das teppichmagazin05 Belutsch Gatschme ·Opulenz und Prunk

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das teppichmagazin05 Belutsch Gatschme ·Opulenz und Prunk
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Belutsch Gatschme · Opulenz und Prunk
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torba editorial
D E R B L AU E R E I T E R
Dieser romantische Name bezieht sich nicht etwa auf die Geschichten im Buch «Tausend und eine Nacht». Vielmehr bezeichnet er eine Künstlergruppe, die 1910 in München von Wassily
Kandinsky und einer Handvoll anderer Maler gegründet wurde,
um die abstrakte Kunst zu fördern. Weitere ähnliche Bewegungen
folgten dieser Gruppe, darunter «De Stijl», eine seit 1917 von
Piet Mondrian herausgegebene holländische Zeitschrift. Diese
Künstler priesen den Verzicht auf alle überflüssigen dekorativen
Formen an und schufen einfache Kompositionen, die nur
quer laufende und senkrechte Linien und nur Elementarfarben
enthielten.
Hundert Jahre später sind die gleichen Tendenzen in der
Musterung des Orientteppichs zu erkennen. Die Reduktion auf
die Einfachheit fing mit dem Gabbeh Art an, und jetzt verkaufen
wir Kashguli fast ohne Muster.
Bereits aber sind gewisse Zeichen einer Trendwende zu
beobachten. Einige junge Dekorateure schätzen die Echtheit der
traditionsreichen Motive wieder. Tradition oder Modernität?
Dies ist die Frage. Es wird immer Anhänger von abstrakter
Kunst geben und auch Liebhaber, welche die traditionsreichen
Gegenstände als Übermittler alter Symbole schätzen. Vergessen
wir nicht, dass uns der klassisch gemusterte Teppich eine aus
vergangenen Zeiten stammende Botschaft übermittelt.
Jacques Gans
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inhalt 05
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trend
04 Teppichkunst
report
08 Belutsch Gatschme
focus
14 Vom Kokon zum
Rückzug ins Private
ambiance
18 Opulenz und Prunk:
Der neue Trend
story
22 Die miesen Freunde
gourmet
23 Kaschmirtee
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13. Jahrgang. Eine Publikation der SOV (Schweizerische Orientteppichhändler Vereinigung). Herausgeberin: SOV. Erscheint mindestens einmal jährlich in deutscher und
französischer Sprache. Erhältlich in allen SOV-Fachgeschäften oder über die Redaktion im Abonnement. PC Konto 80-28167-7 (CHF 20 für vier Ausgaben). Redaktionsadresse:
Postfach 361, 3250 Lyss, e-mail: [email protected], Homepage: www.sov-et.ch. Redaktionsteam: Nils Blättler, Jacques Gans, Edi Kistler, Alain König. Übersetzung: Jacques Gans. Redaktionelle Beratung
und Lektorat: Alice Baumann, Journalistin BR, Bern. Gestaltung: Oliver Salchli, Biel. Lithografie: Edi Kistler. Druck: Farbendruck Weber AG, Biel. Autoren und Fotografen dieser Ausgabe:
Niels Blättler, Edi Kistler, Alain König, Möbel Pfister. Das Copyright der Texte und Fotos liegt bei den Autoren und Fotografen. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit deren Genehmigung gestattet
(Kontakt über die Redaktion). Titelbild: Belutsch Gatschme, 151 x 198 cm.
«torba» bedeutet im Türkischen «Tasche». Im möbellosen Haushalt der Nomaden enthält sie Vorräte und Gebrauchsgegenstände; sie wird im Zelt aufgehängt und ist auf der Vorderseite kunstvoll geknüpft
oder gewebt. «Die Hand der Fatima», das Signet der SOV, ist ein Schutz- und Glücksymbol mit magischen Kräften: Es soll Böses abwenden und seinem Besitzer Glück bringen.
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Seit Jahrhunderten kennen nomadische Völker die Technik des
umschlingenden Wickelns in der Kombination mit Knüpfen.
Diese gemischte Technik erstrahlt nun in einem neuen Gewebe:
dem «Belutsch Gatschme».
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196 x 297 cm
201 x 305 cm
TEPPICHKUNST
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198 x 242 cm
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T E X T U N D F OTO S E D I K I S T L E R
Wir können uns beim Betrachten an den vielen
eingewobenen und geknüpften Sujets wie
Menschen, Schafe, Ziegen, Dromedare, Hühner,
Pfauen, Pferde, Sterne und den vielen Symbolen
erfreuen. Das Reliefartige – geknüpft und
gewoben – gibt diesem Teppich eine plastische
dreidimensionale Wirkung.
Das Gehen darauf vermittelt ein interessantes,
anregendes Gefühl.
Dieser exklusive Nomadenteppich aus dem
Südostiran verschönert das Zuhause, schafft eine
angenehme Atmosphäre und bietet eine Fülle
von Möglichkeiten für eine individuelle
Gestaltung aller Wohnbereiche.
