Protokoll von Rechtsanwalt Werner Forkel

Transcrição

Protokoll von Rechtsanwalt Werner Forkel
Protokoll
Informationsveranstaltung
Geothermie Kehl
10.04.2014
I.
Vorbemerkungen
Die Inhalte der auf der Homepage der Stadt Kehl veröffentlichen Vorträge1 der Referenten werden als bekannt vorausgesetzt.
Dessen ungeachtet erfolgt hier eine Zusammenfassung auch der Vorträge.
Begrüßungen und allgemeine Äußerungen usw. werden hier ebensowenig wiedergegeben wie Selbstdarstellungen.
II.
Vorträge
1. "Funktionsweise, Chancen und Risiken der Geothermie"
Prof. Dr. Frank Schilling (Landesforschungszentrum Geothermie)
Der Referent erläuterte den Begriff der Geothermie (gespeicherte Wärmeenergie
in der Erde) anhand von Schaubildern.
Er erläuterte sodann die Nutzungsmöglichkeiten der Geothermie, die sich - grob
gesagt - in die oberflächennahe Geothermie (z. B. Erdwärmesonden) und die
Tiefengeothermie unterteilen lasse.
Bei der Tiefengeothermie unterscheide man zwischen hydrothermalen Systemen
und petrothermalen Systemen. Bei hydrothermalen Systemen seien durchlässige
wasserführende Strukturen vorhanden. Bei petrothermalen Systemen, die in das
kristalline Grundgebirge (Granit) vordringen, würden diese Strukturen durch hydraulische Stimulation erst geschaffen werden.
Der Referent erläuterte sodann einen typischen Bohrungsaufbau.
Die Risiken der Tiefengeothermie wurden vom Referenten an den Beispielen der
Hebungen und Rissbildungen in Landau sowie der Seismizität in Basel dargestellt. Als Beispiel für die Risiken der oberflächennahen Geothermie wurde das
Anbohren einer Gipskeuperschicht unter Staufen/Breisgau erörtert.
1 http://www.kehl.de/stadt/verwaltung/stadtnachrichten/20140411.php
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Genannt wurden sodann Beispiele für funktionierende Geothermie: Im Raum Paris/Frankreich gebe es über 40 Geothermieprojekte, die schon über 30 Jahre
laufen und deren Wärmepotentiale noch nicht erschöpft seien. In Bayern seien
(Stand: 2013) 14 hydrothermale Geothermieanlagen in Betrieb. Drei Anlagen
produzieren Strom. Fünf weitere Geothermievorhaben seien im Bau befindlich.
Der Wärmeverbund Riehen/Basel wurde als Beispiel für eine funktionierende
Wärmeversorgung genannt. Die Nutzung der Geothermie durch manche Thermalbäder rundete die Aufzählung der Beispiele ab.
Der Referent schloss mit dem Fazit, dass es bei der Geothermie darauf ankomme, wo und wie es gemacht werde.
2. "Welche Genehmigungsverfahren sind nach Bergrecht erforderlich?"
Abteilungsdirektor Axel Brasse (Regierungspräsidium Freiburg, Landesbergdirektion)
Zuständig bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme ist in Baden-Württemberg das Regierungspräsidium Freiburg, innerhalb dessen das Referat 97
"Landesbergdirektion". Bei der Landesbergdirektion handelt es sich um die
„Bergbehörde“ für Baden-Württemberg, die u. a. für Genehmigungen und die
Bergaufsicht zuständig ist.
Der Referent erläutert sodann, wie man sowohl als Kommune als auch als Bürger an Informationen zu Vorhaben komme. Als wichtigste Quelle wird die Information durch die Unternehmen selbst bezeichnet. Ergänzend verweist der Referent auf den auf der Homepage2 des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und
Bergbau (LGRB) im Regierungspräsidium Freiburg und den dortigen Kartenviewer sowie auf die auf der Homepage3 des Regierungspräsidiums Freiburg
aufzufindende "FAQ".
Hinsichtlich der Beteiligung und Information im bergrechtlichen Erlaubnisverfahren sei es so, dass die Bürger wiederum durch Beteiligung der Gemeinden informiert werden würden, so z. B. durch Besuch von Gemeinderatssitzungen und
Bürgerinformationsveranstaltungen. Dies erbringe die erste Möglichkeit der öffentlichen Befassung mit Aufsuchungsvorhaben. In erster Linie sei der private
Vorhabensträger - und dies früh - gefragt.
