Segg`t äs up Platt - Münsterland eV Wirtschaft
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Segg`t äs up Platt - Münsterland eV Wirtschaft
Plattdeutschkursus am Wochenende Segg’t äs up Platt Von unserem Redaktionsmitglied JULIA GEPPERT „Hiättlick willkummen“ beim Plattdeutsch-Kursus der „Glocke am Wochenende“. Gemeinsam mit dem Ehepaar Rita und Rudolf Averbeck sowie Dr. Markus Denkler, Geschäftsführer der Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens des Landschaftsverbands WestfalenLippe (LWL), startet in der heutigen Ausgabe die Serie mit dem Titel „Segg’t äs up Platt“. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es üblich, dass man sich im Münsterland und in Ostwestfalen-Lippe nicht nur auf Hochdeutsch unterhielt. Im Alltag war Plattdeutsch als Mundart allgegenwärtig. Das ist heute anders. Immer weniger Menschen sprechen und verstehen Plattdeutsch. Genau da setzt die Serie der „Glocke am Wochenende“ an. Mit kleinen Lektionen zu unterschiedlichen Themen des Alltagslebens soll die Mundart aufleben und in die Gegenwart transportiert werden. Denn: Plattdeutsch ist keineswegs nur etwas für die ältere Generation! Da es viele Variationen des Plattdeutschen gibt, konzentriert sich die Serie auf die Mundart, die der westfälische Pfarrer und Dichter Augustin Wibbelt, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 150. Mal jährt, gesprochen hat: das Vorhelmer Platt. Monatlich werden in der „Glocke am Wochenende“ verschiedene Situationen erläutert und mit Grammatik, plattdeutschen Sprichwörtern und Redensarten sowie sprachkundlichen Texten ergänzt. Ziel ist es nicht, nach einem Jahr perfekt Plattdeutsch zu können. Vielmehr soll der Spaß, die Mundart wieder aufleben zu Samstag, 15. September 2012 Grammatik lassen, im Vordergrund stehen. Wer möchte, sammelt die zwölf Lektionen und hat so einen Überblick über das Gelernte. Übrigens: Die nächste Folge des Plattdeutschkursus’ erscheint am 20. Oktober. Dann geht es im Büro um „De niee Lährjung“. Alle Texte gibt es auch zum Anhören und Nachsprechen. Unter www.die-glocke.de, Rubrik Unterhaltung, können die Lektionen kostenlos auf den Computer, mp3-Player oder iPod geladen werden. 1 www.die-glocke.de Plattdeutsch ist zwar keine Fremdsprache im klassischen Sinne, trotzdem soll die Serie „Segg’t äs up Platt“ nicht nur Könner ansprechen, sondern gerade auch Neulinge ermuntern, die westfälische Mundart zu lernen. Start ist heute mit dem ersten Teil „Dat füörmlicke Gespräök“. Es geht also um förmliche Gespräche zwischen Fremden und Bekannten. Personalpronomen Personalpronomen ersett’t Hauptwäörde (Personen, Gieggenstänne un Sakverhollde). Personalpronomen ersetzen Hauptwörter (Personen, Gegenstände und Sachverhalte). Singular 1. Person 2. Person ick du 3. Person m/f/n he/se/et Plural 1. Person 2. Person 3. Person wi ji se Vokabeln Wichtige Verben In’t Plattdütske giff et in’n Plural för alle drei Personen (wi, ji, se) ümmer bloß ene Verbfuorm. To’m Bispiell: wi fraogt, ji fraogt, se fraogt (wir fragen, ihr fragt, sie fragen). Dat is de plattdütske „Einheitsplural“. Im Plattdeutschen gibt es im Plural für alle drei Personen (wir/ ihr/sie) immer nur eine Verbform. Das ist der Plattdeutsche Einheitsplural. a arbeiden (arbeiten): ick arbeide, du arbeidest, he/se/et arbeidet, wi/ji/se arbeid’t a dohen (tun): ick doh, du döhst, he/se/et döht, wi/ji/se doht a drüewen (dürfen): ick draff, du draffs, he/se/et draff, wi/ji/se drüft a fraogen (fragen): ick fraoge, du fröggs, he/se/et frögg, wi/ji/se fraogt a gaohen (gehen): ich gaoh, du geihs, he/se/et geiht, wi/ji/se geiht a giebben (geben): ick giff, du giffs, he/se/et giff, wi/ji/se giefft a heeten (heißen): ick heet, du hetts, he/se/et hett, wi/ji/se heet’t a kennen (kennen): ick kenn, du kenns, he/se/et kennt, wi/ji/se kennt a können (können): ick kann, du kanns, he/se/et kann, wi/ji/se könnt a lähren (lernen): ick lähr, du lährst, he/se/et lährt, wi/ji/se lährt a mötten (müssen): ick mott, du moß, he/se/et mott, wi/ji/se mött’t a seggen (sagen): ick segg, du seggs, he/se/et segg, wi/ji/se seggt a seihen (sehen): ick seih, du sühst, he/se/et süht, wi/ji/se seiht a wietten (wissen): ick weet, du wees, he/se/et weet, wi/ji/se wiett’t Sprückwäörde und Redensaorten a Dat steiht so fast äs Mönster: Das steht so fest wie Münster. Es ist nicht zu ändern. a Maote is üöwerall gutt för.: Maß halten ist immer gut. a Dummheit un Stolt, de wasst up en Holt.: Dummheit und Stolz, die wachsen auf einem Holz (=Baum). a Kümp Tied, kümp Raot.: Kommt Zeit, kommt Rat. a De Buck stinket.: Der Bock (=die Sache) stinkt. Gutten Dag – so begrüßt man sich auf Plattdeutsch, wenn man einen Fremden oder Bekannten auf der Straße trifft. Karikatur: Gehrmann Zwischen Fremden A: Gutten Dag. Ick heet Kalli Brügge. B: Angeneihm, Herr Brügge. Min Name is Mia Brink. A: Guten Tag. Ich heiße Kalli Brügge. B: Angenehm, Herr Brügge. Mein Name ist Mia Brink. A: Gutten Aobend. Draff ick mi vörstellen, min Name is Jan Kamp. B: Schön, Ju kennentelähren. Ick sin Rita Voss. A: Angeneihm, Frau Voss. Kummt Ji ut Üöle? B: Nee, ick sin ut Beilen. A: Ick häff kinne Tied mähr, ick mott wieder. Schönen Aobend noch. B: Auk so. A: Gutten Muorgen. B+C: Gutten Muorgen. A: Draff ick nao Jue Namens fraogen? B: Jau, wisse doch. Wi heet’t beide Köster. Kai un Anja Köster. Un wu heet’t Ji? A: Ick heet Lüns. C: Un de Vörname? A: Oh, ick heet met Vörnamen Uwe. B: Wi häfft kine Tied mähr. Gutt gaohen, Herr Lüns. A: Jau, doht Ju wat hen. So segg m’ ’t up Platt a In Hauchdütsk wäert Personen met Vör- un Familgennamen beteekent. In de mehrsten Gieggenden in ’t Mönsterland stellt man in Plattdütsk den Familgennamen vöran un hänk den Vörnamen ächten an. An den Familgennamen hänk man dann en „s“ of en „n“ an. Utnahme: Wenn de Name met „s, ß, z“ endet, wät nich noch en „s“ dranhangen. Im Hochdeutschen werden Personen mit Vor- und Familiennamen bezeichnet. In den meisten Gegenden im Münsterland stellt man im Plattdeutschen den Familiennamen voran und hängt den Vornamen hinten dran. Am Familiennamen hängt man dann ein „s“ oder ein „n“ an. Ausnahme: Wenn der Name auf „s, ß, z“ endet, wird nicht noch ein „s“ drangehängt. Beispiele: Kösters Martin (Martin Köster) Brüggen Monika (Monika Brügge) Lenz’ Olli (Olli Lenz) a In’t Hauchdütske is de höflicke Anrede för ene of mährere Personen de 3. Person Plural: „Sie“. Up Platt is dat de 2. Person Plural: „Ji“: „Wu heet’t Ji?“ Im Hochdeutschen ist die höfliche Anrede für eine oder mehrere Personen die 3. Person Plural: „Sie“. Auf Platt ist das die 2. Person Plural: „Ji“: „Wie heißen Sie?“ („Wie heißt Ihr?“) Tüsken Bekannte A: Gutten Dag, Frau Brügge. B: Gutten Dag, Herr Lenz. Wu geiht et Ju, Herr Lenz? A: Danke de Naofraoge, gutt, un Ju? B: Mi geiht et auk gutt, danke. A: Kick an, Frau Bolte. B: Herr Naumann, schön Ju äs maol wier te seihen! A: Jau, dat mein ick auk. Wu geiht et Ju? B: Bestens, ick kann nich klagen – un wu häbbt Ji dat? A: Auk bestens. Ji wiett’t jä, schlechte Lüde geiht et ümmer gutt. B: Wo ick Ju jüst hier seih, wu geiht et egentlick Kösters Martin? De is doch so krank. A: Em geiht et all wier heel gutt. He fänk naichste Wiäcke wier an te arbeiden. A: Guten Abend. Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Jan Kamp. B: Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Rita Voss. A: Angenehm, Frau Voss. Kommen Sie aus Oelde? B: Nein, ich bin aus Beelen. A: Ich habe keine Zeit mehr, ich muss weiter. Schönen Abend noch. B: Ebenso. A: Guten Morgen. B+C: Guten Morgen. A: Darf ich nach Ihren Namen fragen? B: Ja, natürlich. Wir heißen beide Köster. Kai und Anja Köster. Und wie heißen Sie? A: Ich heiße Lüns. C: Und der Vorname? A: Oh, ich heiße mit Vornamen Uwe. B: Wir haben keine Zeit mehr. Auf Wiedersehen, Herr Lüns. A. Ja, auf Wiedersehen. Zwischen Bekannten A: Guten Tag, Frau Brügge. B: Guten Tag, Herr Lenz. Wie geht es Ihnen, Herr Lenz? A: Danke der Nachfrage, gut, und Ihnen? B: Mir geht es auch gut, danke. A: Sieh an, Frau Bolte. B: Herr Naumann, schön Sie mal wieder zu sehen! A: Ja, das meine ich auch. Wie geht es Ihnen? B: Bestens, ich kann nicht klagen – und wie geht es Ihnen? A: Auch bestens. Sie wissen ja, schlechten Leuten geht es immer gut. B: Wo ich Sie gerade hier sehe, wie geht es eigentlich Martin Köster? Der ist doch so krank. A: Ihm geht es schon wieder ziemlich gut. Er fängt nächste Woche wieder an zu arbeiten. a Fragen: Wu geiht Ju dat? (Wie geht es Ihnen? Wie geht euch das?) Wu häfft Ji dat? (Wie geht es Ihnen? Wie habt ihr das?) Wu is et met Ju? (Wie geht es Ihnen? Wie ist es mit euch?) a Antworten: Mi geiht et (gar nich) gutt (Mir geht es (gar nicht) gut.) Danke, heele gutt. (Danke, sehr gut.) Danke, heele best. (Danke, bestens.) Et geiht so. (Es geht so.) Nich so gutt. (Nicht so gut.) Danke de Naofraoge. (Danke der Nachfrage.) Nu sin Ji dran A: Sett dat Personalpronomen in! a 1. _____ arbeide in Mönster. a 2. _____ hetts Manfred. a 3. Dat is Bernd. _____ heet met Huusnamen Beckmann. a 4. Monika segg, dat _____ dat nich weet. a 5. _____ sin ut Beilen. a 6. Bis _____ ut Warenduorp? a 7. Agnes un ick, ____ lährt beide Platt. B: Sett dat Verb in de richtige Konjugationsfuorm in! a 1. Ick (fraogen) _____ Alfred, wu et em (gaohen) _____. a 2. He (mötten) _____ wietten, wat ji (dohen) _____. a 3. Se (lähren) _____ liäsen. a 4. Dat Kind (drüewen) _____ dat nich. a 5. Wi (kennen) _____ Mönster gutt. a 6. Wu (heeten) _____ ji? a 7. Dat (giebben) _____ et doch nich! Lösungen A: 1. Ick; 2. Ick; 3. He; 4. se; 5. Wi; 6. du; 7. wi. Tüsken Frümde So fragt man auf Plattdeutsch nach dem Befinden: B: 1. fraoge/geiht; 2. wietten/doht; 3. lährt, 4. draff; 5. kennt; 6. heeten; 7. giff. Erster Kontakt: dat füörmlicke Gespräök Wortschatz Plattdeutschkursus am Wochenende Interview Kirsch: „Tradition bewahren“ Von unserem Redaktionsmitglied DIRK BALDUS Als Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe in Münster zeichnet Dr. Wolfgang Kirsch (Bild) unter anderem für die Pflege der regionalen Mundarten verantwortlich. „Die Glocke“ sprach mit ihm über seine Beziehung zum Plattdeutschen. „Die Glocke“: Wu jeiht et Ju, Doktor Kirsch? Dr. Wolfgang Kirsch: Als gebürtiger Frankfurter kann ich Platt wohl verstehen, aber ich kann es nicht sprechen . . . „Die Glocke“: Was haben Sie als Hesse gedacht, als Sie aus dem Rheinland ins Münsterland kamen und das erste Mal Plattdeutsch hörten? Kirsch: Ich kannte die Sprache schon aus der Familie meiner Frau, die aus Ochtrup stammt. Immer, wenn die Schwiegereltern in meiner Anwesenheit etwas sagten, das ich nicht verstehen sollte, wurde Platt gesprochen. „Die Glocke“: Gefällt Ihnen Plattdeutsch? Kirsch: Das Tolle ist: Man kann kritische Dinge sehr menschlich ausdrücken. Auf Platt klingt vieles nicht so schlimm wie auf Hochdeutsch. „Die Glocke“: Wie wichtig ist für Sie die Bewahrung sprachlicher Tradition? Kirsch: Sie spielt eine bedeutende Rolle. Es geht um den Erhalt von kultureller Vielfalt. Der Landschaftsverband und der Westfälische Heimatbund haben eine Verantwortung, diese Sprache zu retten. „Die Glocke“: In Schulen spielt das Plattdeutsche keine Rolle mehr. Kirsch: Das ist sehr bedauerlich. Die Landesregierung gibt dem Plattdeutschen – anders als in Niedersachsen – keine Bedeutung. In Ostfriesland beispielsweise ist das völlig anders. Nordrhein-Westfalen hat sich nur eingeschränkt der EU-Charta für Minderheitensprachen angeschlossen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn es die Charta in vollem Umfang umsetzt. „Die Glocke“: Könnte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe das ändern? Kirsch: Ich habe in dieser Angelegenheit bereits mehrmals an die Landesregierung geschrieben. Der Wunsch ist immer wieder abgelehnt worden. „Die Glocke“: Was unternimmt der Landschaftsverband, um das Plattdeutsche zu bewahren? Kirsch: Zum einen unterstützen wir die Mundartkommission, in der viele Wissenschaftler ehrenamtlich zusammenarbeiten. Zum anderen unterhält der Landschaftsverband das Medienzentrum, in dem sehr viele Tonbeispiele des Plattdeutschen archiviert worden sind, um sie in die Zukunft zu retten. „Die Glocke“: Wie wichtig sind die kleinen Heimatbühnen? Kirsch: Sie leisten eine hervorragende Arbeit. Allein im Regierungsbezirk Münster haben wir 48 dieser Bühnen. Zudem gibt es in ganz Westfalen etwa 70 Krinks, in denen die Sprache erhalten wird. Das Problem dabei: Die meisten Aktiven sind über 50. Ich sehe die große Gefahr, dass die Sprache ausstirbt, wenn wir nicht dagegensteuern. „Die Glocke“: In diesem Jahr wäre Augustin Wibbelt 150 Jahre alt geworden. Können Sie ein Wibbelt-Gedicht auswendig? Kirsch: Pöggsken sitt in’n Sunnenschien, o, wat is dat Pöggsken fien. Met de gröne Bücks . . . „Die Glocke“: Respekt, Herr Dr. Kirsch. Was kann uns Wibbelt heute noch geben? Kirsch: Augustin Wibbelt ist unvergesslich. Ich habe vieles von ihm gelesen und kann mir so auch die besonders innige Freundschaft zwischen Oelde und Beckum erklären. Und das Pöggsken ist ein Gedicht, das meines Erachtens nach jeder Schüler in Westfalen auswendig lernen muss. Diese wunderbare Geschichte, in der der vermeintlich Schwächere sich durch Geschick rettet, muss heute weiter gelehrt werden. BuchTipp Plattdeutsch lernen Das Lehrbuch „Dat Mönsterlänner Platt“ ist 2007 im GutVerlag erschienen. Verfasser sind Rita und Rudolf Averbeck. Mit diesem Buch kann man ohne weitere Vorkenntnisse das münsterländer Platt so weit im Selbststudium erarbeiten, dass man Texte von zum Beispiel Augustin Wibbelt lesen und verstehen kann. 2010 erschien ebenfalls im Gut-Verlag eine ErgänzungsCD. So kann der Leser das münsterländer Platt auch hören. Die CD liegt dem Buch bei. (gl) Rita und Rudolf Averbeck: Dat Mönsterlänner Platt, Gut-Verlag 2007, 278 Seiten, 24,95 Euro, ISBN: 978-3897144972 2 Tolest: en Dönken Bekanntlick is dat Platt von Duorp to Duorp unnerscheidlick. „Du“, frögg Bärnd ut Üöle Wilm ut Warenduorp, „wat seggt Ji up Platt in Warenduorp to’n Telefonmast?“ „To’n Telefonmast? Jüst äs in’t Hauchdütske: Telefonmast.“ antwaordet Wilm. Tolest „Wieso, wat seggt Ji dann in Üöle to’n Telefonmast?“ „Wi, in Üöle?“ gneest Bärnd, „Gar nix! Wi küert nich met Telefonmasten!“ (Bild: dpa) Samstag, 15. September 2012 Aus Liebe zur Mundart Für Rita und Rudolf Averbeck ist Plattdeutsch mehr als ein Hobby – ihr Herz gehört der westfälischen Mundart. Im Interview berichten sie, wie sie auf die Idee gekommen sind, ein Lehrbuch für das Plattdeutsche zu schreiben. Von unserem Redaktionsmitglied JULIA GEPPERT „Die Glocke“: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Lehrbuch für das Plattdeutsche zu schreiben? Rudolf Averbeck: Seit 1983 dokumentiere ich das Riesenbecker Platt. Dazu gehören zum Beispiel Vokabeln, Sprüche, Grammatik und Redensarten. Mittlerweile habe ich 36 000 Wörter des aktiven Wortschatzes gesammelt. Rita Averbeck: Auf einer Familienfeier sagte plötzlich eins unserer Patenkinder, als es die Erwachsenen Plattdeutsch sprechen hörte: „Opa ist glaube ich ein Ausländer. Der spricht so komisch.