reden - Carina Gödecke

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reden - Carina Gödecke
Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen
Carina Gödecke
Grußwort
Nationalfeiertag der Republik Türkei
29. Oktober 2014, 19 Uhr, Hotel Intercontinental, Düsseldorf
Sehr verehrter Herr Generalkonsul Temür,
sehr verehrte Frau Temür!
Herr Oberbürgermeister Geisel, lieber Thomas
Exzellenzen,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Bund, Land,
Kommune
meine sehr geehrten Damen und Herren!
I.
Mit Herzlichkeit und Freude überbringe ich Ihnen auch in
diesem Jahr die Grüße und guten Wünsche des Landtags
Nordrhein-Westfalen zum türkischen Nationalfeiertag.
Lassen Sie mich bitte aber zu allererst im Namen des
gesamten Parlaments Ihnen Herr Generalkonsul und dem
türkischen Volk mein großes Mitgefühl im Hinblick auf das
erneute Unglück in einem Bergwerk im Süden der Türkei
aussprechen.
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Mit großer Sorge bangen wir mit den Familien und Freunden
der verschütteten Bergleute in Ermenek. Wir alle wissen, dass
die eingeschlossenen Bergleute in größter Lebensgefahr
schweben und hoffen und beten für ein Wunder.
Gerade wir in Nordrhein-Westfalen wissen, wie gefährlich der
Bergbau sein kann und wünschen und bitten für die Bergleute
in der Türkei, dass auch dort höchste Sicherheitsstandards zur
Normalität werden.
II.
Sehr geehrter Herr Generalkonsul, liebe Gäste,
zum heutigen Empfang anlässlich des Nationalfeiertages bin
ich nicht alleine gekommen. Nein, ich werde von einigen
Mitgliedern
unserer
Parlamentariergruppe
NRW-Türkei
begleitet, die gemeinsam mit mir vor 14 Tagen die Türkei
bereist haben.
Deshalb wissen wir in diesem Jahr noch genauer, dass der
Nationalfeiertag zugleich auch immer der Tag ist, an dem wir
alle auf die große Lebensleistung Mustafa Kemal Atatürks
zurückblicken.
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Mit der Gründung der türkischen Republik hat Mustafa Kemal
Atatürk die Grundlage dafür geschaffen, dass sich die Türkei zu
einem
selbstbewussten
Staat,
zu
einer
politischen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Größe in der Region und
der Welt entwickeln konnte.
Deshalb gilt Mustafa Kemal Atatürk zu Recht als Vater einer
modernen und europäisch orientierten Türkei. Und wie sehr der
Staatsgründer bis heute in der Türkei verehrt und geliebt wird,
haben wir bei unserer Reise sehr eindrucksvoll gesehen,
erfahren und erlebt.
Gemeinsam mit der Delegation der Parlamentariergruppe habe
ich zum Beispiel das Mausoleum Atatürks besucht, im Namen
des Landtags NRW einen Kranz niedergelegt, und ich habe
mich zugleich in das Gästebuch der Gedenkstätte eintragen
können.
III.
In Ankara, in der Bergbaustadt Zonguldak am Schwarzen Meer
und in Istanbul hat unsere Delegation politische Gespräche zu
aktuellen Themen des deutsch-türkischen Miteinanders geführt
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und dabei unendlich wertvolle, aber in Teilen auch sehr schwer
einzuordnende Eindrücke gewinnen können.
In
intensiven
Gesprächen
mit
dem
stellvertretenden
Ministerpräsidenten Kurtulmuş sowie mit den Parteispitzen von
AKP, CHP und HDP ging es natürlich zuallererst um die
aktuelle Situation an der türkisch-syrischen Grenze, den
grauenhaften
und
brutalen
Terror
der
IS-Milizen,
die
Flüchtlingsfrage und um die politischen Positionen und
Antworten in der Türkei zu den anhaltenden Kämpfen um
Kobane.
Aus
den
sehr
offenen
und
ebenso
vertrauensvollen
Gesprächen kann ich Ihnen an dieser Stelle natürlich nicht im
Detail berichten.
Nur so viel: Zahlreiche Fragen haben wir als Gäste in die
Begegnungen hinein getragen. Und ich muss im Rückblick
sagen: Mit mindestens genauso vielen offenen Fragen sind wir
Abgeordneten eine Woche später nach Nordrhein-Westfalen
zurückgekehrt.
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Aber dennoch sagen wir übereinstimmend, dass wir aufgrund
dieser Reise und der vielen Gespräche die Türkei nun anders,
und bestimmt auch besser verstehen.
