1 Chancen und Herausforde

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1 Chancen und Herausforde
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ChancenundHerausforderungenderSeelsorgeundBeratungimChat
GunhildVestner&WernerGreulich
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Zusammenfassung
DieSeelsorge‐undBeratungsarbeitimChaterreichtMenschen,dieeinendirekten
odertelefonischvermitteltenSeelsorgekontaktnichtaufnehmenwollenoder
können.GrundlegenderAuftragvonSeelsorgeistes,Menschendortaufzusuchen,wo
siesind.DiesenAuftragsetzendieKircheninSeelsorgeundBeratungum,wennsie
jungenFrauenundMännerndortbegegnen,wosiesichmitihrenspezifischen
ThemenimInternetbewegen.DieTelefonseelsorgehatlangjährigeErfahrungenin
medialvermittelterSeelsorgeundnutzteinneuesChatsystem,dasAnonymität,
DatenschutzundDatensicherheitindasQualitätskonzeptvonSeelsorgeund
Beratungintegriert.NeuekommunikationsförderndeModuletragendazubei,aus
demPlaudermediumChateinenniedrigschwelligenKontextvonSeelsorgeund
Beratungwerdenzulassen.DerArtikelzeigtsowohldiemedienspezifischen
Wahrnehmungs‐undInterventionsmöglichkeitenaufalsauchdieGrenzenmedial
vermittelterBeziehungen.
ImkirchlichenSeelsorge‐NetzwerkderZukunftistdieTelefonseelsorgeimInternet
alsökumenischesProjektfestverankert.
Abstract
Pastoralcareandcounsellingonlineinchat‐roomsreachespeoplewhocannotordo
notwanttocontactthecare‐givinginstitutionsface‐to‐faceoronthephone.Itisthe
principalmissionofpastoralcaretofindandmeetthepeopleinthoseplaceswhere
theyare.ThecrisislineinGermanyimplementsthismissioninonlinechat‐roomsby
meetingyoungwomenandmenthereastheyaremovingintheinternetwiththeir
relevanttopicsandissues.
Thecrisislinehaslongexperienceofmultimediapastoralcareandusesanewchat‐
roomsystemthatintegratesanonymity,alongwithdataprivacyandsecurity,into
theconceptofqualityofpastoralcareandcounselling.Newcommunicativemodules
helpturnthe„chatty“chatintoalow‐thresholdcontextofpastoralcareand
counselling.
Thearticledescribeschannelsofperceptionandintervention,thelimitsof
multimediarelationshipsandascopeofconstructiveinterventiontools.
Face‐to‐faceandmultimediapastoralcarewillformtheChurches’networkof
pastoralcareofthefuture.Thecrisislineonlinewillbefullyintegratedinthis
networkasaprojectoftheChurchesinGermany.
Stichworte
SeelsorgeundBeratungimInternet/TechnikundMethodenderChatberatung/
TelefonSeelsorgeimNetzwerkderKirchen
1
„DigitalNatives“nenntmanuns,digitaleEinheimische.EinLebenohneInternetkönnen
wirunsnichtvorstellen.Wirchatten,stattzureden,lesenNachrichtenaufdem
BildschirmstattinderZeitungundverbringentäglichunzähligeStundenaufFacebook.
WirpostenunserPrivatlebenundgoogelnalles,auchunsselbst.Dasallesmachenwir
beinahegleichzeitig,dennwirsindMeisterdesMultitaskings...WirVernetzten,dassind
97,5ProzentunsererAltersgruppeinDeutschland“sobeschreibtRubenKarschnickdie
InternetnutzungunddieKommunikationsgewohnheitender18‐jährigen.1
FürdieElterngenerationistdasInternetdieandereWelt,dienebenderrealenexistiert.
Als„DigitalImmigrants“erlebensie,wiedievirtuelleWeltihrerealeWeltimprivaten
undberuflichenBereichmehrundmehrprägt.FürdieGroßelterngenerationistdas
Internetnoch(!)weitgehendeinefremdeWelt.AberegalwelcherGruppewiruns
zugehörigfühlen:dasInternetistdasLeitmediumunsererGesellschaft.
