- Tierschau

Transcrição

- Tierschau
16.03.07
–
05.08.07
Fächerübergreifende Unterrichtsvorschläge
für Lehrerinnen und Lehrer
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
Museumsdienst Köln, Museumsschule
Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
wir freuen uns, Ihnen mit dieser Broschüre eine Palette an Unterrichtsvorschlägen
zum Besuch der Sonderausstellung „Tierschau – Wie unser Bild vom Tier entstand“
(16.03. – 05.08.2007) des Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud an
die Hand geben zu können.
Die Vorschläge eignen sich grundsätzlich für alle Schulformen und Schulstufen,
und richten sich, dem Vermerk entsprechend, jeweils vorwiegend an die Primarstufe oder/und Sekundarstufe I oder/und Sekundarstufe II. Sie können darüber
hinaus auch fächerübergreifend eingesetzt werden.
Ziel dieser Broschüre ist es, LehrerInnen einzuladen, mit ihren SchülerInnen
in der „Tierschau“ auf Entdeckungsreise zu gehen, sich auszutauschen, eigene
Erfahrungen und Wahrnehmungen zu machen und ggf. zu überprüfen. Dazu liefern
die Praxisvorschläge Anregung und Material mit wertvollen Informationen.
Die Beiträge sind im Wesentlichen gleich aufgebaut. Auf die jeweiligen fachlichen
und didaktischen Hintergrundinformationen für LehrerInnen folgen Anregungen
zur Werk- und Objektbetrachtung in der Ausstellung sowie der Hinweis auf fächerübergreifende Aspekte. Es schließen sich Vorschläge für künstlerisch-praktische
Arbeiten mit Angaben zu den benötigten Materialien sowie den vorauszusetzenden
Fähigkeiten der SchülerInnen an. Allen Unterrichtsvorschlägen sind Arbeitsblätter als Kopier- bzw. Folienvorlagen beigefügt.
Die Autorinnen dieser Broschüre sind Museumsschullehrerinnen und Lehrerinnen
der Primarstufe, Sekundarstufe I und II mit aktueller Unterrichtserfahrung.
Wir wünschen Ihnen anregende und erkenntnisreiche Museumsbesuche.
Ihre Museumsschule
Veranstaltungen für LehrerInnen zur Sonderausstellung „Tierschau – Wie unser Bild vom
Tier entstand“, Schulunterricht im Museum sowie Buchung von Workshops und
Führungen mit Schulklassen: siehe S. 61.
4 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
HOOFDSTU K
Inhalt
6 Einführung
8 Kapitel 1 Auf Entdeckungsreise – Ferne Welten
Informationen und Vorschläge für die praktische Arbeit
(Primarstufe, Sekundarstufe I)
Arbeitsblatt 1 bis 4
Informationen und Anregungen (Sekundarstufe II)
20 Kapitel 2 Auf Entdeckungsreise – Unter der Lupe
Informationen und Vorschläge für die praktische Arbeit
(Primarstufe, Sekundarstufe I)
Arbeitsblatt 5 und 6
Alternativthema (Sekundarstufe II)
Arbeitsblatt 7
28 Kapitel 3 Auf Entdeckungsreise – In den Tiefen der Vorzeit
Informationen und Vorschläge für die praktische Arbeit
(Primarstufe, Sekundarstufen I und II)
Arbeitsblatt 8 und 9
35 Kapitel 4 In freier Wildbahn
Informationen und Vorschläge für die praktische Arbeit (Sekundarstufe I)
Arbeitsblatt 10 und 11
40 Kapitel 5 Menschen und Affen
Informationen und Vorschläge für die praktische Arbeit
(Sekundarstufen I und II)
Arbeitsblatt 12 bis 14
46 Kapitel 6 Gewalt und Liebe
Informationen und Vorschläge für die praktische Arbeit (Primarstufe)
Arbeitsblatt 15 bis 18
54 Kapitel 7 Im Atelier des Künstlers
Informationen und Vorschläge für die praktische Arbeit
(Sekundarstufen I und II)
Arbeitsblatt 19
Informationen und Vorschläge für die praktische Arbeit
(Sekundarstufen I und II)
60 Literatur
61 Allgemeine Informationen
62 Impressum
5 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
HOOFDSTU K
Einführung
Tierdarstellungen – Ein kurzer historischer Abriss zur Übersicht
Die ersten Bilder, die wir vom Menschen kennen, sind Tierbilder. Diese urzeitlichen Bilder
auf Höhlenwänden stehen am Anfang eines sehr wechselvollen und existentiellen Verhältnisses von Mensch und Tier und spiegeln immer auch den Umgang und den Blick des
Menschen auf das Tier wider. Ein Umgang, der vom Herrschen und Beherrschtwerden,
vom Erforschen, Ordnen und Verschwinden, von Liebe und Emotionalität, aber auch von
Gewalt geprägt ist.
Zu Beginn der Neuzeit gegen 1500 öffnete sich der Blick des Menschen in einer neuen
objektivierenden Weise gegenüber den Erscheinungen in der Welt. „Die Entdeckung der
Welt und des Menschen“ – so überschrieb der Kunstsoziologe Arnold Hauser die Kunst
der Renaissance. Aber nicht nur die Anatomie des Menschen interessierte die Künstler,
sondern auch die der Tiere. Das Ergründen, Forschen und Ordnen löst die symbolische
Bedeutung des Tieres, die bis ins späte Mittelalter die Darstellung des Tieres ausschließlich prägte, ab. Das Interesse des Künstlers ist nun, neben dem künstlerischen, zugleich
ein naturwissenschaftliches. Die Wissenschaftler des 16. Jahrhunderts entdeckten nicht
nur – in einer wahren Manie – die Artenvielfalt der Tiere, sondern auch, anhand von
Fossilien, die Vergänglichkeit und Bedrohung, das Aussterben von Arten.
Dies bedingt, dass im Laufe des 17. Jahrhunderts als eigenständiges Genre der Malerei,
das ‚Tierstück‘ entsteht. Was im Verschwinden begriffen ist, was bedroht ist, wird bildwürdig, wie uns die Geschichte vielfach zeigt. Tiere werden nun Teil des ‚nature morte‘,
des Stilllebens, aber auch Gegenstand individueller Tierporträts. Die Ausstellung zeigt uns
nicht allein kunsthistorische Entwicklungen, sondern ermöglicht uns einen erweiterten
ganzheitlichen Blick. Illustrierende Katalogbilder, anatomische Modelle und Fossilien sind
ebenso zu sehen wie komponierte Stillleben und Tierporträts, die in ihrer Repräsentationsfunktion soziokulturelle Zusammenhänge deutlich machen können. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts finden wir das Thema der Tierliebe und der Gewalt gegen Tiere in der Kunst als
Spiegel der emotionalisierten und psychologisierten Beziehung des Menschen zum Tier,
die dann durch die Industrialisierung mehr und mehr unserer heutigen widersprüchlichen
Beziehung zum Tier entspricht.
Das von vielen Künstlern im 19. Jahrhundert entwickelte Konzept gegen eine vernaturwissenschaftlichte und versachlichte Welt, identifizierte Raubtiere mit einer elementaren,
ebenso furchterregenden wie großartigen Naturkraft. Dies diente als Spiegel eines
Verlustes von wahrer Größe und Würde, die die Zeitgenossen in den Tierbildern, auch als
Gegenbild zu den Einschränkungen der zeitgenössischen Gesellschaft, wiederentdecken
sollten. Van Gogh und Marc machen schließlich deutlich, dass sich die Malerei in diesem
Jahrhundert von der Naturkunde löst. Bei ihnen geschieht es zugunsten einer Entwicklung,
die mehr und mehr die eigene Handschrift, den eigenen künstlerischen Stil und die
Subjektivität in den Mittelpunkt stellt (vgl. hierzu: Tierbilder im 19.Jahrhundert.
In: Kunst+Unterricht Heft 238/1999).
6 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
EINFÜHRUNG
Erfahrungsorientierung
„Heute ist das Tier und sein Abbild allgegenwärtig. Städte, Industrieanlagen und Autobahnen umgeben den modernen Menschen, doch aus sämtlichen Medien schnattert,
krächzt, bellt und wuselt es uns entgegen, als wären wir noch mittendrin im ungerodeten
Urwald.“ (J. Berger)
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind in der Stadt schon einmal eine Kuh
gesehen hat, geringer, als die, dass es eine Giraffe kennt. Aber der ‚natürliche‘ Kontakt zu
Tieren ist nicht nur den Kindern im urbanen Umfeld ganz verloren gegangen und hat sich
auf eine psychische Ebene durch massenweise produzierte Alltagsobjekte wie den
Teddybär, die Diddl-Maus und das Tamagotschi verschoben. Bei Erwachsenen verhält es
sich nicht viel anders. Das in BILD tagelang diskutierte Schicksal von Daisy, dem Hund
Rudolf Mooshammers, der nach dessen Tod zum Medienstar wurde, zeigt dies deutlich.
Dies entspricht dem funktionalisierten Verhältnis des Menschen zum Tier, das heute
verplüscht (Teddybär), virtualisiert (Tamagotschi), oder in der Lebensmittelproduktion
und im Produktdesign (Massentierhaltung, Happy Hippo und Puma) industriellkapitalistisch nutzbar gemacht worden ist.
An dessen mannigfaltiger Existenz ist die imaginäre und widersprüchliche Bedeutung der
Tiere für den Menschen abzulesen. Die „Ferne von der Wirklichkeit macht es uns einfacher
auf Tierbilder, aber auch auf Haustiere unsere Wünsche und Vorstellungen zu projizieren.
Besonders bei den Schmusetieren, den Verwandten von Haustieren, gelingt es uns, Eigenschaften in die Tiere bzw. Tierdarstellungen hineinzusehen, die diese in der Wirklichkeit
so nicht besitzen“(J. Walch). Immer schon, solange wir Menschen auf die Tiere schauen,
glauben wir Merkmale und Eigenschaften in verdichteter Form von uns selbst zu sehen.
Auch die Umgangssprache liefert uns hierfür Beweise. Sei es die Wespentaille als Schlankheitsideal, die falsche Schlange, vor der es sich zu hüten gilt oder der läppische Affe als
Sinnbild für Blödheit, Nachäfferei und Unvernunft. Die unendliche Liste der Schimpfwörter
aus dem Bereich der Tierwelt macht deutlich, wie sehr das Tier als Vergleichsmaß des
Menschen Verwendung findet und es ebenfalls als das Fremde, das Animalische und
Verdrängte im Psychischen funktioniert.
Eine Auseinandersetzung, sowohl mit eigenen Standpunkten und Erfahrungen, als auch
mit kulturellen und historischen ‚Tierbildern‘, kann durch die Ausstellung angeregt und
im fächerübergreifenden Unterricht in der Schule vertieft werden. Hierzu bieten sich die
Fächer Kunst, Geografie, Biologie bzw. Sachkunde, Deutsch, Geschichte, Religion, Ethik
und praktische Philosophie an. Die „Tierschau“ zeigt uns die Entwicklung des Bildes vom
Tier vom Beginn der Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert aus kulturhistorischer Perspektive.
Hierbei sind die Werke und Objekte aus Kunst und Wissenschaft nicht in historischer
Reihenfolge gehängt, sondern thematisch aufbereitet und didaktisch präsentiert. Dies
wird unterstützt durch spielerische ‚Hands-on‘ für Kinder und Jugendliche und durch
informative Beschriftungen sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene. Für die Praxisvorschläge dieser Broschüre wurden entsprechend der Ausstellungskonzeption zu jeder
‚Entdeckungsreise‘ und Themenüberschrift exemplarisch Tierbilder ausgewählt. Ziel der
unterschiedlichen Unterrichtseinheiten ist, bei SchülerInnen das Bewusstsein dafür zu
wecken, dass die Wahrnehmung von Tieren sowie der Umgang mit ihnen einem
geschichtlichen und kulturellen Wandel unterliegt.
7 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
EINFÜHRUNG
Kapitel 1
Auf Entdeckungsreise – Ferne Welten
Didaktische und fachliche Hintergrundinformationen
Im 15. Jahrhundert machten sich die Europäer auf, die Welt zu umsegeln und zu entdecken.
Der Blick der Menschen öffnete sich in einer neuen objektivierenden Weise gegenüber den
Erscheinungen der Welt. Von ihren Entdeckungsreisen brachten sie auf den Schiffen bis
dahin nie gesehene Tierarten, Jagdtrophäen, Mineralien, Edelsteine und viele andere Kostbarkeiten mit. Diese dienten ihnen als Beweise für die Reichweite ihrer Macht.
„Damals hatten Tiere einen festen Platz im Leben der Menschen. Der Besitz von Pferden,
Rindern, Schweinen und Hühnern entschied darüber, ob ein Bauer arm oder reich war.
Ochsen zogen den Pflug über die Felder, mit Eseln wurde im Winter Brennholz herbeigeschafft. (...) Hoch zu Ross gingen die Edelleute auf Jagd nach Rebhühnern und Wachteln, Hasen und Rehen. (...) Mit den Entdeckungsreisen kamen auch unbekannte Tiere
aus fernen Ländern. An den Kais der großen Seehäfen wurden sie in Käfigen zur Schau
gestellt, bis sich ein Käufer fand. Wer etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte,
kaufte sich einen Papagei oder ein Äffchen. (...) Den Luxus, ein Tier zum bloßen Zeitvertreib zu halten, konnten sich nur wenige leisten. Die Fürsten legten sich damals Tiergärten
zu, um die Felle exotischer Tiere aus Übersee zu versammeln. Mit wohligem Schaudern
bestaunte man fremdartige Bestien, die in Burggräben und hinter eisernen Gitterstäben
gefangen gehalten wurden. Andere Tiere kamen ausgestopft oder wie saure Gurken in
Fässern eingelegt aus Südamerika, Afrika oder Asien. In so genannten Wunderkammern
oder Raritätenkabinetten wurden sie aufgestellt.“( D. Salzgeber: Albrecht Dürer: Das
Rhinozeros. Reinbeck bei Hamburg 1999, S.61f.)