Der «Belutsch Gatschme» ist Teppichkunst,
die der etwas kalten Moderne gut tut.
Die von Hand gesponnene Zagrosbergwolle ist
mit natürlichen Farben eingefärbt.
101 x 197 cm
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201 x 257 cm
117 x 167 cm
204 x 280 cm
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B E L U T S C H G AT S C H M E
83 x 115 cm
120 x 157 cm
118 x 120 cm
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B E L U T S C H G AT S C H M E
Seit vier Jahren freuen wir uns, in unseren Geschäften eine besondere
Art von Teppich anbieten zu können: den Belutsch Gatschme.
Mein Interesse zur genauen Herkunft, Herstellung, Organisation usw.
war natürlich sehr gross. Unser Händler ermöglichte es mir, in dieses
Gebiet zu reisen.
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Am 24. Juni 2005 flog ich mit der Emirates Air
via Dubai nach Teheran. Im Lagerhaus unseres
Teppichhändlers suchte ich einen Tag lang nach
Teppichen aus dem Südiran. Die Vorfreude auf
die Reise ins Knüpfgebiet der Leute, welche die
Belutsch Gatschme weben und knüpfen, war
aber zu gross, um beim Auslesen voll bei der
Sache zu sein. Vor dem Abflug nach Kirman
organisierte Mösen für mich noch eine SIM Karte,
damit ich jederzeit, soweit wie möglich,
mit seinen Leuten und der Schweiz in Kontakt
bleiben konnte.
Im Jahr 1997 war ich das letzte Mal im Gebiet
von Kirman und Sirjan gewesen, damals auf der
Suche nach Afschar Nomaden. Was sich wohl in
der Zwischenzeit alles verändert hatte?
Am Flughafen in Kirman wurde ich
Andere Bezeichnungen
von Moohamad Reza Amin Hosini,
und Schreibweisen für
meinem Übersetzer, und von Ruhol
den Belutsch Gatschme:
• Belutsch Sumakh,
Amin Ymahday, dem Organisator
Balootch Soumakh,
für die Produktion in Sirjan,
Beloutch Sumakh
abgeholt. In rasanter, fast gefähr• Belutsch Susani
licher Fahrt fuhren wir Richtung
Sirjan. Im Haus von Ruhol Amin warteten zudem
Golam Heideri und sein Sohn Sadegh auf mich.
Bei einer Erfrischung mit Früchten, kühlen
Getränken und Tee konnte ich meinen Begleitern
meine Wünsche näher erläutern und auch viel
Neues erfahren. Die Frauen, welche ich bei
meinem Eintreffen kurz sah, waren in der Küche
mit Kochen beschäftigt. Die Männer servierten
dann nach etwa zwei Stunden ein köstliches
Mahl mit Hühnchen, Schafskeule, Reis, gebratenen Kartoffeln, diversen Gemüsen, Yoghurt,
Früchten und Schlotterpudding.
Die Afscharen
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich der Meinung,
dass der Grossteil der Belutsch Gatschme
Arbeiten auch von Stämmen der Belutschen
gewoben und geknüpft würden; doch nach
den Erläuterungen durch Ruhol sind es fast
ausschliesslich die Afschar Frauen der Stämme
Bochaqhchi, Farsi Madan, Jamebozorgi,
Aga Janni und Saifpur, welche diese Gatschme
weben.
Waren 1997 von all diesen Stämmen zirka
600 Familien mit ihren Zelten unterwegs, sind
es heute nur noch einige wenige, welche von
der Winter- zur Sommerweide ziehen und ihre
markanten schwarzen Ziegenhaarzelte (Tschador)
aufstellen.
Unser Teppichhändler aus Shiraz hat mit der
Wahl, die sesshaft gewordenen Afscharen diese
Soumakh weben zu lassen, eine sehr gute Wahl
getroffen. Sind doch die textilen Erzeugnisse
der Kirman Afscharen zweifellos die vielfältigsten
aller Iranischen Stammes- und Nomadenarbeiten.
Sie umfassen sowohl Teppiche, Flachgewebe
und Taschen in diversen Grössen als auch Säcke
und Bänder. Die Afscharen benützen nicht nur
viele verschiedene Muster, sie sind auch Meister
76 x 123 cm
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98 x 146 cm
154 x 198 cm
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148 x 192 cm
148 x 196 cm
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98 x 158 cm
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vielfältiger Knüpf- und Webtechniken. Allein in
der Stadt Sirjan und Umgebung sind 1500 Knüpfstühle aufgestellt, in den Dörfern wie Baft
und Zabol hat es weitere 1000 Knüpfstühle.
Belutsch Soumakh
Der Belutsch Soumakh ist ein Mischgewebe aus
Knüpfen und Weben in der Umwicklungstechnik,
einer Technik, welche die Afscharen wie die
Belutschen in ihren Arbeiten seit Jahrhunderten
kennen. Geknüpft wird in der Regel mit einem
symmetrischen Knoten – gewirkt in verschiedenen Umwicklungstechniken.
