Oberstufe 8
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Oberstufe 8
Geschichte Oberstufe 8 Material für Lehrerinnen und Lehrer Mit Maturaleitfaden und Aufgabenpool Stephan Scharinger Thomas Schwaiger Franz Melichar Irmgard Plattner Claudia Rauchegger-Fischer 2 Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Lösungen – Zusatzinformationen 1 Europa und die Europäische Union Einstiegsdoppelseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 „Was ist Europa?“ – eine Frage und viele Antworten. . . 7 1 Einstiegsdoppelseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Zwei Global Player beziehen außenpolitisch Position. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 Europa ist wie ein Fahrrad. Hält man es an, fällt es um. Die EU – eine „Organisation ganz eigener Art“? . . . . . . 7 Die Geschichte der EU in politischen Sachbüchern . . . 9 Ein neues, nicht das alte Europa. . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Erweiterungs- und Einigungsprozesse. . . . . . . . . . . . 10 Der Euro und die Euro-Krise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Die Perspektive erweitern I: Meinungen zu Euro und Euro-Krise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Die Perspektive erweitern II: Meinungen zur Zukunft der EU. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 „Festung Europa“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 ExpertInnengespräch: Die Europäische Union – woher, wohin?. . . . . . . . . . . 14 Ich und die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 2 Internationale Politik und Wirtschaft 1 USA – Anspruch und Last internationaler Führung. . . Al-Qaida – Aufstieg eines Terrornetzwerkes. . . . . . . . „Change“ – Barack Obama. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die UNO nach dem Ende der bipolaren Ordnung. . . . 2 4 28 28 29 29 3Globalisierung Die Welt „globalisiert“ – aber warum?. . . . . . . . . . . . . „Globo“ – die Welt als kleines Dorf. . . . . . . . . . . . . . . Der Siegeszug des Kapitalismus . . . . . . . . . . . . . . . . „Mensch vor Profit“ – die NGOs. . . . . . . . . . . . . . . . . ExpertInnengespräch: Finanzkrise, Eurokrise, Staatenkrise. . . . . . . . . . . . . . Muhammad Yunus: Den Teufelskreis der Armut durchbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Balkan – der einzige Kriegsort in Europa nach 1945 30 30 31 31 33 33 East goes West – Osteuropa im Wandel Deutschland – ein Sonderfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Pioniere des Wandels – Polen und Ungarn. . . . . . . . . 18 Russland – eine Scheindemokratie?. . . . . . . . . . . . . . 19 25 26 26 27 Die Arabische Revolution „Von der Diktatur zur Demokratie“ . . . . . . . . . . . . . . . Jasminrevolution in Tunesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sturz des Diktators in Ägypten. . . . . . . . . . . . . . . . . . Libyen und Syrien – Krieg gegen das eigene Volk . . . Erfolge und Krisen von Titos Jugoslawien. . . . . . . . . . 16 Der Zerfall und die blutigen Folgen. . . . . . . . . . . . . . . 16 ExpertInnengespräch: Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien . . . . . . . . . . . . 17 3 Das Jahr 1989 und seine Folgen Methode: Dekonstruktion von Graphic Novels und Comics. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4 Der wirtschaftliche Aufstieg der BRIC-Staaten „Typisch BRIC“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34 China und Indien – zwei mögliche Supermächte . . . . 34 Russland und Brasilien – Reichtum an Rohstoffen. . . 34 Methode: Historische und politische Urteile analysieren und vergleichen. . . . . . . . . . . . . . . 35 5 „We are the 99 %“ – Occupy Wall Street Quo vadis, Europa? – Die Türkei und die EU Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 1. . . . . . . Historischer Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pro und Kontra zum EU-Beitritt der Türkei. . . . . . . . . Der EU-Beitritt aus österreichischer und türkischer Sicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 21 21 21 Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 2. . . . . . . Protest der Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie alles begann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hintergründe der Protestbewegung . . . . . . . . . . . . . . 36 37 37 37 Inhaltsverzeichnis 3 4 Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... 3 Österreich öffnet sich der Welt Einstiegsdoppelseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Das Ende der amerikanischen Supermacht nach „9/11“?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Einstiegsdoppelseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Zwei Bälle – ein Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1 Österreichs Gesellschaft im Wandel 1 Die postindustrielle Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . 40 „Endstation Prekariat“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Frauen als Modernisierungsgewinnerinnen?. . . . . . . . 41 2 3 4 42 42 43 2 43 44 3 45 45 45 46 46 4 48 5 55 55 55 56 56 57 58 58 58 59 59 59 Kunst und Kultur Kunst – so vielfältig wie noch nie . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kunst im (politischen) Konflikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Moderne Medien und Politik Mediendemokratie und politischer Skandal . . . . . . . . Möglichkeiten und Grenzen der neuen Medien am Beispiel des Irans, 2009. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die große chinesische (Internet-)Mauer. . . . . . . . . . . . Facebook, Twitter – und die Demokratie. . . . . . . . . . . Die Piraten – eine Herausforderung für die traditionellen Parteien?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Whistleblower: Gibt es eine Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . ExpertInnengespräch: Das politische Interview. . . . . . Methode: Oral History – ZeitzeugInnenbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Österreichische Jugendliche: Keine Mission, keine Vision, keine Revolution Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 3. . . . . . . Junge Österreicherinnen und Österreicher: Herkunft = Identität?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jugendliche und Politik – der Wunsch nach einer „starken Demokratie“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jugendliche und Berufschancen: Für AkademikerInnen sind die Aussichten rosig . . . . . 54 54 Gesellschaft im 21. Jahrhundert Migration und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Altern im 21. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . So viel Gender wie heute war noch nie. . . . . . . . . . . . Patchwork-Familien, Singles, Homo-Ehen – neue Formen des Zusammenlebens . . . . . . . . . . . . . Das Recht auf eine freie sexuelle Orientierung . . . . . . Punk, Gothics, Hip-Hop – Jugendkulturen. . . . . . . . . 44 44 45 53 54 Längsschnitt: Geschichte der Umweltbewegung Von Rousseau bis zur Romantik. . . . . . . . . . . . . . . . . Naturschutz- und Hygienebewegung – Folgen der Hochindustrialisierung im 19. Jh. . . . . . . . 1970er-Jahre: die ökologische Revolution. . . . . . . . . . Von der Hainburger Au bis Rio. . . . . . . . . . . . . . . . . . „Think global, act local“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was kann ich tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das politische System in Österreich – ein Grundkurs Wahlen und Wählen – Kennzeichen einer Demokratie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direkt oder indirekt? – Formen der demokratischen Beteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parlament und Parlamentarismus. . . . . . . . . . . . . . . . Wie entsteht ein Gesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufswunsch Bundespräsidentin oder Bundespräsident – was nun?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbände und Sozialpartnerschaft. . . . . . . . . . . . . . . Wann muss ich nach Hause gehen? – Föderal versus zentral. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politik wird inszeniert – die Mediendemokratie. . . . . . Demokratieunzufriedenheit weckt Reformideen. . . . . ExpertInnengespräch: „Ende des Gehorsams – Beginn des Umdenkens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Perspektive erweitern: Postdemokratie versus multiple Demokratie. . . . . . . . Extremismen gefährden die Demokratie. . . . . . . . . . . Extremismus und Demokratiefeindlichkeit in Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Islamismus – politischer Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Österreichische Politik am Beginn des 21. Jahrhunderts Die „schwarz-blaue“ Koalition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die dritte Große Koalition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reformansätze seit 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ExpertInnengespräch: Wozu brauchen wir das EU-Recht und den Europäischen Gerichtshof?. . . . . . . . . . . . . . . . . Demokratie in der Krise? 49 49 61 61 61 62 62 62 63 49 50 Methode: Dekonstruktion von Geschichte-Schulbüchern. . . . . . . . . . . . . . . . 64 4 6 Inhaltsverzeichnis 2 Aufgabenpool GO! 5–GO! 8, Beispiele 1 Vorschlag für einen Themenpool „User oder Loser?“ – der Mensch in der Wissensgesellschaft Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 4. . . . . . . 64 Die Entstehung der Wissensgesellschaft . . . . . . . . . . 64 Google+ versus Facebook: „Kampf der Giganten“. . . 65 2 Kompetenzorientierte Maturaaufgaben MA 3 MA 22 MA 29 MA 42 Maturaleitfaden und Beispiele aus dem Aufgabenpool 1Maturleitfaden 1 Basisinformation zur Reifeprüfungsverordnung 174. Verordnung für das Fach GSP vom 30. 02. 2012 – Ausschnitte und Erläuterungen. . . . . . 68 Rundschreiben zur neuen Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung – Ausschnitte und Erläuterungen. . . . 70 Vorblatt und Erläuterungen zur Prüfungsordnung AHS – Ausschnitte und Erläuterungen . . . . . . . . . . . . 72 2 GO!-Themenpool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Dekonstruktion von historischen Darstellungen berühmter Personen am Beispiel von Karl dem Großen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 „Kriegsschuldfrage“ im Ersten Weltkrieg aus der Sicht der Wissenschaft. . . . . . . . . . . 88 Wirtschaftskrisen und Krisen der Demokratie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Die Anti-Atomkraft-Bewegung. . . . . . . . . . . . 94 Bildquellen, Textquellen und Literatur Bildquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Textquellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Kompetenzmodelle – Anforderungsbereiche und Operatoren Konzepte für den Geschichtsunterricht. . . . . . . . . . . . 73 Kompetenzmodelle: historische und politische Kompetenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Anforderungsbereiche und Operatoren . . . . . . . . . . . 75 3 GO! > Web Anleitung zur Erstellung von Maturaaufgaben Schritt 1: Thema aus dem GO!-Themenpool auswählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schritt 2: Arbeitsaufgabe 1 oder Arbeitsaufgabe 2 erstellen . . . . . . . . . . . . . Schritt 3: Aufgabenstellungen zu den drei Anforderungsbereichen formulieren. . . . . . Schritt 4: Material auswählen: Textquellen, Fotos, Infografiken, Karikaturen usw.. . . . . . . . . . . 79 79 79 81 Hinweis: Eine Übersicht, die auflistet, welche politischen Kompetenzen im jeweiligen Abschnitt bzw. Arbeitsauftrag am wichtigsten sind, sowie eine Jahresplanung für den Geschichtsunterricht mit zwei Wochenstunden finden Sie als bearbeitbare Worddokumente auf www.dorner-verlag.at. Vorbemerkung 5 Liebe Kollegin, lieber Kollege, im vorliegenden Printteil des GO! Geschichte Oberstufe 8 LehrerInnenmaterials bieten wir Ihnen wie in den Vorgängerheften Lösungen und Lösungsvorschläge zu den Arbeitsaufträgen im GO! 8-SchülerInnenband sowie Zusatzinformationen zu den behandelten Inhalten. Die auf der Homepage www.dorner-verlag.at abrufbare Jahresplanung zeigt eine Möglichkeit auf, mit GO! Geschichte Oberstufe 8 zu arbeiten. Im letzten Abschnitt des Heftes finden Sie einen Ausschnitt aus dem GO! 8-Maturaleitfaden mit Aufgabenpool, den wir Ihnen in vollständiger Form auf einer CDROM zur Verfügung stellen. Wir hoffen, Ihnen mit dieser Maturaleitfaden-CD-ROM die gezielte Vorbereitung Ihrer SchülerInnen auf die Anforderungen der neuen Reifeprüfung zu erleichtern und Ihnen Informationen und Material zur Verfügung zu stellen, das Ihnen die Entwicklung eines Themenpools und die Erstellung von kompetenzorientierten Maturaaufgaben erleichtert. Im ersten Abschnitt des Maturaleitfadens finden Sie Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und zu den fachspezifischen Kompetenzmodellen. Es folgt eine in der Praxis erprobte Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Erstellung von Maturaaufgaben. Anschließend stellen wir Ihnen einen auf den vier Bänden der Schulbuchserie GO! Geschichte Oberstufe basierenden möglichen Themenpool vor. Im Schlussteil finden Sie 42 kompetenzorientierte Aufgabenstellungen mit ausführlichen Lösungsmöglichkeiten. Alle Maturaaufgaben entsprechen den Anforderungen der neuen Reifeprüfung und alle Aufgabenstellungen und Lösungsmöglichkeiten basieren auf den Themen und Inhalten der Serie GO! Geschichte Oberstufe. Sie können diese Vorschläge für Maturaaufgaben direkt übernehmen und Sie z. B. Ihren Schülerinnen und Schülern als Übungsmaterial zur Verfügung stellen. Die Aufgaben können Ihnen auch als Modelle dienen, wenn Sie anhand der Anleitung selbst neue Aufgabenstellungen konzipieren. Da Sie auf der GO!-Maturaleitfaden-CD-ROM alle Aufgabenstellungen sowohl als PDFs als auch als bearbeitbare Worddokumente finden, können Sie die Aufgaben auch problemlos an Ihren Unterricht und den Wissens- bzw. Kompetenzstand Ihrer SchülerInnen anpassen. Bitte beachten Sie dabei, dass Primärtexte aus Fremdquellen im Sinne des Urheberrechtsgesetzes nicht verändert werden dürfen. Wir hoffen, Ihnen mit diesem Begleitheft die Vorbereitung des Unterrichts und der neuen Reifeprüfung zu erleichtern. Herzlichst, Ihr AutorInnen-Team 6 Lösungen – Zusatzinformationen 1 Europa und die Europäische Union Themen und Aufbau Konzept- bzw. aspektorientierte Themen: Politische Strukturen der EU Wirtschaftliche Veränderungen als Grundlage gesellschaftlichen Wandels Urteilsbildung zu aktuellen politischen Problemen am Beispiel der Eurokrise und der Zukunft der EU Ursachen, Grundlagen und Auswirkungen von Staatenbildungen am Beispiel der Entstehung und Expansion der EU Politische Unterdrückungsmechanismen und Ausgrenzung bestimmter Ethnien am Beispiel der Balkankriege Politische Organisation von Staaten am Beispiel des Wandels in Osteuropa Methodenorientiertes Thema: Dekonstruktion von Graphic Novels und Comics • Gegenwartsbezug als Kapiteleinstieg: Bildquelle: Das Foto des EM-Qualifikationsspiels Österreich – Türkei vom September 2011 ermöglicht es, ausgehend von der Lebensrealität der Jugendlichen und von ihren Interessen die Frage der Definition „Europas“ zu diskutieren. Durch die Beschäftigung mit den Aufgaben auf der Kapiteleingangsseite wird klar, dass es keine einheitliche Definition von „Europa“ gibt. Rein geografische Bestimmungen greifen zu kurz und sind umstritten. Je nach Perspektive werden historische, politische, gesellschaftliche, religiöse, kulturelle oder wirtschaftliche Kriterien herangezogen, um „Europa“ zu definieren. Textquellen: Die Textquellen unterstützen die Aus sage, dass eine einzige, allein gültige Definition des Begriffs „Europa“ nicht existiert. Sie machen auch deutlich, dass je nach Kontext und Intentionen unterschiedliche Definitionen angemessen sind und ihre Berechtigung haben. • Kapitel 1 widmet sich dem Thema „Europa und die Europäische Union“ aus verschiedenen Perspektiven. Anhand von Ausschnitten aus politischen Sachbüchern wird ein differenzierter Blick auf den Einigungsprozess Europas und die Geschichte der EU ermöglicht. Im Anschluss daran wird der Fokus auf zwei kontrovers diskutierte Themen gelegt: die Eurokrise und die Zukunft der EU. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Meinungen erleichtert es den Schülerinnen und Schülern, ihre Orientierungs-, Urteils- und Handlungskompetenz zu entwickeln. Das ExpertInnengespräch mit Univ.-Prof. Dr. Michael Gehler bietet eine Möglichkeit, die Perspektive auf das Thema Europa zu erweitern. Im Abschnitt „Ich und die EU“ wird vor allem durch die Grafik nochmals der Alltagsbezug der Informationen gefestigt. • Die Grafiken in GO! 8, S. 31 liefern Anregungen für eine Diskussion über nationale und europäische Identität. Als Erweiterung können auch die Informationen in GO! 8, S. 108 herangezogen werden. • Die folgenden zwei Abschnitte beleuchten die Entwicklung von osteuropäischen Staaten seit den 1980er-Jahren. Nach dem Tod Titos und dem Untergang der kommunistischen Sowjetunion verstärkte die veränderte geopolitische Situation auch den innerjugoslawischen Nord-Süd-Konflikt, da die einigenden Klammern kommunistische Partei, Volksarmee und Zentralregierung wegbrachen. Die ethnischen und religiösen Unterschiede zwischen den Volksgruppen wurden von verantwortungslosen Politikerinnen und Politikern sowie Massenmedien propagandistisch genützt, nationalistische Strömungen wurden verstärkt. Ein Vergleich mit den Entwicklungen in Deutschland, Polen und Ungarn macht deutlich, dass die nachsowjetische Ära auch friedlich bewältigt werden konnte. Russlands Weg vom Zusammenbruch des Kommunismus bis zum steilen Aufstieg Wladimir Putins bildet den Abschluss der Osteuropa-Abschnitte. • Der Methodenabschnitt „Dekonstruktion von Graphic Novels und Comics“ ist eng mit der Kapitelthematik „Der Balkan – der einzige Kriegsort in Europa nach 1945“ verschränkt. „Dekonstruktion von Graphic Novels und Comics“ festigt und erweitert die schon in GO! 5, GO! 6 und GO! 7 aufgebaute Kompetenz im Dekonstruieren von Bildquellen (z. B. GO! 5, S. 40 ff.; GO! 6, S. 173 ff.; GO! 7, S. 132 ff.). • Im Transferabschnitt „Die Türkei und die EU“ wird nochmals die Eingangsfrage „Was ist Europa?“ aufgenommen und kontrovers diskutiert und damit ein Beitrag zur Orientierungskompetenz der Schülerinnen und Schüler geleistet. • Die als Lückentext angelegte Zeittafel „Europa und die EU“ im Anhang dient als Hilfe beim Festigen des Sachwissens. Einstiegsdoppelseite GO! > Seite 8/9 Lösungsvorschläge Bildinformationen: EM-Qualifikationsspiel Österreich – Türkei am 6. 9. 2011 im Ernst-Happel-Stadion in Wien; links Burak Yilmaz (Türkei), rechts Franz Schiemer (Österreich). © APA/Georg Hochmuth • Yilmaz und Schiemer kämpfen um den Ball. Ihre Mannschaftszugehörigkeit wird durch die National- Europa und die Europäische Union symbole (Türkei: Halbmond und Stern; Österreich: Adler auf rot-weiß-rotem Grund) erkennbar. Die EM-Qualifikationsspiele fanden am 29. 03. 2011, 06. 09. 2011 und 15. 08. 2012 statt. Das erste Spiel gewann das türkische Nationalteam mit 2 : 0, das zweite ging unentschieden mit 0 : 0 aus. Das dritte Spiel gewann das österreichische Team mit 2 : 0 (vgl. www.austriasoccer.at/data/lsp/l2010_19.html, Juni 2014). • Die Statuten der UEFA (Union of European Football Associations) stellen in Artikel 5 Absatz 2 fest: „In Ausnahmefällen, und mit dem Einverständnis der FIFA, kann ein Landesverband Mitglied der UEFA werden, der geographisch zu einem anderen Kontinent gehört und nicht Mitglied einer anderen Konföderation ist“ (zit. n. Statuten der UEFA, http://de.uefa.org/ [→ Dokumente → UEFA-Statuten, Ausgabe 2014]; Juni 2014). Die UdSSR war Mitglied der UEFA (Europameister im Jahr 1960), nach dem Zerfall der Sowjetunion traten die meisten Fußballverbände der Nachfolgestaaten der UEFA bei. Israel spielt nicht bei der Asian Football Confederation (AFC), weil Spiele mit den arabischen Nachbarländern vermieden werden sollen. Die Türkei wurde bereits 1955 in die UEFA aufgenommen. • Die Fußball-EM – Ausdruck gemeinsamer Identität oder Anlass für nationale Inszenierungen? – Ausdruck einer gemeinsamen europäischen Identität: Menschen verschiedener Nationalitäten kommen zusammen und feiern gemeinsam. – Anlass nationaler Inszenierungen: Angehörige der verschiedenen Nationalitäten unterstützen meistens ihre eigenen Nationalmannschaften; manchmal kommt es zu Ausschreitungen zwischen rivalisierenden nationalen Fangruppen; die Mannschaften werden als Vertreter der jeweiligen Länder und nicht im europäischen Kontext gesehen. • Am Eurovision Song Contest dürfen alle Länder teilnehmen, die der Europäischen Rundfunkunion EBU 7 angehören. In der EBU sind zentralasiatische Länder ebenso vertreten wie arabische und nordafrikanische. Im Eurovision Song Contest wird daher ein „Europa“ inszeniert, das nicht an geografischen Grenzen gemessen werden kann. Bei seiner Entstehung 1956 nahmen nur sieben Länder aus „Kerneuropa“ teil, nach der Öffnung des Eisernen Vorhanges 1989 kamen alle osteuropäischen Länder hinzu, bis 2013 erweiterte sich der Teilnehmerkreis auf 43. • Wichtige historische Stationen in der Geschichte der europäischen Einigung: 1951: Unterzeichnung des EGKS-Vertrags, Entstehung der Montanunion 1957: Gründung der EWG 1991/92/93: Vertrag von Maastricht (Gründung der EU) 1995: Schengener Abkommen, Abschaffung der Grenzkontrollen 1999: Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsun ion, Einführung des Euro als Buchgeld (Bargeld ab 2002) 2009: Vertrag von Lissabon 2013: Inkrafttreten des ESM zur Stabilisierung des Euro „Was ist Europa?“ – eine Frage und viele Antworten GO! > Seite 10 Lösungsvorschläge · · Schlüsselthesen: Für den Begriff „Europa“ gibt es keine einheitliche Definition. Eine geografische Fassung von Europa greift zu kurz und ist überdies sehr umstritten. Je nach Perspektive werden historische, politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Kriterien herangezogen, um zu beschreiben, was „Europa“ ist. Keine Musterlösungen möglich. 1 Europa ist wie ein Fahrrad. Hält man es an, fällt es um. Jacques Delors, 1985–1995 Präsident der Europäischen Kommission 1.1 Die EU – eine „Organisation ganz eigener Art“? GO! > Seite 12 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Drei Ebenen: erste Ebene: BürgerInnen der Mitgliedstaaten, wählen in direkter Wahl die Mitglieder der nationalen Parla- mente und des Europäischen Parlamentes; zweite Ebene: nationale Regierungen, Mitglieder sind selbst in EU-Gremien tätig bzw. bestellen die Mitglieder für EU-Institutionen; dritte Ebene: europäische Institutionen 2 Die BürgerInnen der EU-Mitgliedstaaten wählen lediglich das EU-Parlament direkt. Den Rat der Europä ischen Union bilden die jeweiligen FachministerInnen, den Europäischen Rat die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der Mitgliedstaaten. Diese ernennen 8 Lösungen – Zusatzinformationen die Mitglieder der Kommission, wobei deren Präsi dentIn vom EU-Parlament gewählt wird. 3 Lösung am Beispiel „Europäische Investitionsbank“: Ich vertrete die Europäische Investitionsbank (EIB), d. h. die Bank der EU, in Luxemburg. Wir gewähren Darlehen und Bürgschaften zur Finanzierung von Projekten, die dazu beitragen, die EU-Ziele zu erreichen. Die Entscheidungen über die Gewährung von Darlehen sowie die Aufnahme von Anleihen trifft der EIB-Verwaltungsrat. Seine Mitglieder werden von den EU-Staaten benannt und vom Rat der Gouverneure für fünf Jahre bestellt; jeder Mitgliedstaat ist durch ein ordentliches Mitglied vertreten, außerdem gibt es ein ordentliches Mitglied als Vertreter der EU-Kommission. Linktipps: www.eib.org/ http://europa.eu/about-eu/institutions-bodies/index_ de.htm wikipedia.org [Europäische Investitionsbank] GO! > Seite 13 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Politische Fragen: „Vereinigung der europäischen Nationen“ – „Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht“ – „französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, in einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offensteht“ – „die erste Etappe der europäischen Föderation“ – „jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich ist“ Wirtschaftliche Fragen: „Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung sichern […] und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren“ – „Solidarität der Produktion“ – „Die Schaffung dieser mächtigen Produktionsgemeinschaft […] mit dem Zweck, allen Ländern […] die notwendigen Grundstoffe für ihre industrielle Produktion zu gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen Fundamente zu ihrer wirtschaftlichen Vereinigung legen.“ Beispielsatz: „Robert Schuman wollte durch die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion, zweier für die Kriegswirtschaft und Industrie sehr wichtiger Bereiche, die Wirtschaftskraft der Länder angleichen, um damit erneute Kriege zwischen den europäischen Staaten – v. a. Deutschland und Frankreich – zu verhindern.“ 2 Grafik „Ich und die EU“ ( GO! 8, S. 30): Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten ist heute notwendiger denn je, v. a. um mit den · großen Industrienationen USA, China, Indien etc. mithalten zu können, die – als „Einzelstaaten“ – mehr Arbeitskräfte, Fläche und Rohstoffe besitzen als jedes EU-Land und alle Mitgliedstaaten zusammen. Innerhalb der EU gibt es einen regen Wettbewerb, der sich auch auf die Konsumentinnen und Konsumenten positiv auswirkt – z. B. durch niedrige Handytarife. Ein gemeinsamer Markt und intergouvernementale Zusammenarbeit sorgen auch für Verbesserungen in den Bereichen Klimaschutz, Hygienestandards, Krankenversorgungswesen etc. Durch die Freiheit im Personenverkehr wird das Reisen in EU-Länder erleichtert. Auch Austauschprogramme für Schülerinnen und Schüler sowie für Studierende stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl Europas und fördern die Anerkennung von Bildungszertifikaten im gesamten Unionsgebiet. 3 Auf dem Weg von wirtschaftlicher Kooperation und Handel zu gerechten Bedingungen kann der Frieden gesichert werden, weil es keinen Grund mehr gibt, Krieg zu führen – die Mitgliedstaaten bekommen, was sie brauchen, auf friedlichem Weg. Gerade eine „Vergemeinschaftung“ der für die Kriegswirtschaft und Industrie wichtigen Güter Kohle und Stahl verschafft keinem einzelnen Land einen Vorteil – im Sinne einer günstigeren Ausgangslage oder Monopolstellung. 4 Schumans „europäische Gesinnung“ steht in enger Verbindung mit seiner Biografie. Sein Vater wurde 1871 durch die Annexion Lothringens durch das Deutsche Reich zum Deutschen. Die Muttersprache des 1886 im heutigen Luxemburg geborenen Robert Schuman ist Luxemburgisch. Er studierte in Bonn Rechtswissenschaft und promovierte in Berlin. Nach der Rückgabe von Elsass-Lothringen an Frankreich nahm er die französische Staatsbürgerschaft an und wurde Abgeordneter der französischen Nationalversammlung. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er 1941 von der Gestapo verhaftet, konnte jedoch fliehen. 1946 wurde er Finanzminister und 1947 kurzfristig Ministerpräsident von Frankreich. Geprägt durch seine Erfahrungen setzte er sich als Außenminister Frankreichs (1948– 1953) besonders für die Beilegung des deutsch-französischen Konfliktes ein. Er entwickelte – zusammen mit Jean Monnet – einen Plan für eine westeuropäische Montanunion, dessen Umsetzung 1951 mit der Gründung der EGKS begonnen wurde. Auch als langjähriger Präsident der Europäischen Bewegung und des Europäischen Parlamentes (1955–1960) zeigte er sich als „echter Europäer“. Linktipps: www.hdg.de/lemo/html/biografien/SchumanRobert/ http://europa.eu/about-eu/index_de.htm [→ Geschichte → Die Gründerväter der EU] 5 Schuman bekam den Karlspreis in Anerkennung seiner Verdienste um die europäische Einigung (Mitinitiator der Gründung der EGKS). Europa und die Europäische Union 1.2 Die Geschichte der EU in politischen Sachbüchern GO! > Seite 15 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Ansatzpunkte für die Diskussion: • Gelungen ist die Überwindung der Nationalismen dann, wenn nicht mehr nur die nationalen Interessen der einzelnen Staaten im Vordergrund stehen, wie z. B. im Falle Großbritanniens beim „Britenrabatt“ (Sonderregelung aus dem Jahr 1984, die Großbritannien innerhalb der EU gegenüber anderen Mitgliedern finanziell bevorzugt). Frankreich ist gemeinschaftsorientierter als andere europäische Staaten, was sich auch aus der konfliktreichen Geschichte Frankreichs mit Deutschland erklärt. In Österreich gibt es – bereits seit dem Beitritt 1995 – viele EU-Skeptikerinnen und -Skeptiker. Rechtspopulistische Kreise fördern diese Haltung. Auch Ungarn rückt unter Ministerpräsident Orban (Fidesz – Ungarischer Bürgerbund) v. a. seit 2010 immer weiter ins rechte Spektrum und damit auch in Richtung EU-Skeptik. • Pro: Eine Überwindung der Nationalismen ist sinnvoll, weil Europa wirtschaftlich und politisch mit einer Stimme sprechen muss, um einflussreich zu sein. Eine Überwindung lässt die Menschen in Europa zusammenrücken und kann eine friedliche Zukunft eher sicherstellen. 9 • Kontra: Eine Überwindung der Nationalismen ist nicht sinnvoll, weil die historische Entwicklung der einzelnen Nationen nicht einfach ausgeblendet werden kann. Zudem ist das Nationenbewusstsein in allen Köpfen (unbewusst) vorhanden. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Organisationsform der EU als supranationale Institution eine Überwindung der Nationalismen anstrebt. Sie versucht wohl eher, die unterschiedlichen Nationalstaaten zu integrieren. Ein Bekenntnis zur EU schließt ja ein Bekenntnis zur eigenen Nation keineswegs aus – und umgekehrt. 2 Keine Musterlösung möglich. Zur Eintragung in Zeittafel 1 siehe die Lösungen für GO! 8, S. 16, Punkt 2. 3 Bewertung der Rolle der Wirtschaft: • Pelinka: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Bereichen Kohle und Stahl war ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur politischen Zusammenarbeit, da es einfacher war, gemeinsame wirtschaftliche Interessen zu verfolgen, als „hehre Ideale“ zu verwirklichen. • Obermayer: Die Wirtschaft ist der dominierende Bereich der europäischen Zusammenarbeit, obwohl die Römischen Verträge mehr politische Aktivität zulassen würden. • Portisch: Politische Ziele werden in Europa über wirtschaftliche Maßnahmen erreicht. 4 Übersichtstabelle über EU-Einrichtungen (nach Abb. 12.1) – Auswahl: · Einrichtungen Tagungsort Funktionen Parlament Plenum Straßburg, Brüssel Gesetzgebungsfunktion: Erörterung und Verabschiedung von EU-Rechtsvorschriften; Budgetfunktion: Erörterung und Verabschiedung des EU-Haushalts; Wahlfunktion: Wahl des Präsidenten der Kommission; Kontrollfunktion: Kontrolle anderer EU-Institutionen, insbesondere der Kommission Parlament Ausschuss Brüssel ständige Fachausschüsse zu bestimmten Themen/Ressorts und zur Vorbereitung der Plenarsitzungen; nichtständige Ausschüsse, z. B. Untersuchungsausschüsse Gerichtshof (EuGH) Luxemburg Auslegung des EU-Rechts; Entscheidung bei Rechtsstreit zwischen Mitgliedsstaaten oder zwischen Privatpersonen, Unternehmen, Organisationen und EU-Institutionen Zentralbank (EZB) Frankfurt/M. Verwaltung des Euro und Inflationskontrolle in der Eurozone; Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems (Beaufsichtigung der Finanzmärkte und -institute) Ausschuss der Regionen (AdR) Brüssel Vertretung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in der EU; Stellungnahmen für die Kommission und Beratung der Kommission Linktipps: http://europa.eu/about-eu/index_de.htm [→ Institutionen und Einrichtungen der EU] www.parlament.gv.at [→ Parlament erklärt → Parlament und Europäische Union] http://europa.eu/about-eu/index_de.htm [→ Geschichte] 10 Lösungen – Zusatzinformationen 1.3 Ein neues, nicht das alte Europa GO! > Seite 16 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Beschreibung der Karikatur: • Schritt 1: Die Karikatur besteht aus zwei Kästen: Im ersten, kleineren Kasten ist eine Frau mit Kalb und daneben ein Mann mit der Erdkugel als übergroßem Kopf zu sehen. Im zweiten, größeren Kasten ist ein sehr großer Stier zu sehen, auf dem die Frau sitzt. Daneben steht nun der Mann mit Erdkugelkopf – er wirkt deutlich kleiner. Der Stier ist ungeheuer gewachsen, die Erde ist im Verhältnis zum Stier geschrumpft. • Schritt 2: Zwei Abkürzungen: im ersten Kasten EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) mit der Jahreszahl 1958; im zweiten Kasten EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) mit der Jahreszahl 1993. Die Jahreszahlen und die Bildunterschrift „Wachstum“ unterstützen die Deutung, dass der Stier gewachsen ist, während die Welt „gleich geblieben“ ist. • Schritt 3: Kalb/Stier und Frau stehen für Europa – nach dem antiken Mythos „Europa und der Stier“ (vgl. dazu die Lösungen zu Kapitel 1.4, Punkt 5) – bzw. die EWG. Der Mann mit Erdkugelkopf stellt den Welthandel dar. • Schritt 4: Die Karikatur entstand – noch vor 1993 – im Jahr 1991. Sie wurde in einer deutschen Zeitung veröffentlicht und richtete sich an ein breites Publikum. Der Zeichner ist der mehrfach ausgezeichnete Karikaturist Rolf Henn. Die Zeichnung bezieht sich auf das (zukünftige) rasche Fortschreiten der europäischen Einigung und die innerhalb von 35 Jahren ungeheuer gewachsene Wirtschaftskraft der EU. • Schritt 5 – Interpretation: Die 1957 gegründete EWG wuchs durch den Anschluss v. a. der EFTA-Staaten rasch zu einem großen Wirtschaftsraum (EWR) heran, der 1993 eine Bevölkerung von 375 Mio. Menschen umfasste und einen Anteil von ca. 30 % an der globalen Industrieproduktion sowie von ca. 40 % am Welthandel aufwies. Die EWG war damit der größte Wirtschaftsraum geworden, zu dem nun der personifizierte Welthandel – mit wenig Begeisterung – aufschaut, während der Stier ihn komisch/böse anschaut und Europa auf ihn hinunterblickt. Linktipp: www.univie.ac.at/hypertextcreator [→ Ausgaben → Europa → Suche: Rolf Henn] 2 Eintragungen in Zeittafel: 1950 Gemeinschaft für Kohle und Stahl; 1951 Frankreich, Italien, (West-)Deutschland, Niederlande, Belgien, Luxemburg; 1957 Römische Verträge 3 Die EWG bestand 1958 aus sechs Mitgliedstaaten (Frankreich, Deutschland und Italien waren bedeutende Industrienationen), während sie bis 1993 auf zwölf Mitglieder (darunter wirtschaftlich starke Länder wie z. B. Großbritannien und Spanien) mit gemeinsamem Markt durch die vier Freiheiten zum EWR anwuchs. Das Wachstum an Mitgliedern war zwar groß, doch trifft die in der Karikatur dargestellte Relation zum Globus (Welthandel) kaum zu. Auch 1993 gab es bereits größere Wirtschaftsräume, z. B. NAFTA (North Atlantic Free Trade Association), Mercosur (Mercado Comun del Sur – Lateinamerika) etc. Der Aufstieg der Schwellenländer (· GO! 8, S. 74 f.) und besonders der BRIC-Staaten (· GO! 8, S. 82 f.) im Zeitalter der Globalisierung veränderte auch die wirtschaftlichen Machtverhältnisse. Die Karikatur lenkt den Blick nur auf das Verhältnis zwischen Europa und der Weltwirtschaft und wäre somit heute zu einseitig. 