Bosscat - rc-car

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Bosscat - rc-car
Text und Fotos: Christian Fett
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Fast 15 Jahre sind vergangen, seit die englische Firma Schumacher die legendäre Cat-Serie der 4WD-OffroadElektro-Fahrzeuge mit dem Bosscat erfolgreich fortsetzte. Als Nachfolger des zu Beginn der 90er-Jahre extrem
erfolgreichen Pro-Cat konzipiert, mauserte sich der Bosscat schnell zu einer ernsthaften Konkurrenz für die
Kyosho Lazer ZX(R) und Yokomo Works-Fahrzeuge, welche die damalige Rennszene dominierten.
Schnell wurde der Bosscat zu einem der
erfolgreichsten und am meisten eingesetzten
Fahrzeuge zwischen 1991 und 1993. Viele
kleine aber sehr durchdachte Detaillösungen
am Antrieb und Fahrwerk zeigen noch heute,
dass der Bosscat seiner Zeit klar voraus war.
Mit den Jahren hat die 4WD-Offroad Rennszene viel an Zulauf verloren, was in erster
Linie wohl den hohen Ersatzteilkosten und
dem größeren Wartungsaufwand gegenüber
den zweiradgetriebenen Offroad-Fahrzeugen
zuzuschreiben ist. Von den damaligen HighEnd-Fahrzeugen dürften nur noch wenige in
wirklich gutem Zustand existieren und damit
bereits den Oldtimern der RC-Szene zuzuordnen sein. Der hier vorgestellte Bosscat ist wohl
einer der letzten seiner Art. Er ist im Originalzustand und nahezu ungebraucht. Ein kleiner
Ausflug in die Vergangenheit des
RC-Car-Sports und die technischen
Besonderheiten des Bosscat, die
ihn zu Beginn der neunziger Jahre
zu einer der innovativsten
Entwicklungen im internationalen
RC-Car-Sport machten, sollen
Bestandteil dieses Berichtes sein.
Kleiner Ausflug
Der ein oder andere Leser wird
sich sicher noch an die vielen
spannenden Rennen zu Beginn
der neunziger Jahre erinnern. Man
fuhr damals im 4WD-Bereich bereits Strom
fressende Zwölf-Turn-Motoren. Die Akkutechnik hielt den Fahrspaß jedoch noch stark
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Das Chassis des Bosscat Sport war nicht mit
Ausspaarungen für den Akku versehen,
besaß aber eine Halterung für Stickakkus
in Grenzen, denn mehr als 1.800 Milliamperestunden Kapazität war noch nicht machbar
und auch die Fahrtregler hatten wesentlich
Elektro-Offroader
Bosscat
Schumacher
Crash-backVorderachse
Die Telekopkardans an der Vorderachse samt Pivot-Ball-Aufhängung
sollte in späteren Versionen aber zum Standard der
höhere Innenwiderstände als dies
Baukästen gehören. Die „Works“-Version des
heute der Fall ist. Strom sparendes
Bosscat komplettierte die Reihe im High-EndFahren war also angesagt und so
Bereich. So waren im Bosscat „Works“ alle nur
endete manch ein 5-Minuten-Lauf
erdenklichen Kohlefaserteile verbaut und der
früher als geplant und ein leerer
Wagen natürlich serienmäßig mit Slipper, KugelAkku machte hohe Rundenzahlen
lager und Stoßdämpfer mit gehärteten
unmöglich. Aufwändiges
Aluminiumgehäuse ausgerüstet.
Tiefentladen der Akkus kosteSchumacher setzte im Jahr 1993
te viel Zeit und nur wer
die Serie der allradgetriebenen
viel Erfahrung mitbrachOffroader mit dem Cat 2000
te, konnte wirklich das
fort. 1998 folgte dann der Cat
Maximum an Leistung
98, bevor die Reihe mit dem
aus dem Material heCat 3000 zunächst ihren
rausholen. Die damatechnischen Höhepunkt fand.
ligen Fahrzeuge im
Schumacher arbeitet zur Zeit
4WD-Elektro-Offroad
mit Hochdruck an einer
waren ausschließlich
Die selbstgedrehten
riemengetrieben und
Messing-Differentialmitnehmer komplett überholten Version
der Cat-Baureihe. Der jüngsaus heutiger Sicht
te Spross soll voraussichtlich im Sommer 2006 auf
bereits sehr reibungsarm und leisden Markt kommen. Es bleibt also spannend, mit
tungsfähig konstruiert.
welchen Innovationen Schumacher dann aufwarten wird.
Cat-Serie
Der Bosscat wurde in diversen
Versionen angeboten. Die einfachste Version war der Bosscat Sport. Dieser hatte einfache Metall-Gleitlager, GFK-Chassis und Oberdeck sowie technisch einfache, trotzdem aber
effektiv arbeitende Stoßdämpfer aus
Aluminium. Anfang der neunziger Jahre
wurden in der Wettbewerbsszene außerdem erste Rutschkupplungen, so genannte „Slipper“, erfolgreich eingesetzt.