Die Muster haben aber wenig mit der Tradition dieser Stämme zu tun, denn diese werden
den Frauen auf einem Plan in rudimentärer Form
vorgegeben. Diese Skizzen lassen den Weberinnen die Freiheit, zusätzlich eigene Musterideen
in ihre Werke einzubringen.
Die verwendete Wolle aus dem Zagrosgebirge
ist von Hand gekardet, gesponnen und gezwirnt
und mit natürlichen Farbstoffen eingefärbt.
Am späteren Nachmittag war es endlich
soweit: Mit zwei Wagen fuhren wir an verschiedene Orte an der Peripherie von Sirjan.
Fast alle Häuser, welche wir an diesem Nachmittag besuchten, haben die gleiche Einteilung
und Funktion: Eine kleine Küche mit Gasflaschenherd, der Vorraum belegt mit Teppichen und
Flachgeweben aus früherer Zeit, welche auch die
Herkunft dieser sesshaft gewordenen Nomaden
verraten. Ein grosser Raum, der ausgefüllt ist
mit einem stählernen, horizontalen Knüpfstuhl.
In einer Ecke ein Möbel mit Fernseher, daneben
eine Vase mit künstlichen Blumen; wenn der Platz
reicht einige Kissen am Boden.
Eine grosse Türe führt in einen von Mauern
umgebenen grossen Garten mit jungen Bäumen.
Inmitten des Garten ein grosses rechteckiges
Wasserbecken. Ein Zimmer, in welchem die
Schlafutensilien gestapelt sind und das auch als
Schlafraum dient. Die Wohnform hat sich also
zum Leben im Zelt kaum geändert.
Verständlicherweise hatte ich viele Fragen an
die Knüpf- und Weberinnen sowie an Ruhol.
«Wie lange lebt ihr schon in festen Häusern,
und warum habt ihr das Nomadenleben aufgegeben?»
«Wir haben diese Lebensform vor zwei Jahren
aufgegeben – die Arbeit mit den Tieren wie
Melken, Buttern, Käsen, auf der Weide auf sie
Acht geben, die Probleme mit dem Wasser,
die langen Wege unserer Männer zu einer Arbeit,
die Beschaffung von Lebensmitteln, Gas und
Tierfutter wurden uns zu mühsam. Auch für
die Ausbildung unserer Kinder ist die Nähe der
Stadt ein grosser Vorteil. Nicht zu vergessen
die medizinische Versorgung. Jetzt ist unser
Leben doch um einiges besser.»
«Gehört dieses Haus der Familie oder einem
Vermieter?»
«Es gehört uns, wir haben es mit unserem
Ersparten bauen können. Von dem Geld, das wir
Frauen beim Weben und Knüpfen erhalten, und
dem Verdienst der Männer von ihrer auswärtigen
Arbeit bleibt einiges übrig, um die Häuser weiter
auszubauen und uns auch ab und zu ein Extra
leisten zu können wie einen neuen Fernseher,
ein Handy, eine Polstergruppe mit Clubtisch, ja
vielleicht sogar einen PC!»
Nur der Familienälteste – der Grossvater –
wäre gerne wieder mit der Herde unterwegs:
Das freie, ungebundene Hirtenleben fehle ihm
schon, wagte er sich in die Gesprächsrunde
einzubringen.
«Wie und wann werdet ihr denn für eure Arbeitsleistung bezahlt?»
«Wir bekommen immer nach etwa zehn Tagen
eine Teilzahlung für die geleistete Arbeit. Unser
Lohn richtet sich nach der Fläche und Feinheit,
welche wir gewoben und geknüpft haben.
Genau abgerechnet wird nach der Fertigstellung
des Susani (wie die Frauen ihre Arbeit bezeichnen).»
Eindrücklich war der Besuch in einer kleinen
Manufaktur – einem grossen Raum, welcher auch
89 x 352 cm
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120 x 117 cm
146 x 190 cm
100 x 146 cm
99 x 147 cm
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181 x 242 cm
193 x 224 cm
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122 x 175
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als Versammlungsraum gebraucht wird.
Fünf grosse Webstühle mit fast fertig gestellten
300 x 400 cm grossen Belutsch Gatschme füllen
den ganzen Raum aus. Hier arbeiten gegen
dreissig Frauen, welche in den umliegenden
Häusern leben.
Die Frauen waren alle in guter Stimmung
und umstellten mich, alle in ihren langen
Tüchern. Sie bestürmten mich mit ihren Fragen:
«Wie gefällt dir unsere Arbeit, magst du unsere
Muster? Warum bist du hier? Wie lebst du in
deinem Haus, hast du Kinder?» Ich hatte kaum
Gelegenheit, meinerseits Fragen zu stellen wie:
«Ihr arbeitet hier bis zu fünf Weberinnen an
einem Knüpfstuhl: Wie geht das mit dem Verteilen des Lohnes? Die Eine von euch ist viel flinker
als die Andere; könnt ihr so das Geld gerecht
verteilen?» «Das ist überhaupt kein Problem:
Wir teilen alles durch fünf, auch wenn mal
eine von uns durch Krankheit oder wegen ihrer
Kinder abwesend ist.»