„Die verschiedenen Tierarten gemeinsam mit seltenen Mineralien und Edelsteinen
stellten die Reichweite der Macht ihrer Besitzer unter Beweis. Die für die Europäer
fremden Tiere lösten nicht nur Staunen aus, sondern Verwirrung. Die Natur schien noch
viel reicher als man geahnt hatte; die Mannigfaltigkeit der Formen begeisterte und lud
dazu ein, sich über ein System der Schöpfung Gedanken zu machen. Sollte hinter der
Vielfalt eine – göttliche – Ordnung versteckt sein? Künstler sollten dieser Ordnung ein
Bild geben.“ (Saaltext)
„Im 18. Jahrhundert, als der Drang nach Systematisierung alle Lebensbereiche erfasste,
verloren die Wunderkammern ihren Sinn. Das Tierreich wurde nach neusten Auffassungen
katalogisiert und in Gruppen eingeteilt. Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf den Vierbeinern und Vögeln.“
„Im 19. Jahrhundert schließlich wurden die meisten verbliebenen Wunderkammern
aufgelöst. Ihr Inhalt gelangte in Museen; Kunst und Natur wurden dort erst säuberlich
voneinander geschieden. Das galt als fortschrittlich, und noch heute ist diese Trennung
die Regel.“ (Katalog zur Ausstellung)
In der Abteilung „Auf Entdeckungsreise – Ferne Welten“ werden in der ersten Unterrichtseinheit für die Primarstufe und Sekundarstufe I drei Bilder der Ausstellung beispielhaft
8 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
besprochen. Sie haben die Gemeinsamkeit, dass sie eine Art gemalter Katalog verschiedener Tiere bzw. Vögel sind. Es handelt sich nicht um eine Wiedergabe einer wirklichen
Situation, bei der das tatsächliche Verhalten der Tiere dargestellt ist, sondern um
Sammelbilder, die Tiere aus unserer Umgebung aber auch aus fernen Ländern nebeneinander zeigen.
In der zweiten Unterrichtseinheit wird eine Werkbetrachtung zu Carl Spitzwegs
„Der Schmetterlingsfänger“ (ca. 1840) vorgeschlagen, die sich vornehmlich an die
Sekundarstufe II richtet.
Unterrichtseinheit 1
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Lernziele
• Auseinandersetzung mit der Aufgabe der Maler im 16. – 18. Jahrhundert, sowie mit
der Funktion ihrer Bilder zu dieser Zeit
• Bewusstwerden der Vielfalt von Naturformen
• differenziertes Wahrnehmen unterschiedlicher Tier- und Vogelformen
• Auseinandersetzung mit der Herkunft und Umgebung der Tiere
Praxisvorschlag
Es bietet sich an, die Bilder in der unten angegebenen Reihenfolge mit den Schülern zu
betrachten, da eine Entwicklung in Bezug auf die Umgebung und Handlung der Tiere
erkennbar ist. Die Arbeitsblätter gehören zum Bild „Konzert der Vögel“ von Franz de
Hamilton. Sie können sowohl zur Vorbereitung als auch zur nachträglichen Aufarbeitung
der Bildbetrachtung eingesetzt werden. Die praktische Arbeit sollte den Abschluss bilden,
da die Skizzen auf den Arbeitsblättern eine Hinführung zur Erstellung der Vögel sind.
Ludger tom Ring d. J.; 1522-1584
Tierbild mit Ginsterkatze, ca.1560
Öltempera auf Eichenholz, 37,5 x 58 cm
Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster
„Das seltsame Gemälde gehört zu den
frühesten Studienbildern mit Tiermotiven.
Vielleicht kann man es als gemalte
Wunderkammer bezeichnen. Die säuberliche Trennung der Tiere voneinander
bezeugt das wissenschaftliche Interesse,
das hinter diesem Gemälde stecken dürfte. Diese gemalte Tiersammlung enthält
mindestens zwei in Mitteleuropa nicht vorkommende Tiere, die Ginsterkatze rechts unten
und das Ichneumon links oben. Die Zusammenstellung von exotischen und heimischen
Tieren lässt die Vermutung aufkommen, dass es sich bei dem Bild um den Auftrag einer
Persönlichkeit handelt, die die Tiere aus ihrem Besitz festgehalten wissen wollte.“
(Objektbeschriftung)
9 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Arbeitsfragen zu „Tierbild mit Ginsterkatze“
Nach einer Phase stillen Betrachtens sollen die Schüler Gelegenheit haben, zunächst
ungeordnet alle Beobachtungen, Deutungen und Fragen zu äußern. Die Auswahl und
Reihenfolge der im Folgenden aufgeführten Aspekte sollte dann aus dieser Phase in einem
gelenkten Gespräch entwickelt werden:
• Benennen der gemalten Tiere
• Sind alle Tiere bekannt?
• Herkunft der Tiere
• Umgebung der Tiere: In welcher Umgebung leben die Tiere? – In welcher Umgebung
sind die Tiere gemalt?
• Begriffe: Sammelbild, Wunderkammer, gemalte Wunderkammer
• Warum malte man solche Bilder?
• Wer gab solche Bilder in Auftrag?
Franz de Hamilton, vor 1661 – nach 1695
Konzert der Vögel, nicht datiert
Öl auf Kupfer, 61,8 x 77,4 cm
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
„Auf engstem Raum in unbestimmter
mitteleuropäischer Landschaft sind
ungefähr 70 verschiedene Vögel versammelt. Alle sind frei, obwohl sie so in der
Natur nie zusammen leben würden.
Es handelt sich um eine Art gemalter
Katalog der bekannten Vogelarten.
Das Interesse an der Tierwelt war
geweckt. Bald sollten die Wissenschaftler Ordnung schaffen.“ (Objektbeschriftung)
„Neben dem wissenschaftlichen Interesse ist die Darstellung der Schönheit des Gefieders
mit der großen Vielfalt der Formen von großer Wichtigkeit. Diese Bilder wollen die Schönheit der Natur festhalten.“ (Katalog zur Ausstellung)
Arbeitsfragen zu „Konzert der Vögel“
Nach genauem Betrachten des Bildes kann die Gesprächsphase mit einer Meldekette
beginnen, bei der jeder Schüler einen ihm bekannten Vogel benennt, währenddessen
haben die anderen Schüler die Aufgabe, ihn zu finden.
• Die Anzahl der gemalten Vögel kann geschätzt oder gezählt werden.
• Spielerisch wird die Herkunft der Vögel mit den Schülern thematisiert. Hierbei suchen
sie die auf den Bildkarten abgedruckten Vögel (vgl. Arbeitsblatt 3) und ordnen sie nach
‚leben in Europa‘ oder ‚leben in einem fernen Land‘.
• In welche Umgebung hat der Maler die Vögel gemalt? Kennt der Maler die Umgebung
aller Vögel, die er gemalt hat? Ist es eine Darstellung einer realistischen Situation?
• Warum malte man solche Bilder?
• Bezug herstellen zum Gemälde von Ludger tom Ring: Was ist gleich, was ist anders?
10 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Jean-Baptiste Oudry, 1686-1755
Fische, Seevögel und Papageien, 1724
Öl auf Leinwand, 191 x 128 cm
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
„Oudry war der Tiermaler am Hofe König Ludwig XV.
von Frankreich. In dessen Menagerie konnte er viele
exotische Arten studieren. Hier mischt er Tiere aus der
Ferne mit solchen die er auf Reisen an die französische
Kanalküste sehen konnte. Er war Berichten zur Folge
mehrfach nach Dieppe gereist, um Fische zu malen.
Aus verschiedenen Studien entstand dann diese
Komposition.“ (Objektbeschriftung)
„Dass sich der Kormoran mit den Papageien um den
Fisch streitet, der noch nach Luft zu schnappen
scheint, verleiht der Szene eine gewisse Dramatik.
Wissenschaftlich akurate Beobachtung ordnet sich hier
noch der Dekoration unter. Im 18. Jahrhundert war es wichtig, von eingeführten exotischen
Tieren rasch Bildnisse anzufertigen, weil ihre Lebenserwartung wegen des vergleichsweise
harten Klimas und der falschen Ernährung gering war. Die Kunst half, die Erinnerung an
die Kreaturen und den Ruhm ihrer Eigentümer zu erhalten.“
(Katalog zur Ausstellung)
Arbeitsfragen zu „Fische, Seevögel und Papageien“
• Ist dieses Bild auch ein Sammelbild, eine gemalte Wunderkammer? Was unterscheidet
dieses Bild von den beiden bisher betrachteten?
• Ist es eine realistische Handlung der gemalten Tiere?
• Verhalten sich die Tiere so wie sie der Maler dargestellt hat?
• Leben die dargestellten Tiere in der selben Umgebung?
• Kennt der Maler die reale Umgebung aller auf dem Bild dargestellten Tiere?
Fächerübergreifende Möglichkeiten:
Sachunterricht:
• Bestimmung und Benennung der Tiere nach bestimmten Merkmalen
• Auseinandersetzung mit der Umgebung und Herkunft der Tiere
• Auseinandersetzung mit dem Verhalten der Tiere
Sprache:
• Beschreiben und Benennen der Tiere mit ihren Merkmalen
Mathematik:
• Schätzen und zählen der Vögel
• Ordnen und sortieren der Vögel in einer Tabelle nach ‚leben in Europa‘ und ‚leben
in einem fernen Land‘
11 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Vorschläge zur künstlerisch-praktischen Arbeit
Gestalten eines Vogels als Objektplastik
Lernziele
• Erfahrungen sammeln im dreidimensionalen Gestalten
• Erproben unterschiedlicher Papierarten
• Kombinieren mit anderen Materialien
• dekoratives Gestalten
Material
Pappkern einer Küchenrolle, Drahtkleiderbügel aus einer Reinigung und Tesakreppband
für das Grundgerüst
farbiges Kreppapier, Transparentpapier und Seidenpapier, Geschenk-, Glanz- und
Tonpapier, diverse Materialien wie Pfeifenputzer, Geschenkbänder, Metallstreifen,
Lametta, Tortenspitzen, Schleifen, Bänder, und Perlen für die Ausgestaltung
Klebestift, Schere
Ausführung
Grundgerüst
• Pappkern der Küchenrolle auf 16 cm kürzen
• Papprolle an beiden Enden zweimal einschneiden (ca. 1,5 cm lang, ca. 3 cm voneinander
entfernt). Die Einschnitte sollten sich gegenüberliegen
• Kleiderbügel auseinanderziehen. Jeweils die Mitte der Längsseite des Kleiderbügels
an beiden Seiten in die Einschnitte der Papprolle klemmen
• Haken des Kleiderbügels nach unten biegen, so dass er den Kopf des Vogels bildet
• Papprolle an beiden Seiten zusammendrücken und anschneiden (Stromlinienform
des Körpers)
• Haken mit Tesakreppband umwickeln, so dass der Kopf ausgefüllt ist. Hals und Anfang
des Körpers mit Tesakreppband umwickeln, damit das Gerüst stabiler wird.
12 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Ausgestaltung
• Vogelkopf mit weichem Seidenpapier bekleben, dabei den Kopf rund modellieren.
• Schnabel aus Tonkarton schneiden und ankleben
• Kopfschmuckgestaltung mit Federn, Pfeifenputzern oder ähnlichem Material
• für das Federkleid ca. 5 cm kunterbunte Kreppapierbänder wie Kammzinken
einschneiden und ringförmig vom hinteren Körperende beginnend bis zum Hals auf
die Papprolle kleben
• freie Gestaltung der Flügel und Schwanzfedern mit den vorhandenen Materialien.
Voraussetzungen für die künstlerisch-praktische Arbeit
• grundlegende feinmotorische Fähigkeiten bei der Arbeit mit unterschiedlichen Materialien
• Fähigkeit, sich auf experimentelle künstlerische Prozesse einzulassen.
13 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Arbeitsblatt 1
Franz de Hamilton, vor 1661 – nach 1695
Konzert der Vögel, nicht datiert
Öl auf Kupfer, 61,8 x 77,4 cm
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Aufgabe 1
Welche Vögel kennst du? Schreibe auf.
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
14 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Arbeitsblatt 2
Aufgabe 2
Schau dir die Landschaft, in die der Maler die Vögel gemalt hat, genau an.
Wo könnte es sein? Kreuze an.
in Europa
in einem fernen Land
Aufgabe 3
Suche die abgebildeten Vögel. Welcher Vogel passt nicht in die auf dem Bild gemalte
Umgebung? Kreuze an.
Schwan
Dunkelroter Ara
Storch
Blaumeise
Aufgabe 4
Das Bild zeigt eine Mischung von Vögeln, die in Europa leben und exotischen Vögeln,
die in fernen Ländern leben. Warum hat der Maler alle Vögel in diese Umgebung
gemalt?
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
15 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Arbeitsblatt 3
Aufgabe 5
Findest du die unten abgedruckten Vögel auf dem Bild? Welche Vögel leben in Europa
und welche Vögel leben in einem fernen Land? Schneide die Bildkarten aus und klebe
sie in die Tabelle ein.
Vögel aus Europa
16 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
Vögel aus fernen Ländern
F E R N E W E LT E N
Arbeitsblatt 4
Aufgabe 6
Suche dir einen Vogel aus, den du besonders schön findest und zeichne ihn mit einem
Bleistift ab. Lebt er in Europa oder in einem fernen Land? Male seine Umgebung.
Aufgabe 7
Viele Vögel kennzeichnen sich durch eine Besonderheit, z.B. an den Flügeln, am Kopf
oder am Schwanz. Zeichne einen Ausschnitt eines Vogels mit einer Besonderheit.
17 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Unterrichtseinheit 2
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Carl Spitzweg
Der Schmetterlingsfänger, ca.1840
Öl auf Holz, 31 x 25 cm
Museum Wiesbaden
Spitzweg hat als junger Mann u.a. Botanik und
Zoologie studiert und während dieser Zeit
Mineralien- und Pflanzensammlungen angelegt.
Neben seinen naturwissenschaftlichen Interessen war er auch ein großer Theater- und
Opernfan. Diese Faktoren scheinen in diesem
Bild eine Rolle zu spielen, denn Spitzweg schafft
eine Szene und Raumsituation, die an eine
Bühne erinnert.
Arbeitsfragen zu „Der Schmetterlingsfänger“
• Wie charakterisiert er den ‚Hauptdarsteller‘, d.h. den Schmetterlingsfänger? Beschreibt
die Mimik und Gestik des Mannes und versucht, seinen Gesichtsausdruck und seine
Körperhaltung zu imitieren. Untersucht ferner seine Kleidung und Attribute und überlegt, welche Bedeutung die Brille und der rote Schirm haben könnten, der auch in einem
weiteren Bild über einen Schmetterlingsfänger von 1836/37 auftaucht.
• Untersucht anhand der Pflanzen und Bäume, in welcher Gegend die Szene spielt!
• Vor dem Hintergrund seiner Theatererfahrung hat Spitzweg die Raum-, Farb- und Lichtsituation eindrucksvoll komponiert. Mit welchen Mitteln schafft er Raumillusion im Bild?
Nennt mindestens fünf Faktoren, die zu der starken Raumwirkung und dem Eindruck
verschiedener Raumzonen beitragen!
• Was befindet sich im Vorder-, Mittel- und Hintergrund? Aus welcher Perspektive und Entfernung sieht der Betrachter die Schmetterlinge und welche Wirkung entsteht dadurch?
• Worauf hat Spitzweg bei der Darstellung der Schmetterlinge besonderen Wert gelegt?
• Spitzweg setzt die Farbe, vor allem aber das Licht als dramaturgische Elemente ein, um
die ‚Hauptdarsteller‘ in Szene zu setzen. Untersucht, ob es sich um ein künstliches
Beleuchtungslicht handelt oder ob die Situation im Waldesinneren von den Lichtverhältnissen her realistisch genannt werden kann?
