleben wir die
Auswirkungen gelungener EU-Politik hautnah. Reisen
wir in ein anderes Mitgliedsland, so bemerken wir dies
nicht. Es gibt keine Grenzkontrollen, wir können mit
der gleichen Währung wie zu Hause bezahlen. Bei
Verletzungen können wir im Krankenhaus die e-card
vorweisen. Ein Anruf in die Heimat ist deutlich günstiger als von Drittstaaten aus.
2 Errungenschaften:
• wirtschaftlich: Rubrik „Ich arbeite“: Arbeitnehmer- und
Dienstleistungsfreiheit, europäische Betriebsräte,
gemeinsame stabile Währung; „Ich habe Kinder“:
15
Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen; „Ich kaufe
ein“: alles
• politisch: Rubrik „Ich arbeite“: soziale Mindeststandards, Gleichberechtigung von Mann und Frau; „Ich
fahre weg“: alles; „Ich habe Kinder“: alles; „Ich bin
gesund“: alles
Anmerkung: Die Bereiche überschneiden sich in allen
Rubriken. Es gibt keine strenge Zuordnung.
3 Das Balkendiagramm zeigt die Ergebnisse zur 2005
gestellten Frage nach einer bewusst wahrgenommenen
europäischen Identität und die Häufigkeit dieser
Wahrnehmung. Dabei kommt man zum Schluss, dass
sich die Mehrheit oft (18 %) oder manchmal (39 %) als
EuropäerInnen bezeichnet, während eine Gruppe von
40 % sich niemals als EuropäerInnen ausgeben würde.
3 % haben keine Meinung dazu.
Keine Musterlösung möglich.
Anmerkung: Zur Analyse von Grafiken siehe GO! 6,
S. 93–96; zur Frage der nationalen österreichischen und
europäischen Identität siehe auch die Grafiken und
Informationen in GO! 7, S. 137 und GO! 7 LehrerInnenmaterial, S. 49.
4 Diskussion der Aussagen von Grafik 31.1:
Ein überwiegender Teil der EU-Bevölkerung (57 %)
bekennt sich 2005 zur EU, doch mit 40 % ist auch die
Gruppe der EU-Skeptiker groß, ein „europäisches
Bewusstsein“ fehlt.
Die Verpflichtung zur Durchführung harter Sparmaßnahmen durch die EU im Zusammenhang mit der
Euro- und Schuldenkrise vergrößert in vielen EU-Staaten die Zahl der EU-KritikerInnen. Rechtspopulistische
Parteien gewinnen in vielen Ländern (z. B. Frankreich,
Österreich) an Einfluss. Dieser Gefahr für ein vereinigtes, solidarisches Europa halten EU-BefürworterInnen
meist nur wenig entgegen.
In der Schweiz wäre die EU-Skepsis wohl noch größer,
obwohl die Schweiz z. B. wirtschaftlich stark vom
gemeinsamen Europa profitiert (z. B. Zollunion etc.).
5 Das Balkendiagramm zeigt die Einschätzungen der bis
2010 Befragten über ihre künftige Identität. Ein Großteil der Befragten definiert sich dabei ausschließlich als
national (49 %) oder als national und europäisch (39 %).
Vorrangig als EuropäerInnen fühlen sich insgesamt
lediglich 7 %. Damit ist ein deutlicher Unterschied zu
Grafik 31.1 aus dem Jahr 2005 feststellbar, der wohl
zunehmend aus den Problemen der Eurokrise ab 2008
herrührt.
6 Eine direktdemokratische Beteiligung der BürgerInnen
trägt immer zur Demokratisierung bei. Damit wird die
EU auch für ihre BürgerInnen greifbarer, weil sie selbst
mitreden und etwas bewirken können. Die Bürgerinitiative ist auf eine breite Zustimmung angelegt (von
mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten ist
gesamt eine Million Unterschriften notwendig), sodass
nationalistische, nationale und populistische Interes-
·
·
16
Lösungen – Zusatzinformationen
sen keine Chance haben. Große Themen, wie der
Umstieg auf erneuerbare Energien, mehr Rechte für das
EU-Parlament, eine rechtliche Basis zur Verbesserung
des Konsumentenschutzes, Gleichberechtigung der
Frau etc., haben mehr Erfolgschancen.
2 Der Balkan – der einzige Kriegsort in Europa nach 1945
2.1 Erfolge und Krisen von Titos
Jugoslawien
GO! > Seite 34
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Wichtige Stationen in Titos politischer Karriere:
1937: Generalsekretär der Kommunistischen Partei
Jugoslawiens
1941: Oberbefehlshaber der „Volksbefreiungsarmee“,
Organisator des Partisanenkrieges gegen die deutsche
Besatzung
1943: Ministerpräsident, Anerkennung als Verbündeter
durch die Alliierten
1953: Staatspräsident von Jugoslawien
1961: Generalsekretär der „Bewegung der blockfreien
Staaten“
Politische Erfolge:
Titos Erfolg beruhte zunächst auf seinem militärischen
Sieg gegen die deutschen Truppen, weshalb er sich auch
Stalin gegenüber selbstbewusst präsentierte. So konnte
Tito für Jugoslawien Marshallplangelder gewinnen und
damit die wirtschaftliche Entwicklung des Landes
fördern; den übrigen kommunistischen Staaten wurde
die Teilnahme am ERP bekanntlich verboten. Im
Ausland wurde Tito als Garant für Frieden und Stabilität am Balkan gesehen, nicht zuletzt deshalb, weil er
sich gegen nationalistische Bewegungen aussprach.
2 Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien war
ein Vielvölkerstaat, der ab 1974 als Föderation von sechs
Republiken (Serbien, Slowenien, Kroatien, Bosnien und
Herzegowina, Montenegro, Mazedonien) und zwei
autonomen Provinzen in der Republik Serbien (Kosovo/
Metohija, Wojwodina) definiert war. Die Teilrepubliken
waren wiederum von unterschiedlichen Nationalitäten
geprägt.
Bereits im Zweiten Weltkrieg war es zu blutigen nationalistischen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Volksgruppen gekommen. Als in den 1960er- und
1970er-Jahren größere wirtschaftliche Probleme
deutlich wurden, brachen auch die Konflikte zwischen
den Volksgruppen wieder auf. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten nahmen die
Spannungen nochmals zu, was schließlich zu bewaff-
neten Auseinandersetzungen führte.
3 Titos Jugoslawien war als einheitliches Gebilde gedacht,
das letztlich aber durch die nationalistischen Tendenzen in den einzelnen Republiken und autonomen
Provinzen zerrissen wurde. Insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten traten die Nationalitätenprobleme
offen zutage. Den verantwortlichen Politikern und
Politikerinnen gelang es nicht, das Verbindende über
das Trennende zu stellen.
2.2 Der Zerfall und die blutigen
Folgen
GO! > Seite 37
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Ustascha (kroatisch: „Aufständische“):
rechtsradikale kroatische Miliz, Gründung 1929; im
Zweiten Weltkrieg als Verbündete Hitlerdeutschlands
Errichtung des unabhängigen Staats Kroatien; Ziel:
Ermordung der serbischen, jüdischen und Roma-Bevölkerung in Kroatien; Ermordung von mindestens
700 000 Serben im Konzentrationslager Jasenovac
(,„balkanisches Auschwitz“); derzeit reger Zuspruch in
der Populärkultur: Liedtexte des kroatischen Sängers
„Thompson“ mit Hasstiraden gegen Serben oder Lob für
die kroatischen Mörder von Jasenovac, Uniformen der
Ustascha bei kroatischen Jugendlichen beliebt.
Tschetniks (serbisch: Garde, Schutztruppe):
verteidigten schon im 19. Jh. die Grenze Serbiens zum
Osmanischen Reich; im Zweiten Weltkrieg Tschetniks
als Kern der nationalserbischen Partisanengruppen im
Kampf gegen die deutsche Besatzung; Ziel: Etablierung
eines monarchisch geführten großserbischen Staates,
deshalb wesentlicher Unterschied zu Tito-Partisanen,
die für Gleichberechtigung der südslawischen Völker
eintraten; aufgrund dieses Gegensatzes Annäherung
der Tschetniks mit den deutschen Besatzern und der
Kollaborationsregierung; 1944 Niederlage der Tschetniks gegen Titos Partisanen; 1990er-Jahre: erneut
Kampf der serbischen Nationalisten unter dem Namen
„Tschetniks“ in Kroatien und Bosnien für Verwirkli-
Europa und die Europäische Union
chung großserbischer Ideale.
2 Kunstdenkmäler und Kirchen galten als besondere
Zeichen für die nationale Identität der verschiedenen
Gruppen. Gerade die religiöse Zugehörigkeit (Kroatien,
Slowenien: katholisches Christentum; Serbien: orthodoxes Christentum; Bosnien, Kosovo: Islam) wurde als
Kennzeichen für nationale Zugehörigkeit gesehen.
Durch die Zerstörung von Denkmälern und Kirchen
sollte die eigene Überlegenheit gegenüber den anderen
Gruppen demonstriert werden.
3 Im Kosovo leben mehrheitlich AlbanerInnen, es gibt
aber auch serbische sowie mazedonische Bevölkerungsteile. Historisch betrachtet war der Kosovo das Herzstück des mittelalterlichen serbischen Staatsgebietes,
woraus sich noch heute die wichtige Stellung dieses
Gebietes für Serbien ableitet.
Bis 2008 war der Kosovo eine Teilregion; formal
betrachtet die serbische Regierung den Kosovo immer
noch als autonome Provinz des Staates Serbien. Im
Auftrag der serbischen Regierung hatten Sonderpolizei
und nationalserbische Gruppierungen die albanische
Bevölkerung terrorisiert, was tiefe gesellschaftliche
Gräben aufriss. Nur durch das Einschreiten der NATO
konnte die Situation im Kosovo stabilisiert werden.
Linktipp: www.eurotopics.net [→ Kosovo – ein Überblick über die Geschichte]
4 Beispiel Josip Jović: Der 22-jährige Kroate Josip Jović war
Polizist. Die kroatische Polizei ging davon aus, dass der
Aufstand der Serben problemlos niedergeschlagen
werden könne; doch am 31. 03. 1991 kam es in einem
Wald bei Plitvice zu einer Schießerei zwischen der
Polizei und den Aufständischen, bei der Jović getötet
wurde.
Im Bosnienkrieg (1992–1995) wurden laut Angaben des
Europarates etwa 20 000 Frauen Opfer von sexueller
Gewalt und Folter. Die meisten Täter waren serbische
Soldaten. Eines der Opfer, Sebiha, gibt an, dass sie
gefangen genommen und vergewaltigt wurde. Sie hatte
die Männer von früher gekannt: „Vor dem Krieg haben
sie in meinem Restaurant gegessen.“ (vgl. http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/39619, Juni 2014)
17
ExpertInnengespräch: Der Krieg
im ehemaligen Jugoslawien
GO! > Seite 38/39
Zur Person Wolfgang Petritsch: Dr. Wolfgang Petritsch, geboren 1947 in Klagenfurt als Angehöriger der slowenischen
Volksgruppe in Kärnten, war von 1997 bis 1999 österreichischer Botschafter in Belgrad. 1998 wurde er zum EU-Sonderbeauftragten für den Kosovo ernannt. Er trat ab 1999 als
EU-Chefverhandler bei den Friedensgesprächen in Rambouillet und Paris auf und war bis 2002 als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina tätig. Von 2002 bis
2008 war er österreichischer Botschafter bei den Vereinten
Nationen in Genf, von 2008 bis 2013 bei der OECD in Paris.
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Tito wird jeweils als charismatische und angesehene
Figur dargestellt. Petritsch berichtet, dass Titos autokratischer Regierungsstil für einen Zusammenhalt Jugoslawiens sorgte. Allerdings gelang es ihm nicht, die
verschiedenen Volksgruppen zu einer Gemeinschaft
zusammenzuführen. Im Abschnitt „Titos Erfolgsgeschichte“ wird vor allem auf Titos ökonomisches
Geschick und sein Ansehen im Ausland eingegangen.
Leistungen Titos: militärischer Erfolg im Partisanenkrieg, selbstbewusstes Auftreten gegenüber Stalin,
positive wirtschaftliche Entwicklung Jugoslawiens,
Wirkung als einigende Führungsfigur
Fehler Titos: Anwendung von Gewalt, autokratischer
Regierungsstil, keine dauerhafte Beseitigung von
nationalistischen Tendenzen
2 Im Kalten Krieg hatten die USA Jugoslawien aufgrund
seiner wichtigen strategischen Bedeutung als paktfreier Staat wirtschaftlich großzügig unterstützt. Nach dem
Zerfall der Sowjetunion setzten sich in Osteuropa
demokratische Systeme durch, in Jugoslawien jedoch
wurde eine Demokratisierung aufgrund der starken
Nationalismen unterdrückt. Die historisch gewachsenen Konflikte zwischen den Volksgruppen führten zu
einer „Desintegration“ Jugoslawiens, während sich die
Staaten Osteuropas auf eine Integration in Europa
konzentrieren konnten.
3 Petritsch möchte vermutlich mit dem Zitat betonen,
dass zu Beginn der Konflikte in Jugoslawien eine große
Chance für Europa bestanden hatte, sich als wichtige
Instanz einzubringen und das Problem zu lösen. Er
möchte damit vielleicht auch Kritik daran üben, dass
dieses Ziel letztlich nicht erreicht wurde.
4 Das Abkommen von Dayton aus dem November 1995
beendete den Krieg in Bosnien. Es stellt eine komplizierte Staatskonstruktion dar, die trotz verschiedener
Änderungen und Ergänzungen nicht gut funktioniert.
So finden sich im Abkommen viele Widersprüche
18
Lösungen – Zusatzinformationen
aufgrund der divergierenden Interessen der Konfliktparteien.
Petritsch kritisiert am Abkommen, dass es sich überaus
komplex gestalte und die Zentralregierung den nahezu
selbstständigen „Entitäten“ gegenüber zu schwach sei.
Aus diesem Grund sei der Konflikt bis in die Gegenwart
hinein verlängert worden.
Linktipps:
www.zeit.de [→ Ein ungeliebter Frieden]
www.auswaertiges-amt.de [→ Dayton-Friedensabkommen]
3 East goes West – Osteuropa im Wandel
3.1 Deutschland – ein Sonderfall
GO! > Seite 42
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Gedanken: Aufbruchsstimmung, Neubeginn,
Gefühl der Gemeinsamkeit, Unsicherheit in Bezug auf
die Zukunft
2 Die Einigung Deutschlands wurde vonseiten der BRD
initialisiert. Insbesondere die USA hatten ein vereinigtes Deutschland unter gewissen Bedingungen unterstützt. Auch Michail Gorbatschow setzte sich für das
Selbstbestimmungsrecht der Völker ein. Bei den freien
Wahlen im Jahr 1990 zeigte sich der Wunsch der
WählerInnen nach einem vereinigten Deutschland
deutlich, das den demokratischen und marktwirtschaftlichen Prinzipien der BRD entsprechen sollte. So
sprachen die äußeren und die inneren Strukturen
gegen den „dritten Weg“.
3 Mögliche Aktivitäten: Umtausch des DDR-Geldes, Kauf
von Produkten aus dem Westen, Auswahlmöglichkeit
aus einem großen Warensortiment
4 Die Tabelle zeigt die Entwicklung der monatlichen
Haushaltseinkommen, wobei West- und Ostdeutschland getrennt betrachtet werden. In den westdeutschen
Haushalten war das Einkommen 1991 relativ hoch: Eine
relative Mehrheit von rund 27 % aller Haushalte bezog
zwischen 2 000 und 4 000 Euro. Zur selben Zeit musste
in Ostdeutschland eine absolute Mehrheit von rund
51,7 % aller Haushalte mit einem Einkommen von 1 000
bis 1 499 Euro auskommen; Ostdeutschland startete
also aus einer schlechteren Ausgangsposition.
Die jüngsten Daten in der Tabelle zeigen, dass sich das
monatliche Einkommen in Westdeutschland tendenziell verbessert hat (fast 35 % beziehen 2 000 bis 4 000
Euro, beinahe 32 % über 4 000 Euro). In Ostdeutschland
hat sich die Situation zwar erheblich gebessert – statt
beispielsweise nur 2,3 % im Jahr 1991 bezogen 2008
bereits 28,7 % der Haushalte ein monatliches Einkommen zwischen 2 000 und 4 000 Euro –, aber insgesamt
gesehen weisen die ostdeutschen Haushalte auch
zuletzt noch einen deutlichen Rückstand zum Westen
auf.
5 Die ostdeutsche Wirtschaft war in keiner Weise darauf
eingestellt, dass plötzlich ein vielfältiges Warenangebot
aus dem Westen zur Verfügung stand. Auch die Ausgangslage für den Export in den Westen war dürftig, da
dieser vor 1990 zentral geregelt worden war. Damit
wurden der eigenständigen ostdeutschen Wirtschaft
wichtige Grundlagen entzogen, was zum ökonomischen Zusammenbruch und zu Folgen wie hoher
Arbeitslosigkeit führte.
6 Die Westdeutschen werden pauschal als „arrogant“
bezeichnet, während man in Ostdeutschland wirtschaftliche Schwäche und Arbeitslosigkeit verortet.
3.2 Pioniere des Wandels – Polen
und Ungarn
GO! > Seite 44
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Analyse und Interpretation des Fotos:
• Perspektive: Das Foto wurde aus der Menschenmenge
heraus gemacht und zeigt Lech Walesa, der von Anhängern getragen wird, leicht erhöht.
• Geschlechterverhältnis: Es sind viel mehr Männer als
Frauen zu sehen (man erkennt nur drei Frauen im Bild,
aber gut zwanzig Männer). Die Arbeiterschaft in
Danzig, zu der Walesa gesprochen hat, war offenbar
stark von Männern dominiert.
• Ort: Walesa und seine AnhängerInnen werden vor
einem Fabriktor gezeigt, was die Nähe zur Arbeiterschaft demonstriert.
• Stimmung: Das Bild zeigt eine positive Stimmung.
Walesa lächelt und hält einen Blumenstrauß triumphierend in die Höhe, die Menschen tragen ihn auf den
Schultern, klatschen und winken.
Europa und die Europäische Union
2 Die Gründung der „Solidarność“ kann als revolutionäres Element gesehen werden, auf das die Regierung
heftig reagierte, indem sie das Kriegsrecht ausrief und
die Gewerkschaftsführer internierte. Im Laufe der
1980er-Jahre kam es aber zu Gesprächen und Reformbemühungen vonseiten aller Beteiligten. So gingen
Revolution und Reformen ineinander über.
3 Viktor Orbán präsentierte sich vor einem Gemälde, das
die ruhmreiche ungarische Vergangenheit darstellen
sollte. Er inszenierte damit eine Anknüpfung an die
historischen Erfolge der Ungarn gegen Türken im
Südosten und Habsburger im Westen: Analog zu
früheren „Heldentaten“ sollte Ungarn auch in der
Gegenwart mithilfe der neuen Verfassung zu neuem
Selbstbewusstsein und Nationalstolz gelangen.
4 Der Aufstand in Ungarn im Jahr 1956 wurde zwar von
den sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagen,
dennoch setzten sich in Ungarn schließlich gemäßigte
liberale Kräfte durch. („Gulaschkommunismus“).
So trat etwa 1968 eine umfassende Wirtschaftsreform
in Kraft und auch die Kulturpolitik wurde liberalisiert.
Bereits zu Beginn der 1980er-Jahre führte eine Lockerung der Reisebeschränkungen dazu, dass Aufenthalte
im westlichen Ausland ermöglicht wurden. Der Übergang in ein demokratisches System kann demnach als
weniger radikal als z. B. in der DDR bezeichnet werden.
Aktuell ist eine Zunahme von antisemitischen und
antiziganistischen Aktionen festzustellen. So wurde
etwa der Pianist András Schiff, der jüdische Wurzeln
hat, 2011 in regierungsnahen Medien öffentlich bedroht. Die neue Verfassung schreibt Nationalstolz, ein
Bekenntnis zum Christentum und zu traditionellen
Familienstrukturen vor. Das Verfassungsgericht wurde
durch die Regierung Orbán entmachtet. An Universitäten und sogar an der ungarischen Staatsoper installierte die Regierung ihre Leute.
Linktipp: www.demokratiezentrum.org [Ungarn im 20. Jahrhundert]
19
3.3 Russland – eine
Scheindemokratie?
GO! > Seite 46
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die Ambivalenz der aktuellen russischen Verfassung
liegt darin, dass zwar einerseits die Einhaltung der
Menschenrechte und die Unabhängigkeit der Gerichte
festgehalten wird, andererseits aber alle politische
Macht beim Präsidenten gebündelt ist. Anders als in
westlichen Demokratien ist die russische Regierung
nicht dem Parlament, sondern dem Präsidenten
verantwortlich. Putins Föderalreform sorgte zudem
dafür, dass Russland stark zentralistisch regiert wird
und die Peripherie nur wenige Möglichkeiten zur
Mitsprache besitzt.
2 Internationale BeobachterInnen bezeichnen die
Abhaltung der Wahlen in Russland regelmäßig als
manipuliert. Die Handlungsmöglichkeiten der Oppositionsparteien sind stark beschnitten, was ihre Organisation oder den Zugang zu Medien betrifft. Presse-,
Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind massiv
eingeschränkt. Regierungskritische Personen werden
zum Teil strafrechtlich verfolgt. Insbesondere im
Nordkaukasus und in Tschetschenien kommt es immer
wieder zu Menschenrechtsverletzungen (Folter, Kollektivstrafen usw.). Korruption ist weit verbreitet, religiöse
und ethnische sowie soziale Minderheiten (z. B. Homosexuelle) sehen sich mit Gewalt konfrontiert.
Linktipps:
www.humanrights.ch [→ Länderinfos zur Menschenrechtslage → Russland] ,
www.amnesty.at [Russland]
www.zeit.de [Russland, Homosexualität]
www.reprodukt.com [Berichte aus Russland]
20
Lösungen – Zusatzinformationen
Methode: Dekonstruktion von Graphic Novels und
Comics
GO! > Seite 47–50
Zur Bedeutung der vorgestellten Methode
·
Geschichtsdarstellungen wie Spielfilme ( GO! 5, S. 40 ff. ),
historische Gemälde ( GO! 5, S. 40 ff.), Karikaturen ( GO! 7,
S. 132 ff.) und historische Plakate ( GO! 7, S. 30 f.) sind Interpretationen der Vergangenheit. Zu diesen interpretierenden Darstellungen ist auch die Graphic Novel zu zählen,
deren Inhalt, Struktur und Wirkung erfasst und dechiffriert werden muss.
·
·
·
Comics sind nicht nur lustig. Erzählen sie komplexe, ernsthafte Geschichten von individueller Länge und Form, die sich an
ältere Leser richten, nennt man sie Graphic novels. […] Dazu
gehören Biografien, Autobiografien, Literatur-Adaptionen und
Erzählungen. Auch Comic-Reportagen werden als Graphic
novels veröffentlicht. Letztere erzählen keine fiktiven Geschichten bzw. besitzen keine fiktiven Anteile, sondern erheben den Anspruch auf Dokumentation und Augenzeugenschaft. Das Etikett Graphic novel hat den Comic aus den
Nischen der Comic-Läden und Kioske befreit und ihm neue
Räume eröffnet. […]
Die Süddeutsche Zeitung hat 2011 und 2012 zwei vielbeachtete Graphic novel-Editionen herausgebracht. […] Graphic novels zu historischen Themen sind visuelle Geschichtserzählungen und gehören somit ebenso wie historische Spielfilme zum
Bereich narrativer Geschichtsvermittlung. Sie präsentieren ihren Lesern die Geschichtsimaginationen ihrer Künstler – letztlich wird deren Geschichtsbewusstsein offenbar. Eine absolut
objektive Darstellung kann es nicht geben. Die Zeichnung ist
hier allerdings ehrlicher als das Foto oder der Dokumentaroder Historien-Film, die Objektivität auch nur vortäuschen und
schon vor den Zeiten digitaler Bildbearbeitung ihr Realitätsversprechen nicht halten konnten. Die Konstruiertheit der Realität ist im Comic offensichtlicher. Die Glaubwürdigkeit eines
Bildes hängt von der Integrität und Augenzeugenschaft des
Urhebers ab. Ein bedeutsames Qualitätsmerkmal stellen die
Art und der Umfang der Recherche dar. Viele Autoren ziehen
Historiker oder Zeitzeugen zu Rate (z. B. Igort für „Berichte
aus der Ukraine“ oder Joe Sacco in seinen Comic-Reportagen) und nutzen geschichtswissenschaftliche Methoden wie
die Arbeit im Archiv (z. B. Susanne Buddenberg und Thomas
Henseler bei „Grenzfall“). Als Meilenstein für das Genre der
Geschichtscomics kann nach wie vor das Werk „Maus“ des
US-amerikanischen Künstlers Art Spiegelman angesehen
werden. Der Autor verarbeitet in „Maus“ Familiengeschichte:
Seine Eltern waren polnische Juden und haben die nationalsozialistische Vernichtungspolitik überlebt. […]
1992 erhielt Spiegelman als erster Comic-Künstler für „Maus“
den Pulitzer-Preis. […] So wie Art Spiegelman dem Comic mit
„Maus“ zu literarischer Anerkennung verholfen hat, kann der
Geschichtscomic „Die Suche“ von Eric Heuvel als ein Türöffner von Comics und Graphic Novels für den Geschichtsunterricht angesehen werden. […] Wie sich Text und Bild abwechseln, brauchen Graphic novels den aktiven Leser. Anders als
im Film muss er die Leerräume (Hiatus) zwischen den Einzelbildern (Panels), die Zeitsprünge, durch eigene Gedanken
selbst ausfüllen. Die Comiczeichnerin Isabel Kreitz stellt dazu
fest: „[…] Stellt man nur zwei Bilder nebeneinander, wird
zwanghaft ein Zusammenhang gesucht. Je weiter die Bilder
inhaltlich auseinander liegen, desto mehr muss das Gehirn
die Informationslücke zwischen den Bildern aus der eigenen
Fantasie füllen. Man wird an der Geschichte beteiligt […].“
Graphic novels können die Schülerinnen und Schüler motivieren und Interesse an historischen Themen wecken, aber sie
sind keine Selbstläufer. […] Der Einsatz von Graphic novels
kann in allen Unterrichtsphasen plausibel sein, ihr eigentliches
Lernpotenzial entfalten sie jedoch in der Vertiefungsphase.
Hier können sie bereits erarbeitete historische Sachverhalte
vertiefen, verdeutlichen und verankern.
Mounajed, R./Semel, S.: Visuelle Geschichtserzählungen. In:
Geschichte lernen, Heft 153/154, 2013, S. 2 ff.
Lösungsvorschläge für die Anwendungsaufgabe
Guy Delisle: Aufzeichnungen aus Birma. Aus dem Französischen von Kai Wilksen, Handlettering von Céline Merrien. Reprodukt, 2007:
In der Graphic Novel „Aufzeichnungen aus Birma“ werden
regelmäßig sechs Panels pro Seite gezeigt, in Ausnahmefällen sind mehr oder weniger Panels zu sehen. Die Zeichnungen sind in Schwarz-Weiß gehalten. Sowohl im Blocktext als auch in den Blasen werden nur Großbuchstaben
verwendet. Der Zeichner arbeitet mit wenigen Details, er
reduziert die Bilder damit auf das Wesentliche. Die Totale
wird verhältnismäßig wenig verwendet.
Igort: Berichte aus Russland (Der vergessene Krieg im Kaukasus). Aus dem Italienischen von Federica Metteoni,
Handlettering von Céline Merrien. Reprodukt, 2012:
Die Graphic Novel „Berichte aus Russland“ trägt den Untertitel „Der vergessene Krieg im Kaukasus“ und beinhaltet
mehrere Reiseberichte, die unabhängig voneinander erzählt werden. Die Bilder sind farbig und zum Teil sehr detailreich gestaltet; zum Teil sind sie aber auch schlicht und
reduziert. Es kommen hauptsächlich Blocktexte vor. Auf
einzelnen Seiten sind Zitate von Personen, etwa von Anna
Politkowskaja, zu lesen, diese Teile sind bildfrei gehalten.
Zum Teil kommen russische Worte in kyrillischer Schrift
vor.
Linktipp: www.reprodukt.com/ [→ Autoren]
Europa und die Europäische Union
21
4 Quo vadis, Europa? – Die Türkei und die EU
Transfer-Einheit zum Abschluss
von Kapitel 1
GO! > Seite 51–53
Diese Transfer-Einheit beschäftigt sich mit möglichen Zukunftsszenarien Europas anhand des viel und langjährig
diskutierten Beitritts der Türkei zur EU. In diesem Thema
spiegeln sich sowohl die Definition des Europabegriffes als
auch die Frage, wohin sich die Europäische Union entwickeln soll, wider.
4.1 Historischer Rückblick
dass auf beiden Seiten, vor allem aber aufseiten der
Europäischen Union, Skepsis gegenüber einem Beitritt
besteht.“
Linktipp: http://europenews.dk/de/eu_tuerkei
4.2 Pro und Kontra zum EU-Beitritt
der Türkei
GO! > Seite 52
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Keine Musterlösung möglich.
GO! > Seite 51
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Zypernkonflikt:
Zypern ist seit 1974 in einen südlichen, griechischen
und einen (international nicht anerkannten) nördlichen, türkischen Teil gegliedert. Der Konflikt der
beiden Teilstaaten konnte auch nach dem gescheiterten
Wiedervereinigungsreferendum und dem Beitritt
Südzyperns zur EU 2004 nicht gelöst werden.
Genozid an den Armeniern:
Von 1913 bis 1916 wurden von den Jungtürken nationalistisch motivierte Massaker an den im Osten der heutigen
Türkei lebenden Armeniern durchgeführt. Mit bis zu 1,5
Millionen Opfern kamen sie einem Völkermord gleich,
dessen Historizität und Verantwortlichkeit bis heute
von der türkischen Regierung (Atatürk gehörte den
Jungtürken an) bestritten wird. Der Auswärtige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses stufte in einer
Resolution im März 2010 die Ereignisse als Völkermord
ein. Auch im französischen Parlament wurde Ende 2012
ein Gesetz verabschiedet, das die Leugnung des Genozids an den Armeniern unter Strafe stellt. Diplomatische Konflikte mit der Türkei waren die Folge.
Kopenhagener Kriterien:
1993 vom Europäischen Rat festgelegte Kriterien für
Beitrittsstaaten. Politische Kriterien sind stabile
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der
Menschenrechte, Minderheitenschutz. Die Beitrittswerber müssen auch funktionierende, wettbewerbsfähige
Marktwirtschaften sein und das gesamte EU-Recht
übernehmen.
