PDF-Download - Bundesverwaltungsgericht

Transcrição

PDF-Download - Bundesverwaltungsgericht
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 56.13
OVG 4 L 82/11
In der Verwaltungsstreitsache
-2-
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Januar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 647,99 € festgesetzt.
Gründe:
1
Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
2
a) Die Klägerin möchte geklärt wissen:
„ob dem Grundstückseigentümer im Sinne überregionaler
Vermittlungs-/Vermietungsbemühungen überregionale
Zeitungsinserate und Internetangebote gleichzeitig zumutbar/zuzumuten sind (oder ob unter Berücksichtigung des
Objektcharakters, des Marktsegments und der Marktsituation ein Vermietungsangebot <allein> in Internetportalen
ausreicht),
ob in dem Fall, dass Vermietungsangebote in Internetportalen ausreichen, ein dauerhaftes Angebot in mindestens
zwei Internetportalen erforderlich ist“.
3
Diese Fragen zu § 33 Abs. 1 Satz 1 des Grundsteuergesetzes in der Fassung
vom 7. August 1973 (BGBl I S. 965 - <GrStG a.F.>) bedürfen - soweit sie überhaupt einer verallgemeinerbaren Antwort zugänglich sind - keiner Klärung in
einem Revisionsverfahren.
-3-
4
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage
des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) von Bedeutung war, deren noch
ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist
und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung
des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 2. August 2006
- BVerwG 9 B 9.06 - NVwZ 2006, 1290). An einer Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinne fehlt es, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres
aus dem Gesetz oder aufgrund in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Rechtsgrundsätze ergibt. So liegen die Dinge hier.
5
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG in der am 31. Dezember 2007 außer Kraft getretenen, hier aber noch anwendbaren Fassung vom 7. August 1973 (BGBl I
S. 965) wird bei Minderung um mehr als 20 vom Hundert des normalen Rohertrags des Steuergegenstandes bebauter Grundstücke die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht, wenn der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht
zu vertreten hat. Insoweit fehlt den von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen
die grundsätzliche Bedeutung nicht schon deshalb, weil diese sich auf ausgelaufenes Recht beziehen. Denn offensichtlich stellen sie sich im Rahmen des
geltenden Rechts in gleicher Weise wie bei der früheren Gesetzeslage (vgl.
auch Beschluss vom 30. März 2005 - BVerwG 6 B 3.05 - juris Rn. 5 f.). Die
Nachfolgeregelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG (in der Fassung vom
19. Dezember 2008, BGBl I S. 2794) ist hinsichtlich des Merkmals des „Nichtvertretenmüssens“ unverändert geblieben. Wann ein Steuerpflichtiger die Ertragsminderung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG nicht zu vertreten hat, ist in
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch geklärt und ergibt
sich im Übrigen aus einer sachgerechten Auslegung der Vorschrift selbst.
6
Ein Steuerpflichtiger hat eine Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn
sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen, d.h.
wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten
herbeigeführt hat noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maß-
-4-
nahmen hat verhindern können (Urteile vom 15. April 1983 - BVerwG 8 C
150.81 - BVerwGE 67, 123 <126> und vom 25. Juni 2008 - BVerwG 9 C 8.07 Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 28 Rn. 18; vgl. auch Abschnitt 38 Abs. 2 der
Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Grundsteuer-Richtlinien 1978
<GrStR 1978> sowie BTDrucks VI/3418 S. 95). Welche Umstände ein Steuerpflichtiger zu vertreten hat, ist durch Auslegung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG
zu ermitteln. Insbesondere der Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift hineingestellt ist, ergibt, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Grundsteuer als
ertragsunabhängige Objektsteuer eine Durchbrechung dieses Grundsatzes in
Ausnahmefällen zulässt, in denen die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer
für den Abgabenpflichtigen nicht mehr zumutbar ist. Beruft sich der Steuerpflichtige auf eine wesentliche Ertragsminderung, so kann von einer die Grenze
der Zumutbarkeit überschreitenden Belastung aber keine Rede sein, wenn der
Steuerpflichtige selbst durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Ursache für
die Ertragsminderung herbeigeführt oder es unterlassen hat, den Eintritt der
Ertragsminderung durch solche geeigneten Maßnahmen zu verhindern, die von
ihm erwartet werden konnten (Urteile vom 15. April 1983 a.a.O. S. 126 f. und
vom 25. Juni 2008 a.a.O. Rn. 19 f.). Ist die Ertragsminderung - wie hier - durch
einen Leerstand des Objekts bedingt, so hat der Steuerpflichtige die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung
der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat (Urteil vom
6. September 1984 - BVerwG 8 C 60.83 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 22
S. 18; BFH, Urteil vom 24. Oktober 2007 - II R 5/05 - BFHE 218, 396 <400 f.>;
vgl. schon Abschnitt 38 Abs. 4 Satz 1 GrStR 1978; Moll, KStZ 1978, 86 <88>).