“ Da haben wir uns gedacht, dass es doch ein Lehrbuch geben muss, mit dem man Plattdeutsch lernen kann. Rudolf Averbeck: Als wir herausgefunden hatten, dass es sowas nicht gibt, haben wir uns entschlossen, selbst ein solches Lehrbuch zu schreiben. Begonnen habe ich 1999 mit ersten Entwürfen, bei denen ich mich auf meine Dokumentation stützen konnte. „Die Glocke“: Und wie ging es dann weiter? Rita Averbeck: 2003 bin ich mit eingestiegen und gemeinsam haben wir Kurse an der Volkshochschule gegeben, um auszuprobieren, ob das alles so klappt, wie wir uns das vorstellen. Der Stoff muss ja vermittelbar sein. Ein Ziel war, dass die Schüler leicht lernen können. Lektionen und Übungen haben sich durch Rückmeldungen der Kursusteilnehmer eingeschliffen. So sind wir auch zum Vorhelmer Platt – der Mundart, die Augustin Wibbelt sprach – gekommen. „Die Glocke“: So ein Lehrbuch zu schreiben bedeutet eine Menge Arbeit. Was war Ihr Ansporn? Rudolf Averbeck: Die Liebe zum Plattdeutschen, ganz klar. Man sagt ja auch, dass Platt für uns Westfalen die am einfachsten zu lernende Sprache ist. Ich habe mit fünf Jahren angefangen Plattdeutsch zu reden. Ich verbinde die Mundart mit der heilen Kinderwelt von früher. Rita Averbeck: Auch ich verbinde meine Kinderjahre mit Plattdeutsch. Als ich in die Schule kam, war es nicht chic, Plattdeutsch zu sprechen. Aber meine Eltern und die beiden älteren Brüder sprachen Platt. Ich habe es immer nur gehört und kann es deswegen besser verstehen als sprechen. Außerdem möchten wir die Sprache gerne wieder etwas lebendiger machen. Sie soll nicht verloren gehen. „Die Glocke“: An wen richtet sich das Lehrbuch? Rita Averbeck: Es ist für alle, die sich für diese Mundart inte- Sie unterstützen die Serie „Segg’t äs up Platt“ in der „Glocke am Wochenende“ mit Beiträgen aus ihrem Lehrbuch „Dat Mönsterlänner Platt“: Rita und Rudolf Averbeck aus Riesenbeck Bild. Geppert ressieren. Und zwar nicht nur für diejenigen, die es lernen möchten, sondern auch für Menschen, die einfach etwas über das Plattdeutsche erfahren möchten. Außer den Lektionen gibt es auch eine Menge Informationen, Rezepte und einiges mehr. Das Buch ist geeignet für ältere Kinder und Erwachsene. „Die Glocke“: Sprechen Sie zuhause Plattdeutsch im Alltag? Rudolf Averbeck: Nein, so im Alltag machen wir das nicht. Wenn wir aber auf Reisen im Ausland sind, sprechen wir untereinander Plattdeutsch, wenn andere dabei sind. Damit haben wir begonnen, als wir in Marokko waren und bei einem Stop in einem Dorf das Gefühl hatten, dass uns Händler mit dem Verkauf von Schmuck übers Ohr hauen wollten. Wir wussten zufällig, dass die Jugendlichen in der Dorfschule Deutsch lernen und wollten nicht, dass jemand versteht, was wir sagen. „Plattdeutsch fasziniert mit vielen Varianten“ Es sind mehrere Aspekte, die den Geschäftsführer der Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens (KoMuNa) des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Markus Denkler dazu bewogen haben, das Projekt „Segg’t äs up Platt“ zu unterstützen. Im Rahmen der Serie zeichnet der promovierte Germanist für die wissenschaftliche Begleitung verantwortlich. „Die KoMuNa forscht zur plattdeutschen Sprache in Westfalen-Lippe und begleitet und betreut auch Projekte, die sich mit dem Plattdeutschen beschäftigen. Da in der Serie der „Glocke“ das Platt im Fokus steht, das Augustin Wibbelt gesprochen hat – auch Vorhelmer Platt genannt – ist es meine Aufgabe, die einzelnen Folgen der Serie mit genau dieser Mundart-Variante abzugleichen“, erklärt Denkler. Außerdem steuert der Dialek- „Rund 1,5 Millionen Zettel lagern in mehr als 500 Kästen im Archiv des Westfälischen Wörterbuchs“, sagt Dr. Markus Denkler, Geschäftsführer der Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL). Bild: Geppert tologe wissenschaftliche Aspekte zur Serie bei. „Obwohl die Mundart mehr und mehr aus dem Alltag verschwindet, interessieren sich doch noch viele Menschen dafür, auch wenn sie selbst kein Platt mehr sprechen oder verstehen können“, sagt der Wissenschaftler. Es sind unter anderem die vielen Varianten des Plattdeutschen, die Dr. Markus Denkler faszinieren. „Manchmal unterscheiden sich die Mundarten in einem Abstand von wenigen Kilometern. Es sind unterschiedliche Sprachsysteme auf engstem Raum“, sagt er. Diese geografische Komponente verdeutliche, auf einer Karte eingetragen, die Sprachbewegung und auch den Sprachwandel im Plattdeutschen. „Außerdem finde ich die Frage interessant, wie Plattdeutsch unsere heutige Sprache beeinflusst. Da gibt es noch ein weites Feld an Forschungen“, erklärt der Experte. (jge) Augustin Wibbelt und das Westfälische Wörterbuch Nach einer turbulenten Anfangszeit wurde das Westfälische Wörterbuch im Jahr 1927 institutionalisiert, um den Wortschatz der niederdeutschen Mundarten in Westfalen-Lippe umfassend dokumentieren zu können. Für den Aufbau des Wörterbucharchivs war zunächst der Sprachwissenschaftler Erich Nörrenberg zuständig. Auffällig ist, dass man – im Unterschied zu anderen Mundartprojekten – weniger auf die Auskünfte „normaler“ Mundartsprecher als vielmehr auf studierte Mundartkenner setzte, wie etwa auf den bekannten münsterländischen Mundartautor Augustin Wibbelt. Zwischen Wibbelt und Nörren- berg entwickelte sich ab 1931 ein reger und freundschaftlicher Briefverkehr. Am 5. Februar 1933 schreibt Nörrenberg: „Heute morgen kam ein Fragebogen für unser Archiv von Dr. Wibbelt und Fräulein Johanna Wibbelt ausgefüllt, und zwar trotz Kilometerlänge so unermüdlich und sorgfältig, wie kaum ein anderer der siebenhundert. [...] Wie hat mir diese Sendung Freude gemacht!“ Auch bei gegenseitigen Besuchen haben sich die beiden eingehend über mundartliche Fragen ausgetauscht. Auf diese Weise sind vor allem in den Jahren 1937 bis 1942 für Wibbelts Geburtsort Vorhelm mehr als 1000 lautschriftliche Belegzettel aus Nör- renbergs Hand entstanden, die Teil des etwa 1,5 Millionen Zettel umfassenden Wörterbucharchivs geworden sind. Das Westfälische Wörterbuch wird erstellt von der Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Das Wörterbuch wird in fünf Bänden rund 100 000 Wörter von a (Ausruf) bis Wutker (Schnapstrinker) behandeln. „Die ersten beiden Bände liegen fast vollständig vor, der Abschluss des Wörterbuchs ist für 2020 geplant“, sagt Dr. Markus Denkler von der Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens. Dr. Markus Denkler Ein von Augustin Wibbelt ausgefüllter Fragebogen für das Westfälische Wörterbuch. am Wochenende Grammatik Segg’t äs up Platt Samstag, 15. Dezember 2012 Tweder Wiehnachtsdag Substantiv met bestimmten Artikel Alle Jahre wieder a In’t Hauchdütske giff et veer Kasus (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ); In’t Plattdütske giff et egentlick bloß twee: Nominativ (N) un Akkusativ (Akk) Den Genitiv giff et nich äs egene Fuorm, man ümschriff em: a) met Possessivpronomen: Den Naohber sin Piärd is witt. b) met „von“: De