4 Die europäische Geschichte war geprägt von den kriegerischen Rivalitäten zwischen Deutschland und Frankreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Konflikt endgültig beigelegt und Deutschland und Frankreich wurden die treibenden Kräfte im Einigungsprozess. Obwohl Österreich Richtung Deutschland orientiert war, war eine EU-Vollmitgliedschaft erst nach dem Zusammenbruch der Siegermacht Sowjetunion möglich. Hierbei muss aber die spezielle Situation Österreichs als neutrales Land mitbedacht werden. Der Einigungsprozess ist auch unter dem Blickwinkel des Ost-West-Konflikts zu sehen. Ins Spiel kommen dabei auch die USA, die durch den Marshall-Plan zu einem „Geburtshelfer“ der jungen Union wurden. Damit war aber freilich auch die politische West-Orientierung der EU gesichert. 1.4 Erweiterungs- und Einigungs prozesse GO! > Seite 17 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Keine Musterlösung möglich. 2 Die EU besteht aus 28 Staaten mit unterschiedlich starker Wirtschaftskraft. Langfristiges Ziel ist die wirtschaftliche Angleichung aller Regionen („Konvergenz“). Dazu dient die EU-Strukturpolitik. Gemäß ihrem Subsidiaritätsprinzip erstellt ein Bundesland oder der Bund ein regionales Entwicklungsprogramm und schlägt der EU förderbedürftige Regionen vor. Dies sind meist Randgebiete der EU, z. B. Südspanien, Portugal, Süditalien mit Sizilien, Griechenland und die meisten Staaten der Osterweiterung 2004. In Deutschland sind die meisten ostdeutschen Regionen förderungswürdig, in Österreich v. a. das Burgenland. Die EU-Strukturpolitik unterscheidet dabei drei Kategorien: • Ziel-1-Regionen: Regionen mit Entwicklungsrückstand (BIP < 75 % BIP-EU28-Durchschnitt), Europa und die Europäische Union • Ziel-2-Regionen: Gebiete mit Strukturproblemen (industrielle und ländliche Regionen), • Ziel-3-Regionen: Gebiete mit Bildungsrückstand und hoher Arbeitslosenrate. 25 % der Fördermittel müssen die Mitgliedstaaten selbst aufbringen, der Rest kommt aus den Strukturfonds. Dafür standen für 2007 bis 2013 ca. 336,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Beispiele für Fonds: • Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) v. a. für Arbeitsplatzschaffung und Infrastrukturausbau, • Europäischer Sozialfonds (ESF) zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern, • Kohäsionsfonds zur Verbesserung der Umwelt und Integration in die (trans-)europäischen Verkehrsnetze. Linktipp: www.eu-info.de/europa/6325/ 3 Die neue EU-Roaming-Verordnung macht deutlich, dass die EU als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum begriffen wird, dem Drittstaaten gegenüberstehen. Im gemeinsamen Wirtschaftsraum gibt es Regelungen und Begünstigungen („Aufschließungseffekte“). Anmerkung: Die Roaming-Verordnung von 2010 sieht vor, dass die Mobilfunkanbieter nicht mehr als 46 Cent für einen Anruf in einem ausländischen Netz verlangen dürfen. Seit Juli 2014 sind die Roaming-Gebühren weiter gesenkt worden, ebenso wie die Kosten für Internetsurfen im Ausland. „Das Zieldatum der EU-Kommission lautet 1. Juli 2016. ‚Alle Verbraucher sollen dann die Möglichkeit haben, zu denselben Preisen wie zuhause zu telefonieren‘, sagt EU-Internetkommissarin Neelie Kroes. […] Laut EU-Kommission bringt Roaming den Konzernen jährlich Milliarden ein. Kommissarin Kroes hält Roaming nicht mehr für zeitgemäß: ,Roaming zahlt der Europäer dann, wenn er Landesgrenzen überschreitet, die überhaupt nicht mehr existieren.‘“ (Wie Brüssel die RoamingGebühren drücken will, www.fr-online.de/digital/ wie-bruessel-die-roaming-gebuehren-drueckenwill,1472406,24291212.html, Juni 2014) 4 Analyse und Interpretation des Coverbildes: Im Zentrum ein Stier, seine Körperhälften greifen wie Hände ineinander; auf seinem Rücken sitzt eine Frau in weißem Überwurf (mythische Gestalt Europa), sie setzt einen leuchtenden Stern in die Lücke des Sternenkreises am Himmel; im Hintergrund Landschaft mit Wolken. Anspielung auf „Gründungsmythos“ Europas; Kreis mit gelben Sternen auf blauem Hintergrund als Symbol für die EU, mit dem Setzen des „Schlusssterns“ wird sie „vollendet“ bzw. vollkommener. Das Coverbild illustriert die Osterweiterung 2004, als zehn neue Mitglieder der EU beitraten. Die Headline „1. Mai 2004. Das Neue Europa“ spielt zusätzlich darauf an, dass erstmals auch ehemals östlich-kommunistische Länder der EU beitreten. 11 Rafal Olbinski: geboren in Polen 1945; nach künstlerischer Ausbildung Emigration in die USA 1981 (Anfang 1980er-Jahre), Maler, Illustrator und Designer („poetischer Surrealismus“); zahlreiche Preise und Auszeichnungen; Designer zahlreicher Opernhaus-Poster und Coverbilder von „Time“, „Newsweek“ und „The New Yorker“ sowie „Stern“ und „Spiegel“. Linktipps: http://ec.europa.eu/enlargement/index_de.htm www.patinae.com/artists/rafal-olbinski 5 Zum Mythos „Europa und der Stier“: Zeus entführt in Gestalt eines Stieres die schöne junge Europa. Er reitet mit ihr durch das Meer ins heutige Europa, das ihren Namen tragen sollte. Europa wird zur Stammmutter der Minoer. Vergleich der beiden Darstellungen: Olbinskis Bild von 2004 (Abb. 17.1) stellt das Wachsen Europas bzw. das Ausgreifen auf Osteuropa als sehr positiv dar, der Stier wirkt lebendig und die Hände sind Symbol für ein Aufeinander-Zugehen und für Zusammenhalt. Die Karikatur von 2012 (Abb. 20.1) hingegen stellt die Eurokrise und die Verpflichtung zu harten Sparmaßnahmen für Regierungen desolater Mitgliedstaaten in den Mittelpunkt. Der Stier ist nur mehr ein Gerippe, Europa wird verkörpert durch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die das Skelett füttert. Während Europa in Olbinskis Darstellung positive Strahlkraft besitzt, scheint das Projekt Europa in Schopfs Karikatur geradezu „verhungert“, gescheitert zu sein. 1.5 Der Euro und die Euro-Krise GO! > Seite 19 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Seit Beginn des europäischen Einigungsprozesses war man auf ausgeglichene Machtverhältnisse im Europaraum bedacht. Um nach der Wiedervereinigung von BRD und DDR eine wirtschaftliche Übermacht Deutschlands zu verhindern, sollte die starke deutsche Währung geschwächt werden. In der deutschen Währungsunion wurde daher der Wechselkurs von 2 Ostmark zu 1 Westmark festgeschrieben, obwohl ein Kurs von 4,3 zu 1 realistisch gewesen wäre. Deutschland musste auf die sehr starke D-Mark verzichten, die Einführung einer gemeinsamen Währung (Euro) wurde vereinbart und im Vertrag von Maastricht 1991 festgeschrieben. Aus sicherheitspolitischem Kalkül unterstützten Frankreich und Großbritannien die Beitrittspflicht des wiedervereinigten Deutschlands zur NATO. Das Heer wurde im Zwei-plus-Vier-Vertrag auf 370 000 Mann beschränkt, die deutschen Grenzen wurden bestätigt. Anmerkung: Vgl. GO! 8, S. 40 f.; zum Zwei-plus-VierVertrag GO! 7, S. 54 f. · · 12 Lösungen – Zusatzinformationen 2 Wirtschaftliche Schritte zur Währungsunion in Zeittafel 1: 1972: Wechselkursmechanismus mit gemeinsamem Leitkurs 1979: erstes Europäisches Währungssystem (EWS I) und Verrechnungswährung ECU 1989: Ratsbeschluss zur Realisierung einer Wirtschaftsund Währungsunion 1993: vier Freiheiten, darunter freier Kapitalverkehr 1999: Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion; Euro als Buchgeld 2002: Euro als Bargeld in zwölf Mitgliedstaaten (Erweiterung bis 2013 auf 25) 3 Die EU-Länder werden von den Autoren als kein „optimaler Wirtschaftsraum“ bezeichnet, weil eine gemeinsame Währung gemeinhin auch ein einheitliches Wirtschaftsgebiet umschließt, mit gemeinsamen Gesetzen und Steuern – eine zentrale Budgethoheit. Das ist in den Euroländern nicht gegeben, es gibt keine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik, da politische, nicht wirtschaftliche Gründe zur Währungsunion führten, denn das wiedervereinigte Deutschland gefährdete das Kräftegleichgewicht. Die Euroländer weisen außerdem eine ganz unterschiedliche Wirtschaftsleistung und Wachstumsrate auf und sind ganz unterschiedlich strukturiert. So sind etwa die west lichen Mitglieder (z. B. Frankreich) auf Großbetriebe in der Industrie etc. ausgerichtet, während in Zentral europa die Wirtschaftskraft mit den Mittel- und Klein betrieben steht und fällt. Südeuropa ist zunehmend auf die Tourismuswirtschaft ausgerichtet. Dazu kommt ein großer Anteil im Agrarsektor, wofür v. a. die östlichen Mitglieder stehen.Die Frage, ob die EU-Länder kein „optimaler Wirtschaftsraum“ wären, müsste diskutiert werden. Denn gerade die Produktion von so unterschiedlichen Gütern in den jeweiligen Ländern und ihre unterschiedliche Ausrichtung in den Wirtschaftssektoren sind für einen gemeinsamen Markt oder eine Wirtschaftsunion förderlich. Sie sorgen für Aufschließungseffekte („trade creation“), die den Import aus Drittstaaten vermindern, weil unterschiedlichste Waren und Dienstleistungen im Unionsgebiet hergestellt werden. Literaturtipp: Ohr, Renate/Theurl, Theresia (Hg.) (2001): Kompendium Europäische Wirtschaftspolitik. 4 Sparmaßnahmen und Proteste in der EU: In Athen führten Ende September 2013 die Massenentlassungspläne für Beamtinnen und Beamte zu einer zweitägigen Arbeitsverweigerung. Darauf folgte u. a. ein friedlicher Demonstrationszug durch die Stadt. Bereits im September 2012 legten die Seeleute Schifffahrt und Seehandel für einen Tag lahm. Auch in Spanien kam es bereits im September 2012 zu Demonstrationen vor dem Parlament, um dieses zu blockieren und abzuriegeln. Die Versammlungen führten teilweise zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. In Belgien und Italien wurden durch Streiks Verkehrsverbindungen lahmgelegt. In Frankreich demonstrierten in mehreren Großstädten mehr als zehntausend Menschen. In Portugal gingen im Jänner 2013 Hunderte Menschen auf die Straßen und demonstrierten gegen die rigiden Sparmaßnahmen und die Einsparung bzw. Auflösung von Gemeinden. Linktipps: www.stuttgarter-zeitung.de [→ Europas Bürger Sparkurs] www.fluter.de [→ Fluter-Heft → Jetzt reicht’s aber] Linktipp: www.eab-berlin.de/Unterrichtseinheit-zurEurokrise.309.0.html 1.6 Die Perspektive erweitern I: Meinungen zu Euro und EuroKrise Der multiperspektivische Zugang zum Thema „Euro und Euro-Krise“ soll den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bieten, sich eine eigene Meinung zu bilden und ihre Urteilskompetenz zu stärken. Die ausgewählten Kommentare zu diesem Thema führen unterschiedliche Argumente für oder gegen eine Währungsunion ins Feld. GO! > Seite 21 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Keine Musterlösung möglich. 2 Vor- und Nachteile des Euro: • Vorteile: bewährt; Akzeptanz der Bevölkerung; Identitäten hängen nicht an nationalen Währungen; Vereinfachung für Exportwirtschaft (keine unterschiedlichen und schwankenden Währungen); guter Absatz in Exportwirtschaft (Preisgestaltung); Erhaltung von Arbeitsplätzen innerhalb der EU; wenig angreifbar durch Spekulantinnen und Spekulanten; Auftreten als eine Eurozone zur Sicherung des wirtschaftlich-politischen Einflusses in Weltwirtschaft und -politik • Nachteile: gemeinsame Währung für sehr unterschiedliche Mitglieder; Europa zu uneinheitlich; Einzelne nützen Europapolitik aus, kann zum „fahrlässigen und betrügerischen Schuldenmanagement“ anregen; Glaubwürdigkeitskrise Europas durch Eurokrise und Beibehaltung des Euro; keine gemeinsame Währung zur Erhaltung einzelner Staaten auf Kosten der anderen Europa und die Europäische Union 1.7 Die Perspektive erweitern II: Meinungen zur Zukunft der EU Drei politische Interviews und ein Kommentar aus der Wochenzeitung DIE ZEIT machen deutlich, dass durch die Beschäftigung mit solide argumentierten Meinungen von Fachleuten Orientierungskompetenz und Urteilskompetenz entstehen können. Den Schülerinnen und Schülern soll auch vermittelt werden, dass „Stammtischbehauptungen“, wie sie z. B. in Postings zu finden sind, oft aufgrund von fehlendem Wissen formuliert werden. GO! > Seite 23 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Drei Formulierungen zur EU-Weiterentwicklung: Schüssel: 1) „[…] das [Vereinigte Staaten von Europa] geht zu weit.“ „Auch eine zentrale Wirtschaftsregierung […] ist nicht durchsetzbar.“ 2) „[…] dass ein europäischer Finanzminister die EU in den internationalen Finanzgremien vertreten soll.“ 3) „[…] wir müssen auch in der Sicherheits- und Außenpolitik stärker und selbstbewusster auftreten.“ Fischler: 1) „Man muss eine Wirtschaftskoordination innerhalb des Lissabon-Vertrages schaffen […].“ 2) „Wenn es um die Budgetpflichten [z. B. Strafe für Budgetsünder] geht, kann man das über die einfache EU-Gesetzgebung lösen.“ 3) „[Vereinigte Staaten von Europa] finden meiner Meinung nach auch in zehn Jahren nicht statt, da es genügend Staaten gibt, die strikt dagegen sind […].“ 2/3 Keine Musterlösung möglich. 4 Bewertung der Vorschläge: Schüssel argumentiert v. a. ausgehend von der globalen Situation. Will die EU am Weltmarkt und in der Weltpolitik mithalten, muss sie „mit einer Stimme reden lernen“. Zur Lösung der Finanzkrise und Verhinderung weiterer Eurokrisen scheint ein europäischer Finanzminister notwendig. Fischler hat – wie Schüssel – einen realistischen Blick, wenn er die Übergabe von Souveränitätsrechten in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Sicherheit als nicht möglich ansieht – u. a. auch basierend auf dem Hintergrund der Renationalisierung. Er denkt eher an „kurzfristige“ Lösungen, auch wenn eine europäische Wirtschaftsregierung „wünschenswert“ wäre. Wilkens fordert mehr politisches Engagement für die EU bei den europäischen Bürgerinnen und Bürgern. BürgerInneneinsatz kann viel bewirken. Das hat etwa in Deutschland die Anti-Atomkraft-Bewegung gezeigt, die zum Beschluss der Abkehr von der Atomenergie bis 2022 führte. 13 · 5 Michael Gehler ( GO! 8, S. 28 f.) sieht die EU der Zukunft als Vermittlerin zwischen Amerika und Asien und als Kultur- und Rechtsexporteurin. Die EU müsse in der Organisation vereinheitlicht und mit mehr Geld und Kompetenzen ausgestattet werden. Als Voraussetzungen für eine politische Union sollte eine europäische Finanz- und Wirtschaftsregierung geschaffen werden. GO! > Seite 24 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Vorstellungen der zwei Bundeskanzler: • Vranitzky fordert v. a. die Erweiterung der EU vom wirtschaftlichen zum politischen Bereich, er möchte eine „politische Union“. Er setzt dabei v. a. auf die Erfolge der Konvergenzpolitik, die mithilfe ausgeweiteter Strukturpolitik erreicht werden soll. Vranitzky betont den innereuropäischen Handlungsbedarf. • Schüssel ist auch für eine Stärkung der EU, jedoch eher auf der globalen Bühne. Die EU müsse endlich – um wirtschaftlich und politisch bedeutend zu sein – mit einer Stimme sprechen. Eine politische Union schwebt ihm nicht vor. Schüssel betont den außenpolitischen Handlungsbedarf. 2 Analyse der Postings, Beispiel: Im dritten Posting wird – anders als bei den vorhergehenden – korrekterweise nicht mehr von einer wirtschaftlichen Union als Ausgangspunkt der europäischen Einigung gesprochen. Dennoch sind die gezogenen Schlüsse falsch. Es ging nicht um die Überwachung aller Nationalstaaten, sondern um eine Balance der Mächte und um friedliche Zusammenarbeit. Zentralismus kann nicht mit Faschismus gleichgesetzt werden – das Unwissen über die verwendeten Begriffe wird an dieser Stelle deutlich bemerkbar. Es geht auch nicht um die Abschaffung der Vielfalt, sondern um ein Zusammenwirken der vielfältigen Kräfte. Die Erhaltung der Kulturen wird gerade durch EU-Maßnahmen gefördert. Europa ist eben dadurch etwas Besonderes, dass es die „Einheit in der Vielfalt“ sucht. 3 Unterschiede zwischen Sachbüchern und Stammtischparolen liegen v. a. im fundierten Wissen und einer guten Recherche, die für ein Sachbuch notwendig sind. Neben mangelndem (Hintergrund-)Wissen fehlt den Stammtischparolen meist auch eine objektive Betrachtung und bei subjektiven Urteilen ein schlüssiger Argumentationsprozess. 14 Lösungen – Zusatzinformationen 1.8 „Festung Europa“ GO! > Seite 27 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Relevante Rechtsbereiche für Asylsuchende: Rechte zum Schutz der Person, Verfahrensrechte, Freiheitsrechte, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 2 Lebensumstände der Asylsuchenden, Beispiel Foto 2 (Abb. 26.1): Die Menschen auf dem Foto, afrikanische Bootsflüchtlinge, wollen in Europa Arbeit, vielleicht auch eine neue Heimat finden. Aufgrund der strengen Einwanderungsbestimmungen in die EU-Staaten sind ihre Aussichten darauf, legal in Europa leben und arbeiten zu dürfen, jedoch gering. Die strengen Kontrollen auch auf den Meeren verletzen nicht nur das Recht auf freie Einreise (Artikel 13, Menschenrechtskonvention), sondern auch das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person (Artikel 3). Die EU-Mitgliedsländer sollen den Asylsuchenden „im Normalfall ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten“ garantieren – so die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. 1. 2003, Punkt 7. Anmerkung: Die internationale Flüchtlingshilfsorganisation (UNHCR) bekräftigte die positiven Ansätze in der europäischen Asylpolitik, kritisierte sie aber auch. Linktipp: google.at [→ zusammenfassende Beobachtungen UNHCR] 3 Die Abschottung der Grenzen bzw. des Hoheitsgebietes einiger EU-Staaten verhindert es, dass Asylsuchende überhaupt erst ins Land bzw. in die EU kommen und als Flüchtlinge anerkannt werden können. Es widerspricht daher Artikel 14 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“ Zudem fördert die rigide Grenzpolitik das illegale Schlepperwesen an der afrikanischen Küste. Linktipp: www.unhcr.at/recht.html [→ Europäisches Flüchtlingsrecht] 4 Eine Wiedereinführung von Zollkontrollen an den Binnengrenzen zu den südlichen EU-Mitgliedsländern würde keine Verbesserung der Lage bringen. Eine Verbesserung ist nur für die südlichen EU-Staaten notwendig, weil sie von den „Flüchtlingswellen“ betroffen sind. In den Mitgliedstaaten ohne (südliche) Außengrenze ist die Lage nicht prekär – sie nehmen meist viel zu wenige Flüchtlinge auf. Auch das ab Mitte 2015 geplante Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) beinhaltet keine verpflichtenden Aufnahmequoten für die Mitgliedstaaten. 5 Die EU beruht u. a. auf dem Prinzip der Solidarität. Eine Unterstützung der Staaten untereinander ist daher geboten. Dies trifft in besonderem Maße auf die Grenz(-sicherungs-)politik zu. Gerade aufgrund des Schengener Durchführungsübereinkommens von 1990 sind die Binnenstaaten stärker verpflichtet, bei der Außengrenzen-Sicherung ihren Beitrag zu leisten. Zur Verbesserung der Asylpolitik müsste die EU Aufnahmequoten für die Mitgliedstaaten festlegen und die Einhaltung kontrollieren und sanktionieren. Auch in humanitärer Hinsicht sind Verbesserungen der Regelungen und ihrer Durchführung notwendig. Österreich könnte dafür einen besseren Beitrag leisten. Auch könnten Hilfslieferungen zur Versorgung der Asylsuchenden initiiert werden und die humanitäre Hilfe verbessert werden. Das Entsenden von Grenzwachen etc. erscheint wenig gewinnbringend, auch wenn die Asylpolitik der EU auf die Frage fixiert ist, wie Asylsuchende am wirksamsten abgehalten werden können, eine Einwanderung in die EU zu versuchen. 6 Keine Musterlösung möglich. Bedacht werden sollten die unterschiedlichen Lebensumstände von Asylsuchenden und die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Staaten. Linktipp: www.littlealien.at Linktipp: google.at [→ Eurostat → Asylbewerber] ExpertInnengespräch: Die Europäische Union – woher, wohin? GO! > Seite 28/29 Zur Person Michael Gehler: Michael Gehler ist Universitätsprofessor für Zeitgeschichte und seit 2006 Leiter des Instituts für Geschichte an der Stiftung Universität Hildesheim. Er hat eine Reihe von Publikationen zur österreichischen und europäischen Zeitgeschichte verfasst. Ihm wurde 2011 zum zweiten Mal der „Jean-Monnet Chair“ für Europäische Geschichte durch die EU-Kommission verliehen. Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Begriffsklärungen: • Intergouvernementalismus: „Zusammenarbeit und gegenseitige Abhängigkeit von Regierungen, Ministerien und Behörden in einem Bundesstaat, in der EU etc.“ (www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon [→ Intergouvernementale Beziehungen], Juni 2014) • Supranationalität: „[lat.: übernational, überstaatlich] Mit dem Adjektiv supranational werden Organisationen, Zusammenschlüsse oder Vereinbarungen versehen, die durch völkerrechtliche Verträge begründet und deren Europa und die Europäische Union Entscheidungen und Regelungen für die einzelnen Mitglieder (Staaten, Nationen) übergeordnet und verbindlich sind.“ (www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon [→ supranational], Juni 2014) 2 Linktipp: www.bpb.de [→ Nachschlagen → Lexika: Das Politiklexikon] 3 NATO-Beitritte im Zuge der EU-Osterweiterung 2004: Estland, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien; NATO-Beitritt 2004, EU-Beitritt erst 2007: Bulgarien, Rumänien; frühere NATO-Beitritte von Staaten der Osterweiterung: Zypern (1990), Polen, Tschechien, Ungarn (1999). 4 Keine Musterlösung möglich. 5 Mögliche Punkte: • Chancen: europäische Datenschutzverordnung nach Spionageaffäre; Energieautarkie und erneuerbare Energien bzw. Unabhängigkeit von großen Energielieferanten; EU als sozial-ökonomische Wohlstandsregion erhalten; EU als global wichtiger Wirtschaftsraum, mehr Eigenständigkeit der Institutionen, Schwächung des Intergouvernementalismus (evtl. politische Union); EU als Vermittlerin in globalen und regionalen Konflikten etc. • Gefahren: Schwächung des Euro bei anhaltender Krise; schlechtes Image der EU, wenn keine langfristige Lösung zur Regelung der fiskalen Angelegenheiten (Schuldengrenze, europäische Finanzmarktüberwachung und -regelungen etc.) gefunden wird; Konflikte mit Russland sorgen für schwierige Lage in Energieversorgung; weitere Uneinigkeit in den Gremien mit zunehmender Nationalisierungstendenz der Mitgliedstaaten; Rechtspopulismus wird stärker etc. 1.9 Ich und die EU GO! > Seite 31 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Beispiel Erfolge im Bereich „Personenverkehr“: Bei den Urlaubsreisen in den Ferien erleben wir die Auswirkungen gelungener EU-Politik hautnah. Reisen wir in ein anderes Mitgliedsland, so bemerken wir dies nicht. Es gibt keine Grenzkontrollen, wir können mit der gleichen Währung wie zu Hause bezahlen. Bei Verletzungen können wir im Krankenhaus die e-card vorweisen. Ein Anruf in die Heimat ist deutlich günstiger als von Drittstaaten aus. 2 Errungenschaften: • wirtschaftlich: Rubrik „Ich arbeite“: Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit, europäische Betriebsräte, gemeinsame stabile Währung; „Ich habe Kinder“: 15 Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen; „Ich kaufe ein“: alles • politisch: Rubrik „Ich arbeite“: soziale Mindeststandards, Gleichberechtigung von Mann und Frau; „Ich fahre weg“: alles; „Ich habe Kinder“: alles; „Ich bin gesund“: alles Anmerkung: Die Bereiche überschneiden sich in allen Rubriken. Es gibt keine strenge Zuordnung. 3 Das Balkendiagramm zeigt die Ergebnisse zur 2005 gestellten Frage nach einer bewusst wahrgenommenen europäischen Identität und die Häufigkeit dieser Wahrnehmung. Dabei kommt man zum Schluss, dass sich die Mehrheit oft (18 %) oder manchmal (39 %) als EuropäerInnen bezeichnet, während eine Gruppe von 40 % sich niemals als EuropäerInnen ausgeben würde. 3 % haben keine Meinung dazu. Keine Musterlösung möglich. Anmerkung: Zur Analyse von Grafiken siehe GO! 6, S. 93–96; zur Frage der nationalen österreichischen und europäischen Identität siehe auch die Grafiken und Informationen in GO! 7, S. 137 und GO! 7 LehrerInnenmaterial, S. 49. 4 Diskussion der Aussagen von Grafik 31.1: Ein überwiegender Teil der EU-Bevölkerung (57 %) bekennt sich 2005 zur EU, doch mit 40 % ist auch die Gruppe der EU-Skeptiker groß, ein „europäisches Bewusstsein“ fehlt. Die Verpflichtung zur Durchführung harter Sparmaßnahmen durch die EU im Zusammenhang mit der Euro- und Schuldenkrise vergrößert in vielen EU-Staaten die Zahl der EU-KritikerInnen. Rechtspopulistische Parteien gewinnen in vielen Ländern (z. B. Frankreich, Österreich) an Einfluss. Dieser Gefahr für ein vereinigtes, solidarisches Europa halten EU-BefürworterInnen meist nur wenig entgegen. In der Schweiz wäre die EU-Skepsis wohl noch größer, obwohl die Schweiz z. B. wirtschaftlich stark vom gemeinsamen Europa profitiert (z. B. Zollunion etc.). 5 Das Balkendiagramm zeigt die Einschätzungen der bis 2010 Befragten über ihre künftige Identität. Ein Großteil der Befragten definiert sich dabei ausschließlich als national (49 %) oder als national und europäisch (39 %). Vorrangig als EuropäerInnen fühlen sich insgesamt lediglich 7 %. Damit ist ein deutlicher Unterschied zu Grafik 31.1 aus dem Jahr 2005 feststellbar, der wohl zunehmend aus den Problemen der Eurokrise ab 2008 herrührt. 6 Eine direktdemokratische Beteiligung der BürgerInnen trägt immer zur Demokratisierung bei. Damit wird die EU auch für ihre BürgerInnen greifbarer, weil sie selbst mitreden und etwas bewirken können. Die Bürgerinitiative ist auf eine breite Zustimmung angelegt (von mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten ist gesamt eine Million Unterschriften notwendig), sodass nationalistische, nationale und populistische Interes- · · 16 Lösungen – Zusatzinformationen sen keine Chance haben. Große Themen, wie der Umstieg auf erneuerbare Energien, mehr Rechte für das EU-Parlament, eine rechtliche Basis zur Verbesserung des Konsumentenschutzes, Gleichberechtigung der Frau etc., haben mehr Erfolgschancen. 2 Der Balkan – der einzige Kriegsort in Europa nach 1945 2.1 Erfolge und Krisen von Titos Jugoslawien GO! > Seite 34 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Wichtige Stationen in Titos politischer Karriere: 1937: Generalsekretär der Kommunistischen Partei Jugoslawiens 1941: Oberbefehlshaber der „Volksbefreiungsarmee“, Organisator des Partisanenkrieges gegen die deutsche Besatzung 1943: Ministerpräsident, Anerkennung als Verbündeter durch die Alliierten 1953: Staatspräsident von Jugoslawien 1961: Generalsekretär der „Bewegung der blockfreien Staaten“ Politische Erfolge: Titos Erfolg beruhte zunächst auf seinem militärischen Sieg gegen die deutschen Truppen, weshalb er sich auch Stalin gegenüber selbstbewusst präsentierte. So konnte Tito für Jugoslawien Marshallplangelder gewinnen und damit die wirtschaftliche Entwicklung des Landes fördern; den übrigen kommunistischen Staaten wurde die Teilnahme am ERP bekanntlich verboten. Im Ausland wurde Tito als Garant für Frieden und Stabilität am Balkan gesehen, nicht zuletzt deshalb, weil er sich gegen nationalistische Bewegungen aussprach. 2 Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien war ein Vielvölkerstaat, der ab 1974 als Föderation von sechs Republiken (Serbien, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien) und zwei autonomen Provinzen in der Republik Serbien (Kosovo/ Metohija, Wojwodina) definiert war. Die Teilrepubliken waren wiederum von unterschiedlichen Nationalitäten geprägt. Bereits im Zweiten Weltkrieg war es zu blutigen nationalistischen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Volksgruppen gekommen. Als in den 1960er- und 1970er-Jahren größere wirtschaftliche Probleme deutlich wurden, brachen auch die Konflikte zwischen den Volksgruppen wieder auf. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten nahmen die Spannungen nochmals zu, was schließlich zu bewaff- neten Auseinandersetzungen führte. 3 Titos Jugoslawien war als einheitliches Gebilde gedacht, das letztlich aber durch die nationalistischen Tendenzen in den einzelnen Republiken und autonomen Provinzen zerrissen wurde. Insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten traten die Nationalitätenprobleme offen zutage. Den verantwortlichen Politikern und Politikerinnen gelang es nicht, das Verbindende über das Trennende zu stellen. 2.2 Der Zerfall und die blutigen Folgen GO! > Seite 37 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Ustascha (kroatisch: „Aufständische“): rechtsradikale kroatische Miliz, Gründung 1929; im Zweiten Weltkrieg als Verbündete Hitlerdeutschlands Errichtung des unabhängigen Staats Kroatien; Ziel: Ermordung der serbischen, jüdischen und Roma-Bevölkerung in Kroatien; Ermordung von mindestens 700 000 Serben im Konzentrationslager Jasenovac (,„balkanisches Auschwitz“); derzeit reger Zuspruch in der Populärkultur: Liedtexte des kroatischen Sängers „Thompson“ mit Hasstiraden gegen Serben oder Lob für die kroatischen Mörder von Jasenovac, Uniformen der Ustascha bei kroatischen Jugendlichen beliebt. Tschetniks (serbisch: Garde, Schutztruppe): verteidigten schon im 19. Jh. die Grenze Serbiens zum Osmanischen Reich; im Zweiten Weltkrieg Tschetniks als Kern der nationalserbischen Partisanengruppen im Kampf gegen die deutsche Besatzung; Ziel: Etablierung eines monarchisch geführten großserbischen Staates, deshalb wesentlicher Unterschied zu Tito-Partisanen, die für Gleichberechtigung der südslawischen Völker eintraten; aufgrund dieses Gegensatzes Annäherung der Tschetniks mit den deutschen Besatzern und der Kollaborationsregierung; 1944 Niederlage der Tschetniks gegen Titos Partisanen; 1990er-Jahre: erneut Kampf der serbischen Nationalisten unter dem Namen „Tschetniks“ in Kroatien und Bosnien für Verwirkli- Europa und die Europäische Union chung großserbischer Ideale. 2 Kunstdenkmäler und Kirchen galten als besondere Zeichen für die nationale Identität der verschiedenen Gruppen. Gerade die religiöse Zugehörigkeit (Kroatien, Slowenien: katholisches Christentum; Serbien: orthodoxes Christentum; Bosnien, Kosovo: Islam) wurde als Kennzeichen für nationale Zugehörigkeit gesehen. Durch die Zerstörung von Denkmälern und Kirchen sollte die eigene Überlegenheit gegenüber den anderen Gruppen demonstriert werden. 3 Im Kosovo leben mehrheitlich AlbanerInnen, es gibt aber auch serbische sowie mazedonische Bevölkerungsteile. Historisch betrachtet war der Kosovo das Herzstück des mittelalterlichen serbischen Staatsgebietes, woraus sich noch heute die wichtige Stellung dieses Gebietes für Serbien ableitet. Bis 2008 war der Kosovo eine Teilregion; formal betrachtet die serbische Regierung den Kosovo immer noch als autonome Provinz des Staates Serbien. Im Auftrag der serbischen Regierung hatten Sonderpolizei und nationalserbische Gruppierungen die albanische Bevölkerung terrorisiert, was tiefe gesellschaftliche Gräben aufriss. Nur durch das Einschreiten der NATO konnte die Situation im Kosovo stabilisiert werden. Linktipp: www.eurotopics.net [→ Kosovo – ein Überblick über die Geschichte] 4 Beispiel Josip Jović: Der 22-jährige Kroate Josip Jović war Polizist. Die kroatische Polizei ging davon aus, dass der Aufstand der Serben problemlos niedergeschlagen werden könne; doch am 31. 03. 1991 kam es in einem Wald bei Plitvice zu einer Schießerei zwischen der Polizei und den Aufständischen, bei der Jović getötet wurde. Im Bosnienkrieg (1992–1995) wurden laut Angaben des Europarates etwa 20 000 Frauen Opfer von sexueller Gewalt und Folter. Die meisten Täter waren serbische Soldaten. Eines der Opfer, Sebiha, gibt an, dass sie gefangen genommen und vergewaltigt wurde. Sie hatte die Männer von früher gekannt: „Vor dem Krieg haben sie in meinem Restaurant gegessen.“ (vgl. http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/39619, Juni 2014) 17 ExpertInnengespräch: Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien GO! > Seite 38/39 Zur Person Wolfgang Petritsch: Dr. Wolfgang Petritsch, geboren 1947 in Klagenfurt als Angehöriger der slowenischen Volksgruppe in Kärnten, war von 1997 bis 1999 österreichischer Botschafter in Belgrad. 1998 wurde er zum EU-Sonderbeauftragten für den Kosovo ernannt. Er trat ab 1999 als EU-Chefverhandler bei den Friedensgesprächen in Rambouillet und Paris auf und war bis 2002 als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina tätig. Von 2002 bis 2008 war er österreichischer Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf, von 2008 bis 2013 bei der OECD in Paris. Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Tito wird jeweils als charismatische und angesehene Figur dargestellt. Petritsch berichtet, dass Titos autokratischer Regierungsstil für einen Zusammenhalt Jugoslawiens sorgte. Allerdings gelang es ihm nicht, die verschiedenen Volksgruppen zu einer Gemeinschaft zusammenzuführen. Im Abschnitt „Titos Erfolgsgeschichte“ wird vor allem auf Titos ökonomisches Geschick und sein Ansehen im Ausland eingegangen. Leistungen Titos: militärischer Erfolg im Partisanenkrieg, selbstbewusstes Auftreten gegenüber Stalin, positive wirtschaftliche Entwicklung Jugoslawiens, Wirkung als einigende Führungsfigur Fehler Titos: Anwendung von Gewalt, autokratischer Regierungsstil, keine dauerhafte Beseitigung von nationalistischen Tendenzen 2 Im Kalten Krieg hatten die USA Jugoslawien aufgrund seiner wichtigen strategischen Bedeutung als paktfreier Staat wirtschaftlich großzügig unterstützt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion setzten sich in Osteuropa demokratische Systeme durch, in Jugoslawien jedoch wurde eine Demokratisierung aufgrund der starken Nationalismen unterdrückt. Die historisch gewachsenen Konflikte zwischen den Volksgruppen führten zu einer „Desintegration“ Jugoslawiens, während sich die Staaten Osteuropas auf eine Integration in Europa konzentrieren konnten. 3 Petritsch möchte vermutlich mit dem Zitat betonen, dass zu Beginn der Konflikte in Jugoslawien eine große Chance für Europa bestanden hatte, sich als wichtige Instanz einzubringen und das Problem zu lösen. Er möchte damit vielleicht auch Kritik daran üben, dass dieses Ziel letztlich nicht erreicht wurde. 4 Das Abkommen von Dayton aus dem November 1995 beendete den Krieg in Bosnien. Es stellt eine komplizierte Staatskonstruktion dar, die trotz verschiedener Änderungen und Ergänzungen nicht gut funktioniert. So finden sich im Abkommen viele Widersprüche 18 Lösungen – Zusatzinformationen aufgrund der divergierenden Interessen der Konfliktparteien. Petritsch kritisiert am Abkommen, dass es sich überaus komplex gestalte und die Zentralregierung den nahezu selbstständigen „Entitäten“ gegenüber zu schwach sei. Aus diesem Grund sei der Konflikt bis in die Gegenwart hinein verlängert worden. Linktipps: www.zeit.de [→ Ein ungeliebter Frieden] www.auswaertiges-amt.de [→ Dayton-Friedensabkommen] 3 East goes West – Osteuropa im Wandel 3.1 Deutschland – ein Sonderfall GO! > Seite 42 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Gedanken: Aufbruchsstimmung, Neubeginn, Gefühl der Gemeinsamkeit, Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft 2 Die Einigung Deutschlands wurde vonseiten der BRD initialisiert. Insbesondere die USA hatten ein vereinigtes Deutschland unter gewissen Bedingungen unterstützt. Auch Michail Gorbatschow setzte sich für das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein. Bei den freien Wahlen im Jahr 1990 zeigte sich der Wunsch der WählerInnen nach einem vereinigten Deutschland deutlich, das den demokratischen und marktwirtschaftlichen Prinzipien der BRD entsprechen sollte. So sprachen die äußeren und die inneren Strukturen gegen den „dritten Weg“. 3 Mögliche Aktivitäten: Umtausch des DDR-Geldes, Kauf von Produkten aus dem Westen, Auswahlmöglichkeit aus einem großen Warensortiment 4 Die Tabelle zeigt die Entwicklung der monatlichen Haushaltseinkommen, wobei West- und Ostdeutschland getrennt betrachtet werden. In den westdeutschen Haushalten war das Einkommen 1991 relativ hoch: Eine relative Mehrheit von rund 27 % aller Haushalte bezog zwischen 2 000 und 4 000 Euro. Zur selben Zeit musste in Ostdeutschland eine absolute Mehrheit von rund 51,7 % aller Haushalte mit einem Einkommen von 1 000 bis 1 499 Euro auskommen; Ostdeutschland startete also aus einer schlechteren Ausgangsposition. Die jüngsten Daten in der Tabelle zeigen, dass sich das monatliche Einkommen in Westdeutschland tendenziell verbessert hat (fast 35 % beziehen 2 000 bis 4 000 Euro, beinahe 32 % über 4 000 Euro). In Ostdeutschland hat sich die Situation zwar erheblich gebessert – statt beispielsweise nur 2,3 % im Jahr 1991 bezogen 2008 bereits 28,7 % der Haushalte ein monatliches Einkommen zwischen 2 000 und 4 000 Euro –, aber insgesamt gesehen weisen die ostdeutschen Haushalte auch zuletzt noch einen deutlichen Rückstand zum Westen auf. 5 Die ostdeutsche Wirtschaft war in keiner Weise darauf eingestellt, dass plötzlich ein vielfältiges Warenangebot aus dem Westen zur Verfügung stand. Auch die Ausgangslage für den Export in den Westen war dürftig, da dieser vor 1990 zentral geregelt worden war. Damit wurden der eigenständigen ostdeutschen Wirtschaft wichtige Grundlagen entzogen, was zum ökonomischen Zusammenbruch und zu Folgen wie hoher Arbeitslosigkeit führte. 6 Die Westdeutschen werden pauschal als „arrogant“ bezeichnet, während man in Ostdeutschland wirtschaftliche Schwäche und Arbeitslosigkeit verortet. 3.2 Pioniere des Wandels – Polen und Ungarn GO! > Seite 44 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Analyse und Interpretation des Fotos: • Perspektive: Das Foto wurde aus der Menschenmenge heraus gemacht und zeigt Lech Walesa, der von Anhängern getragen wird, leicht erhöht. • Geschlechterverhältnis: Es sind viel mehr Männer als Frauen zu sehen (man erkennt nur drei Frauen im Bild, aber gut zwanzig Männer). Die Arbeiterschaft in Danzig, zu der Walesa gesprochen hat, war offenbar stark von Männern dominiert. • Ort: Walesa und seine AnhängerInnen werden vor einem Fabriktor gezeigt, was die Nähe zur Arbeiterschaft demonstriert. • Stimmung: Das Bild zeigt eine positive Stimmung. Walesa lächelt und hält einen Blumenstrauß triumphierend in die Höhe, die Menschen tragen ihn auf den Schultern, klatschen und winken. Europa und die Europäische Union 2 Die Gründung der „Solidarność“ kann als revolutionäres Element gesehen werden, auf das die Regierung heftig reagierte, indem sie das Kriegsrecht ausrief und die Gewerkschaftsführer internierte. Im Laufe der 1980er-Jahre kam es aber zu Gesprächen und Reformbemühungen vonseiten aller Beteiligten. So gingen Revolution und Reformen ineinander über. 3 Viktor Orbán präsentierte sich vor einem Gemälde, das die ruhmreiche ungarische Vergangenheit darstellen sollte. Er inszenierte damit eine Anknüpfung an die historischen Erfolge der Ungarn gegen Türken im Südosten und Habsburger im Westen: Analog zu früheren „Heldentaten“ sollte Ungarn auch in der Gegenwart mithilfe der neuen Verfassung zu neuem Selbstbewusstsein und Nationalstolz gelangen. 4 Der Aufstand in Ungarn im Jahr 1956 wurde zwar von den sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagen, dennoch setzten sich in Ungarn schließlich gemäßigte liberale Kräfte durch. („Gulaschkommunismus“). So trat etwa 1968 eine umfassende Wirtschaftsreform in Kraft und auch die Kulturpolitik wurde liberalisiert. Bereits zu Beginn der 1980er-Jahre führte eine Lockerung der Reisebeschränkungen dazu, dass Aufenthalte im westlichen Ausland ermöglicht wurden. Der Übergang in ein demokratisches System kann demnach als weniger radikal als z. B. in der DDR bezeichnet werden. Aktuell ist eine Zunahme von antisemitischen und antiziganistischen Aktionen festzustellen. So wurde etwa der Pianist András Schiff, der jüdische Wurzeln hat, 2011 in regierungsnahen Medien öffentlich bedroht. Die neue Verfassung schreibt Nationalstolz, ein Bekenntnis zum Christentum und zu traditionellen Familienstrukturen vor. Das Verfassungsgericht wurde durch die Regierung Orbán entmachtet. An Universitäten und sogar an der ungarischen Staatsoper installierte die Regierung ihre Leute. Linktipp: www.demokratiezentrum.org [Ungarn im 20. Jahrhundert] 19 3.3 Russland – eine Scheindemokratie? GO! > Seite 46 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die Ambivalenz der aktuellen russischen Verfassung liegt darin, dass zwar einerseits die Einhaltung der Menschenrechte und die Unabhängigkeit der Gerichte festgehalten wird, andererseits aber alle politische Macht beim Präsidenten gebündelt ist. Anders als in westlichen Demokratien ist die russische Regierung nicht dem Parlament, sondern dem Präsidenten verantwortlich. Putins Föderalreform sorgte zudem dafür, dass Russland stark zentralistisch regiert wird und die Peripherie nur wenige Möglichkeiten zur Mitsprache besitzt. 2 Internationale BeobachterInnen bezeichnen die Abhaltung der Wahlen in Russland regelmäßig als manipuliert. Die Handlungsmöglichkeiten der Oppositionsparteien sind stark beschnitten, was ihre Organisation oder den Zugang zu Medien betrifft. Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind massiv eingeschränkt. Regierungskritische Personen werden zum Teil strafrechtlich verfolgt. Insbesondere im Nordkaukasus und in Tschetschenien kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (Folter, Kollektivstrafen usw.). Korruption ist weit verbreitet, religiöse und ethnische sowie soziale Minderheiten (z. B. Homosexuelle) sehen sich mit Gewalt konfrontiert. Linktipps: www.humanrights.ch [→ Länderinfos zur Menschenrechtslage → Russland] , www.amnesty.at [Russland] www.zeit.de [Russland, Homosexualität] www.reprodukt.com [Berichte aus Russland] 20 Lösungen – Zusatzinformationen Methode: Dekonstruktion von Graphic Novels und Comics GO! > Seite 47–50 Zur Bedeutung der vorgestellten Methode · Geschichtsdarstellungen wie Spielfilme ( GO! 5, S. 40 ff. ), historische Gemälde ( GO! 5, S. 40 ff.), Karikaturen ( GO! 7, S. 132 ff.) und historische Plakate ( GO! 7, S. 30 f.) sind Interpretationen der Vergangenheit. Zu diesen interpretierenden Darstellungen ist auch die Graphic Novel zu zählen, deren Inhalt, Struktur und Wirkung erfasst und dechiffriert werden muss. · · · Comics sind nicht nur lustig. Erzählen sie komplexe, ernsthafte Geschichten von individueller Länge und Form, die sich an ältere Leser richten, nennt man sie Graphic novels. […] Dazu gehören Biografien, Autobiografien, Literatur-Adaptionen und Erzählungen. Auch Comic-Reportagen werden als Graphic novels veröffentlicht. Letztere erzählen keine fiktiven Geschichten bzw. besitzen keine fiktiven Anteile, sondern erheben den Anspruch auf Dokumentation und Augenzeugenschaft. Das Etikett Graphic novel hat den Comic aus den Nischen der Comic-Läden und Kioske befreit und ihm neue Räume eröffnet. […] Die Süddeutsche Zeitung hat 2011 und 2012 zwei vielbeachtete Graphic novel-Editionen herausgebracht. […] Graphic novels zu historischen Themen sind visuelle Geschichtserzählungen und gehören somit ebenso wie historische Spielfilme zum Bereich narrativer Geschichtsvermittlung. Sie präsentieren ihren Lesern die Geschichtsimaginationen ihrer Künstler – letztlich wird deren Geschichtsbewusstsein offenbar. Eine absolut objektive Darstellung kann es nicht geben. Die Zeichnung ist hier allerdings ehrlicher als das Foto oder der Dokumentaroder Historien-Film, die Objektivität auch nur vortäuschen und schon vor den Zeiten digitaler Bildbearbeitung ihr Realitätsversprechen nicht halten konnten. Die Konstruiertheit der Realität ist im Comic offensichtlicher. Die Glaubwürdigkeit eines Bildes hängt von der Integrität und Augenzeugenschaft des Urhebers ab. Ein bedeutsames Qualitätsmerkmal stellen die Art und der Umfang der Recherche dar. Viele Autoren ziehen Historiker oder Zeitzeugen zu Rate (z. B. Igort für „Berichte aus der Ukraine“ oder Joe Sacco in seinen Comic-Reportagen) und nutzen geschichtswissenschaftliche Methoden wie die Arbeit im Archiv (z. B. Susanne Buddenberg und Thomas Henseler bei „Grenzfall“). Als Meilenstein für das Genre der Geschichtscomics kann nach wie vor das Werk „Maus“ des US-amerikanischen Künstlers Art Spiegelman angesehen werden. Der Autor verarbeitet in „Maus“ Familiengeschichte: Seine Eltern waren polnische Juden und haben die nationalsozialistische Vernichtungspolitik überlebt. […] 1992 erhielt Spiegelman als erster Comic-Künstler für „Maus“ den Pulitzer-Preis. […] So wie Art Spiegelman dem Comic mit „Maus“ zu literarischer Anerkennung verholfen hat, kann der Geschichtscomic „Die Suche“ von Eric Heuvel als ein Türöffner von Comics und Graphic Novels für den Geschichtsunterricht angesehen werden. […] Wie sich Text und Bild abwechseln, brauchen Graphic novels den aktiven Leser. Anders als im Film muss er die Leerräume (Hiatus) zwischen den Einzelbildern (Panels), die Zeitsprünge, durch eigene Gedanken selbst ausfüllen. Die Comiczeichnerin Isabel Kreitz stellt dazu fest: „[…] Stellt man nur zwei Bilder nebeneinander, wird zwanghaft ein Zusammenhang gesucht. Je weiter die Bilder inhaltlich auseinander liegen, desto mehr muss das Gehirn die Informationslücke zwischen den Bildern aus der eigenen Fantasie füllen. Man wird an der Geschichte beteiligt […].“ Graphic novels können die Schülerinnen und Schüler motivieren und Interesse an historischen Themen wecken, aber sie sind keine Selbstläufer. […] Der Einsatz von Graphic novels kann in allen Unterrichtsphasen plausibel sein, ihr eigentliches Lernpotenzial entfalten sie jedoch in der Vertiefungsphase. Hier können sie bereits erarbeitete historische Sachverhalte vertiefen, verdeutlichen und verankern. Mounajed, R./Semel, S.: Visuelle Geschichtserzählungen. In: Geschichte lernen, Heft 153/154, 2013, S. 2 ff. Lösungsvorschläge für die Anwendungsaufgabe Guy Delisle: Aufzeichnungen aus Birma. Aus dem Französischen von Kai Wilksen, Handlettering von Céline Merrien. Reprodukt, 2007: In der Graphic Novel „Aufzeichnungen aus Birma“ werden regelmäßig sechs Panels pro Seite gezeigt, in Ausnahmefällen sind mehr oder weniger Panels zu sehen. Die Zeichnungen sind in Schwarz-Weiß gehalten. Sowohl im Blocktext als auch in den Blasen werden nur Großbuchstaben verwendet. Der Zeichner arbeitet mit wenigen Details, er reduziert die Bilder damit auf das Wesentliche. Die Totale wird verhältnismäßig wenig verwendet. Igort: Berichte aus Russland (Der vergessene Krieg im Kaukasus). Aus dem Italienischen von Federica Metteoni, Handlettering von Céline Merrien. Reprodukt, 2012: Die Graphic Novel „Berichte aus Russland“ trägt den Untertitel „Der vergessene Krieg im Kaukasus“ und beinhaltet mehrere Reiseberichte, die unabhängig voneinander erzählt werden. Die Bilder sind farbig und zum Teil sehr detailreich gestaltet; zum Teil sind sie aber auch schlicht und reduziert. Es kommen hauptsächlich Blocktexte vor. Auf einzelnen Seiten sind Zitate von Personen, etwa von Anna Politkowskaja, zu lesen, diese Teile sind bildfrei gehalten. Zum Teil kommen russische Worte in kyrillischer Schrift vor. Linktipp: www.reprodukt.com/ [→ Autoren] Europa und die Europäische Union 21 4 Quo vadis, Europa? – Die Türkei und die EU Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 1 GO! > Seite 51–53 Diese Transfer-Einheit beschäftigt sich mit möglichen Zukunftsszenarien Europas anhand des viel und langjährig diskutierten Beitritts der Türkei zur EU. In diesem Thema spiegeln sich sowohl die Definition des Europabegriffes als auch die Frage, wohin sich die Europäische Union entwickeln soll, wider. 4.1 Historischer Rückblick dass auf beiden Seiten, vor allem aber aufseiten der Europäischen Union, Skepsis gegenüber einem Beitritt besteht.“ Linktipp: http://europenews.dk/de/eu_tuerkei 4.2 Pro und Kontra zum EU-Beitritt der Türkei GO! > Seite 52 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Keine Musterlösung möglich. GO! > Seite 51 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Zypernkonflikt: Zypern ist seit 1974 in einen südlichen, griechischen und einen (international nicht anerkannten) nördlichen, türkischen Teil gegliedert. Der Konflikt der beiden Teilstaaten konnte auch nach dem gescheiterten Wiedervereinigungsreferendum und dem Beitritt Südzyperns zur EU 2004 nicht gelöst werden. Genozid an den Armeniern: Von 1913 bis 1916 wurden von den Jungtürken nationalistisch motivierte Massaker an den im Osten der heutigen Türkei lebenden Armeniern durchgeführt. Mit bis zu 1,5 Millionen Opfern kamen sie einem Völkermord gleich, dessen Historizität und Verantwortlichkeit bis heute von der türkischen Regierung (Atatürk gehörte den Jungtürken an) bestritten wird. Der Auswärtige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses stufte in einer Resolution im März 2010 die Ereignisse als Völkermord ein. Auch im französischen Parlament wurde Ende 2012 ein Gesetz verabschiedet, das die Leugnung des Genozids an den Armeniern unter Strafe stellt. Diplomatische Konflikte mit der Türkei waren die Folge. Kopenhagener Kriterien: 1993 vom Europäischen Rat festgelegte Kriterien für Beitrittsstaaten. Politische Kriterien sind stabile Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte, Minderheitenschutz. Die Beitrittswerber müssen auch funktionierende, wettbewerbsfähige Marktwirtschaften sein und das gesamte EU-Recht übernehmen. Linktipps: www.bpb.de [→ Nachschlagen → Lexika: Das Europalexikon → Zypernfrage, Kopenhagener Kriterien] www.spiegel.de/ [→ Zoff mit Ankara] 2 Mögliche Vollendung des Satzes: „Die Länge des Verhandlungsprozesses zeigt meiner Meinung nach an, 4.3 Der EU-Beitritt aus österreichischer und türkischer Sicht GO! > Seite 53 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Symbolik des Fotos: Im Zentrum des Fotos steht die Brücke, welche den europäischen Teil Istanbuls mit dem asiatischen Teil verbindet. Die Türkei soll also eine Verbindung zwischen Europa und Asien „als Brückenland zwischen dem Westen und dem Orient“ (Gehler GO! 8, S. 29) darstellen. Tatsächlich wird der Türkei auch seitens der EU diese Funktion zugeschrieben. Anmerkung: Vgl. hierzu auch die Aussagen Gehlers im ExpertInnengespräch GO! 8, S. 29. 2 Interpretation von Grafik und Tabelle: Die befragten ÖsterreicherInnen lehnen einen EU-Beitritt der Türkei mit 80 % zu 11 % entschieden ab. Auch innerhalb der (2005 noch) 25 Mitgliedstaaten wird ein Beitritt der Türkei deutlich abgelehnt (55 % gegen zu 31 % für Beitritt). Dies mag u. a. an den seit 1987 in die Länge gezogenen Verhandlungen und den Befürchtungen vor den weitgehenden Veränderungen durch die Aufnahme dieses großen muslimisch geprägten Landes in die EU liegen. Wohlwollender fallen die Antworten der Türken und Türkinnen aus. 49 % stehen einem EU-Beitritt positiv gegenüber, 58 % sehen Vorteile in einer EU-Mitgliedschaft für die Türkei. Auffallend ist die kritische Haltung von 41 % gegenüber dem Parlament als Re präsentanz von Demokratie und einer statistischen Europaidentität, definiert durch das politische System der westlichen Demokratie. · · 22 Lösungen – Zusatzinformationen 2 Internationale Politik und Wirtschaft Themen und Aufbau Konzept- bzw. aspektorientierte Themen: Perspektivenanalysen anhand von Aussagen der führenden PolitikerInnen 1989 und 2001 als „Epochenjahre“ Die Supermacht USA und ihre Grenzen Stärken und Schwächen der Friedenssicherungspolitik der Vereinten Nationen Ursachen, Grundlagen und Auswirkungen der Arabischen Revolution Politischer, wirtschaftlicher und medialer Hintergrund der Globalisierung Wirtschaftliche Veränderungen und ihre gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen am Beginn des 21. Jhs. mit dem Siegeszug des Kapitalismus und der Entwicklung der BRIC-Staaten • • Methodenorientiertes Thema: Historische und politische Urteile analysieren und vergleichen • Gegenwartsbezug als Kapiteleinstieg: Bildquelle: April 2013, in einer völlig verwüsteten Straße der syrischen Stadt Deir-al-Zor sitzt ein junger Kämpfer der Freien Syrischen Armee in einem kaum beschädigten, requisitenhaft wirkenden Polstersessel. Das Foto vermittelt einen starken Eindruck von der Grausamkeit und Sinnlosigkeit des syrischen Bürgerkrieges. Textquellen: Kontroverse Aussagen von Barack Obama und Wladimir Putin zur Arabischen Revolution. Obama lobt die Politik der USA als „Anker globaler Sicherheit“ und sieht die Vereinigten Staaten als „Anwalt der menschlichen Freiheit“. Putin hingegen wirft den USA vor, sie wollten sich absolute Unantastbarkeit sichern und die staatliche Souveränität anderer Staaten gefährden bzw. verletzen. • Das zweite Kapitel soll die Strukturen der gegenseitigen Beeinflussung von Politik und Wirtschaft von 1989 bis heute in fünf Abschnitten durchschaubar machen. „Das Jahr 1989 und seine Folgen“ und der Abschnitt „Die Arabische Revolution“ behandeln vorwiegend politische Phänomene und Entwicklungen. Ein erster Abschnitt widmet sich den USA, der zurzeit wichtigsten Wirtschaftsmacht und der einzigen Supermacht, in ihrer Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus und ihren Versuchen, sich zur Verwirklichung ihrer weltpolitischen Konzepte der UNO zu bedienen. Die Arabische Revolution – thematisiert an den Beispielen Tunesien, Libyen, Ägypten und Syrien – zeigt die Schwierigkeiten bei der Einführung von Strukturen westlicher Demokratie in den Staaten des Nahen Ostens. • • Die Abschnitte „Globalisierung“ und „Der wirtschaftliche Aufstieg der BRIC-Staaten“ behandeln vorwiegend die wirtschaftliche Entwicklung dieser Schwellenländer sowie – besonders deutlich erkennbar im Fall Chinas und Russlands – die Verflechtung von Politik und Wirtschaft. Globalisierung, grenzüber schreitender Warenhandel, globale Kommunikation und der „Siegeszug“ des Kapitalismus sind eng miteinander verbunden. Seit Beginn der Finanzkrise und verstärkt seit den 2010er-Jahren gibt es zunehmend auch Kritik an den negativen Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklungen, z. B. durch globalisierungskritische Gruppen wie die Occupy-Bewegung. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Margit Schratzenstaller-Altzinger nimmt im ExpertInnengespräch zur Situation auf den Finanzmärkten und zu möglichen Lösungen für die europäische Schuldenkrise Stellung. Die Beschäftigung mit dem Interview bietet eine gute Möglichkeit, einige wichtige Fachbegriffe aus dem Bereich Wirtschaft zu klären. Am Beispiel von Muhammad Yunus und seinem System der Mikrokredite werden Alternativen zum „Siegeszug“ des Kapitalismus vorgestellt. Im Methodenabschnitt lernen die SchülerInnen anhand je eines Textes von Joseph E. Stiglitz und von Timothy Garton Ash, historische und politische Urteile zu analysieren und zu vergleichen. Diese Schlüsselkompetenz des historischen Denkens zu entwickeln und auszubauen hat für den Geschichtsunterricht große Bedeutung. Der Transfer-Abschnitt behandelt den Protest der Occupy-Bewegung gegen den Wall-Street-Kapita lismus und seine Auswirkungen. Einstiegsdoppelseite GO! > Seite 54/55 Lösungsvorschläge Bildinformationen: Foto eines jungen Kämpfers der Freien Syrischen Armee auf einer verwüsteten Straße im April 2013 im syrischen Deir-al-Zor. © Reuters/Stringer • Bildbeschreibung: junger Kämpfer der Freien Syrischen Armee sitzt mit starrem, müdem Blick mit einer Kalaschnikow in den Händen in einem Polstersessel auf der Straße; Hintergrund verwüsteter Straßenabschnitt der syrischen Stadt Deir-al-Zor; zerstörte Häuser; Schutt und Müll liegen auf der Straße. • Erläuterung des Symbolcharakters: Überlegung 1: Der grüne Fauteuil und die hellblaue Tür sind die einzigen nicht schwer beschädigten Gegen- Internationale Politik und Wirtschaft stände auf dem Foto. Sie erinnern an Syrien vor dem Bürgerkrieg und wirken inmitten der Verwüstung fast unwirklich, ähnlich wie Requisiten aus einem Theaterstück. Überlegung 2: Obwohl schon alles zerstört ist und die Menschen völlig erschöpft sind, ist der Kampf immer noch nicht vorbei. Der Krieg wird „ausgesessen“. Es gibt keine Aussicht auf eine Lösung der Konflikte, es zeichnet sich kein Ende der Gewalt ab. • Mögliche Erwartungen des Mannes an die internationale Politik: diplomatisches/militärisches Eingreifen zur Beendigung des Bürgerkrieges, Subventionsmaßnahmen für den Wiederaufbau und eine positive Wirtschaftsentwicklung • Akteurinnen und Akteure in Syrien: Regierung Assad: Baschar al-Assad ist seit 2000 Generalsekretär der Baath-Partei und syrischer Präsident. Auslöser des Bürgerkrieges waren – zu Beginn friedliche – Proteste von regierungskritischen Personen und Gruppen im Kontext des Arabischen Frühlings 2011, die sich für eine Demokratisierung Syriens einsetzten. USA: Trotz des Drängens von Pentagon und CIA für einen militärischen Schlag gegen Assad entschied sich Präsident Obama für Verhandlungen mit Assads Regierung und einigen oppositionellen Gruppen. Russland: Russland lehnt aufgrund wirtschaftlicher und politischer Interessen externe Eingriffe in den Syrienkonflikt ab. Präsident Assad gilt als Verbündeter, Syrien als exsowjetisches Einflussgebiet (in Tartus besteht seit 1971 eine russische Basis). Der Sturz Assads wäre für Russland und China möglicherweise machtpolitisch gefährlich, denn „das Beispiel der arabischen Revolutionen könnte in Moskau und Peking Schule machen“. (Kinan Jaeger/Rolf Tophoven, Der Syrien-Konflikt: Internationale Akteure, Interessen, Konfliktlinien, 14. 02. 2013, www.bpb.de/apuz/155114/internationaleakteure-interessen-konfliktlinien?p=2, Juni 2014) Türkei: Aufgrund eines Granatenangriffs an der Südgrenze zu Syrien sieht sich die Türkei als mögliches Angriffsziel Syriens. Ministerpräsident Erdogan fürchtet eine Erhebung der kurdischen Minderheit in der Türkei, sollte Syrien künftig ein mehrheitlich schiitischer Staat werden. Die Türkei drängte auf eine militärische Lösung mithilfe der NATO. Westliche Geheimdienste beschuldigen die Türkei, islamischen antikurdischen Milizen Waffen geliefert zu haben. Israel: Israel würde auf einen Angriff militärisch reagieren. Iran: Ein Einschreiten des Iran zugunsten Assads (seit dem Iranisch-Irakischen Krieg 1980–1988 besteht das 23 Bündnis zwischen Syrien und Iran zur Unterstützung der Hisbollah v. a. im Kampf gegen Israel) würde eine militärische Intervention Israels hervorrufen. Mit dem Ende Assads nähme der Einfluss Irans und der Schiiten im Nahen Osten vermutlich ab. Deshalb ist der Iran der stärkste Verbündete des Assad-Regimes. Sunnitische Golfstaaten: Saudi-Arabien und Katar unterstützen sunnitische Oppositionsgruppen, um den Einfluss des schiitischen Iran im Vorderen Orient zu brechen und eigene, wirtschaftliche Interessen zu stärken. Aufgrund der zunehmenden Spannungen zwischen Iran und SaudiArabien bezeichnete der US-Nahostexperte Vali Nasr den Prozess als „sunnitisch-schiitisches Pulverfass“ (Syrien: Sorge vor Al-Kaida-Staat, in: Der Standard, 01./02. 02. 2014, S. 4). Rebellen und oppositionelle Gruppen: Es gibt keine einheitliche Opposition. Neben einer Gruppe, die auf Verhandlungen (v. a. mit westlichen Staaten) setzt, kämpfen verschiedene Rebellengruppen mit Waffengewalt für ein freies Syrien. Sie werden von westeuropäischen Staaten, den Golfstaaten und von Libyen und Tunesien unterstützt. Unter den Gegnern Assads finden sich aber auch Terrorgruppen wie al-Qaida und islamistische Dschihadisten, die für die Errichtung eines Gottesstaates kämpfen. Anfang 2014 griffen die Terrorakte von Syrien auch auf die irakische Provinz Anbar über. Die dortige sunnitische Minderheit unterstützt die Terrorgruppe Isis (Islamischer Staat in Irak und Syrien) gegen die schiitische Regierung al-Maliki. Zusatzinformation: Die nach dreijährigem Krieg am 22. 01. 2014 einberufene II. Syrienkonferenz in Genf erzielte keine greifbaren Ergebnisse. Letztlich einigten sich die Abgesandten der Regierung und einer nichtmilitärischen Oppositionsgruppe auf die Anerkennung des Kommuniqués vom 30. 06. 2012 der Genf-I-Konferenz. Doch ähnlich wie Russen und Amerikaner den Passus zur Bildung einer Übergangsregierung unterschiedlich (mit und ohne Beteiligung Assads) interpretieren, trifft dies auch auf die Assad-Regierung und Oppositionsgruppen zu. Eine weitere Konferenz gibt es vermutlich nicht. • Position der EU zum Syrien-Konflikt: Für die EU stellt der Syrienkonflikt eine Gefährdung des Dialogs mit den Mittelmeerstaaten und in der Folge eine Verschärfung der Grenzsicherheitsproblematik dar. Die EU-Staaten unterstützen einen Teil der syrischen Opposition für ein demokratisches Syrien. Als supranationale Institution gibt es viele Meinungen zur Rolle der EU im Syrienkonflikt. Während die Regierungschefs von Frankreich und Großbritannien einen Militärschlag wollen, sprach sich im September 2013 eine Mehrheit des britischen Parlaments dagegen aus. Deutschland will nur mit einem UN-Mandat 24 • • Lösungen – Zusatzinformationen eingreifen. Österreich und viele östliche Länder lehnen eine militärische Intervention ab. Eine einheitliche Stimme gibt es daher nicht. Im November 2009 wurde Catherine Ashton zur ersten Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik ernannt. Diese neue Position wurde durch den Lissabon-Vertrag geschaffen, mit der Aufgabenstellung, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu koordinieren. Ziel ist es, die Außenpolitik der EU konsequenter und schlüssiger zu gestalten. Die Beschlüsse zur EU-Außen- und Sicherheitspolitik müssen aber von Rat und Ministerrat einstimmig (!) gefasst werden. Gemeinsame politische Linien sind daher schwierig zu finden. Henry Kissinger hätte aber nun eine Telefonnummer in der EU, die er anwählen könnte. Linktipp: www.arte.tv/de [Syrien EU] Beispiele für zehn einflussreiche Staaten und Organisationen: USA, Russland, China, Indien, EU; UNO, NATO, IWF, WTO, Weltbank Führende Staaten nach BIP in Milliarden US-Dollar: Staat/Staatenbund BIP 2013 Rang 2013 BIP 1980 Rang 1980 EU-28 17.266,941 USA 16.724,272 1. 2.789,525 1. China (ohne Hongkong, Macao, Taiwan) 8.939,327 2. 309,266 5. Brasilien 2.190,218 7. 162,615 10. Indien 1.758,216 11. 176,624 13. Österreich 417,900 27. 80,200 23. Zwei Global Player beziehen außenpolitisch Position GO! > Seite 56 Lösungsvorschläge · · Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_ Bruttoinlandsprodukt#cite_note-2, Juni 2014 • Erklärung der Institutionen: IWF (Internationaler Währungsfonds): UN-Sonderorganisation; Aufgaben u. a. Stabilisierung der Währungen, Zusammenarbeit in Währungsfragen und Kreditvergabe WTO (World Trade Organisation): UN-Sonderorganisation zur Regelung des Welthandels und Lösung von Wirtschaftskonflikten Weltbank: UN-Sonderorganisation zur Lösung von Wirtschaftsproblemen durch Kreditvergaben zur Wirtschaftsentwicklung v. a. in Entwicklungsländern Linktipps: www.politik-lexikon.at/ [IWF] www.bpb.de/ [→ Nachschlagen → Lexika → Das Politiklexikon → Weltbank] Positionen zu Menschenrechten, staatlicher Souveränität und weltpolitischer Rolle der USA: – Obama: Zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen müsse gegebenenfalls auch die staatliche Souveränität verletzt und (militärisch) gehandelt werden. Er sieht die USA als mächtigste Nation und Führer solcher Operationen sowie als Garant der Menschenrechte und der Freiheit, die auch deren Partner und Alliierte bejahen. – Putin: Die staatliche Souveränität würde durch die bewaffneten Konflikte – z. B. in Syrien – verletzt. Gewaltanwendung gegenüber einem anderen Staat sei nur unter einem UN-Mandat möglich. Die USA würden in der Weltpolitik und Friedenssicherung nur darauf aus sein, ihre Ideen und Stellung in der Welt zu festigen. Weitere Unterschiede: Obama hebt die Vorrangstellung der Menschenrechte über die staatliche Souveränität stark hervor. Die USA verteidigen diese Rechte. Folgende Schlagworte finden sich in der weiterführenden Rede: „opposition to violence“, „our support for a set of universal rights, including the freedom for people to express themselves and choose their leaders […]“. Dafür setzt sich die USA aktiv ein und sieht nicht weg, wenn Menschen massakriert und getötet werden. Hier spielt Obama auf Russland an und verteidigt auch die von Russland bestrittene Führungsrolle der USA: „Some nations may be able to turn a blind eye to atrocities in other countries. The United States of America is different.“ Oben angeführte und weitere Zitate in: Remarks by the President in Address to the Nation on Libya, National Defense University, Washington, D. C., 7:31 P.M. EDT, 28. 03. 2011, www.whitehouse.gov/photos-and-video/ video/2011/03/28/president-obama-s-speechlibya#transcript, Juni 2014 Putin plädiert für die Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten und kritisiert, dass das selektive Beschützen von Menschenrechten durch äußere Kräfte „oft zur Förderung des Extremismus, Separatismus, Nationalismus und zur Manipulation der öffentlichen Meinung verwendet [werde]. […] Russland nutzt aber nicht nationale NGOs anderer Länder aus und finanziert nicht diese NGOs sowie ausländische politische Organisationen zur Förderung seiner Interessen. […] Unseres Erachtens sollte die Innenpolitik und öffentliche Meinung in anderen Ländern ausschließlich offen beeinflusst werden.“ Zur Rolle Russlands in der UNO bemerkt Putin, dass sein Land keine Resolution gutheißen werde, die Internationale Politik und Wirtschaft 25 lediglich den Interessen des Westens und der USA dient und „in Wahrheit Gewaltaktionen einer der Konfliktseiten stimulieren würde“. Damit bekräftigt er die staatliche Souveränität. Alle oben angeführten Zitate aus: Russland und die Welt im Wandel. Vollständiger Wortlaut, de.ria.ru/ opinion/20120227/262782988.html, Juni 2014 1 Das Jahr 1989 und seine Folgen 1.2 USA – Anspruch und Last internationaler Führung GO! > Seite 59 Lösungen zu Fragen & Aufgaben · 1 Siehe Lexikon GO! 8, S. 188 ff. 2 Mögliche Titel für das Foto: „Ruhe im Sturm“, „Katastrophe und Ahnungslosigkeit“; „Das Leben geht weiter“ Beschreibung: Im Hintergrund der New Yorker Stadtteil Manhattan, die Twin Towers verschwinden im Rauch, im Vordergrund drei Frauen und zwei Männer an der Promenade von Brooklyn; sie unterhalten sich und wirken völlig unberührt vom Geschehen am anderen Ufer, sie scheinen die Tragweite der Ereignisse nicht zu erfassen. Vermutungen über den Bekanntheitsgrad: Der starke Kontrast zwischen Katastrophe und „Idylle“ sowie die „Umkehrung der Ereignisse“ (9/11, der Einsturz der Twin Towers als Hintergrundereignis, die private Situation als dominantes Bildmotiv) machen das Bild ungewöhnlich, fast rätselhaft. „Die Kontroverse um das Foto bewegte auch die Blogs. Der New York Times-Kolumnist Frank Rich verteidigte den Fotografen gegen den Verdacht, er habe das Foto eventuell gestellt: ,Das Foto zeigt uns. Das ist Amerika. Das ist New York. Uns kriegt nichts unter. Wenn uns was umwirft, stehen wir gleich wieder auf! Wir sitzen nicht tagelang herum und weinen.