"Konkret" seien noch keine Vorhaben geplant. Zur Vergabe des Erlaubnisfeldes
Kehl wird dargestellt, dass ein Antrag seitens der GeoThermal Engineering
GmbH gestellt worden sei. Das Verfahren laufe seit dem 14.01.2009. Das Beteiligungsverfahren, das am 04.10.2013 begonnen habe, sei abgeschlossen. Die
Erlaubnis würde noch keine "Befugnis zum ersten Spatenstich" enthalten, es
handele sich um eine reine Konzession ohne Ausführungsplanung.
Bergrechtliche Betriebspläne werden im "Betriebsplanverfahren" erteilt. Erst die
sogenannte Zulassung eines Betriebsplans gestatte die "Errichtung" ("erster
Spatenstich") sowie später den Betrieb. Das Ganze erfolge abgestuft, d. h. die
2 www.lgrb-bw.de
3 www.rp-freiburg.de
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Betriebsplanzulassungen erfolgen jeweils nur schrittweise und auch nur befristet.
Überdies sei ein Stopp möglich.
Der typische Ablauf gestalte sich wie folgt:
1. Betriebsplan für Seismik (2D-Seismik, anschl. 3D)
2. Betriebsplan für Errichtung des Bohrplatzes
3. Bohrbetriebsplan
4. Betriebsplan für Tests…
5. fündig ja/nein ?
6. Betriebsplan für die Gewinnung/Abschluss
Das Erfordernis weiterer Genehmigungen bleibe von den Betriebsplanzulassungen unberührt. So sei z. B. eine Erlaubnis nach Wasserrecht erforderlich, wobei
hierüber die Bergbehörde im Einvernehmen mit der Wasserbehörde entscheide.
Darüber hinaus kämen weitere Genehmigungserfordernisse nach Naturschutzrecht, Immissionsschutzrecht, etc. in Betracht.
Zu den Voraussetzungen für jede Betriebsplanzulassung gehören unter anderem: die Zuverlässigkeit des Unternehmers, das Vorliegen einer Erlaubnis/Bewilligung, die erforderliche Fachkunde, die Einhaltung der „allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik“, sowie der Schutz der Beschäftigten. Darüber hinaus müsse der Schutz Dritter vor Gefahren, insbesondere vor schweren
Bergschäden sichergestellt sein, sogenannte Gemeinschäden dürfen nicht erwartet werden. Eine erforderliche Sicherheitsleistung zur Absicherung der Zulassungsvoraussetzungen sei vom Unternehmer ebenfalls zu erbringen. Über alle
Zulassungsvoraussetzungen fordere die Bergbehörde Unterlagen und Nachweise.
3. "Geothermie im Großraum Kehl"
Dr.-Ing. Horst Kreuter (GeoThermal Engineering GmbH)
Der Referent bzw. dessen Ingenieurbüro ist Bewerber (Antragsteller) für den
Claim (Erlaubnisfeld) Kehl. Er stellt zunächst sein Unternehmen, dessen Tätigkeitsfelder und seine internationalen Erfahrungen vor. Er verfüge über ein interdisziplinäres Team. Die Schwerpunkte der GeoThermal Engineering GmbH lägen auf den Gebieten Forschung & Entwicklung, Exploration und Beratung für
die Projektentwicklung geothermaler Projekte.
Der Oberrheingraben verfüge über gute Voraussetzungen für die Tiefengeothermie, nämlich einen hohen geothermischen Gradient, wasserführende Reservoire
in ausreichender Tiefe und vorhandene Kluftdurchlässigkeiten. Der Referent
zeigt hierzu einen Längsschnitt des Oberrheingrabens mit dessen Schichten.
Der Standort Neuried liege im Erlaubnisfeld Neuried, es bestehe eine Aufsuchungserlaubnis für Erdwärme und Sole. Geplant seien Bohrungen in sogenannte "Störungen" im Oberen Muschelkalk, im darunterliegenden Buntsandstein
und im Rotliegenden. Die dort zu erwartenden Temperaturverhältnisse seien für
die Stromerzeugung ausreichend. Bohrungen bis ins Grundgebirge (Granit)
seien nicht vorgesehen. Das Anlagenkonzept sehe eine Kombination zwischen
dem Geothermieprojekt, der vorhandenen Biogasanlage und einer Wärmeaus-
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kopplung (z. B. Holztrocknung) vor. Der geplante Standort des Kraftwerks sei an
der vorhandenen Biogasanlage. Vorteile des Geothermieprojekts Neuried seien:
Der Datensatz über die 3D-Seismik sei vorhanden, ein Gutachten zur Seismizität
liege bereits vor, die geologischen Zielformationen seien der Obere Muschelkalk
und der Buntsandstein, nicht aber das Grundgebirge, so dass keine petrothermale Nutzung stattfinde. Hohe Durchlässigkeiten in Störungszonen und ausreichende Durchlässigkeiten auch außerhalb von Störungszonen seien ebenfalls
vorhanden.