Linktipps:
www.bpb.de [→ Nachschlagen → Lexika: Das Europalexikon → Zypernfrage, Kopenhagener Kriterien]
www.spiegel.de/ [→ Zoff mit Ankara]
2 Mögliche Vollendung des Satzes: „Die Länge des
Verhandlungsprozesses zeigt meiner Meinung nach an,
4.3 Der EU-Beitritt aus
österreichischer und türkischer
Sicht
GO! > Seite 53
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Symbolik des Fotos:
Im Zentrum des Fotos steht die Brücke, welche den
europäischen Teil Istanbuls mit dem asiatischen Teil
verbindet. Die Türkei soll also eine Verbindung zwischen Europa und Asien „als Brückenland zwischen dem
Westen und dem Orient“ (Gehler GO! 8, S. 29) darstellen.
Tatsächlich wird der Türkei auch seitens der EU diese
Funktion zugeschrieben.
Anmerkung: Vgl. hierzu auch die Aussagen Gehlers im
ExpertInnengespräch GO! 8, S. 29.
2 Interpretation von Grafik und Tabelle:
Die befragten ÖsterreicherInnen lehnen einen EU-Beitritt der Türkei mit 80 % zu 11 % entschieden ab. Auch
innerhalb der (2005 noch) 25 Mitgliedstaaten wird ein
Beitritt der Türkei deutlich abgelehnt (55 % gegen zu
31 % für Beitritt). Dies mag u. a. an den seit 1987 in die
Länge gezogenen Verhandlungen und den Befürchtungen vor den weitgehenden Veränderungen durch die
Aufnahme dieses großen muslimisch geprägten Landes
in die EU liegen.
Wohlwollender fallen die Antworten der Türken und
Türkinnen aus. 49 % stehen einem EU-Beitritt positiv
gegenüber, 58 % sehen Vorteile in einer EU-Mitgliedschaft für die Türkei. Auffallend ist die kritische
Haltung von 41 % gegenüber dem Parlament als Re­
präsentanz von Demokratie und einer statistischen
Europaidentität, definiert durch das politische System
der westlichen Demokratie.
·
·
22
Lösungen – Zusatzinformationen
2 Internationale Politik und Wirtschaft
Themen und Aufbau
Konzept- bzw. aspektorientierte Themen:
Perspektivenanalysen anhand von Aussagen der
führenden PolitikerInnen
1989 und 2001 als „Epochenjahre“
Die Supermacht USA und ihre Grenzen
Stärken und Schwächen der Friedenssicherungspolitik
der Vereinten Nationen
Ursachen, Grundlagen und Auswirkungen der Arabischen Revolution
Politischer, wirtschaftlicher und medialer Hintergrund
der Globalisierung
Wirtschaftliche Veränderungen und ihre gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen am Beginn des 21.
Jhs. mit dem Siegeszug des Kapitalismus und der
Entwicklung der BRIC-Staaten
•
•
Methodenorientiertes Thema:
Historische und politische Urteile analysieren und
vergleichen
•
Gegenwartsbezug als Kapiteleinstieg:
Bildquelle: April 2013, in einer völlig verwüsteten Straße der syrischen Stadt Deir-al-Zor sitzt ein junger
Kämpfer der Freien Syrischen Armee in einem kaum
beschädigten, requisitenhaft wirkenden Polstersessel. Das Foto vermittelt einen starken Eindruck von
der Grausamkeit und Sinnlosigkeit des syrischen Bürgerkrieges.
Textquellen: Kontroverse Aussagen von Barack Obama und Wladimir Putin zur Arabischen Revolution.
Obama lobt die Politik der USA als „Anker globaler
Sicherheit“ und sieht die Vereinigten Staaten als „Anwalt der menschlichen Freiheit“. Putin hingegen wirft
den USA vor, sie wollten sich absolute Unantastbarkeit sichern und die staatliche Souveränität anderer
Staaten gefährden bzw. verletzen.
• Das zweite Kapitel soll die Strukturen der gegenseitigen Beeinflussung von Politik und Wirtschaft von
1989 bis heute in fünf Abschnitten durchschaubar
machen. „Das Jahr 1989 und seine Folgen“ und der
Abschnitt „Die Arabische Revolution“ behandeln vorwiegend politische Phänomene und Entwicklungen.
Ein erster Abschnitt widmet sich den USA, der zurzeit
wichtigsten Wirtschaftsmacht und der einzigen Supermacht, in ihrer Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus und ihren Versuchen, sich zur
Verwirklichung ihrer weltpolitischen Konzepte der
UNO zu bedienen. Die Arabische Re­volution – thematisiert an den Beispielen Tunesien, Libyen, Ägypten
und Syrien – zeigt die Schwierigkeiten bei der Einführung von Strukturen westlicher Demokratie in den
Staaten des Nahen Ostens.
•
•
Die Abschnitte „Globalisierung“ und „Der wirtschaftliche Aufstieg der BRIC-Staaten“ behandeln vorwiegend die wirtschaftliche Entwicklung dieser Schwellenländer sowie – besonders deutlich erkennbar im
Fall Chinas und Russlands – die Verflechtung von
Politik und Wirtschaft. Globalisierung, grenzüber­
schreitender Warenhandel, globale Kommunikation
und der „Siegeszug“ des Kapitalismus sind eng miteinander verbunden. Seit Beginn der Finanzkrise und
verstärkt seit den 2010er-Jahren gibt es zunehmend
auch Kritik an den negativen Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklungen, z. B. durch globalisierungskritische Gruppen wie die Occupy-Bewegung.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Margit Schratzenstaller-Altzinger nimmt im ExpertInnengespräch zur
Situation auf den Finanzmärkten und zu möglichen
Lösungen für die europäische Schuldenkrise Stellung. Die Beschäftigung mit dem Interview bietet eine
gute Möglichkeit, einige wichtige Fachbegriffe aus
dem Bereich Wirtschaft zu klären.
Am Beispiel von Muhammad Yunus und seinem System der Mikrokredite werden Alternativen zum „Siegeszug“ des Kapitalismus vorgestellt.
Im Methodenabschnitt lernen die SchülerInnen anhand je eines Textes von Joseph E. Stiglitz und von
Timothy Garton Ash, historische und politische Urteile
zu analysieren und zu vergleichen. Diese Schlüsselkompetenz des historischen Denkens zu entwickeln
und auszubauen hat für den Geschichtsunterricht
große Bedeutung.
Der Transfer-Abschnitt behandelt den Protest der
Occupy-Bewegung gegen den Wall-Street-Kapita­
lismus und seine Auswirkungen.
Einstiegsdoppelseite
GO! > Seite 54/55
Lösungsvorschläge
Bildinformationen: Foto eines jungen Kämpfers der Freien Syrischen Armee auf einer verwüsteten Straße im April
2013 im syrischen Deir-al-Zor. © Reuters/Stringer
• Bildbeschreibung: junger Kämpfer der Freien Syrischen
Armee sitzt mit starrem, müdem Blick mit einer
Kalaschnikow in den Händen in einem Polstersessel
auf der Straße; Hintergrund verwüsteter Straßenabschnitt der syrischen Stadt Deir-al-Zor; zerstörte
Häuser; Schutt und Müll liegen auf der Straße.
• Erläuterung des Symbolcharakters:
Überlegung 1: Der grüne Fauteuil und die hellblaue Tür
sind die einzigen nicht schwer beschädigten Gegen-
Internationale Politik und Wirtschaft
stände auf dem Foto. Sie erinnern an Syrien vor dem
Bürgerkrieg und wirken inmitten der Verwüstung fast
unwirklich, ähnlich wie Requisiten aus einem Theaterstück.
Überlegung 2: Obwohl schon alles zerstört ist und die
Menschen völlig erschöpft sind, ist der Kampf immer
noch nicht vorbei. Der Krieg wird „ausgesessen“. Es gibt
keine Aussicht auf eine Lösung der Konflikte, es
zeichnet sich kein Ende der Gewalt ab.
• Mögliche Erwartungen des Mannes an die internationale Politik: diplomatisches/militärisches Eingreifen
zur Beendigung des Bürgerkrieges, Subventionsmaßnahmen für den Wiederaufbau und eine positive
Wirtschaftsentwicklung
• Akteurinnen und Akteure in Syrien:
Regierung Assad:
Baschar al-Assad ist seit 2000 Generalsekretär der
Baath-Partei und syrischer Präsident. Auslöser des
Bürgerkrieges waren – zu Beginn friedliche – Proteste
von regierungskritischen Personen und Gruppen im
Kontext des Arabischen Frühlings 2011, die sich für
eine Demokratisierung Syriens einsetzten.
USA:
Trotz des Drängens von Pentagon und CIA für einen
militärischen Schlag gegen Assad entschied sich
Präsident Obama für Verhandlungen mit Assads
Regierung und einigen oppositionellen Gruppen.
Russland:
Russland lehnt aufgrund wirtschaftlicher und politischer Interessen externe Eingriffe in den Syrienkonflikt ab. Präsident Assad gilt als Verbündeter, Syrien als
exsowjetisches Einflussgebiet (in Tartus besteht seit
1971 eine russische Basis). Der Sturz Assads wäre für
Russland und China möglicherweise machtpolitisch
gefährlich, denn „das Beispiel der arabischen Revolutionen könnte in Moskau und Peking Schule machen“.
(Kinan Jaeger/Rolf Tophoven, Der Syrien-Konflikt:
Internationale Akteure, Interessen, Konfliktlinien,
14. 02. 2013, www.bpb.de/apuz/155114/internationaleakteure-interessen-konfliktlinien?p=2, Juni 2014)
Türkei:
Aufgrund eines Granatenangriffs an der Südgrenze zu
Syrien sieht sich die Türkei als mögliches Angriffsziel
Syriens. Ministerpräsident Erdogan fürchtet eine
Erhebung der kurdischen Minderheit in der Türkei,
sollte Syrien künftig ein mehrheitlich schiitischer Staat
werden. Die Türkei drängte auf eine militärische
Lösung mithilfe der NATO. Westliche Geheimdienste
beschuldigen die Türkei, islamischen antikurdischen
Milizen Waffen geliefert zu haben.
Israel:
Israel würde auf einen Angriff militärisch reagieren.
Iran:
Ein Einschreiten des Iran zugunsten Assads (seit dem
Iranisch-Irakischen Krieg 1980–1988 besteht das
23
Bündnis zwischen Syrien und Iran zur Unterstützung
der Hisbollah v. a. im Kampf gegen Israel) würde eine
militärische Intervention Israels hervorrufen. Mit dem
Ende Assads nähme der Einfluss Irans und der Schiiten
im Nahen Osten vermutlich ab. Deshalb ist der Iran der
stärkste Verbündete des Assad-Regimes.
Sunnitische Golfstaaten:
Saudi-Arabien und Katar unterstützen sunnitische
Oppositionsgruppen, um den Einfluss des schiitischen
Iran im Vorderen Orient zu brechen und eigene,
wirtschaftliche Interessen zu stärken. Aufgrund der
zunehmenden Spannungen zwischen Iran und SaudiArabien bezeichnete der US-Nahostexperte Vali Nasr
den Prozess als „sunnitisch-schiitisches Pulverfass“
(Syrien: Sorge vor Al-Kaida-Staat, in: Der Standard,
01./02. 02. 2014, S. 4).
Rebellen und oppositionelle Gruppen:
Es gibt keine einheitliche Opposition. Neben einer
Gruppe, die auf Verhandlungen (v. a. mit westlichen
Staaten) setzt, kämpfen verschiedene Rebellengruppen
mit Waffengewalt für ein freies Syrien. Sie werden von
westeuropäischen Staaten, den Golfstaaten und von
Libyen und Tunesien unterstützt. Unter den Gegnern
Assads finden sich aber auch Terrorgruppen wie
al-Qaida und islamistische Dschihadisten, die für die
Errichtung eines Gottesstaates kämpfen. Anfang 2014
griffen die Terrorakte von Syrien auch auf die irakische
Provinz Anbar über. Die dortige sunnitische Minderheit unterstützt die Terrorgruppe Isis (Islamischer Staat
in Irak und Syrien) gegen die schiitische Regierung
al-Maliki.
Zusatzinformation:
Die nach dreijährigem Krieg am 22. 01. 2014 einberufene II. Syrienkonferenz in Genf erzielte keine greifbaren
Ergebnisse. Letztlich einigten sich die Abgesandten der
Regierung und einer nichtmilitärischen Oppositionsgruppe auf die Anerkennung des Kommuniqués vom
30. 06. 2012 der Genf-I-Konferenz. Doch ähnlich wie
Russen und Amerikaner den Passus zur Bildung einer
Übergangsregierung unterschiedlich (mit und ohne
Beteiligung Assads) interpretieren, trifft dies auch auf
die Assad-Regierung und Oppositionsgruppen zu. Eine
weitere Konferenz gibt es vermutlich nicht.
• Position der EU zum Syrien-Konflikt:
Für die EU stellt der Syrienkonflikt eine Gefährdung
des Dialogs mit den Mittelmeerstaaten und in der Folge
eine Verschärfung der Grenzsicherheitsproblematik
dar. Die EU-Staaten unterstützen einen Teil der syrischen Opposition für ein demokratisches Syrien.
Als supranationale Institution gibt es viele Meinungen
zur Rolle der EU im Syrienkonflikt. Während die
Regierungschefs von Frankreich und Großbritannien
einen Militärschlag wollen, sprach sich im September
2013 eine Mehrheit des britischen Parlaments dagegen
aus. Deutschland will nur mit einem UN-Mandat
24
•
•
Lösungen – Zusatzinformationen
eingreifen. Österreich und viele östliche Länder lehnen
eine militärische Intervention ab. Eine einheitliche
Stimme gibt es daher nicht.
Im November 2009 wurde Catherine Ashton zur ersten
Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik ernannt. Diese neue Position wurde durch den
Lissabon-Vertrag geschaffen, mit der Aufgabenstellung,
die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU
zu koordinieren. Ziel ist es, die Außenpolitik der EU
konsequenter und schlüssiger zu gestalten. Die Beschlüsse zur EU-Außen- und Sicherheitspolitik müssen
aber von Rat und Ministerrat einstimmig (!) gefasst
werden. Gemeinsame politische Linien sind daher
schwierig zu finden. Henry Kissinger hätte aber nun
eine Telefonnummer in der EU, die er anwählen
könnte.
Linktipp: www.arte.tv/de [Syrien EU]
Beispiele für zehn einflussreiche Staaten und Organisationen:
USA, Russland, China, Indien, EU; UNO, NATO, IWF,
WTO, Weltbank
Führende Staaten nach BIP in Milliarden US-Dollar:
Staat/Staatenbund
BIP 2013
Rang
2013
BIP 1980
Rang
1980
EU-28
17.266,941
USA
16.724,272
1.
2.789,525
1.
China (ohne Hongkong, Macao, Taiwan)
8.939,327
2.
309,266
5.
Brasilien
2.190,218
7.
162,615
10.
Indien
1.758,216
11.
176,624
13.
Österreich
417,900
27.
80,200
23.
Zwei Global Player beziehen
außenpolitisch Position
GO! > Seite 56
Lösungsvorschläge
·
·
Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_
Bruttoinlandsprodukt#cite_note-2, Juni 2014
• Erklärung der Institutionen:
IWF (Internationaler Währungsfonds): UN-Sonderorganisation; Aufgaben u. a. Stabilisierung der Währungen,
Zusammenarbeit in Währungsfragen und Kreditvergabe
WTO (World Trade Organisation): UN-Sonderorganisation zur Regelung des Welthandels und Lösung von
Wirtschaftskonflikten
Weltbank: UN-Sonderorganisation zur Lösung von
Wirtschaftsproblemen durch Kreditvergaben zur
Wirtschaftsentwicklung v. a. in Entwicklungsländern
Linktipps:
www.politik-lexikon.at/ [IWF]
www.bpb.de/ [→ Nachschlagen → Lexika → Das Politiklexikon → Weltbank]
Positionen zu Menschenrechten, staatlicher Souveränität und weltpolitischer Rolle der USA:
– Obama: Zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen müsse gegebenenfalls auch die staatliche
Souveränität verletzt und (militärisch) gehandelt
werden. Er sieht die USA als mächtigste Nation und
Führer solcher Operationen sowie als Garant der
Menschenrechte und der Freiheit, die auch deren
Partner und Alliierte bejahen.
– Putin: Die staatliche Souveränität würde durch die
bewaffneten Konflikte – z. B. in Syrien – verletzt.
Gewaltanwendung gegenüber einem anderen Staat
sei nur unter einem UN-Mandat möglich. Die USA
würden in der Weltpolitik und Friedenssicherung
nur darauf aus sein, ihre Ideen und Stellung in der
Welt zu festigen.
Weitere Unterschiede:
Obama hebt die Vorrangstellung der Menschenrechte
über die staatliche Souveränität stark hervor. Die USA
verteidigen diese Rechte. Folgende Schlagworte finden
sich in der weiterführenden Rede: „opposition to
violence“, „our support for a set of universal rights,
including the freedom for people to express themselves
and choose their leaders […]“.
Dafür setzt sich die USA aktiv ein und sieht nicht weg,
wenn Menschen massakriert und getötet werden. Hier
spielt Obama auf Russland an und verteidigt auch die
von Russland bestrittene Führungsrolle der USA: „Some
nations may be able to turn a blind eye to atrocities in
other countries. The United States of America is different.“
Oben angeführte und weitere Zitate in: Remarks by the
President in Address to the Nation on Libya, National
Defense University, Washington, D. C., 7:31 P.M. EDT,
28. 03. 2011, www.whitehouse.gov/photos-and-video/
video/2011/03/28/president-obama-s-speechlibya#transcript, Juni 2014
Putin plädiert für die Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten und kritisiert, dass das selektive
Beschützen von Menschenrechten durch äußere Kräfte
„oft zur Förderung des Extremismus, Separatismus,
Nationalismus und zur Manipulation der öffentlichen
Meinung verwendet [werde]. […] Russland nutzt aber nicht
nationale NGOs anderer Länder aus und finanziert nicht
diese NGOs sowie ausländische politische Organisationen
zur Förderung seiner Interessen. […] Unseres Erachtens
sollte die Innenpolitik und öffentliche Meinung in anderen
Ländern ausschließlich offen beeinflusst werden.“
Zur Rolle Russlands in der UNO bemerkt Putin, dass
sein Land keine Resolution gutheißen werde, die
Internationale Politik und Wirtschaft
25
lediglich den Interessen des Westens und der USA dient
und „in Wahrheit Gewaltaktionen einer der Konfliktseiten
stimulieren würde“. Damit bekräftigt er die staatliche
Souveränität.
Alle oben angeführten Zitate aus: Russland und die
Welt im Wandel. Vollständiger Wortlaut, de.ria.ru/
opinion/20120227/262782988.html, Juni 2014
1 Das Jahr 1989 und seine Folgen
1.2 USA – Anspruch und Last
internationaler Führung
GO! > Seite 59
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
· 1 Siehe Lexikon GO! 8, S. 188 ff.
2 Mögliche Titel für das Foto:
„Ruhe im Sturm“, „Katastrophe und Ahnungslosigkeit“;
„Das Leben geht weiter“
Beschreibung:
Im Hintergrund der New Yorker Stadtteil Manhattan,
die Twin Towers verschwinden im Rauch, im Vordergrund drei Frauen und zwei Männer an der Promenade
von Brooklyn; sie unterhalten sich und wirken völlig
unberührt vom Geschehen am anderen Ufer, sie scheinen die Tragweite der Ereignisse nicht zu erfassen.
Vermutungen über den Bekanntheitsgrad:
Der starke Kontrast zwischen Katastrophe und „Idylle“
sowie die „Umkehrung der Ereignisse“ (9/11, der
Einsturz der Twin Towers als Hintergrundereignis, die
private Situation als dominantes Bildmotiv) machen
das Bild ungewöhnlich, fast rätselhaft. „Die Kontroverse
um das Foto bewegte auch die Blogs. Der New York
Times-Kolumnist Frank Rich verteidigte den Fotografen
gegen den Verdacht, er habe das Foto eventuell gestellt:
,Das Foto zeigt uns. Das ist Amerika. Das ist New York. Uns
kriegt nichts unter. Wenn uns was umwirft, stehen wir
gleich wieder auf! Wir sitzen nicht tagelang herum und
weinen.‘“ (Die Reportage. Der Mann, der die New Yorker
mitten ins Herz traf. Über den Fotografen Thomas
Hoepker, von Sarah Fatima Parsons, www.magda.de/
der-mann-der-die-new-yorker-traf/, Juni 2014)
Jonathan Jones, Journalist des Guardian, meinte dazu
2011: „And so, 10 years on, the meaning of this photograph
is that memories fade fast. The people in the foreground
are us. We are the ones whose lives went on, touched yet
untouched, separated from the heart of the tragedy by the
blue water of time, which has got ever wider and more
impossible to cross. (Jonathan Jones, The meaning of
9/11’s most controversial photo, www.theguardian.com/
commentisfree/2011/sep/02/911-photo-thomas-­
hoepker-meaning, Juni 2014)
Linktipp:
www.slate.com/articles/arts/culturebox/2006/09/i_
took_that_911_photo.html
3 Nach Ansicht Hipplers diente der „Krieg gegen den
Terrorismus“ neben der Schwächung von al-Qaida auch
der Stärkung des US-Einflusses im Nahen und Mittleren
Osten und der Stärkung der globalen Führungsrolle der
USA.
Nach Ash ( GO! 8, S. 90) haben der Afghanistan-Krieg
und der Irakkrieg den Ruf der USA beschädigt und das
Land durch die Kosten (3,2 bis 4 Billionen Dollar) für
Jahrzehnte in eine prekäre Finanzlage gebracht.
Auch Stiglitz ( GO! 8, S. 89) betont die finanziellen
Auswirkungen des Kampfes gegen den Terror.
Beide Autoren sind der Ansicht, dass die Soft Power
Amerikas, die ideologisch-kulturelle Anziehungskraft,
schwer geschädigt wurde und die USA ihre Position als
„moralische Instanz“ durch die Kriegsverbrechen
verloren haben.
· · GO! > Seite 61
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Vergleich Foto/Karikatur:
Während das Foto Bush im Vordergrund in ernster,
staatstragender Pose am Rednerpult zeigt (im Hintergrund ein Transparent mit der Aufschrift „mission
accomplished“), ist er in der Karikatur winzig und als
tänzelnder Bruchpilot dargestellt. Er verdrängt die
Realität. Das schwer beschädigte brennende Flugzeug
versinnbildlicht die Situation im Irak, Bushs Mission ist
keineswegs erfüllt. Aus Propagandagründen stellte sich
Bush jedoch als eine Art „Blitzkrieger“ dar, er versuchte,
den Anschein zu erwecken, dass die USA schnell und
erfolgreich durchgreifen könnten.
26
Lösungen – Zusatzinformationen
Bewertung von Stiglitz:
Stiglitz zeigt auf, dass Bush die USA unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in einen Krieg verwickelte,
falsche Angaben über die Kriegskosten machte und
wegen der erhöhten Verteidigungsausgaben das
Staatsdefizit stark erhöhte. Stiglitz’ Einschätzung
untermauert die Aussage der Karikatur.
Zusatzinformation:
Das Transparent „mission accomplished“ löste angesichts des mehrjährigen irakischen Guerillakrieges eine
heftige Diskussion aus; das Weiße Haus betonte, es sei
von der Crew des Flugzeugträgers USS Abraham Lincoln
angebracht worden. Kriegsgegner sahen im Schriftzug
ein Symbol für die unrealistische Einschätzung der
Bush-Administration. 2009 erklärte Bush, dass es ein
Fehler gewesen sei, dieses Transparent anbringen zu
lassen.
2 Motive der Inszenierung:
Bush stellt sich als Held dar, der das Böse bekämpft und
Freiheit, Demokratie und Sicherheit bringt. Er möchte
als strahlender Sieger wahrgenommen werden, der
hält, was er verspricht. Inszenierungen im Fliegeranzug
und in Militäruniform zeigen, dass er sich als Angehöriger seiner Truppen zeigen möchte.
Bush versucht auch zu zeigen, dass die USA auch nach
1989 und besonders unter seiner Führung die Weltmacht sind.
Häufig vorkommende Nomen:
Kontrolle (2 x); Terrornetzwerke, Terroristen; Bedrohung/
en (2 x); Nation (2 x); Kampf; Frieden (4 x); Krieg (2 x);
Macht (2 x)
Mögliche Überschriften:
„Die USA, Verteidiger der Freiheit anderer?“; „Bush
legitimiert Irakkrieg“
Absicht der Rede:
Bush will das militärische Eingreifen der USA im Irak
legitimieren, indem er den Diktator Saddam Hussein
der Beteiligung an den Terroranschlägen von 9/11 und
des Besitzes von chemischen Kampfstoffen beschuldigt. Zudem sei das Eingreifen im Irak keinem Eigeninteresse der USA, sondern der Sicherstellung von
Frieden, Sicherheit und Freiheit in der Welt geschuldet.
Die USA führe einen gerechten (Abwehr-)Krieg gegen
den Terror.
3 Außenminister Colin Powell präsentierte am 05. 02.
2003 im UN-Sicherheitsrat gefälschte Informationen
über die Produktion von Massenvernichtungswaffen,
um die Weltöffentlichkeit und die eigene Bevölkerung
auf den Krieg einzustimmen, der Krieg war längst
beschlossene Sache. Er bedauerte später diesen Auftritt
als „Schandfleck in seiner Karriere“ (FAZ, 09. 09. 2005).
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz bekräftigte
Außenminister Joschka Fischer die deutsche Antikriegshaltung mit den Worten: „I am not convinced.“
Der UN-Sicherheitsrat verweigerte die Legitimation des
Krieges durch ein UN-Mandat, sodass der Irakkrieg
völkerrechtlich als illegaler Angriffskrieg gilt, bei dem
nach Schätzungen 160 000 Menschen starben. Die von
Bush angegebenen Kriegsgründe (Besitz von Massenvernichtungswaffen, Angriffsabsichten) sind inzwischen widerlegt und werden oft als absichtliche
Irreführung der Weltöffentlichkeit bewertet.
Linktipp:
www.youtube.com/ [Es begann mit einer Lüge]
1.3 Al-Qaida – Aufstieg eines
Terrornetzwerkes
GO! > Seite 62
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Diskussionsanregung, Ergänzung zu Aufgabe 1:
Erläutern Sie, inwieweit folgende Aussage aus dem
Koran auf Terrorakte im Namen Allahs zutrifft und ob
sie einen gewaltsamen Dschihad legitimiert: „Wer einen
unschuldigen Menschen tötet, so sei es, als hätte er alle
Menschen getötet, und wer einem Menschen das Leben
erhält, so sei es, als hätte er der ganzen Menschheit das
Leben erhalten.“ (Koran 5,32)
1.4 „Change“ – Barack Obama
GO! > Seite 63
Lösungsvorschlag
· Fotoanalyse:
• Schritt 1:
Im Zentrum des Bildes befinden sich drei PolitikerInnen, US-Präsident Barack Obama, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Sie sitzen im Freien vor dem
Brandenburger Tor auf schwarzen Sesseln, Obama
blickt lachend nach vorne, Merkel (ebenfalls lächelnd)
und Wowereit sehen ihn an. Im Hintergrund, hinter
verschwommen erkennbaren Absperrungen, sieht man
Schaulustige.
• Schritt 2:
Das Foto wurde so aufgenommen, dass Obama frontal
sichtbar ist, Merkel und Wowereit sind nur von der
Seite, im Profil, zu sehen. Das Bild wirkt natürlich, es
wurde vermutlich aus der Ferne mittels Zoomfunktion
gemacht. Der Hintergrund ist deutlich unschärfer als
das Zentrum mit den drei Hauptpersonen.
• Schritt 3:
Auf dem Foto sind der erste schwarze Präsident der
USA, die erste deutsche Kanzlerin und der Bürgermeister der geschichtsträchtigen Stadt Berlin zu sehen. Alle
drei wirken entspannt – ein „frischer Wind“ scheint
Internationale Politik und Wirtschaft
durch die Politik zu wehen.
Die Inszenierung von Obamas Besuch (Rede, Brandenburger Tor) erinnert an den Besuch John F. Kennedys am
26. 06. 1963 in West-Berlin und an die großen Hoffnungen, die man in Kennedy – wie 2013 in Obama – setzte.
Zusatzinformation: Bei Kennedys Rede vor dem
Rathaus Schöneberg waren u. a. der Berliner Bürgermeister Willy Brandt (SPD) und führende Militärs der
Besatzungsmächte anwesend. Während der Fahrt im
offenen Auto durch Berlin saßen Kennedy, Brandt und
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) nebeneinander
und machten auch am Brandenburger Tor halt.
Linktipp:
http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image.
cfm?image_id=2352
• Schritt 4:
Das Foto zeigt einen Moment vor oder nach Obamas
Rede vor dem Brandenburger Tor am 19. 06. 2013. Berlin
war eine Station seiner dreitägigen Deutschlandreise.
Eine Woche nach Obamas Besuch jährte sich Kennedys
berühmte Ansprache ( „Ich bin ein Berliner“ ) zum
50. Mal. Vielleicht wollte Obama an seinen großen
Vorgänger erinnern und seinen Kurswechsel symbolisch veranschaulichen.
• Schritt 5:
Das Bild soll wohl das im Vergleich zum Vorgänger
Bush andere Auftreten Obamas unterstreichen: Obama
ist deutlich entspannter als viele andere PolitikerInnen
und wirkt oft sehr gewinnend; er verspricht, einen Kurs
des Aufbruchs und des Wechsels („Change“) in der
Politik einzuleiten, und Fotos wie das auf Seite 63
stärken sein Image als ein den Menschen zugewandter,
herzlicher, „volksnaher“ Politiker.
• Schritt 6:
Es bleibt offen, ob das Foto nach oder vor der Rede
Obamas aufgenommen wurde. Außerdem wäre
interessant zu erfahren, worüber die drei PolitikerInnen gesprochen haben.
Linktipp: www.phoenix.de/content/703520
1.5 Die UNO nach dem Ende der
bipolaren Ordnung
GO! > Seite 65
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Aktuelle Aktivitäten:
• UN-Sicherheitsrat:
Resolution 1230 zur Verlängerung der Tätigkeit des ICTY
(Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige
Jugoslawien) und S/RES/1231 zur Überwachung des
Gebiets um die Golanhöhen (UNDOF) (beide 18. 12. 2013);
S/RES/1232: Erhöhung der Truppenstärke im Südsudan
(UNMIS) wegen der Unruhen (24. 12. 2013); eine Resoluti-
27
on zum Eingriff in den Syrienkonflikt kam aufgrund
eines Vetos von Russland und China nicht zustande.