Koh von den Naohber is swatt. a De bestimmte Artikel is in’n Dativ (Dat) un Akkusativ (Akk) ümmer gliek. a Et giff bloß ene Pluralfuorm för den bestimmten Artikel: de. m: Dat sind de Baim. f: De Böker häört de Fraulüde. n: Ick sök de Kinner. a In’t Hauchdütske kann m’ in den Nominativ Singular endütig dat grammatikaliske Geschlecht von de Substantive seihen: m: der Baum, f: die Maus, n: das Haus a In’t Plattdütske kann m’ dat grammatikaliske Geschlecht endütig faststellen in ’n Dativ/Akkusativ Singular: m: Ick segg den Mann wat. / Ick seih den Baum. f: Du seggs de Frau wat./Du sühst de Mus. n: Se segg dat Kind wat./He süht dat Hus. a De mehrsten Substantive häfft in’t Plattdütske dat sölwige grammatikaliske Geschlecht äs in’t Hauchdütske. Owwer et giff Utnahmen: dat Kuffer (n) (der Koffer (m)), dat Üörgel (n) (die Orgel (f)) weihnachtet es. Zum Fest der Liebe trifft sich die Familie neben dem geschmückten Tannenbaum und zum festlichen Essen. Endlich ist Zeit, die Seele baumeln zu lassen und zu entspannen. a Deklination (Beugung) met bestimmten Artikel: Singular, Nominativ: de Baum (m), de Mus (f), dat Hus (n) Singular, Dativ/Akkusativ: den Baum (m), de Mus (f), dat Hus (n) Plural, Nominativ: de Baim (m), de Müse (f), de Hüse (n) Plural, Dativ/Akkusativ: de Baim (m), de Müse (f), de Hüse (n) (m=maskulinum, f=femininum, n=neutrum) Vokabeln Well te erst kümmp, de mahlt te erst. (Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, kommt zuerst dran.) Te Wiehnachten löpp de Düwel up Stelten. (Zu Weihnachten läuft der Teufel auf Stelzen. Bedeutet: Zu Weihnachten passieren anscheinend mehr Unglücke als sonst.) Well frögg, de giff nich gähn. (Wer fragt, der gibt nicht gerne.) Bedeutet: Wer beim Bewirten fragt, ob noch jemand etwas möchte, der gibt nicht gerne. dat twede Gesicht häbben (hellsehen können) Driäppen an Hilligaobend Tolest Twee Mannslüde ut twee Naohberdüörp driäppt sick. Wu dat so is, de Lüde ut de beiden Düörp könnt sick nich so recht ruken. De ene meint, dat de anneren dümmer sind äs Strauhspiere, un de anneren meint, dat de enen nich äs half so viell Verstand häfft äs ’ne Mügge. Up je- den Fall, de beiden Mannslüde kummt an’t Küern. De ene segg: „Schön is dat nich - düt Jaohr is Hilligaobend up’n Friedag.“ „Dat mäck nicks“, segg de annere, „Hauptsake, nich up’n diätteihnsten!“ Midden in’t Mönsterland ligg de jaohrhunnerte aolle Buernhoff Wiedkamp. Et is kinen Schultenhoff, owwer doch’n stolten, stäödigen Fachwiärkhoff met vielle graute Eikenbaim ümto un ’ne graute Niendüör an’n Giewwel. Up de Diälle giff’t ümmer noch dat uraolle Hädfüer, met gussiserne Platten. Düsse aolle Buernhoff is siet jehiär de Familgenstammsitz von Familge Wiedkamp. Alljäöhrlick dräpp sick an’n tweden Wiehnachtsdag üm teihn Uhr muorgens de ganze Familge Wiedkamp up’n Hoff. Üm half elwen gaoht alle tosammen in de Duorpkiärk in’t Hauchamt. Anschließend bekiekt sick de Kinner de graute Wiehnachtskrippe. Donao giff’t ’n graut Middagiätten tieggen een Uhr up Wiedkamps graute Diälle. Lisa Wiedkamp kann heel gutt kuocken. Se is würklick ’ne gutte Küöckske. Düt Jaohr sitt’t teihn Personen an’n Disk to’t Wiehnachtsiätten: von de Großtöllern is bloß noch Opa Hinnik dobi. De Öllern Henrik un Lisa Wiedkamp bewirtschaftet ümmer noch den Hoff. Iähr Suohn Frank un sine Frau Karin sind drüm un dran, den Hoff te üöwerniehmen un wieder te föhren. De beiden häfft twee Kinner, Mara un Henrik. Franks Süster Marlies hett vandage met Husnamen Kortevoss un kümp met iähren Mann Robin un iähren Suohn Oliver. Bi düsse Wiehnachtsfier kummt domet veer Generationen von Wiedkamps tosammen: Großöllern, Öllern, Kinner un Enkel. Nao’t Middagiätten sitt m’ gemötlick an’t Hädfüer, et giff ümmer viell te vertellen. De Lüttken könnt et nich afwaochten, dat naomdags dat Christkind kümp. Owwer dat Christkind kümp erst, wenn’t buten düster is un wenn de Kärssen an’n grauten Wiehnachtsbaum löchtet. För de Wiedkamps is de twede Wiehnachtsdag ümmer een von de schönsten Dage in’t Jaohr. Se beduert ümmer, dat’t kinen diädden Wiehnachtsdag giff. Übung I: Stimmt düsse Behauptungen? 1. Opa Hinnik Wiedkamp hät drei Enkel: Mara, Henrik un Oliver. 2. Familge Wiedkamp dräpp sick jede twede Jaohr to Wiehnachten. 3. Dat Hauchamt in’t Duorp fänk üm half teihn an. 4. Wiedkamps häfft kinen egenen Wiehnachtsbaum. So segg m’ ’t up Platt a De Uhrtieden fief Uhr half säß ene Minute nao fief fief nao half säß twee Minuten nao fief twintig vör säß fief nao fief veerdel vör säß teihn nao fief teihn vör säß veerdel nao fief fief vör säß twintig nao fief säß Uhr fief vör half säß een Uhr nachts een Uhr middaggs twee Uhr nachts twee Uhr middaggs/naomdags drei Uhr nachts drei Uhr naomdags veer Uhr nachts/muorgens veer Uhr naomdags fief Uhr muorgens fief Uhr naomdags säß Uhr muorgens säß Uhr aobends siebben Uhr muorgens siebben Uhr aobends acht Uhr muorgens acht Uhr aobends nieggen Uhr muorgens nieggen Uhr aobends teihn Uhr muorgens teihn Uhr aobends elwen Uhr muorgens elwen Uhr nachts twiälf Uhr middaggs twiälf Uhr nachts Bi ’ne vulle Stunn segg man auk: „Slag fiewe“ of „Klock fief“ . a Ordinaltahlen: erste, twede, diädde, veerte, fifte, säßte, siebbente, achte, nieggente, teihnte, elfte, twiälfte, diätteihnste, vätteihnste, fifteihnste, säßteihnste, siebbenteihnste, achteihnste, nieggenteihnste, twintigste, eenuntwintigste, tweeuntwintigste,... diättigste, ... vättigste, ... hunnerste, ... hunnerterste, ... tweehunnerste, ... dusendste, ... teihndusendste, ... hunnertdusendste, ... millionste. Fraogen nao de Uhrtied a Wu late is dat? Et is fief nao twee. a Wu late häfft wi dat? Weet ick nich, ick häff kine Uhr bi. a Könnt Ji mi de Uhrtied seggen? Natürlick. Et is ... a Wat segg de Klock? Teihn nao veer. a Häss du de genaue Tied? Et is jüst Klock veer. a Wees du, wu late dat is? Owwer wisse doch. Plattdeutsch im Übergangsgebiet Hus oder Hous? Die Grenze zwischen den münsterländischen und ostwestfälischen Mundarten verläuft durch die Kreise Warendorf und Gütersloh. Die westfälischen Mundarten werden im Allgemeinen in das Westmünsterländische, das Münsterländische, das Ostwestfälische und das Südwestfälische unterteilt. Die Grenze zwischen den münsterländischen und ostwestfälischen Mundarten verläuft in den Kreisen Warendorf und Gütersloh. Man sollte aber wohl besser von einem Übergangsgebiet sprechen, denn die verschiedenen Sprachmerkmale, die für die Grenzziehung verwendet werden können, fächern sich vor allem im Süden der Region auf. Wenn man die Mundarten der drei Orte Sendenhorst, Oelde und Delbrück vergleicht, lässt sich der Übergang vom Münsterländischen zum Ostwestfälischen deutlich erkennen: Sendenhorst (S) ist eindeutig münsterländisch, Delbrück (D) ostwestfälisch, Oelde (O) liegt im Übergangsgebiet: a alle: alle (S), alle (O), olle (D) a Tisch: Disk (S), Disk (O), Diske (D) a Kleider: Kleer (S), Kleier (O), Wichtige Verben a bekieken: ick bekiek, du bekicks, he/se/et bekick, wi/je/se bekiekt (betrachten). Imperativ: Bekiek! (Singular), Bekiek! (Plural) a dräppen: ick driäpp, du dräpps, he/se/et dräpp, wi/je/se dräppt (treffen). Imperativ: Driäpp! (Singular), Driäppt! (Plural) a häbben: ick häff, du häss, he/se/et hät, wi/je, se häfft (haben). Imperativ: Häff! (Singular), Häfft! (Plural) a ropen: ick rop, du röpps, he/se/et röppt, wi/je/se ropt (rufen). Imperativ: Rop! (Singular), Ropt! (Plural) a söken: ick sök, du söchs, he/se/et söch, wi/je/se sökt (suchen). Imperativ: Sök! (Singular), Sökt! (Plural) a (üöwer-)niehmen: ick (üöwer-)niehm, du nimmst, he/se/et nimp, wi/ je/se niehmt (übernehmen). Imperativ: Niehm! (Singular), Niehmt! (Plural) Kleier (D) a fünf: fief (S), feïf (O), fuif (D) a Haus: Huus (S), Hous (O), Hius (D). Mal hat Oelde die münsterländische Form (alle, Disk ohne Dativ-e), mal die ostwestfälische (Kleier mit Zwielaut). Eigene Übergangsformen sind die Zwielaute in feïf und Hous, die sowohl von den einfachen Lauten im Münsterland (fief, Huus) als auch von den auffälligen Zwielauten in Ostwestfalen (fuif, Hius) abweichen.) Dr. Markus Denkler Nu sin ji dran Übung II Übung III Sett den feihlenden bestimmten Artikel in de richtige Fuorm in! Schrief de Uhrtied in vullstännige Sätze. 