«Sind das eure Knüpfstühle?» «Nein, die wurden
uns von unserem Auftraggeber zur Verfügung
gestellt.»
«Wie ist eigentlich der genaue Ablauf eines
Auftrags?» «Ruhol Amin bringt uns die abgewogene Wolle, einen Plan auf Millimeterpapier
mit den Farbeinteilungen und die genauen
Masse. Unsere Männer helfen uns beim Aufziehen der Kettfäden und der Masseinteilung.
Damit sich die Fäden nicht verschieben,
befestigen wir die Kette an den Rohren mit Lehm.
Beim Weben und Knüpfen müssen wir darauf
achten, die Schussfäden nicht zu straff einzulegen und zusammenzuziehen, damit bei diesen
grossen Stücken kein Bogen nach innen entsteht.
Die Wolle, welche wir in Strangen erhalten,
wickeln wir zu Knäueln auf. Die Vorlage hilft
uns bei der Einteilung der Muster sehr gut. An
grossen Stücken arbeiten wir meistens zu fünft.
Dies macht auch mehr Spass, haben wir doch
immer etwas zu plaudern.»
Meine Begleiter drängten zum Aufbruch
mit der Bemerkung, ich hätte noch viel zu sehen.
Wir fuhren über die grosse Hochebene, vorbei
an riesigen Pistazien-Plantagen, einer Haupteinnahmequelle dieser Gegend. Das Rätsel des
Aufbruchs wurde mir schnell klar – wir besuchten
eine «Tschaichane» ausserhalb der Stadt.
Essen war angesagt. Bei Wasserpfeife, Tee
und Gesprächen über die verschiedenen Lebensformen von Moslem zu Christen endete der
ereignisreiche Tag.
Anderntags eine lange Fahrt durch eine
bergige, reizvolle Landschaft nach Baft, ein Dorf
auf 2 700 m.
Hier ein ähnliches Bild wie in den Dörfern
um Sirjan: Neue, noch nicht fertige Häuser,
bewohnt von sesshaft gewordenen Afsharen.
In allen Häusern sehr gastfreundliche Leute,
welche uns alle gerne über Nacht beherbergt
hätten.
Gerne wäre ich noch nach Zabol, eine Ortschaft in der Nähe zur Afghanischen Grenze,
gefahren. Meine Gastgeber wollten aber das
Risiko wegen der politischen Situation nicht
eingehen. So war meine Reise in das Knüpf- und
Webgebiet der Belutsch Gatschme früher als
geplant zu Ende.
Trotz des frühen Abbruchs war ich vom
Gesehenen sehr beeindruckt. Ich bewundere
diese fleissigen Frauen, welche mit ihren flinken
Händen eine solch perfekte Knüpf- und Webarbeit hervor bringen.
UMSCHLINGENDES WICKELN
Gewebe mit umschlingenden Musterfäden kennt man schon seit dem
7. Jahrhundert v. Chr. Man nimmt an, dass diese Technik aus dem Kaukasus
stammt, wo sie auch heute noch am weitesten verbreitet ist.
Vom heute weit verbreiteten Begriff
Sumakh wird angenommen, dass er von
«Shamakhi», einer Stadt im südlichen
Kaukasus, herzuleiten ist, weil man
vermutete, dass alle Flachgewebe, die in
dieser Technik gewebt waren, ausschliesslich aus Shamakhi stammten. Der Begriff
tauchte zu Beginn des 20. Jahrhunderts
unter den ersten Teppichkennern auf und
wurde überall in einem solchen Ausmass
publiziert, dass auch heute noch in den
meisten Fachbüchern und Zeitschriften
diese Gewebestruktur als «Sumakh»
bezeichnet wird. Es ist jedoch nicht sinnvoll,
den Begriff «Sumakh» beizubehalten.
Denn diese Webtechnik ist keineswegs
das Monopol von Shamakhi oder dem
Kaukasus, sondern ist in fast allen Stammesgebieten des Irans, des Nahen Ostens
und Zentralasiens weit verbreitet. Zudem
wird sie in jeder Region anders bezeichnet.
Im Persischen heisst diese Technik peech
baf oder gatschme (umschlingen),
entspricht also dem englischen Ausdruck
«wrapping», und ist im Deutschen am
besten mit dem Begriff «umschlingendes
Wickeln» zu übersetzen. Das grundlegende
Prinzip der Bindungsarten des umschlingenden Wickelns sind aktive Einträge,
die die passiven Kettfäden umschlingen.
Der Bewegungsablauf lässt sich in einen
Vorwärts- und Rückwärtsschritt unterteilen.
Die meisten Belutsch Gatschme sind in der
Technik des umschlingenden Wickelns – ob
einfach oder zusammengesetzt – gearbeitet. Die Schlingenrichtung der verschiedenen Reihen kann einheitlich, alternierend
gegenläufig oder nur alle paar Reihen
alternierend gegenläufig sein.