Linktipps:
www.unric.org/de
unscr.com/en/resolutions
www.un.org/en/ [→ Peace and Security → SecurityCouncil → Documents → Resolutions]
www.bpb.de/ [→ Internationales → Die Vereinten
Nationen]
• Generalsekretär:
Am 20. 01. 2014 lud Generalsekretär Ban Ki-Moon die
iranischen Abgesandten zur Genfer Konferenz zur
Regelung des Vorgehens in Syrien kurzerhand wieder
aus, weil die iranische Führung die Vorbedingungen
(Genf I-Konferenz vom Juni 2012) nicht anerkennen
wollte.
Neben seiner Friedensarbeit tritt Ban Ki-Moon auch für
den Klimaschutz ein und setzte Ende Dezember 2013
zwei Sonderbeauftragte („Klima-Botschafter“) für die
Reduktion der Treibhausgase ein. Beim Gipfeltreffen in
New York im September 2014 sollen die Staaten ihre
Ausstöße offenlegen.
Linktipp: www.google.at [Ban Ki-Moon Ausladung Iran;
Ban Ki-Moon Klima-Botschafter]
• Vollversammlung:
Die letzten Resolutionen der Generalversammlung
(General Assembly) wurden am 27. 12. 2013 verabschiedet und betrafen Finanzierungsentscheidungen, z. B.
die Finanzierung des Kriegsverbrechertribunals.
Linktipp: www.un.org/en [→ Peace and Security →
General Assembly → Resolutions oder Agenda]
2 Österreichs Beziehung zur UNO:
Österreich trat am 14 . 12. 1955 der UNO bei und war
seitdem in zahlreichen UN-Institutionen vertreten
(z. B. Menschenrechtskommission, Economic and Social
Council ECOSOC etc.). 1957 wurde Wien zum Sitz der
Internationalen Atomenergieorganisation IAEO und
1967 zusätzlich zum Sitz der UNIDO (UNO-Organisation
für industrielle Entwicklung). Mit dem Bau der UNO-City
wurde Wien 1979 zum dritten UNO-Sitz. 1971–1981 war
der Österreicher Kurt Waldheim UN-Generalsekretär.
UN-Hilfsorganisationen samt Aufgabenbereichen,
Auswahl:
• UNICEF (Weltkinderhilfswerk): humanitäre Hilfe in
Notsituationen für Kinder und Mütter
• UNHCR (Hoher Kommissar für Flüchtlinge): Schutz
und humanitäre Hilfe für Flüchtlinge
• UNCTAD (Welthandels-/Entwicklungskonferenz):
Förderung des Handels zwischen Entwicklungsländern
und Industriestaaten, Nord-Süd-Verständigung
• WFC (Welternährungsrat): Koordinierung zur Lösung
des Welternährungsproblems (bis 1996)
• UNEP (Umweltprogramm): Förderung von Umweltschutz und Nachhaltigkeit
28
Lösungen – Zusatzinformationen
Linktipp: www.politik-lexikon.at/index
Österreichische Truppenkontingente in UNFriedenstruppen:
1965 Verabschiedung des Bundesverfassungsgesetzes
für die Entsendung österreichischer Truppen zur
Hilfeleistung ins Ausland; Versendung österreichischer
Truppenkontingente u. a. in den Kongo (1960–1963),
nach Zypern (1964–1973) sowie in die Golanhöhen
(1973–2013)
Laut Österreichischem Bundesheer sind mit Stand
Jänner 2014 189 Soldaten in folgenden UN-Missionen
im Ausland (Gesamtzahl der Soldaten im Auslandseinsatz: 658) – Auswahl:
Linktipps:
www.bmlv.gv.at/ [→ Sicherheitspolitik → Auslandseinsätze → Zahlen, Daten, Fakten]
www.historisch.apa.at/cms/apa-historisch/ [→ Außenpolitik → Österreich und die UNO]
3 Bedeutung der UNO für Gegenwart und Zukunft:
Für eine gegenseitige Kontrolle der Staaten gibt es keine
Alternative zur UNO. Ein gemeinsames Vorgehen der
Mehrheit aller Staaten weltweit ist zur Sicherung,
Erhaltung und/oder Wiederherstellung von Frieden
und für die Einhaltung der Menschenrechte sehr
wichtig.
Einsatzgebiet
Soldaten
Aufgabe
Syrien
1
Vernichtung der syrischen Chemiewaffen
Libanon
171
Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung
Zypern
4
Verhindern des Wiederaufflammens von Kampfhandlungen zwischen den Volksgruppen
Afghanistan
3
Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul
Westsahara
3
Überwachung des Waffenstillstandsabkommens
Westafrika
1
Frieden und Sicherheit umsetzen
Naher Osten
3
Friedenserhaltung
2 Die Arabische Revolution
2.1 „Von der Diktatur zur
Demokratie“
GO! > Seite 66
che Theatervorführungen (Straßentheater), Verweigerung der Herausgabe von Personalien an die Behörden,
Beeinträchtigung von Infrastruktur und Verkehr usw.
Literaturtipp: Gene Sharp: Von der Diktatur zur Demokratie: Ein Leitfaden für die Befreiung (2011). C. H. Beck
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die meisten der von Sharp vorgeschlagenen Methoden
sind wirksam, wenn es eine Möglichkeit gibt, darüber
öffentlich zu berichten. Protestreden, Hungerstreiks
oder provozierte Verhaftungen finden nationale oder
internationale Beachtung, wenn frei über diese Aktionen berichtet werden kann. Ein Generalstreik setzt
aktive und gut organisierte Gewerkschaften voraus.
Aktionen der wirtschaftlichen Nichtzusammenarbeit
(z. B. Abheben der Bankguthaben) können effizient sein,
wenn damit dem Regime die finanzielle Grundlage
entzogen wird. Sharps Ideen setzen auch eine Bereitschaft der Akteurinnen und Akteure voraus, eventuelle
negative Konsequenzen ihres Handelns zu tragen.
Weitere Methoden: Verfassen und Verbreitung von
Protestliedern, offenen Briefen, Flugblättern, öffentli-
2.2 Jasminrevolution in Tunesien
GO! > Seite 67
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Bildanalyse:
Der öffentliche Selbstmord Mohammed Bouazizis war
der Auslöser für die Unruhen und Proteste in Tunesien
im Jänner 2011. Bouazizi wurde zu einer Symbolfigur
für den Protest gegen die schlechten Lebensbedingungen. Das Foto zeigt seine letzte Geste: Er wendet beide
Handflächen nach außen und zeigt damit, dass er
keine Waffen bei sich hat und sich auch nicht wehren
kann.
Internationale Politik und Wirtschaft
Ein Demonstrant macht eine ähnliche Geste, er streckt
ebenfalls beide Hände mit den Handflächen nach
außen in die Höhe. Bouazizis Bild wird auf der tunesischen Staatsflagge (roter Halbmond und roter Stern in
weißem Kreis auf rotem Grund) getragen, wodurch
Bouazizi zu einer Art Nationalheld stilisiert wird.
2 Bereits in den 1980er-Jahren demonstrierten Tunesier­
Innen und AlgerierInnen gegen ihre prekäre Situation
(„Brotunruhen“). Der FAZ-Artikel legt nahe, dass
Mangel an Freiheit, Demokratie und Möglichkeiten
politischer Mitsprache ebenso Auslöser für die Proteste
von 2011 waren wie die materiell unerträglichen
Lebensbedingungen, weil Freiheit als „Brot des Geistes“
auch für viele Menschen im arabischen Raum unverzichtbar ist.
Linktipp: www.polipedia.at [Umbruch im arabischen
Raum: Tunesien]
2.3 Sturz des Diktators in Ägypten
GO! > Seite 68
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 2013/2014 erfuhr die ägyptische Verfassung eine
Novellierung, die im Rahmen eines Referendums
angenommen wurde. Die neue Verfassung brachte im
rechtlichen Bereich Verbesserungen, insbesondere für
Frauen. Die Umsetzung der neuen Rechtslage erweist
sich jedoch als schwierig. Die enorme Macht des
Militärs bleibt auch durch die neuen Regelungen
erhalten. Es wurde außerdem ein Verbot von politischen Aktivitäten auf religiöser Basis erlassen (z. B.
Einstufung der Muslimbruderschaft als Terrororganisation); neben dem Islam wurden nur das Judentum und
das Christentum voll anerkannt. Vor allem für arme
Menschen in Ägypten hat sich die Lage verschlimmert,
Korruption ist weiterhin ein großes Problem.
Linktipp: www.polipedia.at [Umbruch im arabischen
Raum: Ägypten]
2.4 Libyen und Syrien – Krieg
gegen das eigene Volk
GO! > Seite 70
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
· 1 Analyse der Karikatur ( GO! 7, S. 132–134):
• Schritt 1:
Rechts ein westlich aussehender Mann in Militäruniform mit Nato-Helm und einem Schwert in der rechten
Hand, ihm gegenüber ein orientalisch wirkender Mann,
der von einer mächtigen Würgeschlange mit menschlichem Gesicht, Haaren, Kappe und der Aufschrift
29
„Gaddafi-Regime“ gefangen ist; der NATO-Soldat hat der
Schlange ein Stück ihres Schwanzes abgeschlagen, die
beiden Männer sind durch ein Schild und eine Bodenmarkierung voneinander getrennt.
• Schritt 2:
Die Schlange trägt den Schriftzug „Gaddafi-Regime“, auf
dem Oberkörper des Mannes steht „OPP.“ („Opposition“).
Der NATO-Soldat entschuldigt sich, dass er ihm nicht
wirklich helfen kann („Bedaure ...“): Das Schild „STOP!
Grenze des UN-Mandats“ und die Bildunterschrift: „…
weiter darf ich nicht!“ machen klar, dass die NATO die
Opposition nur unzureichend unterstützen kann.
• Schritt 3:
Die Schlange steht für Muammar al-Gaddafi (→ charakteristische Frisur, Kappe), bzw. sein Regime das eine
tödliche Bedrohung für die Opposition darstellt. Zwar
konnte die NATO militärisch eingreifen (Entsendung
von Kampfflugzeugen), doch verbot das UN-Mandat ein
tatsächlich wirksames Einschreiten.
• Schritt 4:
Die Karikatur zeigt die Situation von 2011, als die
libysche Opposition gegen das Gaddafi-Regime vorging
und der UN-Sicherheitsrat beschloss, aufseiten der
Oppositionellen einzugreifen.
• Schritt 5:
Der Zeichner kritisiert, dass das UN-Mandat keine
ausreichenden Befugnisse festlegt: Die militärischen
Aktionen gegen das libysche Regime sind nur bedingt
erfolgreich, weil keine ausländischen Besatzungstruppen zugelassen werden.
2 Im Fall von Libyen bekannte sich der UN-Sicherheitsrat
zur neuen Doktrin der „Einmischung“ in die inneren
Angelegenheiten des Landes, weil die Rechte der
Zivilbevölkerung geschützt werden sollten.
In Syrien kam es zu keinem UN-Mandat und zu keinem
militärischen Einschreiten außersyrischer Mächte.
Russland und China blockierten den UN-Beschluss zum
Eingreifen in Syrien, nicht zuletzt, weil Russland und
Syrien insbesondere in der Ölindustrie eng zusammenarbeiten. So konnte man sich in den UN nur zu halbherzigen Aktionen, etwa zur Entsendung eines Sondergesandten nach Syrien, entschließen.
Zwar hatte US-Präsident Barack Obama bekannt
gegeben, dass der Einsatz von chemischen Waffen
durch das Regime eine Grenzüberschreitung sei,
dennoch kam es auch nach einem Chemiewaffeneinsatz zu keinem Einschreiten der USA. Die Regierung
Obama wollte sich offenbar nicht auf ein weiteres hoch
riskantes militärisches Abenteuer einlassen.
3 Der Kurier-Artikel kritisiert die Schwäche des UNSicherheitsrates, sich trotz des grausamen Bürgerkrieges in Syrien zu keiner Resolution durchringen zu
können.
Im zweiten Artikel wird die Haltung des russischen
Präsidenten Wladimir Putin wiedergegeben. Das
30
Lösungen – Zusatzinformationen
Beispiel Libyen habe gezeigt, dass ein autokratisches
Regime durch ein noch aggressiveres ersetzt worden
sei; eine ähnliche Entwicklung gelte es in Syrien zu
verhindern. Den humanitären Einsatz in Syrien sieht
Putin als Vorwand für den Versuch, Gaddafi zu stürzen.
Putin argumentiert damit gegen einen internationalen
militärischen Einsatz in Syrien und regt dazu an, die
Souveränität des Landes zu achten.
Linktipps:
www.wienerzeitung.at [→ Dossiers → Arabische Revolution → Libyen bzw. Syrien]
www.welt.de [Home → Themen von A bis Z → Syrien –
Krise]
www.arte.tv [Syrien: Ein Land vor dem Kollaps]
3 Globalisierung
3.1 Die Welt „globalisiert“ – aber
warum?
GO! > Seite 72
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Punkte in der Mindmap:
Ende des Ost-West-Konfliktes, Öffnung der Ostblockstaaten, Aufhebung des Bretton-Woods-Systems, neue
Kommunikationsmöglichkeiten (insbesondere Internet), Abbau von Zollschranken, billigere Transportkosten, Liberalisierung des Welthandels, Entstehung eines
(globalen) Umweltbewusstseins (Club of Rome)
2 Mögliche Beispiele:
Große, weltweit wichtige Problemstellungen wie
beispielsweise die steigenden CO2-Emissionen beschränken sich meistens nicht auf einzelne Staaten,
ihnen kann nur gemeinsam in einem globalisierten
Kontext begegnet werden (z. B. UN-Klimakonferenzen).
Durch die Globalisierung der Finanzmärkte können die
einzelnen Staaten auch in die Wirtschaft nicht regulierend eingreifen, dies ist nur gemeinschaftlich möglich.
Die Staaten, die sich vereint diesen „big problems“
widmen, verlieren dadurch aber die Sicht auf die „small
problems of life“: Viele Menschen fühlen sich mit ihren
täglichen Sorgen (z. B. Versorgung der Familie, private
Verschuldung, Infrastruktur) vom Staat im Stich
gelassen.
3 „Glokalisierung“ deckt sowohl einen „globalen“ als
auch einen „lokalen“ Aspekt ab. Robertson geht nicht
davon aus, dass sich das Lokale (bzw. Regionale oder
Nationale) und das Globale diametral gegenüberstehen,
sondern sich wechselseitig auf komplexe Art und Weise
durchdringen und neue Wirkzusammenhänge hervorbringen.
Linktipps:
www.oceo-consult.com
www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/GuS_29_Glokalisierung.pdf
4 Mögliche Gründe für den Erfolg des www:
Demokratisierung, Mitsprache, Erleichterung der
Kommunikation, schneller und unkomplizierter
Zugriff auf große Datenmengen, Meinungsbildung,
Anonymität ( GO! 7, S. 162–164)
5 Keine Musterlösung möglich.
· 3.2 „Globo“ – die Welt als kleines
Dorf
GO! > Seite 73
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Rückschlüsse:
Im 19. und 20. Jh. ist die Bevölkerung Afrikas am
stärksten gestiegen: Sie hat sich verdreizehnfacht. Mehr
als die Hälfte aller Menschen stammt aus Asien.
In naher Zukunft wird auf allen Kontinenten die Anzahl
der Älteren im Verhältnis zu den Jüngeren steigen.
Das reale Einkommen war sowohl 1820 als auch 2000
in Nordamerika am höchsten.
Der Ölverbrauch ist in Afrika am schwächsten, was auf
einen niedrigen Industrialisierungsgrad schließen
lässt.
Gleichzeitig müssen Menschen in Afrika am längsten
arbeiten, um sich einen „BigMac“ leisten zu können.
Armut ist vor allem in Afrika und Lateinamerika ein
Problem.
Europa und Nordamerika sind die reichsten Kontinente
(erkennbar etwa an der hohen Anzahl an Autos).
In Nordamerika sind private Handfeuerwaffen am
meisten verbreitet, was am Status von Waffen in den
USA liegen könnte (der zweite Zusatzartikel zur Verfassung der USA garantiert das Recht, Waffen zu besitzen).
In Nordamerika befindet sich die wichtigste Militärmacht, nämlich die USA: Die Rüstungsausgaben sind
hier weltweit am höchsten.
2 Keine Musterlösung möglich.
Internationale Politik und Wirtschaft
3.3 Der Siegeszug des
Kapitalismus
GO! > Seite 75
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Bis 1990 war der Kapitalismus fast ausschließlich ein
Phänomen entwickelter und westlich orientierter
Staaten. Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes entwickelten sich die als „Schwellenländer“ bezeichneten
Staaten sehr schnell in Richtung kapitalistischer
Systeme. 2007 hatten die USA als Musterbeispiel eines
wirtschaftsliberalen Staates das weltweit größte
Bruttoinlandsprodukt (BIP).
2 BIP, Stand 2007:
Brasilien: 1.347 Mrd. US $;
Russland: 1.285 Mrd. US $;
Indien: 1.137 Mrd. US $;
China: 3.287 Mrd. US $
BIP, Stand 2012
Brasilien: 2.253 Mrd. US $;
Russland: 2.015 Mrd. US $;
Indien: 1.842 Mrd. US $;
China: 8.227 Mrd. US $.
In allen BRIC-Staaten ist das BIP erheblich gestiegen, am
stärksten in China.
Linktipp: http://data.worldbank.org/
3 „Alternatives Finanzsystem“:
Das Bankensystem soll demokratisch legitimiert und
gemeinwohlorientiert sein; Verbot von Casinos und
Glücksspiel; starke Kapitalverkehrskontrollen; globale
Steuerkontrollen
„Solidarisches Europa“:
Die europäische Politik soll verstärkt den Menschen,
die ökologischen Lebensgrundlagen sowie die Vielfalt
des Kontinents und weniger die Wirtschaft im Blick
haben.
„Gerechter Welthandel“:
Globale Organisationen sollen sich für die Wahrung der
31
Menschenrechte, für menschenwürdige Arbeit, für
Umwelt und Demokratie sowie für eine Bekämpfung
der Armut einsetzen, nicht wie bisher einseitig für die
Wahrung von Wirtschaftsinteressen.
„Ernährungssouveränität“:
Die Lebensmittel- und Agrarpolitik soll demokratisiert
werden, um ausreichend Lebensmittel für alle Menschen produzieren und verteilen zu können.
„Soziale Sicherheit“:
Die Staaten müssen für eine öffentliche Grundversorgung ihrer BürgerInnen eintreten.
„Klimagerechtigkeit“:
Der Klimawandel, eines der wichtigsten ökologischen
Probleme, muss global gelöst werden.
Linktipps:
www.attac.at
konsumpf.de
alternativerealitaet.info
3.4 „Mensch vor Profit“ – die NGOs
GO! > Seite 76
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Ein extrem hoher GINI-Koeffizient ist in einigen
Staaten Afrikas (Südafrika, Botswana, Zentralafrikanische Republik, Sierra Leone) festzustellen: Hier ist das
Vermögen besonders ungleich verteilt. Für viele andere
afrikanische Staaten gibt es keine Angaben.
Auch in Lateinamerika gibt es viele Staaten, in denen
ein hohes Maß an sozialer Ungleichheit zu beobachten
ist. In den Staaten Mittel- und vor allem Nordeuropas
sowie in Kanada und Australien ist der GINI-Koeffizient
sehr niedrig, was auf eine gerechte Verteilung des
Vermögens schließen lässt.
2 Österreich ist ein demokratischer Rechtsstaat, der auf
einer Verfassung und Gesetzen aufbaut. Damit werden
den Bürgerinnen und Bürgern gewisse Rechte zuerkannt,
32
Lösungen – Zusatzinformationen
die vor Ungleichheit schützen. Auch das österreichische
Sozialsystem federt soziale Ungerechtigkeiten ab.
In Österreich gibt es daher einen relativ breiten Mittelstand und es findet eine stärkere Umverteilung des
Vermögens als z. B. in den USA statt.
„Es erfolgt eine deutlich vertikale Umverteilung. Das
unterste Drittel der drei Millionen Haushalte zahlt zwar
nur 13 Prozent des gesamten Steueraufkommens, erhält
jedoch 43 Prozent aller Sozialleistungen. Das mittlere
Drittel zahlt 28 Prozent und erhält 32 Prozent, das oberste
Drittel trägt 59 Prozent der Steuerlast und bezieht 25
Prozent der Sozialleistungen. […] Im internationalen
Vergleich ist Österreich damit absoluter Spitzenreiter. Im
Schnitt machen die Transferleistungen 36,6 Prozent vom
verfügbaren Einkommen aus. Zum Vergleich: In Schweden
liegt der Wert bei 32,7 Prozent, in Deutschland bei 28,2
Prozent, in transferaversen Ländern wie Großbritannien
und den USA bei 14,5 beziehungsweise 9,4 Prozent.“
(Linsinger, Bauer: „profil“ vom 22. 10. 2009, www.profil.
at/articles/0943/560/253978/ungerechtes-oesterreichumverteilungs-steuerpflichtigen, Juni 2014)
3 Auswahl:
„Human Rights Watch“ (HRW):
setzt sich weltweit für den Schutz und die Verteidigung
der Menschenrechte ein. Ziel dieser NGO ist es, den
Opfern eine Stimme zu geben und die Verantwortlichen für die Missstände zur Rechenschaft zu ziehen.
HRW übt öffentlichen Druck auf politische EntscheidungsträgerInnen aus, um Menschenrechtsverletzungen zu beenden.
„Attac“:
steht für „Association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens“ (Vereinigung
zur Besteuerung von Finanztransaktionen zugunsten
der BürgerInnen). Diese NGO ist international aktiv
und setzt sich für eine demokratische und sozial
gerechtere Gestaltung der globalen Wirtschaft ein.
Attac hat es sich zum Ziel gesetzt, über wirtschaftspolitische Vorgänge und Entwicklungen aktiv zu informieren und mögliche Alternativen aufzuzeigen.
4 Direkte Hilfe:
NGOs leisten humanitäre Hilfe, schützen Menschen,
die Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden,
bieten Möglichkeiten zur Ausbildung an u. v. m. Wenn
äußere Umstände (politisches System, Kriege und
Konflikte usw.) direkte Interventionen nicht zulassen,
versuchen NGOs, ihre Ziele durch Öffentlichkeitsarbeit
und Lobbying zu erreichen.
Sammeln und Veröffentlichung von Informationen:
NGOs sammeln und veröffentlichen Informationen
über Missstände, Menschenrechts- und Gesetzesverletzungen u. Ä. Auf Regierungen, die ihren Pflichten nicht
nachkommen, soll damit Druck ausgeübt werden. Organisationen wie das Rote Kreuz oder Amnesty International genießen in der Weltöffentlichkeit ein hohes
Ansehen.
Kampagnen und Lobbying:
NGOs starten Briefkampagnen, Straßenaktionen und
Demonstrationen, um auf Missstände aufmerksam zu
machen. Dabei spielt die Kooperation mit den Medien
eine große Rolle, insbesondere das Internet gewinnt
immer mehr an Einfluss. Je mehr Unterstützung diese
Kampagnen in der Öffentlichkeit finden, umso eher
können NGOs ihre Ziele durchsetzen.
Linktipps:
www.hrw.org
www.attac.at
kompass.humanrights.ch [→ Themen → NGOs]
Internationale Politik und Wirtschaft
33
ExpertInnengespräch: Finanzkrise, Eurokrise,
Staatenkrise
GO! > Seite 77–79
Einflussnahme auf den politischen Prozess, z. B. durch
die Teilnahme an (nationalen und EU-weiten) Wahlen,
bewusste Auseinandersetzung mit gegenwärtigen
Wirtschaftsthemen
Zur Person Margit Schratzenstaller-Altzinger: Margit
Schratzenstaller-Altzinger, geboren 1968 in Deutschland,
ist seit 2003 Mitarbeiterin am Österreichischen Institut
für Wirtschaftsforschung, wo sie insbesondere als Referentin für öffentliche Finanzen tätig ist. Sie forscht in den Bereichen Makroökonomie und europäische Wirtschaftspolitik und beschäftigt sich außerdem mit der Entwicklung
und den Reformen im öffentlichen Sektor.
3.5 Muhammad Yunus: Den
Teufelskreis der Armut
durchbrechen
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
GO! > Seite 81
1 Finanzkrise:
Der Finanzkrise muss sowohl mit Sparmaßnahmen als
auch mit größeren Investitionen begegnet werden.
Bankenrettung:
Systemrelevante Banken müssen gerettet werden, weil
sonst die Folgekosten zu hoch werden.
Euro:
Die Wirtschafts- und Währungsunion der EU funktioniert nur, wenn die Ungleichgewichte innerhalb der EU
abgebaut werden.
Kostenübernahme:
Reichere Länder sollten ein gewisses Maß an Transferleistungen an ärmere Länder übernehmen.
Verhältnis von Politik und Finanzmärkten:
Momentan ist die Politik gegenüber den Finanzmärkten wenig durchsetzungsfähig; das könnte durch
verstärkte internationale Kooperation und neue
Regulierungsmaßnahmen verändert werden.
Zukunftsperspektive:
Für eine bessere Zukunftsperspektive hält es die
Expertin für notwendig, dass Politik und Gesellschaft
möglichst schnell auf die dringenden Probleme
reagieren.
2 Keine Musterlösung möglich.
3 Konsequenzen für Finanzministerin:
verstärkte internationale Zusammenarbeit, Regulierung der Finanzmärkte durch neue Gesetze, Sparprogramm bei gleichzeitigen Investitionen, um das
Wirtschaftswachstum anzukurbeln
Konsequenzen für Bankmanager:
Verringerung der Zinsen auf Spareinlagen, Erhöhung
der Kreditzinsen, Stärkung des Eigenkapitals der Bank
Konsequenzen für Maturantin:
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Armut ist Ursache und Folge von verschiedenen
Entwicklungen, die sich jeweils gegenseitig bedingen.
Wirtschaftliche Faktoren wie geringe Produktion und
geringes Wachstum spielen ebenso eine Rolle wie
soziale Faktoren (Krankheit, mangelhafte Ausbildung,
wenig Nahrung).
Das System der Mikrokredite kann den linken Kreis
und den rechten Kreis unterbrechen, denn mit günstigen Krediten kann einerseits der Konsum angeregt
werden, andererseits können Investitionen getätigt und
damit das Wachstum gefördert werden.
2 Mikrokredite können zur Friedenssicherung beitragen,
weil sich durch die Vergabe von günstigen Kleinkrediten die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Arm
und Reich verkleinern können. Es kommt zu weniger
Spannungen, der soziale Frieden wird dadurch gesichert.
3 Mikrokredite zielen vordergründig nicht darauf ab,
dass Kreditinstitute Gewinn machen, und stehen damit
im Gegensatz zu kapitalistischen Grundgedanken.
Auch die KreditnehmerInnen werden durch das System
der Mikrokredite nicht reich; dennoch kann die Armut
auf diese Weise wirksam bekämpft werden. Menschen
können so dazu befähigt werden, wieder selbstständig
für sich zu sorgen.
Linktipps:
www.zeit.de [„Mein gutes Geld“]
www.mikrokredite.biz [Das Mikrokredit-Programm
des Nobelpreisträgers Muhammad Yunus für die
Dritte Welt]
34
Lösungen – Zusatzinformationen
4 Der wirtschaftliche Aufstieg der BRIC-Staaten
4.1 „Typisch BRIC“
GO! > Seite 82
4.3 Russland und Brasilien –
Reichtum an Rohstoffen
GO! > Seite 85
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Analyse und Interpretation:
Die Regierungschefs von Russland, Brasilien, China und
Indien stehen nebeneinander, hinter ihnen sieht man
die Flaggen ihrer Herkunftsstaaten. Sie reichen einander die Hände und signalisieren damit Geschlossenheit,
Zusammenhalt und Solidarität. Alle vier Männer
lächeln, sie wirken entspannt, tatkräftig und zuversichtlich. Sie wollen wohl auch als aufstrebende
Wirtschaftsmächte verstanden werden. Das In-dieHöhe-Halten der Hände kann als Siegesgeste interpretiert werden: Die BRIC-Staaten sehen sich als die
Gewinner der Zukunft.
2 In Indien und China führen v. a. eine ökonomische
Liberalisierung und Modernisierung zu einem erhöhten Wirtschaftswachstum und lassen die beiden
Staaten in der Weltwirtschaft an Bedeutung gewinnen;
Brasilien und Russland profitieren von der Förderung
und Abhängigkeit der Weltwirtschaft von ihren großen
Rohstoffreserven.
4.2 China und Indien – zwei
mögliche Supermächte
GO! > Seite 84
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die Karikatur will zeigen, dass das chinesische Wirtschaftswachstum auf Kosten der Umwelt erfolgt und
Umweltschutzbestimmungen als Gefährdung des
Wachstums angesehen werden. Das Wirtschaftswachstum wird in der Karikatur als bedrohlicher Drache
dargestellt, der einen „Haufen“ Kot erzeugt, d. h. eine
Menge an Umweltbelastungen mit sich bringt. Dem
Drachen und dem Kothaufen steht die chinesische
Regierung mit ihren Umweltschutzauflagen machtlos
gegenüber – verkörpert durch die kleine Person des
Ministerpräsidenten mit Mundschutztuch und Kehrschaufel.
2 Lösungsvorschlag, Anregungen:
Positive Gedanken zum Wachstum: Geschäfte laufen
besser, mehr Einnahmen, besserer Lebensstandard,
mehr Geld für die Familie
Negative Gedanken zum Wachstum: Ungleichheit
wächst, Niedergang traditioneller wirtschaftlicher und
gesellschaftlicher Strukturen, wachsende Abhängigkeit
von der Weltwirtschaft (z. B. Absatz)
Lösungsvorschlag
· Problemgehalt der Karikatur:
Russland und die Türkei können Europa damit drohen,
den „Gashahn zuzudrehen“: Zwar versucht die EU – u. a.
aufgrund des Konfliktes zwischen Russland und der
Ukraine – sich unabhängiger von Erdöl- und Gaslieferungen aus Russland zu machen; doch auch Lieferungen, die über die Türkei in die EU-Staaten gelangen, wie
sie das 2009 noch aktuelle Projekt der Nabucco-Pipeline vorgesehen hätte, hätten das Problem der Abhängigkeit von Nicht-EU-Staaten im Bereich der Energieversorgung nicht gelöst. Eine Energieautarkie der EU wäre
auch mit der „Nabucco-Pipeline“ nicht erreicht worden.
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Gründe für das Scheitern:
• Grund 1: Das TAP-Projekt (Pipeline von der Türkei
durch Griechenland über die Adria bis nach Italien) ist
kürzer und damit günstiger.