1. Ick seih __ Lährjungen. 2. Du röpps __ Kind. 3. Benno süht __ Kiärk. 4. __ Möers brengt __ Kinner in __ Schole. 5. __ Köster spiellt up __ Üörgel. Lösung: 1. den; 2. dat; 3. de; 4. De, de, de; 5. De, dat. Sprückwäörde und Redensaorten Wenn einem jemand frohe Wienachten wünscht, antwortet man am besten: „Ja, auk so, frohe Wiehnachten!“. Eine Woche später – zum Jahreswechsel – heißt es dann: „Glücksiälig Niejaohr!“. Karikatur: Uwe Gehrmann 1. 15.15 Uhr 2. 2 Uhr 3. 16.35 Uhr 4. 4.26 Uhr Lösung: 1. Et is drei Uhr naomdags. 2. Et is twee Uhr nachts. 3. Et is fief nao half fief. 4. Et is veer Uhr Säßuntwintig./ Et is säßuntwintig Minuten nao veer./Et is veer Minuten vör half fief muorgens. Küöckske (f): Köchin late: spät liggen: liegen löchten: leuchten Lüttke, -n (m,f,n): (der, die, das) Kleine (Kind) Mannslüde (m): Männer middaggs: mittags Middagiätten (n): Mittagessen midden: mitten Moer, Möers (f): Mutter Mügge (f): Mücke muorgens: morgens Mus, Müse (f): Maus nao’t (= nao dat): nach dem Naohber (m): Nachbar Naohberduorp, -düörp (n): Nachbardörfer Naohberske (f): Nachbarin naomdags: nachmittags Niejaohr (n): Neujahr Niendüör (f): Dielentor am Bauernhaus owwer: aber Piärd (n): Pferd Rause, -n (f): Rose raut: rot ruken: riechen Schultenhoff (m): Großbauernhof siet: seit Slag (m): Schlag sölwige: selbe, gleiche spiellen: spielen stäödig: beständig stolt: stolz Strauhspier (m): Strohhalm Stunne (f): Stunde swatt: schwarz tieggen: gegen Uhrtied, -en (f): Uhrzeit ümschrieben: umschreiben ümto: drumherum Üörgel (n): Orgel uraolle: uralte vertellen: erzählen viell: viel vulle: volle wenn’t (= wenn et): wenn es Wiehnachts-baum/-baim (m): Weihnachtsbaum -dag, -e (m): Weihnachtstag -fier (f): Weihnachtsfeier -iätten (n): Weihnachtsessen -krippe (f): Weihnachtskrippe Wünske: Wünsche würklick: wirklich Lösungen: 1. Nee, dat stimmt nich. Opa Hinnik hät twee Enkel: Frank Wiedkamp un Marlies Kortevoss. 2. Nee, dat stimmt nich. Familge Wiedkamp dräpp sick jede Jaohr to Wiehnachten. 3. Nee, dat stimmt nich. Dat Hauchamt fänk üm half elwen an. 4. Nee, dat stimmt nich. Wiedkamps häfft ’n grauten Wiehnachtsbaum. ’ne (= ene): eine afwaochten: abwarten alljäöhrlick: alljährlich an’n (= an den): hier: an den an’t (= an dat): an das anneren: anderen aobends: abends Baum, Baim (m): Baum, Bäume beduern: bedauern blao: blau Böker: Bücher Buernhoff (m): Bauernhof buten: draußen Diälle (f): Diele Disk (m): Tisch dobi: dabei domet: damit donao: danach drüm: drum Duorp, Düörp (n): Dorf, Dörfer (Duorp)Kiärk (f): (Dorf)Kirche endütig: eindeutig Fachwiärkhoff (m): Fachwerk(bauern)hof Familge (f): Familie faststellen: feststellen föhren: fahren Fraulüde (f): Frauen Friedag (m): Freitag Fuorm (f): Form gemötlick: gemütlich giäl: gelb Giewwel (m): Giebel gliek: gleich glücksiälig: glückselig grammatikaliske: grammatikalische graut: groß grön: grün Großöllern: Großeltern gussiserne: gusseiserne Hädfüer (n): Herdfeuer half: halb häören: hören, gehören Hilligaobend (m): Heiligabend Hus, Hüse (n): Haus Jaohr (n): Jahr Jaohrhunnerte: Jahrhunderte jehiär: jeher Kärsse, -n (f): Kerze kinen: keinen Klapperrause, -n (f): Klatschmohn Klock (f): Glockenschlag (= pünktlich) Koh (f): Kuh Köster (m): Küster kuocken: kochen Segg’t äs up Platt am Wochenende Grammatik Konjunktiv (Müglickkeitsfuorm) Samstag, 27. Juli 2013 Up dem Sportplatz Alle Verbfuormen, de wi bes nu hento kennenlährt häfft, wören Indikativfuormen (Würklickkeitsfuormen). In’t Plattdütske giff et, jüst äs in’t Hauchdütske, auk den Konjunktiv (Müglichkeitsfuorm). Indikativ: Ick sin diärtig Jaohr aolt. (Ich bin dreißig Jahre alt.) Konjunktiv: Ick wör gähn diärtig Jaohr aolt. (Ich wäre gerne dreißig Jahre alt.) a De Konjunktiv wät brukt, üm: - Wünske uttedrücken: Was he doch kummen! Kamm he doch! Käme er doch! Wäre er doch gekommen! - wat vörsichtig uttedrücken: Dat was ganz gutt! Dat konn m’ so seggen! Das wäre ganz gut! Das könnte man so sagen! - wat besonners höflick uttedrücken of te fraogen: Konn ick Herrn Müller spriäken? Könnte ich Herrn Müller sprechen? a De Konjunktiv wät beldet - entweder met de Verbfuorm von den Imperfekt Indikativ („daih, gaff, wuss“): Bispiell: Ick daih dat nich. a) Ich täte das nicht. (= Konjunktiv) b) Ich tat das nicht. (= Imperfekt Indikativ) - of met de Verbfuorm von den Plusquamperfekt Indikativ. Bispiell: Ick hadde dat nich dohen. a) Ich hätte das nicht getan. (= Konjunktiv) b) Ich hatte das nicht getan. (= Indikativ Plusquamperfekt) Wu man düsse Sätze richtig üöwersett (Indikativ of Konjunktiv), kann man bloß ut den Sinntesammenhang erkennen. Man kann den Konjunktiv auk met „dohen” utdrücken. Bispiell: Wi daihen dat nich maken. - Wir würden das nicht machen. Vokabeln Böcke, -n (f): Buche Buk, Büke (m): Bauch derbi: dabei draffdohen: abmachen, lösen, entfernen faots: sofort Gaitlink, Gaitlinge (m): Amsel ha’ck: Kurzform von: hadde ick = hatte ich hauge: hoch hiär: her Hiemd, -e (n): Hemd Kaore, -n (f): Karre klaien, klaiede, klaiet: klettern Knabberwiärks (n): Knabbersachen kumplett: füllig, korpulent Ledder, -n (f): Leiter mehrstied: meistens Naodeel, -e (m): Nachteil Paohl, Päöhl (m): Pfahl päöhlen, päöhlde, päöhlt: pfählen, hier: Fußball schießen Päöterken, Päöterkes (m): Pater, Pastor Pastörs (m): Pastor renommeeren, renommeerde, renommeert: renommieren, angeben sachte: sanft, vorsichtig saor: Trocken, dürr Schaopstall, -ställe (m): Schafstall Schuer, -n (m): Schauer Sülwerhochtied: Silberhochzeit Spazeern, spazeerde, spazeert: spazieren Spiell, -e (n): Spiel Stiähr, -n (f): Stelle Strüpp, -en (f): Strick Tofall, -fälle (m): Zufall trummeln, trummelde, trummelt: trommeln Twieg, -e (n): Zweig üöwerdess: darüber hinaus verännern, verännerde, verännert: verändern vördem: vorher wu’ck: Kurzform von: wull ick = wollte ich Ümmer dat Sölwige... Gliek is’t wier sowiet: De Bundesligasaison fänk an. Robin is bestens vörbereitet. Tieggen den Fernsehsessel steiht ‘ne Kiste Beer, den Fan-Schal von sine Mannschaft hät he üm den Hals wickelt un links up den Disk ligg dat Knabberwiärks. Dann fällt em noch wat in: „Claudia”, röpp he sine Frau, „wuss du noch wat seggen, äher äs de Bundesligasaison anfänk?” Claudia kümp rin: „Geiht den Blödsinn all wier laoß? Wat is dat doch ‘n Elend met’n Käl, de bloß Fußball in’n Kopp hät. De naichste Tied is met di wier nix antefangen, wieldat du bloß Fußball in’n Kopp häss. Dat du di dat ümmer ankieken kanns! Et is doch ümmer dat sölwige, een Spiell is doch äs dat annere!” „Dat is de ganze Ahnunk, de du von Fußball häss”, giff Robin trügg”, nicks is spannender äs ‘n Fußballspiell!” „Spannend? Wat is dodran Tolest spannend? ‘n Krimi, de is spannend. Do mott m’ naodenken, well schuotten hät. Bi Fußball süht doch jedereen, well schuotten hät.” Texte, Übungen und 2 Die grammatischen Hinweise sind ebenso wie die Sprichworte gibt es hier nachzulesen: Rita und Rudolf Averbeck (2007): Dat Mönsterlänner Platt. Lehrbuch mit umfangreicher Grammatik und zahlreichen Literaturbeispielen. Für Schule, Studium und Selbststudium. Gut-Verlag. ISBN 3-89714-497-2 Zum Nachlesen und zum Hören gibt es die Lektionen im Internet. Die gesprochenen Texte können auf der Webseite angehört oder auch als Podcast heruntergeladen werden. 