Zunächst vorwiegend im 2WD-Sektor zu
Hause, sollten sie sich auch schnell im
4WD-Bereich etablieren. In der „Sport“Ausführung des Bosscat war eine solche
Rutschkupplung noch nicht serienmäßig,
Technische Highlights
1990 waren Riemen getriebene Fahrzeuge das
Maß der Dinge und repräsentierten den damaligen
Stand der Technik. Selbst im 2WD-Bereich hatte
Die Crash-Back-Vorderachse des Bosscat
bewahrte sicher viele Piloten vor dem
Neukauf kostspieliger Querlenker.
Technisch möglich wurde diese Art der
Konstruktion nur in Ergänzung mit den
Telekop-Kardanwellen. Heute übliche
Kardans sind in ihrer Länge nicht variabel, genau dies war aber Grundvoraussetzung für die Funktion der
Crash-Back-Vorderachse. Während die
Querlenker jeweils an zwei nach hinten
schwenkbaren Halterungen direkt am
vorderen Getriebegehäuse montiert
waren, konnten diese mitsamt der
Teleskopkardans nach hinten ausschwenken. Die feste Verbindung der
Kardanwellen am Radmitnehmer und
Die „Crash-back“-Vorderachse
mit den zwei Gummiringen
den Differenzialmitnehmern machte
dies möglich. Auch die „Empfindlichkeit“ der schwenkbaren Vorderachse
konnte durch die Anzahl der Gummiringe variiert werden, welche die beiden Achsenteile zusammenhielten. Ein
Nachteil dieser Konstruktion war dennoch offensichtlich: Die Anzahl der verwendeten Teile an der komplizierten
Konstruktion war deutlich höher, als
dies bei konventionellen Voderachskonstruktionen der Fall ist. So konnte
zum Beispiel auch keine herkömmliche
Dämpferbrücke verwendet werden, da
beide Stoßdämpfer unabhängig voneinander schwenkbar bleiben mussten,
was wiederum die Anzahl der gerade im
Offroad so wichtigen Aufhängungspunkte einschränkte.
Die Telekopkardans und der
Exzenter zum Einstellen der Riemenspannung
Die verzahnte Aufnahme
der vorderen Radaufhängung
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48-dp-Feinverzahnung am Antrieb
te damit auf einen aufkommenden Trend,
waren die Teleskopkardans doch äußerst
zuverlässig und stabil. Nur bei extremer
Verschmutzung konnte das Gelenk schwergängig werden und so die Federungseigenschaften der Achsen negativ beeinflussen.
Versenkte Schrauben an der Unterseite und eine Lexanabdeckung
zum Schutz des Unterbodens
Schumacher mit dem „Cougar“ ein überaus
erfolgreiches Fahrzeug mit zweistufigem
Riemenantrieb konstruiert. Die Konstruktion
mit Doppeldeckchassis ist bis in heutige
Modellreihen erhalten geblieben. Leider
wurde die „Sport“-Version des Bosscat „nur“
mit einem GFK-Chassis ohne entsprechende
Ausschnitte für Saddle-Pack-Akkus ausgeliefert. Für den ambitionierten Fahrer bedeutete
dies zunächst die Anschaffung eines neuen
Chassis oder eben die Nachbearbeitung des
Baukasten-Chassis. Am hier vorgestellten
Modell wurde die serienmäßige StickakkuHalterung belassen, da dieses Fahrzeug nicht
mehr für den Renneinsatz vorgesehen ist.
Der Antrieb
Der Antrieb des Bosscat bestand im Wesentlichen aus zwei Komponenten: Im hinteren
Getriebegehäuse wurde die Motorkraft von
der Hauptzahnradwelle über zwei kurze
Riemen auf das hintere Differential übertragen. Standardmäßig hatte das Hauptzahnrad
natürlich schon 48-dp-Feinverzahnung. Die
Kraftübertragung an die Vorderachse wurde
von einem langen Riemen über die Riemenräder der Hauptzahnradwelle an das vordere
Differenzial sichergestellt. Fein verzahnte
Riemen waren damals bereits Standard und
auch bei der Konkurrenz, wie zum Beispiel
bei den Works-Modellen von Yokomo oder
der Lazer-Reihe von Kyosho verbaut. Die
Riemenspannung konnte am hinteren
Getriebegehäuse durch von außen einstellbare, drehbare Exenter justiert werden. Den
Bausätzen der Cat-Fahrzeuge waren jeweils
zwei aus Lexan geformte Riementunnel beigelegt, die den Antrieb wirksam vor Schmutz
schützten. Gerade im harten Renneinsatz war
es ratsam, trotzdem immer einige Ersatzriemen und Antriebsteile bei sich zu haben.
Die Differenziale des Bosscat waren, wie
heute noch üblich, Kugeldifferenziale. Einzig
die Differenzialmitnehmer aus Kunststoff verschlissen im Renneinsatz recht schnell.