• Grund 2: Laut EU-Recht dürfte die Pipeline auch von
alternativen Anbietern genutzt werden, womit die
Kapazität der Lieferungen der Initiatorinnen und Initiatoren des Projekts (u. a. OMV) geschmälert würde.
• Grund 3: Russland wünscht die Beibehaltung des Status
quo, um nicht die Kontrolle über die Gaslieferungen zu
verlieren, die über russisches Terrain laufen.
Auswirkungen für die EU:
Zur Deckung der Energieversorgung bleibt die EU
weiterhin von Erdgaslieferungen aus und durch
Russland abhängig. Beispielsweise durch den Atomausstieg Deutschlands wird die Menge an Erdgaslieferungen in naher Zukunft zudem deutlich ansteigen. Die EU
kann einem möglichen Druck seitens Russlands nur
wenig entgegensetzen, will sie keine Störung der
Energieversorgung riskieren.
2 Russland:
Weite Teile Russlands sind klimabedingt spärlich
besiedelt. Einigen russischen Regionen wird wegen
ihrer reichen Rohstoffvorkommen die Unabhängigkeit
verweigert und ihr Verbleiben in der russischen
Föderation erzwungen. Zudem laufen alle Pipelines der
ehemaligen kaukasischen Sowjetrepubliken über
russisches Terrain. Die Ausbeutung der Rohstoffe etwa
in Sibirien zerstört den ursprünglichen Lebensraum
der Indigenen (z. B. Chanten und einiger Völker
Sibiriens) und damit auch deren Kultur und
Lebensweise.
Internationale Politik und Wirtschaft
Brasilien:
Für die Biospritproduktion werden weite Teile des
Urwalds abgeholzt. Zahlreiche indigene Stämme (z. B.
Akuntsu, Arara, Awá, Guarani, Yanomami, Zo’é etc.)
verlieren dadurch ihren natürlichen Lebensraum,
35
wodurch deren Lebensweise und Kultur gefährdet und
womöglich untergehen wird. Sie müssen wegziehen
oder werden zwangsumgesiedelt.
Linktipp: www.survivalinternational.de/indigene [z. B.
Akuntsu]
Methode: Historische und politische Urteile analysieren
und vergleichen
GO! > Seite 86–90
Zur Bedeutung der vorgestellten Methode
SchülerInnen entwickeln im Zuge ihrer Beschäftigung mit
Geschichte selbst historische Sach- und Werturteile und
werden auch häufig mit historischen Urteilen anderer
über vergangenes Geschehen konfrontiert. Erst mittels
dieser Urteilsfindung entstehen Orientierungskompetenzen und in Folge historisches Lernen. Deshalb scheint es
von besonderer Bedeutung, dem Prozess der Urteilsbildung und der Frage nach der Qualität eines formulierten
Urteils zu einem historischen Sachverhalt besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
In GO! 8 wird dies anhand des Themas 9/11 demonstriert.
Der Ökonom Stiglitz und der Historiker Ash sind renommierte Wissenschaftler, die wissenschaftlich fundiert argumentieren und dennoch in ihrer Bewertung des historischen Ereignisses partiell voneinander abweichen.
Die Analysemethode setzt sich aus fünf Schritten zusammen: Erkennen des Urteils – Argumentation – Bewertung –
Vergleich mit einem anderen Urteil – Bildung eines eigenen Urteils.
·
Lösungsvorschlag für die Anwendungsaufgabe
· Analyse des Textes „Der Preis von 9/11“
• Schritt 1:
Stiglitz konzentriert sich auf die wirtschafts- und
sicherheitspolitischen Folgen von 9/11 für die USA. Er
legt dar, dass 9/11 den USA geschadet hat, besonders
wegen der Fehler der Bush-Administration.
• Schritt 2:
Er sieht das Staatsdefizit sowie die hohe Arbeitslosenrate in der Kriegspolitik im Nahen Osten begründet.
Durch das Verschleiern der wahren Kriegskosten wurde
auch die Sicherheit der USA gefährdet und durch
Menschenrechtsverletzungen das Ansehen Amerikas
geschwächt. Obwohl al-Qaida besiegt wurde, erfuhr der
Nahe Osten durch die Folgen der US-Interventionen in
Afghanistan und im Irak Destabilisierung. Die Kriege
waren ein Desaster, das die US-Regierung aber zu
verschleiern suchte. Die überteuerten Ölimporte
wurden durch eine Immobilienblase und einen
Konsumboom überdeckt. Die realen Kriegskosten
wurden nach unten korrigiert ausgewiesen. Diese und
zahlreiche wirtschaftspolitische Aktionen der BushRegierung (Steuererleichterungen für Reiche etc.)
ließen das Defizit anwachsen und die USA in eine Krise
schlittern. Trotz hoher Kriegskosten wurden die
Militärs nur ungenügend ausgestattet. Dadurch wurde
auch die Sicherheit der USA selbst gefährdet. Durch
Menschenrechtsverletzungen verloren die USA den
Führungsanspruch in der Welt. Dennoch sieht Stiglitz
auch Chancen insofern, als die USA intensiver über
militärische Problemlösungen und eine Umschichtung
der Ressourcen des US-Budgets nachdenken würden.
• Schritt 3:
Der Ersteindruck ist positiv. Alle Argumente untermauert Stiglitz mittels Beispielen. Der Argumentationsgang
ist logisch, zum Teil mit Themensprüngen versehen,
zeigt aber eine inhaltliche Kontingenz: Durch die
Kriege und die enormen Militäraufwendungen wären
die USA wirtschaftlich dauerhaft geschädigt worden.
Um dies nicht publik werden zu lassen, wären Tatsachen verschleiert worden, was u. a. auch die Sicherheit
der USA gefährdet hätte. Als Folge der Aktionen um 9/11
könnten aber Reformideen verstärkt ins Blickfeld
rücken.
Als Nobelpreisträger und Wirtschaftsprofessor an der
Columbia University ist an der Fachkompetenz von
Stiglitz in ökonomischen Angelegenheiten nicht zu
zweifeln. In einem Zeitungsartikel sind keine Quellenverweise notwendig.
• Schritt 4:
Eintragung in die Tabelle in GO! 8, S. 88 (Lösungsvorschlag: S. 36)
• Schritt 5:
Beide Experten sind in ihrer Argumentation überzeugend. Stiglitz hebt – stärker als Ash – den wirtschaftlich-
·
36
Lösungen – Zusatzinformationen
finanziellen Aspekt hervor, weil er als Wirtschaftswissenschafter v. a. in diesem Bereich ein Expertenurteil
abgeben kann. In seinem Beitrag fehlen etwa die Rolle
anderer Nationen und deren veränderte Beziehungen
zu den USA nach 9/11 und den Kriegen.
Auch die psychologischen Folgen sind bei Stiglitz nicht
und seine Argumentation zur Gefährdung der Sicher-
heit zu wenig ausführlich ausgeführt. Durch seine
Ausführungen werden etwa die politischen Aktionen
der Obama-Regierung verständlicher (z. B. genaues
Abwägen, ob ein militärisches Eingreifen sinnvoll ist
und warum eher diplomatische Lösungen gesucht
werden).
Position der Autoren zur Entwicklung der USA nach 9/11
USA-kritisch,
(wirtschaftliche und außenpolitische) Schwächung der USA,
Chancen für Reformen
Auswirkungen der Kriege auf die
Wirtschaft
Dauerhafte Erhöhung des Staatsdefizits, Arbeitslosigkeit, erhöhte Ausgaben für Ölimporte, Verschleierung der Mängel durch Immobilienblase und Konsumboom
Auswirkungen der Kriege auf die
Sicherheit
Sicherheit stark bedroht durch schlechte Ausstattung der Militärs; strategische Vorteile für Feinde
(leichteres Abschätzen, ob militärische Aktionen durchgeführt werden)
Auswirkung auf die Soft Power
(internationales Ansehen) der USA
Negative Folgen durch Menschenrechtsverletzungen (z. B. Folter)
Auswirkungen auf die Politik
USA büßen weltpolitische Macht ein; Regierung verliert an Glaubwürdigkeit wegen der Täuschungsmanöver über die Kriegskosten und -absichten
Positive Folgen der Kriege
Bedrohung durch al-Qaida vermindert; Chancen für Reformen (Umschichtung im Budget, Verringerung
der Militärausgaben)
Gemeinsamkeiten
Einig sind sich Ash und Stiglitz in den negativen wirtschaftlichen Folgen der Kriege für die USA sowie
im Verlust der Zuschreibung als Soft Power und des Einflusses in der Weltpolitik.
Unterschiede
Siehe
· GO! 8, S. 88
5 „We are the 99 %“ – Occupy Wall Street
Transfer-Einheit zum Abschluss
von Kapitel 2
GO! > Seite 91–93
Den Abschluss von Kapitel 2 bildet der Transfer-Abschnitt
„We are the 99 %“ – Occupy Wall Street. Die Occupy-Bewegung entstand 2011 als Reaktion auf die größte Finanzkrise
seit 1929, die 2008 begonnen hat und nach wie vor die
Weltwirtschaft beeinflusst.
Die Occupy-Bewegung stellt die seit 1989 weltumspannende Dominanz des Kapitalismus infrage. Durch die Finanzkrise haben Arbeitslosigkeit und Perspektivenmangel unter Jugendlichen in vielen Staaten der westlichen Welt
zugenommen und bei vielen Betroffenen entstand bzw.
entsteht der Eindruck, dass die Politik sich wesentlich stärker an den Interessen von Banken und Konzernen orientiert als an den Bedürfnissen der Bevölkerung.
Menschen, die sich mithilfe neuer Medien wie Facebook
und Twitter in den arabischen und in südeuropäischen
Ländern wie Spanien und Griechenland zu Protestgruppen zusammenschlossen, waren die Vorbilder der Beset­
zerInnen des Zuccotti-Parks in New York. Obwohl die
­Occupy-Bewegung auch zahlreiche prominente UnterstützerInnen fand, wurde die Gruppe bereits im Jahr 2011 von
der Polizei aus dem Zuccotti-Park vertrieben und die Bewegung scheiterte.
Trotzdem meint der deutsche Politikwissenschaftler Claus
Leggewie 2012:
„Occupy steht nicht nur für sich. Occupy hat zu einem globalen Stimmungswechsel beigetragen, der vorher schon begonnen hatte und nach wie vor im Gange ist. […] Wir sollten Occupy in historischem Kontext sehen, und nicht nur im Zeitraum
eines Jahres. Von den siebziger Jahren bis in die jüngere Vergangenheit war das neoliberale Modell hegemonial. Nun ist
es das nicht mehr. […] Die 68er haben die Welt auch nicht alleine verändert; die DDR-Bürger, die sich als kleines Fähnlein in
der Zionskirche getroffen und das Neue Forum gegründet haben, haben die friedliche Revolution nicht ohne Gorbatschow
herbeigeführt. Doch die Bilder, die sie erzeugt haben, wirkten
in der Gesellschaft. Heute haben nicht wenige Menschen das
Gefühl, dass Occupy schon seit Jahren läuft und nicht erst seit
Herbst 2011. Es ist also weniger wichtig, was Occupy konkret
auf der Straße gemacht hat, als die symbolische Bedeutung
der Bewegung.“ („Occupy ist zu lieb“, Interview mit Claus
Leggewie, Süddeutsche.de, 18. 9. 2012; www.sueddeutsche.
de/politik/interview-mit-claus-leggewie-occupy-ist-zulieb-1.1469787, Juni 2014)
Internationale Politik und Wirtschaft
5.1 Protest der Zivilgesellschaft
GO! > Seite 91
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die Demonstrantin weist möglicherweise darauf hin,
dass sich ein großer Teil der Bevölkerung zwar für frei
hält, in Wirklichkeit aber längst in eine starke Abhängigkeit von kapitalistischen Entwicklungen, insbesondere von der Macht des Banken- und Finanzsektors
geraten ist.
Das Zitat spricht sogar von einer „hoffnungslosen
Versklavung“ derer, die ihre Unfreiheit nicht erkennen.
2 Korrektur: Der Aufruf stammt vom 13. Juli 2011, nicht
vom 13. Juni.
Durch die schnelle und freie Möglichkeit der Nachrichtenübertragung im Internet, insbesondere in den
sozialen Netzwerken, informierten sich viele Menschen
über die Protestbewegung in Ägypten. Vor allem auf
dem Tahrir-Platz in Kairo demonstrierte die Bevölkerung erfolgreich gegen das Regime von Hosni Mubarak
( GO! 8, S. 68).
Die Occupy-Bewegung nahm diesen erfolgreichen
Protest der Zivilbevölkerung zum Anlass, gegen die
Unterdrückung durch die Banken zu demonstrieren.
Im Text werden außerdem die „acampadas“ (Zeltlager)
in Spanien angesprochen. Damit sind die auch als
„Movimiento 15-M“ bekannten Proteste gemeint, die im
Mai 2011 in 58 spanischen Städten initiiert wurden und
einen radikalen Wandel in der (Wirtschafts-)Politik
forderten.
Linktipps:
occupywallst.org
www.occupytogether.org
www.adbusters.org
·
5.2 Wie alles begann
GO! > Seite 92
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Vorschlag Übersetzung:
„Die Banken haben einen Besitzanspruch auf dich/euch!
Die Regierung hat eine Kreditkarte ohne Begrenzung und
du bist/ihr seid ihr Pfand. Wir sind die 99 Prozent.“
Die Occupy-Bewegung kritisiert mit diesem Plakat, dass
die Gesellschaft ( „the 99 %“ ) durch die Macht der
Banken bzw. der Reichen (1 %) unterdrückt wird. Die
Politik korrigiert diesen Missstand nicht, sondern geht
sorglos mit den Staatsfinanzen um; dass die Bevölkerung die negativen Folgen tragen muss, wird als
„Kollateralschaden“ akzeptiert.
Mit den „99 Prozent“ ist die Mehrheit der Bevölkerung
gemeint, die nicht von den Vorgängen im Finanzsektor
37
profitiert. Die Zahl macht deutlich, dass es sich um eine
große Mehrheit handelt, die von einer kleinen Minderheit unterdrückt wird.
Die Prozentangabe ist nicht ganz wörtlich zu nehmen,
dennoch trifft sie zu: In Österreich gab es 2013 fast
100 000 Dollar-Millionäre (rund 1,17 % der Bevölkerung; Tendenz steigend), in Nordamerika sind es rund
0,7 % der Bevölkerung. Rund 0,2 % der Weltbevölkerung
zählen zu Dollar-Millionären. (derstandard.at/
1371169987707/Fast-100000-Dollar-Millionaere-in-­
Oesterreich, Juni 2014)
2 Gründung von Diskussions- und Arbeitsgruppen,
Aufstellen von Protestcamps, Besetzung von öffentlichen Plätzen und Parks, öffentliche Demonstrationen,
Onlineaktivitäten, z. B. in sozialen Netzwerken
5.3 Hintergründe der
Protestbewegung
GO! > Seite 93
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 „Gefühl, dass die Demokratie nicht richtig funktioniert“;
„dass die Demokratie nicht richtig funktioniert und große
Konzerne oder die Finanzmärkte zunehmend bestimmen,
welche Entscheidungen getroffen werden“; „Arbeits- und
Perspektivlosigkeit“; „massive Schulden“; „Entlassungen
oder Wohneigentumsverlust“; „zunehmende Ungleichverteilung von sozialen und wirtschaftlichen Chancen“
Auch Graeber nennt die kritische finanzielle Situation
und die Perspektivlosigkeit von jungen Menschen als
eine Ursache der Protestbewegung.
2 Occupy und Attac verfolgen ähnliche Ziele:
Demokratisierung von Wirtschaft und Politik, Veränderung der globalen Finanzmärkte, gerechte Verteilung
des Wohlstands.
Die Methoden sind dabei aber unterschiedlich:
Während Attac über Jahre hinweg Informations- und
Vernetzungsarbeit betrieben und vor allem auf lokaler
Ebene Initiativen gesetzt hat, machte die Occupy-Bewegung durch öffentliche Demonstrationen und Besetzungen von Parks auf sich aufmerksam.
3 Occupy ist vor allem in den sozialen Netzwerken
(Facebook, Google+, Twitter) aktiv und ruft zum Protest,
zum zivilen Ungehorsam und zur Mitarbeit bei der
Entwicklung von neuen Vorschlägen auf.
4 Auswahl Black-Power-Bewegung:
Die Black-Power-Bewegung entstand Mitte der 1960erJahre in den USA angesichts des mäßigen Erfolges der
Bürgerrechtsbewegung und der andauernden Diskriminierung der Schwarzen. 1966 wurde die „Black Panther
Party for Self-Defense“ gegründet. 1968 löste die
Ermordung Martin Luther Kings Massendemonstrationen und Aufstände in zahlreichen US-Städten aus. Die
38
Lösungen – Zusatzinformationen
Zerschlagung der Black Panthers 1968/69 stellte auch
das Ende der Bürgerrechtsbewegung dar, „Black Power“
verband sich ab diesem Zeitpunkt zunehmend mit
anderen politischen und sozialen Bewegungen.
TrägerInnen der Bewegung:
schwarze AnhängerInnen der Bürgerrechtsbewegung,
die mehr Druck erzeugen und den Stolz auf die eigene
„Rasse“ betonen wollten; Vorläufer Malcolm X; Prägung
durch den afroamerikanischen Studenten Stokely
Carmichael: „For the last time, ,Black Power‘ means black
people coming together to form a political force and either
electing representatives or forcing their representatives to
speak their needs“ (http://www.encyclopedia.com/topic/
Stokely_Carmichael.aspx, Juni 2014); Unterstützung
durch bekannte SportlerInnen wie Tommie Smith und
John Carlos (Olympische Sommerspiele 1968)
Vergleich mit der Occupy-Bewegung:
Während die Black-Power-Bewegung auch auf gewaltsame Weise Widerstand leistete, erfolgt der Protest der
Occupy-Bewegung weitgehend friedlich. An der Spitze
der Black-Power-Bewegung standen wiederholt charismatische Führungspersönlichkeiten, die Occupy-Bewegung baut bewusst keine Führungspersonen auf;
Occupy organisiert sich als eine Protestbewegung der
„Massen“ („99 %“), die einzelnen Akteurinnen und
Akteure bleiben meistens eher anonym.
Linktipps:
occupywallst.org
www.occupytogether.org
wearethe99percent.tumblr.com
Österreich öffnet sich der Welt
39
3 Österreich öffnet sich der Welt
Themen und Aufbau
Konzept- bzw. aspektorientierte Themen:
Österreich als Teil der europäischen und globalen
Entwicklung im späten 20. und beginnenden 21.
Jahrhundert
Das politische und rechtliche System Österreichs
•
Im Transfer-Abschnitt stehen österreichische Jugendliche im Mittelpunkt. Es werden Wertehaltungen,
Identitätsfragen und berufliche Möglichkeiten dargestellt und diskutiert.
Methodenorientiertes Thema:
Oral History – ZeitzeugInnenbefragung
•
•
•
•
•
•
Gegenwartsbezug als Kapiteleinstieg:
Bildquelle: Von tschechischen Fotografinnen und Fotografen gestaltetes Werbefoto für „WISHES“, eine
von der Universität Paderborn gemeinsam mit acht
europäischen Partnerinnen und Partnern aus Belgien,
Österreich, Russland, Spanien, Tschechien, der Türkei und Zypern entwickelte weltweite Internetplattform, die Studierende über Studien- und Praktikumsmöglichkeiten in Europa informiert.
Textquellen: Die Ausschnitte aus einem Interview mit
der Opernball-Organisatorin Desirée Treichl-Stürgkh
aus dem Jahr 2008 und aus einem Presse-Artikel
über den Life Ball aus dem Jahr 2012 ermöglichen
eine Gegenüberstellung der beiden Großereignisse
österreichischer Festkultur, „Opernball“ und „Life
Ball“. Die SchülerInnen werden dazu angeregt, ihre
Einschätzung dieser Events und ihre persönliche Haltung dazu zu formulieren.
Das Kapitelthema wird in drei Hauptabschnitten bearbeitet: Österreichs gesellschaftlicher Wandel, Österreichs politische Entwicklung am Beginn des 21. Jh.
und die Grundlagen des politischen Systems in Österreich.
Die postindustrielle Arbeits- und Lebenswelt, die Zunahme von atypischen Arbeitsverhältnissen („Prekariat“), das veränderte Frauenbild sowie die veränderte
gesellschaftliche Position von Frauen sind Beispiele
für den Wandel der gesellschaftlichen Bedingungen.
Im politischen Bereich wird auf die „schwarz-blaue“
Koalition, die dritte Große Koalition, die Reformansätze nach 1995 und die Beziehung zur Europäischen
Union eingegangen.
Das politische System in Österreich wird anhand der
unterschiedlichen Formen politischer Beteiligung, des
Parlamentarismus und seiner Aufgaben, des Amtes
des Bundespräsidenten, der Sozialpartnerschaft und
des Gegensatzes Föderalismus – Zentralismus dargestellt. Dabei werden die große Bedeutung der medialen Inszenierung von Politik und die Demokratieunzufriedenheit vieler ÖsterreicherInnen kritisch hinterfragt.
Im Methodenabschnitt beschäftigen sich die Schü­
lerInnen mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von ZeitzeugInneninterviews und bekommen
Anregungen, selbstständig Oral-History-Projekte zu
planen und durchzuführen.
Einstiegsdoppelseite
GO! > Seite 94/95
Lösungsvorschläge
Bildinformationen: Werbefoto für das im Rahmen des EUProjekts WISHES (Web-based Information Service for Higher Education Students) entwickelte Onlineportal, auf dem
Studien- und Arbeitsangebote für Studierende sowie Absolventinnen bzw. Absolventen vorgestellt werden.
© Universität Paderborn/Henry Wolf
Linktipp: www.eu-wishes.eu
Zusatzinformation: Österreich ist seit 1992 an allen EU-Bildungsprogrammen (z. B. Erasmus, Leonardo, Grundtvig)
beteiligt. Österreichische Studierende nutzen die Möglichkeit, ein oder mehrere Semester im Ausland zu studieren,
in hohem Maß. Besonders beliebte Zielländer österreichischer Studierender sind Spanien und Frankreich.
• Eine junge Frau steht im Abendlicht an einem Sandstrand, am Horizont geht die Sonne unter. Am Strand
wachsen Kakteen und rechts vor der Frau befindet sich
ein rotes Pannendreieck.
Das Bild weist spielerisch auf die Möglichkeiten hin, die
das Erasmus-Programm der EU jungen Menschen
bietet: Sie können überall in der EU arbeiten und
studieren und damit ihren Horizont erweitern, Neues,
Unbekanntes erleben, sich Herausforderungen stellen
usw.
• Mögliche Fortsetzung:
„[…], weil auch Österreicherinnen und Österreicher von
EU-Programmen wie Erasmus oder WISHES profitieren
und im EU-Ausland studieren können und dadurch die
Möglichkeit haben, ,über den österreichischen Tellerrand‘
hinaus die eigene Perspektive zu erweitern.“
• Mögliche Gründe:
Wegfallen von Grenzkontrollen; Reisefreiheit; kein
Geldwechsel im Euroraum notwendig; Möglichkeit, im
EU-Ausland zu studieren und zu arbeiten; Einsatz der
EU für internationales Recht; Sicherung sozialer
Standards durch die EU; Möglichkeit, sich überall in der
EU niederzulassen und Eigentum zu erwerben
Linktipp: www.zeit.de [„Zehn Gründe für Europa“]
40
Lösungen – Zusatzinformationen
• Mögliche Bereiche:
– „Österreich öffnet sich“:
Österreich hat seinen Arbeitsmarkt für Menschen
aus den EU-Mitgliedstaaten geöffnet. Seit 2014
können auch Personen aus Rumänien und Bulgarien
ohne Beschränkung in Österreich arbeiten.
– „Österreich verschließt sich“:
Österreich hat ein starkes rechtes Lager, das sich der
regionalen und nationalen Heimat verbunden fühlt
und einer Öffnung in Richtung Europa skeptisch
gegenübersteht.
• Lösungsvorschlag, Einrichtungen, die reformiert
werden sollten:
Bundesrat, Bundesländer (Abschaffung der Doppelstrukturen versus Stärkung des Föderalismus in
Österreich); Amt des Bundespräsidenten bzw. der
Bundespräsidentin (Abschaffung des Amtes versus
Stärkung der Eingriffsmöglichkeiten)
• Mögliche Strategien:
Zugang zur kulturellen Vielfalt Europas (durch Reisen,
Schulbesuch/Studium im EU-Ausland usw.); Betonung
der Vorteile der EU; aktives Informieren über die
Prozesse in der EU; Aufzeigen der Möglichkeit, aktiv
mitzuentscheiden
• Mögliche bedeutsame Ereignisse:
Keine Musterlösung möglich.
Zwei Bälle – ein Österreich
GO! > Seite 96
Lösungsvorschläge
· Der Opernball repräsentiert das traditionelle Öster-
·
reich, das „kleine Land mit großer Geschichte“, das
Österreich der Hochkultur. Die BesucherInnen kommen vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft
und Kultur. Im Interview wird erwähnt, dass viele Gäste
einen „aristokratischen“ Hintergrund haben. Der
Opernball steht damit für Traditionsbewusstsein und
Eleganz.
Der Life Ball steht für Weltoffenheit und Toleranz. Er
repräsentiert ein offenes, modernes und buntes
Österreich, das sich für diskriminierte Gruppen und
für Toleranz und Respekt vor Vielfalt einsetzt. Die
Anwesenheit von Weltstars aus Politik, Wirtschaft,
Mode, Sport, Kunst und Kultur beim Life Ball sichert
Österreich internationale Beachtung.
Keine Musterlösung möglich.
1 Österreichs Gesellschaft im Wandel
1.1 Die postindustrielle
Gesellschaft
GO! > Seite 98
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die meisten Tugenden, die bereits 1990 als wichtig
eingestuft wurden, sind auch 1999 und 2008 wichtig
geblieben. Tendenziell haben alle Werte, die 1990
genannt wurden, in den folgenden 20 Jahren leicht an
Zuspruch verloren. Relativ stark verloren haben die
Werte Verantwortungsgefühl (von 85 % Zustimmung auf
77 %), Sparsamkeit (von 54 % auf 44 %), Energie/Ausdauer
(von 39 % auf 28 %) und Gehorsam (von 25 % auf 14 %). An
Wichtigkeit gewonnen hat nur der Wert Selbstlosigkeit
(von 8 % im Jahr 1990 auf 10 % im Jahr 2008).
2 Keine Musterlösung möglich.
3 Die stärkere Betonung von Selbstbestimmung und
persönlicher Autonomie, die bei Bertram als „stille
Revolution“ bezeichnet wird, spiegelt sich in der hohen
Zustimmung zum Wert Unabhängigkeit (in allen Jahren
über 60 %) sowie in der niedrigen Zustimmung zu den
Werten Gehorsam (maximal 25 %) und Selbstlosigkeit
(maximal 10 %) wider.
4 Blossfeld und Bertram stimmen darin überein, dass
persönliche Autonomie und das Recht auf Selbstbestimmung in den letzten Jahren immer wichtiger
geworden sind. Außerdem stellen beide fest, dass das
Modell der Versorgungsehe heute weniger attraktiv ist
als früher.
Laut Blossfeld führte der Zugang von Frauen zur
Bildung zu einer regelrechten „Bildungsexplosion“.
Dennoch machen Frauen seltener Karriere, denn nach
der Geburt eines Kindes bleiben sie eher zu Hause oder
arbeiten Teilzeit. Während Blossfeld dieses Phänomen
mit „uralten normativen Mustern“ zu erklären versucht, stellt Bertram fest, dass Mutterschaft für viele
Frauen heute nur mehr eine relativ kurze Lebensphase
sei.
Mögliche Diskussionspunkte:
Traum von der Selbstverwirklichung; Bedeutung von
Karriere und finanzieller Unabhängigkeit bzw. Luxus;
Vereinbarkeit von Familie und Beruf; Vereinsamung
der Menschen; schwächerer sozialer und gesellschaftlicher Rückhalt
Österreich öffnet sich der Welt
1.2 „Endstation Prekariat“
GO! > Seite 99
41
1.3 Frauen als
Modernisierungsgewinnerinnen?
GO! > Seite 100
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1/2 Keine Musterlösung möglich.
3 Mögliche Unterschiede:
Leben in Armut – Leben im Luxus; alltägliche Bedarfsgüter – Luxusgüter; Urlaubsbilder; Freizeit; Familie und
Freunde, sozialer Rückhalt; „Kampf ums Überleben“ –
Alltagssituationen
4 Der aus der Soziologie stammende Begriff „Prekariat“
meint eine Gruppe von Menschen, deren finanzielle
Absicherung nicht (immer) gegeben ist. In Österreich
nehmen prekäre Beschäftigungsverhältnisse deutlich
zu. Stark von dieser Problematik betroffen sind Migrantinnen und Migranten, Frauen zudem stärker als
Männer. Die ebenfalls prekär lebenden Hochschulabsolventinnen und -absolventen der „Generation
Praktikum“ haben keine gesicherten Arbeitsstellen,
sondern machen schlecht oder gar nicht entlohnte
Praktika. Die Armutsgefährdung ist unter prekär
Beschäftigten deutlich höher als unter der Gesamtbevölkerung. Menschen, die prekär beschäftigt sind,
können ihr Leben meist nicht langfristig planen und
kaum Zukunftsperspektiven entwickeln.
Die Vereinigung „SOMA Österreich & Partner“ ist eine
Bewegung, die mehr als 30 Sozialmärkte in Österreich
unterhält. Menschen, die in den Sozialmärkten beschäftigt werden, stammen oft aus arbeitsmarktfernen
Bereichen und werden speziell angeleitet, trainiert und
von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern begleitet.
Zum Einkauf berechtigt sind Menschen, deren monatliches Nettoeinkommen unter der Armutsgrenze liegt;
die Daten müssen vor dem Einkauf entsprechend
nachgewiesen werden. Pro Einkaufsberechtigtem kann
wöchentlich um einen Maximalwert (in Wien: 30 Euro)
eingekauft werden.
Diverse Sozialläden in Österreich verfolgen eine
ähnliche Politik wie die Sozialmärkte. Zusätzlich zum
Angebot günstiger Waren, die nur bei Vorliegen einer
Einkaufskarte erworben werden können, wird auch die
Möglichkeit zur Begegnung, Kommunikation und
Information geboten. Freiwillige Spenden sowie
ehrenamtliche Tätigkeiten ermöglichen die Führung
der Sozialläden.
