lebenslust und krisenfrust

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lebenslust und krisenfrust
Riga
O
lga wurde in Riga geboren, damals noch Hauptstadt der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Ihre Familie
stammt aus dem nahen,
russischen Leningrad,
das nun wieder Sankt Petersburg heisst. Mühsam hat sie etwas Englisch gelernt, so viel zumindest, dass es wesentlich weiter reicht als
meine wenigen russischen Vokabeln. Kennengelernt habe ich sie via www.couchsurfing.org
im Internet. «I love to make new friends and to
show my city», hatte sie mir geschrieben.
«What you want to see?», fragt sie gleich
nach der freudigen Begrüssung. Und schon
sind wir unterwegs, der breiten Uferpromenade der Daugava entlang, wo uns eine junge
Frau sofort auf eines der Ausflugsboote locken
will. Los ist hier nicht viel. Die Touristen drängen sich oben in der Altstadt in den engen
Kopfsteinpflastergassen zwischen den mittelalterlich anmutenden Häusern aus der Hansezeit. Dort reiht sich ein Restaurant ans andere.
Dazwischen: Hotels, Cafés und Souvenirläden
mit dem üblichen Touristenkram.
Lebenslust
und
Krisenfrust
Text und Bild: Robert B. Fishman
Der Fluss Daugava zieht, zu Füssen der Altstadt,
träge und zäh nach Nordwesten, als wolle er gar
nicht weg aus Riga. Da geht es ihm wie Robert
Fishman, der in der lettischen Hauptstadt auf Entdeckungstour geht und in die bewegte Geschichte
eintaucht. Viele waren hier – Deutsche, Schweden,
Russen, Sowjets – und haben ihre Spuren hinterlassen. Heute beschert die Wirtschaftskrise den
Letten einen harten Alltag, doch ist auch viel Aufbruchstimmung spürbar.
Lettischer Exodus. Die Wege durch die Ge-
schichte sind kurz in Riga: Vom Dom zur 1920
anlässlich der ersten Unabhängigkeit Lettlands
erbauten Freiheitsstatue laufe ich nur ein paar
Minuten, von dort in den weitläufigen Stadtpark mit seinen Flüsschen, Kanälen und kleinen Brücken, oder zum Bahnhof ist es auch
nicht weit. Dahinter beginnt ein nach Westen
verrutschtes Stück Russland. Der Zentralmarkt
unter den Dächern ehemaliger Zeppelinhallen
bietet neben Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse und
Billigramsch aus Fernost auch einige lokale Leckerlis: Omas vom Lande verkaufen zwischen
den Ständen selbst gepflückte Blumen, einge-
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legte Gurken, russische Schokolade und Bonbons. Besser Russisch müsste man können. Auf
meine Fragen nach diesem oder jenem bekomme ich aber meist eine Antwort in gebrochenem Englisch, manchmal sogar auf Deutsch.
Als ich vor vier Jahren schon einmal hier auf
dem Markt war, erntete ich an den meisten
Ständen auf eine kurze Frage einen russischen
Redeschwall. Inzwischen haben sich die meisten Markthändler an die westlichen Touristen
gewöhnt. Auch das Angebot wandelt sich: Im-
portwaren aus den anderen EU-Ländern, vor
allem aus Deutschland, verdrängen die heimischen Produkte.
Während ich an einem Stand auf meine
Konfekti (Pralinen) warte, sucht ein schon früh
am Morgen betrunkener Ex-Seemann Kontakt:
Germany? I was Rostock, big ship. Wie alt ich
sei, will er dann noch wissen, und woher in
Deutschland ich komme... Viel weiter reicht
sein Englisch dann auch nicht. Ich muss weiter.
Olga wartet in der Stadt auf mich.
stadtentdeckung
Junggesellinnen. Abschied vom Singledasein. Junge Frauen feiern in der Altstadt
von Riga.
íí Jüdisches Getto. Zeitzeugen dunkler Tage.
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Daugava. Der breite Fluss fliesst träge an
Riga vorbei.
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Sie erzählt mir, dass ihre Tochter ihr Geld,
wie so viele von hier, im Westen verdient.