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VO M KO KO N Z U M
R Ü C K Z U G I N S P R I VAT E
In den sechziger Jahren galten Häuserbauen und Nesthockermentalität
als spiessig.
Vor wenigen Jahren aber haben Sozialpsychologen einen Trend
festgestellt: den Rückzug ins Private. Auf Englisch: das Cocooning.
Dieser Begriff bedeutet wörtlich: sich in einen Kokon einspinnen.
Innenarchitekten griffen dieses Prinzip auf und verstehen darunter
ein häusliches Wohnen, das Gefühle der Ruhe und Wärme vermittelt.
Nichts passt besser zu diesem Trend als wunderbare Teppiche!
unten:
Bochara, Chinesischer Teppich
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T E X T U N D F OTO S A L A I N K Ö N I G
Wer hat nicht schon vor einem feinen Seidenteppich gestaunt? Unter all den Materialien,
welche für das Knüpfen eines Teppichs gebraucht
werden, ist es sicher die Seide, die einen am
stärksten träumen lässt. Einige skrupellose
Teppichhändler haben es aber gut verstanden,
falsche Informationen über Seidenteppiche in
die Welt zu setzen. Versuchen wir hier etwas
Ordnung zu schaffen.
Am Anfang der Knüpfkunst war der Teppich
für den Hausgebrauch von nomadischer Kultur
geprägt. Er wurde daher hauptsächlich aus
Schafwolle hergestellt. Mit der Zeit aber setzte
sich der Prestigegedanke durch und man begann,
entlang der Seidenstrasse von China über
Zentralasien, Indien, Iran und der Türkei, Teppiche aus Seide zu knüpfen, um dem Status
«Reichtum» gerecht zu werden.
Sind Seidenteppiche besser?
Die Antwort ist: nein! Die Wollfaser eignet sich
in jedem Fall besser dazu, einen Teppich herzustellen. Sie ist fester als Seide, weist den Schmutz
ab, lässt sich gut waschen, ist luftiger und behält
diese Eigenschaften bis ins hohe Alter.
Die Seide aber hat einen unvergleichlichen
Lüster (Glanz), lässt sich sehr fein verknüpfen
(einige Millionen Knoten per m2) und ist sicher
Ghom
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oben:
Chinesischer Teppich, zwei Hereke
unten:
Ghom, Kechan, Isphahan
vor Mottenfrass. Die Seide ist allerdings nicht
altersbeständig – nach fünfzig Jahren verringert
sich ihr mechanischer Widerstand. Die Farbtöne
sind nicht lichtecht, und die Farben bluten bei
Wasserkontakt gerne aus.
Ist dies Seide?
Die Versuchung besteht, bei kostbaren Materialien zu schummeln. Goldschmuck muss einen
Goldstempel tragen – Diamanten brauchen ein
Zertifikat. Für die Seide aber kann man sich nur
auf die Aussage des Händlers stützen, welcher
das Stück verkauft.
Ein kleiner Test erlaubt allerdings, die Seidenfaser zu prüfen. Denn es gibt grosse Unterschiede
zwischen tierischen Produkten (Wolle, Seide etc.),
künstlichen oder pflanzlichen Fäden (Baumwolle,
Kunstseide etc.) oder synthetischen Produkten
(Polyamid, Polyacryl, Polyester etc.). Es genügt,
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von der Rückseite her einen Knopf mit einer
Nadel zu entfernen und mit einem Feuerzeug
eine Brennprobe zu machen:
• Wenn die Faser schlecht brennt, einen knusprigen schwarzen Rückstand bildet und nach
verbranntem Haar oder Horn riecht, ist die
Brennprobe von tierischer Herkunft.
Es kann sowohl Seide wie Wolle sein (Achtung:
Es ist möglich, durch eine chemische Wäsche
der Wolle einen speziellen Seidenglanz zu
verleihen).
• Wenn die Faser leicht brennt und eine kleine
blaue Flamme bildet, aber wenig Asche hinterlässt und nach verbranntem Holz riecht,
ist die Faser aus mercerisierter Baumwolle
(Kunstseide, Zellulose).
• Wenn die Faser sich verflüssigt, ist sie synthetisch.
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Woher stammen die türkischen
Seidenteppiche?
Die Sultane des Ottomanischen Reiches organisierten die Seidenproduktion in der Gegend von
Bursa sowie die Knüpfereien in und um Hereke
bei Istanbul. Nur diese in den staatlichen Ateliers
produzierten Teppiche durften die Bezeichnung
«Hereke» und dessen Unterschrift tragen. Seit
den sechziger Jahren aber benennt man die
gesamte Produktion aus der weiten Umgebung
von Istanbul mit diesem Qualitätsnamen, wenn
sie die gleichen Eigenschaften haben.
In der Gegend von Kayseri, im Zentrum von
Anatolien, knüpft man eine mindere Qualität.