Höchst
unterschiedliche
und
vielfältige
Sichtweisen
zu
möglichen politischen Lösungsansätzen haben wir von unseren
türkischen Gesprächspartnern vermittelt bekommen. Gerade
deshalb sind wir für diese ehrlichen Einblicke ausgesprochen
dankbar,
denn
sie
haben
uns
bis
dato
unbekanntere
Perspektiven vorgestellt.
Das
waren
Sichtweisen,
die
den
hierzulande
teilweise
geäußerten Forderungen zum schnellen Einschreiten der
Türkei in der syrischen Grenzregion manchmal deutlich und in
einigen Fällen auch überraschend widersprochen haben.
Und ich will auch nicht verschweigen, dass uns die ein oder
andere Reihenfolge, mit der zum einen die Konfliktsituationen
beschrieben
und
analysiert,
und
zum
anderen
Handlungsoptionen abgeleitet wurden, überrascht hat.
Umso stärker und nachhaltiger ist daher der Eindruck unserer
Delegation:
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Für die aktuellen Geschehnisse an der türkisch-syrischen
Grenze und die komplexen Konfliktlinien in der Region gibt es
keine politischen Patentlösungen.
Gerade deshalb gilt: Wichtig ist und bleibt ein anhaltender
Dialog der politischen Partner und zivilen Akteure auf allen
Ebenen. Und zwar innerhalb der Türkei und auch mit der
Türkei.
Und
genau
diesen
Dialog
wollen
wir
in
der
Parlamentariergruppe NRW-Türkei weiterhin freundschaftlich
begleiten – ohne uns dabei außenpolitische Kompetenzen
anzumaßen,
die
uns
als
Landtagsabgeordnete
selbstverständlich nicht zustehen.
IV.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Gerne möchte ich an dieser Stelle einen weiteren, sehr
wertvollen Eindruck aus den Gesprächen in der Türkei
hervorheben.
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Sowohl im Austausch mit staatlichen Stellen, aber auch mit
Nicht-Regierungsorganisationen hat sich unsere Delegation zu
den
bestehenden
Herausforderungen
der
immensen
Flüchtlingsströme aus Syrien und den benachbarten Staaten in
die Türkei informiert.
Dabei
wurde
uns
von
allen
Seiten,
auch
durch
das
Flüchtlingshilfswerk und des Kinderhilfswerk der Vereinten
Nationen, bestätigt:
Der türkische Staat tut seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs
2011 sein Möglichstes, um Zufluchtsort für die inzwischen mehr
als 1,5 Millionen Menschen aus Syrien zu sein. Die Aufnahme
von so vielen Menschen in so kurzer Zeit kann aber natürlich
nicht ohne Probleme verlaufen.
Ja, wichtige Fragen, unter anderem zum rechtlichen Status der
Flüchtlinge in der Türkei sind derzeit noch ungeklärt. Und vor
allem drängt die Aufgabe, den Flüchtlingen in der gesamten
Region
ausreichende,
wintertaugliche
bereitzustellen.
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Unterkünfte
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Ich bin daher sehr froh, dass gestern in Berlin auf Einladung der
Bundesregierung
die
Vertreter
von
40
Staaten
und
Organisationen zur Flüchtlingskonferenz zusammengekommen
sind, um die weiteren Hilfen der internationalen Gemeinschaft
zu beraten und abzustimmen. Dass es dabei letztlich eine
Zusage in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro zur Hilfe und
Unterstützung
der
humanitäre
Arbeit
und
der
Entwicklungszusammenarbeit gegeben hat, ist zu begrüßen.
Eine humanitäre Katastrophe, wie wir sie derzeit mit den
Flüchtlingen aus Syrien erleben, lässt sich nämlich nur
gemeinsam, in der möglichst engen Zusammenarbeit der
Staaten und Hilfsorganisationen, bewältigen. Hier wie auch an
anderer Stelle ist die Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit
gefordert.
Doch unabhängig von den noch vor uns und vor der Türkei
liegenden, riesigen Aufgaben und Herausforderungen ist
gerade der heutige Nationalfeiertag die beste Gelegenheit, dem
türkischen Staat Danke zu sagen.
Danke für die bedingungslose und rasche Aufnahme so vieler,
hilfesuchender Menschen. Danke für die Bereitschaft, die in
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ihrem Leben bedrohten Flüchtlinge aus Syrien über die
türkische Grenze zu lassen.
Für dieses Zeichen der Humanität gebührt der Türkei unser
großer Respekt.
Gleichzeitig wissen wir alle aber auch, dass noch enorme
Anstrengungen vor der Türkei und vor uns in Europa liegen.