1200 Franken im Monat kriegt sie als Wäscherin in Berlin. In Riga wäre das ein Spitzengehalt.
Der lettische Durchschnittslohn erreicht gerade mal die Hälfte. Dabei ist das Leben hier
fast so teuer wie in der Schweiz. Olga, mit
53 für westliche Verhältnisse eine junge Oma,
kümmert sich um ihren Enkel, der abwechselnd bei ihr und dem geschiedenen Vater hier
in der Stadt lebt. Lettischer Alltag in der Wirtschaftskrise. 200 000 der gut zwei Millionen
Einwohner sind auf der Suche nach einem besseren Leben ausgewandert – nach England,
Irland, Deutschland oder in die Schweiz.
Vieles ist möglich. Inzwischen kommen viele
wieder zurück. Davis war fünf Jahre lang in
Rom, hat dort alles Mögliche gemacht und nun
zusammen mit seinem Bruder und dessen Frau
das «Kanepes» eröffnet. Ein Wortspiel, sagt der
29-Jährige, und grinst – «Sofa oder Cannabis».
Kiffer hängen im Kanepes aber keine herum.
«Hier kannst du alles machen. Du musst es
nur versuchen», sagt Davis. Er ist ein ruhiger
junger Mann. In Italien dauere es Monate, bis
man zum Beispiel eine Lizenz für eine Kneipe
bekomme. «Hier fängst du einfach an. Den Rest
regelt der Markt.» Zusammen mit einigen
Freunden hat er das völlig heruntergekommene Wohnhaus in Rigas nordöstlicher Innenstadt renoviert. Einen Teil der gut 35 000 Franken für das Material hat er aus Italien mitgebracht, den Rest hat sein Bruder aufgetrieben.
«Der ist Betriebswirt, der Mann für die Finan-
zen», freut sich Davis. «Wir sind ein Familienbetrieb.» Und der kann sich inzwischen sehen
lassen: Unten haben sie eine Theke eingebaut,
über die sie Getränke und Knabbereien verkaufen. Daneben ein Raum mit gemütlichen
Sofas und Sesseln, draussen im Hof alte Fässer
als Stehtische und Holzbänke zum Sitzen. Der
Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Demnächst soll noch ein Kino dazukommen.
Abends gegen elf wird es rappelvoll. Im
grossen Raum im ersten Stock des restaurierten Altbaus mischen zwei in rot-weisse Trachten gekleidete junge Frauen auf der Bühne alte
lettische Lieder mit modernen Rhythmen zu
einem gespenstischen Sound. Dazu singen sie
mit glasklaren Stimmen. Die Leute toben vor
Begeisterung. Mir wird es nach einer Viertelstunde zu laut. Kein Wunder, dass sich die
Nachbarn dauernd über den Lärm des Kanepes
beschweren.
Kulturerwachen. Von der herausgeputzten Innenstadt ins «andere» Riga, das sich im Aufbruch befindet, laufe ich auf der grossen Freiheitsstrasse geradeaus und halte mich dann
links. Schon ist man in einer ganz anderen
Welt: Mieras Iela, Friedensstrasse, heisst die
unscheinbare Strasse zwischen alten Fabriken
und heruntergekommenen Mietshäusern aus
den 20er- und 30er-Jahren, von deren Fassaden
der Putz bröckelt. In einigen der alten Häuser
haben sich inzwischen Kunstgalerien eingenistet. Ein Fahrradladen serviert Kaffee und Kuchen, während die Kunden auf ihr Velo warten.
Mittendrin liegt die Tabakasfabrika, die ehemalige Tabakfabrik, in die jetzt Künstler einziehen: Maler, Fotografen, Installationskünstler.
Riga wird 2014 Europäische Kulturhauptstadt.
Unter dem Titel «Survival Kit» finden in der Fabrik im kommenden Jahr zahlreiche Ausstellungen und Kunstevents statt. «Das Gebäude hat
einer unserer Mitarbeiter zufällig entdeckt», erzählt Ana Muhka in perfektem Deutsch. Sie ist
Sprecherin der Kulturhauptstadt 2014 und hat
lange in Deutschland gelebt. Ihre Eltern waren
während des Zweiten Weltkriegs nach Schweden
geflohen. Ana ist dort aufgewachsen und hat
dann in Münster studiert. Sie spricht Schwedisch, Deutsch, Englisch, Lettisch, Russisch.