Hinsichtlich des Projekts Kehl stellte der Referent zunächst das Erlaubnisfeld
Kehl mit seinen dort lokalisierten Haupt- und Nebenstörungszonen vor und
zeigte einen geologischen Querschnitt des Erlaubnisfeldes mit dessen Schichten
und Temperaturverhältnissen. Das Nutzungskonzept Kehl sehe eine "mitteltiefe
hydrothermale Geothermie" vor mit einer Nutzung zur Wärme- und Kälteversorgung. Gebohrt werden solle am östlichen Rand von Kehl. Die Temperaturbereiche lägen bei 40 - 80°C für die Wärmeproduktion und bei 80 - 120°C für die
Wärme und Kühlung. Die Tiefenlage der Reservoire / Bohrteufen läge zwischen
1.000 m und 3.000 m. Geplant sei die Erschließung mittels einer Bohrdublette.
Eine hydraulische Stimulation sei nicht erforderlich. Das Erschließungsrisiko sei
gering. Das Projekt gewährleiste eine sichere und kostengünstige Energieversorgung ohne Kostensprünge über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren. Als
Beispiele stellte der Referent abschließend mehrere hydrothermale Projekte vor,
die erfolgreich realisiert worden seien.
4. "Risiken der Geothermie aus Sicht der besorgten bzw. geschädigten Bürger"
Werner Müller (1. Vorsitzender BI Landau-Südpfalz e. V.)
Der Referent zeigt anhand eines Bildes die Lage der Bodenveränderungen in der
Stadt Landau, ausgehend vom dortigen Geothermiekraftwerk. Eine Übersichtskarte zeigte die Lage von Erdbeben, Messstationen, Schadensmeldungen sowie
Schadensbeobachtungen, Radon-Konzentrationen, und geologischen Störungen. Die lokale Radon-Konzentration sei teilweise viel höher als anderswo. Anhand der Karte zeigte der Referent die Zusammenhänge zwischen Verlauf der
Störungen und der Schadensmeldungen und Schadensbeobachtungen auf. Über
100 Schäden seien an den Betreiber zwischenzeitlich gemeldet worden. Eine
Regulierung erfolge, wenn überhaupt, nur mittels pauschaler Abfindung mit Verschwiegenheitsverpflichtung.
Bei Rissen im Mauerwerk seien zur Beweissicherung gesetzte Gipsmarken danach ebenfalls gerissen. Tiefenwasserdampf sei über Weinberge hinweggeströmt. Bodenausgasungen von radioaktivem Radon hätte im Februar bei ansonsten kalter Witterung stellenweise einen sattgrünen Rasenstreifen hervorgebracht. Auf weiteren Bildern wurden große Risse in einer Hauswand, die Verfüllung von Salzsäure ins Bohrloch, sowie die Dampfschwaden von Thermalwasser
gezeigt, wobei die Zusammensetzung des Dampfes bis heute nicht nachgewiesen worden sei.
Der Referent ging des weiteren auf die Probleme mit den Gutachtern ein, die
vom Betreiber bezahlt werden und nicht neutral seien. Von ihm selbst eingeholte
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Gutachten bestätigen den Ursachenzusammenhang zwischen Geothermiebetrieb und Gebäudeschäden.
In Landau sei es nicht nur zu Bodenhebungen gekommen, sondern auch das
Grundwasser sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Bahngleise seien, wie ein
Bild des Vortrags deutlich zeige, durch die Hebungen verbogen worden. Die
Risse in den Straßen reichten tief und seien weit.
Bei der sogenannten "hydraulischen Stimulation" handele es sich Wirklichkeit um
Fracking, nur anders umschrieben. Dies sei im Jahr 2012 vom Referatsleiter des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auch so eingeräumt worden, dass Tiefengeothermie ohne Fracking nicht möglich sei.
Die Tiefengeothermie sei nicht regenerativ, weil es mehrere hundert Jahre dauere, bis die ursprüngliche Temperatur des Reservoir wieder vorhanden sei. Sie
sei auch nicht klimafreundlich, da bis zu 90% der dem Tiefenwasser entzogenen
Energie an die Umwelt abgegeben werde. Die Tiefengeothermie sei keine alternative Energiequelle, denn um ein Gaskraftwerk von ca. 300 MW zu ersetzen,
müssten ca. 100 Geothermie-Kraftwerke gebaut werden. Sie sei auch nicht
100% grundlastfähig.