Die Bursa Seide und der traditionelle symmetrische Knoten verleihen dem Seidenteppich
eine grosse Robustheit. Wenn man den Teppich
mit den Fingernägeln gegen den Flor kratzt,
hört man ein scharfes Raspeln.
Heute ist die meiste Seide chinesischer
Herkunft. Und sogar fast alle in der Türkei gekauften Seidenteppiche dieser Provenienz
stammen aus chinesischen Manufakturen.
Iran
In diesem Land kann man die Produktion in
zwei Epochen teilen: in die Schah-Zeit und in die
Epoche nach der islamischen Revolution.
Die Teppiche aus den Jahren vor 1980 sind
von durchschnittlicher Feinheit (ca. 640 000
Knoten pro m2), verarbeiteten die örtliche Seide
und zeichnen sich durch einen festen Flor aus.
Heute sind die Teppiche viel feiner (ca. 1 000 000
Knoten pro m2), geknüpft mit chinesischer Seide
und von einem kurzen Flor. Sie kommen hauptsächlich unter dem Namen Ghom auf den Markt,
obschon sie vorwiegend in Zandjan, Maranheh
und anderen Orten geknüpft wurden. Je nach
Atelier können diese Teppiche bei gleicher Feinheit bis dreimal mehr kosten als die anderen.
Andere Produktionsstätten für Iranische Seidenteppiche sind Keschan und Täbriz.
Die Turkmenischen Teppiche
Es mag einem seltsam vorkommen, dass Nomaden Seidenteppiche geknüpft haben. Doch die
turkmenischen Stämme leben im Norden Afghanistan entlang der Seidenstrasse. Die Produktion
ist unbedeutend. Die Knüpfung scheint fein
zu sein – aber die wenigsten Teppiche haben
eine gestaffelte Kette, sodass zwei Höcker einen
Knoten ergeben.
Indien
Hauptsächlich in der Region Kaschmir wird mit
Seide geknüpft. Als Folge der Iranischen Revolution hat sich die Produktion stark entwickelt.
Doch die Versorgungsschwierigkeit und das
Niveau der Preise veranlassten die Importeure,
nach neuen Quellen zu suchen. Seit die chinesische Produktion mit feineren und weniger
teuren Produkten den Markt überschwemmt,
hat der indische Seidenteppich eigentlich nur
noch auf dem touristischen Markt eine Bedeutung. Doch Vorsicht: Nur ein kleiner Teil ist
aus natürlicher Seide geknüpft, der Rest ist aus
mercerisierter Baumwolle (Flosch) hergestellt.
Viele sind auch über vier Kettfäden («Juftiknoten») anstatt über zwei Ketten geknüpft.
Im Allgemeinen muss man 30 Prozent von der
scheinbaren Feinheit abziehen.
China
Am Anfang der chinesischen Seidenteppichproduktion dienten traditionelle chinesische und
europäische Wollteppichmuster als Vorbild.
Heute hat sich China auf Kopien der feinen
iranischen wie türkischen Teppiche spezialisiert.
Sie sind von einer enormen Feinheit und guter
Qualität.
unten:
Hereke, Ghom aus Zendjan
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Opulenz und Prunk
DER NEUE TREND
Ob in Köln, Paris oder Mailand, der Minimalismus der
vergangenen zehn Jahre wurde an den Internationalen Möbelmessen durch Üppigkeit in Form und Farbe abgelöst.
Messestände, Sonderausstellungen und Möbel blühten vor
Buntheit.
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TEXT NIELS BLÄTTLER
F OTO S M Ö B E L P F I S T E R
Auf der Suche nach neuen und frischen
Wohnideen bedienen sich mehr und mehr
renommierte Designer und die Einrichtungsindustrie an alten Stilrichtungen
wie zum Beispiel Louis XIV, Barock oder
Biedermeier. Was noch vor kurzem als
bieder und altbacken galt, wird heute als
mondän und glamourös angesehen.
Ausflüge in die Designgeschichte stimmen
sentimental. So kommen einige Traditionshäuser mit Neuauflagen von Möbelstücken,
welche vor dreissig, fünfzig Jahren entworfen wurden, und andere Möbelhersteller
suchen den Spagat zwischen klaren Linien
und verspielten Stilelementen vergangener
Epochen. Nostalgie-Chic wird zur neuen
Stilrichtung und findet in der VintageBewegung der Modewelt seine Wurzeln.
Ob Philippe Stark mit seiner Bourgeois
Leuchte Bourgie oder seinem Louis XIV
Stuhl Louis Ghost aus Polykarbonat, die
Quellen sind unverkennbar.
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Der Rückzug ins traute Heim als Oase des
Friedens und der Ruhe: Diese neue Welle
geht von einem modernen Menschen aus,
der die Nestwärme sucht, lieber seine
Freunde in seinem Zuhause einlädt, anstatt
mit ihnen auszugehen, und diesen Freunden noch einen selbst gebackenen Kuchen
serviert. Sich sehnen nach vergangen Zeiten
und Halt suchen in traditionellen Werten
gilt nicht als bieder, sondern als dernier cri.