• Welche Bedeutung haben die reinbunten Farben Blau und Rot im sonst eher tonigen Bild?
• Spitzweg charakterisiert menschliche Verhaltensweisen: Betont er das Tragisch-Komische,
Skurrile, Absurde, Witzige oder ist er heiter-ironisch?
• Spitzwegs Bild weist fotografische Darstellungsmerkmale auf. Es wurde jedoch schon
etwa 1840 gemalt, als die Fotografie noch in den Kinderschuhen steckte. Gibt es für
dieses Phänomen eine Erklärung?
18 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Vorschlag zur künstlerisch-praktischen Arbeit
Fertigt eine Skizze an, welche die Position und Größe der Schmetterlinge, den Standort
und die Größe des Schmetterlingsjägers und die des Netzes wiedergibt.
Entwickelt die Entdeckungsgeschichte in Form eines Comics oder einer kurzen Filmsequenz weiter: Wie könnte die vergebliche Jagd nach den beiden Riesenschmetterlingen
mit dem zu kleinen Netz aussehen?
Fertigt ein Daumenkino an, welches die flatternden und langsam entschwindenden
Schmetterlinge zeigt!
19 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
F E R N E W E LT E N
Kapitel 2
Auf Entdeckungsreise - Unter der Lupe
Didaktische und fachliche Hintergrundinformationen
Der Forscherdrang des beobachtenden Menschen ist bei Heranwachsenden und Jugendlichen besonders stark. Zudem besitzen Kinder und Jugendliche meist noch eine starke
emotionale Affinität zu Tieren.
In dieser ‚Entdeckungsreise‘ der Ausstellung können sie sich anhand von Demonstrationsobjekten aus illustrierten Büchern, Modellen und Kunstwerken einen Eindruck über Dinge
aus der Tierwelt verschaffen, die man mit bloßem Auge oder im Alltag nicht zu sehen
bekommt: Der Magen eines Löwen, das Innere eines Frosches, das Auge eines Flohs, der
Schädel eines Nilpferdes, ein doppelköpfiges Kalb und ein Frosch mit Kaninchenohren
sind Beispiele hierfür. Diese Objekte laden zum Gruseln ein, beflügeln die Fantasie und
motivieren zu eigener Gestaltung. Damals dienten diese Ausstellungsstücke einer Argumentation, die die Bedeutung der Wissenschaften vorantrieb. Die Wirkung der Bilder in
der damaligen Zeit kann nicht überschätzt werden, denn sie untergruben die Anschauung
vom Menschen als Krone der Schöpfung. Je mehr man nach Unterschieden zwischen
Mensch und Tier suchte, um so deutlicher wurde, wie ähnlich der Mensch dem Tier ist.
Die folgenden Unterrichtseinheiten thematisieren die Nutzbarmachung des Tieres als
Projektionsfläche für Fantasien, Forscherdrang und Abenteuerlust. Das Fremde, Unbekannte, bislang Ungedachte wird variabel und experimentell als gestaltbar erfahren.
Für höhere Jahrgangsstufen wird dieses zugleich unter der aktuellen gesellschaftlichen
und kulturellen Folie der Gentechnik zur Diskussion gestellt.
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Die hohe Motivationsleistung der Bilder und Objekte und die Objektbeschriftungen für
Kinder bieten ein Vorgehen an, dass zunächst eine Erschließung durch die eigene genaue
Betrachtung der Kinder sinnvoll macht. Da die Objekte und Bilder teilweise sehr klein sind
und in Vitrinen präsentiert werden, ist es sinnvoll, die Klasse in kleinere Gruppen
einzuteilen, Zuständigkeiten aufzuteilen und sie als Reporter loszuschicken. Man macht
eine Uhrzeit aus (5-10 Min.), wann sich alle Reporter wieder versammeln, um zu
berichten, was sie im Ausstellungsbereich „Unter der Lupe“ gesehen und erfahren haben.
Gemeinsam betrachtet man die durch die Reporter dargestellten Werke, wenn die Werke
dies zulassen. Ansonsten gibt man nach der Präsentation noch einmal ausreichend Zeit,
damit alle SchülerInnen, die von ihnen noch nicht betrachteten Werke ansehen können.
Zum Abschluss betrachtet man das Werk noch einmal, zu dem die praktische Arbeit
geplant ist.
20 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
UNTER DER LUPE
Jean Carriès, 1855-1894,
Frosch mit Kaninchenohren, 1891
Steingut, 34,4 x 26,8 x 41 cm
Petit Palais – Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris
„Ein Frosch mit Kaninchenohren, das
gibt es nicht. Obwohl es eigentlich eine
gute Idee wäre. So ein Tier könnte gut
schwimmen und gut hören. Aber der
Künstler hat es sich bloß ausgedacht.
Hier in der Nähe kannst du selber ein
paar Tierarten miteinander kombinieren.“
(Objektbeschriftung für Kinder)
„Jean Carriès war sicher einer der originellsten Künstler des 19. Jahrhunderts. So bizarr die
Kombination von Frosch und Kaninchen sein mag, so exakt ist seine Beobachtung der
Details. Man kann vermuten, dass ihn die neue Evolutionslehre zu dieser Schöpfung inspiriert hat. Wenn es stimmte, dass die natürliche Zuchtwahl die Ursache für den Wandel war,
dann hätte ein Frosch mit Kaninchenohren vielleicht höhere Überlebenschancen...“
(Objektbeschriftung)
Köpfe eines zweiköpfigen Kalbes, 1841
Aquarelle und Gouachen, 55 x 52,7 cm
Musée Fragonard, Ecole Nationale Vétérinaire d’Alfort,
Maisons-Alfort
„Das Interesse an Abnormitäten war
schon immer sehr groß. Zweiköpfige
Kälber, bizarr geformte Geweihe und
doppelschwänzige Füchse wurden seit
Jahrhunderten entweder als Scherze
Gottes oder Zeichen seines Zornes angesehen. Erst der Naturforscher Etienne
Geoffroy St. Hilaire (1772-1844) begann
mit einer wissenschaftlichen Erforschung
dieser Abweichungen. Er nannte das neue
Fach Taratologie, die Lehre von den
Monstern.“ (Saaltext)
Von Evolution oder gar Genetik war in diesem Zusammenhang noch keine Rede. Der
Begriff ‚Mutation‘ wurde erst um 1900 von dem niederländischen Botaniker Hugo de
Vries eingeführt.
21 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
UNTER DER LUPE
Fächerübergreifende Möglichkeiten
Biologie (Sachkunde)
Ethik
Praktische Philosophie
Deutsch
Vorschlag zur künstlerisch-praktischen Arbeit
Die SchülerInnen erstellen Collagen mit dem Ziel, eine möglichst bizarre neue Tierart zu
erfinden. Sie schreiben einen Lexikonartikel über ihre Erfindung (Arbeitsblatt 5). Hierfür
kann es sinnvoll sein, zuvor die semantische und syntaktische Struktur solcher Kurzbeiträge in Lexika näher zu untersuchen und in der Klasse zu besprechen.
Bei einheitlichen Format- und Layoutvorgaben (z.B. DIN A2 oder DIN A3, Querformat,
Abbildung rechts, Textblock links, Rahmung, Satzspiegel) lassen sich die Seiten anschließend zu einem Lexikon der fantastischen Tiere oder zu einem großformatigen Atlas
zusammenfügen.(vgl. S. Schmidt: Wissenschaftliche Sensation. „Neue“ Tierart entdeckt,
In: Kunst+Unterricht Heft 238, Dezember 1999, S.19f.)
Alternativ oder ergänzend kann ein Klassengedicht, inspiriert durch Christian Morgensterns Gedicht „Neue Bildungen der Natur vorgeschlagen“, geschrieben werden (Arbeitsblatt 6).
Material
PA-Schnippelbuch Nr.1, S. 108-160, in: Grüneisl, Gerd; Klein, Fridhelm; Mayrhofer, Hans;
Popp, Michael; Zacharias; Wolfgang (Hrsg.): Bildarchiv – Materialien (Nürnberg 1981),
oder fotografische Abbildungen von Tieren aus Zeitschriften, Kalendern etc., Zeichenblock, Schere, Kleber.
Voraussetzungen für die künstlerisch-praktische Arbeit:
Diese Aufgabe setzt grundlegende manuelle und feinmotorische Fähigkeiten für die Collagetechnik voraus. Die Möglichkeit spielerischen Collagierens wird durch diesen Anspruch
weniger eingeschränkt als vielmehr angeregt, da sich nicht alles willkürlich kombinieren
lässt. Deswegen muss deutlich gemacht werden, dass man nicht von einem ‚traditionellen‘
Körperbau ausgehen sollte, sondern die Ideenfindung, ausgehend vom Material, erst
einmal dem assoziativen Spiel überlassen werden kann. Das Finden möglichst glaubhafter
Übergänge im Anschluss fordert und schult das Farb- und Formempfinden.
22 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
UNTER DER LUPE
Alternative
„Unfall im Genlabor – Tierversuch misslungen“
Einbeziehung der Deutungsperspektive der Gentechnik
Didaktische und fachliche Hintergrundinformationen
Für ältere SchülerInnen und einen fächerübergreifenden Unterricht bietet dieses Thema
die Möglichkeit, das Prinzip der Collage in die Plastik zu übertragen und das aktuelle und
kontrovers diskutierte Thema der Genmanipulationen aufzugreifen. (Vgl. hierzu den
Unterrichtsvorschlag: „Hybride Geschöpfe oder Unfall im Genlabor“ in: J. Walch: Kunst
unterrichten: TierArt, S. 72-75)
Das Thema Gentechnologie und Fragen gentechnologischer Manipulationen zur gezielten
Veränderung der Erbanlagen von Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren und menschlicher
Erbanlagen führen immer wieder zu kontroversen Diskussionen, in denen Risiken und
Nutzen dieser Technologie gegenübergestellt werden: „Die Gentechnologie ist ein Teilgebiet der Biotechnologie und ein auf den Kenntnissen der Molekularbiologie aufbauendes
Verfahren zur Anwendung gezielter Eingriffe in das Erbgut und/oder in die biochemischen
Steuerungsvorgänge von Mikroorganismen.“
Unterschieden werden dabei: Graue bzw. weiße Gentechnik: Eingriffe in die Steuerungsvorgänge von Mikroorganismen, z.B. im Bereich des Umweltschutzes. Grüne Gentechnik:
Eingriffe in das Erbgut von Pflanzenzellen, in der Landwirtschaft eingesetzte Gentechnik.
Rote bzw. gelbe Gentechnik: In der Medizin eingesetzte Gentechnik, Eingriffe in das
menschliche Erbgut. „Insbesondere erforscht die Gentechnologie die Methoden zur
Isolierung von Genen und zur Herstellung neu kombinierter DNA, vor allem auch über die
Art-Grenzen hinweg. Dies ist möglich, weil alle Lebewesen den gleichen genetischen Code
verwenden. Als Ziele gentechnologischer Anwendungen werden die Verbesserung des
Saatguts oder die einfachere Herstellung von Medikamenten genannt.“
Die kontroverse Diskussion über die Gentechnologie bezieht sich vor allem auf Risiken
und ethische Aspekte. Die möglichen Auswirkungen der Gentechnologie sind nur
schwierig abschätzbar. Kritiker sehen die Freiheit der Forschung in Gefahr, weil wissenschaftliche Erkenntnisse und Entwicklungen durch Patente zum Eigentum einzelner
Firmen werden könnten: „Gentechnologie gilt als eine der Wirtschaftsbranchen der
Zukunft. Es erhebt sich die Frage, inwiefern hier finanzieller Profit dazu verleiten mag,
Risiken einzugehen oder diese zu verharmlosen.“ (alle Zitate nach http://de.wikipedia.
org/wiki/Gentechnik)
Religiöse Gruppierungen und Kirchen sehen in der Gentechnologie mit ihren Möglichkeiten der Manipulation des Erbmaterials einen Eingriff in die Schöpfung Gottes. Umweltverbände verweisen insbesondere auf das Risiko der Freisetzung gentechnisch veränderter
Organismen. („Hybride Geschöpfe oder Unfall im Genlabor“ in: J. Walch: Kunst unterrichten: TierArt, S. 72f )
23 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
UNTER DER LUPE
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Internetrecherche: Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Gentechnik finden sich zu dem
Suchbegriff ‚Gentechnologie‘ zahlreiche kurzgefasste, sehr verständliche Artikel zu
Genomik, Genetik, Biotechnologie, Klonen u.a. Als Impuls wird im Anschluss an den
Museumsbesuch und die Internetrecherche als Einstieg in die nächste Unterrichtsstunde
die Schlagzeile: „Unfall im Genlabor – Tierversuch misslungen“ an die Tafel geschrieben
(s. Walch, a.a.O.). Hierzu äußern die SchülerInnen direkte Assoziationen und stellen
einen Bezug zu der Ausstellung her. Die Gentechnologie sollte geschichtlich eingeordnet
(„Dolly“, das erste geklonte Schaf, erblickte 1996 das Licht der Welt.) und Pro/KontraArgumente diskutiert werden. Der Lehrer moderiert das Gespräch.
Vorschlag zur künstlerisch-praktischen Arbeit in der Schule
Die SchülerInnen gestalten eine Plastik/Montage eines genmanipulierten Wesens, das aus
zwei oder mehreren Teilen unterschiedlicher Tiere besteht (ausgehend von Jean Carriès
Frosch mit Kaninchenohren und dem zweiköpfigen Kalb) parallel zur kritischen Auseinandersetzung mit Aspekten gentechnologischer Manipulationen (Arbeitsblatt 7). Im Anschluss
an die praktische Arbeit kann eine Ausstellung der Plastiken die Diskussion innerhalb der
Schule anregen und fortsetzen. Hierbei kann folgende Fragestellung die Diskussion leiten:
Welchen Beitrag können Künstler (wie Thomas Grünfeld) heute zur allgemeinen Diskussion
über Gentechnik leisten?
Material
Hasendraht, Gips, alte Zeitungen, Kleister, Pinsel, Temperafarbe, evtl. Stofftiere, Fundstücke
Voraussetzungen für die künstlerisch-praktische Arbeit
Entsprechend der höheren Anforderung an die SchülerInnen, über gesellschaftliche Fragestellungen (Gentechnik) zu diskutieren, liegt hier die Voraussetzung in einer fortgeschrittenen manuellen Fähigkeit im Bereich plastischen Gestaltens.
Weitere Alternativen
Interessant in Anlehnung an verschiedene Ausstellungsobjekte wie etwa dem Nilpferdschädel aus dem 19. Jahrhundert oder Eugène Petitcolins Modell der Leber eines Löwen,
ca. 1883-1910 ist auch der Beitrag „Animals become meat. That’s abstract“ zu dem Künstler
Damian Hirst im Heft: Kunst+Unterricht 239 mit künstlerisch-praktischen
Anregungen für die Oberstufe. Es werden folgende Themen vorgeschlagen:
• „Fisch und Fleisch in Kunstharz“ oder Spiritus (Herstellungsverfahren)
• „Fleisch durch das Mikroskop gesehen“ Malerei mit Tempera auf Papier oder Zeichenkarton
• „Stille Post“ Zeichnen eines Kuhschädels im Verfahren des mehrfachen Abzeichnens
24 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
UNTER DER LUPE
Arbeitsblatt 5
Wissenschaftliche
Sensation:
Neue „Tierart“ entdeckt!