Flüchtlinge brauchen Hilfe und Unterstützung weit über den Tag
hinaus. Geht es zuerst oftmals um das Überlegen, so geht es
anschließend um Integration und Teilhabe in die aufnehmende
Gesellschaft. Dabei spielt die Anerkennung der kulturellen,
religiösen, sprachlichen und gesellschaftlichen Identität eine
große Rolle. Insbesondere wenn Traumata überwunden und
verarbeitet werden müssen.
V.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
„Die Weltbürger sollten fern von Neid, Gier und Rachsucht
erzogen werden.“
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Dieses Zitat Atatürks ist in Ankara, im Friedensturm des
Mausoleums, verewigt. Gerade in diesen Wochen und Monaten
sollte es uns ermutigen, dass wir uns weiterhin gemeinsam für
Toleranz,
für
kulturelle
Verständigung,
für
Bildung
und
Aufklärung und damit immer auch für ein friedliches Miteinander
der Religionen einsetzen.
Ganz klar möchte ich sagen:
Gemeinsam dürfen wir nicht zulassen, dass Extremisten und
Fanatiker
die
islamische
Religion
für
ihren
Terror
missbrauchen.
Wir dürfen es nicht dulden, dass Extremisten das Recht eines
jeden Menschen auf freie und friedliche Religionsausübung mit
Füßen treten.
Und
wir
dürfen
nicht
dabei
zusehen,
wie
sie
das
Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Meinungen,
unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Kulturen und
Religionen durch menschenverachtende Ideologie bekämpfen.
Ich bin daher sehr froh darüber, dass sich Vertreter aller
Religionsgemeinschaften in Deutschland ganz ausdrücklich von
Extremismus, Antisemitismus und Gewalt distanziert und die
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furchtbaren Auswüchse und Übergriffe der jüngeren Zeit
verurteilt haben.
So hat auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland dazu
aufgerufen:
„Stellen wir uns gemeinsam geschlossen und entschlossen mit
friedlichen Mitteln gegen den Hass, gegen das Unrecht im
Namen unserer Religion und im Namen unserer Demokratie.“
Dem, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nichts
hinzuzufügen.
VI.
In das Gästebuch des Mausoleums in Ankara habe ich
folgenden Satz geschrieben:
„Der
Landtag
Nordrhein-Westfalen
und
die
Parlamentariergruppe NRW-Türkei sind sich der historischen
Bedeutung des deutsch-türkischen Miteinanders für Frieden
und Freundschaft in Gegenwart und Zukunft sehr bewusst.“
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Dies möchte ich auch heute Abend erneut betonen, denn
gerade wir in Nordrhein-Westfalen wissen mit Blick auf die
deutsch-türkische
Freundschaft
seit
vielen
Jahren
und
Jahrzehnten am besten:
Es ist gut, es ist bereichernd und es ist richtig, in einem Land
und in einer Gesellschaft der Vielfalt zu leben. Und diese
Errungenschaft lassen wir uns nicht durch Extremisten, nicht
durch Faschisten, nicht durch Antisemiten und nicht durch
Terroristen zerstören – ganz gleich unter welchem politischen
oder religiösen Deckmantel sie uns unsere Freiheiten und uns
unsere Freundschaft nehmen wollen.
VII.
Die Freundschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei
stand daher auch im Zentrum unserer Informationsreise.
Während
des
Aufenthalts
in
der
Türkei
hat
unsere
Landtagsdelegation die türkische Gastfreundschaft in all ihren
Facetten erleben dürfen.
Ob
im
Austausch
mit
der
Türkisch-Deutschen
Freundschaftsgruppe der Großen Nationalversammlung, ob bei
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unserem Aufenthalt in der Bergbaustadt Zonguldak oder bei
unserem Besuch im Istanbuler Stadtbezirk Sariyer:
Überall sind wir mit offenen Armen und sehr warmherzig
empfangen worden. Der Zauber dieser Gastfreundschaft hat
seine Wirkung nicht verfehlt: Aus Fremden sind oft binnen
weniger Stunden Freunde geworden.
IX.
Lieber Herr Generalkonsul, Freundschaften zu knüpfen und
Freundschaften zu pflegen, dazu kann und soll natürlich auch
der heutige Abend im Zeichen des türkischen Nationalfeiertags
dienen.
Ich danke Ihnen daher noch einmal von Herzen für Ihre
Einladung und ich wünsche uns allen einen begegnungsreichen
Abend mit vielen persönlichen Gesprächen!
Herzlichen Dank!
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