Der Stilmix wird zum Wichtigsten in der
Einrichtung. Unter einem modernen Glas-
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tisch liegt ein alter iranischer Kelim, den
Platz neben dem gradlinigen Schlafzimmerschrank belegt ein Beloutch Soumakh und
über dem Mauri Bochara Teppich thront
eine knallrote Plastiklampe im siebziger
Look in der Art von Verner Panton & Co.
Gesucht wird die Spannung zwischen alt
und jung, zwischen puristisch und opulent,
zwischen monoton und farbenfroh.
Es scheint fast alles erlaubt zu sein; unabdingbar bleibt das gekonnte Spiel von Form
und Farbe.
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DIE MIESEN FREUNDE
Es war einmal ein Kaufmann, der hatte einen
Sohn, der gerne mit seinen Freunden die Zeit
verbrachte und mit ihnen viel Geld vergeudete.
Dem Vater gefiel dieses Tun in keiner Art
und Weise und er ermahnte ihn des öfteren
deswegen. Doch der Sohn hörte nicht auf ihn.
In seiner Verzweiflung sprach der Vater mit der
Schwiegertochter: «Liebe Tochter! Freunde von
Isfahan haben es nach meinem Ableben auf das
Vermögen deines Mannes abgesehen. Steht er
dann eines Tages als Bettler vor der Tür und
sieht nur noch den Ausweg sieht sich selbst zu
töten, so rate ihm, er solle diesen Ring hier an
der Decke zum Erhängen benutzen.»
Nach dem Tod des Vaters hefteten sich nun
tatsächlich die jungen Männer von Isfahan
an die Fersen des Sohnes und überredeten ihn
sich zu amüsieren statt im Laden zu arbeiten.
Im Park hatten sie ein Trinkgelage bereitgestellt.
Mit viel Überredungskunst brachten sie ihn dazu,
beim Wein recht zuzugreifen. Der Diener des
Jünglings kam in diesem Moment und richtete
aus, seine Frau lasse fragen, wann er nach Hause
komme. «Gehe zu ihr und sage, ich komme
nicht, und du arbeitest nun im Laden und bringst
mir jeden Tag zwanzig Tuman.»
Sechs Monate lang feierten sie im Park,
bis alles Geld aufgebraucht, ja sogar das Haus
verpfändet war. Nun forderte der Jüngling
seine Trinkgenossen auf, sich auch mal um die
Verpflegung zu kümmern. Der eine stand auf um
Wein zu holen, ein anderer erhob sich um Brot
zu bringen, ein dritter versprach Fleisch zu besorgen, ein weiterer die Beilagen.
Nach mehr als einer Stunde, als diese vier
Männer noch nicht zurückgekommen waren,
erhob sich der nächste, um zu erkunden, wo der
mit dem Wein geblieben war. Ein anderer wollte
schauen, wo das Fleisch geblieben war. Ein letzter
stand auf mit den Worten: «Ich will sehen, was
der Gauner macht, der versprach, Joghurt und
Gurken zu besorgen.»
Da nach weiteren zwei Stunden keiner
der abgeschlichenen Freunde zurückkehrte,
entschloss er sich nach Hause zu gehen, um zu
sehen, ob seine Frau etwas zu essen habe. Der
Parkwächter verlangte Miete von ihm, welche er
nach langen Diskussionen mit dem Pfand seines
Anzugs beglich. Nur mit Hemd und Unterhose
bekleidet kam er nach Hause. Doch seine Frau
beschimpfte ihn so sehr, dass er wieder weg
ging. Ein Händler aus dem Basar lieh ihm einen
Tuman, mit dem er Brot und Fleisch kaufte.
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Nun ging er zurück zu seinen Freunden im Park.
Auf sein Klopfen am Tor reagierte niemand. Er
legte die Esswaren auf den Boden und zwängte
sich durch ein Loch in der Mauer. Danach streckte
er seine Hand aus, um das Tuch mit dem Fleisch
und Brot zu holen. Doch dieses hatte inzwischen
ein Hund weggeschleppt. Seine Genossen im
Park glaubten ihm kein Wort, als er ihnen seine
Geschichte mit dem Tuman und dem Hund
erzählte. Einer rief: «Du meinst wohl, wir glauben
dir diese Geschichte! Geh weg und lass dich hier
nie mehr blicken.»
Der Jüngling ging nach Hause und nahm ein
Messer, um sich das Leben zu nehmen. Seine
Frau hielt ihn aber zurück:«Nein, nicht so! Dein
Vater hat mir gesagt, wenn es so weit kommen
sollte, musst du dich mit diesem Ring hier an der
Decke erhängen.» Der Jünglich erhob sich, zog
ein Seil durch den Ring und stellte sich auf einen
Hocker, um sich zu erhängen. Da löste sich der
Ring, und mit ihm fiel ein riesiges Vermögen an
Golddukaten auf den Boden.