Darüber hinaus sei die Tiefengeothermie nicht wirtschaftlich und in Wahrheit
auch keine kostenfreie, natürliche Energiequelle, sondern die teuerste. Basel,
Landau, Insheim und andere Projekte hätten bewiesen, dass die Auswirkungen
von induzierten Erdbeben nicht beherrschbar sind. Auf der Erdoberfläche sei
vergleichsweise der Flächenverbrauch, bezogen auf die Anlagenleistung, nicht
geringer gegenüber alternativer Energieerzeugung. Im Untergrund sei der Flächenverbrauch bzw. der Einfluss erheblich. Ein GKW beeinflusse ca. 5-10 Quadratkilometer im Untergrund.
Die Tiefen-Geothermie berge unbeherrschbare Gefahren und Risiken, wie z. B.
induzierte Erdbeben und permanente Erdschwingungen beim Betrieb, mögliche
Landabsenkungen und Hebungen wie jetzt in Landau, mögliche Gefährdung des
Grundwassers und des Trinkwassers, undichte Bohrungen, erhöhte Ausgasungen von Radon durch permanente Bodenbewegungen, Klimaerwärmung durch
Tiefenwasser-Rückkühlung, Emissionen durch möglicherweise belasteten Tiefenwasser-Dampf und zusätzliche radioaktive Belastungen, die entsorgt werden
müssen.
5. "Rechtliche Möglichkeiten Betroffener im Schadensfall"
Rechtsanwalt Werner Forkel
Der Referent gab einen Überblick über das Bergschadensrecht im Zusammenhang mit der Tiefengeothermie sowie Hinweise zur vorbeugenden Beweissicherung und zur Schadensregulierung.
Hierzu wurde zunächst der Begriff des Bergschadens im Sinne des BBergG erläutert, sowie, dass es sich bei der Bergschadenshaftung um eine Gefährdungshaftung handele. Aufsuchung oder Gewinnung von Erdwärme sei eine Bergbau-
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tätigkeit, ein Gebäudeschaden, hervorgerufen z. B. durch ein induziertes Erdbeben, sei ein Sachschaden im Sinne des Bergschadensrechts.
Nicht der gesamte Betrieb des GKW unterfalle dem Bergrecht, ein Schaden
obertägiger Genese sei kein Bergschaden. Die Bergschadenshaftung ende da,
wo auch die Bergaufsicht ende. Als Abgrenzungspunkt sieht die herrschende
Meinung den Wärmetauscher zwischen dem Primär- und dem Sekundärkreislauf,
was anhand einer schematischen Darstellung erläutert wurde.
Erläutert wurde sodann, dass sich Umfang der Haftung und Verjährung von Ersatzansprüchen im wesentlichen wie gemäß BGB darstellen. Ersatzpflichtig
seien als Gesamtschuldner der Bergbauunternehmer und der Bergbauberechtigte. Kein Direktanspruch bestehe hingegen gegenüber dem betreiberseitigen
Haftpflichtversicherer, auch nicht im Falle der Insolvenz, da es sich nicht um eine
Pflichtversicherung im Sinne des § 113 VVG handele.
Die Beweislast trage - vorbehaltlich einer etwaigen Anwendbarkeit des § 120
BBergG - in vollem Umfang der Geschädigte, so z. B. für die Kausalität zwischen
Geothermiebetrieb und Erdbeben, zwischen Erdbeben und dem Schaden sowie
für die Schadenshöhe.
Erläutert wurde sodann die Regelung der Bergschadensvermutung in § 120
BBergG. Es handele sich nicht um eine Beweislastumkehr, sondern nur um einen widerlegbaren Anscheinsbeweis. Darüber hinaus gebe es Ausschlüsse, bei
denen die Bergschadensvermutung von vornherein nicht greife. Der Betreiber
habe jederzeit, auch wenn keiner der expliziten Ausschlussgründe vorliege, die
Möglichkeit, die Vermutung zu widerlegen. Praktische Bedeutung habe die Bergschadensvermutung kaum, wie die geringe Anzahl der Gerichtsentscheidungen
zu § 120 BBergG zeige. Entschieden werden solche Streitigkeiten letztlich meist
durch Sachverständige, so dass es auf die Vermutung nicht mehr ankomme.
Überhaupt sei angesichts des Tatbestandsmerkmals "untertägig" in § 120
BBergG zweifelhaft, ob die Bergschadensvermutung auf die Tiefengeothermie
überhaupt anwendbar sei. Während die eine Meinung der Auffassung sei, Bohrlochbergbau sei etwas grundlegend anderes als der untertägige Bergbau und
überhaupt würde von Übertage aus gebohrt, vertrete die Gegenmeinung die
Auffassung, dass der überwiegende Teil bei der Tiefengeothermie untertägig
stattfinde, so z. B. die hydraulische Stimulation und das Reservoir sei ebenfalls
untertägig. Gerichtlich sei die Frage, ob die Bergschadensvermutung auf die Tiefengeothermie überhaupt anwendbar sei, noch nie entschieden worden.
