Zahnersatz für Blutsauger (DZW ZT 3/10)
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Zahnersatz für Blutsauger (DZW ZT 3/10)
Broeker ZT 3-10 31.03.2010 13:14 Uhr Seite 9 Zahnersatz für Blutsauger Vampire und ihre Zahntechniker V ampire sind gerade sehr beliebt. Zuschauer wählten mit fast 8.000 Stimmen „Tanz der Vampire“ zum Musical-Star (noch vor „Miss Saigon“ und „Die Schöne und das Biest“) und bringen es damit 2010 erneut auf die Stuttgarter Palladium-Bühne. Noch erfolgreicher wird zur Zeit der gute Vampir Edward Cullen, der in den Romanen der amerikanischen Mormonin Stephenie Meyer kein Monster mehr sein möchte und sich in das Mädchen Isabella Swan verliebt, die sich ihm ungefährdet und platonisch-romantisch hingibt. „Zu der Zeit wünschte ich mir, dass ich ihr genau erklären könnte, was passieren würde, wenn meine Lippen, und die Zähne dahinter, auch nur in ihre Nähe gekommen wären. Das hätte diese lästigen Fantasien verstummen lassen. Der Gedanke an ihre Reaktion brachte mich fast zum Lächeln.“ (aus einer deutschen Übersetzung von „Midnight Sun“) Sogar eine eigene Lifestyle-Szene hat sich etabliert, die sich selbst gerne „Vampyr“ nennt, der schwarz gewandeten Gothic-Szene nahe steht und sich in den extremen Ausprägungen sogar mit dem Genuss von Blutgetränken verlustiert. Aber was wären Vampire ohne ihre Zähne? In Abwandlung von Professor Abronsius’ – der im „Tanz der Vampire“ mit seinem Assistenten Alfred die Vampire ausrotten will und genau das Gegenteil bewirkt – Ausspruch „Ein Schloss ohne Gruft, das ist wie ein Einhorn ohne Horn!“ könnte man sagen: „Ein Vampir ohne Zähne, das ist wie ein Zahnarzt ohne Bohrer.“ Rainer Breindl mit den beiden Hauptdarstellern aus dem Musical „Tanz der Vampire“ Im Scherzartikelhandel gibt es natürlich eine Unmenge von Vampirgebissen aus Weichplastik für unter 10 Euro – aber solche Zähne taugen einem Vampir, der auf sich etwas hält, natürlich nicht. Schon gar nicht den Schauspielern im Musical, die darauf angewiesen sind, dass ihre Vampirzähne nicht nur überzeugend gut aussehen, sondern auch fest, belastbar und ohne Nebenwirkungen in den Mund passen: eine echte Ausgabe 3/10 vom 03. März 2010 1 Broeker ZT 3-10 31.03.2010 13:14 Uhr Seite 10 Mit seinem Kultfilm „Tanz der Vampire“ schuf Oscar-Preisträger Roman Polanski 1967 eine Parodie auf das Vampirgenre, mit furiosen Tanzszenen, opulenten Kulissen und rockig-gefühlvollen Balladen von Jim Steinman. Die Musical-Inszenierung des Erfolgsfilms feierte 30 Jahre später ihre Uraufführung unter der Regie des Altmeisters selbst. Mehr als fünf Millionen Menschen hat das Stück seither begeistert. In Stuttgart wird das Musical 2010 erneut sechs Monate aufgeführt werden. Aufgabe für ein ambitioniertes zahntechnisches Labor. Das Dentallabor Breindl in Stuttgart-Vaihingen ist ein solches Labor und war schon immer gut für die eine oder andere Außergewöhnlichkeit. Die beiden Brüder Joachim und Rainer Breindl hatten 2004 vor einer in Stuttgart stattfindenden „Nacht der Vampire“ die Idee, einen kleinen Radiospot beim örtlichen Regionalsender unmittelbar vor den Lokalnachrichten zu schalten. Der Erfolg war überraschend groß: „Nach Ausstrahlung des Spots dauerte es keine Minute, da kamen schon die ersten Anrufe“, erinnert sich Joachim Breindl. „Ein Truckerfahrer etwa aus Düsseldorf rief an und sagte, dass er in drei Stunden vorm Haus stehen würde – er brauche die Vampirzähne am besten gleich sofort. Sein Sattelschlepper blockierte dann eine ganze Weile die Straße, aber da haben wir den Abdruck mithilfe eines befreundeten Zahnarztes eben schnell im Labor gemacht“, ergänzt Mitgeschäftsführer Rolf Birmelin. Durch den Spot wurde auch die Musical-Gesellschaft auf das Labor aufmerksam und schickte einige Schauspieler zur Abdrucknahme in die Praxis und zur Vampirzahnfertigung ins Labor. Durch den Kontakt zum Musical wiederum ergab sich die Nähe zum Fanclub vom „Tanzder-Vampire“. Nach einem Artikel im Fanclubmagazin rissen die Aufträge nicht mehr ab. „Wir haben wirklich Hunderte von Vampirzähnen gemacht – und es ist bis heute dadurch auch eine besondere Stimmung beim Team entstanden.“ Rainer Breindl erzählt von den Einladungen zur Vorpremiere mit Roman Polanski, von der Ein-Jahres-Feier und von den Sonderwünschen, die einige Kunden haben wollen. Die Bandbreite geht von eher dezenten Vampirchen-Zähnen über richtige Vampir-Hauer bis hin zu blutigen Eckzähnen, die eher einen bestialischen Werwolf-Charakter haben. Im Labor Breindl ist jede Variante willkommen, denn Mitarbeiter Willi Haisch freut sich über jeden Sonderwunsch. Zahntechnisch gesehen, werden die Vampirzähne wie eine herausnehmbare Teilprothese mit Kunststoffzähnen gefertigt. Mithilfe einer Tiefziehschiene, die an den Molaren Halt findet, wird die Prothese über den 3-er Eckzahn geführt, während die Front im Normal- Die Schauspieler aus dem Musical „Tanz der Vampire“ bei der Ein-Jahres-Feier in Stuttgart Hauptdarsteller Thomas Borchert fall frei bleibt (vergleiche Abbildungen). Individualisiert werden Zahnfarbe und Biss, und dieser möglichst so, dass bei geschlossenem Mund die Vampirzähne nicht sichtbar sind. Der nicht unerhebliche Aufwand schlägt sich nur begrenzt im Preis nieder. Mit 80 Euro pro Kiefer sind die Vampirzähne mehr ein Marketingprodukt als eine Cash-Cow. Selbst in einem Kino-Film wie „Mein Bruder der Vampir“ musste der Hauptdarsteller Roman Knizka nur 200 Euro investieren, um eine perfekte Vampir-Mundsituation zu erreichen. Aus dieser Preisstellung ergibt sich für das Dentallabor Breindl die Notwendigkeit, nur dann Blutsaugerhilfen zu fertigen, wenn Kapazitäten frei sind. „Mit unseren Vampirzähnen kann man gut sprechen, sie sitzen fest, verursachen keine Druckstellen, man kann mit ihnen ohne Probleme trinken und mit gewissen Einschränkungen sogar essen!“, sagt Joachim Breindl. „Ob man damit erfolgreich in Hälse von Damen beißen kann, sollte jeder einmal selbst ausprobieren“, grinst der Schwabe und lächelt – und man sieht nicht genau, ob mit oder ohne Vampirzähne. Reinhard Bröker, Freising 2 Ausgabe 3/10 vom 03. März 2010 쎱