Am nächsten Morgen öffnete er seinen Laden
wieder und kaufte alles, das für den Betrieb nötig
war. Seine Trinkgenossen bemerkten schnell, wie
es um den Jüngling stand und hielten sich aus
Scham zurück.
Nach drei Monaten aber kam einer von ihnen
direkt auf ihn zu und lud ihn ein, einen Kollegen
zu besuchen oder ein wenig spazieren zu gehen.
«Gut», erwiderte der Jüngling, «kommt am
Freitag zu mir nach Hause, dann wollen wir von
dort aus gehen.»
Am Freitag kamen dann die Trinkgenossen
und freuten sich auf den Spaziergang. Der Jüngling liess sich eine Wasserpfeife bringen. Die
ganze Zeit aber sass er in Gedanken versunken
und niedergeschlagen da. «Freund, was hast du
denn? Du bist so betrübt und nachdenklich!»
Da erzählte er: «Dort drüben auf dem Wasserbehälter stand heute Morgen ein Tablett mit
feingehacktem Fleisch. Da kam eine Katze und
trug das Tablett mit ihren Zähnen über die Leiter
fort.» «Katzen mögen eben Fleisch: Warum soll
sie es nicht zwischen die Zähne genommen und
weggetragen haben?» erwiderte einer der
Gesellen. Der Jüngling sass da, den Kopf noch
immer aufgestützt, und sagte: «Ihr Hurensöhne!
Eine kleine Katze soll ein so grosses Tablett
wegtragen können; ein Tuchbündel mit etwas
Brot und Fleisch kann aber ein Hund nicht
wegschleppen? Geht weg, ihr habt selbst über
euch gerichtet!»
Torba 05_d
25.10.2005
14:50 Uhr
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torba gourmet
K A S C H M I RT E E
Zerstossen Sie die Zimtstange und die schwarzen
Samenkerne aus der Kardamomkapsel grob in
einem Mörser. Überbrühen Sie Tee, Zimt und
Kardamom mit dem kochenden Wasser in einem
Topf oder einer Teekanne und lassen Sie den Tee
etwa 5 Minuten zugedeckt ziehen. Seihen Sie
den Tee in Teegläser ab, in die Sie jeweils einen
Safranfaden gelegt haben.
Dieser wunderbare Tee lädt ein zum Verweilen,
Plaudern, Innehalten.
In keinem anderen Land der Erde wird Safran
schon so lange verwendet wie in Kaschmir.
Hier an den lange schneebedeckten
Bergen des hohen Himalaya ist der wilde Safran
zuhause.
Die Namen Safran und Crocus leiten sich von
einer alten assyrisch-babylonischen Bezeichnung
ab. In Vorderasien wächst der Safrankrokus
wild. Die dortigen alten Kulturvölker züchteten
aus dem wilden Safran wahrscheinlich schon vor
5000 Jahren eine ertragreichere Safranpflanze.
Die Rezepte der Safranspeisen von Gelagen
und Festbanketten im alten Babylon oder Ninive
leben heute in der arabischen und persischen
Küche weiter. In der zentralasiatischen und
nordindischen Küche wird noch heute viel mit
Safran gekocht. Mesopotamische Rezepte und
jene aus den Bergregionen des Himalaya fliessen
in der iranischen Küche zusammen.
Die alte Tradition des Safrananbaus wird noch
heute im Iran gepflegt. Grosse Anbauflächen
gibt es in der Gegend von Baku, Hamadan und
Ghay. Die besten Felder liegen in der gebirgigen
Region im Norden nahe der afghanischen
Grenze.
Die iranische Produktion hat die bisher grösste,
die spanische, inzwischen überrundet.
safran
Zutaten
• 1 Zimtstange, 4–5 cm lang
• 1 Kardamomkapsel
• 2 TL schwarzer Tee
• 2 Tassen kochendes Wasser
• 2 Safranfäden
Quellenhinweis
Susanne Fischer-Rizzi
«Gold in der Küche»: Das Safrankochbuch,
AT Verlag;
Fotos: Ulla Mayer-Raichle.
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Torba 05_d
25.10.2005
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symbol
DER KAMM
Der Kamm ist mythologisch gesehen ein sehr weibliches
Symbol. Wasserwesen wurden in antiker Zeit mit
Kämmen in Verbindung gebracht.
Die Sirenen, Nereiden und Meerjungfrauen kämmten
sich. Vielen Göttinnen, besonders Liebes- und Wassergöttinnen (Thalassa und Aphrodite), wurde der Kamm
als Attribut zugeschrieben. Der Kamm gilt als Symbol
für die Schönheit und sexuelle Anziehungskraft von
Frauen. Und steht auch als Symbol für etwas Undurchdringliches, etwas, an dem man nicht vorbeikommt.
Obwohl der Kamm zu allen Zeiten mit Weiblichkeit
assoziiert war, fand die Archäologie auch Gräber,
in denen männlichen Toten ein Kamm mitgegeben
wurde.
In einem Gebetsteppich gilt der Kamm als Symbol
der Körperpflege und soll den Betenden stets an die
Reinlichkeit erinnern.

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