Wieder so eine typisch lettische Geschichte vom
Gehen und Wiederkehren. Für eines der Kulturhauptstadtprojekte – eine Ausstellung über
Flucht und Vertreibung – sollen ehemalige Auswanderer die Gegenstände mitbringen, die sie
in ihren Flucht- oder Reisekoffern dabeihatten.
Ach ja, die Entdeckung der mehrere tausend Quadratmeter grossen leer stehenden Tabakfabrik: Der Mitarbeiter der Kulturhauptstadt-Stiftung schaute im Krankenhaus auf der
gegenüberliegenden Strassenseite, wo seine
Frau in den Geburtswehen lag, zufällig aus dem
Fenster. Da sah er, dass die Fabrik leer stand,
und fing an zu recherchieren. Ein dänischer
Zigarettenhersteller hatte das Gebäude vor
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Riga-Tipps
Kulturhauptstadt | Riga ist 2014 Europäische Kulturhauptstadt: http://riga2014.org/en/
und www.riga2014.info/
Museen | Das «Besatzungsmuseum» erinnert an die Zeit unter der Sowjetherrschaft.
Gut erklärt sind das Gulag-System und die stalinistischen Verbrechen. Nur eine kleine Ecke
widmet sich dem Naziterror in Lettland 1941–1944: www.omf.lv/en/home  «Riga Art
Space» zeigt wechselnde Kunstausstellungen und Multimedia-Events mitten in der Altstadt:
www.artspace.riga.lv/en/  Jugendstil zum Sattsehen: «Riga Art Nouveau Museum» (Rigas
Jugendstila Muzejs): www.jugendstils.riga.lv/eng  Das Freilichtmuseum «Ethnografiskais
Brivdabas Muzejs» versammelt Dorfarchitektur und Landleben aus 300 Jahren, im Stadtteil
Bergi: www.brivdabasmuzejs.lv/
Tolle Aussicht | Fernsehturm aus den 80er-Jahren mit Aussichtsplattform: www.tvtornis.lv/
 Petrikirche (Dom): grösste Kirche im Baltikum, exzellente Aussicht vom Kirchturm.
 Die Skylinebar in 26. Stock des aus Sowjetzeiten erhaltenen und inzwischen komplett
­renovierten Hotels Latvija (Radisson Blue) bietet zum Cocktail den ultimativen Blick über
das Lichtermeer der Stadt. Drinnen tummeln sich die Neureichen der Stadt.
Stadttouren | Eat Riga Tours – Themen-Stadtrundgänge und Radtouren: www.eatriga.lv/
Übernachten | Wers besonders günstig will: Doma Hostel; kein Komfort aber freundlich
und zentral in der Altstadt: www.domahostel.lv/  Wers edel und stylisch mag: Grand
­Palace Hotel; das Haus wurde 1877 gebaut, tolle alte Räume, mitten in der Altstadt:
www.grandpalaceriga/com
Essen | Böse Zungen nennen die Filialen der Lido-Kette lettisches McDonald's. Es ist aber
eher die lettische Variante der Mövenpick-Kette Marché – jedenfalls gut ess- und bezahlbar:
www.lido.lv/eng/  Berühmt ist Riga für seine Schokolade (Leima) und die lettischen
­Kuchen, Törtchen und anderen süssen Leckereien: Fast jede Bäckerei in Riga bietet eine
erschlagende Auswahl.
Einkaufen | Zentralmarkt – fünf riesige Markthallen, überdacht mit den Decken ehemaliger
Zeppelinhallen aus den 20er-Jahren: eine Reise in alte russische Zeiten: www.centraltirgus.lv/
 Berga Bazars: historische Einkaufspassage mit vielen Läden, Cafés, Restaurants und
Ökomarkt: www.bergabazars.lv/eng/home/
Ausgehen | Kanepes, Skolas Iela 15, Tel. +371 29 404 405, www.facebook.com/pages/
Kanpes-Kulturas-centrs/145787292176494
Kunst und Kultur | Die ehemalige Tabak- und Zigarettenfabrik ist heute das Kunst- und
Kulturzentrum «Tabakasfabrika» mit ausgefallenen Kunstausstellungen, Installationen, Workshops, Designgalerie und vielem mehr: www.tabfab.lv/
 Der besondere Tipp | An der Miera Iela (Friedensstrasse) am Nordrand der Innenstadt
siedeln sich zwischen alten Industriebauten und verlassenen Fabriken immer mehr ausgefallene Cafés, Design-, Mode- und Secondhandläden an.