Abhilfe schafften hier sündhaft teure Einzelanfertigungen aus Messing, die in akribischer
Handarbeit gedreht wurden. Ein weiteres
technisches Merkmal der SchumacherFahrzeuge waren die teleskopartigen Kardanwellen. Sie bestanden aus zwei ineinander
greifenden, mehrfach verzahnten Wellen.
Diese gewährleisteten die Achsbewegung und
den dadurch notwendigen Längenausgleich.
Wie heutige Kardanwellen waren diese
Teleskopwellen am Differenzialmitnehmer
und an der Radachse jeweils durch ein Kreuzgelenk verbunden. Diese Kardantechnik
wurde jedoch bereits 1994 mit Erscheinen des
Cougar 2000-2WD durch heute noch übliche
CVD-Kardans abgelöst. Schumacher reagier-
Nostalgier pur! Ein alter Kyosho Lazer ZX dreht seine Runden
auf der Graßbahn im niedersächsischen Dassel. Zeit: um 1993
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Die Achsen
Ein interessantes Detail war sicher die
Konstruktion der Aufhängung. Heute wird
gerne auf die spielfreie, vielfältig einstellbare
Pivot-Ball-Aufhängung zurückgegriffen.
Beim Bosscat fand sich diese Technik bereits
an beiden Achsen. Diese Befestigung der
Querlenker an den Achsschenkeln durch
Kugelgelenke gewährleistet eine spielfreie
und Millimeter genau justierbare Aufhängung. Im Tourenwagensektor ist diese Art der
Aufhängung heute noch üblich. Selbstverständlich waren auch beim Bosscat sämtliche Spurstangen mit Rechts/Links-Gewindestangen versehen und die Spur und der
Nachlauf konnten entsprechend eingestellt
werden. Bereits mit dem Cat 2000 veränderte
Schumacher die vordere Dämpferaufhängung.
Anders als im Bosscat war im Cat 2000 eine
Ein Pro-Cat mit „Tuning“-Motorplatten,
Tekin-RC-Komponenten und einem
Dingo-Motor made by Ralf Krause
Noch ein Pro-Cat mit vergleichsweise übersichtlichem RC-Einbau. Der Riemen verlief unterhalb
des Chassis in einem Kanal, der an der Karosseriewanne angeformt war
Dämpferbrücke mit mehreren Aufhängungspunkten für Stoßdämpfer verbaut. Die Stoßdämpfer
selbst hatten in der Sport-Version einfache
Aluminiumgehäuse. Für den Renneinsatz wurden
sie aber gegen Teflon beschichtete Gehäuse
getauscht, um maximale Leichtgängigkeit der
Dämpfung zu erreichen. Genau wie bei der
Technik der Kardanwellen läutete Schumacher bei
den Radmitnehmern mit dem „Cougar 2000“ ein
neues Zeitalter in der Firmengeschichte ein. Bis zu
seinem Erscheinen fand an allen Fahrzeugen eine
spezielle Vierfach-Verzahnung der Radmitnehmer
Verwendung. Sie funktionierte durch entsprechend
geformte Aufnahmen in den Radachsen und
Felgen. Der Cougar 2000 war das erste Auto, in
dem die noch heute üblichen Sechskantmitnehmer
verbaut wurden.
History repeats itself
Was bleibt nun aus der guten alten Zeit? Zunächst
einmal sicher die Erkenntnis, dass Schumacher mit
der Cat-Modellreihe einige sehr innovative, technische Neuerungen auf den Markt gebracht hat.
Teilweise haben diese Ideen, wie im Fall der
Crash-back-Vorderachse, ihren Platz bei der
Modellkonstruktion bis heute gehalten. Andere
Entwicklungen, wie die Sechskantmitnehmer oder
der effiziente Riemenantrieb, sind bis heute
Standard geblieben. Sicher wird das Rad nicht neu
erfunden, so sind es doch vielmehr die kleinen
Verbesserungen, die das Leben der RC-Car-Piloten
erleichtern. Sicherlich war der Bosscat seiner Zeit
weit voraus und vor allem für damalige
Verhältnisse ein echter Quantensprung in der
Modelltechnik. Es bleibt also abzuwarten, ob
Schumacher oder auch ein anderer Hersteller uns
bald wieder mit einem ähnlich großen Wurf überraschen wird. Für die Popularität der 1:10-OffraodSzene wäre dies sicher eine große Unterstützung.
Fehlen hier doch seit Jahren die wirklich großen
Neuerungen. Nichts desto trotz – die Hoffnung
bleibt, denn alles Populäre und Beliebte kommt
schließlich irgendwann einmal wieder.
Zeitzeugnis aus der technischen Abnahme in
Dassel. Im Vordergrund zwei Kyosho Lazer,
dahinter ein Schumacher Pro-Cat von Oliver Brandt
Ein modifizierter Schumacher Cougar 2WD.
Die riesigen Seitenplatten des Spoilers
waren zur damaligen Zeit absolut „hip“
und erleben gerade eine Renaissance
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