Linktipps:
www.prekaer.eu/zahlen-fakten-prekariat
www.hilfswerk.at [SOMA Sozialmarkt]
www.sozialmarkt.com
www.stadt-lienz.at [SoLaLi, Sozialladen Lienz]
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Inhalte:
starke Veränderungen in den letzten 50 Jahren; hoher
Frauenanteil im sekundären und tertiären Bildungsbereich; Problematik der Teilzeitarbeit bzw. von prekären
Arbeitsverhältnissen betrifft Frauen stärker als Männer;
Personen mit höherer Bildung sehen „moderne“ Frauen
als autonom und unabhängig; parallel dazu traditionelles Frauenbild, bei dem physische Attraktivität sowie
Mutterschaft und Arbeit im Haushalt eine Rolle spielen
GO! > Seite 101
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Änderungen der Geschlechterverhältnisse:
höheres Bildungsniveau; mehr reale Chancen für
Frauen in der Berufswelt; selbstständige und intensive
Erwerbstätigkeit; spätere Heirat und Mutterschaft;
hoher Frauenanteil in Teilzeitberufen
2 Mögliche Diskussionspunkte:
Filme und Fernsehserien greifen oft reale gesellschaftliche Probleme und Entwicklungen auf: Bis in die
1970er-Jahre gab es z. B. keine Tatortkommissarinnen,
erst 1978 durfte erstmals eine Frau die Ermittlungen
leiten. Inzwischen stehen 10 Ermittlerinnen 22 Ermittlern gegenüber. Das private Lebensumfeld der Kommissarinnen entspricht nicht mehr traditionellen Rollenvorstellungen. Auffällig ist die große Kluft zwischen
dem vom Fernsehen verbreiteten Bild von Kriminalpolizistinnen – zumal in Führungspositionen – und der
Realität. In Deutschland etwa gab es bisher nur einmal
eine weibliche Führungskraft einer Mordkommission:
Ilona Scholz leitete zehn Jahre lang, von 1990 bis 2000,
die Mordkommission in Berlin.
3 Mögliche Diskussionspunkte:
Inwiefern sind Familie und Beruf praktisch vereinbar?
Problematik der „Rabenmutter“: Ist eine Frau eine
schlechte Mutter, wenn sie neben der Familie auch
Karriere machen will? Innere Zerrissenheit von Frauen:
Werden die emanzipatorischen Ideale „verraten“, wenn
keine Karriere angestrebt wird?
Linktipps:
www.bmbf.gv.at/frauen/index.html
diestandard.at [Wie die moderne junge Frau tickt]
42
Lösungen – Zusatzinformationen
2 Österreichische Politik am Beginn des
21. Jahrhunderts
2.1 Die „schwarz-blaue“ Koalition
2.2 Die dritte Große Koalition
GO! > Seite 104
GO! > Seite 106
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die Regierung kann unter diesen Umständen nicht auf
eine breite öffentliche Zustimmung bauen. Sie muss
außerdem damit rechnen, dass sie – trotz der zahlenmäßigen Mehrheit – als illegitim angesehen wird. Sie
hat Probleme damit, sich im internationalen Kontext
als Vertretung der österreichischen Bevölkerung zu
präsentieren.
2 Bundesregierung Schüssel I unter Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Vizekanzlerin Susanne
Riess-Passer (FPÖ): Wechsel im Justizressort (Michael
Krüger, FPÖ, bis 2000; Dieter Böhmdorfer, FPÖ); im
Sozialressort (Elisabeth Sickl, FPÖ, bis 2000; Herbert
Haupt, FPÖ); im Verkehrsressort (Michael Schmid, FPÖ,
bis 2000; Monika Forstinger, FPÖ, bis 2003; Mathias
Reichhold, FPÖ).
Bundesregierung Schüssel II unter Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Vizekanzler Herbert
Haupt (FPÖ) bzw. Hubert Gorbach (FPÖ/BZÖ, ab 2003):
Wechsel im Außenressort (Benita Ferrero-Waldner,
ÖVP, bis 2004; Ursula Plassnik, ÖVP); im Justizressort
(Dieter Böhmdorfer, FPÖ, bis 2004; Karin MiklautschGastinger, FPÖ/BZÖ); im Sozialressort (Herbert Haupt,
FPÖ, bis 2005; Ursula Haubner, FPÖ/BZÖ).
Einem Wechsel auf ÖVP-Seite (Ernennung FerreroWaldners 2004 zur EU-Kommissarin für Auswärtige
Angelegenheiten) stehen sieben Wechsel aufseiten der
FPÖ bzw. des BZÖ gegenüber.
3 Während sich Bundeskanzler Schüssel vor 2010 stets
schützend vor die MinisterInnen der ÖVP-FPÖ/BZÖKoalition gestellt hatte ( „Es gab genug Hinweise für die
ÖVP um nachzufragen, was hier eigentlich passiert. Es
wurde nicht nachgefragt. Grasser wurde von Schüssel
beschützt“, meinte dazu etwa Grünen-Chefin Eva
Glawischnig im Jahr 2010; oe1.orf.at/artikel/255193, Juni
2014), distanzierte er sich später insbesondere von
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und war mit
einer Untersuchung von Grassers Rolle einverstanden.
Schüssel meinte außerdem, Grasser müsse „seine
Handlungen selbst rechtfertigen“: Er gab damit die
Verantwortung für die dubiosen Vorkommnisse
während der Privatisierungen (z. B. BUWOG, PSK,
Austria-Tabak, VA-Tech) an den damals zuständigen
Minister ab.
Linktipp: derstandard.at [Privatisierungen in der
Schüssel-Grasser-Ära]
1 Analyse der Karikatur ( GO! 7, S. 133/134):
• Schritt 1:
Die Karikatur zeigt sieben Männer in einem antiken
Theater (Säulen, Boden, Sitzreihen). Sechs von ihnen –
sie sind Senatoren – tragen dieselben Tuniken, während
der siebte, der gerade auf sie zugeht, einen roten
Umhang sowie einen Lorbeerkranz trägt. Er wird von
einem Senator mit den Worten „Freundschaft, alter
Julius!“ begrüßt. Ein anderer pfeift, was durch Musiknoten in der Sprechblase ausgedrückt wird. Auffallend
sind die Messer, die die Senatoren hinter ihrem Rücken
halten.
• Schritt 2:
Die Bildüberschrift weist darauf hin, dass es sich um
eine Szene aus dem Drama „Julius Cäsar“ von William
Shakespeare handelt (1599 im „Globe Theatre“ uraufgeführt). Der Titel der Karikatur, „Cäsars (Gusenbauers)
Ankunft im Senat“, zeigt, dass der Karikaturist auf ein
aktuelles politisches Thema anspielt.
• Schritt 3:
Die Senatoren sind anhand charakteristischer Details
(z. B. Brille, Frisur) als die SPÖ-Politiker Werner Faymann, Herbert Tumpel, Erwin Buchinger, Josef Cap,
Norbert Darabos und Heinz Fischer (v. l. n. r.) zu erkennen. Der durch roten Umhang und Lorbeerkranz als
Cäsar zu identifizierende Mann trägt die Gesichtszüge
von SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Die Messer
hinter den Rücken der Senatoren deuten auf eine
Verschwörung hin, die im Widerspruch zur freundlichen Begrüßung steht.
„Freundschaft“ ist ein charakteristischer Gruß in
SPÖ-Kreisen.
• Schritt 4:
Die Karikatur erschien in der Wiener Zeitung vom
04. 06. 2008, zu einer Zeit also, als Bundeskanzler
Gusenbauer seinem Parteikollegen Faymann als
Parteiobmann und Kanzlerkandidat weichen musste.
• Schritt 5:
Der Karikaturist vergleicht die Vorgänge in der SPÖ im
Jahr 2008 mit der Ermordung Cäsars durch eine
Gruppe von römischen Senatoren im Theater des
Pompeius (44 v. Chr.). 50 bis 80 Senatoren hatten sich
damals gegen den Diktator Cäsar verschworen.
Die Karikatur legt nahe, dass sich innerhalb der SPÖ
eine Gruppe von einflussreichen Politikern gegen
Kanzler Gusenbauer verschworen hatte, um ihm sein
· Österreich öffnet sich der Welt
Amt streitig zu machen: Dabei sollte jedoch der Eindruck von Harmonie und Freundlichkeit aufrechterhalten bleiben.
2 Mögliche Gründe:
Von Ministerinnen und Ministern wird erwartet, dass
sie den Agenden im Ressort möglichst objektiv und
sachlich nachgehen. Durch die von den ÖBB finanzierte
Inseratenkampagne entstand der Verdacht auf Untreue.
Statt das Image der ÖBB zu verbessern, trug die Kampagne vor allem zur Verbesserung des Images des dafür
zuständigen Ministers Faymann bei. Kritisiert wurde
vom Rechnungshof auch, dass die Zweckmäßigkeit der
Inserate von den ÖBB nicht analysiert worden sei und
sich ein erheblicher Teil des Medienetats auf nur drei
Zeitungen konzentriert habe (orf.at/stories/2137073/
2137066, Juni 2014).
43
2.3 Reformansätze seit 1995
GO! > Seite 107
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
3 Der Hauptsitz der Hypo Alpe-Adria-Bank in Klagenfurt
wurde vom US-amerikanischen Architekten Thom
Mayne entworfen. Nachdem Maynes Architekturbüro
„Morphosis“ 1995/96 den Wettbewerb für sich entschieden hatte, wurde der Gebäudekomplex in den Jahren
1997–2002 gebaut.
Der expressiv und modern wirkende Komplex drückt
das große Selbstbewusstsein aus, das Kärnten in den
1990er- und 2000er-Jahren auszeichnete. Andererseits
steht der Monumentalbau auch für eine gewisse
Selbstüberschätzung der Landesregierung: Es wurden
großzügig Haftungen für die Bank übernommen,
denen man ab 2009 nicht mehr nachkommen konnte.
Der österreichische Staat muss inzwischen mit Verlusten in Milliardenhöhe rechnen.
Linktipps:
morphopedia.com/projects/hypo-alpe-adria-center
www.foederalismus.at
ExpertInnengespräch: Wozu brauchen wir das EU-Recht
und den Europäischen Gerichtshof?
GO! > Seite 109/110
Zur Person Maria Berger: Dr.in Maria Berger, geboren 1956
in Perg (Oberösterreich), studierte Rechtswissenschaften
und Volkswirtschaft in Innsbruck. Sie war für das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, im Bundeskanzleramt sowie im Europäischen Konvent und im Österreich-Konvent tätig. Von 1996 bis 2007 war sie Abgeordnete
zum EU-Parlament, im Jahr 2007 wurde sie für die SPÖ als
Bundesministerin für Justiz im Kabinett Gusenbauer angelobt. 2009 wurde sie vom österreichischen Nationalrat
als Richterin im EuGH bestätigt.
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Stellen:
„Wer als Konsumentin oder Konsument über Internet in
einem anderen EU-Land einkauft, soll auch in diesem Fall
durch das Konsumentenschutzrecht geschützt sein“;
„Unternehmen, die am EU-Markt miteinander konkurrieren, sollen ein Mindestmaß an gemeinsamen Vorschriften
[…] einhalten müssen“; „Kriminalität findet heute sehr oft
grenzüberschreitend statt, auch deshalb braucht es
gemeinsame Vorschriften“; „Scheidungen, Sorgerecht für
Kinder oder Unterhaltsfragen“; „Es gibt heute zumindest
gemeinsame Mindeststandards für das Asylverfahren“;
„Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft“
2 Der EuGH stellt sicher, dass alle Mitgliedstaaten die
gemeinsamen Rechtsvorschriften einhalten. Außerdem
ist er dafür zuständig, bei Nichteinhaltung der Abmachungen Geldstrafen zu verhängen. Der EuGH steht den
nationalen Gerichten Frage und Antwort in Bezug auf
geltendes EU-Recht, insbesondere dann, wenn die
Rechtslagen verschiedener Staaten betroffen sind. Bei
verbotener Kartellbildung kann der EuGH Unternehmen zu hohen Geldstrafen verurteilen. Der EuGH muss
außerdem prüfen, ob die einzelnen Unionsgesetze den
Grundrechten entsprechen.
3 Mögliche Vorteile:
Gleichmäßige Aufteilung der Asylansuchen auf die
Mitgliedstaaten (z. B. Italien, Bootsflüchtlinge in
Lampedusa); ein gemeinsames Vorgehen im Asylrecht
entschärft die Situation für manche sehr stark betroffene Mitgliedstaaten; grenzüberschreitender Kriminalität sowie Korruption kann besser begegnet werden; ein
gemeinsames EU-Recht ist übersichtlicher und einfacher zu exekutieren.
Mögliche Nachteile:
Staaten, die bisher ein rigoroses Asylrecht zur Anwendung brachten, müssen nun mehr Asylsuchende
44
Lösungen – Zusatzinformationen
aufnehmen; EU-weite Bürokratie und ein großer
finanzieller Aufwand werden notwendig.
4 Die EU-Grundrechtecharta ist in sieben Kapitel gegliedert, in denen in insgesamt 54 Artikeln die Themen
„Würde des Menschen“, „Freiheiten“, „Gleichheit“,
„Solidarität“, „Bürgerrechte“, „Justizielle Rechte“ und
„Allgemeine Bestimmungen“ behandelt werden.
Insbesondere die ersten Artikel, die das Recht auf
Leben, Freiheit und Sicherheit sowie das Verbot von
Folter und Sklaverei behandeln, verlaufen weitgehend
parallel zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO.
An manchen Stellen geht die EU-Grundrechtecharta
stärker auf aktuelle Tendenzen ein als die Menschenrechtscharta: In der Grundrechtecharta wird etwa der
Schutz personenbezogener Daten garantiert (Artikel 8),
außerdem wird explizit auf die Rechte von Kindern
(Artikel 24) bzw. älterer Menschen (Artikel 25), auf das
Recht auf eine saubere Umwelt (Artikel 37) oder auch
auf das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Rates
(Artikel 42) hingewiesen.
3 Das politische System in Österreich – ein Grundkurs
3.1 Wahlen und Wählen –
Kennzeichen einer Demokratie
3.3 Parlament und
Parlamentarismus
GO! > Seite 111
GO! > Seite 113
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Prozentsatz der Wahlberechtigten in der Bevölkerung:
Für die Nationalratswahlen am 29. 09. 2013 waren
6 384 331 österreichische BürgerInnen wahlberechtigt.
Das entspricht 75,21 % der Gesamtbevölkerung von
8 488 500 Menschen. (Quellen: www.wahlbeteiligung.
at; http://wko.at/statistik/jahrbuch//2013_k3.pdf, S. 31)
2 Keine Musterlösung möglich.
1 Der Nationalrat repräsentiert nicht die gesamte
Gesellschaft, weil nicht alle ÖsterreicherInnen wahlberechtigt sind; nicht Wahlberechtigte können keinen
Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments
nehmen.
Ein großer Anteil der ParlamentarierInnen ist männlich, gehört der Generation 45+ an, weist einen höheren
Bildungsabschluss auf und ist im öffentlichen Dienst
tätig.
2 Erklärung von Broukals pointierter Aussage:
Unter „stimmberechtigt“ versteht Broukal, der sechs
Jahre lang für die SPÖ als Politiker tätig war, alle
ParlamentarierInnen. Jede(r) hat ein eigenständiges
Mandat. In der Regel gehören sie jedoch einer politischen Fraktion an und stimmen mit dieser ab („Klubzwang“).
Meinungsberechtigt sind jene PolitikerInnen, die im
Meinungsbildungsprozess zu einer Gesetzesvorlage
größeren Einfluss haben. SpitzenpolitikerInnen,
BerufsparlamentarierInnen und VerbändevertreterInnen können sich (innerhalb der Klubs und Ausschüsse)
eher durchsetzen, ihre Meinung hat mehr Gewicht als
die Ansicht von „Hinterbänklerinnen und Hinterbänklern“, die zwar gehört, aber oft nicht berücksichtigt
wird.
3.2 Direkt oder indirekt? – Formen
der demokratischen Beteiligung
GO! > Seite 112
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Fünf Wege der Umsetzung des Artikels 1 der
österreichischen Bundesverfassung:
• Weg 1: Das Volk wählt die politischen VertreterInnen als
seine Repräsentantinnen und Repräsentanten (Parlament).
• Weg 2: Die Parlamente sind ein „Abbild“ der wahlberechtigten österreichischen Gesellschaft (Verhältniswahlrecht) – Regierungen stützen sich auf eine Mehrheit.
• Weg 3: Alle Ämter sind zeitlich begrenzt.
• Weg 4: Das Volk wählt das Staatsoberhaupt direkt.
• Weg 5: Das Volk kann politische Aktionen durch
Formen direkter Mitbestimmung setzen.
2 Keine Musterlösung möglich.
Österreich öffnet sich der Welt
3.4 Wie entsteht ein Gesetz?
GO! > Seite 114
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Bei der Gesetzesentstehung vermischen sich Exekutive
und Legislative. Die Gesetzesinitiative geht meist von
der Regierung als Exekutivorgan aus, die Gesetzesvorlage wird im Ministerrat beschlossen und erst dann im
Parlament als Legislativorgan eingebracht. Diskussionen und etwaige Veränderungen finden in den Parlamentsausschüssen statt, die Präsentation des neuen
Gesetzes im Plenum des Nationalrates, die Möglichkeit
des aufschiebenden Vetos im Bundesrat. Der Bundespräsident – als höchstes Exekutivorgan – unterzeichnet
schließlich das Gesetz und mit der Veröffentlichung im
Gesetzesblatt erhält es Gültigkeit.
2 Im Plenum des Nationalrates selbst wird bezüglich der
Gesetzesvorlage nichts mehr geändert. Die zum Teil
heftigen Diskussionen richten sich vor allem an die
Öffentlichkeit und dienen der Profilierung der eigenen
Partei. Es geht nicht mehr vorrangig darum, andere
ParlamentarierInnen zu überzeugen, sondern man
stimmt häufig gemäß der vorgegebenen Fraktionslinie
ab („Klubzwang“).
Deshalb ist für manche Abgeordnete, die im Vorbereitungsprozess in den Ausschüssen nicht involviert waren
und keine Rede halten, der gesamte Ablauf nur von
sekundärer Bedeutung und sie „schwätzen“, telefonieren,
diskutieren mit Kolleginnen und Kollegen, überprüfen
den eigenen Redeinhalt, beantworten E-Mails u. a.
3.5 Berufswunsch Bundes­
präsiden­tin oder Bundespräsident
– was nun?
persönliches Auftreten der Spitzenkandidatin bzw. des
Spitzenkandidaten, Nutzung der neuen Medien (z. B.
Facebook, Twitter, Onlineportale etc.)
3 Anmerkung: Vgl. für die Themensuche die Infografik
in GO! 8, S. 128.
· 3.6 Verbände und
Sozialpartnerschaft
GO! > Seite 116
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Zuordnung der Berufe zu Interessenvertretungen:
Lehrer (AK, Gewerkschaft Öffentlicher Dienst GÖD);
Bäuerin (LK, ÖGB); Verkäufer, Metzgerin, Bauarbeiter
(AK, ÖGB); Arzt (Ärztekammer, ÖGB); Rechtsanwältin
(Rechtsanwaltskammer); Großunternehmerin (WK, VÖI)
2 „[…] tu, felix Austria, harmoniere“ bezieht sich auf das
österreichische System der Sozialpartnerschaft, wo
kontroverse Fragen wie z. B. Mindestlöhne für bestimmte Berufssparten meist nicht durch Streiks
erkämpft, sondern von Kammern und Interessenverbänden am Verhandlungstisch beschlossen werden.
Dies ist bis heute der Fall, wenngleich bereits mit dem
EU-Beitritt und der zunehmenden Globalisierung der
Einfluss der Sozialpartnerschaft abgenommen hat.
Die Kabinette Schüssel I und II (2000–2006) nahmen
bei ihren Entscheidungen wenig Rücksicht auf die
Sozialpartner. Die Kabinette Gusenbauer (2006–2008)
und Faymann I (2008–2013) banden die Interessenvertretungen wieder verstärkt ein. Das neue LehrerInnendienstrecht im Dezember 2013 wurde jedoch ohne
Zustimmung der Gewerkschaft beschlossen.
GO! > Seite 115
3.7 Wann muss ich nach Hause
gehen? – Föderal versus zentral
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
GO! > Seite 117
1 Österreich ist eine parlamentarische Demokratie, weil
• es eine enge Verbindung zwischen Parlamentsmehrheit
und Regierung gibt,
• sich die Regierung auf die Parlamentsmehrheit stützt,
• die Regierung im Falle eines Misstrauensvotums
abberufen werden kann und
• es eine doppelte Exekutive (BundeskanzlerIn und
BundespräsidentIn) gibt.
Linktipp: www.demokratiezentrum.org/ [Themen →
Demokratiemodelle]
2 Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wahlkampf:
breite Unterstützung in der Bevölkerung und großer
Bekanntheitsgrad, gute Vermarktungsstrategien,
effizientes Wahlwerbebüro, vertrauenswürdige MitarbeiterInnen, großes Werbebudget, überzeugendes
45
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Reformideen des Österreich-Konvents für die Schule:
Mehr Autonomie für die jeweilige Schule, z. B. Anstellung von Lehrpersonen und Ressourcenverwaltung
durch die Schulleitung mithilfe eines Beirates; befristete Stellen für SchulleiterInnen; Lehrpersonen ganztägig
in der Schule; einer Bildungsregion soll ein gewählter
Bildungsrat mit BildungsmanagerIn vorstehen; Bund
wäre „lediglich“ für die Evaluation und die Koordinierung der Länder zuständig.
2 Beispiel Tiroler Jugendschutzgesetz:
• Ausgehzeiten:
Bis zum vollendeten 14. Lebensjahr: alleine bis 22:00
Uhr; in Begleitung bei öffentlichen Veranstaltungen bis
46
Lösungen – Zusatzinformationen
24:00 Uhr; in Gaststätten nur mit Begleitung
Vom 14. bis zum vollendeten 16. Lebensjahr: alleine bis
1:00 Uhr; in Begleitung bei öffentlichen Veranstaltungen ohne Begrenzung
Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr: unbegrenzt
• Tabak und Alkohol:
Bis zum vollendeten 16. Lebensjahr: Erwerb, Konsum
und Weitergabe gänzlich verboten
Vom 16. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr: Erwerb,
Konsum und Weitergabe von gebranntem Alkohol
verboten
Linktipp: www.oesterreichisches-jugendportal.at [→
Jugendschutz & Recht → Jugendschutz → Ausgehzeiten]
Zusatzinformation: Tabak- und Alkoholkonsum von
österreichischen Jugendlichen
Risikoverhalten der Jugend in Österreich
[…]
Tabak: Mehr als ein Drittel der 11- bis 15-Jährigen
hat bereits Erfahrungen mit der Zigarette gesammelt,
von denen ein besorgniserregender Anteil der 15-jährigen Burschen und Mädchen über das Probierverhalten
hinausgeht, so die Forscher/innen. Insgesamt zeigt sich,
dass rund 20 % der 15-jährigen Schüler/innen täglich
und weitere 7,8 % wöchentlich zur Zigarette greifen
(Dür/Griebler 2007a). Bei den über 15-Jährigen verändert sich das Rauchverhalten nicht mehr wesentlich. Mit
drei von zehn, die angeben, täglich zu rauchen, zeigt
sich ein vergleichsweise geringer Zuwachs an Raucher/
innen zwischen dem 15. und 29. Lebensjahr.
Alkohol: Das Einstiegsalter ist mit durchschnittlich
13 Jahren bereits sehr niedrig und verschärft sich noch
in seiner Problematik, da die Jugendlichen bereits mit 14
Jahren das erste Mal „ernsthaft“ betrunken waren und
jeder 5. 13- bis 15-Jährige mindestens zweimal diese Erfahrung gemacht hat (Dür/Griebler 2007a; OECD
2009). Ein regelmäßiger Alkoholkonsum, d. h. wöchentlich oder öfters, findet sich bei rund 15 % der unter
15-Jährigen wieder. Dieses Verhalten nimmt mit dem
Alter deutlich zu, wobei in allen Altersgruppen gilt, dass
Burschen häufiger und regelmäßiger zum Alkohol greifen als Mädchen (Dür/Griebler 2007a). Bei den 15- bis
29-Jährigen steigt der Alkoholkonsum erwartungsgemäß an.
[…]
(Originalschreibung, Verschreibungen korrigiert)
bmwfj, 6. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich – auf
einen Blick, Wien 2011, S. 84; http://www. boja.at/uploads/
media/Sechster_Jugendbericht_Auf_einen_Blick.pdf, Juni
2014
3.8 Politik wird inszeniert – die
Mediendemokratie
GO! > Seite 119
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Keine Musterlösung möglich.
2 Kurze, prägnante Aussagen bleiben leichter im Gedächtnis haften und sind für ein breiteres Publikum
verständlich.
3 Lösungsvorschlag:
Silvio Berlusconi, Recep T. Erdogan, Werner Faymann,
Eugen Freund, Eva Glawischnig, Martin Graf, François
Hollande, Viktor Janukowitsch, Angela Merkel, Wladimir W. Putin, Michael Spindelegger, Frank Stronach,
Barack Obama
Anmerkung: Zur Analyse könnten die ORF-Wahl­
konfrontation im Zuge der Nationalratswahl vom
29. 09. 2013 verwendet werden.
Linktipp: www.youtube.com [ORF TV Konfrontationen
NR-Wahl 2013]
4 Vorschläge für politische Kompetenzen:
Sachkompetenz v. a. im eigenen Ressort, Wirtschaftsund Finanzkompetenz, politisch-historische Bildung,
Sozialkompetenz (auf Menschen zugehen und den
Kontakt zur Bevölkerung nicht verlieren), Präsentations- und Medienkompetenz (Beherrschung verschiedener Strategien der Präsentation von Inhalten und der
eigenen Person in den Medien, Präsenz in sozialen
Netzwerken etc.), Kritikfähigkeit, Gestaltungswille,
Energie und Bereitschaft zur Arbeit für die BürgerInnen, Authentizität etc.
3.9 Demokratieunzufriedenheit
weckt Reformideen
GO! > Seite 120
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Darstellung der Plastik:
Während der Oberkörper starr verharrt, schreiten die
Beine voran. Der starre Blick wirkt eher bedrückt, die
übergroßen Hände hängen herab.
Interpretation und Verbindung zum Thema:
„Giacomettis Menschen stecken fest, sie kleben an ihren
Sockeln, versinken in ihnen. Und selbst jene, die einen
Schritt zu machen wagen, kommen nicht voran. Nicht sie
gehen, dafür sind sie viel zu kraftlos. Nein, es geht sie.
Ausgelieferte Menschen, beziehungslos, von Sinnlosigkeit
ermattet.“ (Hanno Rauterberg: Alberto Giacometti,
Stilvoll verzweifelt, in: Zeit online 6 (2013), www.zeit.
de/2013/06/Ausstellung-Alberto-Giacometti/seite-2,
Juni 2014)
Österreich öffnet sich der Welt
Viele ÖsterreicherInnen beschäftigen sich mit Politik
und hinterfragen oder kritisieren die Arbeit von
Politikerinnen und Politikern. Sie wollen Reformen für
bessere Lebensumstände, engagieren sich jedoch nicht
selbst und direkt politisch. „Der Wunsch nach Reformen schreitet fort, während die Bereitschaft und der
politische Einsatz dafür verharren.“
Anmerkung: Die Bronzefigur „L’Homme qui marche I“
(„Der schreitende Mann“) wurde um 1961 für die Plaza
der New Yorker Chase Manhattan Bank gefertigt. 1980
kaufte die Dresdner-Bank die Skulptur und stellte sie
Museen als Leihgabe zur Verfügung. Während der
Bankenkrise wurde die 183 cm große Skulptur im
Februar 2010 für ca. 74 Millionen Euro verkauft.
2 2008 interessierten sich etwas mehr als die Hälfte der
ÖsterreicherInnen insgesamt und etwa ein Drittel der
österreichischen Jugendlichen für Politik; über 80 %
hielten ein demokratisches politisches System für
wichtig. Fast die Hälfte der ÖsterreicherInnen hatte sich
einmal an einer Unterschriftenaktion, 14 % an einer
genehmigten Demonstration beteiligt. 50 % waren mit
dem Funktionieren der Demokratie in Österreich
zufrieden, das Vertrauen in die Regierung (16 %) und in
die politischen Parteien (14 %) war dennoch relativ
niedrig. Über 50 % hielten daher mehr Einfluss der
BürgerInnen in die Politik für ein wichtiges Ziel.
3 Keine Musterlösung möglich.
4 Pro- und Kontra-Debatte zu MeinOE:
• Pro:
– Persönlichkeitswahlen und Direktwahlen über
Erststimmen geben auch unparteilichen Kandidatinnen und Kandidaten eine Chance
– Durch Einerwahlkreise haben auch kleinere Wahlkreise eine Chance, vertreten zu werden
– Mehr direkte Mitbestimmung der Bevölkerung
– Verbindliche Umsetzung von wichtigen Themen
(Volksbegehren) im Sinne der Mehrheit der StaatsbürgerInnen
– Garantie aller Grundrechte auf europäischer Basis
– Starkes Parlament zur besseren Vertretung der
BürgerInneninteressen
– Hearing im Parlament sorgt für kompetente und
mehrheitlich akzeptierte Regierungsmitglieder
– Proporz verschwindet, Postenbesetzung erfolgt nach
Qualifikation
– Zentralisierung wird in Bereichen gestärkt, deren
Regelung bundesstaatlich sinnvoll ist
– Kostenersparnis durch Auflösung überflüssiger
Institutionen
• Kontra:
– Parteien spiegeln die Gruppierungen und Werte der
Gesellschaft wider
– Abgeordnetenwahl durch Erstwahlkreise liefert kein
repräsentatives Abbild der Gesellschaft im Parlament
– Indirekte Demokratie hat sich bewährt
47
– 300 000 BürgerInnen sollten der Mehrheit nicht eine
Abstimmung diktieren können, außerdem ist das ein
enormer Verwaltungs- und Kostenaufwand
– EU-Grundrechte gelten bereits, weil sie laut Grundsatzentscheidung des VfGH Verfassungsrang besitzen
– Jedes Land soll seine Grundrechte selbst definieren
können
– Es kann keine Mehrheit gegen Kandidatinnen und
Kandidaten aus den Reihen der Mehrheit im Parlament geben
– Die Regierungsparteien sollen ihre Regierungsmitglieder selbst bestimmen dürfen – sie wurden ja zur
Regierungsbildung „erwählt“, nicht die Oppositionsparteien
– Proporzdemokratie hat die Kluft zwischen den
Parteien verringert
– Das föderalistische Verfassungsprinzip und die
teilweise Selbstbestimmung der Bundesländer soll
gewahrt bleiben – jedes Bundesland ist anders
(Umwelt, Kultur und Geschichte etc.)