1 www.die-glocke.de Das Runde muss in Eckige: Diese Weisheit des ehemaligen Fußballbundestrainers Sepp Herberger bringt es auf den Punkt, worum es im Fußball geht – auch wenn Schüler gegen Lehrer auf dem Grün antreten. Karikatur: Gehrmann Bernd (B) un Lena (L), en äöller Ehepaar, wat de Sülwerne Hochtiet all lange ächter sick hät, owwer von de Goldene Hochtiet noch wiet af is, gonk an enen schönen Sunndagnaomdag dör den Park von Schloss Loburg bi Ostbiärm spazen. Et was en warmen Sommerdag. De Spechte trummelden an de saoren Twiege von de haugen Böken, un de Gaitlinge süngen, dat et hallde äs in ene graute Kiärk. Dat Sloss Loburg was in de Naokriegstied to en Internat för Jungs utbauet woren met en Gymnasium derbi. Domols sind in de Naigte von dat Sloss ene ganze Riege Schol- un Internatsgebiude nie bauet wuerden: de Sextanerbau, de Quartanerbau, de Kiärk, de Primanerbau, de Turnhalle un so wieder. Bernd was domols äs Internatschöler hier. Vandage giff’t up de Loburg sogar een Hallenbad. Dao stonn domols – to Bernds Tied – noch’n uraolt Wirtschaftsgebuide. Lena un Bernd wören mittlerwiele an de Gräfte vör dat Sloss vörbigaohen Richtung Sportplatz un, well hadde dat dacht, dao wor jüst Fußball spiellt. Bernd un Lena stellden sick derbi un kiecken sick dat Spiell ‘n bittken an. L: Du, Bernd, laot us nich so lange staohen blieben. Ick daih leiwer noch ‘n bittken laupen. B: Ja, waochte, faots. Ick kiek mi den Sportplatz noch ‘n bittken an. Et hät sick jä alles wat verännert, owwer … L: To, kumm, dat kanns mi auk unnerwäggens vertellen. B: Ja, häss rächt, Lena. Ick kann auk nich so lange up ene Stiähr staohen. Laot us äs wiedergaohen, hierhen Richtung „Biomasseheizwerk”, of wat dat dao is. Dat wull’ck mi all ümmer äs ankieken. Fröher is dao ‘n aollen Schaopstall west. Schade, dat’e wäg is. L: Un wat wor nu met den Sportplatz? B: Mi foll dat jüst so in. Up düssen Sportplatz häfft, dat is all lange hiär, usse Lährers gieggen usse Erziehers Fussball spiellt. Bi de Erziehers stonn de aolle Spiritual in’t Tor. Dat was ‘n fröndlicken, ‘n bittken kumpletten Mann. Von Fussball verstonn he nich viell, un he hadde sick bi düt Spiell bloß deswiägen in’t Tor stellen laoten, wieldat em alle fast verspruocken hadden, bloß ganz, ganz sachte up dat Tor to schaiten, domet he auk ‘ne gutte Chance hadde, den Ball to packen. Vör dat Spiell hadde he vörsichtshalwer ‘ne lange Ledder metbracht. He sagg, dat he vör de haugen Bälle to klein was. Üöwerdess hadde he sick auk noch ‘n Stohl metbracht, dat he nich de ganze Tied staohen moss. L: Dat giff’t doch wull nich. Dao häfft ji doch wull mächtig üöwer lacht. B: Dat kann man wull seggen. Düsse Pastörs un Päöterkes, de hädden richtig Humor! L: Du bis doch auk fröher Torwart west? B: Nä, bloß een Maol. Ick häff jä ümmer Angst hatt vör de Bälle. L: Dat kann’ck mi gutt vörstellen. Wenn dao so’ne richtige Bombe ankümp … dat kann auk ganz schön weh dohen. Worüm bis du dann üöwerhaupt in’t Tor gaohen, wenn du doch Angst dovör häddst? B: Ganz enfach. Ussen Torwart hadde sick acht Dage vördem de Hand bruocken. L: Wat hett „acht Dage vördem“? Acht Dage vör wat? B: Acht Dage vör dat wichtigste Fußballspiell üöwerhaupt: Untersekunda gieggen Obersekunda. Dao gonk et üm alles, dat was ümmer dat wichtigste Spiell von’t ganze Jaohr! L: Un dann bräck sick juen Torwart de Hand, un ji hädden kinen Torwart mähr? B: Dat was leige nog, owwer et kamm noch leiger. Wi mossen natürlick ‘n annern Torwart häbben. Wu de Tofall dat wull, wi hädden kinen. Nicheen von us hadde bes dohen in’t Tor staohen. L: Aha. Un dann häfft se den Dümmsten utkiecken, un de moss dann in’t Tor. Un dat wörs du! B: Jau – ick mein, nä. Jedenfalls ick stonn män domet – ick was de Ersatztorwart. De Obersekunda hät vör Lachen baol an’n Grunde liägen un meinde: Egentlick wör dat Spiell all so gutt äs wunnen. L: Ick an dine Stiähr, ick hadde mi dao nich up inlaoten. B: Du häss gutt küern, enen moss’t män dohen. L: Un, wu is?’t dann laupen? B: Wat sall ick seggen? Ganz an’n Anfank gaff’t ‘n Foulelfmeter. Ick stonn dao, un dat wor mi warm vör de Bücks. Owwer wat nicheen för müglick haollen hadde: Icke, ick häff den Elfmeter haollen! Donao wor’t ‘n richtig schön Spiell. L: Un häfft ji wunnen? B: Dat wee’ck gar nich mähr. Dat was ‘n richtig fein Spiell. Wi häfft viell Spass hat. Mundartgrenzen im Bewusstsein der Nutzer Die Mundarten zeichnen sich dadurch aus, dass sich in ihnen die größte räumliche Vielfalt zeigt, die Sprache zu bieten hat: Von einem Ort zum nächsten gibt es manchmal kleinere, manchmal auch größere Unterschiede. Ein einzelnes Wort kann sich unterscheiden oder aber die Aussprache eines Lautes oder ein Merkmal des grammatischen Systems. Diese Unterschiede werden zumeist dadurch untersucht, dass man Übersetzungen ins jeweils örtliche Platt miteinander vergleicht. Was die Plattsprecher selbst über solche Unterschiede wissen und wie sie die sprachliche Landschaft gliedern, wurde in der Forschung lange nicht berücksichtigt. Erst seit einigen Jahren gibt es die „Sprecher- dialektologie“, in der das Wissen der Mundartsprecher über sprachliche Unterschiede und die Bedeutung dieses Wissens für den Sprachgebrauch untersucht wird. Eine solche Untersuchung für den westfälischen Raum stammt von Daniela Twilfer und hat den Titel „Dialektgrenzen im Kopf. Der westfälische Sprachraum aus volkslinguistischer Perspektive“. Twilfer hat eine Pfeilkarte vorgelegt (siehe Bild), die zeigt, wo nach Meinung der Plattsprecher genauso gesprochen wird wie in ihrem eigenen Ort. Heraus kommt eine (zum Teil auch verwirrende) Karte mit zahlreichen Knäueln, die enge Verbindungen zeigen, und freien Zonen, die eher für Sprachgrenzen stehen. Dr. Markus Denkler Nu sin ji dran Übung I Üöwerdriäg von de direkte in de indirekte Rede (= Konjunktiv!) Bispiell: He segg: “Ick gaoh nao Hus.” – He segg, dat he nao Hus gonk. 1. Se antwaordet: „Ick kann dat nich verstaohen.” 2. Wi ropt: „Wi willt drei Beer häbben.” 3. Dat Kind segg: „Ick mott nao Schole hen.” Übung II Üöwerdriäg von den Indikativ in den Konjunktiv un bruk dobi dat Waort „dohen”. Bispiell: Ick kaupe Kaffee. – Ick daih Kaffee kaupen. 1. He döht dat nich. 2. Wi seggt kin Waort. 3. Se backt Pannkoken. Lösungen Egene Konjunktivfuormen äs in’t Hauchdütske (bispiellswiese täte, gäbe, wisse) giff et in’t Plattdütske nich. Dat Plattdütske brück för den Konjunktiv de all bekannten Konjugationsfuormen. Dat häff den Naodeel, dat et för düsse Konjugationsfuormen twee Müglichkeiten to’t Üöwersetten giff. Übung I 1. Se antwaordet, dat se dat nich verstaohen konn. 2. Wi ropt, dat wi drei Beer häbben wullen. 