Der Langohrkaninchenfrosch
Er kann gut schwimmen und gut hören. Sein gutes Gehör dient ihm bei der Jagd.
Er ernährt sich von Schuhfliegen, die leise übers Wasser laufen. Derzeitiges
Verbreitungsgebiet ist Köln. Er wurde aber auch schon in Paris, Amsterdam und in
Pittsburgh gesichtet. Wie viele Exemplare es von diesem seltenen Tier noch gibt,
ist bisher nicht bekannt.
Aufgabe 1
Erfinde selber eine neue Tierart.
Du brauchst dazu
Abbildungen von vielen verschiedenen Tieren, Zeichenblock, Schere, Kleber, eventuell
Buntstifte.
Arbeitsschritte
• Schneide zunächst einige interessante Tiere bzw. Körperteile aus (Wichtig: erst ganz
am Ende alles aufkleben).
• Beginne mit einem größeren Körperteil und lege es an mögliche andere. Verschiebe
und probiere eine Zeit lang mehrere Kombinationen aus.
• Wenn du das Gefühl hast, eine sinnreiche und interessante Kombination gefunden
zu haben, überprüfe: Müssen vielleicht noch fließendere Übergänge zwischen den
einzelnen Elementen hergestellt werden? Dann schneide die Elemente ein und
schiebe sie ineinander. Achte dabei auf Farben und Formen.
• Anschließend gibst du dem Tier einen Namen und schreibst einen Lexikonartikel, der
Aufschluss über Lebensgewohnheiten, Verbreitung und Ernährungsverhalten gibt,
eventuell unterstützt durch (gezeichnete) Landkarten und Details wie Fußspuren usw.
25 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
UNTER DER LUPE
Arbeitsblatt 6
Aufgabe 2
Schreibt ein Klassengedicht. Reiht hierzu alle neuen Tierarten, die bei euren
Erfindungen entstanden sind, aneinander.
Christian Morgenstern (1871-1914)
Klassengedicht
Neue Bildungen der Natur
Vorgeschlagen
_____________________________________________
Der Ochsenspatz
_____________________________________________
Die Kamelente
_____________________________________________
Der Regenlöwe
_____________________________________________
Die Turtelunke
_____________________________________________
Die Schoßeule
_____________________________________________
Der Walfischvogel
_____________________________________________
Die Quallenwanze
_____________________________________________
Der Gürtelstier
_____________________________________________
Der Pfauenochse
_____________________________________________
Der Werfuchs
_____________________________________________
Die Tagtigall
_____________________________________________
Der Sägeschwan
_____________________________________________
Der Süßwassermops
_____________________________________________
Der Weinpinscher
_____________________________________________
Das Sturmspiel
_____________________________________________
Der Eulenwurm
_____________________________________________
Der Giraffenigel
_____________________________________________
Das Rhinozepony
_____________________________________________
Die Gänseschmalzblume
_____________________________________________
Der Menschenbrotbaum
_____________________________________________
26 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
UNTER DER LUPE
Arbeitsblatt 7
Unfall im Genlabor - Tierversuch misslungen
Wie verändert sich die Wahrnehmung der Objekte durch den Aspekt der Gentechnik?
Wie könnte man das Werk von Jean Carriès heute deuten?
Aufgabe 3
Recherchiere, ob es heute KünstlerInnen gibt, die diese Thematik in ihrem Werk
aufgreifen.
Aufgabe 4
Gestalte ein genmanipuliertes Tier, das aus zwei oder mehreren Teilen unterschiedlicher
Tiere besteht.
• Du brauchst dazu: Hasendraht, Gipsbinden, alte Zeitungen, Kleister, Pinsel, Temperafarbe, evtl. Stofftiere, Fundstücke
• Gestalte eine Plastik aus einem Drahtgerüst und Pappmaché.
• Du kannst auch Stofftiere oder Fundstücke montieren und mit Gipsbinden oder
Pappmaché kaschieren. Wichtig ist, dass eine gleichmäßige Oberfläche entsteht, die
anschließend bemalt werden kann.
• Bemale die Plastik, wenn Gips oder Pappmaché getrocknet sind.
27 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
UNTER DER LUPE
Kapitel 3
Auf Entdeckungsreise - In den Tiefen der Vorzeit
Didaktische und fachliche Hintergrundinformationen
Fossilien
„Der Begriff Fossilien leitet sich von dem lateinischen Wortstamm fossilis, fodere = ausgegraben, ab. Er taucht erstmals im 16. Jahrhundert auf, benannt durch den sächsischen
Naturforscher Agricola. Agricola nutzte ihn zur Bezeichnung von seltsam aussehenden
Gegenständen, wie zum Beispiel Mineralkristalle, Steine oder Überreste von Lebewesen,
die man in der Erde fand. Zu dieser Zeit gab es noch keine schlüssige Erklärung, wie die
seltsam aussehenden Gegenstände entstanden sein könnten (...) Fossilien sind versteinerte Überreste von erhalten gebliebenen Lebewesen (Tiere und Pflanzen) oder Teile von
ihnen aus vergangenen Eiszeitaltern. Anhand von Fossilien kann man verwandtschaftliche
Beziehungen zwischen Organismen oder die Stammesentwicklung der Pflanzen und Tiere
beweisen (...) Wenn ein Lebewesen stirbt, setzen normalerweise Fäulnis-, Verwesungs- und
Gärungsprozesse ein oder ein Organismus wird einfach von einem anderen aufgefressen.
Es sei denn der Organismus wird in Harz, Eis, feinem Sand oder Schlamm eingebettet
oder gelangt in gerbstoffhaltiges Wasser, indem die vollständige Zersetzung verhindert
wird, so dass der gesamte Organismus oder Teile von ihm erhalten bleiben. Wenn das
geschieht, spricht man von Fossilien.“(J. Walch: Kunst unterrichten: TierArt, S. 34f.)
Lügensteine
„Merkwürdige Relikte der Wissenschaftsgeschichte sind Fälschungen von Fossilien,
sogenannte Lügensteine, die 1726 dem Würzburger Professor Johannes Bartholomäus
Adam Beringer untergeschoben wurden; sie verkörpern Triumph und Tragik eines
Wissenschaftlers.“
Um Prof. Beringer zu schaden, ließen missgünstige Professorenkollegen und intrigante
Studenten im Jahre 1725 künstliche Versteinerungen aus Muschelkalk anfertigen. Diese
stellten meist fiktive, aber wirklichkeitsnahe Pflanzen und Tiere dar. Doch auch ungewöhnliche Objekte wie Sonnen, Sterne, Kometen und sich begattende Frösche wurden
angefertigt, und zusammen mit den anderen Falsifikaten in der näheren Umgebung von
Würzburg vergraben. Im nächsten Schritt wurden von zwei jungen Burschen, die diese
Versteinerungen „zu entdecken hatten“, Beringer die Falsifikate zugetragen. Prof. Beringer
war von den „Neufunden“ kritiklos begeistert.“
(www.angewandte-geologie.geol.uni-erlangen.de/luegenst.htm)
„(...) Beringer publizierte seine Funde 1726 (...). Was dann passierte, darüber wird
gestritten. Die gängige Theorie besagt, dass der Schwindel nach der Publikation aufflog
und den Ruf des Professors ruinierte. Sein Versuch die komplette Auflage wieder zurück
zu kaufen und zu vernichten, scheiterte. Andere vermuten, dass Beringer bei der Publikation schon von dem Schwindel gewusst und dass er sich keineswegs der Lächerlichkeit
preisgegeben habe. Wie dem auch sei, interessant ist die Geschichte als Zeugnis der
Begeisterung für Fossilien und der Neugier, die sie auslösten. (...)
28 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I N DE N TI E FE N DE R VORZE IT
Mangelnde Seherfahrung und der Wunsch nach bestimmten Entdeckungen ließ Scheuklappen entstehen, von denen es auch heute, Jahrhunderte später, noch genügend
Beispiele gibt.“ (Katalogtext)
Der Iguanodon
„Nachdem etwa 65 Millionen Jahre lang niemand etwas von der Existenz der Dinosaurier
ahnte, untersuchte im Jahre 1822 der Arzt Gideon Mantell ein paar versteinerte Knochen,
die seine Frau an der südenglischen Küste gefunden hatte. Durch Vergleich mit den
Knochen lebender Tierarten kam er darauf, dass einst ein gigantisches Reptil in der Grafschaft Sussex gelebt haben musste. Mantell nannte das Tier Iguanodon, eine griechische
Wortschöpfung, die „Leguanzahn“ bedeutet. Im Laufe der nächsten Jahre wurden weitere
Fossilien entdeckt, die offensichtlich zu Riesenechsen gehörten, so dass der Paläontologe
Richard Owen 1841 den Namen „Dinosaurier“ („schreckliche Echsen“) prägte, um eine
Gruppe ausgestorbener Reptilien zu benennen. Das Aussehen dieser Lebewesen wurde in
phantasievollen Zeichnungen rekonstruiert, und 1854 wurden zur Eröffnung des Londoner
Crystal Palace Park lebensgroße Dinosaurier-Skulpturen des Bildhauers Benjamin
Waterhouse Hawkins aufgestellt.“ (www.epilog.de/Lexikon/D/Dinomanie.htm)
Benjamin Waterhouse Hawkins
„Benjamin Waterhouse Hawkins, Naturforscher, geb. 8. Febr. 1807 zu London, widmete
sich unter Behnes der Bildhauerkunst, seit 1827 aber den Naturwissenschaften und seit
1852 speziell der Geologie. 1842-1847 lebte er, mit dem Studium der Tierwelt beschäftigt,
in Knowsley und publizierte „Gleanings from the menagerie at Knowsley“ (1850).
Er erlangte dabei jene außerordentliche Meisterschaft im Skizzieren der tierischen Form,
welche seine Vorlesungen über die Geologie und Zoologie, die er an verschiedenen Orten
in England und Schottland hielt, so beliebt machte. 1852 erhielt er von der Kristallpalastgesellschaft den Auftrag, die gigantischen ausgestorbenen Tiere in ihrer äußeren Form
nachzubilden, und in drei Jahren stellte er über 30 derartige Rekonstruktionen her,
manche in kolossalen Verhältnissen. Einen ähnlichen Auftrag nahm er nach seiner Übersiedelung nach New York 1868 für den dortigen Zentralpark an.“ (http://susi.e-technik.
uni-ulm.de:8080/Meyers2/seite/werk/meyers/band/8/seite/0245/meyers_b8_s0245.html)
Der Knochenkrieg
„Um das Jahr 1870 begann zwischen den verfeindeten Paläontologen Edward Drinker
Cope und Othniel Charles Marsh in Nordamerika ein Wettlauf um die Entdeckung neuer
Dinosaurier. Dieser Knochenkrieg („bone war“) wurde sogar unter Einsatz von Waffengewalt ausgetragen. Diese und andere Ausgrabungen um die letzte Jahrhundertwende legten
den Grundstock für viele große Naturkundemuseen wie die in New York, London oder
Berlin.
Bis heute wurden verschiedenste Theorien über das Aussterben der Dinosaurier entwickelt,
nach denen sie sich nicht an veränderte klimatische oder ökologische Bedingungen
anpassen konnten und allmählich verdrängt wurden, während die zur Zeit populärste
These vom Einschlag eines riesigen Meteoriten ausgeht, der das Sauriergeschlecht
mit einem Donnerschlag hinwegraffte.“ (www.epilog.de/Lexikon/D/Dinomanie.htm)
In der damaligen Zeit hatten die Funde eine zutiefst verstörende Wirkung auf die
Menschen. Der Glaube an den biblischen Mythos der Arche Noah, demzufolge die Tiere
vor dem Zorn Gottes verschont geblieben waren, geriet in eine ernsthafte Krise.
29 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I N DE N TI E FE N DE R VORZE IT
Dino-Fieber
In Michael Crichtons Roman DinoPark überlegt der Paläontologe Dr. Grant, warum ausgerechnet Kinder so sehr von Dinosauriern fasziniert sind:
„Schon oft hatte Grant im Museum Gruppen von Kindern beobachtet, die mit offenem
Mund vor den riesigen Skeletten standen. Er fragte sich, was diese Faszination eigentlich
ausmachte, und kam zu dem Schluss, dass Kinder Dinosaurier mochten, weil diese gigantischen Wesen die unkontrollierbare Macht einer allgegenwärtigen Autorität repräsentierten. Sie waren symbolische Eltern. Faszinierend und furchterregend wie Eltern. Und
die Kinder liebten sie, wie sie ihre Eltern liebten. [...] Es erstaunte ihn immer wieder, wenn
ein Dreijähriger kreischte: ‚Stegosaurier!‘ Das Aussprechen dieser komplizierten Namen
war eine Möglichkeit, Macht über diese Giganten auszuüben, Kontrolle über sie zu
haben.“ (M. Crichton, DinoPark, München 1998, S. 153)
Brigitte Zander bemerkte zu diesem Thema in ihrem Artikel „Dinos vertreiben Hexen und
Vampire“ in der Zeitschrift stern:
„Die Ursache des Dino-Fiebers, das schon im Kindergarten auftritt, erklären sich Pädagogen
und Psychologen mit der kindlichen Neugier auf alles Geheimnisvolle und Rätselhafte.
Dass die Art vor Jahrmillionen ausgestorben ist, erhöht den Reiz. Man kann sie nicht
einmal im Zoo sehen, es sei denn als lebensgroße Imitationen in Hagenbecks Tierpark
in Hamburg.“ (stern, 46/1990, S. 292-295, hier: S. 294)
Bis in die heutige Zeit visualisieren Künstler und Wissenschaftler die Entdeckung der
Funde und Erkenntnisse durch Fossilien und beeinflussen unser Bild vom Tier.
„Der wissenschaftliche Fortschritt korrigiert permanent die bis jetzt für gültig gehaltenen
Illustrationen. Wie der Paläontologe John de Vos den Autoren erklärte, hat selbst die
Darstellung des Tyrannosaurus Rex zwischen den Filmen „Jurassic Park II“ und „Jurassic
Park III“ eine Evolution erfahren. Forscher hatten zwischen den Filmfolgen herausgefunden,
dass die Riesenechse viel langsamer war als zuvor angenommen. Der Fehler eines das
Auto der Helden einholenden Dinos wurde in der Folge korrigiert.“(Katalogtext)
In dieser Unterrichtseinheit zur Ausstellung kann besonders die Tatsache anschaulich
werden, dass unser Bild von Dinosauriern und anderen Tieren dem geschichtlichen und
kulturellen Wandel unterliegt und unser Wissen darüber auch heute noch ständig korrigiert
und erweitert wird.