– Die Bundesländer müssen eine Stimme im Bund
haben – Subsidiarität vor Zentralismus
Zusatzinformationen:
• Einerwahlkreis:
Wenn nur ein Mandat pro Wahlkreis vergeben wird,
spricht man vom Einerwahlkreis – im Gegensatz zu
Mehrmandatswahlkreisen.
• Europäische Charta der Grundrechte:
Die Charta trat am 01. 12. 2009 mit dem Vertrag von
Lissabon in Kraft. Sie garantiert den EU-Bürgerinnen
und -Bürgern eine Reihe einklagbarer Rechte: neben
den klassischen Grund- und Freiheitsrechten aus der
Menschenrechtskonvention auch soziale Grundrechte
oder die Verpflichtung der EU zum Umweltschutz. Die
Grundrechte in der österreichischen Bundesverfassung
gehen großteils auf das Staatsgrundgesetz vom 21. 12.
1867 (StGG) zurück. Mit der Grundentscheidung des
Österreichischen Verfassungsgerichtshofes (VfGH
14. 03. 2012, U 466/11 ua.) vom 14. 03. 2012 wurde die
EU-Grundrechtecharta in den Verfassungsrang erhoben.
• Ernennung der Regierungsmitglieder:
Eine Ablehnung designierter Regierungsmitglieder
scheint faktisch nicht möglich, da die Regierungsparteien (meist) eine Mehrheit im Parlament haben. Die
Ablehnung eines Regierungsmitglieds kann nur der
Bundespräsident – durch Nichtangelobung der gesamten Regierung – ausdrücken.
• Proporz:
„Proporzregierung steht in Österreich in einer Tradition,
die in der Ersten Republik gründet und nach der Nazi-Zeit
wiederbelebt wurde, als es darum ging, Gräben zuzuschütten. [...] Sie gilt in den meisten Bundesländern. Auch im
Bund erinnern die langen Perioden der Großen Koalition
von ÖVP und SPÖ (37 von 68 Jahren in der Zweiten Republik) daran.“ („Grundprinzip der österreichischen Demo-
48
Lösungen – Zusatzinformationen
kratie“, F.A.Z. vom 21.03.2013 von Stephan Löwenstein
© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt)
Vor allem die kleineren Parteien drängen schon seit
Jahren auf Abschaffung des Proporzsystems in der
österreichischen Politik.
3.10 ExpertInnengespräch: „Ende
des Gehorsams – Beginn des
Umdenkens“
GO! > Seite 121/122
Zur Person Anneliese Rohrer: Dr.in Anneliese Rohrer leitete bis 2004 das Außenpolitikressort der Tageszeitung „Die
Presse“. Sie ist bekannt durch zahlreiche Buchveröffentlichungen, Kommentare in „Kurier“ und „Die Presse“ und
die Teilnahme an zahlreichen Diskussionssendungen. Zudem lehrt sie an der Fachhochschule Wien Journalismus.
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Position Rohrers zu ...
• Politikerinnen und Politikern: Erfolgreiche PolitikerInnen seien jene, die eine genaue Vorstellung vom Land
haben. Solche PolitikerInnen mit Visionen gebe es
heute, wenn überhaupt, nur im Verborgenen.
• Bildungssystem: Es sei besorgniserregend, dass sich
weder Politik noch Eltern für eine Bildungsreform im
Sinne einer kompetenzorientierten, talentfördernden
Bildung einsetzen und damit den Kindern die Chance
für eine erfolgreiche Zukunft nehmen.
• Postenvergabe: Die BürgerInnen müssten sich dem
„Postenschacher durch Parteibücher“ stärker widersetzen.
• Sicherheit/Freiheit: Stünden ÖsterreicherInnen vor der
Entscheidung „Sicherheit oder Freiheit“, würden sich
viele für die Sicherheit mit einer Beschränkung von
(politischer) Freiheit entscheiden.
2 Literaturtipp: Bundesministerium für Wirtschaft,
Familie und Jugend, Abteilung Jugendpolitik (Sektion II,
Abteilung 5) (Hg.) (aktualisierter Nachdruck 2011):
Jugendbeteiligung und digitale Medien.
3 Beispiele für „mehr Sicherheit – weniger Freiheit“:
Schärfere Kontrollen an Flughäfen als Folge von 9/11;
öffentliche Videoüberwachung zur Verhinderung von
Übergriffen; Vorratsdatenspeicherung, die Verfügungsfreiheit über Informationen zur eigenen Person
beschränkt; die Einführung der Onlinedatenbank für
Krankheitsakten ELGA, die Anfang 2014 vom Hausärzteverband und von Datenschützerinnen und -schützern heftig kritisiert wurde.
Österreich öffnet sich der Welt
49
Methode: Oral History – ZeitzeugInnenbefragung
GO! > Seite 123–127
Zur Bedeutung der vorgestellten Methode
Oral History ist eine in der zeitgeschichtlichen Forschung
häufig verwendete Methode. HistorikerInnen schaffen gemeinsam mit den Zeitzeuginnen und -zeugen mithilfe von
Ton- und Videoaufnahmen zusätzliche Quellen zur Zeit­
geschichte. Da die Befragung von Menschen, welche die
Vergangenheit miterlebt haben, meistens spannend und
unterhaltsam ist, ist Oral History auch für den Geschichtsunterricht gut geeignet.
Erfahrungen mit Zeitzeuginnen und -zeugen sind für
SchülerInnen auch deshalb lehrreich, weil sie die individuell erlebte Seite von Geschichte besonders gut vermitteln.
SchülerInnen, welche an einem intensiven Oral-History-
Projekt mitgearbeitet haben, haben spezielle Kenntnisse
zur Perspektivität von Quellen. Im Laufe der Befragungen
wird den Schülerinnen und Schülern auch klar, wie wichtig Überblickswissen über den zeitlichen und örtlichen Bereich der Befragung ist. Dieses Wissen verbindet sich im
Laufe der Interviews bei den Schülerinnen und Schülern
mit den Erfahrungen, die sie aus dem Projekt gewinnen,
und wird für sie zu einer komplexen, bereichernden
­Lernerfahrung.
Anmerkung: Für ZeitzeugInnenbefragungen über verschiedene Epochen der österreichischen Zeitgeschichte
bietet sich etwa auch eine Kooperation mit einem Altenwohnheim oder Seniorenverein an.
4 Österreichische Jugendliche: Keine Mission, keine
Vision, keine Revolution
Transfer-Einheit zum Abschluss
von Kapitel 3
GO! > Seite 128–131
Der Transfer-Abschnitt thematisiert die gegenwärtige
­Situation von Jugendlichen in Österreich und rundet so das
Österreichkapitel ab. Ausschnitte aus der Jugendwertestudie
aus dem Jahr 2011 geben Auskunft über die Einstellungen, Erwartungen und politischen Vorstellungen österreichischer
Jugendlicher. Ein Abschnitt ist jungen Österreicherinnen
und Österreichern „mit Migrationshintergrund“ gewidmet,
eine junge Österreicherin spricht exemplarisch über ihre Situation und reflektiert über die Zuschreibungen, denen sie
als Tochter von nach Österreich eingewanderten Eltern ausgesetzt ist. Abschließend verdeutlicht eine Passage aus einem Interview mit dem Arbeitsmarktforscher Joachim Möller, dass in einer globalisierten Welt die Berufschancen für
gebildete Jugendliche deutlich besser sind als für jene, die
nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen können.
4.2 Junge Österreicherinnen und
Österreicher: Herkunft = Identität?
GO! > Seite 129
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Keine Musterlösung möglich.
2 Sevgi will nicht als Mensch „mit Migrationshintergrund“ gesehen werden, weil sie keine Migrationserfah-
rung hat; nur ihre Eltern sind nach Österreich migriert,
haben aber später die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen.
Allgemein sagt sie zur Bezeichnung „Menschen mit
Migrationshintergrund“, dass diese Zuschreibung meist
zu kurz greife. Sie erfasse nur einen geringen Teil
dessen, was so kategorisierte Menschen ausmacht. Von
Menschen mit Migrationshintergrund werde oft mehr
Leistungs- und Anpassungsbereitschaft erwartet als
von „Einheimischen“, sie werden in Schule, Beruf und
Alltag benachteiligt und durch Vorurteile in eine Rolle
gepresst, die dem eigenen Selbstbild widerspricht.
4.3 Jugendliche und Politik – der
Wunsch nach einer „starken
Demokratie“
GO! > Seite 130
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1/2 Keine Musterlösung möglich.
Zusatzinformation: Im Zusammenhang mit österreichischen und deutschen Jugendlichen wird oft von einem „individualisierten Engagement“ gesprochen. Die Tabelle aus
dem „4. Bericht zur Lage der Jugend, Teil A: Jugendradar“
aus dem Jahr 2003 zeigt, welche Möglichkeiten Jugendliche zur Anwendung ihres Engagements wahrnehmen.
50
Lösungen – Zusatzinformationen
Tabelle 1: Wahrgenommene Möglichkeiten Jugendlicher, gesellschaftlich aktiv zu sein und seine Ansichten zur Geltung zu
bringen (Angaben in Prozent)
14–30
gesamt
in meinem Beruf
Jugendliche nach Geschlecht
Bildungssegmente
14–19
14–19
männlich
14–19
weiblich
Lehre
in Schule
ohne Matura
in Schule
mit Matura
45
34
33
36
45
27
30
Verein
32
35
37
34
35
25
44
Ich bin alleine aktiv/nicht in einer
Organisation
32
32
31
34
33
37
29
Nachbarschaft
28
28
29
27
28
26
35
Schule/FH/Universität
26
38
41
36
23
47
50
Jugendorganisation
22
27
26
29
19
23
40
Hilfsorganisation
21
26
24
27
21
31
28
Umweltschutzorganisation
21
24
25
24
20
28
32
Jugendzentrum
19
23
24
23
16
21
26
politische Partei
18
18
16
20
20
17
24
selbstorganisierte Gruppe/ Projekt
18
22
20
24
23
17
29
in meiner Religionsgemeinschaft
17
21
17
24
17
20
29
Gewerkschaft
16
17
18
15
18
15
20
keine Angabe
12
10
10
9
11
12
8
Base
1549
498
241
257
134
134
174
Quelle: BMSG (2003 b): 4. Bericht zur Lage der Jugend/Teil A: Jugendradar, rep. für 14- bis 30-Jährige, n = 1 549
Veröffentlicht u. a. in: Beate Großegger, II. Jugendliche und ihr Verhältnis zur Politik: Rahmenbedingungen
für innovative politische
Bildung und Beteiligungsförderung aus Sicht der Jugendforschung, in: Abschlussbericht der ExpertInnengruppe 5 „Innovation Demokratie“, Wien 2008, S. 17
4.4 Jugendliche und Berufs­
chancen: Für AkademikerInnen
sind die Aussichten rosig
GO! > Seite 131
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Chancen und Probleme heutiger Jugendlicher:
• Chancen:
in Österreich geringe Arbeitslosigkeit; optimistische
Zukunftsaussichten; Bereitschaft zu Eigeninitiative und
Anstrengung für persönlichen Erfolg; gute akademische Ausbildung birgt Chancen auf gute Jobs mit guter
Lohnentwicklung; Sehnsucht nach idyllischem,
ruhigem Leben (Haus und Familie – soziale Wärme)
• Probleme:
gute Ausbildung hochrelevant für guten Job; schwierigere Ausgangsbedingungen als Elterngeneration;
schlechte Ausbildung an Schulen und untätige Politik;
erschwerende Auflagen für Unternehmensgründungen; Angst vor Abbau des Sozialstaates, Arbeitslosigkeit;
Leistungsdruck, hohe Mobilitätsanforderungen, harter
Konkurrenzkampf; Komplexität und Unsicherheit im
Zuge der Globalisierung; politisches Desinteresse bzw.
Misstrauen gegenüber „traditioneller“ Politik
2 Keine Musterlösung möglich.
Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
51
4 Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
Themen und Aufbau
Konzept- bzw. aspektorientierte Themen:
•
Formen und Grundlagen von Ideologie und Propaganda
in Vergangenheit und Gegenwart
Machtstrukturen und Herrschaftsformen zwischen
Vergangenheit und Gegenwart
Wandel von Demokratie und Demokratiebegriff in
Vergangenheit und Gegenwart
Rolle der Medien im politischen und historischen
Kontext
Methodenorientiertes Thema:
Dekonstruktion von Geschichte-Schulbüchern
•
Gegenwartsbezug als Kapiteleinstieg:
Bildquelle: Die Eröffnungsveranstaltung für Google
Maps Streetview in der schwäbischen Ortschaft
Oberstaufen im Allgäu am 02. 11. 2010 macht deutlich,
dass auch in ländlichen, traditionsverbundenen Gegenden offenbar das 21. Jh. begonnen hat.
Textquellen: Jana Puglierin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag, und Christoph
Schwarz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut
für Politische Wissenschaft (Stand: 2012) setzen sich
mit der These des wirtschaftlichen und politischen
Abstieges der USA auseinander. Sie gehen davon
aus, dass die „Abgesänge“ auf Amerika sich als falsch
herausstellen werden und sehen die momentane Entwicklung eher als Ernüchterungsprozess und Reaktion auf die vorherige Selbstüberhöhung der USA.
• Das Kapitelthema „Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...“ wird anhand von vier Subthemen behandelt:
„Demokratie in der Krise?“, „Gesellschaft im 21. Jh.“,
„Kunst und Kultur“ und „Moderne Medien und Politik“.
• Im 21. Jh. leben mehr Menschen als je zuvor in demokratischen Staaten, allerdings bedroht nach Aussage
von Fachleuten die globalisierte Wirtschaft die repräsentative Demokratie. Diesem negativen Szenarium
stehen auf der anderen Seite neue Formen der BürgerInnenbeteiligung gegenüber, die auf ein Erstarken
der Zivilgesellschaft hindeuten. Extremismen wie z. B.
der Islamismus erschüttern besonders neue und instabile Demokratien, Rechtsradikale erleben in Zeiten
der Wirtschaftskrise auch in etablierten Demokratien
mehr Zulauf.
• Der zweite Themenblock greift Phänomene des gesellschaftlichen Wandels auf, dabei wird der Fokus
bei den Themen Migration und Integration, Altern,
Gender und freie sexuelle Orientierung besonders auf
Österreich gelegt.
• Der Abschnitt „Kunst und Kultur“ verweist auf die vielfältigen Ausdrucksformen der Gegenwartskunst,
macht aber deutlich, dass Einschränkung und Zensur
in nichtdemokratischen Regimen allgegenwärtig sind.
•
•
•
•
Neue Medien und Onlinedienste überwinden alle
Grenzen und stellen so eine Öffentlichkeit in demokratiefeindlichen Staaten her, die durch Zensurmaßnahmen nur mehr schwer kontrollierbar ist. Die weltweite Verbreitung von Nachrichten durch Google,
Facebook und Twitter hilft besonders oppositionellen
Gruppen. Das zeigen die Grüne Revolution im Iran
2009 und die Aufstände während des Arabischen
Frühlings. Der uneingeschränkte Zugang zu Geheimdokumenten auch von Geheimdiensten wird von der
„Enthüllungsplattform“ WikiLeaks propagiert, die Supermacht USA reagierte jedoch empfindlich auf
„Whistleblower“ wie Julian Assange, Edward Snowden und Bradley Manning.
Im ExpertInnengespräch mit Armin Wolf beantwortet
der ZIB2-Moderator Fragen nach der Bedeutung des
politischen Interviews.
Der Längsschnitt „Geschichte der Umweltbewegung“
stellt dar, dass die Wurzeln der Umweltbewegung wie
z. B. Wasser-, Luft- und Verbraucherschutz schon
über Jahrhunderte voneinander unabhängig existierten. Es wird deutlich, dass sowohl einzelne Menschen
und Umweltgruppen als auch Regierungsorganisationen Maßnahmen setzen können, die der Umwelt helfen.
Der Methodenabschnitt „Dekonstruktion von Geschichte-Schulbüchern“ schließt die zahlreichen Methodenkapitel der Schulbuchreihe GO! ab, die der
Operationalisierung der historischen Kompetenzen
dienen sollten. Es wurden u. a. Darstellungen historischer Personen, Spielfilme, Fotos, Wahlplakate, Karikaturen und Graphic Novels dekonstruiert, nun soll
den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden,
dass auch das vorliegende Schulbuch als „fertige Geschichte“ gesehen werden muss, die von einem Au­
torInnenteam nach den Richtlinien des Ministeriums
und nach Kontrolle von GutachterInnen konstruiert
wurde.
Der Transfer-Abschnitt greift noch einmal das Thema
Wissen in der digitalisierten Welt auf und bietet Textausschnitte, die zur kritischen Auseinandersetzung
mit diesem Bereich einladen.
Einstiegsdoppelseite
GO! > Seite 132/133
Lösungsvorschläge
Bildinformation: Foto von der Eröffnungsveranstaltung
für Google Maps Streetview in der schwäbischen Ortschaft
Oberstaufen im Allgäu am 02. 11. 2010.
© Picture-Alliance GmbH/Stefan Puchner
52
Lösungen – Zusatzinformationen
• Analyse und Interpretation des Fotos:
Im Hintergrund sieht man einen Wald, Laubbäume,
grüne Wiesen, einen Weg, rechts eine hölzerne Raststätte – eine für die Region typische Landschaft. Sechs
Alphornbläser in Trachtenkleidung machen bei der
Veranstaltung Musik. Im Zentrum des Fotos befindet
sich eine blonde Frau im Dirndl auf einem modernen
weißen Fahrrad mit einer Sonderkonstruktion. In der
Fahrradmitte ist eine senkrechte Stange angebracht,
auf der Kameras befestigt und über Kabel mit dem
rückwärtigen Teil des Rades verbunden sind. Oberhalb
des Hinterrads ist eine Straßenkarte mit der Aufschrift
„Google Maps“ zu sehen, die Schürze der Frau trägt den
Schriftzug „Google“.
Der Bedeutungsinhalt dieses Bildes liegt in der symbolhaften Widerspiegelung der Gesellschaft des 21. Jhs., die
einerseits durch ein regionales Umfeld, andererseits
durch die Globalisierung und die digitale Medienrevolution geprägt ist.
• Das Eingangsfoto verbindet die Positionen Humboldts
und Gauß’. Humboldt entdeckt auf seinen Reisen die
„Flecken“ der Welt und gelangt dadurch zu Forschungsergebnissen. Gauß beurteilt Humboldts Reise an den
Orinoko in Lateinamerika als zwar „eindrucksvoll, aber
auch sinnlos, denn die Wahrheit konnte man doch auch
hier an Ort und Stelle finden“ (www.dieterwunderlich.
de/Kehlmann_vermessung.htm#cont, Juni 2014).
Während Humboldt den empirischen Naturforscher
verkörpert, steht Gauß für den Willen zur Erkenntnis
aus dem eigenen Denken heraus. Der Roman verbindet
die Positionen „die Welt auf eigene Faust entdecken“
und „die Welt von zu Hause aus erkennen“.
Bezug zum Eingangsfoto: Gauß kommt „hier an Ort und
Stelle“, in der Region, zur „Wahrheit“, Humboldt hingegen kommt durch seine Entdeckungsfahrten in
entfernte Regionen der Welt zu Erkenntnissen.
• Mögliche Diskussionsergebnisse:
– Angesichts der großen Beteiligung bei Entscheidungsfindungsprozessen in den sozialen Netzwerken sowie der fast flächendeckenden Internetnutzung (ein geringer Anteil an meist älteren Menschen
hat und möchte keinen Zugang) etc. scheint die
Annahme plausibel, dass Volksabstimmungen
künftig in elektronischer Form stattfinden werden,
wenn es datenschutzrechtlich keine Bedenken gibt.
Dass dadurch die Parlamente abgeschafft werden, ist
äußerst unwahrscheinlich.
– In wirtschaftlichen Belangen haben die USA seit der
Ära Busch und der internationalen Bankenkrise viel
von ihrer Stärke eingebüßt. China konnte sich in den
letzten Jahrzehnten v. a. in Asien und Afrika einen
stärkeren Einfluss und Versorgungssicherheit mit
Rohstoffen sichern. Auch in einem langfristigen, auf
die letzten zehn Jahre hin angelegten Vergleich des
BIP-Wachstums 2002–2012 liegt China mit 170 %
Wachstum auf Platz 1, während die USA mit 16,7 %
auf dem 16. Platz rangieren. Auch politisch steckten
die USA Niederlagen ein – durch verlorene Kriege
und ungeschickte diplomatische Aktionen – und
verspielten zusehends ihren Einfluss in der Welt
(www.wirtschaftswurm.net/tag/internationalervergleich/, Juni 2014).
– Dass es aufgrund nationalstaatlicher Konflikte zum
Ausbruch eines Dritten Weltkrieges in Europa
kommen könnte, scheint angesichts der Erfolge in
der Friedenssicherung der EU nicht allzu wahrscheinlich. Allerdings zeigen gerade die aktuellen
Konflikte in der Ukraine zweierlei: Die Souveränität
der europäischen Nationalstaaten ist keineswegs
von allen Seiten anerkannt (vgl. Russland, das sich
für die ukrainischen Russen einsetzt und im April
2014 die Krim annektierte) und die ehemaligen
Großmächte möchten nicht auf diesen Status
verzichten (auch andere ehemalige Sowjetrepubliken fürchten sich vor russischer Einflussnahme).
– Derzeit ist keine Verringerung der Schere zwischen
Arm und Reich zu erwarten. Dies gilt in einem
globalen Kontext ebenso wie für westliche Demokratien. In Österreich konnten im März 2013 „431 000
Menschen, also 5,2 % der Bevölkerung, […] als ‚manifest
arm‘ bezeichnet [werden]. Sie sind sowohl armutsgefährdet als auch in mindestens einem Lebensbereich depriviert [lassen etwas entbehren]. Das sind um 60 000
Personen mehr als im Jahr 2005.“ (Interview von
Veronika Dolna, Wie arm ist Österreich wirklich?, in:
Die Furche. Dossier 11 (2013), 22 f., www.armutskonferenz.at/index2.php?option=com_docman&task=doc_
view&gid=522&Itemid=6, Juni 2014)
– Die Aussichten für einen höheren Frauenanteil in
Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft sind
unterschiedlich:
Politik: 2011 lag der Frauenanteil im österreichischen
Nationalrat mit 51 Parlamentarierinnen bei 28 %.
Österreich befand sich damit im EU-Mittelfeld.
Bezüglich der Zahl an weiblichen Regierungsmitgliedern nahm Österreich mit 6 Ministerinnen Platz
sechs der EU-27 (Stand 2011) ein. Allerdings gab und
gibt es in Österreich – anders als in vielen anderen
EU-Mitgliedstaaten – noch keine Frau an der Regierungsspitze. Auf den „niedrigeren“ politischen
Ebenen zeigte sich ein deutlich geringerer Frauenanteil: So standen etwa lediglich 119 der 2 357 Gemeinden in Österreich Frauen vor.
Wirtschaft: Auch im Bereich Wirtschaft ist die
Führungsebene von Männern dominiert. Die
österreichische Nationalbank etwa beschäftigt keine
weiblichen Führungskräfte. Österreich bildet damit
das Schlusslicht in der EU (in Norwegen und Island
sind über 40 % des Direktoriums der Zentralbank
Frauen). Ministerien mit Wirtschaftsagenden
Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
befinden sich in rund der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten und auch in Österreich fast ausschließlich in
Männerhänden. In Aufsichtsräten sind Frauen in
Österreich lediglich mit einem Anteil von 10,3 %, in
Vorständen mit nur 4,4 % vertreten. In einem Drittel
der 200 umsatzstärksten Unternehmen gibt es in
den höchsten Führungsgremien keine Frauen (vgl.
Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen
Dienst im Bundeskanzleramt Österreich, Frauen in
Führungspositionen. Daten, Fakten, Modelle.
Endbericht, Wien 2011, https://www.bmbf.gv.at/
frauen/ewam/frauen_spitzenpositionen/frauen­
fhrungspositionen_2011_26013.pdf?4dz8a1, Juni 2014).
• Fünf wichtige Ereignisse seit 2000:
2001: 9/11 – Terroranschlag auf die USA
2003–2011: Irakkrieg
2008: Finanzkrise und erster schwarzer US-Präsident
2009–?: EU-Staatsschuldenkrise
2011: Arabischer Frühling
53
Das Ende der amerikanischen
Supermacht nach „9/11“?
GO! > Seite 134
Lösungsvorschläge
· Puglierin und Schwarz sind der Ansicht, dass von
einem Niedergang der USA nicht die Rede sein kann.
Zwar haben die USA nach der Jahrtausendwende durch
die eklatante Kriegsführung, die überteuerten Rüstungsausgaben und die Einschränkung demokratischer Grundrechte an Ansehen in der Welt verloren,
doch gibt es keine Alternative zu den USA. Die USA
besitzen enorme Selbstheilungskräfte und Ideen,
dennoch sind sie nie hypermächtig gewesen.
Anregung:
Vgl. die Wahrscheinlichkeitsthesen für das 21. Jh. auf
der Einstiegsdoppelseite.
·
1 Demokratie in der Krise?
1.1 Die Perspektive erweitern:
Postdemokratie versus multiple
Demokratie
GO! > Seite 136/137
PolitikwissenschaftlerInnen suchen nach Antworten auf
die Frage, warum das Interesse an Politik sinkt und die
Wahlbeteiligung abnimmt, wie z. B. die EU-Wahl 2014 mit
einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 43,1 % (europaweit) wieder deutlich zeigte.
Der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch vertritt
die Meinung, die nationale Politik werde durch die transnationale globalisierte Wirtschaft „ausgehebelt“, daher
schwinde das Vertrauen in die repräsentative Politik; der
deutsche Politologe Paul Nolte hingegen sieht in den zivilgesellschaftlichen Aktivitäten der gut ausgebildeten Mittelschicht neue Formen der Bürgerbeteiligung entstehen;
er sieht in diesen Formen der Partizipation Ansätze zur Erneuerung der Demokratie.
GO! > Seite 138
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Analyse und Interpretation von Nolte und Crouch:
• Schritt 1, 2 und 3 – Einzelanalysen:
Für Nolte hinkt die Struktur demokratischer Gesellschaften – bzw. das Denken in deren Muster – den Möglichkei-
ten der Partizipation hinterher. Der Mitgliederschwund
in Parteien kann nicht als Indikator von Demokratierückgang angesehen werden. Sich darüber zu beschweren,
nur über Wahlen mitbestimmen zu dürfen, sieht er
aufgrund der gestiegenen Partizipationsmöglichkeiten
als unzulässig an. Es steht jedem die Möglichkeit zur
Mitbestimmung offen. Noltes Argumente sind nachvollziehbar und logisch aufgebaut. Nolte ist Historiker und
Soziologe an der FU Berlin und daher vertrauenswürdig
in politischen Sachfragen. Ein Interview verzichtet auf
einen wissenschaftlichen Apparat.
Crouch erklärt die Begrifflichkeit „Postdemokratie“ als
Weiterbestehen der institutionellen demokratischen
Einrichtungen, die den Problemen von heute nicht
mehr gewachsen sind. Den Grund dafür sieht er in der
– entstehungsgeschichtlich verständlichen – Verzahnung von Demokratie und Nationalstaatlichkeit.
PR-Teams wählen heute lösbare, aber nicht am dringendsten zu lösende Probleme für die Wahlwerbenden
aus und bestimmen die Politik (mit). Die Wirtschaft ist
den globalen Problemen eher gewachsen. Crouch untermauert seine These mit dem Hinweis, dass nationale
Demokratien kein Zugriffsrecht auf globale Unternehmen haben. Politische Problemlösungen geschehen
zunehmend innerhalb von NGOs engagierter BürgerInnen. Daher ist er der Ansicht, dass heute unter Demokratie mehr als nur der Prozess von Wahlen verstanden
werden muss. Als Politikwissenschaftler und Soziologe
an der University of Warwik sind Crouchs Ausführun-
54
Lösungen – Zusatzinformationen
gen vertrauenswürdig. Ein Interview verzichtet auf
einen kritischen Apparat.
• Schritt 4 und 5 – Vergleich:
Beide Autoren kommen darin überein, dass es erweiterte Möglichkeiten der Partizipation gibt und die nationalen bzw. repräsentativen Demokratien in der heutigen Form zur Lösung wichtiger Probleme nicht mehr
ausreichen. Der Unterschied in den beiden Meinungen
liegt darin, dass Nolte stark die Möglichkeiten und
Verantwortung der BürgerInnen für ihre Mitbestimmung betont, während Crouch v. a. auf die problematischen Einflussnahmen von Wirtschaft und PR-Instituten auf die Politik aufmerksam macht und eine andere
Begriffsbestimmung für „Demokratie“ einfordert.
2 Zusatzinformation: „Der Vorarlberger Landtag hat am
31. Jänner 2013 eine Verfassungsänderung beschlossen und
bekennt sich darin zur direkten sowie zur partizipativen
Demokratie. […] Ein erster Schritt wurde mit der Ausformulierung einer Landesrichtlinie zur Durchführung von
Bürgerräten getan. Interessantes Detail am Rande: In
Zukunft können Bürger mit Hilfe von 1 000 Unterschriften
Bürgerräte einberufen.“ (www.vorarlberg.at/vorarlberg/
umwelt_zukunft/zukunft/buerofuerzukunftsfragen/
weitereinformationen/buergerschaftlichesengage/
buergerbeteiligung/vorarlbergverankerterstma.htm,
Juni 2014)
Der Bürgerrat tritt bei allfälligen Fragen zusammen. Es
ist kein ständiges Organ und die Mitglieder werden per
Los aus den unterschiedlichen Konfliktparteien
bestimmt. Diese erarbeiten nicht bindende Vorschläge
zur raschen Lösung von Problemen für den Gemeinderat. Diese Form der Partizipation hat auch schon über
Vorarlbergs Grenzen hinaus Fuß gefasst, z. B. in Oberndorf in Tirol.
Linktipp: www.vorarlberg.at/pdf/buergerratrichtlinie.
pdf
1.2 Extremismen gefährden die
Demokratie
GO! > Seite 140
Für Rechtsextremismus unter Jugendlichen stellt
Andreas Peham fest: „Heute stellt sich der Rechtsextremismus in erster Linie als organisierter Rassismus,
verbunden mit Antisemitismus und Autoritarismus, dar.“
(Andreas Peham, Jugendliche und Rechtsextremismus
– Jugendlicher Rechtsextremismus, Peham Thesen S. 1,
www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/seminarbibliotheken-zentrale-seminare/nationalsozialismus-und-faschismus-in-nord-und-sudtirol6-zs-2007/Peham%20Thesen.pdf/view, Juni 2014)
2 Rechtsextremismus sei immer abzulehnen, weil er
Menschen aufgrund ihrer biologischen Merkmale
verurteile und daher immer menschenverachtend sei.