‘“ (Die Reportage. Der Mann, der die New Yorker mitten ins Herz traf. Über den Fotografen Thomas Hoepker, von Sarah Fatima Parsons, www.magda.de/ der-mann-der-die-new-yorker-traf/, Juni 2014) Jonathan Jones, Journalist des Guardian, meinte dazu 2011: „And so, 10 years on, the meaning of this photograph is that memories fade fast. The people in the foreground are us. We are the ones whose lives went on, touched yet untouched, separated from the heart of the tragedy by the blue water of time, which has got ever wider and more impossible to cross. (Jonathan Jones, The meaning of 9/11’s most controversial photo, www.theguardian.com/ commentisfree/2011/sep/02/911-photo-thomas- hoepker-meaning, Juni 2014) Linktipp: www.slate.com/articles/arts/culturebox/2006/09/i_ took_that_911_photo.html 3 Nach Ansicht Hipplers diente der „Krieg gegen den Terrorismus“ neben der Schwächung von al-Qaida auch der Stärkung des US-Einflusses im Nahen und Mittleren Osten und der Stärkung der globalen Führungsrolle der USA. Nach Ash ( GO! 8, S. 90) haben der Afghanistan-Krieg und der Irakkrieg den Ruf der USA beschädigt und das Land durch die Kosten (3,2 bis 4 Billionen Dollar) für Jahrzehnte in eine prekäre Finanzlage gebracht. Auch Stiglitz ( GO! 8, S. 89) betont die finanziellen Auswirkungen des Kampfes gegen den Terror. Beide Autoren sind der Ansicht, dass die Soft Power Amerikas, die ideologisch-kulturelle Anziehungskraft, schwer geschädigt wurde und die USA ihre Position als „moralische Instanz“ durch die Kriegsverbrechen verloren haben. · · GO! > Seite 61 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Vergleich Foto/Karikatur: Während das Foto Bush im Vordergrund in ernster, staatstragender Pose am Rednerpult zeigt (im Hintergrund ein Transparent mit der Aufschrift „mission accomplished“), ist er in der Karikatur winzig und als tänzelnder Bruchpilot dargestellt. Er verdrängt die Realität. Das schwer beschädigte brennende Flugzeug versinnbildlicht die Situation im Irak, Bushs Mission ist keineswegs erfüllt. Aus Propagandagründen stellte sich Bush jedoch als eine Art „Blitzkrieger“ dar, er versuchte, den Anschein zu erwecken, dass die USA schnell und erfolgreich durchgreifen könnten. 26 Lösungen – Zusatzinformationen Bewertung von Stiglitz: Stiglitz zeigt auf, dass Bush die USA unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in einen Krieg verwickelte, falsche Angaben über die Kriegskosten machte und wegen der erhöhten Verteidigungsausgaben das Staatsdefizit stark erhöhte. Stiglitz’ Einschätzung untermauert die Aussage der Karikatur. Zusatzinformation: Das Transparent „mission accomplished“ löste angesichts des mehrjährigen irakischen Guerillakrieges eine heftige Diskussion aus; das Weiße Haus betonte, es sei von der Crew des Flugzeugträgers USS Abraham Lincoln angebracht worden. Kriegsgegner sahen im Schriftzug ein Symbol für die unrealistische Einschätzung der Bush-Administration. 2009 erklärte Bush, dass es ein Fehler gewesen sei, dieses Transparent anbringen zu lassen. 2 Motive der Inszenierung: Bush stellt sich als Held dar, der das Böse bekämpft und Freiheit, Demokratie und Sicherheit bringt. Er möchte als strahlender Sieger wahrgenommen werden, der hält, was er verspricht. Inszenierungen im Fliegeranzug und in Militäruniform zeigen, dass er sich als Angehöriger seiner Truppen zeigen möchte. Bush versucht auch zu zeigen, dass die USA auch nach 1989 und besonders unter seiner Führung die Weltmacht sind. Häufig vorkommende Nomen: Kontrolle (2 x); Terrornetzwerke, Terroristen; Bedrohung/ en (2 x); Nation (2 x); Kampf; Frieden (4 x); Krieg (2 x); Macht (2 x) Mögliche Überschriften: „Die USA, Verteidiger der Freiheit anderer?“; „Bush legitimiert Irakkrieg“ Absicht der Rede: Bush will das militärische Eingreifen der USA im Irak legitimieren, indem er den Diktator Saddam Hussein der Beteiligung an den Terroranschlägen von 9/11 und des Besitzes von chemischen Kampfstoffen beschuldigt. Zudem sei das Eingreifen im Irak keinem Eigeninteresse der USA, sondern der Sicherstellung von Frieden, Sicherheit und Freiheit in der Welt geschuldet. Die USA führe einen gerechten (Abwehr-)Krieg gegen den Terror. 3 Außenminister Colin Powell präsentierte am 05. 02. 2003 im UN-Sicherheitsrat gefälschte Informationen über die Produktion von Massenvernichtungswaffen, um die Weltöffentlichkeit und die eigene Bevölkerung auf den Krieg einzustimmen, der Krieg war längst beschlossene Sache. Er bedauerte später diesen Auftritt als „Schandfleck in seiner Karriere“ (FAZ, 09. 09. 2005). Auf der Münchner Sicherheitskonferenz bekräftigte Außenminister Joschka Fischer die deutsche Antikriegshaltung mit den Worten: „I am not convinced.“ Der UN-Sicherheitsrat verweigerte die Legitimation des Krieges durch ein UN-Mandat, sodass der Irakkrieg völkerrechtlich als illegaler Angriffskrieg gilt, bei dem nach Schätzungen 160 000 Menschen starben. Die von Bush angegebenen Kriegsgründe (Besitz von Massenvernichtungswaffen, Angriffsabsichten) sind inzwischen widerlegt und werden oft als absichtliche Irreführung der Weltöffentlichkeit bewertet. Linktipp: www.youtube.com/ [Es begann mit einer Lüge] 1.3 Al-Qaida – Aufstieg eines Terrornetzwerkes GO! > Seite 62 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Diskussionsanregung, Ergänzung zu Aufgabe 1: Erläutern Sie, inwieweit folgende Aussage aus dem Koran auf Terrorakte im Namen Allahs zutrifft und ob sie einen gewaltsamen Dschihad legitimiert: „Wer einen unschuldigen Menschen tötet, so sei es, als hätte er alle Menschen getötet, und wer einem Menschen das Leben erhält, so sei es, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten.“ (Koran 5,32) 1.4 „Change“ – Barack Obama GO! > Seite 63 Lösungsvorschlag · Fotoanalyse: • Schritt 1: Im Zentrum des Bildes befinden sich drei PolitikerInnen, US-Präsident Barack Obama, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Sie sitzen im Freien vor dem Brandenburger Tor auf schwarzen Sesseln, Obama blickt lachend nach vorne, Merkel (ebenfalls lächelnd) und Wowereit sehen ihn an. Im Hintergrund, hinter verschwommen erkennbaren Absperrungen, sieht man Schaulustige. • Schritt 2: Das Foto wurde so aufgenommen, dass Obama frontal sichtbar ist, Merkel und Wowereit sind nur von der Seite, im Profil, zu sehen. Das Bild wirkt natürlich, es wurde vermutlich aus der Ferne mittels Zoomfunktion gemacht. Der Hintergrund ist deutlich unschärfer als das Zentrum mit den drei Hauptpersonen. • Schritt 3: Auf dem Foto sind der erste schwarze Präsident der USA, die erste deutsche Kanzlerin und der Bürgermeister der geschichtsträchtigen Stadt Berlin zu sehen. Alle drei wirken entspannt – ein „frischer Wind“ scheint Internationale Politik und Wirtschaft durch die Politik zu wehen. Die Inszenierung von Obamas Besuch (Rede, Brandenburger Tor) erinnert an den Besuch John F. Kennedys am 26. 06. 1963 in West-Berlin und an die großen Hoffnungen, die man in Kennedy – wie 2013 in Obama – setzte. Zusatzinformation: Bei Kennedys Rede vor dem Rathaus Schöneberg waren u. a. der Berliner Bürgermeister Willy Brandt (SPD) und führende Militärs der Besatzungsmächte anwesend. Während der Fahrt im offenen Auto durch Berlin saßen Kennedy, Brandt und Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) nebeneinander und machten auch am Brandenburger Tor halt. Linktipp: http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image. cfm?image_id=2352 • Schritt 4: Das Foto zeigt einen Moment vor oder nach Obamas Rede vor dem Brandenburger Tor am 19. 06. 2013. Berlin war eine Station seiner dreitägigen Deutschlandreise. Eine Woche nach Obamas Besuch jährte sich Kennedys berühmte Ansprache ( „Ich bin ein Berliner“ ) zum 50. Mal. Vielleicht wollte Obama an seinen großen Vorgänger erinnern und seinen Kurswechsel symbolisch veranschaulichen. • Schritt 5: Das Bild soll wohl das im Vergleich zum Vorgänger Bush andere Auftreten Obamas unterstreichen: Obama ist deutlich entspannter als viele andere PolitikerInnen und wirkt oft sehr gewinnend; er verspricht, einen Kurs des Aufbruchs und des Wechsels („Change“) in der Politik einzuleiten, und Fotos wie das auf Seite 63 stärken sein Image als ein den Menschen zugewandter, herzlicher, „volksnaher“ Politiker. • Schritt 6: Es bleibt offen, ob das Foto nach oder vor der Rede Obamas aufgenommen wurde. Außerdem wäre interessant zu erfahren, worüber die drei PolitikerInnen gesprochen haben. Linktipp: www.phoenix.de/content/703520 1.5 Die UNO nach dem Ende der bipolaren Ordnung GO! > Seite 65 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Aktuelle Aktivitäten: • UN-Sicherheitsrat: Resolution 1230 zur Verlängerung der Tätigkeit des ICTY (Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien) und S/RES/1231 zur Überwachung des Gebiets um die Golanhöhen (UNDOF) (beide 18. 12. 2013); S/RES/1232: Erhöhung der Truppenstärke im Südsudan (UNMIS) wegen der Unruhen (24. 12. 2013); eine Resoluti- 27 on zum Eingriff in den Syrienkonflikt kam aufgrund eines Vetos von Russland und China nicht zustande. Linktipps: www.unric.org/de unscr.com/en/resolutions www.un.org/en/ [→ Peace and Security → SecurityCouncil → Documents → Resolutions] www.bpb.de/ [→ Internationales → Die Vereinten Nationen] • Generalsekretär: Am 20. 01. 2014 lud Generalsekretär Ban Ki-Moon die iranischen Abgesandten zur Genfer Konferenz zur Regelung des Vorgehens in Syrien kurzerhand wieder aus, weil die iranische Führung die Vorbedingungen (Genf I-Konferenz vom Juni 2012) nicht anerkennen wollte. Neben seiner Friedensarbeit tritt Ban Ki-Moon auch für den Klimaschutz ein und setzte Ende Dezember 2013 zwei Sonderbeauftragte („Klima-Botschafter“) für die Reduktion der Treibhausgase ein. Beim Gipfeltreffen in New York im September 2014 sollen die Staaten ihre Ausstöße offenlegen. Linktipp: www.google.at [Ban Ki-Moon Ausladung Iran; Ban Ki-Moon Klima-Botschafter] • Vollversammlung: Die letzten Resolutionen der Generalversammlung (General Assembly) wurden am 27. 12. 2013 verabschiedet und betrafen Finanzierungsentscheidungen, z. B. die Finanzierung des Kriegsverbrechertribunals. Linktipp: www.un.org/en [→ Peace and Security → General Assembly → Resolutions oder Agenda] 2 Österreichs Beziehung zur UNO: Österreich trat am 14 . 12. 1955 der UNO bei und war seitdem in zahlreichen UN-Institutionen vertreten (z. B. Menschenrechtskommission, Economic and Social Council ECOSOC etc.). 1957 wurde Wien zum Sitz der Internationalen Atomenergieorganisation IAEO und 1967 zusätzlich zum Sitz der UNIDO (UNO-Organisation für industrielle Entwicklung). Mit dem Bau der UNO-City wurde Wien 1979 zum dritten UNO-Sitz. 1971–1981 war der Österreicher Kurt Waldheim UN-Generalsekretär. UN-Hilfsorganisationen samt Aufgabenbereichen, Auswahl: • UNICEF (Weltkinderhilfswerk): humanitäre Hilfe in Notsituationen für Kinder und Mütter • UNHCR (Hoher Kommissar für Flüchtlinge): Schutz und humanitäre Hilfe für Flüchtlinge • UNCTAD (Welthandels-/Entwicklungskonferenz): Förderung des Handels zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten, Nord-Süd-Verständigung • WFC (Welternährungsrat): Koordinierung zur Lösung des Welternährungsproblems (bis 1996) • UNEP (Umweltprogramm): Förderung von Umweltschutz und Nachhaltigkeit 28 Lösungen – Zusatzinformationen Linktipp: www.politik-lexikon.at/index Österreichische Truppenkontingente in UNFriedenstruppen: 1965 Verabschiedung des Bundesverfassungsgesetzes für die Entsendung österreichischer Truppen zur Hilfeleistung ins Ausland; Versendung österreichischer Truppenkontingente u. a. in den Kongo (1960–1963), nach Zypern (1964–1973) sowie in die Golanhöhen (1973–2013) Laut Österreichischem Bundesheer sind mit Stand Jänner 2014 189 Soldaten in folgenden UN-Missionen im Ausland (Gesamtzahl der Soldaten im Auslandseinsatz: 658) – Auswahl: Linktipps: www.bmlv.gv.at/ [→ Sicherheitspolitik → Auslandseinsätze → Zahlen, Daten, Fakten] www.historisch.apa.at/cms/apa-historisch/ [→ Außenpolitik → Österreich und die UNO] 3 Bedeutung der UNO für Gegenwart und Zukunft: Für eine gegenseitige Kontrolle der Staaten gibt es keine Alternative zur UNO. Ein gemeinsames Vorgehen der Mehrheit aller Staaten weltweit ist zur Sicherung, Erhaltung und/oder Wiederherstellung von Frieden und für die Einhaltung der Menschenrechte sehr wichtig. Einsatzgebiet Soldaten Aufgabe Syrien 1 Vernichtung der syrischen Chemiewaffen Libanon 171 Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung Zypern 4 Verhindern des Wiederaufflammens von Kampfhandlungen zwischen den Volksgruppen Afghanistan 3 Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul Westsahara 3 Überwachung des Waffenstillstandsabkommens Westafrika 1 Frieden und Sicherheit umsetzen Naher Osten 3 Friedenserhaltung 2 Die Arabische Revolution 2.1 „Von der Diktatur zur Demokratie“ GO! > Seite 66 che Theatervorführungen (Straßentheater), Verweigerung der Herausgabe von Personalien an die Behörden, Beeinträchtigung von Infrastruktur und Verkehr usw. Literaturtipp: Gene Sharp: Von der Diktatur zur Demokratie: Ein Leitfaden für die Befreiung (2011). C. H. Beck Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die meisten der von Sharp vorgeschlagenen Methoden sind wirksam, wenn es eine Möglichkeit gibt, darüber öffentlich zu berichten. Protestreden, Hungerstreiks oder provozierte Verhaftungen finden nationale oder internationale Beachtung, wenn frei über diese Aktionen berichtet werden kann. Ein Generalstreik setzt aktive und gut organisierte Gewerkschaften voraus. Aktionen der wirtschaftlichen Nichtzusammenarbeit (z. B. Abheben der Bankguthaben) können effizient sein, wenn damit dem Regime die finanzielle Grundlage entzogen wird. Sharps Ideen setzen auch eine Bereitschaft der Akteurinnen und Akteure voraus, eventuelle negative Konsequenzen ihres Handelns zu tragen. Weitere Methoden: Verfassen und Verbreitung von Protestliedern, offenen Briefen, Flugblättern, öffentli- 2.2 Jasminrevolution in Tunesien GO! > Seite 67 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Bildanalyse: Der öffentliche Selbstmord Mohammed Bouazizis war der Auslöser für die Unruhen und Proteste in Tunesien im Jänner 2011. Bouazizi wurde zu einer Symbolfigur für den Protest gegen die schlechten Lebensbedingungen. Das Foto zeigt seine letzte Geste: Er wendet beide Handflächen nach außen und zeigt damit, dass er keine Waffen bei sich hat und sich auch nicht wehren kann. Internationale Politik und Wirtschaft Ein Demonstrant macht eine ähnliche Geste, er streckt ebenfalls beide Hände mit den Handflächen nach außen in die Höhe. Bouazizis Bild wird auf der tunesischen Staatsflagge (roter Halbmond und roter Stern in weißem Kreis auf rotem Grund) getragen, wodurch Bouazizi zu einer Art Nationalheld stilisiert wird. 2 Bereits in den 1980er-Jahren demonstrierten Tunesier Innen und AlgerierInnen gegen ihre prekäre Situation („Brotunruhen“). Der FAZ-Artikel legt nahe, dass Mangel an Freiheit, Demokratie und Möglichkeiten politischer Mitsprache ebenso Auslöser für die Proteste von 2011 waren wie die materiell unerträglichen Lebensbedingungen, weil Freiheit als „Brot des Geistes“ auch für viele Menschen im arabischen Raum unverzichtbar ist. Linktipp: www.polipedia.at [Umbruch im arabischen Raum: Tunesien] 2.3 Sturz des Diktators in Ägypten GO! > Seite 68 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 2013/2014 erfuhr die ägyptische Verfassung eine Novellierung, die im Rahmen eines Referendums angenommen wurde. Die neue Verfassung brachte im rechtlichen Bereich Verbesserungen, insbesondere für Frauen. Die Umsetzung der neuen Rechtslage erweist sich jedoch als schwierig. Die enorme Macht des Militärs bleibt auch durch die neuen Regelungen erhalten. Es wurde außerdem ein Verbot von politischen Aktivitäten auf religiöser Basis erlassen (z. B. Einstufung der Muslimbruderschaft als Terrororganisation); neben dem Islam wurden nur das Judentum und das Christentum voll anerkannt. Vor allem für arme Menschen in Ägypten hat sich die Lage verschlimmert, Korruption ist weiterhin ein großes Problem. Linktipp: www.polipedia.at [Umbruch im arabischen Raum: Ägypten] 2.4 Libyen und Syrien – Krieg gegen das eigene Volk GO! > Seite 70 Lösungen zu Fragen & Aufgaben · 1 Analyse der Karikatur ( GO! 7, S. 132–134): • Schritt 1: Rechts ein westlich aussehender Mann in Militäruniform mit Nato-Helm und einem Schwert in der rechten Hand, ihm gegenüber ein orientalisch wirkender Mann, der von einer mächtigen Würgeschlange mit menschlichem Gesicht, Haaren, Kappe und der Aufschrift 29 „Gaddafi-Regime“ gefangen ist; der NATO-Soldat hat der Schlange ein Stück ihres Schwanzes abgeschlagen, die beiden Männer sind durch ein Schild und eine Bodenmarkierung voneinander getrennt. • Schritt 2: Die Schlange trägt den Schriftzug „Gaddafi-Regime“, auf dem Oberkörper des Mannes steht „OPP.“ („Opposition“). Der NATO-Soldat entschuldigt sich, dass er ihm nicht wirklich helfen kann („Bedaure ...“): Das Schild „STOP! Grenze des UN-Mandats“ und die Bildunterschrift: „… weiter darf ich nicht!“ machen klar, dass die NATO die Opposition nur unzureichend unterstützen kann. • Schritt 3: Die Schlange steht für Muammar al-Gaddafi (→ charakteristische Frisur, Kappe), bzw. sein Regime das eine tödliche Bedrohung für die Opposition darstellt. Zwar konnte die NATO militärisch eingreifen (Entsendung von Kampfflugzeugen), doch verbot das UN-Mandat ein tatsächlich wirksames Einschreiten. • Schritt 4: Die Karikatur zeigt die Situation von 2011, als die libysche Opposition gegen das Gaddafi-Regime vorging und der UN-Sicherheitsrat beschloss, aufseiten der Oppositionellen einzugreifen. • Schritt 5: Der Zeichner kritisiert, dass das UN-Mandat keine ausreichenden Befugnisse festlegt: Die militärischen Aktionen gegen das libysche Regime sind nur bedingt erfolgreich, weil keine ausländischen Besatzungstruppen zugelassen werden. 2 Im Fall von Libyen bekannte sich der UN-Sicherheitsrat zur neuen Doktrin der „Einmischung“ in die inneren Angelegenheiten des Landes, weil die Rechte der Zivilbevölkerung geschützt werden sollten. In Syrien kam es zu keinem UN-Mandat und zu keinem militärischen Einschreiten außersyrischer Mächte. Russland und China blockierten den UN-Beschluss zum Eingreifen in Syrien, nicht zuletzt, weil Russland und Syrien insbesondere in der Ölindustrie eng zusammenarbeiten. So konnte man sich in den UN nur zu halbherzigen Aktionen, etwa zur Entsendung eines Sondergesandten nach Syrien, entschließen. Zwar hatte US-Präsident Barack Obama bekannt gegeben, dass der Einsatz von chemischen Waffen durch das Regime eine Grenzüberschreitung sei, dennoch kam es auch nach einem Chemiewaffeneinsatz zu keinem Einschreiten der USA. Die Regierung Obama wollte sich offenbar nicht auf ein weiteres hoch riskantes militärisches Abenteuer einlassen. 3 Der Kurier-Artikel kritisiert die Schwäche des UNSicherheitsrates, sich trotz des grausamen Bürgerkrieges in Syrien zu keiner Resolution durchringen zu können. Im zweiten Artikel wird die Haltung des russischen Präsidenten Wladimir Putin wiedergegeben. Das 30 Lösungen – Zusatzinformationen Beispiel Libyen habe gezeigt, dass ein autokratisches Regime durch ein noch aggressiveres ersetzt worden sei; eine ähnliche Entwicklung gelte es in Syrien zu verhindern. Den humanitären Einsatz in Syrien sieht Putin als Vorwand für den Versuch, Gaddafi zu stürzen. Putin argumentiert damit gegen einen internationalen militärischen Einsatz in Syrien und regt dazu an, die Souveränität des Landes zu achten. Linktipps: www.wienerzeitung.at [→ Dossiers → Arabische Revolution → Libyen bzw. Syrien] www.welt.de [Home → Themen von A bis Z → Syrien – Krise] www.arte.tv [Syrien: Ein Land vor dem Kollaps] 3 Globalisierung 3.1 Die Welt „globalisiert“ – aber warum? GO! > Seite 72 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Punkte in der Mindmap: Ende des Ost-West-Konfliktes, Öffnung der Ostblockstaaten, Aufhebung des Bretton-Woods-Systems, neue Kommunikationsmöglichkeiten (insbesondere Internet), Abbau von Zollschranken, billigere Transportkosten, Liberalisierung des Welthandels, Entstehung eines (globalen) Umweltbewusstseins (Club of Rome) 2 Mögliche Beispiele: Große, weltweit wichtige Problemstellungen wie beispielsweise die steigenden CO2-Emissionen beschränken sich meistens nicht auf einzelne Staaten, ihnen kann nur gemeinsam in einem globalisierten Kontext begegnet werden (z. B. UN-Klimakonferenzen). Durch die Globalisierung der Finanzmärkte können die einzelnen Staaten auch in die Wirtschaft nicht regulierend eingreifen, dies ist nur gemeinschaftlich möglich. Die Staaten, die sich vereint diesen „big problems“ widmen, verlieren dadurch aber die Sicht auf die „small problems of life“: Viele Menschen fühlen sich mit ihren täglichen Sorgen (z. B. Versorgung der Familie, private Verschuldung, Infrastruktur) vom Staat im Stich gelassen. 3 „Glokalisierung“ deckt sowohl einen „globalen“ als auch einen „lokalen“ Aspekt ab. Robertson geht nicht davon aus, dass sich das Lokale (bzw. Regionale oder Nationale) und das Globale diametral gegenüberstehen, sondern sich wechselseitig auf komplexe Art und Weise durchdringen und neue Wirkzusammenhänge hervorbringen. Linktipps: www.oceo-consult.com www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/GuS_29_Glokalisierung.pdf 4 Mögliche Gründe für den Erfolg des www: Demokratisierung, Mitsprache, Erleichterung der Kommunikation, schneller und unkomplizierter Zugriff auf große Datenmengen, Meinungsbildung, Anonymität ( GO! 7, S. 162–164) 5 Keine Musterlösung möglich. · 3.2 „Globo“ – die Welt als kleines Dorf GO! > Seite 73 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Rückschlüsse: Im 19. und 20. Jh. ist die Bevölkerung Afrikas am stärksten gestiegen: Sie hat sich verdreizehnfacht. Mehr als die Hälfte aller Menschen stammt aus Asien. In naher Zukunft wird auf allen Kontinenten die Anzahl der Älteren im Verhältnis zu den Jüngeren steigen. Das reale Einkommen war sowohl 1820 als auch 2000 in Nordamerika am höchsten. Der Ölverbrauch ist in Afrika am schwächsten, was auf einen niedrigen Industrialisierungsgrad schließen lässt. Gleichzeitig müssen Menschen in Afrika am längsten arbeiten, um sich einen „BigMac“ leisten zu können. Armut ist vor allem in Afrika und Lateinamerika ein Problem. Europa und Nordamerika sind die reichsten Kontinente (erkennbar etwa an der hohen Anzahl an Autos). In Nordamerika sind private Handfeuerwaffen am meisten verbreitet, was am Status von Waffen in den USA liegen könnte (der zweite Zusatzartikel zur Verfassung der USA garantiert das Recht, Waffen zu besitzen). In Nordamerika befindet sich die wichtigste Militärmacht, nämlich die USA: Die Rüstungsausgaben sind hier weltweit am höchsten. 2 Keine Musterlösung möglich. Internationale Politik und Wirtschaft 3.3 Der Siegeszug des Kapitalismus GO! > Seite 75 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Bis 1990 war der Kapitalismus fast ausschließlich ein Phänomen entwickelter und westlich orientierter Staaten. Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes entwickelten sich die als „Schwellenländer“ bezeichneten Staaten sehr schnell in Richtung kapitalistischer Systeme. 2007 hatten die USA als Musterbeispiel eines wirtschaftsliberalen Staates das weltweit größte Bruttoinlandsprodukt (BIP). 2 BIP, Stand 2007: Brasilien: 1.347 Mrd. US $; Russland: 1.285 Mrd. US $; Indien: 1.137 Mrd. US $; China: 3.287 Mrd. US $ BIP, Stand 2012 Brasilien: 2.253 Mrd. US $; Russland: 2.015 Mrd. US $; Indien: 1.842 Mrd. US $; China: 8.227 Mrd. US $. In allen BRIC-Staaten ist das BIP erheblich gestiegen, am stärksten in China. Linktipp: http://data.worldbank.org/ 3 „Alternatives Finanzsystem“: Das Bankensystem soll demokratisch legitimiert und gemeinwohlorientiert sein; Verbot von Casinos und Glücksspiel; starke Kapitalverkehrskontrollen; globale Steuerkontrollen „Solidarisches Europa“: Die europäische Politik soll verstärkt den Menschen, die ökologischen Lebensgrundlagen sowie die Vielfalt des Kontinents und weniger die Wirtschaft im Blick haben. „Gerechter Welthandel“: Globale Organisationen sollen sich für die Wahrung der 31 Menschenrechte, für menschenwürdige Arbeit, für Umwelt und Demokratie sowie für eine Bekämpfung der Armut einsetzen, nicht wie bisher einseitig für die Wahrung von Wirtschaftsinteressen. „Ernährungssouveränität“: Die Lebensmittel- und Agrarpolitik soll demokratisiert werden, um ausreichend Lebensmittel für alle Menschen produzieren und verteilen zu können. „Soziale Sicherheit“: Die Staaten müssen für eine öffentliche Grundversorgung ihrer BürgerInnen eintreten. „Klimagerechtigkeit“: Der Klimawandel, eines der wichtigsten ökologischen Probleme, muss global gelöst werden. Linktipps: www.attac.at konsumpf.de alternativerealitaet.info 3.4 „Mensch vor Profit“ – die NGOs GO! > Seite 76 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Ein extrem hoher GINI-Koeffizient ist in einigen Staaten Afrikas (Südafrika, Botswana, Zentralafrikanische Republik, Sierra Leone) festzustellen: Hier ist das Vermögen besonders ungleich verteilt. Für viele andere afrikanische Staaten gibt es keine Angaben. Auch in Lateinamerika gibt es viele Staaten, in denen ein hohes Maß an sozialer Ungleichheit zu beobachten ist. In den Staaten Mittel- und vor allem Nordeuropas sowie in Kanada und Australien ist der GINI-Koeffizient sehr niedrig, was auf eine gerechte Verteilung des Vermögens schließen lässt. 2 Österreich ist ein demokratischer Rechtsstaat, der auf einer Verfassung und Gesetzen aufbaut. Damit werden den Bürgerinnen und Bürgern gewisse Rechte zuerkannt, 32 Lösungen – Zusatzinformationen die vor Ungleichheit schützen. Auch das österreichische Sozialsystem federt soziale Ungerechtigkeiten ab. In Österreich gibt es daher einen relativ breiten Mittelstand und es findet eine stärkere Umverteilung des Vermögens als z. B. in den USA statt. „Es erfolgt eine deutlich vertikale Umverteilung. Das unterste Drittel der drei Millionen Haushalte zahlt zwar nur 13 Prozent des gesamten Steueraufkommens, erhält jedoch 43 Prozent aller Sozialleistungen. Das mittlere Drittel zahlt 28 Prozent und erhält 32 Prozent, das oberste Drittel trägt 59 Prozent der Steuerlast und bezieht 25 Prozent der Sozialleistungen. […] Im internationalen Vergleich ist Österreich damit absoluter Spitzenreiter. Im Schnitt machen die Transferleistungen 36,6 Prozent vom verfügbaren Einkommen aus. Zum Vergleich: In Schweden liegt der Wert bei 32,7 Prozent, in Deutschland bei 28,2 Prozent, in transferaversen Ländern wie Großbritannien und den USA bei 14,5 beziehungsweise 9,4 Prozent.“ (Linsinger, Bauer: „profil“ vom 22. 10. 2009, www.profil. at/articles/0943/560/253978/ungerechtes-oesterreichumverteilungs-steuerpflichtigen, Juni 2014) 3 Auswahl: „Human Rights Watch“ (HRW): setzt sich weltweit für den Schutz und die Verteidigung der Menschenrechte ein. Ziel dieser NGO ist es, den Opfern eine Stimme zu geben und die Verantwortlichen für die Missstände zur Rechenschaft zu ziehen. HRW übt öffentlichen Druck auf politische EntscheidungsträgerInnen aus, um Menschenrechtsverletzungen zu beenden. „Attac“: steht für „Association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens“ (Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen zugunsten der BürgerInnen). Diese NGO ist international aktiv und setzt sich für eine demokratische und sozial gerechtere Gestaltung der globalen Wirtschaft ein. Attac hat es sich zum Ziel gesetzt, über wirtschaftspolitische Vorgänge und Entwicklungen aktiv zu informieren und mögliche Alternativen aufzuzeigen. 4 Direkte Hilfe: NGOs leisten humanitäre Hilfe, schützen Menschen, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden, bieten Möglichkeiten zur Ausbildung an u. v. m. Wenn äußere Umstände (politisches System, Kriege und Konflikte usw.) direkte Interventionen nicht zulassen, versuchen NGOs, ihre Ziele durch Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying zu erreichen. Sammeln und Veröffentlichung von Informationen: NGOs sammeln und veröffentlichen Informationen über Missstände, Menschenrechts- und Gesetzesverletzungen u. Ä. Auf Regierungen, die ihren Pflichten nicht nachkommen, soll damit Druck ausgeübt werden. Organisationen wie das Rote Kreuz oder Amnesty International genießen in der Weltöffentlichkeit ein hohes Ansehen. Kampagnen und Lobbying: NGOs starten Briefkampagnen, Straßenaktionen und Demonstrationen, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Dabei spielt die Kooperation mit den Medien eine große Rolle, insbesondere das Internet gewinnt immer mehr an Einfluss. Je mehr Unterstützung diese Kampagnen in der Öffentlichkeit finden, umso eher können NGOs ihre Ziele durchsetzen. Linktipps: www.hrw.org www.attac.at kompass.humanrights.ch [→ Themen → NGOs] Internationale Politik und Wirtschaft 33 ExpertInnengespräch: Finanzkrise, Eurokrise, Staatenkrise GO! > Seite 77–79 Einflussnahme auf den politischen Prozess, z. B. durch die Teilnahme an (nationalen und EU-weiten) Wahlen, bewusste Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Wirtschaftsthemen Zur Person Margit Schratzenstaller-Altzinger: Margit Schratzenstaller-Altzinger, geboren 1968 in Deutschland, ist seit 2003 Mitarbeiterin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, wo sie insbesondere als Referentin für öffentliche Finanzen tätig ist. Sie forscht in den Bereichen Makroökonomie und europäische Wirtschaftspolitik und beschäftigt sich außerdem mit der Entwicklung und den Reformen im öffentlichen Sektor. 3.5 Muhammad Yunus: Den Teufelskreis der Armut durchbrechen Lösungen zu Fragen & Aufgaben GO! > Seite 81 1 Finanzkrise: Der Finanzkrise muss sowohl mit Sparmaßnahmen als auch mit größeren Investitionen begegnet werden. Bankenrettung: Systemrelevante Banken müssen gerettet werden, weil sonst die Folgekosten zu hoch werden. Euro: Die Wirtschafts- und Währungsunion der EU funktioniert nur, wenn die Ungleichgewichte innerhalb der EU abgebaut werden. Kostenübernahme: Reichere Länder sollten ein gewisses Maß an Transferleistungen an ärmere Länder übernehmen. Verhältnis von Politik und Finanzmärkten: Momentan ist die Politik gegenüber den Finanzmärkten wenig durchsetzungsfähig; das könnte durch verstärkte internationale Kooperation und neue Regulierungsmaßnahmen verändert werden. Zukunftsperspektive: Für eine bessere Zukunftsperspektive hält es die Expertin für notwendig, dass Politik und Gesellschaft möglichst schnell auf die dringenden Probleme reagieren. 2 Keine Musterlösung möglich. 3 Konsequenzen für Finanzministerin: verstärkte internationale Zusammenarbeit, Regulierung der Finanzmärkte durch neue Gesetze, Sparprogramm bei gleichzeitigen Investitionen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln Konsequenzen für Bankmanager: Verringerung der Zinsen auf Spareinlagen, Erhöhung der Kreditzinsen, Stärkung des Eigenkapitals der Bank Konsequenzen für Maturantin: Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Armut ist Ursache und Folge von verschiedenen Entwicklungen, die sich jeweils gegenseitig bedingen. Wirtschaftliche Faktoren wie geringe Produktion und geringes Wachstum spielen ebenso eine Rolle wie soziale Faktoren (Krankheit, mangelhafte Ausbildung, wenig Nahrung). Das System der Mikrokredite kann den linken Kreis und den rechten Kreis unterbrechen, denn mit günstigen Krediten kann einerseits der Konsum angeregt werden, andererseits können Investitionen getätigt und damit das Wachstum gefördert werden. 2 Mikrokredite können zur Friedenssicherung beitragen, weil sich durch die Vergabe von günstigen Kleinkrediten die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Arm und Reich verkleinern können. Es kommt zu weniger Spannungen, der soziale Frieden wird dadurch gesichert. 3 Mikrokredite zielen vordergründig nicht darauf ab, dass Kreditinstitute Gewinn machen, und stehen damit im Gegensatz zu kapitalistischen Grundgedanken. Auch die KreditnehmerInnen werden durch das System der Mikrokredite nicht reich; dennoch kann die Armut auf diese Weise wirksam bekämpft werden. Menschen können so dazu befähigt werden, wieder selbstständig für sich zu sorgen. Linktipps: www.zeit.de [„Mein gutes Geld“] www.mikrokredite.biz [Das Mikrokredit-Programm des Nobelpreisträgers Muhammad Yunus für die Dritte Welt] 34 Lösungen – Zusatzinformationen 4 Der wirtschaftliche Aufstieg der BRIC-Staaten 4.1 „Typisch BRIC“ GO! > Seite 82 4.3 Russland und Brasilien – Reichtum an Rohstoffen GO! > Seite 85 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Analyse und Interpretation: Die Regierungschefs von Russland, Brasilien, China und Indien stehen nebeneinander, hinter ihnen sieht man die Flaggen ihrer Herkunftsstaaten. Sie reichen einander die Hände und signalisieren damit Geschlossenheit, Zusammenhalt und Solidarität. Alle vier Männer lächeln, sie wirken entspannt, tatkräftig und zuversichtlich. Sie wollen wohl auch als aufstrebende Wirtschaftsmächte verstanden werden. Das In-dieHöhe-Halten der Hände kann als Siegesgeste interpretiert werden: Die BRIC-Staaten sehen sich als die Gewinner der Zukunft. 