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Als Einstieg bietet sich ein Gespräch über die Kenntnisse der SchülerInnen zum Thema
Dinosaurier und Fossilien an. Der Zusammenhang zwischen Fossilien und Dinosauriern
kann hierbei entwickelt und erläutert werden. Aufgrund der Begeisterung vieler Kinder und
Jugendlicher für das Thema kann davon ausgegangen werden, dass passives SchülerInnenwissen aktiviert wird, das hierzu bereits vorhanden ist.
30 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I N DE N TI E FE N DE R VORZE IT
Benjamin Waterhouse Hawkins, 1807–1889
Iguanodon, 1852
Bronze, 32 x 45 x 17 cm
Natural History Museum, London
Der Iguanodon von Benjamin Waterhouse
Hawkins ist eine Bronzeplastik (anfassen
erlaubt), die uns veranschaulicht, wie
man sich früher einen Dinosaurier
vorstellte. Heute ist unsere Vorstellung
eines Dinos eine andere, zumal sich der
Künstler geirrt hatte: Das kleine Nashorn
befand sich nicht auf der Nase, so wie er
es uns präsentiert, sondern war eigentlich
eine Kralle des Fußes.
Arbeitsfragen zu „Iguanodon“
• Der Iguanodon von Benjamin Waterhouse Hawkins von 1854, als erstes Modell eines
Dinos, kann zum Anlass genommen werden, über die eigene Vorstellung und das Bild
eines Dinosauriers von heute im Vergleich zu dem präsentierten Objekt nachzudenken.
• Im Vergleich mit dem nur fünfzig Jahre später entstandenen Modell eines Iguanodons
des Kölner Bildhauers Josef Pallenberg (1882-1946) kann reflektiert werden, wie wir zu
unserem eigenen Bild gekommen sind (Bücher, technische Medien, Naturkundemuseen),und dass auch unser Bild heute nur eine Hypothese und noch im ständigen
Wandel begriffen ist, da kein Mensch jemals einen lebenden Dinosaurier gesehen hat.
• Der Iguanodon kann auch zum Anlass genommen werden, sich über den Nutzen von
Modellen Gedanken zu machen. Die Aufmerksamkeit wird auf das Thema Original und
Fälschung bzw. Modell unter Einbeziehung der Lügensteine und einem echten Fossil,
dem Flugsaurier Scaphognathus, gelenkt.
Fächerübergreifende Möglichkeiten:
Geografie
Biologie (Sachkunde)
Ethik
Deutsch
31 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I N DE N TI E FE N DE R VORZE IT
Vorschlag zur künstlerisch-praktischen Arbeit
Die SchülerInnen gestalten einen Lügenstein (Arbeitsblatt 8). Hierzu verfassen sie einen
Zeitungsartikel über ‚den aufsehenerregenden neuen Fund‘ (Arbeitsblatt 9). Es kann sinnvoll sein, zuvor die semantische und syntaktische Struktur eines solchen Artikels näher zu
untersuchen und in der Klasse zu besprechen.
Voraussetzungen für die künstlerisch-praktische Arbeit
• Grundlegende manuelle feinmotorische Fähigkeiten
• Offenheit gegenüber experimentellen künstlerischen Verfahren
• Grundkenntnisse grafischer und plastischer Techniken
32 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I N DE N TI E FE N DE R VORZE IT
Arbeitsblatt 8
Versteinerung des Skeletts des Flugsauriers
Scaphognathus
Institut für Paläontologie, Goldfuss Museum,
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
Fossil des Flugsauriers Scaphognatus,
(Familie der Schnabelschnauzen,
Höhe: 0,3 m, Spannweite: 1 m,
Gewicht: 1 kg, Entdecker/Jahr: Wagner
1861, Fundort: Solnhofen/Bayern,
Nahrung: Fisch, Zeit: Tithonium/vor
147 Mio. Jahren). Der Scaphognatus
hatte für seine Größe einen ungewöhnlich langen, bezahnten Schnabel.
Aufgabe 1
Gestalte selber ein Lügenstein-Fossil!
• Du brauchst dazu: Einen Schuhkartondeckel, Gips oder Ton, Paketschnur, Holzspieße, Zahnstocher, dünnes Papier, Kleber
• Gieße den Deckel des Kartons mit Gips aus oder lege ihn mit Ton aus.
• Lege aus den Holzstäben und Schnüren ein Skelett eines Tieres (z.B. Fisch, Vogel
oder Urtier) in den noch feuchten Gips oder Ton. Du kannst auch Formen einritzen.
• Mit dem dünnen Papier kannst du Teile des Skeletts überziehen und es ankleben,
so dass es wie eine ausgetrocknete Haut wirkt.
Lügensteine, 1720er Jahre
Institut für Paläontologie, Goldfuss Museum,
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
Tipp
Versuche, es echter aussehen zu lassen, als die Lügensteine, die du im Museum
gesehen hast und von denen hier drei Beispiele abgebildet sind. Du kannst dich bei der
Gestaltung an dem oben abgebildeten echten Fossil des Flugsauriers Scaphognatus
orientieren.
33 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I N DE N TI E FE N DE R VORZE IT
Arbeitsblatt 9
Aufgabe 2
Wähle aus einer Tageszeitung einen kurzen Artikel aus, der sachliche (‚glaubwürdige‘)
Informationen liefert, und klebe ihn hier ein.
Ein Zeitungsartikel ist immer gleich aufgebaut. Er besteht aus:
• Headline (Überschrift)
• Subheadline (Unterüberschrift)
• Body copy (Fließtext)
• Was fällt dir noch auf?
Aufgabe 3
Verfasse einen Zeitungsartikel über ‚deine Entdeckung‘ (Lügenstein)!
Informiere die Leser über die folgenden Aspekte:
• Name und Art des Tieres
• wer den Fund machte
• Fundort
• Größe
• Ernährungsverhalten
• wann das Tier lebte
(Vielleicht fallen dir noch andere Details ein, die den Leser interessieren könnten?)
34 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I N D E N T I E F E N D E R VO R Z E I T
Kapitel 4
In freier Wildbahn
Didaktische und fachliche Hintergrundinformationen
Der erste Zoologische Garten als öffentliche Institution war der Jardin des Plantes im
Jardin de Luxembourg in Paris. Er wurde 1793 eröffnet und ist, wie der Louvre, der als
erstes staatliches Museum seine Pforten 1794 als Übereignung der Sammlung an das Volk
öffnete, in Folge der Revolution entstanden. Museen und Zoos haben ihre gemeinsamen
Wurzeln in der Zeit der Aufklärung.
„Im Pariser Zoo fanden Künstler wilde Tiere, die sie aus sicherem Abstand und auf der
anderen Seite der Gitterstäbe beobachteten. Das Publikum gab sich nun auch nicht mehr
mit statischen, wissenschaftlichen Illustrationen zufrieden, sondern wollte Aktion.“ (Saaltext)
Simon Meister
Löwenkampf, 1835
Öl auf Leinwand, 214 x 240 cm
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
Der Kölner Maler Simon Meister (17961844) verbrachte seine Studienzeit in
Paris. Sein Bild „Löwenkampf“ von 1835
zeigt uns den Kampf wilder Raubtiere,
den er so sicherlich nicht im Zoo beobachtet hat, sondern ein Zeugnis seiner
Phantasie ist. Doch man kann davon
ausgehen, dass er zu Studienzwecken den
Jardin des Plantes besuchte.
Eugène Delacroix
Spielender Tiger, um 1830
Öl auf Leinwand, 25,3 x 39,2 cm
Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen
Auch der französische Maler Eugène
Delacroix war häufiger Gast dort. Künstlern, die im Zoo arbeiteten, gaben die
Franzosen den Namen ‚animaliers‘. Im
Gegensatz zu Meisters Bild liegt der Tiger
von Delacroix auf dem Rücken und ist
ganz in eine Spielerei vertieft. Keine
Dramatik und Gefahr, sondern im Gegenteil, unbekümmertes Spiel und Intimität sind hier
Themen der Wiedergabe tierischen Verhaltens.
35 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
IN FREIER WILDBAHN
„Nach Darwin hörte man allmählich auf, tierisches Verhalten mit menschlichen Moralvorstellungen zu bewerten. Die Jagd einer Großkatze wandelte sich von Boshaftigkeit zu
einer sinnvollen Beschäftigung im Haushalt der Natur. Ein Tiger war nicht mehr grausam,
sondern nur noch hungrig. In den Bildern und Skulpturen der Zeit spiegelt sich dieser
Wandel der Anschauung.“ (Saaltext)
Das von vielen Künstlern im 19. Jahrhundert entwickelte Konzept gegen eine vernaturwissenschaftlichte und versachlichte Welt, identifizierte Raubtiere mit einer elementaren,
ebenso furchterregenden wie großartigen Naturkraft. Dies diente als Spiegel eines
Verlustes von wahrer Größe und Würde, die die Zeitgenossen in den Tierbildern, auch als
Gegenbild zu den Einschränkungen der zeitgenössischen Gesellschaft, wiederentdecken
sollten.
Von dem Schriftsteller Rainer Maria Rilke wissen wir, dass auch er sich oft im Jardin des
Plantes aufhielt. Eines Tages beobachtete er mehrere Stunden einen Panther in seinem
Käfig und schrieb darüber ein einfühlsames Gedicht (Arbeitsblatt 10).
„Die Evolutionslehre lenkte das Augenmerk auf die Lebensumstände der Tiere, ihr
Verhalten und ihre Umwelt. Charles Darwin und der Darwinismus änderten zwar nicht,
wie die Tiere aussahen, aber wie man sie ansah. Nach Darwin war es unmöglich, Tiere
ohne ihre natürliche Herkunft und ohne ihr soziales Gefüge wahrzunehmen. Sowohl die
Tarnfarbe wie das auffällige Federkleid hatten auf einmal einen Sinn bekommen. In
Gemälden, Naturkundemuseen und sogar in Zoos begann man, mehr Wert auf die
‚natürlichen‘ Hintergründe zu legen.“ (Saaltext)
Tiere werden auch heute noch bei verschiedensten Anlässen zur Schau gestellt, ihrer
natürlichen Umgebung entrissen, manchmal für Kunststücke dressiert, in Kostüme
gesteckt, als Ware in Schaufenstern ausgestellt und so für die Bedürfnisse der Menschen
‚instrumentalisiert‘. Gerade im städtischen Umfeld können Orte wie der Zoo und das
Museum aber ebenso dazu beitragen, die Tiere dem Menschen näher zu bringen und für
unsere globale Umwelt zu sensibilisieren.
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Im Museum werden die Werke betrachtet und verglichen. Dabei kann der Entstehungshintergrund der Kunstwerke (Skizzen im Zoo, Malerei im Atelier, aufkommende Fotografie)
und der Bezug der Künstler zum Zoo erläutert werden, die Darstellung der Tiere in Bezug
auf ihr Verhalten (schematisch-natürlich, statisch-bewegt, aktiv-passiv, bedrohlich-lieblich
usw.) und die Hintergrundgestaltungen (‚natürlicher‘, artgerechter Lebensraum, künstlicher oder falscher Hintergrund) verglichen werden. Hierbei lohnt es, den Praxisvorschlag
und die Werke aus „Ferne Welten“ genauer in Augenschein zu nehmen, z.B. Franz de
Hamiltons „Konzert der Tiere“ (Arbeitsblätter 1-4) mit der für Kinder bereitgestellten
Erkundungsstation über den Lebensraum der Vögel.
36 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
IN FREIER WILDBAHN
Fächerübergreifende Möglichkeiten:
Biologie
Deutsch
Ethik
Kunst
Vorschlag zur künstlerisch-praktischen Arbeit
(inkl. Zoobesuch)
• Im Anschluss an den Museumsbesuch kann das Gedicht von Rainer Maria Rilke
„Der Panther“ gelesen und erschlossen werden (Arbeitsblatt 10).
• Der Text kann grafisch als Schriftbild illustriert werden, wobei es sich anbietet, entweder
die Gitterstäbe oder eine Spiralform – als Sinnbild für die in der zweiten Strophe
beschriebene ausweglose Bewegung des Panthers – aufzugreifen.
• Als Vorbereitung auf den Zoobesuch informieren die SchülerInnen sich, wie Panther
oder andere Raubkatzen, z.B. Schneeleoparden, in ihrem natürlichen Lebensraum leben
(sozial: in Gruppen, paarweise oder als Einzelgänger, Landschaft, Temperatur etc.)
• Die SchülerInnen besuchen den Zoo und erschließen im Vergleich mit der Darstellung
im Gedicht die moderne Gehegegestaltung. (Arbeitsblatt 11).
• Die SchülerInnen suchen sich ein Tier, dass sie persönlich fasziniert und versuchen es
als Skizze mit Bleistift zu zeichnen, um die Besonderheiten des Tieres und dessen
Umwelt zu erfassen. Das Gehege oder der Käfig soll dabei (ggf. auch als Ausschnitt)
mit in die Zeichnung einbezogen werden.
• Die Skizzen können als Vorlagen dienen, um in der Schule großformatige Bilder mit
Dispersionsfarben zu malen, welche die heutige Situation von Tieren im Zoo zum
Ausdruck bringt.
Material
PA-Schnippelbuch Nr.1, S. 108-160, in: Grüneisl, Gerd; Klein, Fridhelm; Mayrhofer, Hans;
Popp, Michael; Zacharias; Wolfgang (Hrsg.): Bildarchiv – Materialien (Nürnberg 1981),
oder fotografische Abbildungen von Tieren aus Zeitschriften, Kalendern etc., Zeichenpapier, Bleistifte, Kohle, Pinsel, Dispersionsfarbe, Pappen.
Voraussetzungen für die künstlerisch-praktische Arbeit
Diese Aufgabe stellt Anforderungen an grundlegende zeichnerische und malerische
Kompetenzen (Proportionen, Raum, Volumen, Perspektive). Falls diese nicht ausreichen,
sollten Sie den SchülerInnen Arbeitshilfen zur Verfügung stellen, wie etwa ein Arbeitsblatt,
auf dem bereits das Tier (teilweise) abgebildet ist (siehe Literaturangabe unter Material)
und ggf. nur noch ergänzt und das Gehege gezeichnet werden muss.
Kontakt zur Zooschule/Zoopädagogik des Kölner Zoos siehe S. 61.
37 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
IN FREIER WILDBAHN
Arbeitsblatt 10
Das Gedicht hat Rainer Maria Rilke 1902 geschrieben.
Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris*
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe,
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille und hört im Herzen auf zu sein.
Aufgabe 1
Arbeitsfragen
• Wo lebt der Panther, den Rilke beschreibt? Unterstreiche in der ersten Strophe die
Wörter, die dir hierüber einen Hinweis geben.
• Was erfährst du in dem Gedicht über das Aussehen und Verhalten des Tieres?