3. Dat Kind segg, dat et nao Schole hen moss. - de indirekte Rede uttedrücken: Se segg, dat he verreist was. Sie sagt, dass er verreist wäre. Se segg, se wuss dat nich. Sie sagt, sie wüsste das nicht. Fußball fasziniert – auch Jahre nach dem entscheidenden Spiel schwelgt man gerne in Erinnerungen. Übung II 1. He daih dat nich (dohen). 2. Wi daihen kin Waort seggen. 3. Se daih Pannkoken backen. - wat uttedrücken, wat nich würklick is: Wenn he kamm, gaff ick em dat Bok. Wenn er käme, gäbe ich ihm das Buch. Wenn he kummen was, hadde ick em dat Bok giebben. Wenn er gekommen wäre, hätte ich ihm das Buch gegeben. Wenn he konn, dann daih he dat. Wenn er könnte, täte er das. Verben Dialektähnlichkeit im Urteil westfälischer Mundartsprecher (Ausschnitt), dargestellt am Altkreis Wiedenbrück. Karte: LWL a laupen (laufen) Präsens: ick laupe, du löpps, he/ se/et löpp, wi/ji/se laupet Imperfekt: ick laip, du laips, he/ se/et laip, wi/ji/se laipen Partizip Perfekt: loppt a liggen (liegen) Präsens: ick ligge, du liggs, he/se/ et ligg, wi/ji/se ligget Imperfekt: ick lagg, du läggs, he/ se/et lagg, wi/ji/se läggen/liäggen a schaiten (schießen) Präsens: ick schaut, du schütts, he/se/et schütt, wi/ji/se schait’t Imperfekt: ick schüött, du schüöts, he/se/et schaut, wi/ji/se schüötten Partizip Perfekt: schuotten a singen (singen) Präsens: ick singe, du sings, he/ se/et singt, wi/ji/se singt Imperfekt: ick süng, du süngs, he/ se/et süng, wi/ji/se süngen Partizip Perfekt: sungen Sprückwäörde und Redensaorten a Dann wi’ we äs de Strüppe draffdohen. Dann wollen wir mal das (gründlich mit einem Strick zugebundene) Portemonnaie (sehr widerstrebend) zum Bezahlen öffnen. a Dat (Geld) sitt’e draoh bi, äs de Miälk bi’n Ossen – alle siebben Jaohr en Drüppen, un dann noch met de Knieptange. Das Geld sitzt sehr fest, wie die Milch beim Ochsen – alle sieben Jahre ein Tropfen, und dann noch mit der Kneifzange. a Von Dank häfft wi de Tasken all vull. Wir haben die Taschen schon voller Dank. Von Dank können wir uns nichts kaufen. Wir brauchen Geld. a Wat’e häss, dat häss’e, un wat’e wierkriggs, dat wees’e noch lange nich. Was du hast, das hast du, und was du wiederkriegst, das weißt du noch lange nicht. (Warnung vor riskanten Geschäften) a Well hauge klaiet, de kann deip fallen. Wer hoch klettert, der kann tief fallen. Segg’t äs up Platt am Wochenende Verben a draimen (träumen) Präsens: ick draim, du drömms, he/se/et drömmt, wi/ji/se draimt Imperfekt: ick draimde, du draimdes, he/se/et draimde, wi/ji/se draimden Partizip Perfekt: drommt a fleigen (fliegen) Präsens: ick fleig, du flüggst, he/se/et flüggt, wi/ji/se fleigt Imperfekt: ick flaug, du flüögs, he/se/et flaug, wi/ji/se flüögen Partizip Perfekt: fluogen a glaiben (glauben) Präsens: ick glaif, du glöffs, he/se/et glöff, wi/ji/se glaift Imperfekt: ick gloff, du gloffs, he/se/et gloff, wi/ji/se glöffen Partizip Perfekt: glofft a sniehen (schneiden) Präsens: ick snied, du sniddst, he/se/et snitt, wi/ji/se sniet’t Imperfekt: ick sneet, du sneets, he/se/et sneet, wi/ji/se snietten Partizip Perfekt: snietten Samstag, 24. August 2013 De lebennige Holtvugel Sommerzeit ist Schützenfestzeit. Zum Abschluss unserer Serie „Segg’t äs up Platt“ dreht sich alles um das traditionelle Fest – und um eine Wiederholung des Gelernten. Vokabeln Sprückwäörde und Redensaorten a Dat is ‘n schlechten Voss, well bloß een Lock hät. Das ist ein schlechter Fuchs, der nur ein Fuchsloch (= einen Zugang zum Fuchsbau) hat (= Wer sich kein Hintertürchen offenhält, der ist dumm). a De Koh hät vergiätten, dat se ‘n Kalf west is. Die Kuh hat vergessen, dass sie ein Kalb gewesen ist. (Sagt man zu Leuten ohne Verständnis für Kinder, aber auch zu Emporkömmlingen, die von ihrer geringen Herkunft nichts mehr wissen wollen.) a Vielle Hänne makt lichte Arbeit. Viele Händen machen leichte Arbeit. a Wenn man von ‘n Düwel spreck, dann sitt ‘e up ‘t Heck. Wenn man vom Teufel spricht, dann sitzt er (schon) auf dem Wiesentor (= wenn man den Teufel nennt, dann kommt er gerennt.). a De dreihed mi den Puckel (to). Der drehte mir den Rücken zu (= der wandte sich ab). Een Banküberfall En Bankräuber stüött’ in ene kleine ländlicke Bankfiliale rin un röpp: „Dies ist ein Banküberfall! Geld her!“ He hät ‘ne Müske üöwer dat Gesicht trocken, met utsniettene Augen, so dat m’ em nich kennen kann. In de kleine Bankfiliale is ene äöllere Bankangestellte. Se frögg em ganz ruhig un fröndlick: „Söllt dat graute of auk kleine Geldschiene sien? Sall ick dat in’e Plastiktute stoppen, of häfft ji ‘ne egene Taske met?“ De Bankräuber kick se met graute Augen verwünnert an. He versteiht kin Waort. Noch bevör he noch’n Waort seggen kann, flügg de Inganksdüör laoß un en Sondereinsatzkommando von de Polzei stürmt harin. Ene von de Polzisten bölket: „Polzei! Den Püster dahlleggen un de Hänne haug!“ De Bankräuber steiht met wiet upriettene Augen un röhrt sick nich. De Polzist bölket all wier: „Den Püster dahl up’n Grund un de Hänne haug! Ick segg et nich’n diärdet Maol!“ De Bankräuber röhrt sick ümmer noch nich. In’n naichsten Moment riättert de Maschinenpistolen von dat Sondereinsatzkommando laoß. In düssen Moment häört Tolest man ene Stemme seggen: „Über 70 Millionen Menschen in Deutschland können nicht richtig Plattdeutsch.“ De Polzisten von dat Sondereinsatzkommando staoht üm den daut schuottenen Bankräuber rund-üm-to un kiekt von buoben up em runner. En Polzist segg in de Stille: „So’n Däöskopp!“ Dann kümp en Text: „Schreib dich nicht ab – lerne Plattdeutsch!“ Die Texte, Übungen und grammatischen Hinweise sind ebenso wie die Sprichworte gibt es hier nachzulesen: Rita und Rudolf Averbeck (2007): Dat Mönsterlänner Platt. Lehrbuch mit umfangreicher Grammatik und zahlreichen Literaturbeispielen. Für Schule, Studium und Selbststudium. Gut-Verlag. ISBN 3-89714-497-2 Zum Nachlesen und auch zum Hören gibt es die Lektionen im Internet. Die gesprochenen Texte können auf der Webseite angehört oder auch als Podcast heruntergeladen werden. 2 1 www.die-glocke.de Übung I Üöwerdriäg de Sätze von „vandage“ (Präsens) nao „gistern“ (Perfekt) un nao „muorgen“ (Futur I)! Bispiell: Vandage: ...kiek ick in’t Bok. Gistern: ... … häff ick in ‘t Bok kiecken. Muorgen: ... sall ick in ‘t Bok kieken. 1. … frätt de Rüe. 2. … do ick nicks. 3. … seggt wi nicks. 