2 In Indien und China führen v. a. eine ökonomische Liberalisierung und Modernisierung zu einem erhöhten Wirtschaftswachstum und lassen die beiden Staaten in der Weltwirtschaft an Bedeutung gewinnen; Brasilien und Russland profitieren von der Förderung und Abhängigkeit der Weltwirtschaft von ihren großen Rohstoffreserven. 4.2 China und Indien – zwei mögliche Supermächte GO! > Seite 84 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die Karikatur will zeigen, dass das chinesische Wirtschaftswachstum auf Kosten der Umwelt erfolgt und Umweltschutzbestimmungen als Gefährdung des Wachstums angesehen werden. Das Wirtschaftswachstum wird in der Karikatur als bedrohlicher Drache dargestellt, der einen „Haufen“ Kot erzeugt, d. h. eine Menge an Umweltbelastungen mit sich bringt. Dem Drachen und dem Kothaufen steht die chinesische Regierung mit ihren Umweltschutzauflagen machtlos gegenüber – verkörpert durch die kleine Person des Ministerpräsidenten mit Mundschutztuch und Kehrschaufel. 2 Lösungsvorschlag, Anregungen: Positive Gedanken zum Wachstum: Geschäfte laufen besser, mehr Einnahmen, besserer Lebensstandard, mehr Geld für die Familie Negative Gedanken zum Wachstum: Ungleichheit wächst, Niedergang traditioneller wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen, wachsende Abhängigkeit von der Weltwirtschaft (z. B. Absatz) Lösungsvorschlag · Problemgehalt der Karikatur: Russland und die Türkei können Europa damit drohen, den „Gashahn zuzudrehen“: Zwar versucht die EU – u. a. aufgrund des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine – sich unabhängiger von Erdöl- und Gaslieferungen aus Russland zu machen; doch auch Lieferungen, die über die Türkei in die EU-Staaten gelangen, wie sie das 2009 noch aktuelle Projekt der Nabucco-Pipeline vorgesehen hätte, hätten das Problem der Abhängigkeit von Nicht-EU-Staaten im Bereich der Energieversorgung nicht gelöst. Eine Energieautarkie der EU wäre auch mit der „Nabucco-Pipeline“ nicht erreicht worden. Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Gründe für das Scheitern: • Grund 1: Das TAP-Projekt (Pipeline von der Türkei durch Griechenland über die Adria bis nach Italien) ist kürzer und damit günstiger. • Grund 2: Laut EU-Recht dürfte die Pipeline auch von alternativen Anbietern genutzt werden, womit die Kapazität der Lieferungen der Initiatorinnen und Initiatoren des Projekts (u. a. OMV) geschmälert würde. • Grund 3: Russland wünscht die Beibehaltung des Status quo, um nicht die Kontrolle über die Gaslieferungen zu verlieren, die über russisches Terrain laufen. Auswirkungen für die EU: Zur Deckung der Energieversorgung bleibt die EU weiterhin von Erdgaslieferungen aus und durch Russland abhängig. Beispielsweise durch den Atomausstieg Deutschlands wird die Menge an Erdgaslieferungen in naher Zukunft zudem deutlich ansteigen. Die EU kann einem möglichen Druck seitens Russlands nur wenig entgegensetzen, will sie keine Störung der Energieversorgung riskieren. 2 Russland: Weite Teile Russlands sind klimabedingt spärlich besiedelt. Einigen russischen Regionen wird wegen ihrer reichen Rohstoffvorkommen die Unabhängigkeit verweigert und ihr Verbleiben in der russischen Föderation erzwungen. Zudem laufen alle Pipelines der ehemaligen kaukasischen Sowjetrepubliken über russisches Terrain. Die Ausbeutung der Rohstoffe etwa in Sibirien zerstört den ursprünglichen Lebensraum der Indigenen (z. B. Chanten und einiger Völker Sibiriens) und damit auch deren Kultur und Lebensweise. Internationale Politik und Wirtschaft Brasilien: Für die Biospritproduktion werden weite Teile des Urwalds abgeholzt. Zahlreiche indigene Stämme (z. B. Akuntsu, Arara, Awá, Guarani, Yanomami, Zo’é etc.) verlieren dadurch ihren natürlichen Lebensraum, 35 wodurch deren Lebensweise und Kultur gefährdet und womöglich untergehen wird. Sie müssen wegziehen oder werden zwangsumgesiedelt. Linktipp: www.survivalinternational.de/indigene [z. B. Akuntsu] Methode: Historische und politische Urteile analysieren und vergleichen GO! > Seite 86–90 Zur Bedeutung der vorgestellten Methode SchülerInnen entwickeln im Zuge ihrer Beschäftigung mit Geschichte selbst historische Sach- und Werturteile und werden auch häufig mit historischen Urteilen anderer über vergangenes Geschehen konfrontiert. Erst mittels dieser Urteilsfindung entstehen Orientierungskompetenzen und in Folge historisches Lernen. Deshalb scheint es von besonderer Bedeutung, dem Prozess der Urteilsbildung und der Frage nach der Qualität eines formulierten Urteils zu einem historischen Sachverhalt besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In GO! 8 wird dies anhand des Themas 9/11 demonstriert. Der Ökonom Stiglitz und der Historiker Ash sind renommierte Wissenschaftler, die wissenschaftlich fundiert argumentieren und dennoch in ihrer Bewertung des historischen Ereignisses partiell voneinander abweichen. Die Analysemethode setzt sich aus fünf Schritten zusammen: Erkennen des Urteils – Argumentation – Bewertung – Vergleich mit einem anderen Urteil – Bildung eines eigenen Urteils. · Lösungsvorschlag für die Anwendungsaufgabe · Analyse des Textes „Der Preis von 9/11“ • Schritt 1: Stiglitz konzentriert sich auf die wirtschafts- und sicherheitspolitischen Folgen von 9/11 für die USA. Er legt dar, dass 9/11 den USA geschadet hat, besonders wegen der Fehler der Bush-Administration. • Schritt 2: Er sieht das Staatsdefizit sowie die hohe Arbeitslosenrate in der Kriegspolitik im Nahen Osten begründet. Durch das Verschleiern der wahren Kriegskosten wurde auch die Sicherheit der USA gefährdet und durch Menschenrechtsverletzungen das Ansehen Amerikas geschwächt. Obwohl al-Qaida besiegt wurde, erfuhr der Nahe Osten durch die Folgen der US-Interventionen in Afghanistan und im Irak Destabilisierung. Die Kriege waren ein Desaster, das die US-Regierung aber zu verschleiern suchte. Die überteuerten Ölimporte wurden durch eine Immobilienblase und einen Konsumboom überdeckt. Die realen Kriegskosten wurden nach unten korrigiert ausgewiesen. Diese und zahlreiche wirtschaftspolitische Aktionen der BushRegierung (Steuererleichterungen für Reiche etc.) ließen das Defizit anwachsen und die USA in eine Krise schlittern. Trotz hoher Kriegskosten wurden die Militärs nur ungenügend ausgestattet. Dadurch wurde auch die Sicherheit der USA selbst gefährdet. Durch Menschenrechtsverletzungen verloren die USA den Führungsanspruch in der Welt. Dennoch sieht Stiglitz auch Chancen insofern, als die USA intensiver über militärische Problemlösungen und eine Umschichtung der Ressourcen des US-Budgets nachdenken würden. • Schritt 3: Der Ersteindruck ist positiv. Alle Argumente untermauert Stiglitz mittels Beispielen. Der Argumentationsgang ist logisch, zum Teil mit Themensprüngen versehen, zeigt aber eine inhaltliche Kontingenz: Durch die Kriege und die enormen Militäraufwendungen wären die USA wirtschaftlich dauerhaft geschädigt worden. Um dies nicht publik werden zu lassen, wären Tatsachen verschleiert worden, was u. a. auch die Sicherheit der USA gefährdet hätte. Als Folge der Aktionen um 9/11 könnten aber Reformideen verstärkt ins Blickfeld rücken. Als Nobelpreisträger und Wirtschaftsprofessor an der Columbia University ist an der Fachkompetenz von Stiglitz in ökonomischen Angelegenheiten nicht zu zweifeln. In einem Zeitungsartikel sind keine Quellenverweise notwendig. • Schritt 4: Eintragung in die Tabelle in GO! 8, S. 88 (Lösungsvorschlag: S. 36) • Schritt 5: Beide Experten sind in ihrer Argumentation überzeugend. Stiglitz hebt – stärker als Ash – den wirtschaftlich- · 36 Lösungen – Zusatzinformationen finanziellen Aspekt hervor, weil er als Wirtschaftswissenschafter v. a. in diesem Bereich ein Expertenurteil abgeben kann. In seinem Beitrag fehlen etwa die Rolle anderer Nationen und deren veränderte Beziehungen zu den USA nach 9/11 und den Kriegen. Auch die psychologischen Folgen sind bei Stiglitz nicht und seine Argumentation zur Gefährdung der Sicher- heit zu wenig ausführlich ausgeführt. Durch seine Ausführungen werden etwa die politischen Aktionen der Obama-Regierung verständlicher (z. B. genaues Abwägen, ob ein militärisches Eingreifen sinnvoll ist und warum eher diplomatische Lösungen gesucht werden). Position der Autoren zur Entwicklung der USA nach 9/11 USA-kritisch, (wirtschaftliche und außenpolitische) Schwächung der USA, Chancen für Reformen Auswirkungen der Kriege auf die Wirtschaft Dauerhafte Erhöhung des Staatsdefizits, Arbeitslosigkeit, erhöhte Ausgaben für Ölimporte, Verschleierung der Mängel durch Immobilienblase und Konsumboom Auswirkungen der Kriege auf die Sicherheit Sicherheit stark bedroht durch schlechte Ausstattung der Militärs; strategische Vorteile für Feinde (leichteres Abschätzen, ob militärische Aktionen durchgeführt werden) Auswirkung auf die Soft Power (internationales Ansehen) der USA Negative Folgen durch Menschenrechtsverletzungen (z. B. Folter) Auswirkungen auf die Politik USA büßen weltpolitische Macht ein; Regierung verliert an Glaubwürdigkeit wegen der Täuschungsmanöver über die Kriegskosten und -absichten Positive Folgen der Kriege Bedrohung durch al-Qaida vermindert; Chancen für Reformen (Umschichtung im Budget, Verringerung der Militärausgaben) Gemeinsamkeiten Einig sind sich Ash und Stiglitz in den negativen wirtschaftlichen Folgen der Kriege für die USA sowie im Verlust der Zuschreibung als Soft Power und des Einflusses in der Weltpolitik. Unterschiede Siehe · GO! 8, S. 88 5 „We are the 99 %“ – Occupy Wall Street Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 2 GO! > Seite 91–93 Den Abschluss von Kapitel 2 bildet der Transfer-Abschnitt „We are the 99 %“ – Occupy Wall Street. Die Occupy-Bewegung entstand 2011 als Reaktion auf die größte Finanzkrise seit 1929, die 2008 begonnen hat und nach wie vor die Weltwirtschaft beeinflusst. Die Occupy-Bewegung stellt die seit 1989 weltumspannende Dominanz des Kapitalismus infrage. Durch die Finanzkrise haben Arbeitslosigkeit und Perspektivenmangel unter Jugendlichen in vielen Staaten der westlichen Welt zugenommen und bei vielen Betroffenen entstand bzw. entsteht der Eindruck, dass die Politik sich wesentlich stärker an den Interessen von Banken und Konzernen orientiert als an den Bedürfnissen der Bevölkerung. Menschen, die sich mithilfe neuer Medien wie Facebook und Twitter in den arabischen und in südeuropäischen Ländern wie Spanien und Griechenland zu Protestgruppen zusammenschlossen, waren die Vorbilder der Beset zerInnen des Zuccotti-Parks in New York. Obwohl die Occupy-Bewegung auch zahlreiche prominente UnterstützerInnen fand, wurde die Gruppe bereits im Jahr 2011 von der Polizei aus dem Zuccotti-Park vertrieben und die Bewegung scheiterte. Trotzdem meint der deutsche Politikwissenschaftler Claus Leggewie 2012: „Occupy steht nicht nur für sich. Occupy hat zu einem globalen Stimmungswechsel beigetragen, der vorher schon begonnen hatte und nach wie vor im Gange ist. […] Wir sollten Occupy in historischem Kontext sehen, und nicht nur im Zeitraum eines Jahres. Von den siebziger Jahren bis in die jüngere Vergangenheit war das neoliberale Modell hegemonial. Nun ist es das nicht mehr. […] Die 68er haben die Welt auch nicht alleine verändert; die DDR-Bürger, die sich als kleines Fähnlein in der Zionskirche getroffen und das Neue Forum gegründet haben, haben die friedliche Revolution nicht ohne Gorbatschow herbeigeführt. Doch die Bilder, die sie erzeugt haben, wirkten in der Gesellschaft. Heute haben nicht wenige Menschen das Gefühl, dass Occupy schon seit Jahren läuft und nicht erst seit Herbst 2011. Es ist also weniger wichtig, was Occupy konkret auf der Straße gemacht hat, als die symbolische Bedeutung der Bewegung.“ („Occupy ist zu lieb“, Interview mit Claus Leggewie, Süddeutsche.de, 18. 9. 2012; www.sueddeutsche. de/politik/interview-mit-claus-leggewie-occupy-ist-zulieb-1.1469787, Juni 2014) Internationale Politik und Wirtschaft 5.1 Protest der Zivilgesellschaft GO! > Seite 91 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die Demonstrantin weist möglicherweise darauf hin, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung zwar für frei hält, in Wirklichkeit aber längst in eine starke Abhängigkeit von kapitalistischen Entwicklungen, insbesondere von der Macht des Banken- und Finanzsektors geraten ist. Das Zitat spricht sogar von einer „hoffnungslosen Versklavung“ derer, die ihre Unfreiheit nicht erkennen. 2 Korrektur: Der Aufruf stammt vom 13. Juli 2011, nicht vom 13. Juni. Durch die schnelle und freie Möglichkeit der Nachrichtenübertragung im Internet, insbesondere in den sozialen Netzwerken, informierten sich viele Menschen über die Protestbewegung in Ägypten. Vor allem auf dem Tahrir-Platz in Kairo demonstrierte die Bevölkerung erfolgreich gegen das Regime von Hosni Mubarak ( GO! 8, S. 68). Die Occupy-Bewegung nahm diesen erfolgreichen Protest der Zivilbevölkerung zum Anlass, gegen die Unterdrückung durch die Banken zu demonstrieren. Im Text werden außerdem die „acampadas“ (Zeltlager) in Spanien angesprochen. Damit sind die auch als „Movimiento 15-M“ bekannten Proteste gemeint, die im Mai 2011 in 58 spanischen Städten initiiert wurden und einen radikalen Wandel in der (Wirtschafts-)Politik forderten. Linktipps: occupywallst.org www.occupytogether.org www.adbusters.org · 5.2 Wie alles begann GO! > Seite 92 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Vorschlag Übersetzung: „Die Banken haben einen Besitzanspruch auf dich/euch! Die Regierung hat eine Kreditkarte ohne Begrenzung und du bist/ihr seid ihr Pfand. Wir sind die 99 Prozent.“ Die Occupy-Bewegung kritisiert mit diesem Plakat, dass die Gesellschaft ( „the 99 %“ ) durch die Macht der Banken bzw. der Reichen (1 %) unterdrückt wird. Die Politik korrigiert diesen Missstand nicht, sondern geht sorglos mit den Staatsfinanzen um; dass die Bevölkerung die negativen Folgen tragen muss, wird als „Kollateralschaden“ akzeptiert. Mit den „99 Prozent“ ist die Mehrheit der Bevölkerung gemeint, die nicht von den Vorgängen im Finanzsektor 37 profitiert. Die Zahl macht deutlich, dass es sich um eine große Mehrheit handelt, die von einer kleinen Minderheit unterdrückt wird. Die Prozentangabe ist nicht ganz wörtlich zu nehmen, dennoch trifft sie zu: In Österreich gab es 2013 fast 100 000 Dollar-Millionäre (rund 1,17 % der Bevölkerung; Tendenz steigend), in Nordamerika sind es rund 0,7 % der Bevölkerung. Rund 0,2 % der Weltbevölkerung zählen zu Dollar-Millionären. (derstandard.at/ 1371169987707/Fast-100000-Dollar-Millionaere-in- Oesterreich, Juni 2014) 2 Gründung von Diskussions- und Arbeitsgruppen, Aufstellen von Protestcamps, Besetzung von öffentlichen Plätzen und Parks, öffentliche Demonstrationen, Onlineaktivitäten, z. B. in sozialen Netzwerken 5.3 Hintergründe der Protestbewegung GO! > Seite 93 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 „Gefühl, dass die Demokratie nicht richtig funktioniert“; „dass die Demokratie nicht richtig funktioniert und große Konzerne oder die Finanzmärkte zunehmend bestimmen, welche Entscheidungen getroffen werden“; „Arbeits- und Perspektivlosigkeit“; „massive Schulden“; „Entlassungen oder Wohneigentumsverlust“; „zunehmende Ungleichverteilung von sozialen und wirtschaftlichen Chancen“ Auch Graeber nennt die kritische finanzielle Situation und die Perspektivlosigkeit von jungen Menschen als eine Ursache der Protestbewegung. 2 Occupy und Attac verfolgen ähnliche Ziele: Demokratisierung von Wirtschaft und Politik, Veränderung der globalen Finanzmärkte, gerechte Verteilung des Wohlstands. Die Methoden sind dabei aber unterschiedlich: Während Attac über Jahre hinweg Informations- und Vernetzungsarbeit betrieben und vor allem auf lokaler Ebene Initiativen gesetzt hat, machte die Occupy-Bewegung durch öffentliche Demonstrationen und Besetzungen von Parks auf sich aufmerksam. 3 Occupy ist vor allem in den sozialen Netzwerken (Facebook, Google+, Twitter) aktiv und ruft zum Protest, zum zivilen Ungehorsam und zur Mitarbeit bei der Entwicklung von neuen Vorschlägen auf. 4 Auswahl Black-Power-Bewegung: Die Black-Power-Bewegung entstand Mitte der 1960erJahre in den USA angesichts des mäßigen Erfolges der Bürgerrechtsbewegung und der andauernden Diskriminierung der Schwarzen. 1966 wurde die „Black Panther Party for Self-Defense“ gegründet. 1968 löste die Ermordung Martin Luther Kings Massendemonstrationen und Aufstände in zahlreichen US-Städten aus. Die 38 Lösungen – Zusatzinformationen Zerschlagung der Black Panthers 1968/69 stellte auch das Ende der Bürgerrechtsbewegung dar, „Black Power“ verband sich ab diesem Zeitpunkt zunehmend mit anderen politischen und sozialen Bewegungen. TrägerInnen der Bewegung: schwarze AnhängerInnen der Bürgerrechtsbewegung, die mehr Druck erzeugen und den Stolz auf die eigene „Rasse“ betonen wollten; Vorläufer Malcolm X; Prägung durch den afroamerikanischen Studenten Stokely Carmichael: „For the last time, ,Black Power‘ means black people coming together to form a political force and either electing representatives or forcing their representatives to speak their needs“ (http://www.encyclopedia.com/topic/ Stokely_Carmichael.aspx, Juni 2014); Unterstützung durch bekannte SportlerInnen wie Tommie Smith und John Carlos (Olympische Sommerspiele 1968) Vergleich mit der Occupy-Bewegung: Während die Black-Power-Bewegung auch auf gewaltsame Weise Widerstand leistete, erfolgt der Protest der Occupy-Bewegung weitgehend friedlich. An der Spitze der Black-Power-Bewegung standen wiederholt charismatische Führungspersönlichkeiten, die Occupy-Bewegung baut bewusst keine Führungspersonen auf; Occupy organisiert sich als eine Protestbewegung der „Massen“ („99 %“), die einzelnen Akteurinnen und Akteure bleiben meistens eher anonym. Linktipps: occupywallst.org www.occupytogether.org wearethe99percent.tumblr.com Österreich öffnet sich der Welt 39 3 Österreich öffnet sich der Welt Themen und Aufbau Konzept- bzw. aspektorientierte Themen: Österreich als Teil der europäischen und globalen Entwicklung im späten 20. und beginnenden 21. Jahrhundert Das politische und rechtliche System Österreichs • Im Transfer-Abschnitt stehen österreichische Jugendliche im Mittelpunkt. Es werden Wertehaltungen, Identitätsfragen und berufliche Möglichkeiten dargestellt und diskutiert. Methodenorientiertes Thema: Oral History – ZeitzeugInnenbefragung • • • • • • Gegenwartsbezug als Kapiteleinstieg: Bildquelle: Von tschechischen Fotografinnen und Fotografen gestaltetes Werbefoto für „WISHES“, eine von der Universität Paderborn gemeinsam mit acht europäischen Partnerinnen und Partnern aus Belgien, Österreich, Russland, Spanien, Tschechien, der Türkei und Zypern entwickelte weltweite Internetplattform, die Studierende über Studien- und Praktikumsmöglichkeiten in Europa informiert. Textquellen: Die Ausschnitte aus einem Interview mit der Opernball-Organisatorin Desirée Treichl-Stürgkh aus dem Jahr 2008 und aus einem Presse-Artikel über den Life Ball aus dem Jahr 2012 ermöglichen eine Gegenüberstellung der beiden Großereignisse österreichischer Festkultur, „Opernball“ und „Life Ball“. Die SchülerInnen werden dazu angeregt, ihre Einschätzung dieser Events und ihre persönliche Haltung dazu zu formulieren. Das Kapitelthema wird in drei Hauptabschnitten bearbeitet: Österreichs gesellschaftlicher Wandel, Österreichs politische Entwicklung am Beginn des 21. Jh. und die Grundlagen des politischen Systems in Österreich. Die postindustrielle Arbeits- und Lebenswelt, die Zunahme von atypischen Arbeitsverhältnissen („Prekariat“), das veränderte Frauenbild sowie die veränderte gesellschaftliche Position von Frauen sind Beispiele für den Wandel der gesellschaftlichen Bedingungen. Im politischen Bereich wird auf die „schwarz-blaue“ Koalition, die dritte Große Koalition, die Reformansätze nach 1995 und die Beziehung zur Europäischen Union eingegangen. Das politische System in Österreich wird anhand der unterschiedlichen Formen politischer Beteiligung, des Parlamentarismus und seiner Aufgaben, des Amtes des Bundespräsidenten, der Sozialpartnerschaft und des Gegensatzes Föderalismus – Zentralismus dargestellt. Dabei werden die große Bedeutung der medialen Inszenierung von Politik und die Demokratieunzufriedenheit vieler ÖsterreicherInnen kritisch hinterfragt. Im Methodenabschnitt beschäftigen sich die Schü lerInnen mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von ZeitzeugInneninterviews und bekommen Anregungen, selbstständig Oral-History-Projekte zu planen und durchzuführen. Einstiegsdoppelseite GO! > Seite 94/95 Lösungsvorschläge Bildinformationen: Werbefoto für das im Rahmen des EUProjekts WISHES (Web-based Information Service for Higher Education Students) entwickelte Onlineportal, auf dem Studien- und Arbeitsangebote für Studierende sowie Absolventinnen bzw. Absolventen vorgestellt werden. © Universität Paderborn/Henry Wolf Linktipp: www.eu-wishes.eu Zusatzinformation: Österreich ist seit 1992 an allen EU-Bildungsprogrammen (z. B. Erasmus, Leonardo, Grundtvig) beteiligt. Österreichische Studierende nutzen die Möglichkeit, ein oder mehrere Semester im Ausland zu studieren, in hohem Maß. Besonders beliebte Zielländer österreichischer Studierender sind Spanien und Frankreich. • Eine junge Frau steht im Abendlicht an einem Sandstrand, am Horizont geht die Sonne unter. Am Strand wachsen Kakteen und rechts vor der Frau befindet sich ein rotes Pannendreieck. Das Bild weist spielerisch auf die Möglichkeiten hin, die das Erasmus-Programm der EU jungen Menschen bietet: Sie können überall in der EU arbeiten und studieren und damit ihren Horizont erweitern, Neues, Unbekanntes erleben, sich Herausforderungen stellen usw. • Mögliche Fortsetzung: „[…], weil auch Österreicherinnen und Österreicher von EU-Programmen wie Erasmus oder WISHES profitieren und im EU-Ausland studieren können und dadurch die Möglichkeit haben, ,über den österreichischen Tellerrand‘ hinaus die eigene Perspektive zu erweitern.“ • Mögliche Gründe: Wegfallen von Grenzkontrollen; Reisefreiheit; kein Geldwechsel im Euroraum notwendig; Möglichkeit, im EU-Ausland zu studieren und zu arbeiten; Einsatz der EU für internationales Recht; Sicherung sozialer Standards durch die EU; Möglichkeit, sich überall in der EU niederzulassen und Eigentum zu erwerben Linktipp: www.zeit.de [„Zehn Gründe für Europa“] 40 Lösungen – Zusatzinformationen • Mögliche Bereiche: – „Österreich öffnet sich“: Österreich hat seinen Arbeitsmarkt für Menschen aus den EU-Mitgliedstaaten geöffnet. Seit 2014 können auch Personen aus Rumänien und Bulgarien ohne Beschränkung in Österreich arbeiten. – „Österreich verschließt sich“: Österreich hat ein starkes rechtes Lager, das sich der regionalen und nationalen Heimat verbunden fühlt und einer Öffnung in Richtung Europa skeptisch gegenübersteht. • Lösungsvorschlag, Einrichtungen, die reformiert werden sollten: Bundesrat, Bundesländer (Abschaffung der Doppelstrukturen versus Stärkung des Föderalismus in Österreich); Amt des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin (Abschaffung des Amtes versus Stärkung der Eingriffsmöglichkeiten) • Mögliche Strategien: Zugang zur kulturellen Vielfalt Europas (durch Reisen, Schulbesuch/Studium im EU-Ausland usw.); Betonung der Vorteile der EU; aktives Informieren über die Prozesse in der EU; Aufzeigen der Möglichkeit, aktiv mitzuentscheiden • Mögliche bedeutsame Ereignisse: Keine Musterlösung möglich. Zwei Bälle – ein Österreich GO! > Seite 96 Lösungsvorschläge · Der Opernball repräsentiert das traditionelle Öster- · reich, das „kleine Land mit großer Geschichte“, das Österreich der Hochkultur. Die BesucherInnen kommen vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur. Im Interview wird erwähnt, dass viele Gäste einen „aristokratischen“ Hintergrund haben. Der Opernball steht damit für Traditionsbewusstsein und Eleganz. Der Life Ball steht für Weltoffenheit und Toleranz. Er repräsentiert ein offenes, modernes und buntes Österreich, das sich für diskriminierte Gruppen und für Toleranz und Respekt vor Vielfalt einsetzt. Die Anwesenheit von Weltstars aus Politik, Wirtschaft, Mode, Sport, Kunst und Kultur beim Life Ball sichert Österreich internationale Beachtung. Keine Musterlösung möglich. 1 Österreichs Gesellschaft im Wandel 1.1 Die postindustrielle Gesellschaft GO! > Seite 98 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die meisten Tugenden, die bereits 1990 als wichtig eingestuft wurden, sind auch 1999 und 2008 wichtig geblieben. Tendenziell haben alle Werte, die 1990 genannt wurden, in den folgenden 20 Jahren leicht an Zuspruch verloren. Relativ stark verloren haben die Werte Verantwortungsgefühl (von 85 % Zustimmung auf 77 %), Sparsamkeit (von 54 % auf 44 %), Energie/Ausdauer (von 39 % auf 28 %) und Gehorsam (von 25 % auf 14 %). An Wichtigkeit gewonnen hat nur der Wert Selbstlosigkeit (von 8 % im Jahr 1990 auf 10 % im Jahr 2008). 2 Keine Musterlösung möglich. 3 Die stärkere Betonung von Selbstbestimmung und persönlicher Autonomie, die bei Bertram als „stille Revolution“ bezeichnet wird, spiegelt sich in der hohen Zustimmung zum Wert Unabhängigkeit (in allen Jahren über 60 %) sowie in der niedrigen Zustimmung zu den Werten Gehorsam (maximal 25 %) und Selbstlosigkeit (maximal 10 %) wider. 4 Blossfeld und Bertram stimmen darin überein, dass persönliche Autonomie und das Recht auf Selbstbestimmung in den letzten Jahren immer wichtiger geworden sind. Außerdem stellen beide fest, dass das Modell der Versorgungsehe heute weniger attraktiv ist als früher. Laut Blossfeld führte der Zugang von Frauen zur Bildung zu einer regelrechten „Bildungsexplosion“. Dennoch machen Frauen seltener Karriere, denn nach der Geburt eines Kindes bleiben sie eher zu Hause oder arbeiten Teilzeit. Während Blossfeld dieses Phänomen mit „uralten normativen Mustern“ zu erklären versucht, stellt Bertram fest, dass Mutterschaft für viele Frauen heute nur mehr eine relativ kurze Lebensphase sei. Mögliche Diskussionspunkte: Traum von der Selbstverwirklichung; Bedeutung von Karriere und finanzieller Unabhängigkeit bzw. Luxus; Vereinbarkeit von Familie und Beruf; Vereinsamung der Menschen; schwächerer sozialer und gesellschaftlicher Rückhalt Österreich öffnet sich der Welt 1.2 „Endstation Prekariat“ GO! > Seite 99 41 1.3 Frauen als Modernisierungsgewinnerinnen? GO! > Seite 100 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1/2 Keine Musterlösung möglich. 3 Mögliche Unterschiede: Leben in Armut – Leben im Luxus; alltägliche Bedarfsgüter – Luxusgüter; Urlaubsbilder; Freizeit; Familie und Freunde, sozialer Rückhalt; „Kampf ums Überleben“ – Alltagssituationen 4 Der aus der Soziologie stammende Begriff „Prekariat“ meint eine Gruppe von Menschen, deren finanzielle Absicherung nicht (immer) gegeben ist. In Österreich nehmen prekäre Beschäftigungsverhältnisse deutlich zu. Stark von dieser Problematik betroffen sind Migrantinnen und Migranten, Frauen zudem stärker als Männer. Die ebenfalls prekär lebenden Hochschulabsolventinnen und -absolventen der „Generation Praktikum“ haben keine gesicherten Arbeitsstellen, sondern machen schlecht oder gar nicht entlohnte Praktika. Die Armutsgefährdung ist unter prekär Beschäftigten deutlich höher als unter der Gesamtbevölkerung. Menschen, die prekär beschäftigt sind, können ihr Leben meist nicht langfristig planen und kaum Zukunftsperspektiven entwickeln. Die Vereinigung „SOMA Österreich & Partner“ ist eine Bewegung, die mehr als 30 Sozialmärkte in Österreich unterhält. Menschen, die in den Sozialmärkten beschäftigt werden, stammen oft aus arbeitsmarktfernen Bereichen und werden speziell angeleitet, trainiert und von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern begleitet. Zum Einkauf berechtigt sind Menschen, deren monatliches Nettoeinkommen unter der Armutsgrenze liegt; die Daten müssen vor dem Einkauf entsprechend nachgewiesen werden. Pro Einkaufsberechtigtem kann wöchentlich um einen Maximalwert (in Wien: 30 Euro) eingekauft werden. Diverse Sozialläden in Österreich verfolgen eine ähnliche Politik wie die Sozialmärkte. Zusätzlich zum Angebot günstiger Waren, die nur bei Vorliegen einer Einkaufskarte erworben werden können, wird auch die Möglichkeit zur Begegnung, Kommunikation und Information geboten. Freiwillige Spenden sowie ehrenamtliche Tätigkeiten ermöglichen die Führung der Sozialläden. Linktipps: www.prekaer.eu/zahlen-fakten-prekariat www.hilfswerk.at [SOMA Sozialmarkt] www.sozialmarkt.com www.stadt-lienz.at [SoLaLi, Sozialladen Lienz] Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Inhalte: starke Veränderungen in den letzten 50 Jahren; hoher Frauenanteil im sekundären und tertiären Bildungsbereich; Problematik der Teilzeitarbeit bzw. von prekären Arbeitsverhältnissen betrifft Frauen stärker als Männer; Personen mit höherer Bildung sehen „moderne“ Frauen als autonom und unabhängig; parallel dazu traditionelles Frauenbild, bei dem physische Attraktivität sowie Mutterschaft und Arbeit im Haushalt eine Rolle spielen GO! > Seite 101 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Änderungen der Geschlechterverhältnisse: höheres Bildungsniveau; mehr reale Chancen für Frauen in der Berufswelt; selbstständige und intensive Erwerbstätigkeit; spätere Heirat und Mutterschaft; hoher Frauenanteil in Teilzeitberufen 2 Mögliche Diskussionspunkte: Filme und Fernsehserien greifen oft reale gesellschaftliche Probleme und Entwicklungen auf: Bis in die 1970er-Jahre gab es z. B. keine Tatortkommissarinnen, erst 1978 durfte erstmals eine Frau die Ermittlungen leiten. Inzwischen stehen 10 Ermittlerinnen 22 Ermittlern gegenüber. Das private Lebensumfeld der Kommissarinnen entspricht nicht mehr traditionellen Rollenvorstellungen. Auffällig ist die große Kluft zwischen dem vom Fernsehen verbreiteten Bild von Kriminalpolizistinnen – zumal in Führungspositionen – und der Realität. In Deutschland etwa gab es bisher nur einmal eine weibliche Führungskraft einer Mordkommission: Ilona Scholz leitete zehn Jahre lang, von 1990 bis 2000, die Mordkommission in Berlin. 3 Mögliche Diskussionspunkte: Inwiefern sind Familie und Beruf praktisch vereinbar? Problematik der „Rabenmutter“: Ist eine Frau eine schlechte Mutter, wenn sie neben der Familie auch Karriere machen will? Innere Zerrissenheit von Frauen: Werden die emanzipatorischen Ideale „verraten“, wenn keine Karriere angestrebt wird? Linktipps: www.bmbf.gv.at/frauen/index.html diestandard.at [Wie die moderne junge Frau tickt] 42 Lösungen – Zusatzinformationen 2 Österreichische Politik am Beginn des 21. Jahrhunderts 2.1 Die „schwarz-blaue“ Koalition 2.2 Die dritte Große Koalition GO! > Seite 104 GO! > Seite 106 Lösungen zu Fragen & Aufgaben Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die Regierung kann unter diesen Umständen nicht auf eine breite öffentliche Zustimmung bauen. Sie muss außerdem damit rechnen, dass sie – trotz der zahlenmäßigen Mehrheit – als illegitim angesehen wird. Sie hat Probleme damit, sich im internationalen Kontext als Vertretung der österreichischen Bevölkerung zu präsentieren. 2 Bundesregierung Schüssel I unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ): Wechsel im Justizressort (Michael Krüger, FPÖ, bis 2000; Dieter Böhmdorfer, FPÖ); im Sozialressort (Elisabeth Sickl, FPÖ, bis 2000; Herbert Haupt, FPÖ); im Verkehrsressort (Michael Schmid, FPÖ, bis 2000; Monika Forstinger, FPÖ, bis 2003; Mathias Reichhold, FPÖ). Bundesregierung Schüssel II unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Vizekanzler Herbert Haupt (FPÖ) bzw. Hubert Gorbach (FPÖ/BZÖ, ab 2003): Wechsel im Außenressort (Benita Ferrero-Waldner, ÖVP, bis 2004; Ursula Plassnik, ÖVP); im Justizressort (Dieter Böhmdorfer, FPÖ, bis 2004; Karin MiklautschGastinger, FPÖ/BZÖ); im Sozialressort (Herbert Haupt, FPÖ, bis 2005; Ursula Haubner, FPÖ/BZÖ). Einem Wechsel auf ÖVP-Seite (Ernennung FerreroWaldners 2004 zur EU-Kommissarin für Auswärtige Angelegenheiten) stehen sieben Wechsel aufseiten der FPÖ bzw. des BZÖ gegenüber. 3 Während sich Bundeskanzler Schüssel vor 2010 stets schützend vor die MinisterInnen der ÖVP-FPÖ/BZÖKoalition gestellt hatte ( „Es gab genug Hinweise für die ÖVP um nachzufragen, was hier eigentlich passiert. Es wurde nicht nachgefragt. Grasser wurde von Schüssel beschützt“, meinte dazu etwa Grünen-Chefin Eva Glawischnig im Jahr 2010; oe1.orf.at/artikel/255193, Juni 2014), distanzierte er sich später insbesondere von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und war mit einer Untersuchung von Grassers Rolle einverstanden. Schüssel meinte außerdem, Grasser müsse „seine Handlungen selbst rechtfertigen“: Er gab damit die Verantwortung für die dubiosen Vorkommnisse während der Privatisierungen (z. B. BUWOG, PSK, Austria-Tabak, VA-Tech) an den damals zuständigen Minister ab. Linktipp: derstandard.at [Privatisierungen in der Schüssel-Grasser-Ära] 1 Analyse der Karikatur ( GO! 7, S. 133/134): • Schritt 1: Die Karikatur zeigt sieben Männer in einem antiken Theater (Säulen, Boden, Sitzreihen). Sechs von ihnen – sie sind Senatoren – tragen dieselben Tuniken, während der siebte, der gerade auf sie zugeht, einen roten Umhang sowie einen Lorbeerkranz trägt. Er wird von einem Senator mit den Worten „Freundschaft, alter Julius!