Dargestellt wurde sodann, dass sich die Betreiber regelmäßig auf die DIN 4150
berufen. Erläutert wurde der Aussagegehalt der DIN 4150, dass bei Schwingungsgeschwindigkeiten unter 5 (bzw. bei empfindlichen Gebäuden 3) mm/sek.
angeblich keine Schäden an Bauwerken auftreten sollen. Die DIN 4150 sei bei
Erdbeben nicht brauchbar, da sie zur Genese des Bebens keine Aussage treffe,
auch keine Beweislastumkehr biete und überhaupt nur für Schäden durch Bautätigkeit entwickelt worden sei. Schwinggeschwindigkeiten würden örtlich stark differieren, eine Mikrozonierung und ein dichtes Messnetz seien erforderlich. Letztlich verwies der Referent auf den BGH, der die DIN 4150 als rechtlich nicht verbindlich, sondern nur als antezipiertes Sachverständigengutachten ansehe und
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bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1998 auch bei Schwinggeschwindigkeiten
unter den Anhaltswerten der DIN 4150 Schadensersatz zugesprochen habe.
Der Referent stellte sodann weitere Einwendungen dar, die Betreiber üblicherweise vorbringen, so als Ursachen für den Schaden ein natürliches Erdbeben,
Baumängel, fehlerhafte Statik, „die üblichen Setzungsrisse“, Ungeeignetheit des
Baugrundes, Erschütterungen durch Schwerlastverkehr oder Bauarbeiten, der
Baugrund habe sich von selbst verändert, starke Windlasten hätten auf das Gebäude eingewirkt oder die Risse seien schon vorher dagewesen. Bei mehreren
Geothermiekraftwerk in der Gegend könne auch der Einwand kommen, das andere (benachbarte) Geothermiekraftwerk sei schuld. Schließlich erläuterte der
Referent noch die Problematik des Abzugs „Neu für Alt“ sowie den Fall des wirtschaftlichen Totalschadens.
Erörtert wurden sodann die Möglichkeiten einer vorbeugenden Beweissicherung,
etwa durch Lichtbilder, Zeugen und Privatgutachten oder aber durch den Betreiber, falls dieser dergleichen anbiete. Die Vor- und Nachteile beider Varianten
wurden dargestellt. Eingegangen wurde anschließend auf die sachgerechte außergerichtliche Geltendmachung von Schäden. Auch hier sei die Beweissicherung wichtig. Schlussendlich zeigte der Referent an einem Schadensbeispiel für
den Fall einer gerichtlichen Geltendmachung des Schadens das mögliche Prozesskostenrisiko auf, insbesondere, dass das Prozesskostenrisiko den Schadensbetrag ohne weiteres deutlich übersteigen könne.
6. "Versicherungsrechtliche Aspekte zur Geothermie"
Lutz Torbohm (AIG Europe Ltd., Frankfurt a.M.)
Der vom Referenten repräsentierte Versicherer versichere alle versicherbaren
Risiken rund um die Tiefengeothermie als Gesamtpaket.
Zu unterscheiden sei zwischen Versicherungen für Eigenschäden des Betreibers
als Versicherungsnehmer und Versicherungen für Schäden Dritter.
Die Haftpflichtversicherung umfasse folgende Risiken: Betriebshaftpflicht, Produkthaftpflicht,
Umwelthaftpflicht,
Umweltschaden.
Das
Geothermie/Bergschadenhaftpflicht-Risiko werde durch eine Kanalisierung aller zivilrechtlicher Schadensersatzrisiken in einem eigenen Vertragsteil erfasst.
Die Bergschaden-Haftpflichtversicherung umfasse die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des Versicherungsnehmers sowie der mitversicherten Unternehmen wegen Bergschäden durch die Geothermie. Dies umfasse wiederum
Ansprüche Dritter wegen Schäden durch Errichtung, Betrieb oder Rückbau eines
Geothermie-Kraftwerks (GKW), wobei "Dritter" jede natürliche oder juristische
Person sei, die nicht der Sphäre des Betreibers zuzuordnen sei (z. B. Eigentümer
Nachbargrundstück, Einwohner, Passanten). Versichert seien Personenund/oder Sachschäden sowie daraus resultierende Vermögensfolgeschäden, für
die der Betreiber des GKW aufgrund gesetzlicher Bestimmungen hafte (z.B.
BGB, BBergG, UHG, WHG, usw.). Die Höhe der Absicherung richte sich nach
der vereinbarten Versicherungssumme.
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Auch in diesem Referat wurde darauf hingewiesen, dass der Geschädigte die
Beweislast trage, die Bergschadenshaftung aber verschuldensunabhängig sei.
Auf die Existenz des § 120 BBergG wurde vom Referenten hingewiesen.