Zum Beispiel: Dadcafé, www.dadcafe.lv; Mode, www.tasha.tundra.lv
Websites | Fremdenverkehrsamt Lettland: www.latvia.travel/de  Standards, Insidertipps
und Ausgefallenes: www.likealocalguide.com/riga  Private Infoseite über Riga und Umgebung: www.riga-facts.de/
Kurzem aufgegeben. «In einem Topzustand»,
freut sich Ana. Heute werkeln 91 Künstlerinnen und Künstler aus 17 Ländern in den zurückeroberten Räumen.
Per Velo unterwegs. Zu sechst, zwei Deutsche,
zwei Franzosen und zwei Finnen, stehen wir
auf dem Rathausplatz. Punkt drei kommt Artis
um die Ecke. Der drahtige junge Mann mit
Dreitagebart heisst uns freundlich willkommen. Eat Riga heisst das Unternehmen, das er
mit einem Australier und einem Briten zusammen vor ein paar Jahren gegründet hat. Sie bieten geführte Stadtrundgänge und Radtouren
durch Riga an. Aus einem Schuppen in einer
Seitenstrasse holt Artis die Velos, alle robust
und in gutem Zustand. Er stellt jedem Teilnehmer der Tour den Sattel ein. Los geht es über
holperige Kopfsteinpflasterbrocken. «Seid vorsichtig. Velos sind hier relativ neu. Wenn eine
Ampel grün zeigt, heisst das noch nicht, dass
man gefahrlos über die Kreuzung fahren kann.»
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Vorbei an den Hallen des Zentralmarkts
geht es nach Osten in die «Moskauer Vorstadt».
Ein gigantischer Turm überragt das Viertel:
«Stalins Geburtstagstorte» tauften die Rigaer
das Hochhaus im sowjetischen Zuckerbäckerstil der frühen 50er-Jahre. An der Wand prangt
noch das Relief mit Hammer und Sichel. Vom
roten Stern auf der Turmspitze haben sich die
Leute nach Lettlands Unabhängigkeit 1991
gern getrennt.
Hinter dem Hochhaus beginnt eine andere
Welt: Blasse, altersschwache, rötlich-braune
Holzhäuser aus der Zarenzeit säumen die Strassen, aus denen Regen und Frost den Asphalt
ausgewaschen haben. Mittendrin ein einziger
Neubau: ein Hotel. «Die Gegend wird allmählich für den Tourismus interessant», meint Artis. Als ich vor vier Jahren mit der Fotokamera
durch das Viertel lief, schauten mich manche
Leute grimmig und skeptisch an. So ganz wohl
war mir hier damals nicht. Jetzt beachtet uns
niemand, als wir auf der Moskauerstrasse nach
Innovativ. Davis, der Gründer des Kultur­
zentrums und Jugendtreffs Kanepes.
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Die drei Brüder. Mittelalterliches Häuser­
ensemble in der Altstadt.
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In-Viertel. An der Miera Iela haben sich
neue Lokale, wie diese Bar, angesiedelt.
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Osten radeln. Die meiste Zeit fahren wir auf
dem Bürgersteig. Meine Frage, ob das niemand
störe, beantwortet Artis ganz gelassen. «Das ist
normal hier, bisher hat sich niemand beschwert,
solange man auf die Fussgänger Rücksicht
nimmt.»
«Hier war das jüdische Getto», erklärt Artis
beim nächsten Stopp. Die Nazis hatten Juden
aus Deutschland, Frankreich und weiteren
Ländern nach Riga verschleppt, wo sie Tausende von ihnen in heruntergekommenen
Holzhäusern zusammenpferchten. Viele der
Gebäude, mehr Hütten als Wohnhäuser, stehen
noch: Es sind Quartiere für arme, meist russischstämmige Rigaer Familien, die im einstigen Tor zur Hölle wohnen: In einem Wald am
Stadtrand hatten die deutschen Besatzer
1941/42 mehr als 10 000 der Verschleppten erschossen. Dass die Einheimischen dabei fleissig
mitgeholfen hatten, will hier niemand mehr
hören. Die Überlebenden brachte man nach
Auschwitz und in andere Vernichtungslager.