“ begrüßt. Ein anderer pfeift, was durch Musiknoten in der Sprechblase ausgedrückt wird. Auffallend sind die Messer, die die Senatoren hinter ihrem Rücken halten. • Schritt 2: Die Bildüberschrift weist darauf hin, dass es sich um eine Szene aus dem Drama „Julius Cäsar“ von William Shakespeare handelt (1599 im „Globe Theatre“ uraufgeführt). Der Titel der Karikatur, „Cäsars (Gusenbauers) Ankunft im Senat“, zeigt, dass der Karikaturist auf ein aktuelles politisches Thema anspielt. • Schritt 3: Die Senatoren sind anhand charakteristischer Details (z. B. Brille, Frisur) als die SPÖ-Politiker Werner Faymann, Herbert Tumpel, Erwin Buchinger, Josef Cap, Norbert Darabos und Heinz Fischer (v. l. n. r.) zu erkennen. Der durch roten Umhang und Lorbeerkranz als Cäsar zu identifizierende Mann trägt die Gesichtszüge von SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Die Messer hinter den Rücken der Senatoren deuten auf eine Verschwörung hin, die im Widerspruch zur freundlichen Begrüßung steht. „Freundschaft“ ist ein charakteristischer Gruß in SPÖ-Kreisen. • Schritt 4: Die Karikatur erschien in der Wiener Zeitung vom 04. 06. 2008, zu einer Zeit also, als Bundeskanzler Gusenbauer seinem Parteikollegen Faymann als Parteiobmann und Kanzlerkandidat weichen musste. • Schritt 5: Der Karikaturist vergleicht die Vorgänge in der SPÖ im Jahr 2008 mit der Ermordung Cäsars durch eine Gruppe von römischen Senatoren im Theater des Pompeius (44 v. Chr.). 50 bis 80 Senatoren hatten sich damals gegen den Diktator Cäsar verschworen. Die Karikatur legt nahe, dass sich innerhalb der SPÖ eine Gruppe von einflussreichen Politikern gegen Kanzler Gusenbauer verschworen hatte, um ihm sein · Österreich öffnet sich der Welt Amt streitig zu machen: Dabei sollte jedoch der Eindruck von Harmonie und Freundlichkeit aufrechterhalten bleiben. 2 Mögliche Gründe: Von Ministerinnen und Ministern wird erwartet, dass sie den Agenden im Ressort möglichst objektiv und sachlich nachgehen. Durch die von den ÖBB finanzierte Inseratenkampagne entstand der Verdacht auf Untreue. Statt das Image der ÖBB zu verbessern, trug die Kampagne vor allem zur Verbesserung des Images des dafür zuständigen Ministers Faymann bei. Kritisiert wurde vom Rechnungshof auch, dass die Zweckmäßigkeit der Inserate von den ÖBB nicht analysiert worden sei und sich ein erheblicher Teil des Medienetats auf nur drei Zeitungen konzentriert habe (orf.at/stories/2137073/ 2137066, Juni 2014). 43 2.3 Reformansätze seit 1995 GO! > Seite 107 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 3 Der Hauptsitz der Hypo Alpe-Adria-Bank in Klagenfurt wurde vom US-amerikanischen Architekten Thom Mayne entworfen. Nachdem Maynes Architekturbüro „Morphosis“ 1995/96 den Wettbewerb für sich entschieden hatte, wurde der Gebäudekomplex in den Jahren 1997–2002 gebaut. Der expressiv und modern wirkende Komplex drückt das große Selbstbewusstsein aus, das Kärnten in den 1990er- und 2000er-Jahren auszeichnete. Andererseits steht der Monumentalbau auch für eine gewisse Selbstüberschätzung der Landesregierung: Es wurden großzügig Haftungen für die Bank übernommen, denen man ab 2009 nicht mehr nachkommen konnte. Der österreichische Staat muss inzwischen mit Verlusten in Milliardenhöhe rechnen. Linktipps: morphopedia.com/projects/hypo-alpe-adria-center www.foederalismus.at ExpertInnengespräch: Wozu brauchen wir das EU-Recht und den Europäischen Gerichtshof? GO! > Seite 109/110 Zur Person Maria Berger: Dr.in Maria Berger, geboren 1956 in Perg (Oberösterreich), studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft in Innsbruck. Sie war für das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, im Bundeskanzleramt sowie im Europäischen Konvent und im Österreich-Konvent tätig. Von 1996 bis 2007 war sie Abgeordnete zum EU-Parlament, im Jahr 2007 wurde sie für die SPÖ als Bundesministerin für Justiz im Kabinett Gusenbauer angelobt. 2009 wurde sie vom österreichischen Nationalrat als Richterin im EuGH bestätigt. Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Stellen: „Wer als Konsumentin oder Konsument über Internet in einem anderen EU-Land einkauft, soll auch in diesem Fall durch das Konsumentenschutzrecht geschützt sein“; „Unternehmen, die am EU-Markt miteinander konkurrieren, sollen ein Mindestmaß an gemeinsamen Vorschriften […] einhalten müssen“; „Kriminalität findet heute sehr oft grenzüberschreitend statt, auch deshalb braucht es gemeinsame Vorschriften“; „Scheidungen, Sorgerecht für Kinder oder Unterhaltsfragen“; „Es gibt heute zumindest gemeinsame Mindeststandards für das Asylverfahren“; „Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft“ 2 Der EuGH stellt sicher, dass alle Mitgliedstaaten die gemeinsamen Rechtsvorschriften einhalten. Außerdem ist er dafür zuständig, bei Nichteinhaltung der Abmachungen Geldstrafen zu verhängen. Der EuGH steht den nationalen Gerichten Frage und Antwort in Bezug auf geltendes EU-Recht, insbesondere dann, wenn die Rechtslagen verschiedener Staaten betroffen sind. Bei verbotener Kartellbildung kann der EuGH Unternehmen zu hohen Geldstrafen verurteilen. Der EuGH muss außerdem prüfen, ob die einzelnen Unionsgesetze den Grundrechten entsprechen. 3 Mögliche Vorteile: Gleichmäßige Aufteilung der Asylansuchen auf die Mitgliedstaaten (z. B. Italien, Bootsflüchtlinge in Lampedusa); ein gemeinsames Vorgehen im Asylrecht entschärft die Situation für manche sehr stark betroffene Mitgliedstaaten; grenzüberschreitender Kriminalität sowie Korruption kann besser begegnet werden; ein gemeinsames EU-Recht ist übersichtlicher und einfacher zu exekutieren. Mögliche Nachteile: Staaten, die bisher ein rigoroses Asylrecht zur Anwendung brachten, müssen nun mehr Asylsuchende 44 Lösungen – Zusatzinformationen aufnehmen; EU-weite Bürokratie und ein großer finanzieller Aufwand werden notwendig. 4 Die EU-Grundrechtecharta ist in sieben Kapitel gegliedert, in denen in insgesamt 54 Artikeln die Themen „Würde des Menschen“, „Freiheiten“, „Gleichheit“, „Solidarität“, „Bürgerrechte“, „Justizielle Rechte“ und „Allgemeine Bestimmungen“ behandelt werden. Insbesondere die ersten Artikel, die das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit sowie das Verbot von Folter und Sklaverei behandeln, verlaufen weitgehend parallel zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO. An manchen Stellen geht die EU-Grundrechtecharta stärker auf aktuelle Tendenzen ein als die Menschenrechtscharta: In der Grundrechtecharta wird etwa der Schutz personenbezogener Daten garantiert (Artikel 8), außerdem wird explizit auf die Rechte von Kindern (Artikel 24) bzw. älterer Menschen (Artikel 25), auf das Recht auf eine saubere Umwelt (Artikel 37) oder auch auf das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Rates (Artikel 42) hingewiesen. 3 Das politische System in Österreich – ein Grundkurs 3.1 Wahlen und Wählen – Kennzeichen einer Demokratie 3.3 Parlament und Parlamentarismus GO! > Seite 111 GO! > Seite 113 Lösungen zu Fragen & Aufgaben Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Prozentsatz der Wahlberechtigten in der Bevölkerung: Für die Nationalratswahlen am 29. 09. 2013 waren 6 384 331 österreichische BürgerInnen wahlberechtigt. Das entspricht 75,21 % der Gesamtbevölkerung von 8 488 500 Menschen. (Quellen: www.wahlbeteiligung. at; http://wko.at/statistik/jahrbuch//2013_k3.pdf, S. 31) 2 Keine Musterlösung möglich. 1 Der Nationalrat repräsentiert nicht die gesamte Gesellschaft, weil nicht alle ÖsterreicherInnen wahlberechtigt sind; nicht Wahlberechtigte können keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments nehmen. Ein großer Anteil der ParlamentarierInnen ist männlich, gehört der Generation 45+ an, weist einen höheren Bildungsabschluss auf und ist im öffentlichen Dienst tätig. 2 Erklärung von Broukals pointierter Aussage: Unter „stimmberechtigt“ versteht Broukal, der sechs Jahre lang für die SPÖ als Politiker tätig war, alle ParlamentarierInnen. Jede(r) hat ein eigenständiges Mandat. In der Regel gehören sie jedoch einer politischen Fraktion an und stimmen mit dieser ab („Klubzwang“). Meinungsberechtigt sind jene PolitikerInnen, die im Meinungsbildungsprozess zu einer Gesetzesvorlage größeren Einfluss haben. SpitzenpolitikerInnen, BerufsparlamentarierInnen und VerbändevertreterInnen können sich (innerhalb der Klubs und Ausschüsse) eher durchsetzen, ihre Meinung hat mehr Gewicht als die Ansicht von „Hinterbänklerinnen und Hinterbänklern“, die zwar gehört, aber oft nicht berücksichtigt wird. 3.2 Direkt oder indirekt? – Formen der demokratischen Beteiligung GO! > Seite 112 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Fünf Wege der Umsetzung des Artikels 1 der österreichischen Bundesverfassung: • Weg 1: Das Volk wählt die politischen VertreterInnen als seine Repräsentantinnen und Repräsentanten (Parlament). • Weg 2: Die Parlamente sind ein „Abbild“ der wahlberechtigten österreichischen Gesellschaft (Verhältniswahlrecht) – Regierungen stützen sich auf eine Mehrheit. • Weg 3: Alle Ämter sind zeitlich begrenzt. • Weg 4: Das Volk wählt das Staatsoberhaupt direkt. • Weg 5: Das Volk kann politische Aktionen durch Formen direkter Mitbestimmung setzen. 2 Keine Musterlösung möglich. Österreich öffnet sich der Welt 3.4 Wie entsteht ein Gesetz? GO! > Seite 114 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Bei der Gesetzesentstehung vermischen sich Exekutive und Legislative. Die Gesetzesinitiative geht meist von der Regierung als Exekutivorgan aus, die Gesetzesvorlage wird im Ministerrat beschlossen und erst dann im Parlament als Legislativorgan eingebracht. Diskussionen und etwaige Veränderungen finden in den Parlamentsausschüssen statt, die Präsentation des neuen Gesetzes im Plenum des Nationalrates, die Möglichkeit des aufschiebenden Vetos im Bundesrat. Der Bundespräsident – als höchstes Exekutivorgan – unterzeichnet schließlich das Gesetz und mit der Veröffentlichung im Gesetzesblatt erhält es Gültigkeit. 2 Im Plenum des Nationalrates selbst wird bezüglich der Gesetzesvorlage nichts mehr geändert. Die zum Teil heftigen Diskussionen richten sich vor allem an die Öffentlichkeit und dienen der Profilierung der eigenen Partei. Es geht nicht mehr vorrangig darum, andere ParlamentarierInnen zu überzeugen, sondern man stimmt häufig gemäß der vorgegebenen Fraktionslinie ab („Klubzwang“). Deshalb ist für manche Abgeordnete, die im Vorbereitungsprozess in den Ausschüssen nicht involviert waren und keine Rede halten, der gesamte Ablauf nur von sekundärer Bedeutung und sie „schwätzen“, telefonieren, diskutieren mit Kolleginnen und Kollegen, überprüfen den eigenen Redeinhalt, beantworten E-Mails u. a. 3.5 Berufswunsch Bundes präsidentin oder Bundespräsident – was nun? persönliches Auftreten der Spitzenkandidatin bzw. des Spitzenkandidaten, Nutzung der neuen Medien (z. B. Facebook, Twitter, Onlineportale etc.) 3 Anmerkung: Vgl. für die Themensuche die Infografik in GO! 8, S. 128. · 3.6 Verbände und Sozialpartnerschaft GO! > Seite 116 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Zuordnung der Berufe zu Interessenvertretungen: Lehrer (AK, Gewerkschaft Öffentlicher Dienst GÖD); Bäuerin (LK, ÖGB); Verkäufer, Metzgerin, Bauarbeiter (AK, ÖGB); Arzt (Ärztekammer, ÖGB); Rechtsanwältin (Rechtsanwaltskammer); Großunternehmerin (WK, VÖI) 2 „[…] tu, felix Austria, harmoniere“ bezieht sich auf das österreichische System der Sozialpartnerschaft, wo kontroverse Fragen wie z. B. Mindestlöhne für bestimmte Berufssparten meist nicht durch Streiks erkämpft, sondern von Kammern und Interessenverbänden am Verhandlungstisch beschlossen werden. Dies ist bis heute der Fall, wenngleich bereits mit dem EU-Beitritt und der zunehmenden Globalisierung der Einfluss der Sozialpartnerschaft abgenommen hat. Die Kabinette Schüssel I und II (2000–2006) nahmen bei ihren Entscheidungen wenig Rücksicht auf die Sozialpartner. Die Kabinette Gusenbauer (2006–2008) und Faymann I (2008–2013) banden die Interessenvertretungen wieder verstärkt ein. Das neue LehrerInnendienstrecht im Dezember 2013 wurde jedoch ohne Zustimmung der Gewerkschaft beschlossen. GO! > Seite 115 3.7 Wann muss ich nach Hause gehen? – Föderal versus zentral Lösungen zu Fragen & Aufgaben GO! > Seite 117 1 Österreich ist eine parlamentarische Demokratie, weil • es eine enge Verbindung zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung gibt, • sich die Regierung auf die Parlamentsmehrheit stützt, • die Regierung im Falle eines Misstrauensvotums abberufen werden kann und • es eine doppelte Exekutive (BundeskanzlerIn und BundespräsidentIn) gibt. Linktipp: www.demokratiezentrum.org/ [Themen → Demokratiemodelle] 2 Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wahlkampf: breite Unterstützung in der Bevölkerung und großer Bekanntheitsgrad, gute Vermarktungsstrategien, effizientes Wahlwerbebüro, vertrauenswürdige MitarbeiterInnen, großes Werbebudget, überzeugendes 45 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Reformideen des Österreich-Konvents für die Schule: Mehr Autonomie für die jeweilige Schule, z. B. Anstellung von Lehrpersonen und Ressourcenverwaltung durch die Schulleitung mithilfe eines Beirates; befristete Stellen für SchulleiterInnen; Lehrpersonen ganztägig in der Schule; einer Bildungsregion soll ein gewählter Bildungsrat mit BildungsmanagerIn vorstehen; Bund wäre „lediglich“ für die Evaluation und die Koordinierung der Länder zuständig. 2 Beispiel Tiroler Jugendschutzgesetz: • Ausgehzeiten: Bis zum vollendeten 14. Lebensjahr: alleine bis 22:00 Uhr; in Begleitung bei öffentlichen Veranstaltungen bis 46 Lösungen – Zusatzinformationen 24:00 Uhr; in Gaststätten nur mit Begleitung Vom 14. bis zum vollendeten 16. Lebensjahr: alleine bis 1:00 Uhr; in Begleitung bei öffentlichen Veranstaltungen ohne Begrenzung Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr: unbegrenzt • Tabak und Alkohol: Bis zum vollendeten 16. Lebensjahr: Erwerb, Konsum und Weitergabe gänzlich verboten Vom 16. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr: Erwerb, Konsum und Weitergabe von gebranntem Alkohol verboten Linktipp: www.oesterreichisches-jugendportal.at [→ Jugendschutz & Recht → Jugendschutz → Ausgehzeiten] Zusatzinformation: Tabak- und Alkoholkonsum von österreichischen Jugendlichen Risikoverhalten der Jugend in Österreich […] Tabak: Mehr als ein Drittel der 11- bis 15-Jährigen hat bereits Erfahrungen mit der Zigarette gesammelt, von denen ein besorgniserregender Anteil der 15-jährigen Burschen und Mädchen über das Probierverhalten hinausgeht, so die Forscher/innen. Insgesamt zeigt sich, dass rund 20 % der 15-jährigen Schüler/innen täglich und weitere 7,8 % wöchentlich zur Zigarette greifen (Dür/Griebler 2007a). Bei den über 15-Jährigen verändert sich das Rauchverhalten nicht mehr wesentlich. Mit drei von zehn, die angeben, täglich zu rauchen, zeigt sich ein vergleichsweise geringer Zuwachs an Raucher/ innen zwischen dem 15. und 29. Lebensjahr. Alkohol: Das Einstiegsalter ist mit durchschnittlich 13 Jahren bereits sehr niedrig und verschärft sich noch in seiner Problematik, da die Jugendlichen bereits mit 14 Jahren das erste Mal „ernsthaft“ betrunken waren und jeder 5. 13- bis 15-Jährige mindestens zweimal diese Erfahrung gemacht hat (Dür/Griebler 2007a; OECD 2009). Ein regelmäßiger Alkoholkonsum, d. h. wöchentlich oder öfters, findet sich bei rund 15 % der unter 15-Jährigen wieder. Dieses Verhalten nimmt mit dem Alter deutlich zu, wobei in allen Altersgruppen gilt, dass Burschen häufiger und regelmäßiger zum Alkohol greifen als Mädchen (Dür/Griebler 2007a). Bei den 15- bis 29-Jährigen steigt der Alkoholkonsum erwartungsgemäß an. […] (Originalschreibung, Verschreibungen korrigiert) bmwfj, 6. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich – auf einen Blick, Wien 2011, S. 84; http://www. boja.at/uploads/ media/Sechster_Jugendbericht_Auf_einen_Blick.pdf, Juni 2014 3.8 Politik wird inszeniert – die Mediendemokratie GO! > Seite 119 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Keine Musterlösung möglich. 2 Kurze, prägnante Aussagen bleiben leichter im Gedächtnis haften und sind für ein breiteres Publikum verständlich. 3 Lösungsvorschlag: Silvio Berlusconi, Recep T. Erdogan, Werner Faymann, Eugen Freund, Eva Glawischnig, Martin Graf, François Hollande, Viktor Janukowitsch, Angela Merkel, Wladimir W. Putin, Michael Spindelegger, Frank Stronach, Barack Obama Anmerkung: Zur Analyse könnten die ORF-Wahl konfrontation im Zuge der Nationalratswahl vom 29. 09. 2013 verwendet werden. Linktipp: www.youtube.com [ORF TV Konfrontationen NR-Wahl 2013] 4 Vorschläge für politische Kompetenzen: Sachkompetenz v. a. im eigenen Ressort, Wirtschaftsund Finanzkompetenz, politisch-historische Bildung, Sozialkompetenz (auf Menschen zugehen und den Kontakt zur Bevölkerung nicht verlieren), Präsentations- und Medienkompetenz (Beherrschung verschiedener Strategien der Präsentation von Inhalten und der eigenen Person in den Medien, Präsenz in sozialen Netzwerken etc.), Kritikfähigkeit, Gestaltungswille, Energie und Bereitschaft zur Arbeit für die BürgerInnen, Authentizität etc. 3.9 Demokratieunzufriedenheit weckt Reformideen GO! > Seite 120 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Darstellung der Plastik: Während der Oberkörper starr verharrt, schreiten die Beine voran. Der starre Blick wirkt eher bedrückt, die übergroßen Hände hängen herab. Interpretation und Verbindung zum Thema: „Giacomettis Menschen stecken fest, sie kleben an ihren Sockeln, versinken in ihnen. Und selbst jene, die einen Schritt zu machen wagen, kommen nicht voran. Nicht sie gehen, dafür sind sie viel zu kraftlos. Nein, es geht sie. Ausgelieferte Menschen, beziehungslos, von Sinnlosigkeit ermattet.“ (Hanno Rauterberg: Alberto Giacometti, Stilvoll verzweifelt, in: Zeit online 6 (2013), www.zeit. de/2013/06/Ausstellung-Alberto-Giacometti/seite-2, Juni 2014) Österreich öffnet sich der Welt Viele ÖsterreicherInnen beschäftigen sich mit Politik und hinterfragen oder kritisieren die Arbeit von Politikerinnen und Politikern. Sie wollen Reformen für bessere Lebensumstände, engagieren sich jedoch nicht selbst und direkt politisch. „Der Wunsch nach Reformen schreitet fort, während die Bereitschaft und der politische Einsatz dafür verharren.“ Anmerkung: Die Bronzefigur „L’Homme qui marche I“ („Der schreitende Mann“) wurde um 1961 für die Plaza der New Yorker Chase Manhattan Bank gefertigt. 1980 kaufte die Dresdner-Bank die Skulptur und stellte sie Museen als Leihgabe zur Verfügung. Während der Bankenkrise wurde die 183 cm große Skulptur im Februar 2010 für ca. 74 Millionen Euro verkauft. 2 2008 interessierten sich etwas mehr als die Hälfte der ÖsterreicherInnen insgesamt und etwa ein Drittel der österreichischen Jugendlichen für Politik; über 80 % hielten ein demokratisches politisches System für wichtig. Fast die Hälfte der ÖsterreicherInnen hatte sich einmal an einer Unterschriftenaktion, 14 % an einer genehmigten Demonstration beteiligt. 50 % waren mit dem Funktionieren der Demokratie in Österreich zufrieden, das Vertrauen in die Regierung (16 %) und in die politischen Parteien (14 %) war dennoch relativ niedrig. Über 50 % hielten daher mehr Einfluss der BürgerInnen in die Politik für ein wichtiges Ziel. 3 Keine Musterlösung möglich. 4 Pro- und Kontra-Debatte zu MeinOE: • Pro: – Persönlichkeitswahlen und Direktwahlen über Erststimmen geben auch unparteilichen Kandidatinnen und Kandidaten eine Chance – Durch Einerwahlkreise haben auch kleinere Wahlkreise eine Chance, vertreten zu werden – Mehr direkte Mitbestimmung der Bevölkerung – Verbindliche Umsetzung von wichtigen Themen (Volksbegehren) im Sinne der Mehrheit der StaatsbürgerInnen – Garantie aller Grundrechte auf europäischer Basis – Starkes Parlament zur besseren Vertretung der BürgerInneninteressen – Hearing im Parlament sorgt für kompetente und mehrheitlich akzeptierte Regierungsmitglieder – Proporz verschwindet, Postenbesetzung erfolgt nach Qualifikation – Zentralisierung wird in Bereichen gestärkt, deren Regelung bundesstaatlich sinnvoll ist – Kostenersparnis durch Auflösung überflüssiger Institutionen • Kontra: – Parteien spiegeln die Gruppierungen und Werte der Gesellschaft wider – Abgeordnetenwahl durch Erstwahlkreise liefert kein repräsentatives Abbild der Gesellschaft im Parlament – Indirekte Demokratie hat sich bewährt 47 – 300 000 BürgerInnen sollten der Mehrheit nicht eine Abstimmung diktieren können, außerdem ist das ein enormer Verwaltungs- und Kostenaufwand – EU-Grundrechte gelten bereits, weil sie laut Grundsatzentscheidung des VfGH Verfassungsrang besitzen – Jedes Land soll seine Grundrechte selbst definieren können – Es kann keine Mehrheit gegen Kandidatinnen und Kandidaten aus den Reihen der Mehrheit im Parlament geben – Die Regierungsparteien sollen ihre Regierungsmitglieder selbst bestimmen dürfen – sie wurden ja zur Regierungsbildung „erwählt“, nicht die Oppositionsparteien – Proporzdemokratie hat die Kluft zwischen den Parteien verringert – Das föderalistische Verfassungsprinzip und die teilweise Selbstbestimmung der Bundesländer soll gewahrt bleiben – jedes Bundesland ist anders (Umwelt, Kultur und Geschichte etc.) – Die Bundesländer müssen eine Stimme im Bund haben – Subsidiarität vor Zentralismus Zusatzinformationen: • Einerwahlkreis: Wenn nur ein Mandat pro Wahlkreis vergeben wird, spricht man vom Einerwahlkreis – im Gegensatz zu Mehrmandatswahlkreisen. • Europäische Charta der Grundrechte: Die Charta trat am 01. 12. 2009 mit dem Vertrag von Lissabon in Kraft. Sie garantiert den EU-Bürgerinnen und -Bürgern eine Reihe einklagbarer Rechte: neben den klassischen Grund- und Freiheitsrechten aus der Menschenrechtskonvention auch soziale Grundrechte oder die Verpflichtung der EU zum Umweltschutz. Die Grundrechte in der österreichischen Bundesverfassung gehen großteils auf das Staatsgrundgesetz vom 21. 12. 1867 (StGG) zurück. Mit der Grundentscheidung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes (VfGH 14. 03. 2012, U 466/11 ua.) vom 14. 03. 2012 wurde die EU-Grundrechtecharta in den Verfassungsrang erhoben. • Ernennung der Regierungsmitglieder: Eine Ablehnung designierter Regierungsmitglieder scheint faktisch nicht möglich, da die Regierungsparteien (meist) eine Mehrheit im Parlament haben. Die Ablehnung eines Regierungsmitglieds kann nur der Bundespräsident – durch Nichtangelobung der gesamten Regierung – ausdrücken. • Proporz: „Proporzregierung steht in Österreich in einer Tradition, die in der Ersten Republik gründet und nach der Nazi-Zeit wiederbelebt wurde, als es darum ging, Gräben zuzuschütten. [...] Sie gilt in den meisten Bundesländern. Auch im Bund erinnern die langen Perioden der Großen Koalition von ÖVP und SPÖ (37 von 68 Jahren in der Zweiten Republik) daran.“ („Grundprinzip der österreichischen Demo- 48 Lösungen – Zusatzinformationen kratie“, F.A.Z. vom 21.03.2013 von Stephan Löwenstein © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt) Vor allem die kleineren Parteien drängen schon seit Jahren auf Abschaffung des Proporzsystems in der österreichischen Politik. 3.10 ExpertInnengespräch: „Ende des Gehorsams – Beginn des Umdenkens“ GO! > Seite 121/122 Zur Person Anneliese Rohrer: Dr.in Anneliese Rohrer leitete bis 2004 das Außenpolitikressort der Tageszeitung „Die Presse“. Sie ist bekannt durch zahlreiche Buchveröffentlichungen, Kommentare in „Kurier“ und „Die Presse“ und die Teilnahme an zahlreichen Diskussionssendungen. Zudem lehrt sie an der Fachhochschule Wien Journalismus. Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Position Rohrers zu ... • Politikerinnen und Politikern: Erfolgreiche PolitikerInnen seien jene, die eine genaue Vorstellung vom Land haben. Solche PolitikerInnen mit Visionen gebe es heute, wenn überhaupt, nur im Verborgenen. • Bildungssystem: Es sei besorgniserregend, dass sich weder Politik noch Eltern für eine Bildungsreform im Sinne einer kompetenzorientierten, talentfördernden Bildung einsetzen und damit den Kindern die Chance für eine erfolgreiche Zukunft nehmen. • Postenvergabe: Die BürgerInnen müssten sich dem „Postenschacher durch Parteibücher“ stärker widersetzen. • Sicherheit/Freiheit: Stünden ÖsterreicherInnen vor der Entscheidung „Sicherheit oder Freiheit“, würden sich viele für die Sicherheit mit einer Beschränkung von (politischer) Freiheit entscheiden. 2 Literaturtipp: Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, Abteilung Jugendpolitik (Sektion II, Abteilung 5) (Hg.) (aktualisierter Nachdruck 2011): Jugendbeteiligung und digitale Medien. 3 Beispiele für „mehr Sicherheit – weniger Freiheit“: Schärfere Kontrollen an Flughäfen als Folge von 9/11; öffentliche Videoüberwachung zur Verhinderung von Übergriffen; Vorratsdatenspeicherung, die Verfügungsfreiheit über Informationen zur eigenen Person beschränkt; die Einführung der Onlinedatenbank für Krankheitsakten ELGA, die Anfang 2014 vom Hausärzteverband und von Datenschützerinnen und -schützern heftig kritisiert wurde. Österreich öffnet sich der Welt 49 Methode: Oral History – ZeitzeugInnenbefragung GO! > Seite 123–127 Zur Bedeutung der vorgestellten Methode Oral History ist eine in der zeitgeschichtlichen Forschung häufig verwendete Methode. HistorikerInnen schaffen gemeinsam mit den Zeitzeuginnen und -zeugen mithilfe von Ton- und Videoaufnahmen zusätzliche Quellen zur Zeit geschichte. Da die Befragung von Menschen, welche die Vergangenheit miterlebt haben, meistens spannend und unterhaltsam ist, ist Oral History auch für den Geschichtsunterricht gut geeignet. Erfahrungen mit Zeitzeuginnen und -zeugen sind für SchülerInnen auch deshalb lehrreich, weil sie die individuell erlebte Seite von Geschichte besonders gut vermitteln. SchülerInnen, welche an einem intensiven Oral-History- Projekt mitgearbeitet haben, haben spezielle Kenntnisse zur Perspektivität von Quellen. Im Laufe der Befragungen wird den Schülerinnen und Schülern auch klar, wie wichtig Überblickswissen über den zeitlichen und örtlichen Bereich der Befragung ist. Dieses Wissen verbindet sich im Laufe der Interviews bei den Schülerinnen und Schülern mit den Erfahrungen, die sie aus dem Projekt gewinnen, und wird für sie zu einer komplexen, bereichernden Lernerfahrung. Anmerkung: Für ZeitzeugInnenbefragungen über verschiedene Epochen der österreichischen Zeitgeschichte bietet sich etwa auch eine Kooperation mit einem Altenwohnheim oder Seniorenverein an. 4 Österreichische Jugendliche: Keine Mission, keine Vision, keine Revolution Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 3 GO! > Seite 128–131 Der Transfer-Abschnitt thematisiert die gegenwärtige Situation von Jugendlichen in Österreich und rundet so das Österreichkapitel ab. Ausschnitte aus der Jugendwertestudie aus dem Jahr 2011 geben Auskunft über die Einstellungen, Erwartungen und politischen Vorstellungen österreichischer Jugendlicher. Ein Abschnitt ist jungen Österreicherinnen und Österreichern „mit Migrationshintergrund“ gewidmet, eine junge Österreicherin spricht exemplarisch über ihre Situation und reflektiert über die Zuschreibungen, denen sie als Tochter von nach Österreich eingewanderten Eltern ausgesetzt ist. Abschließend verdeutlicht eine Passage aus einem Interview mit dem Arbeitsmarktforscher Joachim Möller, dass in einer globalisierten Welt die Berufschancen für gebildete Jugendliche deutlich besser sind als für jene, die nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen können. 4.2 Junge Österreicherinnen und Österreicher: Herkunft = Identität? GO! > Seite 129 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Keine Musterlösung möglich. 2 Sevgi will nicht als Mensch „mit Migrationshintergrund“ gesehen werden, weil sie keine Migrationserfah- rung hat; nur ihre Eltern sind nach Österreich migriert, haben aber später die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen. Allgemein sagt sie zur Bezeichnung „Menschen mit Migrationshintergrund“, dass diese Zuschreibung meist zu kurz greife. Sie erfasse nur einen geringen Teil dessen, was so kategorisierte Menschen ausmacht. Von Menschen mit Migrationshintergrund werde oft mehr Leistungs- und Anpassungsbereitschaft erwartet als von „Einheimischen“, sie werden in Schule, Beruf und Alltag benachteiligt und durch Vorurteile in eine Rolle gepresst, die dem eigenen Selbstbild widerspricht. 4.3 Jugendliche und Politik – der Wunsch nach einer „starken Demokratie“ GO! > Seite 130 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1/2 Keine Musterlösung möglich. Zusatzinformation: Im Zusammenhang mit österreichischen und deutschen Jugendlichen wird oft von einem „individualisierten Engagement“ gesprochen. Die Tabelle aus dem „4. Bericht zur Lage der Jugend, Teil A: Jugendradar“ aus dem Jahr 2003 zeigt, welche Möglichkeiten Jugendliche zur Anwendung ihres Engagements wahrnehmen. 50 Lösungen – Zusatzinformationen Tabelle 1: Wahrgenommene Möglichkeiten Jugendlicher, gesellschaftlich aktiv zu sein und seine Ansichten zur Geltung zu bringen (Angaben in Prozent) 14–30 gesamt in meinem Beruf Jugendliche nach Geschlecht Bildungssegmente 14–19 14–19 männlich 14–19 weiblich Lehre in Schule ohne Matura in Schule mit Matura 45 34 33 36 45 27 30 Verein 32 35 37 34 35 25 44 Ich bin alleine aktiv/nicht in einer Organisation 32 32 31 34 33 37 29 Nachbarschaft 28 28 29 27 28 26 35 Schule/FH/Universität 26 38 41 36 23 47 50 Jugendorganisation 22 27 26 29 19 23 40 Hilfsorganisation 21 26 24 27 21 31 28 Umweltschutzorganisation 21 24 25 24 20 28 32 Jugendzentrum 19 23 24 23 16 21 26 politische Partei 18 18 16 20 20 17 24 selbstorganisierte Gruppe/ Projekt 18 22 20 24 23 17 29 in meiner Religionsgemeinschaft 17 21 17 24 17 20 29 Gewerkschaft 16 17 18 15 18 15 20 keine Angabe 12 10 10 9 11 12 8 Base 1549 498 241 257 134 134 174 Quelle: BMSG (2003 b): 4. Bericht zur Lage der Jugend/Teil A: Jugendradar, rep. für 14- bis 30-Jährige, n = 1 549 Veröffentlicht u. a. in: Beate Großegger, II. Jugendliche und ihr Verhältnis zur Politik: Rahmenbedingungen für innovative politische Bildung und Beteiligungsförderung aus Sicht der Jugendforschung, in: Abschlussbericht der ExpertInnengruppe 5 „Innovation Demokratie“, Wien 2008, S. 17 4.4 Jugendliche und Berufs chancen: Für AkademikerInnen sind die Aussichten rosig GO! > Seite 131 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Chancen und Probleme heutiger Jugendlicher: • Chancen: in Österreich geringe Arbeitslosigkeit; optimistische Zukunftsaussichten; Bereitschaft zu Eigeninitiative und Anstrengung für persönlichen Erfolg; gute akademische Ausbildung birgt Chancen auf gute Jobs mit guter Lohnentwicklung; Sehnsucht nach idyllischem, ruhigem Leben (Haus und Familie – soziale Wärme) • Probleme: gute Ausbildung hochrelevant für guten Job; schwierigere Ausgangsbedingungen als Elterngeneration; schlechte Ausbildung an Schulen und untätige Politik; erschwerende Auflagen für Unternehmensgründungen; Angst vor Abbau des Sozialstaates, Arbeitslosigkeit; Leistungsdruck, hohe Mobilitätsanforderungen, harter Konkurrenzkampf; Komplexität und Unsicherheit im Zuge der Globalisierung; politisches Desinteresse bzw. Misstrauen gegenüber „traditioneller“ Politik 2 Keine Musterlösung möglich. Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... 51 4 Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... Themen und Aufbau Konzept- bzw. aspektorientierte Themen: • Formen und Grundlagen von Ideologie und Propaganda in Vergangenheit und Gegenwart Machtstrukturen und Herrschaftsformen zwischen Vergangenheit und Gegenwart Wandel von Demokratie und Demokratiebegriff in Vergangenheit und Gegenwart Rolle der Medien im politischen und historischen Kontext Methodenorientiertes Thema: Dekonstruktion von Geschichte-Schulbüchern • Gegenwartsbezug als Kapiteleinstieg: Bildquelle: Die Eröffnungsveranstaltung für Google Maps Streetview in der schwäbischen Ortschaft Oberstaufen im Allgäu am 02. 11. 2010 macht deutlich, dass auch in ländlichen, traditionsverbundenen Gegenden offenbar das 21. Jh. begonnen hat. Textquellen: Jana Puglierin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag, und Christoph Schwarz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft (Stand: 2012) setzen sich mit der These des wirtschaftlichen und politischen Abstieges der USA auseinander. Sie gehen davon aus, dass die „Abgesänge“ auf Amerika sich als falsch herausstellen werden und sehen die momentane Entwicklung eher als Ernüchterungsprozess und Reaktion auf die vorherige Selbstüberhöhung der USA. • Das Kapitelthema „Das 21. Jahrhundert hat begonnen ...“ wird anhand von vier Subthemen behandelt: „Demokratie in der Krise?“, „Gesellschaft im 21. Jh.