Unterstreiche Informationen hierzu in der zweiten Strophe.
• Denke über das Bild nach, das in der letzten Strophe des Gedichts erwähnt wird.
Was könnte es für ein Bild sein? Warum hört das Gedicht wohl im letzten Vers
so plötzlich auf?
*Der Jardin des Plantes ist ein Park in Paris, in dem es auch einen Zoo gibt.
38 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
IN FREIER WILDBAHN
Arbeitsblatt 11
Aufgabe 2
Suche im Zoo die Schneeleoparden auf.
• Wie werden die Tiere hier gehalten?
• Betrachte die Gehege, beobachte und befrage ggf. eine/n ZoolehrerIn.
• Welche Kriterien der Checkliste werden bei der Gehegegestaltung berücksichtigt:
Bedürfnisse des Tieres
Kreuze an oder trage Informationen ein
Nahrung/Wasser?
Beschäftigungsfutter?
Rückzugsmöglichkeiten
- vor Besuchern
- zum Ruhen
- zur Jungenaufzucht
- vor Artgenossen?
Schattenplatz?
Kletter/Kratzbäume?
Suhle/Bademöglichkeiten?
Platz zum Graben?
Markierungspunkte?
Unterbringung nachts?
Aufgabe 3
Vergleiche deine Beobachtungen mit dem Gedicht von Rainer Maria Rilke und
der Tierhaltung damals.
Aufgabe 4
Zeichne ein Tier deiner Wahl in seinem Gehege. Dazu brauchst du: Zeichenblock
und einen Bleistift oder Kohle.
39 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
IN FREIER WILDBAHN
Kapitel 5
Menschen und Affen
Didaktische und fachliche Hintergrundinformationen
Die Veränderungen im Verhältnis von Mensch und Tier zeigen sich besonders deutlich im
Wandel der Darstellung von Affen. Die maßgebliche Ursache für einen anderen Blick auf
das Tier war u.a. die Publikation von Charles Darwins „Entstehung der Arten“ von 1859,
aber auch weitere wissenschaftliche Bücher Darwins, die 1871 und 1872 veröffentlicht
wurden und in denen die Auffassung vertreten wurde, dass Mensch und Affe miteinander
verwandt sind und bei denen die Bedeutung von Emotionen auch für den Überlebenskampf herausgestellt wurde.
Die Affendarstellungen in der Zeit vor Darwin fokussieren vor allem auf negative Eigenschaften wie z.B. Dummheit, Triebhaftigkeit, Eitelkeit, dagegen wurden nach Darwin den
Affen positive menschliche Eigenschaften und Attribute attestiert. Kai Artinger hat dies
mit dem Begriff des ‚Anthropomorphismus‘ umrissen, womit verkürzt ausgedrückt die
Vermenschlichung des Tieres gemeint ist, d.h. die Übertragung menschlicher Gestalt und
menschlicher Verhaltensweisen auf Tiere. Dies birgt Gefahren wie einerseits die Projektion
menschlicher Bedürfnisse und Wünsche auf Tiere und andererseits eine falsche Deutung
von tierischem Verhalten oder sogar die Weigerung, Tiere als Tiere zu akzeptieren.
Auch bei mehreren Bildern dieser Ausstellung sind Affen ‚vermenschlicht‘ und bei einer
normalerweise dem Menschen zugeordneten Tätigkeit zu sehen: Sie malen, philosophieren, beurteilen etwas, speisen mit Hilfe von Teller und Essbesteck, tragen elegante
Kleidung und zeigen Gefühle. Affen gehörten sowohl im 19. wie auch im 20. Jahrhundert
zu den zehn beliebtesten Tieren, wobei sich die ‚Lieblingstiere‘ laut Morris dadurch
auszeichnen, dass sie Ähnlichkeiten mit uns Menschen aufweisen, z.B. Haare, ein flaches
Gesicht und ein Mienenspiel besitzen sowie Objekte und Werkzeuge handhaben können.
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Gabriel von Max
Affen als Kunstrichter, 1889
Öl auf Leinwand, 84,5 x 107,5 cm
Bayerische Staatsgemäldesammlungen,
Neue Pinakothek, München
Dieses Bild ist in einen Zusammenhang
mit der Ausstellungssituation in München
am Ende des 19. Jahrhunderts gebracht
worden. Es war üblich, dass Bilder, die zu
den Jahresausstellungen eingereicht
wurden, von einer Jury bewertet und
ausgewählt wurden. Dabei kam es immer
40 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
MENSCHEN UND AFFEN
wieder zu Differenzen wegen unterschiedlicher Kunstauffassungen. Auch von Max gehörte
zeitweise zu den Gegnern des Münchner Salons und wollte zunächst 1889 nicht
ausstellen. Nachdem er dann doch teilnahm, wurde das Bild ein enormer Publikumserfolg
und bekam eine Goldmedaille 2. Klasse zuerkannt. Das Bild wurde außerdem 1889 von
der Neuen Pinakothek angekauft.
Gabriel von Max hatte vielfältige Interessen und beschäftigte sich u.a. mit Philosophie,
Anthropologie und dem Darwinismus. „In seiner Villa in Ammerland am Starnberger See
umgab er sich mit einer Gruppe von Affen, die er sowohl unter anthropologischen und
naturwissenschaftlichen Aspekten studierte wie auch häufig malte. Stets hatte er dabei
ihre Beziehung zum Menschen oder zu seiner Entwicklungsgeschichte im Auge.
Auch Fotografien der Tiere zog er als Bildvorlagen heran...“
(Kai Artinger: Von der Tierbude zum Turm der blauen Pferde, Berlin 1995, S.92)
Arbeitsfragen zu „Affen als Kunstrichter“
• Untersucht die Gestik und Mimik der verschiedenen Affen und versucht, deren Verhaltensäußerungen zu deuten. In welcher Beziehung stehen die Tiere zueinander?
• Von Max hat die Gruppe in seiner Komposition arrangiert und komprimiert: Ist es
denkbar, dass die verschiedenen Affenarten sich in dieser Weise verhalten würden?
• Welche Rolle spielt der große Affe im Vordergrund dem Betrachter gegenüber: Überlegt,
wie ihr den Affen anschaut und wie er euch betrachtet.
• Das Bild im Goldrahmen auf der linken Bildseite trägt auf der Rückseite eine Beschriftung
„Tristan und Isolde“, der Preis ist mit 100.000 Mark angegeben. Ein Bild mit diesem
Titel hatte von Max im Jahr 1868 gemalt. Einige der Affen hocken auf einer Holzkiste, auf
der das Wort „Vorsicht“ steht und auf der ein Zettel mit dem Zielort klebt. Welche
Bedeutung haben diese Informationen?
• Das Bild ist vom Künstler in der linken unteren Ecke mit „Kränzchen“ betitelt worden.
Der Titel „Affen als Kunstrichter“ ist eine Erfindung der Kritiker. Vergleicht die beiden
Titel und überlegt, welche Einstellung von Max zu den Tieren gehabt hat! Warum haben
die Kritiker einen anderen Titel gewählt? Wie verändert sich dadurch die Bildinterpretation?
• Versucht, den großen Erfolg des Bildes beim Publikum und bei der Jury zu erklären!
41 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
MENSCHEN UND AFFEN
Arbeitsblatt 12
Gabriel von Max, 1840-1915
Affen als Kunstrichter, 1889
Öl auf Leinwand, 84,5 x 107,5 cm
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München
Aufgabe 1
Das Bild zeigt 13 Affen. Welche Affenarten könnt ihr erkennen?
1 ___________________________________________________________________________________
2 ___________________________________________________________________________________
3 ___________________________________________________________________________________
4 ___________________________________________________________________________________
42 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
MENSCHEN UND AFFEN
Arbeitsblatt 13
Gabriel von Max, 1840-1915
Affe, Fotografie, um 1890
Archiv für bildende Kunst, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, in: K. Artinger: Von der Tierbude
zum Turm der blauen Pferde (Berlin 1995) Abb.8
Aufgabe 2
Betrachtet das Foto des toten Affen, das von Max als Vorlage diente: Welche Veränderungen hat der Maler vorgenommen, und wie verändert sich dadurch die Bildaussage?
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
______________________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________________
43 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
MENSCHEN UND AFFEN
Arbeitsblatt 14
Aufgabe 3
Affenmutter mit Kind:
Übersetzt die beiden Fotografien in Zeichnungen und achtet dabei insbesondere auf
die beschützende Haltung der Affenmutter und die Mimik von Mutter und Kind bei
der Aufnahme im Dreiviertelprofil!
Aufgabe 4
Versetzt die Affen in eine andere Umgebung:
Wählt diejenigen Affen aus, die euch am besten gefallen, zeichnet sie ab oder kopiert
sie. Denkt euch zu diesen Bildelementen eine völlig neue Umgebung aus, die ihr
hinzuzeichnen oder durch Acryl- oder Deckfarbenmalerei ergänzen könnt!
44 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
MENSCHEN UND AFFEN
Arbeitsblatt 15
Gabriel von Max, 1840-1915
Affe mit Blumen am Fenster, ohne Jahr
Öl auf Mahagoniholz
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
Von Max hielt sich in seiner Villa am Starnberger See mehrere Affen und ordnete
in seinem Testament an, dass der Sarg eines seiner Affen bei seinem eigenen
Begräbnis in seinem Grab beigesetzt werden sollte.
Aufgabe 5
• Wie drückt sich die vertraute Beziehung zum Affen „Fritz“ in diesem Bild aus? Welche
menschlichen Eigenschaften weist der Maler „Fritz“ zu?
• Beschreibt die Physiognomie, den Gesichtsausdruck und die Handhaltung des Affen
und leitet daraus ab, welche Wirkung durch diese Darstellungselemente entsteht.
• Wie hat von Max die Blumen im Bild kompositorisch angeordnet, und wie ist die
Abwendung des Affen vom Fenster und die Hinwendung zu den Blumen, zum Insekt
und zum Innenraum zu verstehen?
45 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
MENSCHEN UND AFFEN
Kapitel 6
Gewalt und Liebe
Didaktische und fachliche Hintergrundinformationen
„Das 18. Jahrhundert, Zeitalter der Aufklärung, war nicht nur die Epoche der trockenen
Systematisierung des Tierreichs, sondern auch der Entdeckung des tierischen Gefühlslebens. Wissenschaftliche Erforschung und beginnende Tierliebe gehen Hand in Hand.
Beide scheinen die Resultate des allgemein gesteigerten Interesses an den Tieren zu sein.
(...)
Jacob Gerritsz. Cuyp war [im 17. Jahrhundert] ein Maler von Landschaften und Seestücken.
Gelegentlich führt er den Blick ganz nah auf einzelne oder mehrere Tiere, ganz selten
zeigt er eine intime Szene wie diese. Zwei Kinder, die ein Lamm halten, es beinahe
umhalsen, das ist für ihn und vor allem in dieser Zeit noch außergewöhnlich. [Rückblickend
gesehen ist es ein sehr frühes Bild bei dem sich bereits eine gefühlsbetonte Sicht auf das
Tier anbahnt und erste Anzeichen der Verniedlichung erkennbar sind.] Was könnte das
Motiv für dieses Gemälde sein? Die Liebe zwischen Mensch und Tier ist nur vordergründig das Thema. Wollte Cuyp die jungen Menschen mit den jungen Tieren vergleichen?
Da man bei den Niederländern immer vermuten muss, dass sich hinter dem Offensichtlichen eine mehr oder weniger versteckte Botschaft befindet, stellt sich diese Frage
durchaus.“ (Katalog zur Ausstellung)
Jacob Gerritsz. Cuyp, 1594-1651/52
Zwei Kinder mit einem Lamm, 1638
Öl auf Holz, 78,5 x 107,5 cm
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
Die beiden Kinder sind individuell charakterisiert. Der Junge sitzt, hält zärtlich das
Lämmchen im Arm und krault ihm den
Hals. Haltung und Gesichtsausdruck
lassen ihn stiller, schüchterner, nachdenklicher erscheinen als das jüngere Kind,
das, als sei es gerade herbeigeeilt, in
Bewegung dargestellt ist und so, als ob es
das Lämmchen zum Spielen auffordern wollte. Dies bringt – zusammen mit der erwartungsvoll sprungbereiten Haltung des Hundes – eine gewisse Dynamik in die Szene. Das
Lämmchen schmiegt sich zutraulich an den kleinen Jungen. Ob das kleinere Kind im hellblauen Seidenkleid tatsächlich ein Mädchen ist, ist nicht gesichert. Blumenkränze finden
sich auch auf Knabenbildnissen, und Kleinkinder trugen – wahrscheinlich aus praktischen
Gründen – Röcke oder Kleider ohne Unterwäsche.
Die ländliche Umgebung, Kühe und Schafe rechts im Hintergrund, der Kopf des Ziegenbocks auf der linken Seite, vor allem der Hirtenstab und die Wurfschaufel lassen zunächst
vermuten, es handle sich um Hirten- oder Bauernkinder. Dem widerspricht die aufwendige
Kleidung: Das Seidenkleid des jüngeren Kindes ist mit einer Goldbrokatborte am
Ausschnitt gesäumt, mit einer Brosche, goldenen Verschlüssen und kleinen Goldperlen
46 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
G E WA LT U N D L I E B E
versehen. Der Fellmantel des Jungen wird am Kragen von einer Brosche mit einem Achat,
in der Taille von einem Seidenschal zusammengehalten. Auch die am Boden verstreuten
Gegenstände deuten auf Wohlstand hin: Perlenkette, Perlenohrgehänge, Gold- und Silbermünzen, die Muscheln, nicht vom heimischen Nordseestrand, sondern kostbare Reiseandenken, wie sie von holländischen Kaufleuten mitgebracht wurden. Diese Repräsentationsobjekte dienen sowohl dazu, die Kinder als reich zu kennzeichnen, als auch, sie als ‚gute
Kinder‘ darzustellen, die sich liebevoll dem Lamm zuwenden, die Schätze dagegen, die die
Vanitas (lat. Eitelkeit), die Nichtigkeit und Vergänglichkeit aller irdischen Besitztümer und
Freuden, symbolisieren, ‚mit Füßen treten‘.
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Lernziele
Die Kinder sollen angeregt werden,
• die dargestellten Motive zu benennen und zu beschreiben;
• ihre Position (Mitte, randständig) im Format und in Beziehung zueinander zu
beschreiben;
• Bilder als Informationsträger zu erkennen;
• wahrnehmbaren Fakten Bedeutungen (Interpretationen, Bewertungen) zuzuordnen
(z.B. kostbare Seidenkleider: Kinder reicher Leute);
• Deutungen durch konkrete Beobachtungen zu stützen (die Kinder lieben das Schäfchen:
sie streicheln es).
Die Arbeitsblätter können sowohl zur Vorbereitung als auch zur nachträglichen Aufarbeitung
der Bildbetrachtung eingesetzt werden.