Das Dreiecksverhältnis zwischen dem Betreiber und Geschädigtem einerseits
und zwischen dem Betreiber als Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer andererseits wurde dargestellt. Der Geschädigte habe einen Anspruch
gegen den Betreiber aufgrund des erlittenen Schadens. Der Betreiber wiederum
habe einen Anspruch auf Freistellung von gesetzlichen Schadensersatzansprüchen Dritter im Rahmen und Umfang des abgeschlossenen Versicherungsvertrages. Den Versicherer trifft gegenüber dem Betreiber eine Leistungspflicht zur
Regulierung des Schadens nach Sach- und Rechtslage.
Einen Direktanspruch des Geschädigten gebe es nicht, jedoch eine Nachweispflicht über den Abschluss einer Bergschaden-Haftpflichtversicherung gegenüber
der Genehmigungsbehörde. Der Versicherer sei verpflichtet, dem Bergamt die
Beendigung oder Kündigung des Versicherungsvertrages sowie Änderungen des
Versicherungsvertrages unverzüglich mitzuteilen.
In dem Versicherungspaket seien spezielle Regelungen für die Tiefengeothermie
getroffen worden. Hierzu gehöre eine explizite Einbeziehung von Bergschäden
bzw. Ansprüchen auf Grundlage des BBergG, eine Mitteilungspflicht des Versicherers gegenüber dem Bergamt, in Absprache mit dem Versicherungsnehmer
die Einbeziehung einer „Ombudsmann-Regelung“ zur vereinfachten Abwicklung
von Sachschäden bis zu einer festgelegten Höhe, in Absprache mit Versicherungsnehmer eine Vereinbarung einer Regelung zur Anwendung einer Schadensvermutung zu Lasten des Betreibers bei seismischen Ereignissen und Überschreitung eines festgelegten Schwellenwertes für das seismologische Monitoring. Bei der „Ombudsmann-Regelung“ könne der Ombudsmann, der eine neutrale Person sein solle, Schäden bis zu einer definierten Höhe unbürokratisch regulieren. Was die der Bergschadensvermutung nachgebildete Schadensvermutung bei seismologischen Effekten angehe, so orientiere sich diese an der Überschreitung des vom zuständigen Bergamt vorgegebenen niedrigsten Schwellenwert im vorgeschriebenen seismologischen Monitoring, wobei der Betreiber die
Möglichkeit behalte, sich zu entlasten. Könne der Betreiber (VN) die Schadensvermutung nicht widerlegen, sei vom geschädigten Dritten weder Kausalität noch
Verschulden nachzuweisen.
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III.
Fragen aus dem Publikum
Die Namen der Fragesteller werden, da teilweise nicht verständlich und im Übrigen
für die Sache auch nicht relevant, nicht wiedergegeben. Die antwortenden Referenten werden in diesem Abschnitt nur mit dem Nachnamen angegeben. Titel, Vornamen, Amtsbezeichnungen usw. können den obigen Ausführungen entnommen werden.
Frage:
Brasse:
Was kann getan werden, um die Bohrgenehmigung für Neuried zu
beseitigen?
Gegen die Bohrgenehmigung kann Klage erhoben werden.
Frage:
Was ist der "Schwellenwert"? Wie hoch ist dieser Wert?
Torbohm: Der Schwellenwert wird vom Bergamt für das von ihm geforderte
seismologische Monitoring dem Betreiber vorgegeben.
Frage:
Kreuter:
Wie sieht es mit der Regulierung aus, falls die Versicherungssumme
nicht ausreicht?
Die Versicherung stellt eine Begrenzung nach oben dar. Im Übrigen haftet
der Betreiber mit seinem Vermögen.
Frage:
Kreuter:
Wie soll das seismische Monitoring exakt gemacht werden?
Es gibt einige Stationen des Landes im Oberrheingraben. Es werden mehrere Geophone rund um das Projekt platziert Die Abstände der Geophone
sind von der Bohrtiefe abhängig. Die Geophone messen selbst kleinste
Erschütterungen, die der Mensch an der Oberfläche nicht bemerkt.
Frage:
Brasse:
Gibt es eine Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung?
Es gibt keine unmittelbare gesetzliche Pflicht, aber die Haftpflichtversicherung wird als Auflage gefordert. Allerdings noch nicht für die Bohrung in
Neuried, weil während der Bohrung in Neuried noch keine relevante
Seismizität zu erwarten ist.
Frage:
Welche Gesellschaftsform hat die Firma von Herrn Kreuter? Wie
hoch ist deren Stammkapital? Wie sieht es mit der Haftung für Schäden aus?