“, „Kunst und Kultur“ und „Moderne Medien und Politik“. • Im 21. Jh. leben mehr Menschen als je zuvor in demokratischen Staaten, allerdings bedroht nach Aussage von Fachleuten die globalisierte Wirtschaft die repräsentative Demokratie. Diesem negativen Szenarium stehen auf der anderen Seite neue Formen der BürgerInnenbeteiligung gegenüber, die auf ein Erstarken der Zivilgesellschaft hindeuten. Extremismen wie z. B. der Islamismus erschüttern besonders neue und instabile Demokratien, Rechtsradikale erleben in Zeiten der Wirtschaftskrise auch in etablierten Demokratien mehr Zulauf. • Der zweite Themenblock greift Phänomene des gesellschaftlichen Wandels auf, dabei wird der Fokus bei den Themen Migration und Integration, Altern, Gender und freie sexuelle Orientierung besonders auf Österreich gelegt. • Der Abschnitt „Kunst und Kultur“ verweist auf die vielfältigen Ausdrucksformen der Gegenwartskunst, macht aber deutlich, dass Einschränkung und Zensur in nichtdemokratischen Regimen allgegenwärtig sind. • • • • Neue Medien und Onlinedienste überwinden alle Grenzen und stellen so eine Öffentlichkeit in demokratiefeindlichen Staaten her, die durch Zensurmaßnahmen nur mehr schwer kontrollierbar ist. Die weltweite Verbreitung von Nachrichten durch Google, Facebook und Twitter hilft besonders oppositionellen Gruppen. Das zeigen die Grüne Revolution im Iran 2009 und die Aufstände während des Arabischen Frühlings. Der uneingeschränkte Zugang zu Geheimdokumenten auch von Geheimdiensten wird von der „Enthüllungsplattform“ WikiLeaks propagiert, die Supermacht USA reagierte jedoch empfindlich auf „Whistleblower“ wie Julian Assange, Edward Snowden und Bradley Manning. Im ExpertInnengespräch mit Armin Wolf beantwortet der ZIB2-Moderator Fragen nach der Bedeutung des politischen Interviews. Der Längsschnitt „Geschichte der Umweltbewegung“ stellt dar, dass die Wurzeln der Umweltbewegung wie z. B. Wasser-, Luft- und Verbraucherschutz schon über Jahrhunderte voneinander unabhängig existierten. Es wird deutlich, dass sowohl einzelne Menschen und Umweltgruppen als auch Regierungsorganisationen Maßnahmen setzen können, die der Umwelt helfen. Der Methodenabschnitt „Dekonstruktion von Geschichte-Schulbüchern“ schließt die zahlreichen Methodenkapitel der Schulbuchreihe GO! ab, die der Operationalisierung der historischen Kompetenzen dienen sollten. Es wurden u. a. Darstellungen historischer Personen, Spielfilme, Fotos, Wahlplakate, Karikaturen und Graphic Novels dekonstruiert, nun soll den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, dass auch das vorliegende Schulbuch als „fertige Geschichte“ gesehen werden muss, die von einem Au torInnenteam nach den Richtlinien des Ministeriums und nach Kontrolle von GutachterInnen konstruiert wurde. Der Transfer-Abschnitt greift noch einmal das Thema Wissen in der digitalisierten Welt auf und bietet Textausschnitte, die zur kritischen Auseinandersetzung mit diesem Bereich einladen. Einstiegsdoppelseite GO! > Seite 132/133 Lösungsvorschläge Bildinformation: Foto von der Eröffnungsveranstaltung für Google Maps Streetview in der schwäbischen Ortschaft Oberstaufen im Allgäu am 02. 11. 2010. © Picture-Alliance GmbH/Stefan Puchner 52 Lösungen – Zusatzinformationen • Analyse und Interpretation des Fotos: Im Hintergrund sieht man einen Wald, Laubbäume, grüne Wiesen, einen Weg, rechts eine hölzerne Raststätte – eine für die Region typische Landschaft. Sechs Alphornbläser in Trachtenkleidung machen bei der Veranstaltung Musik. Im Zentrum des Fotos befindet sich eine blonde Frau im Dirndl auf einem modernen weißen Fahrrad mit einer Sonderkonstruktion. In der Fahrradmitte ist eine senkrechte Stange angebracht, auf der Kameras befestigt und über Kabel mit dem rückwärtigen Teil des Rades verbunden sind. Oberhalb des Hinterrads ist eine Straßenkarte mit der Aufschrift „Google Maps“ zu sehen, die Schürze der Frau trägt den Schriftzug „Google“. Der Bedeutungsinhalt dieses Bildes liegt in der symbolhaften Widerspiegelung der Gesellschaft des 21. Jhs., die einerseits durch ein regionales Umfeld, andererseits durch die Globalisierung und die digitale Medienrevolution geprägt ist. • Das Eingangsfoto verbindet die Positionen Humboldts und Gauß’. Humboldt entdeckt auf seinen Reisen die „Flecken“ der Welt und gelangt dadurch zu Forschungsergebnissen. Gauß beurteilt Humboldts Reise an den Orinoko in Lateinamerika als zwar „eindrucksvoll, aber auch sinnlos, denn die Wahrheit konnte man doch auch hier an Ort und Stelle finden“ (www.dieterwunderlich. de/Kehlmann_vermessung.htm#cont, Juni 2014). Während Humboldt den empirischen Naturforscher verkörpert, steht Gauß für den Willen zur Erkenntnis aus dem eigenen Denken heraus. Der Roman verbindet die Positionen „die Welt auf eigene Faust entdecken“ und „die Welt von zu Hause aus erkennen“. Bezug zum Eingangsfoto: Gauß kommt „hier an Ort und Stelle“, in der Region, zur „Wahrheit“, Humboldt hingegen kommt durch seine Entdeckungsfahrten in entfernte Regionen der Welt zu Erkenntnissen. • Mögliche Diskussionsergebnisse: – Angesichts der großen Beteiligung bei Entscheidungsfindungsprozessen in den sozialen Netzwerken sowie der fast flächendeckenden Internetnutzung (ein geringer Anteil an meist älteren Menschen hat und möchte keinen Zugang) etc. scheint die Annahme plausibel, dass Volksabstimmungen künftig in elektronischer Form stattfinden werden, wenn es datenschutzrechtlich keine Bedenken gibt. Dass dadurch die Parlamente abgeschafft werden, ist äußerst unwahrscheinlich. – In wirtschaftlichen Belangen haben die USA seit der Ära Busch und der internationalen Bankenkrise viel von ihrer Stärke eingebüßt. China konnte sich in den letzten Jahrzehnten v. a. in Asien und Afrika einen stärkeren Einfluss und Versorgungssicherheit mit Rohstoffen sichern. Auch in einem langfristigen, auf die letzten zehn Jahre hin angelegten Vergleich des BIP-Wachstums 2002–2012 liegt China mit 170 % Wachstum auf Platz 1, während die USA mit 16,7 % auf dem 16. Platz rangieren. Auch politisch steckten die USA Niederlagen ein – durch verlorene Kriege und ungeschickte diplomatische Aktionen – und verspielten zusehends ihren Einfluss in der Welt (www.wirtschaftswurm.net/tag/internationalervergleich/, Juni 2014). – Dass es aufgrund nationalstaatlicher Konflikte zum Ausbruch eines Dritten Weltkrieges in Europa kommen könnte, scheint angesichts der Erfolge in der Friedenssicherung der EU nicht allzu wahrscheinlich. Allerdings zeigen gerade die aktuellen Konflikte in der Ukraine zweierlei: Die Souveränität der europäischen Nationalstaaten ist keineswegs von allen Seiten anerkannt (vgl. Russland, das sich für die ukrainischen Russen einsetzt und im April 2014 die Krim annektierte) und die ehemaligen Großmächte möchten nicht auf diesen Status verzichten (auch andere ehemalige Sowjetrepubliken fürchten sich vor russischer Einflussnahme). – Derzeit ist keine Verringerung der Schere zwischen Arm und Reich zu erwarten. Dies gilt in einem globalen Kontext ebenso wie für westliche Demokratien. In Österreich konnten im März 2013 „431 000 Menschen, also 5,2 % der Bevölkerung, […] als ‚manifest arm‘ bezeichnet [werden]. Sie sind sowohl armutsgefährdet als auch in mindestens einem Lebensbereich depriviert [lassen etwas entbehren]. Das sind um 60 000 Personen mehr als im Jahr 2005.“ (Interview von Veronika Dolna, Wie arm ist Österreich wirklich?, in: Die Furche. Dossier 11 (2013), 22 f., www.armutskonferenz.at/index2.php?option=com_docman&task=doc_ view&gid=522&Itemid=6, Juni 2014) – Die Aussichten für einen höheren Frauenanteil in Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft sind unterschiedlich: Politik: 2011 lag der Frauenanteil im österreichischen Nationalrat mit 51 Parlamentarierinnen bei 28 %. Österreich befand sich damit im EU-Mittelfeld. Bezüglich der Zahl an weiblichen Regierungsmitgliedern nahm Österreich mit 6 Ministerinnen Platz sechs der EU-27 (Stand 2011) ein. Allerdings gab und gibt es in Österreich – anders als in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten – noch keine Frau an der Regierungsspitze. Auf den „niedrigeren“ politischen Ebenen zeigte sich ein deutlich geringerer Frauenanteil: So standen etwa lediglich 119 der 2 357 Gemeinden in Österreich Frauen vor. Wirtschaft: Auch im Bereich Wirtschaft ist die Führungsebene von Männern dominiert. Die österreichische Nationalbank etwa beschäftigt keine weiblichen Führungskräfte. Österreich bildet damit das Schlusslicht in der EU (in Norwegen und Island sind über 40 % des Direktoriums der Zentralbank Frauen). Ministerien mit Wirtschaftsagenden Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... befinden sich in rund der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten und auch in Österreich fast ausschließlich in Männerhänden. In Aufsichtsräten sind Frauen in Österreich lediglich mit einem Anteil von 10,3 %, in Vorständen mit nur 4,4 % vertreten. In einem Drittel der 200 umsatzstärksten Unternehmen gibt es in den höchsten Führungsgremien keine Frauen (vgl. Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt Österreich, Frauen in Führungspositionen. Daten, Fakten, Modelle. Endbericht, Wien 2011, https://www.bmbf.gv.at/ frauen/ewam/frauen_spitzenpositionen/frauen fhrungspositionen_2011_26013.pdf?4dz8a1, Juni 2014). • Fünf wichtige Ereignisse seit 2000: 2001: 9/11 – Terroranschlag auf die USA 2003–2011: Irakkrieg 2008: Finanzkrise und erster schwarzer US-Präsident 2009–?: EU-Staatsschuldenkrise 2011: Arabischer Frühling 53 Das Ende der amerikanischen Supermacht nach „9/11“? GO! > Seite 134 Lösungsvorschläge · Puglierin und Schwarz sind der Ansicht, dass von einem Niedergang der USA nicht die Rede sein kann. Zwar haben die USA nach der Jahrtausendwende durch die eklatante Kriegsführung, die überteuerten Rüstungsausgaben und die Einschränkung demokratischer Grundrechte an Ansehen in der Welt verloren, doch gibt es keine Alternative zu den USA. Die USA besitzen enorme Selbstheilungskräfte und Ideen, dennoch sind sie nie hypermächtig gewesen. Anregung: Vgl. die Wahrscheinlichkeitsthesen für das 21. Jh. auf der Einstiegsdoppelseite. · 1 Demokratie in der Krise? 1.1 Die Perspektive erweitern: Postdemokratie versus multiple Demokratie GO! > Seite 136/137 PolitikwissenschaftlerInnen suchen nach Antworten auf die Frage, warum das Interesse an Politik sinkt und die Wahlbeteiligung abnimmt, wie z. B. die EU-Wahl 2014 mit einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 43,1 % (europaweit) wieder deutlich zeigte. Der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch vertritt die Meinung, die nationale Politik werde durch die transnationale globalisierte Wirtschaft „ausgehebelt“, daher schwinde das Vertrauen in die repräsentative Politik; der deutsche Politologe Paul Nolte hingegen sieht in den zivilgesellschaftlichen Aktivitäten der gut ausgebildeten Mittelschicht neue Formen der Bürgerbeteiligung entstehen; er sieht in diesen Formen der Partizipation Ansätze zur Erneuerung der Demokratie. GO! > Seite 138 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Analyse und Interpretation von Nolte und Crouch: • Schritt 1, 2 und 3 – Einzelanalysen: Für Nolte hinkt die Struktur demokratischer Gesellschaften – bzw. das Denken in deren Muster – den Möglichkei- ten der Partizipation hinterher. Der Mitgliederschwund in Parteien kann nicht als Indikator von Demokratierückgang angesehen werden. Sich darüber zu beschweren, nur über Wahlen mitbestimmen zu dürfen, sieht er aufgrund der gestiegenen Partizipationsmöglichkeiten als unzulässig an. Es steht jedem die Möglichkeit zur Mitbestimmung offen. Noltes Argumente sind nachvollziehbar und logisch aufgebaut. Nolte ist Historiker und Soziologe an der FU Berlin und daher vertrauenswürdig in politischen Sachfragen. Ein Interview verzichtet auf einen wissenschaftlichen Apparat. Crouch erklärt die Begrifflichkeit „Postdemokratie“ als Weiterbestehen der institutionellen demokratischen Einrichtungen, die den Problemen von heute nicht mehr gewachsen sind. Den Grund dafür sieht er in der – entstehungsgeschichtlich verständlichen – Verzahnung von Demokratie und Nationalstaatlichkeit. PR-Teams wählen heute lösbare, aber nicht am dringendsten zu lösende Probleme für die Wahlwerbenden aus und bestimmen die Politik (mit). Die Wirtschaft ist den globalen Problemen eher gewachsen. Crouch untermauert seine These mit dem Hinweis, dass nationale Demokratien kein Zugriffsrecht auf globale Unternehmen haben. Politische Problemlösungen geschehen zunehmend innerhalb von NGOs engagierter BürgerInnen. Daher ist er der Ansicht, dass heute unter Demokratie mehr als nur der Prozess von Wahlen verstanden werden muss. Als Politikwissenschaftler und Soziologe an der University of Warwik sind Crouchs Ausführun- 54 Lösungen – Zusatzinformationen gen vertrauenswürdig. Ein Interview verzichtet auf einen kritischen Apparat. • Schritt 4 und 5 – Vergleich: Beide Autoren kommen darin überein, dass es erweiterte Möglichkeiten der Partizipation gibt und die nationalen bzw. repräsentativen Demokratien in der heutigen Form zur Lösung wichtiger Probleme nicht mehr ausreichen. Der Unterschied in den beiden Meinungen liegt darin, dass Nolte stark die Möglichkeiten und Verantwortung der BürgerInnen für ihre Mitbestimmung betont, während Crouch v. a. auf die problematischen Einflussnahmen von Wirtschaft und PR-Instituten auf die Politik aufmerksam macht und eine andere Begriffsbestimmung für „Demokratie“ einfordert. 2 Zusatzinformation: „Der Vorarlberger Landtag hat am 31. Jänner 2013 eine Verfassungsänderung beschlossen und bekennt sich darin zur direkten sowie zur partizipativen Demokratie. […] Ein erster Schritt wurde mit der Ausformulierung einer Landesrichtlinie zur Durchführung von Bürgerräten getan. Interessantes Detail am Rande: In Zukunft können Bürger mit Hilfe von 1 000 Unterschriften Bürgerräte einberufen.“ (www.vorarlberg.at/vorarlberg/ umwelt_zukunft/zukunft/buerofuerzukunftsfragen/ weitereinformationen/buergerschaftlichesengage/ buergerbeteiligung/vorarlbergverankerterstma.htm, Juni 2014) Der Bürgerrat tritt bei allfälligen Fragen zusammen. Es ist kein ständiges Organ und die Mitglieder werden per Los aus den unterschiedlichen Konfliktparteien bestimmt. Diese erarbeiten nicht bindende Vorschläge zur raschen Lösung von Problemen für den Gemeinderat. Diese Form der Partizipation hat auch schon über Vorarlbergs Grenzen hinaus Fuß gefasst, z. B. in Oberndorf in Tirol. Linktipp: www.vorarlberg.at/pdf/buergerratrichtlinie. pdf 1.2 Extremismen gefährden die Demokratie GO! > Seite 140 Für Rechtsextremismus unter Jugendlichen stellt Andreas Peham fest: „Heute stellt sich der Rechtsextremismus in erster Linie als organisierter Rassismus, verbunden mit Antisemitismus und Autoritarismus, dar.“ (Andreas Peham, Jugendliche und Rechtsextremismus – Jugendlicher Rechtsextremismus, Peham Thesen S. 1, www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/seminarbibliotheken-zentrale-seminare/nationalsozialismus-und-faschismus-in-nord-und-sudtirol6-zs-2007/Peham%20Thesen.pdf/view, Juni 2014) 2 Rechtsextremismus sei immer abzulehnen, weil er Menschen aufgrund ihrer biologischen Merkmale verurteile und daher immer menschenverachtend sei. Linksextremismus hingegen bewerte die Unterschiede als gesellschaftlich verursacht und wolle diese radikal ändern. LinksextremistInnen und -extremisten seien abzulehnen, wenn sie gewaltverherrlichend und autoritätshörig sind. 1.3 Extremismus und Demokratiefeindlichkeit in Österreich GO! > Seite 141 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Gegenargumente zu „rechten Sprüchen“, Beispiel „Wir haben zu viele Ausländer hier“: „Ohne Zuwanderung würden die Wirtschaft und das Pensionssystem zusammenbrechen, und in zwei Jahrzehnten wäre Österreich ein Land mit überwiegend alter Bevölkerung. Österreich hat die Verantwortung, Menschen auf der Flucht eine Chance auf ein Leben in Sicherheit zu geben.“ 2 Keine Musterlösung möglich. 3 Siehe GO! 8, Lexikon, S. 188, 191. · 1.4 Islamismus – politischer Islam GO! > Seite 143 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Anmerkung: „Moderner Rechtsextremismus ist schwer zu verorten. Neben den zumindest in der Szene etablierten wenigen Parteien existieren eine ganze Reihe kleinerer Organisationen. Sie agieren in den unterschiedlichsten Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Ideologisch betrachtet eint sie jedoch ein starkes Band: Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Geschichts-Revisionismus und eine generelle Demokratiekritik sind nur einige Aspekte ihrer Weltanschauung.“ (www.bpb.de/ politik/extremismus/rechtsextremismus/41888/ was-heisst-rechtsextremismus, Juni 2014) Lösungen zu Fragen & Aufgaben · 1 Siehe GO! 8, Lexikon, S. 188–191. Zusatzinformationen: • Djihad bedeutet nicht „Heiliger Krieg“, sondern „Anstrengung für den Glauben“. Sie kann in ihrer Intensität unterschieden werden: Die größte Form der Anstrengung (Djihad akbar) ist der Kampf gegen eigene Laster, worauf das Verkündigen und Zeugnisgeben für den Islam und der Dialog mit den Religionen folgt (große Anstrengung = Djihad kabir). Die geringste Form des Djihad ist der Einsatz für den Glauben mit Waffenge- Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... walt (Djihad asgar). Dieser darf rein rechtlich nur mit Zustimmung der gesamten muslimischen Gesellschaft (Umma) und nur gegen sogenannte „Ungläubige“ (d. h. jene, die keine Heilige Schrift anerkennen) angewandt werden. • Shari’a wird meist mit „islamisches Gesetz“ übersetzt. Dabei handelt es sich aber „in erster Linie um eine exakte Kasuistik, die jeden einzelnen Aspekt im Leben der Gläubigen umfasst“ (Raffaele Russo, Der Islam. Geschichte, Glaubensrichtungen, Glaubensinhalte, Neuer Kaiser Verlag 2002, S. 142). Die Bestimmungen der Shari’a setzen sich dabei aus vier Quellen zusammen: neben dem Koran aus den Hadithen (Lebensgeschichten Mohammeds) sowie dem „Idjma“ (Konsens unter den islamischen Gelehrten) und „Qiyas“ (Analogieschlüssen für Zweifelsfälle). 55 2 Die Problematik des Begriffs „Islamismus“ liegt in seiner unterschiedlichen Verwendung in Wissenschaft, Medien und Alltagssprache. Spricht die Wissenschaft beim „Islamismus“ von fundamentalistischen, muslimischen Gruppierungen, die ihre Anschauungen gewaltsam durchsetzen wollen, so wird er in den Medien v. a. mit Terrorgruppen gleichgesetzt und in Alltagsgesprächen vieler Menschen oft parallel zu „Islam“ verwendet. 3 Anregung: Meist taucht der Begriff „Islamismus“ in Verbindung mit terroristischen Aktionen und dem Begriff „Djihad“ auf, so etwa in der Berichterstattung um den Krieg in Syrien. 2 Längsschnitt: Geschichte der Umweltbewegung Der Längsschnitt „Geschichte der Umweltbewegung“ beschäftigt sich mit den sehr unterschiedlichen historischen Wurzeln der Ökologiebewegung und macht so deutlich, dass ein bewusster Umgang mit den Umweltressourcen nicht erst seit den 1970er-Jahren des 20. Jhs. gefordert wird. Neben der wirtschaftlichen Globalisierung findet im 21. Jh. auch eine ökologische statt, da nationale Lösungen oft nicht mehr greifen. In diesem Längsschnitt werden auch Möglichkeiten der politischen Handlungskompetenz aufgezeigt. 2.2 Von Rousseau bis zur Romantik GO! > Seite 145 Lösungen zu Fragen & Aufgaben: 1 Keine Musterlösung möglich. 2 Parallel zur vom Verstand dominierten Aufklärung orientieren sich die Dichter des Sturm und Drang an der freien Natur und dem Gefühl, die den Zwängen der absolutistischen Gesellschaft, die enge Standesschranken setzt, gegenübergestellt werden. Die von Menschen unbearbeitete Natur (Naturlandschaft) steht dabei für die Freiheit. Sie ist der Raum, der nicht von menschlichgesellschaftlichen Reglementierungen bestimmt ist und die Menschen in eine bestimmte Rolle presst und ihnen ihre Individualität aberzieht. Besonders in Rousseaus Erziehungsideal kommen die Reinheit und Freiheit der Natur zum Ausdruck. 3/4 Keine Musterlösung möglich. 2.3 Naturschutz- und Hygiene bewegung – Folgen der Hoch industrialisierung im 19. Jh. GO! > Seite 146 Lösungen zu Fragen & Aufgaben: 1 Zuordnung zu Radkaus Ursprüngen der Umweltbewegung: 1. Waldschutz: Holznot und Waldsterben seit dem 18. Jh. 2. Wasserschutz: Entsorgung von Abwässern und Wasserklärung im Zuge der Hygienebewegung und Seuchenbekämpfung ab den 1830er-Jahren 3. Luftreinhaltung: bauliche Vorschriften für Fabriken, Wohnblöcke und öffentliche Gebäude im Zuge der Hygienebewegung im industriellen Zeitalter 4./5. Tier- und Landschaftsschutz: Yellowstone-Nationalpark (ab 1872) als erstes Schutzgebiet 2.5 1970er-Jahre: die ökologische Revolution GO! > Seite 149 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Der Umweltschutz war bis 1972 dem Ressort von Land- und Forstwirtschaft unterstellt. Erst in der Ära Kreisky wurde dem Umweltschutz Bedeutung zugesprochen und ein eigenständiges „Ministerium für Gesundheit und Umweltschutz“ unter Ingeborg Leodolter eingerichtet. 56 Lösungen – Zusatzinformationen 2 Rechercheaufgaben, Auswahl: • Das Unterrichtsprinzip „Umwelterziehung“ wurde erstmals mit dem Grundsatzerlass zur Umwelterziehung, Rundschreiben 35/1994, eingeführt und das Rundschreiben 206/1985 wiederverlautet. Linktipp: www.bmbf.gv.at/ [→ Bildung Schulen → Unterricht und Schule → Unterrichtsprinzipien → Umweltbildung] • Umweltzeichen: „Ziel des Österreichischen Umweltzeichens für Schulen ist es, dass sich alle im schulischen Alltag beteiligten Personengruppen für eine nachhaltige Entwicklung ihrer Lebenswelt einsetzen. Dabei sollen Erfahrungen aus der Umsetzung von Umweltprojekten in der Schule zum weiteren Handeln im Alltag anregen. [...] Darüber hinaus soll durch Kooperationen mit weiteren Umweltprogrammen, [...] mit der Gemeinde, durch die Beschaffung regionaler, ökologischer oder fair gehandelter Produkte sowie über Medienarbeit eine nach außen gehende Wirkung des Umweltzeichens erzielt werden.“ (www.umweltbildung.at/index.php?id=1118, Juni 2014) Linktipps: www.oekolog.at [→ Das ist ÖKOLOG → ÖKOLOG-Programm] www.umweltzeichen.at/cms/home233/content.html www.pilgrimschule.at/seiten/inhalte.php?iid=7 www.klimabuendnis.at/ [→ Klimabündnis-Schulen] www.gesundeschule.at/ 2.6 Von der Hainburger Au bis Rio GO! > Seite 150 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die Protestierenden gegen das AKW Zwentendorf und KW Hainburg stellten die Entscheidungen der Regierung infrage. Sie sahen in ihr nicht mehr die Vertreterin des Volkes und seiner Interessen, sondern der Angelegenheiten von Industrie, Handel, Wirtschaftsund Arbeitspolitik. Damit sprachen sie auch der repräsentativen Demokratie der westlichen Länder ein gewisses Misstrauen aus und suchten Mitbestimmung über aktive, auch konfliktreiche Wege, z. B. durch Protest- und Besetzungsaktionen, Bildung von Akti vistInnengruppen etc. Ihre Protestaktionen mündeten z. B. in der Anti-AKW-Volksabstimmung vom 05. 11. 1978 und im Konrad-Lorenz-Volksbegehren vom 07. 05. 1984 in verfassungskonforme Möglichkeiten der direktdemokratischen Mitbestimmung. Man spricht hier von der verstärkten öffentlichen Mitsprache der Zivilgesellschaft (vgl. Abstimmung über die Mariahilfer-Straße im Jahr 2014). Schweizer Formen der permanenten BürgerInnenbefragung haben sich in der EU jedoch noch nicht durchgesetzt. 2 Bedeutung der Verbindung von Prominenten, Medien und Anliegen der Umweltschutzgruppen: Je mehr und bekannter die Aktivistinnen und Aktivisten einer Umweltschutzgruppe sind, desto häufiger und eher wird auch über sie – und ihre Gruppenaktionen – in den Medien berichtet. Auch erreichen von Prominenten vorgetragene Anliegen eine größere Öffentlichkeit und üben daher mehr Druck auf VerantwortungsträgerInnen aus. Anregung: Welche Prominenten sich für Umweltthemen einsetzen, kann im Artikel von Julia Zahnweh nachgelesen werden: „Umweltschutz. So grün sind grüne Promis wirklich“, in: news.de, 28.07.2009; www. news.de/promis/4240/so-gruen-sind-gruene-promiswirklich/1/, Juni 2014. 2.7 „Think global, act local“ GO! > Seite 152 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Analyse der Konferenz von Rio durch Radkau: • Dominantes Nomen: „Umwelt“ • Linktipp: www.nachhaltigkeit.info/ • Gegensätze: Ökologie und Umweltschutz verschafften der Ökonomie zahlreiche Auflagen und Teuerungen. Dennoch zog die Ökonomie auch Profit aus der Ökologie, etwa durch die große Nachfrage nach Bioprodukten. Dabei wurden diese nicht immer nach ökologischen Standards produziert. In der nördlichen Hemisphäre war man bestrebt, den Umweltschutz zu forcieren, während man in der südlichen Hemisphäre zur Bekämpfung der Armut v. a. auf die Erschließung (und Ausbeutung) der Ressourcen zur wirtschaftlichen Entwicklung aus war. 2 Die als Rio+20 bezeichnete Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNSCD) fand 20 Jahre nach der ersten Umweltkonferenz in Rio 1992 vom 20. bis 22. 06. 2012 statt. An der Konferenz nahmen 43 internationale Organisationen (UNSCD, WTO etc.), 193 UN-Mitgliedstaaten, mehrere Staatengruppen (EU etc.) sowie mehrere Hundert Interessengruppen (NGOs, indigene Bevölkerungen, Wirtschaft und Industrie, Wissenschaft etc.) teil. „Die Vorbereitungen der Konferenz koordiniert die UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung. Sie bündelt auch die von den verschiedenen Interessengruppen im Vorfeld geäußerten Erwartungen. Erhoffte Ergebnisse der Konferenz sind: • die Verabschiedung nachhaltiger Entwicklungsziele [z. B. Klimaschutz-, Emissionsregelungen]; • eine Roadmap für eine Grüne Wirtschaft [,Green Economy‘, d. h. eine nachhaltigere Wirtschafts- und Konsumpraxis etc.]; Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... • die Schaffung eines UN-Rates für nachhaltige Entwicklung [zur internationalen Koordination der Umweltziele und evtl. eines ,Umweltstrafgerichtshofes‘]; • die Stärkung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen [auch in den nationalen Mitgliedstaaten].“ (Global Lernen 1 (2012): Das Thema: Weltkonferenz Rio+20, S. 5) 3 Anregung: Sinnvoll scheint wohl Bethges Aussage, dass zur Rettung der Welt die derzeit kleine Gruppe der aktiven NaturschützerInnen nicht ausreicht. Eine Nachhaltigkeitsdiskussion ohne das Thema Umweltschutz zu führen, erscheint jedoch wenig zielführend. Auch wenn dadurch mehr Akteurinnen und Akteure für die „Green Economy“ gewonnen werden könnten, sollte das Ziel der Bemühungen nicht verschwiegen werden. Das Engagement für die Umwelt profitorientierten Konzernen zu überlassen, wird keine positiven Folgen haben. Linktipp: www.brot-fuer-die-welt.de [→ Jugend & Schule → Zeitschrift „Global Lernen“] 2.8 Was kann ich tun? GO! > Seite 153 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Umweltbewusstes Handeln: „im Bioladen eingekauft“ – „erledige sehr viel mehr mit dem Fahrrad [...] und habe mir ein umweltfreundliches Auto [...] gekauft“ – „esse mittlerweile nur noch eine warme Fleischmahlzeit in drei Wochen und vielleicht mal ein Stück Wurst.“ – Kinder [...] zu Flexitariern zu erziehen.“ – „Zum Beispiel rede ich mit meinen Kollegen am Set über den irren Verbrauch von Plastikbechern. Oder diskutiere mit einem Kellner, dass die Heizpilze vorm Restaurant überflüssig sind.“ Position Pauls zur Frage des Nutzens einer Lebensänderung des Einzelnen zugunsten der Umwelt: Die persönliche, individuelle Bereitschaft zu Änderungen der Lebensgewohnheiten sei nicht ausreichend. Ein solches Verhalten nütze zwar der Umwelt, aber es reiche nicht aus, um sie zu retten (vgl. auch den Beitrag von Bethge, S. 151). 2 Recherche zu Ökologiethemen, Auswahl: Jonathan Safran Foer legt sein Hauptaugenmerk auf die Problematik der Massentierhaltung und den exzessiven Fischfang und deren negative Auswirkungen auf die Umwelt. Er sensibilisiert dabei auch für die Rechte der Tiere. In einem Interview mit der FAZ am 17. 01. 2010 bemerkte er dazu: 57 Jonathan Safran Foer im Interview „Ich liebe Würste auch. Aber ich esse sie nicht.“ 17. 01. 2010 [...] Massentierhaltung ist eine 140-Milliarden-Dollar- Industrie; nahezu ein Drittel der Erdfläche wird für Viehzucht genutzt, der Regenwald wird abgeholzt, um Tierfutter anzubauen. Es geht hier einfach um sehr viel. Und vor allem, was den Fischfang angeht, kann man es nicht anders als Krieg nennen. Wir nutzen Kriegstechnologien, um Fische zu jagen. Kriegsschiffe, Radar, Satelliten – der ganze Meeresboden wird leer geräumt. Wenn das kein Krieg ist, weiß ich nicht, was Krieg sein soll. [...] Wenn ich Sie richtig verstanden habe, plädieren Sie dafür, nicht mehr länger allgemein von Fleisch zu sprechen, sondern wieder das Tier als solches wahrzunehmen: Dieses Kotelett auf meinem Teller, das war einmal ein Kalb, das hier oder da aufgezogen wurde und so und so getötet wurde. Richtig? Ja. Meine Ansichten sind übrigens nicht besonders ungewöhnlich. Es sind Ansichten, denen niemand widersprechen würde, wenn er mehr wüsste. Niemand würde in einen Betrieb mit Massentierhaltung gehen und sagen, ja, hierfür möchte ich Geld zahlen, ich heiße es gut, dass Tiere mit Medikamenten vollgepumpt werden, um so unnatürlich schnell zu wachsen, dass sie ihr eigenes Körpergewicht nicht mehr tragen können, ich bin einverstanden, dass sie in ihrem Leben nie das Sonnenlicht sehen, so eng zusammengepfercht sind, dass sie sich nicht mal umdrehen können, dass sie genetisch verändert sind und mit unnatürlicher Nahrung gemästet werden!“ „Ich liebe Würste auch. Aber ich esse sie nicht“, faz.net vom 17.01.2010 von Johanna Adorján © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv. Mit seinem in Amerika 2009 erschienenen Sachbuch „Eating Animals“, das die Folgen des Fleischkonsums für die Erde behandelt, hat Foer seitdem viele LeserInnen zu Veganerinnen und Veganern werden lassen. Linktipps: www.perlentaucher.de/ [Leo Hickman] www.faz.net [Foer Ich liebe Würste] http://vfarquharson.com/ [→ About me]; www.youtube. com [Sleeping naked is Green] www.perlentaucher.de [Peter Unfried] Anregung: Wie Sie konkret die Umwelt (negativ und positiv) beeinflussen und so Ihren Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten können, zeigt der „ökologische Fußabdruck“ auf. Mithilfe eines (Online-)Fragebogens zu 58 Lösungen – Zusatzinformationen Ihrer Lebensweise erhalten Sie konkrete Tipps für eine Änderung Ihrer Alltagsgewohnheiten zugunsten der Umwelt. Linktipps: www.mein-fussabdruck.at/ www.footprint-deutschland.de/ www.footprint.at 3 Gesellschaft im 21. Jahrhundert 3.1 Migration und Integration GO! > Seite 155 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Politische Maßnahmen, Auswahl: sprachliche (Früh-) Förderung; Ermöglichung eines Schulabschlusses für Zuwanderinnen und Zuwanderer durch spezielle Fördermaßnahmen; Steigerung der Erwerbstätigkeitsquote, um wirtschaftliche Autonomie zu erreichen; (mediale) Maßnahmen zur positiven Wahrnehmung des Integrationsprozesses 2 Seit 2007 wird das START-Stipendienprogramm in Österreich gemeinsam mit rund 75 Partnerinstitutionen umgesetzt. Ziel des Programms ist es, die Chancengerechtigkeit für SchülerInnen mit Migrationshintergrund zu fördern und zu einer offeneren, sozial durchlässigeren interkulturellen Gesellschaft beizutragen. Momentan (Stand: April 2014) bilden 98 aktive Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie 78 Absolventinnen und Absolventen das START-Team Österreich. Selda Sevgi könnte diesem Programm kritisch gegenüberstehen, weil sie die Kategorie „Migrationshintergrund“ prinzipiell infrage stellt. Sie meint: „Obwohl er [der Aspekt Migrationshintergrund, Anm.] für das eigene Leben keine Relevanz hat, wird er von anderen relevant gemacht.“ Sevgi könnte im START-Programm also eine unwillkommene Betonung des Aspektes „Migrationshintergrund“ sehen, während sie selbst derartige Zuschreibungen vermeiden möchte. 3.2 Altern im 21. Jahrhundert GO! > Seite 156 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Diskussionspunkte: Das Renten-Antrittsalter wird steigen müssen, um das österreichische Sozialsystem weiter finanzieren zu können. Andererseits sollte jede Person selbst mitentscheiden können, wann sie in Pension gehen möchte. Private Pensionsvorsorgen werden dabei im Allgemeinen ambivalent betrachtet. Eine erhöhte Zuwanderung insbesondere jüngerer Menschen könnte die Altersumschichtung zumindest verlangsamen. Um die Geburtenrate zu erhöhen, müsste der Staat verstärkt Anreize setzen (zum Beispiel eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf; Ganztagseinrichtungen zur Betreuung von Kindern; flexiblere Arbeitszeiteinteilung). Das Bildungssystem wird auf die veränderten demografischen Umstände reagieren müssen, indem es etwa Themen wie Verantwortung und Fairness der älteren Generation gegenüber verstärkt aufgreift. 3.3 So viel Gender wie heute war noch nie GO! > Seite 157 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Argumente: Das Thema „Gender“ wird in Politik und Wirtschaft öffentlich diskutiert. In vielen Bereichen gibt es Quotenregelungen. Gleichbehandlungs- und Gleichstellungspolitik sind gesetzlich geregelt. Genderaspekte werden in den Medien stark wiedergegeben, insbesondere auch in Film und Fernsehen. Die Popkultur greift Genderthemen oftmals provokant auf. 2 Mögliche Diskussionspunkte: Die Quotenregelung erweitert die Möglichkeiten von Frauen, Karriere zu machen. Andererseits wird kritisiert, dass eine weibliche Person nur aufgrund einer Quote, nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen eingestellt wird. Historisch betrachtet betraf die Wehrpflicht nur Männer; auch der Zivildienst muss nur von Männern abgeleistet werden. Es wird kritisch diskutiert, ob auch Frauen einen sozialen Dienst leisten sollten. Traditionelle Geschlechtervorstellungen gehen davon aus, dass vor allem Frauen für die Betreuung und Erziehung der Kinder zuständig sein sollten. Nach Scheidungen wird das Sorgerecht für Kinder daher oft der Mutter zugesprochen. Männer können deshalb in manchen Fällen nur beschränkt an der Erziehung ihrer Kinder mitwirken, auch wenn sie es anders wünschen. Eine Stärkung der Väterrechte müsste mit einer Betonung der Väterpflichten einhergehen. 3 Mögliche Argumente für die Geschlechtertrennung im Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... Unterricht: Gerade im Bereich der Naturwissenschaften entsteht oft das Stereotyp, dass Burschen für diese Fächer besser geeignet seien als Mädchen. Im monoedukativen Unterricht könnte dieses Vorurteil wegfallen. Mädchen und Burschen werden im getrennten Unterricht eventuell weniger auf die Kategorie Geschlecht reduziert als im koedukativen System. Mögliche Argumente für die Koedukation: Mädchen und Burschen können viel voneinander lernen. Da der Unterricht auch ein Spiegelbild der Gesellschaft sein soll und unsere Gesellschaft im Normalfall von Frauen und Männern mitgestaltet wird, sollte auch der Unterricht vielfältige Möglichkeiten der Begegnung bieten. Mädchen und Burschen können erkennen, dass die individuellen Unterschiede oft größer sind als die geschlechtsabhängigen Unterschiede. 