Bildbetrachtung
Freie Äußerungen: Nach einer Phase stillen Betrachtens sollten die Schüler Gelegenheit
haben, zunächst ungeordnet alle Beobachtungen, Gefühle, Deutungen und Fragen zu
artikulieren. Die Auswahl und Reihenfolge der Aspekte sollte aus dieser Phase entwickelt
werden.
Gelenkte Gesprächsphasen: Die Lehrkraft sollte die im Bild angelegten Fragen und Widersprüche (z.B. Hirtenkinder oder reiche Kinder? Junge oder Mädchen? heutige Kinder –
Kinder von früher?) als natürliche Motivation zu genauem Beobachten und Beschreiben
nutzen und durch provokative Impulse, Weitergeben von Fragen an die anderen Kinder
oder auch Fragen darauf hinführen, dass die Kinder Äußerungen durch Hinweise auf
Beobachtungen belegen (z.B. „Die Kinder mögen das Schaf.“ – „Woran siehst du das?“),
bzw. aus Beobachtungen Schlüsse ziehen (z.B. „Die Kinder trampeln auf den Schätzen
herum.“ – „Was kann das bedeuten?“).
Deutende Äußerungen: (Lehrkraft: „Woran siehst du das?“): Kinder sind sehr jung; Hirtenkinder; reiche Kinder; die Kinder lieben das Schaf; der Junge ist stiller; das ‚Mädchen‘ ist
lebhafter; das Schaf ist zutraulich.
Beschreibende Äußerungen: (Lehrkraft: „Was bedeutet das?“): Pausbacken, dünne Haare;
Umgebung, Weide, Hirtenstab, Wurfschaufel, Tiere; kostbare Seide, Verzierung, Fell,
47 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
G E WA LT U N D L I E B E
Leder, ‚Schätze‘; Gesichtsausdruck; umarmen, streicheln, kraulen; sitzen, laufen, spielen
wollen, lachen, sich anschmiegen.
Ergänzende Fragen und Informationen/methodische Elemente: Würdest du ein Seidenkleid zum Schafe hüten tragen? Würdest du diesen Hund zum Schafe hüten nehmen?;
Hirten waren arme Leute; ‚Schäferspiele‘ waren ein Vergnügen für Reiche; Nachspielen/
auch Alternativen.
Fächerübergreifende Möglichkeiten
Sprache und Sachunterricht
Die Verständigung der Kinder über ihre Wahrnehmungen trainiert die Fähigkeit zur
bewussten und genauen Beobachtung, die auch dem Erschließen der Alltagswirklichkeit
zugute kommt. Sie erfordert eine Differenzierung der sprachlichen Mittel, die ihrerseits
auf die Differenzierung der Wahrnehmung zurückwirkt. Die Kinder erfahren die Leistung
der Präpositionen für die rasche und zuverlässige Verständigung über die Lage der
einzelnen Motive im Bild, geben ihre Beobachtungen und Empfindungen mit Hilfe charakterisierender Adjektive wieder und üben sich darin beschreibende, deutende und wertende
Äußerungen zu unterscheiden.
Religion
Die dargestellten Kinder wenden sich ganz den ideellen Werten zu. Sie liebkosen das
Lamm und missachten die materiellen Güter, die ‚Schätze‘. Der Wertekonflikt spielt im
Leben der Familien eine große Rolle. Die Frage „wofür würdest du dich entscheiden und
warum?“ kann eine Auseinandersetzung mit diesem Problem anbahnen.
Vorschläge zur künstlerisch-praktischen Arbeit
Malen eines Lämmchens mit Deckfarben
Lernziele
Die Kinder sollen angeregt werden,
• ihr je individuelles ‚Schemazeichen für Tier‘ zu verfeinern, indem sie die malerische
Entwicklung einer Form (Tier) aus einem Farbfleck als hilfreiche Methode verwenden,
um die Größenverhältnisse der Glieder zum Körper und der gesamten Tierform zum
Bildformat zu gestalten;
• die Fellstruktur mit cremigen Farben als reliefartige Oberfläche wiederzugeben.
Material
Pro Schüler ein Bogen grünes Tonpapier (‚Wiese‘) oder Packpapier (‚Erde‘) und ein Bogen
für die Demonstration, Deckfarbkästen, eine Flasche Schulgouache weiß (Fachhandel;
kann anstelle von Deckweiß weiter verwendet werden), Borstenpinsel in verschiedenen
Größen, einige elektrische Haartrockner zum Trocknen der pastosen Farben.
Ausführung
„Wir lassen ein Lämmchen wachsen.“
48 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
G E WA LT U N D L I E B E
Die für das Grundschulalter typische Gestaltungsweise geht vom Umriss der Figuren aus.
Dieses Vorgehen erlaubt kaum nachträgliche Verbesserungen. Die hier vorgeschlagene
Methode, die Form schrittweise aus einem Farbklecks zu entwickeln, ist auf ständiges
Verbessern hin angelegt. So lernt das Kind, den Gestaltungsprozess zu steuern.
Ein ockergelber Farbklecks in der Mitte eines grünen Tonpapiers wird so lange von innen
heraus vergrößert, indem er von Kind zu Kind weitergereicht wird, bis er dem
gewünschten Maß für den Leib des Lamms entspricht. Dabei entstehen Formprobleme,
für die jeweils Lösungen genannt und demonstriert werden. Der Leib wird zu kugelförmig:
er wird nur noch seitlich verlängert; er wird zu länglich: er muss nur noch nach oben und
unten vergrößert werden; er gerät zu sehr auf eine Seite: er wird nur noch zur anderen
Seite hin verlängert. Die Kinder werden angehalten, im stetigen Wechsel von Malen und
Beurteilen in einen Dialog mit der entstehenden Arbeit zu treten. Die übrigen Körperteile
lässt man aus dem Leib hervorwachsen, indem zunächst die Anschlussstellen markiert
werden. Zur Wiedergabe der Fellstruktur wird mit einem trockenen Borstenpinsel weiße
Schulgouache mit Tupfen, Drehungen, Kurven so in die noch feuchte Tierform eingearbeitet, dass ein schmutzigweißer Fellton mit einer reliefartig strukturierten Oberfläche
entsteht. (Auf jeden Fall vorher ausprobieren!)
Jedes Kind gestaltet danach sein Lamm, wobei individuelle Unterschiede durchaus
erwünscht sind. Die farbliche Gestaltung der Füße und des Gesichts sollte erst nach dem
Trocknen erfolgen. Eine farbliche Differenzierung der Wiese, erzählerische oder dekorative
Motive wie Blumen, Sträucher usw. werden nach Belieben hinzugefügt.
Voraussetzungen für die künstlerisch-praktische Arbeit
• grundlegende Fähigkeiten im Umgang mit Deckfarben und Pinsel
49 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
G E WA LT U N D L I E B E
Arbeitsblatt 16
Jacob Gerritsz. Cuyp, 1594-1651/52
Zwei Kinder mit einem Lamm, 1638
Öl auf Holz, 78,5 x 107,5 cm
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
Aufgabe 1
Wir sind Geschwister. Wir mögen die Natur und die Tiere. Wir mögen das zarte, weiche
Lamm. Wir mögen den jungen Hund. Wir mögen den Ziegenbock und die Kühe auf
der Weide. Kannst du diese Tiere auf dem Bild entdecken?
Und was magst du?
____________________________________________________________________________________
Etwas auf dem Bild passt nicht zur Natur und zu den Tieren. Findest du es?
____________________________________________________________________________________
Warum hat der Maler es dorthin gemalt?
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
50 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
G E WA LT U N D L I E B E
Arbeitsblatt 17
Aufgabe 2
Ich bin vor mehr als 300 Jahren von einem Künstler gemalt worden,
damit man sich an mich erinnert. Deshalb trage ich auch ein feines
Kleid. Es hat die Farben:
__________________ und __________________
Aufgabe 3
In meinem Kränzchen sind viele Blumen: Heckenrosen, Veilchen, Maiglöckchen und
Butterblumen. Kannst du die Blumen zeichnen?
Heckenrose
Veilchen
Weißt du in welcher Jahreszeit
sie blühen?
Maiglöckchen
Butterblume
_________________________________________
Aufgabe 4
In dieser Jahreszeit wurde auch das Lämmchen geboren. Wie fühlt sich sein Fell an?
_________________________________________ und _________________________________________
Aufgabe 5
Im Frühling fressen die Kühe und das Schaf auf der Weide das saftige Gras.
Wo sind die Kühe?
Wie sind sie gemalt?
ganz nahe bei mir
sehr groß
weit von mir weg
sehr klein
Wo ist der junge Ziegenbock?
weit weg
nahe bei meinem Bruder
51 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
G E WA LT U N D L I E B E
Arbeitsblatt 18
Aufgabe 6
Mich hat Meister Cuyp gemalt. Ich trage einen Mantel aus Leder.
Innen ist er ganz weich und warm. Meine Brosche ist groß.
Male einen Kreis darum!
Die Farbe meines Mantels ist:
_________________________________________________________________
Er hat einen weichen Kragen aus:
_________________________________________________________________
Siehst du meinen Hund? Ich spiele mit ihm, aber er muss mir
auch gehorchen. Ich bin sein Herr. Ist er jung oder alt?
________________________________________________________________
Aufgabe 7
Was liegt vor uns auf dem Boden? Vier kostbare Muscheln. Kreise sie ein.
Ohrschmuck aus seltenen Perlen. Kreise ihn ein. Und eine:
_________________________________________ und _________________________________________
Aber diese kostbaren Sachen sind mir egal. Gleich trete ich mit dem Fuß auf die Kette
und die Muschel. Ich halte das Lamm im Arm und kraule es zärtlich. Ich mag Tiere.
Aufgabe 8
Diesen reichen Kindern sind die Schätze gleichgültig. Würden arme Kinder es genauso
sehen? Was findest du wichtig?
____________________________________________________________________________________
52 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
G E WA LT U N D L I E B E
Arbeitsblatt 19
Aufgabe 9
Schau uns an. Was verraten dir unsere Gesichter? Was verrät unsere Körperhaltung?
Wer sitzt ruhig? Wer bewegt sich mehr? Wie sind wir?
Kreuze an. Fallen dir andere Adjektive ein?
fröhlich
fröhlich
traurig
traurig
wild
wild
ruhig
ruhig
lieb
lieb
frech
frech
neugierig
neugierig
zärtlich
zärtlich
liebevoll
liebevoll
nachdenklich
nachdenklich
______________________________
______________________________
______________________________
______________________________
Aufgabe 10
Und wie ist das Lamm? Beschreibe.
____________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________
53 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
G E WA LT U N D L I E B E
Arbeitsblatt 18
Kapitel 7
Im Atelier der Künstler
Didaktische und fachliche Hintergrundinformationen
Die künstlerische Darstellung der Tiere wandelt sich in der Neuzeit von einer vorstellungsund phantasiegeprägten zu einer naturwissenschaftlich korrekteren Wiedergabe und –
insbesondere durch die Entwicklung von Fotografie und Film – vom statischen zum
bewegten Bild.
Im 19. Jahrhundert sind weitere Differenzierungen erkennbar: Eine Richtung widmet sich
weiterhin der genauen Beobachtung und Wiedergabe der Tiere, eine andere wendet sich
hin zum Spirituellen, Durchgeistigten, Abstrakten. Als Beispiel im frühen 20. Jahrhundert
ist hier Franz Marc zu nennen: In der kurzen Schaffensphase, die ihm bis zu seinem
frühen Tod blieb, zeigt sich als Ausgangspunkt eine eher naturgetreue Darstellung der
Tiere, der in einer raschen Entwicklung eine Hinwendung zur spirituellen Durchdringung
und zunehmenden Abstraktion bis fast hin zur Aufgabe des Tiermotivs folgt und damit
eine Konzentration auf Form, Farbe und Farbkontraste, Linien und Flächen.
Auch die Künstler sind von der allgemeinen Entwicklung bei der Wahrnehmung von Tieren
betroffen. Im Unterschied zu früher haben die Wissenschaftler heute viel mehr Kenntnisse
über Tiere, dennoch sind, bedingt durch Verstädterung und Industrialisierung, vielen
Menschen durch das Fehlen einer unmittelbaren Nähe zu Tieren diese fremd geworden.
Eine Ausnahme bilden die Haustiere, zu denen oft starke emotionale Bindungen aufgebaut werden. Diese Beziehungen kann man auch in einem Zusammenhang mit der
Vermenschlichung der Tiere sehen.
Dass die Entwicklung der fotografischen Aufnahmetechnik das Bild der Tiere veränderte,
beweisen z.B. die fotografischen Studien von Eadweard Muybridge und Etienne-Jules
Marey, die in den 1870er Jahren beinahe parallel entstanden. Muybridge dokumentierte
z.B. mit seinen fotografischen Sequenzen den Bewegungsablauf von Pferden im Galopp,
in dem er durch knappste Belichtungszeiten von weniger als einer 1/1000 Sekunde nachwies, dass sich nur dann beim Galopp alle Füße eines Pferdes in der Luft befinden, wenn
sie unter dem Bauch zusammenkommen und nicht, wenn Vorderbeine und Hinterbeine
nach vorne und hinten ausgestreckt waren – eine bis dahin in der Malerei übliche Darstellungsweise, die selbst ein Pferdekenner wie Théodore Gericault anwendete.
54 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I M AT E L I E R D E R K Ü N S T L E R
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Vincent van Gogh
Fliegender Hund (Kalong), 1886
Öl auf Leinwand, 41 x 79 cm
Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh
Foundation)
Das Modell für diesen Kalong stammt
vermutlich aus einer naturkundlichen
Sammlung.
Vincent van Gogh
Krebs, auf dem Rücken liegend, 1889
Öl auf Leinwand, 38 x 46,5 cm
Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh
Foundation)
Vincent van Goghs Malstil hat sich in der
kurzen Zeitspanne von 1886 bis zu
seinem Todesjahr 1890 sehr stark verändert.
Vincent van Gogh
Großes Nachtpfauenauge, 1889
Öl auf Leinwand, 33,5 x 24,5 cm
Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)
Während seines Aufenthalts in der Heilanstalt von
Saint-Rémy berichtete van Gogh in einem Brief an
seinen Bruder Theo von einem Schmetterling, den er
gezeichnet hatte. Er hielt ihn für einen Nachtfalter,
einen sog. Totenkopf. Inzwischen ist erwiesen, dass
es sich um ein Nachtpfauenauge handelt. Van Gogh
beschrieb den Schmetterling und dessen „wunderbar
feine Farben, Schwarz, Grau, der nuancierten Schattierung von Weiß mit rotem Schimmer, das manchmal
Olivgrün zu sein scheint. Es ist sehr groß. Um es
malen zu können, musste ich es töten, und das war
schade bei einem so schönen Tier.“ (Katalogtext)
55 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I M AT E L I E R D E R K Ü N S T L E R
Arbeitsfragen zu den drei Van Gogh Gemälden
• Vergleicht das Bild des Kalongs von 1886, das entweder in Holland oder Paris gemalt
worden ist, mit den drei Jahre später datierten Bildern des Schmetterlings und der
Krabbe von 1889, die in Südfrankreich entstanden sind. Welche wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede weisen die drei Bilder auf? Beschreibt, was van Gogh an
den drei Tieren jeweils besonders interessiert hat ( z.B. Muster, Anatomie, Silhouette,
Farben, Lichteinfall)!