InDeutschlandwarenkreativeTelefonseelsorgerinnenundTelefonseelsorgerdie
Ersten,diesichdieserEntwicklungimBereichderSeelsorgeundBeratungstellten.Die
TelefonseelsorgeverfügtübereineinJahrzehntengewachseneKompetenzimUmgang
mitdenChancenunddenHerausforderungenmedialvermittelterSeelsorge.Aufdiesem
Hintergrundbegannenvor15JahrenhauptamtlichMitarbeitendeder
TelefonseelsorgestelleninKöln,KrefeldundHagen,MailundChatfürSeelsorgeund
Beratungzuerproben.Sehrschnellwurdedeutlich,dassMailundChatgute
Möglichkeitenbieten,umverzweifeltenjungenFrauenundMännernimInternetGehör
undBegleitungzuschenken.VieleMenschensuchenundnutzenimNetzdieseFormder
Unterstützung.Heutebieten35StellenzusätzlichMailberatungan.24Stellen
engagierensichinderChatberatung.FürdienächstenJahreisteinweitererAusbauder
„TelefonseelsorgeimInternet“zuerwarten.
DieTelefonseelsorgeverfügtseitMai2010übereinneuesChat‐System.Esistdasdritte
in15JahrenTelefonseelsorgeimInternet.NachPhasendesambitionierten
ExperimentierensundersterKonsolidierungstehtnuneintechnischesSystemzur
Verfügung,dassicherundfundiertdieHerausforderungenderOnline–Kommunikation
beachtetundfürSeelsorgeundBeratungimChatderTelefonseelsorgeumsetzt.Als
dritterFaktorinderKommunikationvonAundBhatdieTechnikimChateinen
eigenenEinflussaufdieQualitätvonSeelsorgeundBeratung.Wiebestimmendie
gewähltentechnischenLösungenüberdasSettingimChat,überdenKontakt,die
GesprächsverläufeunddieInterventionsmöglichkeiten?2
1 DasSettingimChat‐eineHerausforderungfürSeelsorgeundBeratung
DerChatderTelefonseelsorgeistalsschriftbasierte,quasi‐synchroneKommunikation
zubeschreiben,konzipiertalsterminlichvereinbartesoderalsspontangebuchtes
geschriebenesGesprächzwischeneinemRatsuchendenundeinemBeratenden,das45
bis60Minutendauernkann.GruppenchatswieihneinigeanderekirchlicheOnline–
AngeboteoderfreieInternetforeneingerichtethaben,gehörennichtzumAngebotder
TelefonseelsorgeimInternet.DieTelefonseelsorgeimInternetverspricht,inihrem
RubenKarschnick,Echtjetzt?ZeitMagazin,Heft34,2010,23.
Vgl.PetraRisau,DieWahlderTechnik.StandardsundAnforderungenantechnische
LösungenzurOnline‐Beratung.In:GerhardHintenberger/StefanKühne(Hg.),Handbuch
derOnline‐Beratung,201–211.
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kostenfreienAngebotanonymundkompetentzusein.3WelchetechnischenLösungen
brauchtes,umineinem“Plaudermedium(engl.tochat)sinnvoll”Seelsorgeund
Beratunganzubieten,in“einemMediumderDistanz”4BegegnungvonPersonzuPerson
zuermöglichen?.
Datensicherheit‐Datenschutz–Benutzerfreundlichkeit
SeelsorgeundBeratungimChatbrauchteinensicherenDatenkanal:Ratsuchendeund
Beratendenutzeneinehttps–VerbindungundkommenüberdieHomepageder
TelefonseelsorgezumChat–Portalnun.DieDeutscheTelekomAGstelltdie
erforderlichenSSL–ZertifikatezurVerfügung.RatsuchendeundBeratendemüssensich
miteigenemBenutzernamenundeinemgeheimzuhaltendenPasswortanmelden.Die
Passwortstärkewirdüberprüftundangezeigt.5
DerHosterdesneuenChatsystemsderTelefonseelsorgehatsichaufdiegeltenden
DatenschutzbestimmungenausdenAGBs,insbesondereaufdasDatenschutzgesetzder
EvangelischenKircheinDeutschland(DSG‐EKD)verpflichtet.ErhatdasMitschneiden
derIP–AdressevonRatsuchendenaufdemServerunterbunden.Inden
NutzungsbedingungenzumChatmachtdieTelefonseelsorgetransparent,wiesie
VertraulichkeitundAnonymitätnachaußensichertundwiesieTelefonseelsorge–
internmitdieserZusageumgeht:anonymisiert,verschlüsseltundpasswortgeschützt
wirdderTexteinesChat30Tagegespeichertunddannautomatischgelöscht.In
internerWeiterbildungundSupervisionwerdenInhaltundDynamikeinesKontaktes
reflektiert,umRatsuchendendiebestmöglicheUnterstützunggebenzukönnen.