3.4 Patchwork-Familien, Singles, Homo-Ehen – neue Formen des Zusammenlebens GO! > Seite 158 Lösungen zu Fragen & Aufgaben Die Anzahl der Ehepaare ohne Kinder steigt um rund 37 % gegenüber 1971, während die Anzahl der Ehepaare mit Kindern um rund 22 % sinkt. Die Anzahl der Lebensgemeinschaften ohne Kinder wächst sogar um mehr als 400 % an, d. h., die Anzahl verfünffacht sich; auch die Lebensgemeinschaften mit Kindern nehmen um mehr als 180 % zu. Die Anzahl von Alleinerziehenden verdoppelt sich nahezu (plus 98 %), jener der Privathaushalte steigt um rund 43 % an. Der Anteil der Singlehaushalte beläuft sich auf einen Anstieg um 35 %. Aus der Statistik wird ersichtlich, dass die Institution Ehe drastisch an Bedeutung verliert. Gleichzeitig tritt vor allem die Menge an Partnerschaften ohne Kinder sehr stark in den Vordergrund, was zu demografischen Problemen führen kann (vgl. GO! 8, Kapitel 3.2). 4 Um den aktuellen Tendenzen gerecht werden zu können, muss der Immobilienmarkt verstärkt kleinere Wohnungen bzw. Singlehaushalte anbieten, die den Mieterinnen und Mietern bzw. Käuferinnen und Käufern allerdings verhältnismäßig teurer zu stehen kommen. Die Schule kann nicht mehr vom Bild der Kernfamilie ausgehen, sondern ist aufgefordert, neue Familienstrukturen zu behandeln (z. B. auch in Schulbüchern). Menschen, die alleine leben und auch keine Kinder haben, können sich einerseits stärker in ihren Berufen engagieren, andererseits können sie ihr Geld verstärkt für Urlaub und Luxusgüter ausgeben, worauf insbesondere die Tourismuswirtschaft reagieren wird. Singles können stärker von Vereinsamung betroffen · 59 sein als Menschen, die in Partnerschaften leben, was sich negativ auf die (psychische) Gesundheit auswirken könnte. 3.5 Das Recht auf eine freie sexuelle Orientierung GO! > Seite 159 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Homosexuelle Männer sind oft mit dem Stereotyp einer gewissen Weichheit und Sanftheit konfrontiert, was scheinbar nicht mit einer harten Sportart wie Fußball zusammenpasst. Fußball gilt als eine besonders „männliche“ Sportart; durch eine vermehrte Diskussion von Homosexualität im Fußball befürchten manche eine Verweichlichung des Sports. Der deutsche Profifußballer Thomas Hitzlsperger bekannte sich erst nach dem Ende seiner Karriere zu seiner Homosexualität, was die Homophobie im Fußballbereich erneut unter Beweis stellte. Linktipp: www.zeit.de [Homosexualität im Fußball; „Die Männlichkeit steht auf dem Spiel“; „Aus dem Abseits“] 2 Im Bereich der Volksmusik herrscht eine heteronormative Sichtweise vor, Homosexualität wird darin nicht behandelt. Auch in deutschen Schlagertexten sind homosexuelle Inhalte tabu. In der Rockmusik herrscht „die Idee des authentischen, weißen, hetero-männlichen Rockstars“ vor, Toleranz für Homosexuelle findet sich eher nicht. Sowohl in der afroamerikanischen Hip-HopKultur als auch im Rap ist Homophobie vor allem an abwertenden Begriffen (z. B. fag oder faggot für „Schwuchtel“) zu erkennen. Queere Popmusik kritisierte erstmals in den 1990er-Jahren die bestehende Normierung von Sexualität und stellt traditionelle Rollenbilder infrage. Dabei kommt es zu Subkulturen wie queerem Rap oder queerem Punk. (www.bpb.de/gesellschaft/gender/ homosexualitaet/38881/homophobie-in-derpopmusik?p=all, Juni 2014). 3.6 Punk, Gothics, Hip-Hop – Jugendkulturen GO! > Seite 161 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Graffiti, Breakdance 2 Jugendkulturen – Kennzeichen und Ideologie: • Punk: – Destruktives Auftreten, Military Look –Anarchismus 60 Lösungen – Zusatzinformationen • Gothic: – Introversion, Ausdruck der Gefühlswelt durch literarische Texte, depressive Haltung, Interesse an Religionen, schwarze Kleidung, Retro-Look, bleiche Gesichter – Individualismus, Eskapismus • Techno: – Toleranz, friedliches Miteinander, Lebensgenuss, Spaßgesellschaft – Hedonismus, Futurismus • Hip-Hop: – Verbreitung im städtischen Bereich, Breakdance, Rap, Betonung von Coolness – Realistische Darstellung großstädtischer Subkultur, z. T. mit rechtsextremistischen Positionen 3 Krocha: Der Begriff stammt aus dem Wienerischen „einekrochn“ (hineinkrachen). Jugendliche, die als „Krocha“ bezeichnet wurden, gab es zwischen 2007 und 2009 v. a. in Wien. Wörter wie „fix“ oder „Oida“ waren typisch für die Krocha-Szene. Krocha kleideten sich sehr markenbewusst (z. B. Ed Hardy, D & G), trugen eine Vokuhila-Frisur und helle Sneakers. Kennzeichnend war auch die (solarium)gebräunte Haut. Emo: Emo gilt als eine Subkultur des Punk. Emos betonen Gefühle sehr stark, insbesondere tragische Elemente wie Verzweiflung und Trauer. Zum typischen Erscheinungsbild zählen Nietengürtel, Skaterschuhe, schwarz gefärbte Haare, schwarze Kleidung gepaart mit grellen Mustern und Röhrenjeans. Emos tragen oft Piercings. In den Medien werden Emos oft mit Suizidalität in Verbindung gebracht, die Zuschreibung gilt aber als umstritten. Linktipp: www.jugendszenen.com 4 Kunst und Kultur 4.1 Kunst – so vielfältig wie noch nie GO! > Seite 162 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Keine Musterlösung möglich. 2 Mögliche Beispiele: • 1981 gestaltete ein deutscher Grafiker den Einband für das Buch „Lasst mich bloß in Frieden“. Darauf ist eine Collage mit einem Mann zu sehen, der auf die deutsche Bundesflagge pinkelt. In weiterer Folge kam es zu einer Gerichtsverhandlung. • Der österreichische Maler und Bildhauer Rudi Wach (geboren 1934) stellte 1985 die Skulptur „Jesus-Kreuzigung“ für die Innbrücke in Innsbruck fertig. Christus wird dabei ohne Lendenschurz, also nackt, gezeigt, weshalb es zu heftigen Protesten kam. Das Kreuz wurde erst 2010 an der Innbrücke aufgestellt. • Im September 2005 erschienen in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten zwölf Karikaturen, die den Propheten Mohammed zum Thema hatten. Infolge der Veröffentlichung dieser Bilder kam es in diversen islamischen Ländern der Welt zu Demonstrationen, diplomatischen Konflikten und gewalttätigen Ausschreitungen. 3 Mögliches Beispiel: 2012 wurde eine Röhreninstallation des Künstlers Peter Kogler am Karlsplatz in Wien eröffnet. Das Kunstwerk sollte einerseits die Gegend um den Karlsplatz aufwerten und andererseits die U-Bahn-Station vor Vandalis- mus schützen. Mit dem Kunstwerk wurde auf die schwierige Situation am Karlsplatz reagiert, der verstärkt als Umschlagplatz für illegale Drogen in die Schlagzeilen geraten war. 4.2 Kunst im (politischen) Konflikt GO! > Seite 163 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Beispiele: Michail Gorbatschows Politik, die unter den Schlagworten „Perestroika“ und „Glasnost“ bekannt wurde, leitete das Ende der Sowjetunion ein ( GO! 7, S. 88). Das kommunistische totalitäre Regime in Nordkorea kann nur in seiner Isolation bestehen ( GO! 7, S. 10). Der offene Umgang mit dem Internet ermöglichte es den Menschen in arabischen Staaten wie Tunesien, Libyen, Ägypten und Syrien, sich gegen die autoritären Regime zur Wehr zu setzen ( GO! 8, S. 66–70). Auch im Iran sorgten die neuen Medien für ein weltweites Bekanntwerden der Missstände ( GO! 8, S. 166/167). 2 Keine Musterlösung möglich. 3 Mögliche Pro-Argumente für das Projekt: Durch die mediale Berichterstattung über das Projekt wird der problematischen Situation in China Raum gegeben. Die Menschen in Europa werden über aktuelle Vorfälle in China informiert, es entsteht ein kritisches Bewusstsein für die chinesische Politik. Die Freiheit der Kunst sollte als ein wichtiges Gut angesehen werden. · · · · Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... 61 ob das Kunstwerk tatsächlich zu einer kritischeren Sichtweise der Vorgänge in China beitragen kann. Mögliche Kontra-Argumente gegen das Projekt: Die Installation kostete viel Geld, ohne einen unmittelbaren Nutzen erkennen zu lassen. Es bleibt umstritten, 5 Moderne Medien und Politik 5.1 Mediendemokratie und politischer Skandal GO! > Seite 165 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 In einer demokratischen Gesellschaft ist es notwendig, die eigenen ethischen und moralischen Maßstäbe immer wieder zu überprüfen und teilweise auch neu zu formulieren. Fehltritte von Eliten und Personen, die im öffentlichen Raum stehen, sind für solche Analysen besonders gut geeignet. Sprengkamp betont, dass es Aufgabe von „halbwegs freien Journalisten“ sein muss, Skandale aufzudecken und somit für eine gewisse Kontrolle zu sorgen. 2 Keine Musterlösung möglich. 2 Anmerkung: Der Link auf die Spiegel-Homepage führt ins Leere, das Video ist nicht mehr abrufbar. Man findet aber einen CNN-Beitrag darüber auf YouTube unter www.youtube.com/watch?v=b5KBrsz1oxs. 3 Anfang Juni 2013 enthüllte der Whistleblower Edward Snowden, dass der US-Geheimdienst NSA das Internet und andere Telekommunikationsmöglichkeiten in großem Umfang überwacht. Die Daten wurden auf Vorrat gespeichert und können, gleich wie im Iran, auf Schlüsselworte hin untersucht werden. Auch der internationale Zahlungsverkehr wurde von der NSA systematisch ausspioniert. Ebenso wurde bekannt, dass sämtliche Telefonate jeweils einen ganzen Monat lang gespeichert wurden. Gerechtfertigt wurde das Vorgehen des US-Geheimdienstes mit dem Argument, terroristische Anschläge frühzeitig erkennen und abwehren zu wollen. 5.2 Möglichkeiten und Grenzen der neuen Medien am Beispiel des 5.3 Die große chinesische (Internet-)Mauer Irans, 2009 GO! > Seite 166 · GO! > Seite 169 Lösungen zu Fragen & Aufgaben Interpretation der Karikatur: Mithilfe der modernen Medien, allen voran des Onlinedienstes Twitter, gelang es den Menschen im Iran, sich zu vernetzen und gegen das Regime zu protestieren. Dieser Form des Protests hatte die Regierung wenig entgegenzusetzen: Chamenei und Ahmadi nedschad waren zwar empört und wütend, letztendlich aber machtlos gegen die Tweets; sie konnten nichts daran ändern, dass das Regime durch etliche Tweets „beschmutzt“ wurde. GO! > Seite 167 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Jene Videos, die anonym angefertigt und online veröffentlicht wurden, zeigen den Widerstand gegen das iranische Regime. Bisher unbekannte Personen wie die 27-jährige Neda Agha-Soltan werden zu Ikonen des Widerstands. An ihrem Schicksal zeigt sich die Härte des Regimes besonders deutlich. Zwar gibt es Zweifel daran, ob alle Videos echt sind, letztendlich tut dieser Zweifel der Wirkung der Videos aber keinen Abbruch. 1 In Österreich wird der Großteil der Medien von einigen wenigen Konzernen kontrolliert; das bedeutet, dass die Meinungs- und Pressefreiheit weniger stark ausgeprägt ist als in Ländern, in denen mehr unabhängige Medien existieren. Auf der Rangliste der Pressefreiheit, die von den „Reportern ohne Grenzen“ jährlich erstellt wird, landete Österreich im Jahr 2012/13 auf Rang 12 von 179 (www.rog.at/130128_Rangliste_Deutsch.pdf, Juni 2014). 2 Die chinesische Regierung möchte verhindern, dass Kritik an den Lebensverhältnissen der Bevölkerung sowie an den sozialen Bedingungen im Land laut wird. China will einerseits ein Image von größerer Offenheit aufbauen, andererseits sollen die Bürgerinnen und Bürger möglichst wenige Möglichkeiten haben, sich zu vernetzen und zu protestieren. Deshalb schränkt die chinesische Regierung die Internetnutzung durch Zensurmaßnahmen ein. 3 Die Karikatur kritisiert das Verhalten von westlichen Unternehmen wie Google, Microsoft und Yahoo, die sich in den Dienst der chinesischen Regierung stellen und „im Gleichschritt mit den chinesischen Soldaten marschieren“. Das große Porträt, an dem die Vertreter 62 Lösungen – Zusatzinformationen der Firmen und die chinesischen Soldaten vorbeiziehen, zeigt Mao Zedong, den wichtigsten chinesischen Politiker des 20. Jhs. Die chinesische Zensur wird akzeptiert, weil sich die genannten Unternehmen große Gewinne in China versprechen. 5.4 Facebook, Twitter – und die Demokratie GO! > Seite 171 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die Menschen werden zunehmend sensibler, was den Schutz ihrer persönlichen Daten betrifft. Soziale Netzwerke und Dienste wie z. B. Facebook oder WhatsApp geraten immer wieder durch Verletzungen der Datensicherheit ihrer NutzerInnen in die Schlagzeilen, weshalb zu vermuten ist, dass sich in Zukunft neue Formen der Vernetzung etablieren werden. 2 Krüger erkennt in den sozialen Netzwerken vor allem die Chance, öffentliche Proteste schnell und effektiv zu organisieren. Die Durchführung dieser Proteste kann aber nicht online geschehen; Krüger betont, dass die physische Präsenz von Protestierenden auf der Straße auch in Zeiten des Internets unabdingbar sei. 3 Da das Publikum durch das Fernsehen bereits mit einem breiten Angebot verwöhnt wird, müssen sich Produzentinnen und Produzenten von Kinofilmen attraktive Neuerungen einfallen lassen. 4 Über Onlinedienste ist eine schnelle und vor allem für die Regime nicht leicht nachvollziehbare Vernetzung möglich, was dazu führte, dass sich die sozialen Netzwerke als wichtige Mittel für die politische Mobilisierung etablierten. 5 „Basisdemokratie“ meint eine Form der direkten Demokratie, bei der alle Beteiligten unmittelbar und gleichberechtigt mitbestimmen können. Krüger betont, dass es dazu eines herrschaftsfreien Raumes bedürfe und dass das Volk somit seine Regeln selbst kreieren könne. An der Online-Basisdemokratie können jedoch nur jene Menschen aktiv teilnehmen, die geübt im Umgang mit Computern und den neuen Medien sind. 2012 hatten immerhin 79 % aller Haushalte einen Internetzugang zur Verfügung (Quelle: www.digitales.oesterreich.gv.at/ site/5428/default.aspx, Juni 2014). 6 Krüger meint mit seinem Schlussstatement, dass die Gesellschaft eine Antwort auf die Frage finden muss, ob wir das Internet, das zweifelsohne viele Möglichkeiten bietet, für demokratische Entscheidungsfindungen sinnvoll einsetzen und nutzen sollten. Oder ob wir die digitalen Möglichkeiten nur aufgrund der Tatsache, dass wir sie zur Verfügung haben, nicht zwangsläufig in politische Entscheidungsfindungsprozesse einbinden müssen, da wir sie häufig ohne nachzudenken nutzen. 5.5 Die Piraten – eine Heraus forderung für die traditionellen Parteien? GO! > Seite 172 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Die Piratenpartei geht davon aus, dass jeder einzelne Mensch gleichberechtigt und direkt an der Demokratie partizipieren möchte. Der Autor des FAZ-Artikels verwendet den Begriff „homo democraticus“, um diese Sichtweise zu verdeutlichen. Im Internet erkennen die Piraten eine Möglichkeit zur Realisierung dieser Vorstellung. Im zweiten Artikel wird jedoch die Frage aufgeworfen, ob wirklich alle BürgerInnen Zeit und Muße haben, sich täglich mit Politik zu beschäftigen; diese Arbeit wird sogar als „Belästigung des gemeinen Bürgers“ bezeichnet. Politik, so die Aussage des Artikels, solle für die BürgerInnen, aber nicht unbedingt mit ihnen gemacht werden. 2 Unter „Publikative“ versteht die Piratenpartei eine großzügige Form der Öffentlichkeit, in der sich jede Bürgerin und jeder Bürger selbst ein Bild der Lage machen kann. Wachsamkeit, Unabhängigkeit und Pluralismus sind Merkmale der „Publikative“. 3 Die politischen Erfolge der Piraten erteilten den traditionellen politischen Parteien insofern eine Lehre, als man nun über mehr direkte Demokratie und Mitbestimmungsmöglichkeiten sowie über die große Politikverdrossenheit in der Gesellschaft diskutiert und nachdenkt. Die Slogans sprechen die Missstände in der Politik (insbesondere das Thema Korruption auf dem zweiten Plakat) an; gleichzeitig sollen sie der Leserin und dem Leser die Möglichkeit aufzeigen, dass jeder Mensch in der Lage ist, die Situation zu verändern. Jeder Einzelne ist dazu aufgerufen, sich politisch zu engagieren und mitzumachen. 5.6 Whistleblower: Gibt es eine Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit? GO! > Seite 173 Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Pro-Argumente: Schutz vor drohenden Gefahren wie Terroranschlägen; Perspektivenerweiterung; Erkenntnisgewinn für die Gesellschaft. Kontra-Argumente: Keine freie Meinungsbildung mehr möglich; demokratiepolitisch fragwürdig; Blamage für handelnde Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... Personen wie z. B. Diplomatinnen und Diplomaten sowie auch für ganze Staaten. 2 Keine Musterlösung möglich. 3 Edward Snowden löste im Juni 2013 die globale Spionage- und Überwachungsaffäre aus, als er öffentlich machte, dass der US-Geheimdienst NSA das Internet sowie Telefonie in großem Stil überwachte. Das FBI erwirkte einen Haftbefehl gegen ihn, Snowden erhielt im August 2013 aber Asyl in Russland. Der IT-Spezialist Bradley Manning wurde im Mai 2010 unter dem Verdacht verhaftet, vertrauliche Dokumente und Videos an WikiLeaks ausgehändigt zu haben. Es handelte sich dabei u. a. um ein Video aus dem Jahr 2007, das zeigt, wie irakische Zivilpersonen sowie Journalisten von einem amerikanischen Kampfhubschrauber beschossen und getötet wurden. Die Dokumente berichten von Hunderten Fällen von Folter im Irak. Im Gerichtsverfahren bekannte sich Manning in Teilbereichen schuldig und wurde zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt. 4 Im Fall Julian Assange gibt es noch kein Urteil (Stand: April 2014), aber insbesondere konservative Kreise in den USA haben sogar die Hinrichtung bzw. eine gezielte 63 Tötung von Assange gefordert. Von Militärkreisen wurde er als „Cyber-Terrorist“ und „High-Tech-Terrorist“ eingestuft. Bradley Manning wurde zu 35 Jahren Freiheitsstrafe unter besonders harten Bedingungen verurteilt. Ihm wurde anfangs der Zugang zu aktuellen Nachrichten ebenso verwehrt wie Bettlaken und Kissen. Seine Haftbedingungen verbesserten sich im April 2011. Gegen Edward Snowden wurde Strafanzeige wegen Diebstahls von Regierungseigentum, widerrechtlicher Weitergabe von geheimen Informationen sowie Spionage erstattet. Jede dieser Straftaten kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren belegt werden. Insgesamt ist festzustellen, dass die US-Justiz sehr hart gegen die Whistleblower vorgeht, was zwar vielleicht mit der Intention erklärt werden kann, mögliche weitere Whistleblower abzuschrecken, andererseits aber auch zu heftigen Protesten führte. So forderte etwa Amnesty International im Dezember 2013 die Begnadigung und sofortige Entlassung von Bradley Manning. Linktipp: www.projekt-datenschutz.de/snowden ExpertInnengespräch: Das politische Interview GO! > Seite 174/175 Zur Person Armin Wolf: Dr. Armin Wolf, geboren 1966 in Innsbruck, ist stellvertretender Chefredakteur der TV-Information des ORF. Er moderiert regelmäßig die ZiB2. Wolf ist vor allem für seine Live-Interviews mit Politikerinnen und Politikern bekannt, für die er auch schon mehrfach ausgezeichnet wurde, u. a. mit dem Robert-Hochner-Preis im Jahr 2006. Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Wolf erkennt im Format des politischen Interviews die Möglichkeit, dass sich die BürgerInnen ein authentischeres Bild von der interviewten Person machen können. In einer Demokratie ist es wichtig, Standpunkte und Vorstellungen der verschiedenen politischen Richtungen zu kennen, um demokratische Entscheidungen treffen zu können. Im politischen Interview werden die Befragten auch mit Gegenargumenten konfrontiert und müssen ihren eigenen Standpunkt verteidigen. Mit diesen vertiefenden Informationen wird zur Aufklärung des Publikums beigetragen. 2 Die Interviewerin oder der Interviewer muss die interviewte Person gegebenenfalls unterbrechen, eine Frage wiederholen oder sie auf andere Art und Weise stellen, sodass die befragte Person dazu angehalten wird, tatsächlich auf die gestellten Fragen zu antworten. 3 Wolf berichtet, dass er sich intensiv darüber informiert, wie sich seine InterviewpartnerInnen in der Vergangenheit zum betreffenden Thema geäußert haben. Damit vermeidet er inhaltliche Überraschungen während des Interviews. 4 Mögliche Vorteile: In politischen Interviews erhält das Publikum einen tieferen Einblick in die Vorstellungen und Standpunkte der jeweiligen Person. Die bzw. der Interviewte kann sich erklären, das Publikum kann sich damit besser eine eigene Meinung bilden. Im Interview wird sie bzw. er mit anderen Ansichten konfrontiert. Das Publikum erhält dadurch die Möglichkeit, verschiedene Perspektiven gegeneinander abzuwägen. Mögliche Nachteile: Die Interviewerin oder der Interviewer könnte parteiisch sein, was einer objektiven und neutralen Berichterstattung im Weg stehen könnte. Die Interviewzeit ist oft zu kurz, um komplexere Themen genauer zu erklären. Es besteht auch die Gefahr der Verbreitung von populistischen Tendenzen und Demagogie vonseiten der interviewten Person, wenn das Interview nicht gut geführt wird. 64 Lösungen – Zusatzinformationen Methode: Dekonstruktion von Geschichte-Schulbüchern GO! > Seite 176–178 Zur Bedeutung der vorgestellten Methode Das Geschichtebuch als jahrelanger Begleiter im schulischen Alltag wird meist als Instrument reiner Wissensvermittlung, der Vermittlung von historischen Inhalten, angesehen. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, die Konstruktion von Geschichte anhand von Schulbüchern darzustellen. Der erste Schritt der Analyse führt zur Erfassung der formalen und inhaltlichen Grobstruktur des Buches und zu einem ersten Nachdenken darüber, welche Kriterien ausschlaggebend für den Aufbau und die Themenauswahl sind. Der zweite Schritt regt die genauere Beschäftigung mit einem Unterkapitel an, der Blick ins Detail ist notwendig. Die Unterscheidung von Sachinformation, Sachurteil und Werturteil wird eingefordert. Der dritte Schritt verlangt eine persönliche kritische Auseinandersetzung mit dem Buch. Ziel dieser 3-Schritt-Methode ist es, in rudimentärer Form das „Gemachte“, Produkthafte, Konstruierte von Geschichte an einem usuellen schulischen Gegenstand aufzuzeigen und zu hinterfragen. GO! > Seite 178 Hinweis zu den Anwendungsaufgaben: Auch die Dekonstruktion von älteren Schulbüchern kann interessante Ergebnisse bringen. Der Vergleich älterer Schulbücher mit GO! 8 wird deutlich machen, dass eine Verschiebung der inhaltlichen Schwerpunkte, eine Betonung der politischen Bildung und eine Hinwendung zur methodischen Auseinandersetzung mit Geschichte erfolgten. 6 „User oder Loser?“ – der Mensch in der Wissens gesellschaft Transfer-Einheit zum Abschluss von Kapitel 4 GO! > Seite 179–181 Die Transfer-Einheit von Kapitel 4 beschäftigt sich mit den sozialen Auswirkungen der Entwicklung der Wissensgesellschaft im 20. und beginnenden 21. Jh. Die Industriegesellschaft war in West- und Mitteleuropa mit ihren Werten wie Fortschritts-, Leistungs- und Erfolgsstreben gegen Ende des 19. Jhs entstanden. Unsere heutigen, entwickelten Industriegesellschaften können als moderne Wissensgesellschaften bezeichnet werden, weil sie von moderner Wissenschaft und Hightech durchdrungen sind. 6.1 Die Entstehung der Wissensgesellschaft GO! > Seite 179 Hintergrundinformation: Im Mai 2014 hat sich die rechtliche Situation für Suchmaschinenbetreiber verändert. Laut einem Urteil des EuGH (13. 05. 2014) ist Google verpflichtet, Verweise aus seiner Ergebnisliste zu entfernen, wenn sie das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz einer Person verletzen: Kommentar Was das Google-Urteil bedeutet Der Europäische Gerichtshof hat ein wegweisendes und richtiges Urteil gefällt. Google und Co. können sich nicht länger aus der Verantwortung für ihre Suchergebnisse herauswinden. 13.05.2014, von Mathias Müller von Blumencron Nun gibt es also doch ein Recht auf Vergessen werden im Internet, ein Recht, das es Bürgern erlaubt, Suchmaschinen das Hinweisen auf sensible Daten zu untersagen. So hat es der Europäische Gerichtshof bestimmt und damit einen wegweisenden Entscheid gefällt. Seit Jahren gibt es in Deutschland eine anhaltende Debatte darüber, ob der Gesetzgeber ein solches Recht festschreiben soll. Geschehen ist bisher nichts. Nun sind die Brüsseler Richter den Politikern zuvor gekommen. Und sie haben richtig entschieden. […] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. 05. 2014; http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/eughurteil-ueber-google-recht-auf-vergessen-im-netz-12937165. html, Juni 2014) Das 21. Jahrhundert hat begonnen ... 6.2 Google+ versus Facebook: „Kampf der Giganten“ GO! > Seite 181 65 Zusatzinformation: In einem im Juni 2014 auf SPIEGELONLINE veröffentlichten Artikel geht der Journalist Markus Böhm auf die wichtigsten Auswirkungen der NSA-Affäre auf Haltung und Verhalten von UserInnen im Internet ein. Lösungen zu Fragen & Aufgaben 1 Mögliche Interpretation: Als UserInnen des Internets stehen den Menschen viele Möglichkeiten offen, die neuen Medien können als großer Gewinn für die Gesellschaft interpretiert werden. Andererseits werden wir mit vielen negativen Aspekten dieser Entwicklung konfrontiert: Es gibt große Probleme mit der Sicherheit von Daten, persönliche Daten werden im großen Stil gespeichert und analysiert. Damit verlieren die UserInnen oft das Recht, selbst über ihre Daten zu bestimmen, und werden zum „Loser“. 2 Hoher Stand der Wissenschaft; Glaube an Technik, Rationalismus und Wissenschaft; Technik durchdringt alle Lebensbereiche; schneller und einfacher Zugang zu Informationen; neue Medien (insbesondere das Internet). 3 Im ersten Text wird das Duell der Internetgiganten Google und Facebook kritisch beleuchtet. Beide Unternehmen versuchen möglichst viele UserInnen für ihre sozialen Netzwerke zu gewinnen. Der Artikel weist auch darauf hin, dass Google und Facebook damit auf aktuelle Strömungen in der Gesellschaft reagieren, denn die Nachfrage bzw. der Wunsch nach solchen Plattformen ist nach wie vor groß. Im zweiten Artikel wird Googles Strategie beschrieben, passend zum Suchbegriff kommerzielle Anzeigen einzublenden. Die Werbung für diverse Produkte ist Googles finanzielle Haupteinnahmequelle. Google ist damit nicht nur ein Lieferant für gesuchte Informationen, sondern übt sich auch in der bedenklichen Praxis, den Userinnen und Usern bestimmte Angebote vorzuschreiben. Der dritte Artikel gibt Auskunft darüber, dass mithilfe von Google immens viele, auch private, Details über jede beliebige Person gefunden werden können, was als Störung der Privatsphäre empfunden werden kann. Im Artikel wird diese Möglichkeit des Ausspionierens anhand eines prominenten Beispiels gezeigt: Nicht einmal Eric Schmidt, der Chef von Google selbst, ist vor solchen Aktivitäten sicher. 07. Juni 2014 Folgen der NSA-Affäre: Wie Snowden das Netz verändert hat Von Markus Böhm Die NSA-Affäre hatte politisch bisher kaum Konsequenzen, die Geheimdienste spionieren weiter. Trotzdem sind die Folgen der Enthüllungen enorm. Fünf Beobachtungen über das World Wide Web, ein Jahr nach Snowden. „Meine größte Furcht ist, dass es nichts verändert“, sagte Whistleblower Edward Snowden direkt in seinem ersten Interview. Er hatte gerade sein geregeltes Leben aufgegeben, als Preis dafür, die Überwachungspraxis der USA und ihrer Verbündeten ans Licht zu bringen. Gut ein Jahr ist das nun her. Haben die Enthüllungen etwas verändert? Zum ersten Jahrestag klingen viele der Bilanzen ernüchternd: Der Einzige, der seinen Job verloren habe, sei Snowden selbst, schrieb diese Woche Sascha Lobo: Die Verantwortlichen machen einfach weiter. Die Bürger würden am 5. Juni 2014 genauso ausgespäht wie ein Jahr zuvor, am Tag der ersten Enthüllung. „Zeit Online“ beantwortet die Frage, ob Snowden die Welt verändert hat, gleich dreifach: mit „ja“, „nein“ und „mir egal“. Aber auch wenn sich politisch noch nicht viel getan hat: Zumindest im Kleinen haben die Snowden-Enthüllungen etwas verändert, im Alltag vieler Internetnutzer. Fünf Beobachtungen, ein Jahr nach den ersten Leaks: 1. Was früher als Paranoia galt, wird jetzt verstanden Internetnutzer, die ihre Webcam abkleben? Leute, die ihr Smartphone verschlüsseln? Verhalten, das einst als übertrieben vorsichtig galt, wird seit den NSA-Enthüllungen nicht mehr belächelt. Solche Beobachtungen macht zum Beispiel der Grünen-Europapolitiker Jan Philipp Albrecht. „Die Enthüllungen haben auf die Gefahren und Realitäten der Überwachung aufmerksam gemacht“, sagt er. „Selbst Leute, denen Themen wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vorher gleichgültig waren, fragen sich jetzt, ob es nicht doch sinnvoll ist, sich damit auseinanderzusetzen.“ ·· 66 Lösungen – Zusatzinformationen Eine Twitter-Umfrage mit dem Hashtag #SeitSnowden ließ kürzlich eine ähnliche Tendenz erkennen. „Seit Snowden muss ich mich nicht mehr dafür rechtfertigen, keine Mails mit Gmail-Nutzer_innen auszutauschen“, schrieb damals Bloggerin und Netzaktivistin Anne Roth. Die ehemalige Piratenpartei-Geschäftsführerin Katharina Nocun twitterte: „Seit Snowden fragen mich Freunde, ob ich ihnen Verschlüsselung erklären kann. Und fragen nicht mehr, warum ich nicht bei Facebook bin.“ 2. Es wird mehr verschlüsselt als vor Snowden Nach wie vor wird im Netz nur ein geringer Teil des Datenverkehrs verschlüsselt – doch es wird langsam mehr. In Europa beispielsweise hat sich der verschlüsselte Verkehr binnen eines Jahres vervierfacht, berichtet der Netzwerkanbieter Sandvine. Statt 1,5 Prozent beträgt sein Anteil jetzt 6,1 Prozent. Immerhin. Einerseits liegt das an den großen Internetkonzernen: Firmen wie Google, Facebook und Yahoo haben seit den Enthüllungen öffentlichkeitswirksam ihre Sicherheitsstandards erhöht. Gleichzeitig scheinen aber auch Privatnutzer gewillter, das Abhören ihrer Kommunikation zu erschweren. Eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom ergab Ende 2013, dass 5 Millionen Deutsche eine E-Mail-Verschlüsselungssoftware verwenden. Im Juli waren es erst 3,3 Millionen. 3. Die Skepsis gegenüber Online-Speichern steigt In den vergangenen Monaten las man immer wieder, dass viele Nutzer US-Diensten den Rücken kehren. Den Worten scheinen jedoch selten Taten gefolgt zu sein. In der Praxis habe es keine massive Verschiebung bei den Verbrauchern gegeben, schreibt etwa Mikko Hyppönen von F-Secure. Anders sehe es bei Unternehmen aus. Sie würden ihre Daten in größerem Stil weg von den USClouds verlagern. 4. Neue Programme sollen auch vor dem Staat schützen „NSA-proof “, „NSA-sicher“: Derartige Adjektive liest man derzeit häufig, wenn neue Produkte angekündigt werden. Diente Schutzsoftware lange Jahre in erster Linie dem Schutz vor Internetbetrügern und Hackern, gibt es mittlerweile Programme, die explizit das Ziel haben, den Nutzer vor der Überwachung durch fremde Regierungen oder die eigene zu bewahren. So kündigte unter anderem Entwickler John McAfee ein Anti-NSAGadget an. Und auch in Deutschland scheint es in Sachen Internet großes Misstrauen gegen den Staat zu geben. Erst diese Woche erschien eine neue Bitkom-Studie, derzufolge knapp neun von zehn Deutschen ihre Daten online nicht für sicher halten. Bei staatlichen Stellen hatten 71 Prozent der Befragten ein schlechtes Gefühl, wenn es um den Umgang mit persönlichen Daten geht. 2011 waren es nur 46 Prozent. 5. Die Menschen sind vorsichtiger im Netz Das Internet ist zu vielfältig, als dass sich verallgemeinern ließe, welche Auswirkungen die NSA-Affäre auf die Kommunikationsinhalte hat. Doch in ihrem Netzausschnitt haben viele Nutzer Veränderungen erlebt und sei es, dass in Forendiskussionen neben Hitlervergleichen nun öfter NSA-Anspielungen kommen. Kaspersky-Analyst Kollberg ist aufgefallen, dass seine Facebook-Freunde weniger Privatfotos veröffentlichen. „Die Leute sind vorsichtiger unterwegs“, sagt er. Grünen-Politiker Albrecht glaubt, die Überwachung könnte Internetnutzer auch unbewusst beeinflussen, durch „ein bisschen Schere im Kopf “: „Mancher Nutzer überlegt sich heute vielleicht öfter, ob er einen bestimmten Begriff googelt oder einen bestimmten Artikel aufruft.“ Virenanalyst Dirk Kollberg von Kaspersky hat den Eindruck, dass das Thema IT-Sicherheit in der Wirtschaft stärker beachtet wird als noch vor einem Jahr. „Die Gefahr von Cyber-Angriffen ist seit den Enthüllungen bis in die Chefetagen präsent“, sagt er. „Vorher war das etwas, das nur Systemadministratoren beschäftigt hat.“ Manche Unterhaltung findet mittlerweile auch gar nicht mehr im Netz statt. „Guardian“-Journalist James Ball etwa schätzt, vergangenes Jahr 130.000 Meilen geflogen zu sein. Nach den Enthüllungen habe er viele Dinge lieber persönlich besprochen als auf technischem Weg, erzählte er bei einer Gesprächsrunde. Unterschiedliche Meinungen gibt es dazu, ob europä ische Firmen indirekt von den Enthüllungen profitieren. Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder glaubt nicht, dass ein Standort in Europa pauschal ein Wettbewerbsvorteil ist. „Der Markt ist insgesamt belastet“, sagt er, auch mit Blick auf Privatnutzer. „Wer jetzt keine amerikanischen Dienste mehr nutzt, der geht nicht automatisch zu den deutschen Unternehmen, sondern hält sich oft auch ganz zurück.“ Das vielleicht treffendste Fazit zur NSA-Affäre fand sich aber kürzlich in der IT-Fachzeitschrift „c't“. Dort hieß es in einem Bericht zur Internet-Konferenz re:publica: „Vor Snowden war's irgendwie witziger.“ Spiegel online, 07. Juni 2014; http://www.spiegel.de/netzwelt/ netzpolitik/nsa-skandal-wie-snowdens-enthuellungen-dasnetz-veraendert-haben-a-973516.html, Juni 2014