Still fahren wir weiter über einen Hügel, durch
einen Park, der einst der jüdische Friedhof war.
Nach dem Krieg gab es niemanden mehr, den
man hier hätte begraben können. Die Sowjets
hatten aus dem Friedhof den Park gemacht.
Unsere Runde führt vorbei an Mietshäusern aus den 20er- und 30er-Jahren zur Mieras
Iela, die immer mehr zu Rigas «In-Meile» wird.
Wir rasten in einer bunten Bar bei Kaffee, Tee
und leckerem Schokoladenkuchen. Viele der
rund 800 Rigaer Jugendstilhäuser sind noch
nicht saniert. Artis wohnt in einem davon, direkt an der Albertas Iela, wo sich im Sommer
die Touristen vor den reich verzierten Fassaden
drängeln.
Konzerterlebnis. Abends pulsiert das Leben
in der Altstadt: Junge Leute, die aufgebrezelt
um die Häuser ziehen, laute, meist russisch-
sprachige Gruppen von
jungen Leuten, die mit
reichlich Alkohol ihren
Junggesellenabschied begiessen, dazwischen ganze Armadas von Fahrradrikschas, deren Besitzer
potenzielle Fahrgäste ansprechen. Neuerdings gibt
es auch die elektrisch betriebene, beleuchtete Luxusvariante: Blütenweiss
mit dunkler, gepolsterter
Bank für die Fahrgäste.
Statt des Altstadtrummels gönne ich mir draussen in der Blaumania Iela,
der Blaumannstrasse, ein Konzert der besonderen Art: Ein kleines Theater-Café hat im
Rahmen des hebräischen Kulturfestivals den
Sänger Psoy Korolenko aus Moskau eingeladen.
Vor dem Eingang stehen schick und festlich
gekleidete Herrschaften und einige Jugendliche
in Hemd und Jeans. Ausverkauft. Zum Glück
habe ich reserviert. Drinnen kann man in Ruhe
ein Bier oder einen Wein trinken. Edel-Ostblock-Flair in schummrigem Licht an schlichten Holztischen. Korolenko erinnert mich mit
seinen stechenden dunklen Augen, dem zotteligen Bart und den langen Haaren an eine Rasputin-Karikatur aus einem alten russischen
Film. Mehr als zwei Stunden lang hämmert er
unermüdlich in die Tasten seines Keyboards
und singt dazu mal ruhig, mal hektisch seine
skurrilen Lieder – das meiste auf Russisch, weniges auf Englisch oder Jiddisch. An den vielen
Lachern höre ich, dass den meisten die Texte
gefallen. Nur einige der älteren Damen und
Herren schleichen sich in der Pause leise aus
dem Saal. Nach fast drei Stunden geht Korolenko putzmunter von der Bühne und verschwindet für eine halbe Stunde backstage. Abschliessend gibt er einigen jungen Leuten, die
brav auf ihn warten, Autogramme. «Maestro»
nennen sie den Sänger fast ehrfürchtig und bitten artig um die Erlaubnis für ein Foto mit dem
Handy. Alle wollen sie mit aufs Bild.
Gerne würde ich ihm noch ein paar Fragen
stellen. In perfektem Englisch bittet er mich,
ihn gleich in der Lobby des legendären Hotels
Riga gegenüber der Oper zu treffen. Mit dem
Velo brauche ich durch das nächtliche Riga
keine zehn Minuten dorthin. In der weitläufigen Lobby sitzen nur drei müde Japaner an der
Bar. Ich mache es mir auf einem der Fünfzigerjahre-Sessel unter den Kronleuchtern gemütlich und warte. Und warte. Vergeblich. Vom
Maestro mit dem stechenden Blick und den
langen Haaren hat die Rezeptionistin noch nie
etwas gehört oder gesehen. Ein Missverständnis oder alles nur geträumt?
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