4. … ropt ji mi an. 5. … kummt wi nich. Sagwörter: eine Eigenart des Plattdeutschen Das Plattdeutsche ist auf allen sprachlichen Ebenen durch Besonderheiten gekennzeichnet. Es hat ein eigenes Lautsystem, eigene grammatische Merkmale und besondere Wortschatzelemente. Darüber hinaus gibt es auch im Bereich der Sprichwörter und Redensarten interessante Eigenheiten. Eine solche Eigenheit sind die so genannten Sagwörter, die vor allem in den Mundarten Nordwest- deutschlands vorkommen. Bei einem Sagwort wird jemandem ein Sprichwort oder eine Redensart in den Mund gelegt und in einen überraschenden, komischen Zusammenhang eingeordnet. Hierdurch entsteht ein ironischer Gegensatz. So wird dem Sprichwort die absolute Gültigkeit aberkannt und das allzu Moralische genommen. Münsterländische Beispiele: a aus Ahlen: Ick mott de Sake up‘n Grund kuemmen, sagg de Buer, dao foll he in‘n Ahlkump. (Ich muss der Sache auf den Grund gehen, sagte der Bauer, da fiel er in eine Jauchegrube.) a aus Warendorf: Man kann sick an alles gewüenen, sagg de Düwel, dao satt he met de blaute Mäse up’n gleinigen Uowen un smeikte sin Piepken. (Man kann sich an alles gewöhnen, sagte der Teufel, da saß er mit dem nackten Hintern auf einem glühenden Ofen und rauchte sein Pfeifchen.) a aus Vorhelm: Alle Bate helpet, sagg de Mügge, dao pissede se in’n Rhin. (Jede Beigabe hilft, sagte die Mücke, da pisste sie in den Rhein.) a aus Ahlen: Ne Arme kann en jüst so dull iärgern äs ‘ne Rieke, sagg de Buer, dao friggede he nao Geld. (Eine Arme kann einen genau so stark ärgern wie eine Reiche, sagte der Bauer, wählte er seine Frau nach dem Geld.) Dr. Markus Denkler Nu sin ji dran Liebe Leserinnen und Leser, zum Abschluss der „Glocke“-Serie „Segg’t äs up Platt“ gibt es in dieser letzten Lektion die Möglichkeit, sich mit den folgenden kleinen Übungen selbst noch einmal zu testen, was man von den vergangenen zwölf Lektionen behalten hat. Viel Spaß und gutes Gelingen! Oder wie man auf Platt sagt: Gued goahn! Übung II Sett de richtige Verbfuorm in! Bispiell: Ick häff de „Glocke“ _____(liäsen). – Ick häff de „Glocke“ luosen. 1. Ick häff mi’n Auto _______ (kaupen). 2. Martin hät sine Müske _______ (vergiätten). 3. Ji häbbt hellske gutt _______ (singen). Übung III Übung V Wecke Verbfuorm is de richtige? Bispiell: (Hadden, Häss, Häff) du Duorst? – Häss du Duorst? Sett de richtige Adjektivfuorm in! Bispiell: Se spiellt up de __ (grön) Wieske. – Se spiellt up de gröne Wieske. 1. Wat (steihs, steiht, staoht) in ‘t Lexikon? 2. Dat Kind (löpps, löppt, laupen) den heelen Wäg lank. 3. Min Naober hät mi nich (kannde, kannt, kenns). Übung IV Sett dat Fraogewaort in! Bispiell: Ick heete Manni. __ hetts du? – Wu hetts du? 1. Sin Zug kümp nao acht. – __ kümp sin Zug? 2.Dat is min Lährer. – __ is dat? 3. De Blagen makt nix. – __ makt de Blagen? 1. De __ (lüttke) Junge un dat __ (klein) Wicht göngen nao den __ (naichste) Naober to ’t Spiellen in den __ (witt) Sand. 2. Fröher was alles __ (gutt) äs vandage. 3. Vandage is __ (viell) Wind äs gistern. Übung VI Verneine de folgenden Sätze! Bispiell: Olaf süht mi. – Olaf süht mi nich. 1. Maria hät een Auto. 2. Ick küer gutt Platt. Lösungen: Übung II kofft/vergiätten/sungen a De kamm wier up ‘t leste Knäppken. (Der kam wieder im letzten Augenblick.) Nu sin ji dran Übung III steiht/löppt/kannt a Et wät Tied, dat dao maol ganz ächten ut ‘n Halse küert wät! (Es wird Zeit, dass da mal ganz hinten aus dem Hals gesprochen wird! [= dass kräftig die Meinung gesagt wird]) de gaff doch wull ‘nen gutten Künink af? B: Ja wull, owwer in dinen Draum konns du den Vugel nich driäppen. Dat kann doch bloß heeten, dat et een Problem met dat Künink-wären giff. A: Ja, wu dat so is. L: Du kanns also nich schaiten? A: Dumm Tüg. Natürlick kann ick schaiten, dat is kine Kunst. L: Also, schaiten kanns du. Dann wuss du also nich Künink wären? A: Doch, worüm nich? L: Ick glaif, ick verstaoh. Du häss kine Künigin? A: Jedenfalls – ohne Künigin geiht’t nich. B: Mann, is dat heet vandage. A: Man meint baoll, et wät ümmer hetter. L: Dat geiht mi egentlick nicks an, Beate, owwer bis du all maol Schützenkünigin west? B: Nö, natürlick nich. L: Wat sall ick seggen? Wör dat nich vlicht de Geliägenheit för di? A: Wat dügg di dovon, Beate? Wenn du seggen daihs, dat du Tied de Naut mine Künigin würs, dann daih ick muorgen alles dran setten, dat ick den Vugel afschait. L: Dat wör doch wat! Dann kaim usse Firma noch ganz graut rut in den Schützenverein. B: Dat kümp mi alle ‘n bittken plötzlick. L: Häss du’t haort, Alex? Direkt aflehnt hät se’t nich! Übung IV Wann/Well/Wat a Dat is e e n doon. (Das ist egal.) was an’t Schaiten, Schuss up Schuss. Un een Schuss nao den annern dertieggen. Ick konn den dämlicken Vugel nich driäppen. Dann wor de Vugel up Maol lebennig! Ick was ümmer noch an’t Schaiten un konn em ümmer noch nich driäppen. Un de anneren Schützenbröers stönnen dao un kiecken. Jeder hadde sine egene Flinte in’e Hand. In Würklichkeit is dat bi’t Schaiten natürlick nich so, owwer in minen Draum hadde jeder sine egene Flinte von tehus metbracht. Owwer de enzigste, well schaut, was ick. Ick hadde all ‘ne ganze Kiste Munition lierig schuotten, un de aolle Vugel flaug ümmer noch dör de Lucht, un de ganze Tied mok ‘ne Blaoskapell Mussik doto. L: Dunnerslag, Alex, wu normal is dann sowat? B: Owwer würklick, dat lött ja deip blicken. Du kanns jä froh sien, dat Sigmund Freud dinen Draum nich in’e Finger krieggen hät. De giff jä nog hiär, dat’n Psychologiestudent sine Doktorarbeit dovon schrieben kann. A: Laot gutt sien, dat reeket. Verapen kann’ck mi söwst. L: Wenn ick äs Lährjunge dat richtig verstaoh met dinen Draum, dann wuss du egentlick doch ganz gähn Schützenkünink wären. A: Worüm dann nich? So’nen stäödigen, gutt utseihenden Schützenbroer äs icke enen sin, Übung V lütke/kleine/naichsten/witten/ biätter/mähr a Den Patt unner de Föte niehmen. (Den Weg unter die Füße nehmen, sich zu Fuß auf den Weg machen.) Et was de erste Arbeitsdag in’n August. För den Lährjungen Leon Lüning (L) hedde dat, dat he von de Büroangestellten Geld insammeln moss, üm Pizzas te kaupen. Leon daih dat gähn, wieldat he dat Wesselgeld behaollen droff. So sätten Leon, sin Utbilder Alex Althoff (A) un de Büroangestellte Beate Bült (B) tesammen in iähr Büro un aiten Pizza. B: Wat häfft wi düt Jaohr ‘n heeten Summer. Ick sin heel froh, dat wi all Friedag häfft un muo’n Wiäckenende is. Dann kann man’t doch ‘n bittken ruhiger angaohen laoten. L: Dat maggs’e wull lut seggen. Et geiht doch nicks üöwer ‘n Wiäckenende. B: Wat is, Alex, du seggs jä gar nicks? A: So leige is dat met de Hitze auk nich. Un üöwerhaupt: Düt Wiäckenende is Schützenfest. B: Aaaja – un dat bedütt för ‘nen richtigen Schützenbroer, äs du enen bis, soviell äs Pinksten un Wiehnachten up enen Dag. A: Ja nu, Schützenfest is Schützenfest. Dat is wu’t is. L: Dann wät muo’n auk de Künink schuotten? A: Owwer wisse doch, met’n Gewiähr up’n Holtvugel. B: Bis du all maol Künink west, Alex? A: Nä, dat nich, owwer leste Nacht häff ick dovon dromt. Ick wull partuh Künink wären. Ick Karikatur: Gehrmann Übung VI keen/nich gutt So segg m’ ’t up Platt Wer schießt den Vogel ab? Darum geht es in dieser Lektion. Lösungen: Pinksten: Pfingsten Plastiktute, -n (f): Plastiktüte Püster, -s (m): Gewehr reeken, reekede, reeket: reichen riättern, riätterde, riättert: rattern rund-üm-to: rundherum runner: herunter Schützenbroer, -bröers (m): Schützenbruder Schützenkünink, -künige: Schützenkönig Schützenkünigin, -nen: Schützenkönigin Taske, -n (f): Tasche tehus: zuhaus Tüg (n): Zeug verapen, verapede, verapt: veräppeln 1. … hät de Rüe friätten./… sall de Rüe _friätten. 2. … häff ick nicks daohen./ … sall ick nicks daohen. 3. … häfft wi nicks seggt./ … söllt wi nicks seggen. 4. … häfft ji mi anroppt./ … söllt ji mi anropen. 5. … sind wi nich kummen./ … söllt wi nich kummen. aflehnen, lehnde af, aflehnt: ablehnen bevör: bevor dahl: herunter, nieder deip: tief Draum, Draime (m): Traum Geldschien, -e (m): Geldschein Geliägenheit, -en (f): Gelegenheit haug: hoch heeten, hedde, heeten: heißen Holtvugel, Holtvügel (m): Holzvogel Inganksdüör, -en (f): Eingangstür lebennig: lebendig Lucht (f): Luft Lünink, Lüninge (m): Spatz Müske, -n (f): Mütze