Es handelt sich um eine GmbH mit einem Stammkapital in Höhe von
25.000,00 €. Das ist das Ingenieurbüro. Für das eigentliche Projekt wird
eine GmbH & Co. KG gegründet, die dann finanziell so ausgestattet wird,
dass sie den Anforderungen gerecht werden kann. Wir wollen keine
Schäden verursachen. Falls es Schäden gibt, dann gehen diese nicht in
hohe Größenordnungen, bestenfalls handelt es sich um Putzrisse.
Kreuter:
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Frage:
Welche Gesellschaftsform hat die Versicherung? Gibt es eine
Rückversicherung?
Torbohm: Es handelt sich um eine englische Limited. Sie unterliegt der britischen
Versicherungs-/Finanzdienstleistungsaufsicht, die mit dem BaFin kooperiert. Die AIG ist ein Erstversicherer, kein Rückversicherer. Die AIG kauft
Rückversicherungsschutz entsprechend der festgelegten Geschäftspolitik
ein.
Frage:
Brasse:
Gibt es eine "Versicherung von Staats wegen", also einen Schadensfonds?
Das ist eine politische Frage.
Frage:
Wie hoch ist die Förderrate? Wie sieht das mit dem Kreislauf aus?
Schilling: Es kommt darauf an. Die Förderrate richtet sich nach Druck und Volumen.
Wenn es keine Konnektivität gibt, steigt der Druck in abgeschlossenen
Systemen durch Injektion. In Paris und Bayern hat man keine deutliche
Druckerhöhung festgestellt, also gibt es dort einen Kreislauf. Das Risiko
nimmt in erster Näherung mit dem Druck im Quadrat zu, also Druck * 4 =
Risiko * 16. Die Bergbehörde hat in der Vergangenheit in Auflagen Druckbegrenzungen vorgesehen. Die Ringraumüberwachung (Stahl-BetonStahl) ist wichtig. Bei Druckerhöhung im Ringraum kann eine Leckage
vorliegen.
Müller:
(als Anmerkung hierzu) Die Überwachung hat in Landau nicht funktioniert.
Erdbeben können die Zementierung zerstören, daher ist die Dichtigkeit
nicht gewährleistet.
Frage:
Kreuter:
Frage:
Brasse:
Frage:
Kreuter:
Welche thermische und welche elektrische Leistung ist geplant? Warum wird das so nah an einem Wohngebiet gemacht?
Das Projekt wird in einem Gewerbegebiet angesiedelt. Wärmenutzende
Gewerbebetriebe sollen dort angesiedelt werden. Die Stromgewinnung ist
abhängig von Durchflussrate und Temperatur, ich schätze ca. 3,5 bis 4
Megawatt Nennleistung.
Wie soll ich die Kausalität belegen? Ich kann mich nicht auf die
Messwerte des Betreibers verlassen.
Der Bergbauunternehmer ist verantwortlich. Das Bergamt hinterfragt nur
die Sicherheit des Systems und hat Zugriff auf die Daten des Betreibers.
Was hat man aus den bisherigen Projekten (z. B. Landau) gelernt?
Wer sorgt dafür, dass diese Fehler zukünftig vermieden werden?
Vorsorge wird betrieben durch 3D-Seismik. In Landau gab es nur eine 2DSeismik. Es wird genauer auf die Vollständigkeit der Zementierung geachtet und der Ringraumdruck wird überwacht.
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Frage:
Kreuter:
Wo sind die Bohrlandepunkte?
Das kann erst nach der 3D-Seismik bestimmt werden.
Frage:
Brasse:
Wo kann man Planunterlagen einsehen?
Man sollte die Unternehmen nach den Unterlagen fragen.
Frage:
Wie ist die Wirtschaftlichkeit der Geothermiekraftwerke? Woher kommen die Fördergelder?
80% der Bohrkosten bekommt der Unternehmer erstattet, gleich, ob die
Bohrung erfolgreich ist oder nicht. Die Einspeisevergütung sorgt für die
Rentabilität der Geothermie. Die Geothermie ist nicht grundlastfähig.
Müller:
Frage:
Brasse:
Frage:
Brasse:
Am 4.10. soll eine Bürgerbeteiligung in Goldscheuer gewesen sein?
Wo und wann?
Es gab keine Bürgerbeteiligung mangels entsprechender Rechtsgrundlage.
Warum wird keine Mindest-Versicherungssumme von 1 Milliarde €
verlangt?
Grundlage für die Bemessung der geforderten Versicherungssumme waren die Schäden in Landau und Basel.
Frage:
Forkel:
Wie kann man das Projekt proaktiv verhindern?