Linksextremismus hingegen bewerte die Unterschiede
als gesellschaftlich verursacht und wolle diese radikal
ändern. LinksextremistInnen und -extremisten seien
abzulehnen, wenn sie gewaltverherrlichend und
autoritätshörig sind.
1.3 Extremismus und
Demokratiefeindlichkeit in
Österreich
GO! > Seite 141
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Gegenargumente zu „rechten Sprüchen“, Beispiel „Wir
haben zu viele Ausländer hier“:
„Ohne Zuwanderung würden die Wirtschaft und das
Pensionssystem zusammenbrechen, und in zwei Jahrzehnten wäre Österreich ein Land mit überwiegend alter
Bevölkerung. Österreich hat die Verantwortung, Menschen
auf der Flucht eine Chance auf ein Leben in Sicherheit zu
geben.“
2 Keine Musterlösung möglich.
3 Siehe GO! 8, Lexikon, S. 188, 191.
· 1.4 Islamismus – politischer Islam
GO! > Seite 143
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Anmerkung: „Moderner Rechtsextremismus ist schwer zu
verorten. Neben den zumindest in der Szene etablierten
wenigen Parteien existieren eine ganze Reihe kleinerer
Organisationen. Sie agieren in den unterschiedlichsten
Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens.
Ideologisch betrachtet eint sie jedoch ein starkes Band:
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Geschichts-Revisionismus und eine generelle Demokratiekritik sind nur
einige Aspekte ihrer Weltanschauung.“ (www.bpb.de/
politik/extremismus/rechtsextremismus/41888/
was-heisst-rechtsextremismus, Juni 2014)
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
· 1 Siehe GO! 8, Lexikon, S. 188–191.
Zusatzinformationen:
• Djihad bedeutet nicht „Heiliger Krieg“, sondern „Anstrengung für den Glauben“. Sie kann in ihrer Intensität
unterschieden werden: Die größte Form der Anstrengung (Djihad akbar) ist der Kampf gegen eigene Laster,
worauf das Verkündigen und Zeugnisgeben für den
Islam und der Dialog mit den Religionen folgt (große
Anstrengung = Djihad kabir). Die geringste Form des
Djihad ist der Einsatz für den Glauben mit Waffenge-
Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
walt (Djihad asgar). Dieser darf rein rechtlich nur mit
Zustimmung der gesamten muslimischen Gesellschaft
(Umma) und nur gegen sogenannte „Ungläubige“ (d. h.
jene, die keine Heilige Schrift anerkennen) angewandt
werden.
• Shari’a wird meist mit „islamisches Gesetz“ übersetzt.
Dabei handelt es sich aber „in erster Linie um eine exakte
Kasuistik, die jeden einzelnen Aspekt im Leben der
Gläubigen umfasst“ (Raffaele Russo, Der Islam. Geschichte, Glaubensrichtungen, Glaubensinhalte, Neuer
Kaiser Verlag 2002, S. 142). Die Bestimmungen der
Shari’a setzen sich dabei aus vier Quellen zusammen:
neben dem Koran aus den Hadithen (Lebensgeschichten Mohammeds) sowie dem „Idjma“ (Konsens unter
den islamischen Gelehrten) und „Qiyas“ (Analogieschlüssen für Zweifelsfälle).
55
2 Die Problematik des Begriffs „Islamismus“ liegt in
seiner unterschiedlichen Verwendung in Wissenschaft,
Medien und Alltagssprache. Spricht die Wissenschaft
beim „Islamismus“ von fundamentalistischen, muslimischen Gruppierungen, die ihre Anschauungen
gewaltsam durchsetzen wollen, so wird er in den
Medien v. a. mit Terrorgruppen gleichgesetzt und in
Alltagsgesprächen vieler Menschen oft parallel zu
„Islam“ verwendet.
3 Anregung: Meist taucht der Begriff „Islamismus“ in
Verbindung mit terroristischen Aktionen und dem
Begriff „Djihad“ auf, so etwa in der Berichterstattung
um den Krieg in Syrien.
2 Längsschnitt: Geschichte der Umweltbewegung
Der Längsschnitt „Geschichte der Umweltbewegung“
beschäftigt sich mit den sehr unterschiedlichen historischen Wurzeln der Ökologiebewegung und macht so
deutlich, dass ein bewusster Umgang mit den Umweltressourcen nicht erst seit den 1970er-Jahren des 20. Jhs.
gefordert wird. Neben der wirtschaftlichen Globalisierung findet im 21. Jh. auch eine ökologische statt, da nationale Lösungen oft nicht mehr greifen. In diesem
Längsschnitt werden auch Möglichkeiten der politischen Handlungskompetenz aufgezeigt.
2.2 Von Rousseau bis zur
Romantik
GO! > Seite 145
Lösungen zu Fragen & Aufgaben:
1 Keine Musterlösung möglich.
2 Parallel zur vom Verstand dominierten Aufklärung
orientieren sich die Dichter des Sturm und Drang an
der freien Natur und dem Gefühl, die den Zwängen der
absolutistischen Gesellschaft, die enge Standesschranken setzt, gegenübergestellt werden. Die von Menschen
unbearbeitete Natur (Naturlandschaft) steht dabei für
die Freiheit. Sie ist der Raum, der nicht von menschlichgesellschaftlichen Reglementierungen bestimmt ist
und die Menschen in eine bestimmte Rolle presst und
ihnen ihre Individualität aberzieht. Besonders in
Rousseaus Erziehungsideal kommen die Reinheit und
Freiheit der Natur zum Ausdruck.
3/4 Keine Musterlösung möglich.
2.3 Naturschutz- und Hygiene­
bewegung – Folgen der Hoch­
industrialisierung im 19. Jh.
GO! > Seite 146
Lösungen zu Fragen & Aufgaben:
1 Zuordnung zu Radkaus Ursprüngen der Umweltbewegung:
1. Waldschutz: Holznot und Waldsterben seit dem 18. Jh.
2. Wasserschutz: Entsorgung von Abwässern und
Wasserklärung im Zuge der Hygienebewegung und
Seuchenbekämpfung ab den 1830er-Jahren
3. Luftreinhaltung: bauliche Vorschriften für Fabriken,
Wohnblöcke und öffentliche Gebäude im Zuge der Hygienebewegung im industriellen Zeitalter
4./5. Tier- und Landschaftsschutz: Yellowstone-Nationalpark (ab 1872) als erstes Schutzgebiet
2.5 1970er-Jahre: die ökologische
Revolution
GO! > Seite 149
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Der Umweltschutz war bis 1972 dem Ressort von
Land- und Forstwirtschaft unterstellt. Erst in der Ära
Kreisky wurde dem Umweltschutz Bedeutung zugesprochen und ein eigenständiges „Ministerium für
Gesundheit und Umweltschutz“ unter Ingeborg
Leodolter eingerichtet.
56
Lösungen – Zusatzinformationen
2 Rechercheaufgaben, Auswahl:
• Das Unterrichtsprinzip „Umwelterziehung“ wurde
erstmals mit dem Grundsatzerlass zur Umwelterziehung, Rundschreiben 35/1994, eingeführt und das
Rundschreiben 206/1985 wiederverlautet.
Linktipp: www.bmbf.gv.at/ [→ Bildung Schulen →
Unterricht und Schule → Unterrichtsprinzipien →
Umweltbildung]
• Umweltzeichen: „Ziel des Österreichischen Umweltzeichens für Schulen ist es, dass sich alle im schulischen
Alltag beteiligten Personengruppen für eine nachhaltige
Entwicklung ihrer Lebenswelt einsetzen. Dabei sollen
Erfahrungen aus der Umsetzung von Umweltprojekten in
der Schule zum weiteren Handeln im Alltag anregen. [...]
Darüber hinaus soll durch Kooperationen mit weiteren
Umweltprogrammen, [...] mit der Gemeinde, durch die
Beschaffung regionaler, ökologischer oder fair gehandelter Produkte sowie über Medienarbeit eine nach außen
gehende Wirkung des Umweltzeichens erzielt werden.“
(www.umweltbildung.at/index.php?id=1118, Juni 2014)
Linktipps:
www.oekolog.at [→ Das ist ÖKOLOG → ÖKOLOG-Programm]
www.umweltzeichen.at/cms/home233/content.html
www.pilgrimschule.at/seiten/inhalte.php?iid=7
www.klimabuendnis.at/ [→ Klimabündnis-Schulen]
www.gesundeschule.at/
2.6 Von der Hainburger Au bis Rio
GO! > Seite 150
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die Protestierenden gegen das AKW Zwentendorf und
KW Hainburg stellten die Entscheidungen der Regierung infrage. Sie sahen in ihr nicht mehr die Vertreterin des Volkes und seiner Interessen, sondern der
Angelegenheiten von Industrie, Handel, Wirtschaftsund Arbeitspolitik. Damit sprachen sie auch der
repräsentativen Demokratie der westlichen Länder ein
gewisses Misstrauen aus und suchten Mitbestimmung
über aktive, auch konfliktreiche Wege, z. B. durch
Protest- und Besetzungsaktionen, Bildung von Akti­
vistInnengruppen etc. Ihre Protestaktionen mündeten
z. B. in der Anti-AKW-Volksabstimmung vom 05. 11. 1978
und im Konrad-Lorenz-Volksbegehren vom 07. 05. 1984
in verfassungskonforme Möglichkeiten der direktdemokratischen Mitbestimmung. Man spricht hier von
der verstärkten öffentlichen Mitsprache der Zivilgesellschaft (vgl. Abstimmung über die Mariahilfer-Straße
im Jahr 2014). Schweizer Formen der permanenten
BürgerInnenbefragung haben sich in der EU jedoch
noch nicht durchgesetzt.
2 Bedeutung der Verbindung von Prominenten, Medien
und Anliegen der Umweltschutzgruppen:
Je mehr und bekannter die Aktivistinnen und Aktivisten einer Umweltschutzgruppe sind, desto häufiger und
eher wird auch über sie – und ihre Gruppenaktionen –
in den Medien berichtet. Auch erreichen von Prominenten vorgetragene Anliegen eine größere Öffentlichkeit und üben daher mehr Druck auf
VerantwortungsträgerInnen aus.
Anregung: Welche Prominenten sich für Umweltthemen einsetzen, kann im Artikel von Julia Zahnweh
nachgelesen werden: „Umweltschutz. So grün sind
grüne Promis wirklich“, in: news.de, 28.07.2009; www.
news.de/promis/4240/so-gruen-sind-gruene-promiswirklich/1/, Juni 2014.
2.7 „Think global, act local“
GO! > Seite 152
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Analyse der Konferenz von Rio durch Radkau:
• Dominantes Nomen: „Umwelt“
• Linktipp: www.nachhaltigkeit.info/
• Gegensätze:
Ökologie und Umweltschutz verschafften der Ökonomie zahlreiche Auflagen und Teuerungen. Dennoch zog
die Ökonomie auch Profit aus der Ökologie, etwa durch
die große Nachfrage nach Bioprodukten. Dabei wurden
diese nicht immer nach ökologischen Standards
produziert.
In der nördlichen Hemisphäre war man bestrebt, den
Umweltschutz zu forcieren, während man in der
südlichen Hemisphäre zur Bekämpfung der Armut v. a.
auf die Erschließung (und Ausbeutung) der Ressourcen
zur wirtschaftlichen Entwicklung aus war.
2 Die als Rio+20 bezeichnete Konferenz der Vereinten
Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNSCD) fand
20 Jahre nach der ersten Umweltkonferenz in Rio 1992
vom 20. bis 22. 06. 2012 statt. An der Konferenz nahmen
43 internationale Organisationen (UNSCD, WTO etc.),
193 UN-Mitgliedstaaten, mehrere Staatengruppen (EU
etc.) sowie mehrere Hundert Interessengruppen (NGOs,
indigene Bevölkerungen, Wirtschaft und Industrie,
Wissenschaft etc.) teil.
„Die Vorbereitungen der Konferenz koordiniert die
UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung. Sie bündelt
auch die von den verschiedenen Interessengruppen im
Vorfeld geäußerten Erwartungen. Erhoffte Ergebnisse der
Konferenz sind:
• die Verabschiedung nachhaltiger Entwicklungsziele [z. B.
Klimaschutz-, Emissionsregelungen];
• eine Roadmap für eine Grüne Wirtschaft [,Green Economy‘, d. h. eine nachhaltigere Wirtschafts- und Konsumpraxis etc.];
Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
• die Schaffung eines UN-Rates für nachhaltige Entwicklung [zur internationalen Koordination der Umweltziele
und evtl. eines ,Umweltstrafgerichtshofes‘];
• die Stärkung des Umweltprogramms der Vereinten
Nationen [auch in den nationalen Mitgliedstaaten].“
(Global Lernen 1 (2012): Das Thema: Weltkonferenz
Rio+20, S. 5)
3 Anregung: Sinnvoll scheint wohl Bethges Aussage, dass
zur Rettung der Welt die derzeit kleine Gruppe der
aktiven NaturschützerInnen nicht ausreicht. Eine
Nachhaltigkeitsdiskussion ohne das Thema Umweltschutz zu führen, erscheint jedoch wenig zielführend.
Auch wenn dadurch mehr Akteurinnen und Akteure
für die „Green Economy“ gewonnen werden könnten,
sollte das Ziel der Bemühungen nicht verschwiegen
werden. Das Engagement für die Umwelt profitorientierten Konzernen zu überlassen, wird keine positiven
Folgen haben.
Linktipp: www.brot-fuer-die-welt.de [→ Jugend & Schule →
Zeitschrift „Global Lernen“]
2.8 Was kann ich tun?
GO! > Seite 153
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Umweltbewusstes Handeln:
„im Bioladen eingekauft“ – „erledige sehr viel mehr mit
dem Fahrrad [...] und habe mir ein umweltfreundliches
Auto [...] gekauft“ – „esse mittlerweile nur noch eine warme
Fleischmahlzeit in drei Wochen und vielleicht mal ein
Stück Wurst.“ – Kinder [...] zu Flexitariern zu erziehen.“
– „Zum Beispiel rede ich mit meinen Kollegen am Set über
den irren Verbrauch von Plastikbechern. Oder diskutiere
mit einem Kellner, dass die Heizpilze vorm Restaurant
überflüssig sind.“
Position Pauls zur Frage des Nutzens einer Lebensänderung des Einzelnen zugunsten der Umwelt:
Die persönliche, individuelle Bereitschaft zu Änderungen der Lebensgewohnheiten sei nicht ausreichend. Ein
solches Verhalten nütze zwar der Umwelt, aber es reiche
nicht aus, um sie zu retten (vgl. auch den Beitrag von
Bethge, S. 151).
2 Recherche zu Ökologiethemen, Auswahl:
Jonathan Safran Foer legt sein Hauptaugenmerk auf die
Problematik der Massentierhaltung und den exzessiven
Fischfang und deren negative Auswirkungen auf die
Umwelt. Er sensibilisiert dabei auch für die Rechte der
Tiere. In einem Interview mit der FAZ am 17. 01. 2010
bemerkte er dazu:
57
Jonathan Safran Foer im Interview
„Ich liebe Würste auch. Aber ich esse sie
nicht.“
17. 01. 2010
[...]
Massentierhaltung ist eine 140-Milliarden-Dollar-­
Industrie; nahezu ein Drittel der Erdfläche wird für
Viehzucht genutzt, der Regenwald wird abgeholzt,
um Tierfutter anzubauen. Es geht hier einfach um
sehr viel. Und vor allem, was den Fischfang angeht,
kann man es nicht anders als Krieg nennen. Wir nutzen Kriegstechnologien, um Fische zu jagen. Kriegsschiffe, Radar, Satelliten – der ganze Meeresboden
wird leer geräumt. Wenn das kein Krieg ist, weiß ich
nicht, was Krieg sein soll.
[...]
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, plädieren
Sie dafür, nicht mehr länger allgemein von Fleisch
zu sprechen, sondern wieder das Tier als solches
wahrzunehmen: Dieses Kotelett auf meinem Teller,
das war einmal ein Kalb, das hier oder da aufgezogen wurde und so und so getötet wurde. ­Richtig?
Ja. Meine Ansichten sind übrigens nicht besonders
ungewöhnlich. Es sind Ansichten, denen niemand
widersprechen würde, wenn er mehr wüsste. Niemand würde in einen Betrieb mit Massentierhaltung
gehen und sagen, ja, hierfür möchte ich Geld zahlen,
ich heiße es gut, dass Tiere mit Medikamenten vollgepumpt werden, um so unnatürlich schnell zu
wachsen, dass sie ihr eigenes Körpergewicht nicht
mehr tragen können, ich bin einverstanden, dass sie
in ihrem Leben nie das Sonnenlicht sehen, so eng
zusammengepfercht sind, dass sie sich nicht mal
umdrehen können, dass sie genetisch verändert sind
und mit unnatürlicher Nahrung gemästet werden!“
„Ich liebe Würste auch. Aber ich esse sie nicht“, faz.net vom
17.01.2010 von Johanna Adorján © Alle Rechte vorbehalten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur
Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.
Mit seinem in Amerika 2009 erschienenen Sachbuch
„Eating Animals“, das die Folgen des Fleischkonsums für
die Erde behandelt, hat Foer seitdem viele LeserInnen zu
Veganerinnen und Veganern werden lassen.
Linktipps:
www.perlentaucher.de/ [Leo Hickman]
www.faz.net [Foer Ich liebe Würste]
http://vfarquharson.com/ [→ About me]; www.youtube.
com [Sleeping naked is Green]
www.perlentaucher.de [Peter Unfried]
Anregung: Wie Sie konkret die Umwelt (negativ und
positiv) beeinflussen und so Ihren Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten können, zeigt der „ökologische
Fußabdruck“ auf. Mithilfe eines (Online-)Fragebogens zu
58
Lösungen – Zusatzinformationen
Ihrer Lebensweise erhalten Sie konkrete Tipps für eine
Änderung Ihrer Alltagsgewohnheiten zugunsten der
Umwelt.
Linktipps:
www.mein-fussabdruck.at/
www.footprint-deutschland.de/
www.footprint.at
3 Gesellschaft im 21. Jahrhundert
3.1 Migration und Integration
GO! > Seite 155
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Politische Maßnahmen, Auswahl: sprachliche (Früh-)
Förderung; Ermöglichung eines Schulabschlusses für
Zuwanderinnen und Zuwanderer durch spezielle
Fördermaßnahmen; Steigerung der Erwerbstätigkeitsquote, um wirtschaftliche Autonomie zu erreichen;
(mediale) Maßnahmen zur positiven Wahrnehmung
des Integrationsprozesses
2 Seit 2007 wird das START-Stipendienprogramm in
Österreich gemeinsam mit rund 75 Partnerinstitutionen umgesetzt. Ziel des Programms ist es, die Chancengerechtigkeit für SchülerInnen mit Migrationshintergrund zu fördern und zu einer offeneren, sozial
durchlässigeren interkulturellen Gesellschaft beizutragen. Momentan (Stand: April 2014) bilden 98 aktive
Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie 78 Absolventinnen und Absolventen das START-Team Österreich.
Selda Sevgi könnte diesem Programm kritisch gegenüberstehen, weil sie die Kategorie „Migrationshintergrund“ prinzipiell infrage stellt. Sie meint: „Obwohl er
[der Aspekt Migrationshintergrund, Anm.] für das eigene
Leben keine Relevanz hat, wird er von anderen relevant
gemacht.“ Sevgi könnte im START-Programm also eine
unwillkommene Betonung des Aspektes „Migrationshintergrund“ sehen, während sie selbst derartige
Zuschreibungen vermeiden möchte.
3.2 Altern im 21. Jahrhundert
GO! > Seite 156
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Diskussionspunkte:
Das Renten-Antrittsalter wird steigen müssen, um das
österreichische Sozialsystem weiter finanzieren zu
können. Andererseits sollte jede Person selbst mitentscheiden können, wann sie in Pension gehen möchte.
Private Pensionsvorsorgen werden dabei im Allgemeinen ambivalent betrachtet.
Eine erhöhte Zuwanderung insbesondere jüngerer
Menschen könnte die Altersumschichtung zumindest
verlangsamen.
Um die Geburtenrate zu erhöhen, müsste der Staat
verstärkt Anreize setzen (zum Beispiel eine bessere
Vereinbarkeit von Familie und Beruf; Ganztagseinrichtungen zur Betreuung von Kindern; flexiblere Arbeitszeiteinteilung).
Das Bildungssystem wird auf die veränderten demografischen Umstände reagieren müssen, indem es etwa
Themen wie Verantwortung und Fairness der älteren
Generation gegenüber verstärkt aufgreift.
3.3 So viel Gender wie heute war
noch nie
GO! > Seite 157
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Argumente:
Das Thema „Gender“ wird in Politik und Wirtschaft
öffentlich diskutiert. In vielen Bereichen gibt es
Quotenregelungen. Gleichbehandlungs- und Gleichstellungspolitik sind gesetzlich geregelt. Genderaspekte
werden in den Medien stark wiedergegeben, insbesondere auch in Film und Fernsehen. Die Popkultur greift
Genderthemen oftmals provokant auf.
2 Mögliche Diskussionspunkte:
Die Quotenregelung erweitert die Möglichkeiten von
Frauen, Karriere zu machen. Andererseits wird kritisiert, dass eine weibliche Person nur aufgrund einer
Quote, nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen eingestellt wird.
Historisch betrachtet betraf die Wehrpflicht nur
Männer; auch der Zivildienst muss nur von Männern
abgeleistet werden. Es wird kritisch diskutiert, ob auch
Frauen einen sozialen Dienst leisten sollten.
Traditionelle Geschlechtervorstellungen gehen davon
aus, dass vor allem Frauen für die Betreuung und
Erziehung der Kinder zuständig sein sollten. Nach
Scheidungen wird das Sorgerecht für Kinder daher oft
der Mutter zugesprochen. Männer können deshalb in
manchen Fällen nur beschränkt an der Erziehung ihrer
Kinder mitwirken, auch wenn sie es anders wünschen.
Eine Stärkung der Väterrechte müsste mit einer
Betonung der Väterpflichten einhergehen.
3 Mögliche Argumente für die Geschlechtertrennung im
Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
Unterricht: Gerade im Bereich der Naturwissenschaften
entsteht oft das Stereotyp, dass Burschen für diese
Fächer besser geeignet seien als Mädchen. Im monoedukativen Unterricht könnte dieses Vorurteil wegfallen. Mädchen und Burschen werden im getrennten
Unterricht eventuell weniger auf die Kategorie Geschlecht reduziert als im koedukativen System.
Mögliche Argumente für die Koedukation: Mädchen
und Burschen können viel voneinander lernen. Da der
Unterricht auch ein Spiegelbild der Gesellschaft sein
soll und unsere Gesellschaft im Normalfall von Frauen
und Männern mitgestaltet wird, sollte auch der Unterricht vielfältige Möglichkeiten der Begegnung bieten.
Mädchen und Burschen können erkennen, dass die
individuellen Unterschiede oft größer sind als die
geschlechtsabhängigen Unterschiede.
3.4 Patchwork-Familien, Singles,
Homo-Ehen – neue Formen des
Zusammenlebens
GO! > Seite 158
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
Die Anzahl der Ehepaare ohne Kinder steigt um rund
37 % gegenüber 1971, während die Anzahl der Ehepaare
mit Kindern um rund 22 % sinkt. Die Anzahl der
Lebensgemeinschaften ohne Kinder wächst sogar um
mehr als 400 % an, d. h., die Anzahl verfünffacht sich;
auch die Lebensgemeinschaften mit Kindern nehmen
um mehr als 180 % zu. Die Anzahl von Alleinerziehenden verdoppelt sich nahezu (plus 98 %), jener der
Privathaushalte steigt um rund 43 % an. Der Anteil der
Singlehaushalte beläuft sich auf einen Anstieg um 35 %.
Aus der Statistik wird ersichtlich, dass die Institution
Ehe drastisch an Bedeutung verliert. Gleichzeitig tritt
vor allem die Menge an Partnerschaften ohne Kinder
sehr stark in den Vordergrund, was zu demografischen
Problemen führen kann (vgl. GO! 8, Kapitel 3.2).
4 Um den aktuellen Tendenzen gerecht werden zu
können, muss der Immobilienmarkt verstärkt kleinere
Wohnungen bzw. Singlehaushalte anbieten, die den
Mieterinnen und Mietern bzw. Käuferinnen und
Käufern allerdings verhältnismäßig teurer zu stehen
kommen. Die Schule kann nicht mehr vom Bild der
Kernfamilie ausgehen, sondern ist aufgefordert, neue
Familienstrukturen zu behandeln (z. B. auch in Schulbüchern). Menschen, die alleine leben und auch keine
Kinder haben, können sich einerseits stärker in ihren
Berufen engagieren, andererseits können sie ihr Geld
verstärkt für Urlaub und Luxusgüter ausgeben, worauf
insbesondere die Tourismuswirtschaft reagieren wird.
Singles können stärker von Vereinsamung betroffen
· 59
sein als Menschen, die in Partnerschaften leben, was
sich negativ auf die (psychische) Gesundheit auswirken
könnte.
3.5 Das Recht auf eine freie
sexuelle Orientierung
GO! > Seite 159
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Homosexuelle Männer sind oft mit dem Stereotyp
einer gewissen Weichheit und Sanftheit konfrontiert,
was scheinbar nicht mit einer harten Sportart wie
Fußball zusammenpasst. Fußball gilt als eine besonders „männliche“ Sportart; durch eine vermehrte
Diskussion von Homosexualität im Fußball befürchten
manche eine Verweichlichung des Sports. Der deutsche
Profifußballer Thomas Hitzlsperger bekannte sich erst
nach dem Ende seiner Karriere zu seiner Homosexualität, was die Homophobie im Fußballbereich erneut
unter Beweis stellte.
Linktipp: www.zeit.de [Homosexualität im Fußball;
„Die Männlichkeit steht auf dem Spiel“; „Aus dem
Abseits“]
2 Im Bereich der Volksmusik herrscht eine heteronormative Sichtweise vor, Homosexualität wird darin nicht
behandelt. Auch in deutschen Schlagertexten sind
homosexuelle Inhalte tabu. In der Rockmusik herrscht
„die Idee des authentischen, weißen, hetero-männlichen
Rockstars“ vor, Toleranz für Homosexuelle findet sich
eher nicht. Sowohl in der afroamerikanischen Hip-HopKultur als auch im Rap ist Homophobie vor allem an
abwertenden Begriffen (z. B. fag oder faggot für
„Schwuchtel“) zu erkennen. Queere Popmusik
kritisierte erstmals in den 1990er-Jahren die
bestehende Normierung von Sexualität und stellt
traditionelle Rollenbilder infrage. Dabei kommt es zu
Subkulturen wie queerem Rap oder queerem Punk.
(www.bpb.de/gesellschaft/gender/
homosexualitaet/38881/homophobie-in-derpopmusik?p=all, Juni 2014).
3.6 Punk, Gothics, Hip-Hop –
Jugendkulturen
GO! > Seite 161
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Graffiti, Breakdance
2 Jugendkulturen – Kennzeichen und Ideologie:
• Punk:
– Destruktives Auftreten, Military Look
–Anarchismus
60
Lösungen – Zusatzinformationen
• Gothic:
– Introversion, Ausdruck der Gefühlswelt durch
literarische Texte, depressive Haltung, Interesse
an Religionen, schwarze Kleidung, Retro-Look,
bleiche Gesichter
– Individualismus, Eskapismus
• Techno:
– Toleranz, friedliches Miteinander, Lebensgenuss,
Spaßgesellschaft
– Hedonismus, Futurismus
• Hip-Hop:
– Verbreitung im städtischen Bereich, Breakdance, Rap,
Betonung von Coolness
– Realistische Darstellung großstädtischer Subkultur,
z. T. mit rechtsextremistischen Positionen
3 Krocha:
Der Begriff stammt aus dem Wienerischen „einekrochn“ (hineinkrachen). Jugendliche, die als „Krocha“
bezeichnet wurden, gab es zwischen 2007 und 2009
v. a. in Wien. Wörter wie „fix“ oder „Oida“ waren typisch
für die Krocha-Szene. Krocha kleideten sich sehr
markenbewusst (z. B. Ed Hardy, D & G), trugen eine
Vokuhila-Frisur und helle Sneakers. Kennzeichnend
war auch die (solarium)gebräunte Haut.
Emo:
Emo gilt als eine Subkultur des Punk. Emos betonen
Gefühle sehr stark, insbesondere tragische Elemente
wie Verzweiflung und Trauer. Zum typischen Erscheinungsbild zählen Nietengürtel, Skaterschuhe, schwarz
gefärbte Haare, schwarze Kleidung gepaart mit grellen
Mustern und Röhrenjeans. Emos tragen oft Piercings.
In den Medien werden Emos oft mit Suizidalität in
Verbindung gebracht, die Zuschreibung gilt aber als
umstritten.
Linktipp: www.jugendszenen.com
4 Kunst und Kultur
4.1 Kunst – so vielfältig wie noch
nie
GO! > Seite 162
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Keine Musterlösung möglich.
2 Mögliche Beispiele:
• 1981 gestaltete ein deutscher Grafiker den Einband für
das Buch „Lasst mich bloß in Frieden“. Darauf ist eine
Collage mit einem Mann zu sehen, der auf die deutsche
Bundesflagge pinkelt. In weiterer Folge kam es zu einer
Gerichtsverhandlung.
• Der österreichische Maler und Bildhauer Rudi Wach
(geboren 1934) stellte 1985 die Skulptur „Jesus-Kreuzigung“ für die Innbrücke in Innsbruck fertig. Christus
wird dabei ohne Lendenschurz, also nackt, gezeigt,
weshalb es zu heftigen Protesten kam. Das Kreuz wurde
erst 2010 an der Innbrücke aufgestellt.
• Im September 2005 erschienen in der dänischen
Tages­zeitung Jyllands-Posten zwölf Karikaturen, die
den Propheten Mohammed zum Thema hatten. Infolge
der Veröffentlichung dieser Bilder kam es in diversen
islamischen Ländern der Welt zu Demonstrationen,
diplomatischen Konflikten und gewalttätigen Ausschreitungen.
3 Mögliches Beispiel:
2012 wurde eine Röhreninstallation des Künstlers Peter
Kogler am Karlsplatz in Wien eröffnet. Das Kunstwerk
sollte einerseits die Gegend um den Karlsplatz aufwerten und andererseits die U-Bahn-Station vor Vandalis-
mus schützen. Mit dem Kunstwerk wurde auf die
schwierige Situation am Karlsplatz reagiert, der verstärkt als Umschlagplatz für illegale Drogen in die
Schlagzeilen geraten war.