Unter welchen Bedingungen dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die
sich einer allgemeingültigen Antwort entzieht. Ob der Steuerpflichtige nachhaltige Vermietungsbemühungen unternommen hat, ist jeweils unter den gegebenen Umständen zu prüfen. Im Einzelnen können etwa der Objektcharakter, der
Objektwert, die angesprochene Marktstruktur bzw. das angesprochene Marktsegment sowie die Marktsituation vor Ort berücksichtigt werden (vgl. nur OVG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Juni 2011 - 9 B 16.10 - juris Rn. 22 ff.).
-5-
7
Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Erforderlichkeit einer bestimmten Anzahl und Kombination von Zeitungs- oder Internetinseraten lassen
sich danach nicht fallübergreifend beantworten (vgl. zu möglichen Kriterien, jeweils die Einzelfallabhängigkeit betonend Troll/Eisele, Grundsteuergesetz,
10. Aufl. 2010, § 33 Rn. 17; Puhl, KStZ 2010, 88 <89 f.>). Über die abstrakten
Rechtssätze hinausweisende zusätzliche Erkenntnisse, die in dem erstrebten
Revisionsverfahren gewonnen werden könnten, sind mit der Beschwerde nicht
dargetan. Das gilt auch, soweit die Beschwerde es als klärungsbedürftig bezeichnet, ob Vermietungsbemühungen allein im Internet, gegebenenfalls in einem einzigen Internetportal, im Rahmen des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG überhaupt ausreichen können. Dass es keinen Rechtssatz gibt, der dies von vornherein ausschließt, liegt aus den vorstehenden Gründen auf der Hand, ohne dass
es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Der Sache nach
zielt die Klägerin vielmehr auf die dem angefochtenen Urteil insoweit zu Grunde
liegende rechtliche und tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts, ohne
den fallübergreifenden Klärungsbedarf darzulegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Allein der Umstand, dass die hier in Frage stehende konkrete Fallkonstellation
noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist,
begründet keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
8
b) Der weiteren Frage,
„ob und inwiefern ein Grundstückseigentümer im Rahmen
seiner Vermarktungsmöglichkeiten verpflichtet ist, auf die
Möglichkeit einer Sanierung nach den Wünschen der zukünftigen Mieter hinzuweisen“,
kommt eine grundsätzliche Bedeutung schon deswegen nicht zu, weil sie sich
dem Berufungsgericht nicht gestellt hat und deshalb in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die Klägerin in ihren Inseraten bzw. Anzeigen
auf die Möglichkeit einer Sanierung des Objekts nach den Wünschen der zukünftigen Mieter hätte hinweisen müssen (UA S. 7). Rechtsfragen, die sich für
die Vorinstanz nicht gestellt haben oder auf die sie nicht entscheidend abgehoben hat, können regelmäßig nicht zur Zulassung der Revision führen (Beschlüsse vom 21. September 1993 - BVerwG 2 B 109.93 - Buchholz 310 § 137
-6-
VwGO Nr. 181 S. 32 m.w.N. und vom 26. August 2013 - BVerwG 9 B 13.13 - juris Rn. 4 m.w.N.).
9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Dr. Bier
Buchberger
Prof. Dr. Korbmacher