Die beste Art, Schäden zu vermeiden, ist es, das Projekt zu stoppen. Im
baurechtlichen Bereich gibt es einen Bebauungsplan in Neuried, der möglicherweise noch angegriffen werden kann. Hierbei sind allerdings Präklusionsvorschriften zu beachten. Zuständig ist der VGH Mannheim. Die Frist
für die Anfechtung beträgt ein Jahr. Die spätere Baugenehmigung könne
dann etwaig auch angegriffen werden. Maßgeblich ist die Verletzung eigener Rechte. Was die bergrechtliche Seite angeht, sind die Zirkulationsversuche und der Dauerbetrieb schadensträchtiger. Die Anfechtung der
Bohrung als solcher verspricht kaum Erfolg. Die Betriebspläne können
durch Klage angefochten werden. Die Frist für Nichtadressaten der Bescheide beträgt ein Jahr.
Frage:
Müller:
Welche Veränderungen gibt es im Grundwasser in Landau?
Es wurden Arsen und Schwermetalle gefunden. In 30 bis 40 Jahren kann
die Verunreinigung bis zum Trinkwasservorkommen gelangen. Die Gefahr
ist langfristig und permanent.
Frage:
Ist Geothermie in Kehl-Goldscheuer sicher?
Schilling: In Baden-Württemberg gibt es seit mindestens 20 Jahren eine
Risikobewertung durch Gutachten. Es gilt im Bergbau der Grundsatz "Vor
der Hacke ist es duster". Die Frage kann letztlich nicht beantwortet wer-
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den, bevor man nicht abgeteuft hat. Die Bohrung muss unten sein. Erst
nach zweiter oder ggfls. dritter Bohrung kann das Risiko für den Betrieb
abschließend bewertet werden. Dies sollte vor Inbetriebnahme der Anlage
geschehen. Die Risikobewertung basiert auf zehntausenden von Tiefbohrungen. Aus denen ist bekannt, dass bei Beachtung der einschlägigen
Regelungen Schäden vermieden werden können. Seismizität führt bei
sehr geringen Magnituden nicht zu Schäden. Messtechnisch werden
heute Bodengeschwindigkeiten aus Seismizität bestimmt, die wesentlich
kleiner sind, als die Erschütterungen die durch vorbeifahrende PKWs verursacht werden.
Frage:
Forkel:
Kann man die Bohrgenehmigung anfechten wegen der Frage der Betondauersicherheit?
Die Frage der Dauer der Betonhaltbarkeit spielt sicher eine Rolle. Die
Langzeithaltbarkeit von Beton ist offen. Wenn das nach 40 Jahren zusammenbröselt und es eine Stockwerksverbindung gibt, dann können
Schäden eintreten, z. B. für die Wasserwirtschaft. Die ungewisse Dauer
der Langzeithaltbarkeit von Beton ist somit ein erwägenswerter Punkt für
eine etwaige Klage.
Frage:
Wie hoch ist das Risiko bei der Bohrung für die Bürger tatsächlich?
Schilling: Es besteht eine seismische Gefährdung. Überschwere Spülungen können
ebenfalls kritisch sein. Wenn sie zu stark sind, kann das Gestein aufbrechen, was wiederum zu Seismizität führt. Man muss auch auf Spülungsverluste achten.
Frage:
Kreuter:
Brasse:
Wer zahlt unbürokratisch unsere Schäden?
Es gibt eine Art Beweislastumkehr und einen Ombudsmann.
Wir richten uns nach der DIN 4150 Teil 3. Der Schwellenwert für die
Abschaltung ist in Rheinland-Pfalz bei 10 mm/sek., bei uns aber deutlich
niedriger. die 5-mm-Schwelle soll laut Genehmigung in Baden-Württemberg nicht erreicht werden.
Frage:
Die Gemeinde Neuried hat das Geothermieprojekt verlassen. Welche
Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?
Das war eine Entscheidung der Gemeinde.
Kreuter:
Frage:
Kreuter:
Frage:
Man habe nicht berücksichtigt, dass unter Goldscheuer gebohrt
werde. Liegt hierin ein Verfahrensfehler?
Zunächst muss die 3D-Seismik gemacht werden. Ob unter Goldscheuer
gebohrt wird, steht noch nicht fest.
Haben sich Deutschland und Frankreich - letzteres im Hinblick auf
das bei Straßburg geplante Projekt - untereinander abgestimmt?
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Brasse:
Ich kann nur für mein Referat sprechen. Wir haben keine Kenntnisse über
das französische Projekt.
Frage:
Geoenergy will in Brühl Strom erzeugen. Mit höherer Wassermenge
kann man den Gewinn maximieren. Wer ist zuständig für die Kontrolle des Kopfdrucks?
Die Bemessung des Kopfdrucks gehört zum bergrechtlichen Teil, daher ist
auch für die Kontrolle das Bergamt zuständig.
Forkel:
Datum der Protokollfertigstellung: 28.05.2014
Werner Forkel