4.2 Kunst im (politischen) Konflikt
GO! > Seite 163
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Beispiele:
Michail Gorbatschows Politik, die unter den Schlagworten „Perestroika“ und „Glasnost“ bekannt wurde, leitete
das Ende der Sowjetunion ein ( GO! 7, S. 88). Das
kommunistische totalitäre Regime in Nordkorea kann
nur in seiner Isolation bestehen ( GO! 7, S. 10). Der
offene Umgang mit dem Internet ermöglichte es den
Menschen in arabischen Staaten wie Tunesien, Libyen,
Ägypten und Syrien, sich gegen die autoritären Regime
zur Wehr zu setzen ( GO! 8, S. 66–70). Auch im Iran
sorgten die neuen Medien für ein weltweites Bekanntwerden der Missstände ( GO! 8, S. 166/167).
2 Keine Musterlösung möglich.
3 Mögliche Pro-Argumente für das Projekt:
Durch die mediale Berichterstattung über das Projekt
wird der problematischen Situation in China Raum
gegeben. Die Menschen in Europa werden über aktuelle
Vorfälle in China informiert, es entsteht ein kritisches
Bewusstsein für die chinesische Politik. Die Freiheit der
Kunst sollte als ein wichtiges Gut angesehen werden.
· · · · Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
61
ob das Kunstwerk tatsächlich zu einer kritischeren
Sichtweise der Vorgänge in China beitragen kann.
Mögliche Kontra-Argumente gegen das Projekt:
Die Installation kostete viel Geld, ohne einen unmittelbaren Nutzen erkennen zu lassen. Es bleibt umstritten,
5 Moderne Medien und Politik
5.1 Mediendemokratie und
politischer Skandal
GO! > Seite 165
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 In einer demokratischen Gesellschaft ist es notwendig,
die eigenen ethischen und moralischen Maßstäbe
immer wieder zu überprüfen und teilweise auch neu zu
formulieren. Fehltritte von Eliten und Personen, die im
öffentlichen Raum stehen, sind für solche Analysen
besonders gut geeignet. Sprengkamp betont, dass es
Aufgabe von „halbwegs freien Journalisten“ sein muss,
Skandale aufzudecken und somit für eine gewisse
Kontrolle zu sorgen.
2 Keine Musterlösung möglich.
2 Anmerkung: Der Link auf die Spiegel-Homepage führt
ins Leere, das Video ist nicht mehr abrufbar. Man findet
aber einen CNN-Beitrag darüber auf YouTube unter
www.youtube.com/watch?v=b5KBrsz1oxs.
3 Anfang Juni 2013 enthüllte der Whistleblower Edward
Snowden, dass der US-Geheimdienst NSA das Internet
und andere Telekommunikationsmöglichkeiten in
großem Umfang überwacht. Die Daten wurden auf
Vorrat gespeichert und können, gleich wie im Iran, auf
Schlüsselworte hin untersucht werden. Auch der
internationale Zahlungsverkehr wurde von der NSA
systematisch ausspioniert. Ebenso wurde bekannt, dass
sämtliche Telefonate jeweils einen ganzen Monat lang
gespeichert wurden. Gerechtfertigt wurde das Vorgehen des US-Geheimdienstes mit dem Argument,
terroristische Anschläge frühzeitig erkennen und
abwehren zu wollen.
5.2 Möglichkeiten und Grenzen
der neuen Medien am Beispiel des 5.3 Die große chinesische
(Internet-)Mauer
Irans, 2009
GO! > Seite 166
·
GO! > Seite 169
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
Interpretation der Karikatur:
Mithilfe der modernen Medien, allen voran des
Onlinedienstes Twitter, gelang es den Menschen im
Iran, sich zu vernetzen und gegen das Regime zu protestieren. Dieser Form des Protests hatte die Regierung
wenig entgegenzusetzen: Chamenei und Ahmadi­
nedschad waren zwar empört und wütend, letztendlich
aber machtlos gegen die Tweets; sie konnten nichts
daran ändern, dass das Regime durch etliche Tweets
„beschmutzt“ wurde.
GO! > Seite 167
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Jene Videos, die anonym angefertigt und online
veröffentlicht wurden, zeigen den Widerstand gegen
das iranische Regime. Bisher unbekannte Personen wie
die 27-jährige Neda Agha-Soltan werden zu Ikonen des
Widerstands. An ihrem Schicksal zeigt sich die Härte
des Regimes besonders deutlich. Zwar gibt es Zweifel
daran, ob alle Videos echt sind, letztendlich tut dieser
Zweifel der Wirkung der Videos aber keinen Abbruch.
1 In Österreich wird der Großteil der Medien von einigen
wenigen Konzernen kontrolliert; das bedeutet, dass die
Meinungs- und Pressefreiheit weniger stark ausgeprägt
ist als in Ländern, in denen mehr unabhängige Medien
existieren. Auf der Rangliste der Pressefreiheit, die von
den „Reportern ohne Grenzen“ jährlich erstellt wird,
landete Österreich im Jahr 2012/13 auf Rang 12 von 179
(www.rog.at/130128_Rangliste_Deutsch.pdf, Juni 2014).
2 Die chinesische Regierung möchte verhindern, dass
Kritik an den Lebensverhältnissen der Bevölkerung
sowie an den sozialen Bedingungen im Land laut wird.
China will einerseits ein Image von größerer Offenheit
aufbauen, andererseits sollen die Bürgerinnen und
Bürger möglichst wenige Möglichkeiten haben, sich zu
vernetzen und zu protestieren. Deshalb schränkt die
chinesische Regierung die Internetnutzung durch
Zensurmaßnahmen ein.
3 Die Karikatur kritisiert das Verhalten von westlichen
Unternehmen wie Google, Microsoft und Yahoo, die
sich in den Dienst der chinesischen Regierung stellen
und „im Gleichschritt mit den chinesischen Soldaten
marschieren“. Das große Porträt, an dem die Vertreter
62
Lösungen – Zusatzinformationen
der Firmen und die chinesischen Soldaten vorbeiziehen, zeigt Mao Zedong, den wichtigsten chinesischen
Politiker des 20. Jhs. Die chinesische Zensur wird
akzeptiert, weil sich die genannten Unternehmen
große Gewinne in China versprechen.
5.4 Facebook, Twitter – und die
Demokratie
GO! > Seite 171
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die Menschen werden zunehmend sensibler, was den
Schutz ihrer persönlichen Daten betrifft. Soziale
Netzwerke und Dienste wie z. B. Facebook oder WhatsApp geraten immer wieder durch Verletzungen der
Datensicherheit ihrer NutzerInnen in die Schlagzeilen,
weshalb zu vermuten ist, dass sich in Zukunft neue
Formen der Vernetzung etablieren werden.
2 Krüger erkennt in den sozialen Netzwerken vor allem
die Chance, öffentliche Proteste schnell und effektiv zu
organisieren. Die Durchführung dieser Proteste kann
aber nicht online geschehen; Krüger betont, dass die
physische Präsenz von Protestierenden auf der Straße
auch in Zeiten des Internets unabdingbar sei.
3 Da das Publikum durch das Fernsehen bereits mit
einem breiten Angebot verwöhnt wird, müssen sich
Produzentinnen und Produzenten von Kinofilmen
attraktive Neuerungen einfallen lassen.
4 Über Onlinedienste ist eine schnelle und vor allem für
die Regime nicht leicht nachvollziehbare Vernetzung
möglich, was dazu führte, dass sich die sozialen
Netzwerke als wichtige Mittel für die politische Mobilisierung etablierten.
5 „Basisdemokratie“ meint eine Form der direkten Demokratie, bei der alle Beteiligten unmittelbar und gleichberechtigt mitbestimmen können. Krüger betont, dass es
dazu eines herrschaftsfreien Raumes bedürfe und dass
das Volk somit seine Regeln selbst kreieren könne. An der
Online-Basisdemokratie können jedoch nur jene Menschen aktiv teilnehmen, die geübt im Umgang mit
Computern und den neuen Medien sind. 2012 hatten
immerhin 79 % aller Haushalte einen Internetzugang zur
Verfügung (Quelle: www.digitales.oesterreich.gv.at/
site/5428/default.aspx, Juni 2014).
6 Krüger meint mit seinem Schlussstatement, dass die
Gesellschaft eine Antwort auf die Frage finden muss, ob
wir das Internet, das zweifelsohne viele Möglichkeiten
bietet, für demokratische Entscheidungsfindungen
sinnvoll einsetzen und nutzen sollten. Oder ob wir die
digitalen Möglichkeiten nur aufgrund der Tatsache,
dass wir sie zur Verfügung haben, nicht zwangsläufig in
politische Entscheidungsfindungsprozesse einbinden
müssen, da wir sie häufig ohne nachzudenken nutzen.
5.5 Die Piraten – eine Heraus­
forderung für die traditionellen
Parteien?
GO! > Seite 172
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Die Piratenpartei geht davon aus, dass jeder einzelne
Mensch gleichberechtigt und direkt an der Demokratie
partizipieren möchte. Der Autor des FAZ-Artikels
verwendet den Begriff „homo democraticus“, um diese
Sichtweise zu verdeutlichen. Im Internet erkennen die
Piraten eine Möglichkeit zur Realisierung dieser
Vorstellung. Im zweiten Artikel wird jedoch die Frage
aufgeworfen, ob wirklich alle BürgerInnen Zeit und
Muße haben, sich täglich mit Politik zu beschäftigen;
diese Arbeit wird sogar als „Belästigung des gemeinen
Bürgers“ bezeichnet. Politik, so die Aussage des Artikels,
solle für die BürgerInnen, aber nicht unbedingt mit
ihnen gemacht werden.
2 Unter „Publikative“ versteht die Piratenpartei eine
großzügige Form der Öffentlichkeit, in der sich jede
Bürgerin und jeder Bürger selbst ein Bild der Lage
machen kann. Wachsamkeit, Unabhängigkeit und
Pluralismus sind Merkmale der „Publikative“.
3 Die politischen Erfolge der Piraten erteilten den
traditionellen politischen Parteien insofern eine Lehre,
als man nun über mehr direkte Demokratie und
Mitbestimmungsmöglichkeiten sowie über die große
Politikverdrossenheit in der Gesellschaft diskutiert und
nachdenkt. Die Slogans sprechen die Missstände in der
Politik (insbesondere das Thema Korruption auf dem
zweiten Plakat) an; gleichzeitig sollen sie der Leserin
und dem Leser die Möglichkeit aufzeigen, dass jeder
Mensch in der Lage ist, die Situation zu verändern.
Jeder Einzelne ist dazu aufgerufen, sich politisch zu
engagieren und mitzumachen.
5.6 Whistleblower: Gibt es eine
Verpflichtung zur Information der
Öffentlichkeit?
GO! > Seite 173
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Pro-Argumente:
Schutz vor drohenden Gefahren wie Terroranschlägen;
Perspektivenerweiterung; Erkenntnisgewinn für die
Gesellschaft.
Kontra-Argumente:
Keine freie Meinungsbildung mehr möglich; demokratiepolitisch fragwürdig; Blamage für handelnde
Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
Personen wie z. B. Diplomatinnen und Diplomaten
sowie auch für ganze Staaten.
2 Keine Musterlösung möglich.
3 Edward Snowden löste im Juni 2013 die globale Spionage- und Überwachungsaffäre aus, als er öffentlich
machte, dass der US-Geheimdienst NSA das Internet
sowie Telefonie in großem Stil überwachte. Das FBI
erwirkte einen Haftbefehl gegen ihn, Snowden erhielt
im August 2013 aber Asyl in Russland.
Der IT-Spezialist Bradley Manning wurde im Mai 2010
unter dem Verdacht verhaftet, vertrauliche Dokumente
und Videos an WikiLeaks ausgehändigt zu haben. Es
handelte sich dabei u. a. um ein Video aus dem Jahr
2007, das zeigt, wie irakische Zivilpersonen sowie
Journalisten von einem amerikanischen Kampfhubschrauber beschossen und getötet wurden. Die Dokumente berichten von Hunderten Fällen von Folter im
Irak. Im Gerichtsverfahren bekannte sich Manning in
Teilbereichen schuldig und wurde zu einer Haftstrafe
von 35 Jahren verurteilt.
4 Im Fall Julian Assange gibt es noch kein Urteil (Stand:
April 2014), aber insbesondere konservative Kreise in
den USA haben sogar die Hinrichtung bzw. eine gezielte
63
Tötung von Assange gefordert. Von Militärkreisen
wurde er als „Cyber-Terrorist“ und „High-Tech-Terrorist“ eingestuft.
Bradley Manning wurde zu 35 Jahren Freiheitsstrafe
unter besonders harten Bedingungen verurteilt. Ihm
wurde anfangs der Zugang zu aktuellen Nachrichten
ebenso verwehrt wie Bettlaken und Kissen. Seine
Haftbedingungen verbesserten sich im April 2011.
Gegen Edward Snowden wurde Strafanzeige wegen
Diebstahls von Regierungseigentum, widerrechtlicher
Weitergabe von geheimen Informationen sowie
Spionage erstattet. Jede dieser Straftaten kann mit einer
Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren belegt werden.
Insgesamt ist festzustellen, dass die US-Justiz sehr hart
gegen die Whistleblower vorgeht, was zwar vielleicht
mit der Intention erklärt werden kann, mögliche
weitere Whistleblower abzuschrecken, andererseits
aber auch zu heftigen Protesten führte. So forderte
etwa Amnesty International im Dezember 2013 die
Begnadigung und sofortige Entlassung von Bradley
Manning.
Linktipp: www.projekt-datenschutz.de/snowden
ExpertInnengespräch: Das politische Interview
GO! > Seite 174/175
Zur Person Armin Wolf: Dr. Armin Wolf, geboren 1966 in
Innsbruck, ist stellvertretender Chefredakteur der TV-Information des ORF. Er moderiert regelmäßig die ZiB2. Wolf
ist vor allem für seine Live-Interviews mit Politikerinnen
und Politikern bekannt, für die er auch schon mehrfach
ausgezeichnet wurde, u. a. mit dem Robert-Hochner-Preis
im Jahr 2006.
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Wolf erkennt im Format des politischen Interviews die
Möglichkeit, dass sich die BürgerInnen ein authentischeres Bild von der interviewten Person machen
können. In einer Demokratie ist es wichtig, Standpunkte und Vorstellungen der verschiedenen politischen
Richtungen zu kennen, um demokratische Entscheidungen treffen zu können. Im politischen Interview
werden die Befragten auch mit Gegenargumenten
konfrontiert und müssen ihren eigenen Standpunkt
verteidigen. Mit diesen vertiefenden Informationen
wird zur Aufklärung des Publikums beigetragen.
2 Die Interviewerin oder der Interviewer muss die
interviewte Person gegebenenfalls unterbrechen, eine
Frage wiederholen oder sie auf andere Art und Weise
stellen, sodass die befragte Person dazu angehalten
wird, tatsächlich auf die gestellten Fragen zu antworten.
3 Wolf berichtet, dass er sich intensiv darüber informiert,
wie sich seine InterviewpartnerInnen in der Vergangenheit zum betreffenden Thema geäußert haben.
Damit vermeidet er inhaltliche Überraschungen
während des Interviews.
4 Mögliche Vorteile:
In politischen Interviews erhält das Publikum einen
tieferen Einblick in die Vorstellungen und Standpunkte
der jeweiligen Person. Die bzw. der Interviewte kann
sich erklären, das Publikum kann sich damit besser
eine eigene Meinung bilden. Im Interview wird sie bzw.
er mit anderen Ansichten konfrontiert. Das Publikum
erhält dadurch die Möglichkeit, verschiedene Perspektiven gegeneinander abzuwägen.
Mögliche Nachteile:
Die Interviewerin oder der Interviewer könnte parteiisch sein, was einer objektiven und neutralen Berichterstattung im Weg stehen könnte. Die Interviewzeit ist oft
zu kurz, um komplexere Themen genauer zu erklären.
Es besteht auch die Gefahr der Verbreitung von populistischen Tendenzen und Demagogie vonseiten der
interviewten Person, wenn das Interview nicht gut
geführt wird.
64
Lösungen – Zusatzinformationen
Methode: Dekonstruktion von Geschichte-Schulbüchern
GO! > Seite 176–178
Zur Bedeutung der vorgestellten Methode
Das Geschichtebuch als jahrelanger Begleiter im schulischen Alltag wird meist als Instrument reiner Wissensvermittlung, der Vermittlung von historischen Inhalten, angesehen. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, die
Konstruktion von Geschichte anhand von Schulbüchern
darzustellen.
Der erste Schritt der Analyse führt zur Erfassung der formalen und inhaltlichen Grobstruktur des Buches und zu
einem ersten Nachdenken darüber, welche Kriterien ausschlaggebend für den Aufbau und die Themenauswahl
sind.
Der zweite Schritt regt die genauere Beschäftigung mit einem Unterkapitel an, der Blick ins Detail ist notwendig. Die
Unterscheidung von Sachinformation, Sachurteil und
Werturteil wird eingefordert.
Der dritte Schritt verlangt eine persönliche kritische Auseinandersetzung mit dem Buch. Ziel dieser 3-Schritt-Methode ist es, in rudimentärer Form das „Gemachte“, Produkthafte, Konstruierte von Geschichte an einem usuellen
schulischen Gegenstand aufzuzeigen und zu hinterfragen.
GO! > Seite 178
Hinweis zu den Anwendungsaufgaben: Auch die Dekonstruktion von älteren Schulbüchern kann interessante Ergebnisse bringen. Der Vergleich älterer Schulbücher mit
GO! 8 wird deutlich machen, dass eine Verschiebung der
inhaltlichen Schwerpunkte, eine Betonung der politischen
Bildung und eine Hinwendung zur methodischen Auseinandersetzung mit Geschichte erfolgten.
6 „User oder Loser?“ – der Mensch in der Wissens­
gesellschaft
Transfer-Einheit zum Abschluss
von Kapitel 4
GO! > Seite 179–181
Die Transfer-Einheit von Kapitel 4 beschäftigt sich mit den
sozialen Auswirkungen der Entwicklung der Wissensgesellschaft im 20. und beginnenden 21. Jh. Die Industriegesellschaft war in West- und Mitteleuropa mit ihren Werten
wie Fortschritts-, Leistungs- und Erfolgsstreben gegen
Ende des 19. Jhs entstanden. Unsere heutigen, entwickelten
Industriegesellschaften können als moderne Wissensgesellschaften bezeichnet werden, weil sie von moderner
Wissenschaft und Hightech durchdrungen sind.
6.1 Die Entstehung der
Wissensgesellschaft
GO! > Seite 179
Hintergrundinformation:
Im Mai 2014 hat sich die rechtliche Situation für Suchmaschinenbetreiber verändert. Laut einem Urteil des EuGH
(13. 05. 2014) ist Google verpflichtet, Verweise aus seiner Ergebnisliste zu entfernen, wenn sie das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz einer Person verletzen:
Kommentar
Was das Google-Urteil bedeutet
Der Europäische Gerichtshof hat ein wegweisendes
und richtiges Urteil gefällt. Google und Co. können
sich nicht länger aus der Verantwortung für ihre Suchergebnisse herauswinden.
13.05.2014, von Mathias Müller von Blumencron
Nun gibt es also doch ein Recht auf Vergessen werden
im Internet, ein Recht, das es Bürgern erlaubt, Suchmaschinen das Hinweisen auf sensible Daten zu untersagen. So hat es der Europäische Gerichtshof bestimmt
und damit einen wegweisenden Entscheid gefällt. Seit
Jahren gibt es in Deutschland eine anhaltende Debatte
darüber, ob der Gesetzgeber ein solches Recht festschreiben soll. Geschehen ist bisher nichts. Nun sind die
Brüsseler Richter den Politikern zuvor gekommen. Und
sie haben richtig entschieden.
[…]
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. 05. 2014;
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/eughurteil-ueber-google-recht-auf-vergessen-im-netz-12937165.
html, Juni 2014)
Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...
6.2 Google+ versus Facebook:
„Kampf der Giganten“
GO! > Seite 181
65
Zusatzinformation: In einem im Juni 2014 auf SPIEGELONLINE veröffentlichten Artikel geht der Journalist Markus
Böhm auf die wichtigsten Auswirkungen der NSA-Affäre
auf Haltung und Verhalten von UserInnen im Internet ein.
Lösungen zu Fragen & Aufgaben
1 Mögliche Interpretation:
Als UserInnen des Internets stehen den Menschen viele
Möglichkeiten offen, die neuen Medien können als
großer Gewinn für die Gesellschaft interpretiert
werden. Andererseits werden wir mit vielen negativen
Aspekten dieser Entwicklung konfrontiert: Es gibt
große Probleme mit der Sicherheit von Daten, persönliche Daten werden im großen Stil gespeichert und
analysiert. Damit verlieren die UserInnen oft das Recht,
selbst über ihre Daten zu bestimmen, und werden zum
„Loser“.
2 Hoher Stand der Wissenschaft; Glaube an Technik,
Rationalismus und Wissenschaft; Technik durchdringt
alle Lebensbereiche; schneller und einfacher Zugang zu
Informationen; neue Medien (insbesondere das
Internet).
3 Im ersten Text wird das Duell der Internetgiganten
Google und Facebook kritisch beleuchtet. Beide Unternehmen versuchen möglichst viele UserInnen für ihre
sozialen Netzwerke zu gewinnen. Der Artikel weist auch
darauf hin, dass Google und Facebook damit auf aktuelle Strömungen in der Gesellschaft reagieren, denn die
Nachfrage bzw. der Wunsch nach solchen Plattformen
ist nach wie vor groß.
Im zweiten Artikel wird Googles Strategie beschrieben,
passend zum Suchbegriff kommerzielle Anzeigen
einzublenden. Die Werbung für diverse Produkte ist
Googles finanzielle Haupteinnahmequelle. Google ist
damit nicht nur ein Lieferant für gesuchte Informationen, sondern übt sich auch in der bedenklichen Praxis,
den Userinnen und Usern bestimmte Angebote vorzuschreiben.
Der dritte Artikel gibt Auskunft darüber, dass mithilfe
von Google immens viele, auch private, Details über
jede beliebige Person gefunden werden können, was als
Störung der Privatsphäre empfunden werden kann. Im
Artikel wird diese Möglichkeit des Ausspionierens
anhand eines prominenten Beispiels gezeigt: Nicht
einmal Eric Schmidt, der Chef von Google selbst, ist vor
solchen Aktivitäten sicher.
07. Juni 2014
Folgen der NSA-Affäre:
Wie Snowden das Netz verändert hat
Von Markus Böhm
Die NSA-Affäre hatte politisch bisher kaum Konsequenzen, die Geheimdienste spionieren weiter.
Trotzdem sind die Folgen der Enthüllungen enorm.
Fünf Beobachtungen über das World Wide Web,
ein Jahr nach Snowden.
„Meine größte Furcht ist, dass es nichts verändert“, sagte
Whistleblower Edward Snowden direkt in seinem ersten
Interview. Er hatte gerade sein geregeltes Leben aufgegeben, als Preis dafür, die Überwachungspraxis der USA
und ihrer Verbündeten ans Licht zu bringen. Gut ein
Jahr ist das nun her.
Haben die Enthüllungen etwas verändert? Zum ersten
Jahrestag klingen viele der Bilanzen ernüchternd: Der
Einzige, der seinen Job verloren habe, sei Snowden
selbst, schrieb diese Woche Sascha Lobo: Die Verantwortlichen machen einfach weiter. Die Bürger würden
am 5. Juni 2014 genauso ausgespäht wie ein Jahr zuvor,
am Tag der ersten Enthüllung. „Zeit Online“ beantwortet die Frage, ob Snowden die Welt verändert hat, gleich
dreifach: mit „ja“, „nein“ und „mir egal“.
Aber auch wenn sich politisch noch nicht viel getan
hat: Zumindest im Kleinen haben die Snowden-Enthüllungen etwas verändert, im Alltag vieler Internetnutzer.
Fünf Beobachtungen, ein Jahr nach den ersten Leaks:
1. Was früher als Paranoia galt, wird jetzt verstanden
Internetnutzer, die ihre Webcam abkleben? Leute, die
ihr Smartphone verschlüsseln? Verhalten, das einst als
übertrieben vorsichtig galt, wird seit den NSA-Enthüllungen nicht mehr belächelt. Solche Beobachtungen
macht zum Beispiel der Grünen-Europapolitiker Jan
Philipp Albrecht. „Die Enthüllungen haben auf die Gefahren und Realitäten der Überwachung aufmerksam
gemacht“, sagt er. „Selbst Leute, denen Themen wie
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vorher gleichgültig waren, fragen sich jetzt, ob es nicht doch sinnvoll ist, sich
damit auseinanderzusetzen.“
··
66
Lösungen – Zusatzinformationen
Eine Twitter-Umfrage mit dem Hashtag #SeitSnowden ließ kürzlich eine ähnliche Tendenz erkennen. „Seit
Snowden muss ich mich nicht mehr dafür rechtfertigen,
keine Mails mit Gmail-Nutzer_innen auszutauschen“,
schrieb damals Bloggerin und Netzaktivistin Anne Roth.
Die ehemalige Piratenpartei-Geschäftsführerin Katharina Nocun twitterte: „Seit Snowden fragen mich Freunde,
ob ich ihnen Verschlüsselung erklären kann. Und fragen
nicht mehr, warum ich nicht bei Facebook bin.“
2. Es wird mehr verschlüsselt als vor Snowden
Nach wie vor wird im Netz nur ein geringer Teil des
Datenverkehrs verschlüsselt – doch es wird langsam
mehr. In Europa beispielsweise hat sich der verschlüsselte Verkehr binnen eines Jahres vervierfacht, berichtet
der Netzwerkanbieter Sandvine. Statt 1,5 Prozent beträgt sein Anteil jetzt 6,1 Prozent. Immerhin.
Einerseits liegt das an den großen Internetkonzernen:
Firmen wie Google, Facebook und Yahoo haben seit
den Enthüllungen öffentlichkeitswirksam ihre Sicherheitsstandards erhöht. Gleichzeitig scheinen aber auch
Privatnutzer gewillter, das Abhören ihrer Kommunikation zu erschweren. Eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom ergab Ende 2013, dass 5 Millionen
Deutsche eine E-Mail-Verschlüsselungssoftware verwenden. Im Juli waren es erst 3,3 Millionen.
3. Die Skepsis gegenüber Online-Speichern steigt
In den vergangenen Monaten las man immer wieder,
dass viele Nutzer US-Diensten den Rücken kehren. Den
Worten scheinen jedoch selten Taten gefolgt zu sein. In
der Praxis habe es keine massive Verschiebung bei den
Verbrauchern gegeben, schreibt etwa Mikko Hyppönen
von F-Secure. Anders sehe es bei Unternehmen aus. Sie
würden ihre Daten in größerem Stil weg von den USClouds verlagern.
4. Neue Programme sollen auch vor dem Staat schützen
„NSA-proof “, „NSA-sicher“: Derartige Adjektive liest
man derzeit häufig, wenn neue Produkte angekündigt
werden. Diente Schutzsoftware lange Jahre in erster Linie dem Schutz vor Internetbetrügern und Hackern,
gibt es mittlerweile Programme, die explizit das Ziel haben, den Nutzer vor der Überwachung durch fremde
Regierungen oder die eigene zu bewahren. So kündigte
unter anderem Entwickler John McAfee ein Anti-NSAGadget an.
Und auch in Deutschland scheint es in Sachen Internet
großes Misstrauen gegen den Staat zu geben. Erst diese
Woche erschien eine neue Bitkom-Studie, derzufolge
knapp neun von zehn Deutschen ihre Daten online
nicht für sicher halten. Bei staatlichen Stellen hatten 71
Prozent der Befragten ein schlechtes Gefühl, wenn es
um den Umgang mit persönlichen Daten geht. 2011 waren es nur 46 Prozent.
5. Die Menschen sind vorsichtiger im Netz
Das Internet ist zu vielfältig, als dass sich verallgemeinern ließe, welche Auswirkungen die NSA-Affäre auf
die Kommunikationsinhalte hat. Doch in ihrem Netzausschnitt haben viele Nutzer Veränderungen erlebt und sei es, dass in Forendiskussionen neben
Hitler­vergleichen nun öfter NSA-Anspielungen kommen. Kaspersky-Analyst Kollberg ist aufgefallen, dass
seine Facebook-Freunde weniger Privatfotos veröffentlichen. „Die Leute sind vorsichtiger unterwegs“, sagt er.
Grünen-Politiker Albrecht glaubt, die Überwachung
könnte Internetnutzer auch unbewusst beeinflussen,
durch „ein bisschen Schere im Kopf “: „Mancher Nutzer
überlegt sich heute vielleicht öfter, ob er einen bestimmten Begriff googelt oder einen bestimmten Artikel aufruft.“
Virenanalyst Dirk Kollberg von Kaspersky hat den Eindruck, dass das Thema IT-Sicherheit in der Wirtschaft
stärker beachtet wird als noch vor einem Jahr. „Die Gefahr von Cyber-Angriffen ist seit den Enthüllungen bis
in die Chefetagen präsent“, sagt er. „Vorher war das etwas, das nur Systemadministratoren beschäftigt hat.“
Manche Unterhaltung findet mittlerweile auch gar nicht
mehr im Netz statt. „Guardian“-Journalist James Ball
etwa schätzt, vergangenes Jahr 130.000 Meilen geflogen
zu sein. Nach den Enthüllungen habe er viele Dinge
lieber persönlich besprochen als auf technischem Weg,
erzählte er bei einer Gesprächsrunde.
Unterschiedliche Meinungen gibt es dazu, ob europä­
ische Firmen indirekt von den Enthüllungen profitieren.
Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder glaubt
nicht, dass ein Standort in Europa pauschal ein Wettbewerbsvorteil ist. „Der Markt ist insgesamt belastet“, sagt
er, auch mit Blick auf Privatnutzer. „Wer jetzt keine amerikanischen Dienste mehr nutzt, der geht nicht automatisch zu den deutschen Unternehmen, sondern hält sich
oft auch ganz zurück.“
Das vielleicht treffendste Fazit zur NSA-Affäre fand sich
aber kürzlich in der IT-Fachzeitschrift „c't“. Dort hieß es
in einem Bericht zur Internet-Konferenz re:publica:
„Vor Snowden war's irgendwie witziger.“
Spiegel online, 07. Juni 2014; http://www.spiegel.de/netzwelt/
netzpolitik/nsa-skandal-wie-snowdens-enthuellungen-dasnetz-veraendert-haben-a-973516.html, Juni 2014