• Untersucht die Farbgebung der drei Bilder: Welche Farben und Farbkontraste wurden
verwendet, und wie unterscheidet sich die Darstellung von 1886 von der Farbgebung von
1889?
• Gibt es Gemeinsamkeiten im Farbauftrag bzw. Pinselduktus bei den drei Bildern?
• Welche Umgebung hat van Gogh für die Tiere gewählt und wie setzt er sie ins Bild
bzw. Bildformat? In welcher Beziehung stehen Tier und Umgebung?
• Van Gogh hat keine Phantasiewesen, sondern jeweils das gemalt, was er in seiner unmittelbaren Umgebung wahrgenommen hat und was für ihn persönlich von Bedeutung war.
Wie drückt sich diese genaue Beobachtung aus?
• Warum musste van Gogh den Schmetterling töten, um ihn malen zu können? Was sagt
dieser Satz über seine Arbeitsweise aus? Stellt Überlegungen an, warum er den Schmetterling nicht aus der Phantasie heraus gemalt hat?
56 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I M AT E L I E R D E R K Ü N S T L E R
Arbeitsblatt 20
Brief 592 an Theo van Gogh
Saint-Rémy, 22.5.1889
http://www.vggallery.com/letters/sketches/p_1701.htm
Vincent van Gogh hat viele seiner Motive zuerst gezeichnet, später dann gemalt.
Hier seht ihr den Schmetterling, den er auf einen Brief an seinen Bruder Theo
gezeichnet hat.
Aufgabe 1
Fertigt drei Skizzen an:
Zeichnet zunächst verkleinert, aber maßstabsgerecht von der Höhe und Breite her
die drei Bildformate auf jeweils ein Blatt Papier.
Aufgabe 2
Zeichnet nun die Umrisse der Tiere im richtigen Abstand zu den Rändern ein.
Ergänzt die Umrisse durch wichtige Binnenstrukturen und Linien.
Aufgabe 3
Zeichnet ein euch vertrautes Tier aus der Phantasie heraus: Welche Schwierigkeiten
ergeben sich ohne ‚Modell‘?
57 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I M AT E L I E R D E R K Ü N S T L E R
Arbeitsblatt 19
Alternative
Anregungen zur Werk- und Objektbetrachtung
Franz Marc, 1880 –1916
Drei Katzen, 1913
Öl auf Leinwand, 72 x 102 cm
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Marc kannte Katzen sehr gut, denn er
hatte in Sindelsdorf eine von ihm sehr
geliebte Katze namens „Rudi“. In seinem
Bild hat er drei Katzen auf unterschiedliche Weise dargestellt. Jede hat eine
andere Körpersprache, einen anderen
Gesichtsausdruck und eine andere Farbe.
Marc konzentriert sich in seiner künstlerischen Arbeit auf die Darstellung der Tiere, sagt
jedoch von sich, er sei kein ‚Tiermaler‘: „Meine Ziele liegen nicht in der Linie besonderer
Tiermalerei. Ich suche einen guten, reinen und lichten Stil, in dem wenigstens ein Teil
dessen, was wir moderne Maler zu sagen haben werden, restlos aufgehen kann. Und das
wäre vielleicht ein Empfinden für den organischen Rhythmus aller Dinge, ein pantheistisches Sicheinfühlen in das Zittern und Rinnen des Blutes in der Natur, in den Bäumen,
in den Tieren, in der Luft. (...) Gibt es für den Künstler eine geheimnisvollere Idee als die,
wie sich wohl die Natur in dem Auge eines Tieres spiegelt? Wie sieht ein Pferd die Welt
oder ein Adler, ein Reh oder ein Hund? Wie armselig, seelenlos ist unsere Konvention,
Tiere in eine Landschaft zu setzen, die unseren Augen zugehört, statt uns in die Seele der
Tiere zu versenken, um dessen Bilderkreis zu erraten“. Helmut Friedel, Annegret Hoberg:
Der Blaue Reiter im Lenbachhaus (München 2004) S.164
Arbeitsfragen zu „Drei Katzen“
• Welche Wesensmerkmale von Katzen stellt Marc hier jeweils dar? Beschreibt den unterschiedlichen Ausdruck der drei Tiere und die Mittel, die Marc zu ihrer Charakterisierung
verwendet hat! Die Umgebung der Katzen besteht teils aus gegenständlichen Elementen,
teils aus abstrakten Formen: Was ist an Motiven erkennbar?
• Welche Farbkontraste hat Marc verwendet:
– Warm-Kalt-Kontrast
– Rein-Trüb-Kontrast
– Hell-Dunkel-Kontrast
– Komplementärkontrast
– Bunt-Unbunt-Kontrast?
• Welche Farbkontraste dominieren, und welche Wirkung wird dadurch erzielt?
• Marc hat eine eigene Farbtheorie von der Ausdruckskraft der reinen Farbe entwickelt:
„Blau ist das männliche Prinzip, herb und geistig. Gelb ist das weibliche Prinzip, sanft,
heiter und sinnlich. Rot die Materie, brutal und schwer und stets die Farbe, die von den
anderen beiden bekämpft und überwunden werden muß! (...) Mischst Du nun aber Blau
58 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I M AT E L I E R D E R K Ü N S T L E R
und Gelb zu Grün, so weckst Du Rot, die Materie, die Erde zum Leben; (...) mit Grün
bringst Du das ewig materielle brutale Rot nie ganz zur Ruhe...“. Ist diese Farbsymbolik
auch hier zutreffend?
• Im Jahr 1913 hat sich Marc bereits immer mehr vom Gegenständlichen gelöst, seine
Bilder werden zunehmend abstrakter. Auf welche naturalistischen Darstellungsmittel
hat Marc bei diesem Bild verzichtet:
– die richtige Anatomie bzw. die richtigen Proportionen
– die Gegenstandsfarben (die sog. Lokalfarben)
– die richtige Darstellung der Räumlichkeit
– das zeichnerische Detail
– die richtige Darstellung der Oberflächenbeschaffenheit (z.B. beim Fell)
– die Körperillusion bzw. Plastizität?
• Marcs Bild wird neben den Farben auch stark durch die Linien bestimmt. Zeichnet einige
der Linien nach! Welche Linien sind vorherrschend, und welche Wirkung wird dadurch
vermittelt?
• Was meint Marc mit „pantheistischem Sicheinfühlen“ und mit dem Versenken in
die Seele der Tiere?
59 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
I M AT E L I E R D E R K Ü N S T L E R
Literatur
Die Texte der Unterrichtsvorschläge für
LehrerInnen basieren z.T. auf den Saaltexten, den Objektbeschriftungen in der
Ausstellung sowie den Beiträgen zum
Katalog der Ausstellung: Blühm, Andreas,
Lippincott, Louise: Tierschau. Wie unser
Bild vom Tier entstand (Köln 2007).
Berger, John: Warum sehen wir Tiere an?,
in: ders.: Das Leben der Bilder. Die Kunst
des Sehens (Berlin 1981) 7.
Berger, Karl: Das Tier in der Kunst (Leipzig
1971).
Bilstein, Johannes, Winzen, Matthias: Das
Tier in uns. Die animalischen Ebenbilder der
Menschen (Köln 2002).
Eucker, Johannes (Hrsg.): Tiere. Themenheft Zeitschrift Kunst+Unterricht, Heft 59
(Seelze 1979).
Kunstforum International, Bd. 174/175:
Im Zoo der Kunst (Ruppichteroth 2005).
(Umfassende Darstellung der Einbeziehung
lebender Tiere in der Kunst seit den 1960er
Jahren)
List, Claudia: Tiere. Gestalt und Bedeutung
in der Kunst (Stuttgart und Zürich 1993).
Meyer, Helga: Werkbuch der Tiere
(Bern 2002).
Salzgeber, Dieter: Albrecht Dürer: Das
Rhinozeros (Reinbeck bei Hamburg 1999).
Schacht, Michael, Peetz, Georg: Tier &
Mensch. Themenheft Zeitschrift
Kunst+Unterricht, Heft 238 (Seelze 1999).
Schacht, Michael, Peetz, Georg: Tier &
Mensch. Themenheft Zeitschrift
Kunst+Unterricht, Heft 239 (Seelze 2000).
Staghuhn, Gerhard: Tierliebe. Eine einseitige
Beziehung (München, o. J.).
Walch, Josef (Hrsg.): Kunst unterrichten:
TierART. Tiere als Motiv künstlerischen
Schaffens (Kissing 2005).
60 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
Zoos zwischen den Fronten (Arbeitsgruppe/
Hrsg.): Zoos zwischen den Fronten –
Die Widersprüche von Natur- und Tierschutz.
Materialien für den fächerübergreifenden
Unterricht (o.O., o.J.).
Kommentierte Quellen im Netz
http://onlinekunst.de/tiere
www.ausgabe.natur-lexikon.com
www.tierlobby.de
Autorinnenverzeichnis / Museumsschule –
Museumsdienst Köln
Anja Hild: Museumschullehrerin für das
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation
Corboud und das Museum Ludwig im
Bereich der Sekundarstufe I, Unterrichtsbeauftragte für Kunst und ihre Didaktik an
der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät
der Universität Köln, Lehrerin für Kunst
und Deutsch an der Hauptschule Rendsburger Platz in Köln-Mülheim
Anita Kloten: Museumsschullehrerin für
das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation
Corboud und das Museum Ludwig im
Bereich der Sekundarstufe I und II
Lehrerin für Kunst und Philosophie am
Apostelgymnasium in Köln
Ulla Kriegeskorte: Ehemalige Museumsschullehrerin für das Wallraf-RichartzMuseum & Fondation Corboud und das
Museum Ludwig im Bereich der Primarstufe und ehemalige Lehrerin der Primarstufe
Alexa Schink: Museumschullehrerin für
das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation
Corboud und das Museum Ludwig im
Bereich der Primarstufe, Lehrerin an der
Katholischen Grundschule Mainzer Straße
Die Museumsschule: In der an den
Museumsdienst Köln angegliederten
Museumsschule arbeitet ein Team von
LehrerInnen der Primarstufe, Sekundarstufe
I und Sekundarstufe II zusammen, das
L I T E R AT U R
sowohl in der Schule als auch in den
Museen der Stadt Köln Klassen und Kurse
aller Schulformen unterrichtet. Der Unterricht vor Werken der Bildenden Kunst und
originalen Objekten aus Geschichte und
außereuropäischen Kulturen bringt durch
die unmittelbare Anschauung und originale
Begegnung kognitive und kreative Prozesse
in Gang.
Regelmäßig werden Lehrerfortbildungen zu
unterschiedlichen Themen der Museumssammlungen und zu Sonderausstellungen
angeboten und Unterrichtsmaterialien
erstellt.
Allgemeine
Informationen
Tierschau
Wie unser Bild vom Tier entstand
16. März bis 05. August 2007
Wallraf-Richartz-Museum &
Fondation Corboud
Obenmarspforten
50667 Köln
T 0221 / 221 211 19
F 0221 / 221 226 29
[email protected]
Öffnungszeiten
dienstags 10 – 20 Uhr
mittwochs bis freitags 10 – 18 Uhr
samstags und sonntags 11 – 18 Uhr
Eintritt (Sonderausstellung und Museum)
Einzelkarte 9 €
Ermäßigt 6 €
Kinder bis 16 Jahre und Kölner
Schulklassen haben freien Eintritt
Unterricht zur Sonderausstellung
Museumsschule c/o Museumsdienst
Köln, Richartzstr. 2-4, 50667 Köln.
61 T I E R S C H A U W I E U N S E R B I L D V O M T I E R E N T S TA N D
Bitte wenden Sie sich zur Absprache des
Unterrichts im Museum rechtzeitig an
die KollegInnen der Museumsschule:
• Alexa Schink (Primarstufe)
T 0221 / 221 237 09
• Anja Hild (Sekundarstufe I)
T 0221 / 221 240 44
• Anita Kloten (Sekundarstufe II)
T 0221 / 221 223 41
(Di, Mi, Do, Fr, 14 – 16 Uhr)
Führungen und Workshops zur
Sonderausstellung
Buchung möglichst 10 Tage im voraus bei:
Museumsdienst Köln
Richartzstr. 2-4
50667 Köln
T 0221 / 221 265 04 (Führungen)
T 0221 / 221 240 77 (Workshops)
F 0221 / 221 245 44
Lehrerfortbildungen
ausführliche Information und Anmeldung:
Museumsdienst Köln
T 0221 / 221 240 77
Do. 22.03.07, 16 Uhr
Wie leben Affen wirklich? (Kölner Zoo),
Anmeldung bis 16.03.07
Do. 29.03.07, 16 Uhr
Mensch und Tier,
Anmeldung bis 23.03.07
Sa. 21.04.07, 10 Uhr
Tierschau interdisziplinär – Museum/Zoo,
Anmeldung bis 13.04.07
Zooschule (Kölner Zoo)
T 0221 / 778 51 16
F 0221 / 778 51 11
[email protected]
Zoopädagogik
T 0221 / 778 51 42
[email protected]
A L L G E M E I N E I N F O R M AT I O N E N
Impressum
Herausgeber
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud und Museumsdienst Köln
Konzeption und Texte
Anja Hild, Anita Kloten, Ulla Kriegeskorte (a.D.), Alexa Schink (Museumsschule)
Redaktion
Romana Breuer
Idee und Konzept der Ausstellung
Andreas Blühm und Louise Lippincott
Gestaltung
Studio Roozen
Fotonachweis
Die Reproduktionsvorlagen wurden von den Eigentümern zur Verfügung gestellt.
Sabine Ahlbrand-Dornseif, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Münster, S. 9
Lars Lohrisch, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, S. 35 (unten)
Rheinisches Bildarchiv Köln, S. 35 (oben), 45, 46, 50
Ralph Essers, S. 10
Anita Kloten, S. 44
Bayer & Mitko, Artothek, Neue Pinakothek, München, S. 40, 42
Walter Klein, Düsseldorf, S. 58
Ladet/Photothèque des musées de la ville de Paris, S. 21, 25, 27
Umschlag: Tethard Philip Christian Haag, Orang-Utan, Erdbeeren fressend (Ausschnitt)
1777, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Umschlag innen: Ludger tom Ring der Jüngere, 1522-1584, Tierbild mit Ginsterkatze
(Ausschnitt), ca. 1560, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte,
Münster
Umschlag Rückseite: Frans Snyders, 1579-1657, Zwei junge Löwen (Ausschnitt),
ca. 1620-30, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
Herstellung
Druckhaus Locher
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des
Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud
© Museumsdienst Köln und Autorinnen, 2007

Documentos relacionados