Anonymität,DatensicherheitundDatenschutzsindgewährleistetundintegriertindas
QualitätskonzeptderTelefonseelsorge.6
DieNutzer/innendesChatsderTelefonseelsorgegehörenzuden“DigitalNatives”wie
zuden„DigitalImmigrants“.AufderHomepagederTelefonseelsorge,aufderLogin–
Seite,beiderTerminübersichtundbeimBelegeneinesTerminsimChatfindenauch
unerfahreneNutzer/innenleichtdiewesentlichenInformationen.VonderHomepage
biszureigentlichenChatseiteistdieTechnikbarrierefreigestaltet.Sehbehinderte
MenschenkönnensichTextevorlesen,BilderbeschreibenlassenundButtonszum
Anklickengroßstellen.AufderEbenederTechnikerhaltendieNutzer/inneneineReihe
vonSignalen,diehelfen,dasAngebotderTelefonseelsorgeimChatalseinladendund
glaubwürdigeinzuschätzen,alsoerstesVertrauenaufzubauenunddurchdieBelegung
einesTerminsinKontaktzugehen.BevordieeigentlicheKommunikationimChat
beginnt,sindesFarben,BilderundTexte,dasDesignderWebseitenunddietechnischen
Gegebenheiten,dieeinfacheundschnellverstehbareBedienung,dieBarrierefreiheit,die
NavigationbiszumBetretendesChat,dieAnsprachederNutzer/innen,diedie
Benutzerfreundlichkeitausmachen7.
NeuekommunikationsförderndeModuleimChatsystemderTelefonseelsorge
AmTelefonauchrundumdieUhrerreichbar.Vgl.www.telefonseelsorge.de.
Hintenberger,DerChatalsneuesBeratungsmedium.In:Ders./Kühne(Hg),69–78,
hier69f.
5
Vgl.zudiesenSicherheitskriterienOliverSchonscheck,Wiestehtesumden
DatenschutzbeiOnline‐Beratungen?In:DatenschutzPraxis09/10,4f.
6
Vgl.JoachimWenzel,QualitätsmanagementmitintegriertemDatenschutzmanagement
beiOnline‐Beratung.In:e‐beratungsjournal.net,2.Jahrgang,Heft1,ArtikelWenzel2006.
7
Vgl.TritzHeider,DigitalNativesundDatenschutz.In:e‐beratungsjournal.net,6.
Jahrgang,Heft1,Artikel4,April2010,1–24.
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StefanKühneundGerhardHintenbergererkennensalutogeneundpathogenePotentiale
derOnlinemedienanundempfehlendieaktiveGestaltungdes
Kommunikationsrahmens8umdenKontaktzufördernundeineBeziehungaufzubauen.
EinewesentlicheKonkretisierungdiesesAnsatzesistdie“Visitenkarte”der
Nutzer/innen,einModul,dasbeimBucheneinesTerminseingefügtist.Hiersinddie
Nutzer/innengebeten,sichmiteinemNicknamenanzumelden,Angabenzum
Geschlecht,zuihremAlterzumachenundihrAnliegenmitwenigenWortenzu
skizzieren–mitderBegründung,dassdieseAngabendenKontaktunddasVerstehen
erleichtern.BeimAusfüllenderVisitenkartesindNutzer/inneneingeladenund
herausgefordert,denKontaktzugestalten,Vertrauenzuentwickeln,ihrenNicknamen
alsBeziehungsangebotanzugeben9,sichmitihremAnliegenzuformulieren.Siemachen
ersteSchritte,ausdemPlaudermediumChateinenKontextvonSeelsorgeundBeratung
werdenzulassen.
EinandereskommunikationsförderndesModulistdasPersonen–Iconüberder
TexteingabezeileaufderChatseite.EszeigtdurcheinBlinkenan,obderandere
ChatteilnehmergeradeeinenTexttippt.Geradedann,wenndieTextelangsam
entstehenoderübermehrereZeilengehen,wissendieNutzer/innen,dasssienochim
Kontaktsind.SiekönnendieTaktungundAbfolgeihrerGesprächsimpulseleicht
aufeinanderabstimmen.
AnderetechnischeModulesindergänzbar,diedieKommunikationinderSeelsorge‐und
Beratungsbeziehungfördern:einNotizblock,dieVereinbarungeinesFolgekontaktes,
Textbausteine,Dokumente,Verlinkungen.DiestatistischeAuswertungaller2940von
derTelefonseelsorgeinDeutschlandvonMaibisDezember2010durchgeführtenChats
zeigt,dassdasModul“Visitenkarte”von81,6%derNutzer/innenangenommenwurde.
2 DieNutzer/innenbildeneineeigenständigeneueZielgruppederTelefonseelsorge
DiefolgendenAussagenüberdieNutzer/innenimChatderTelefonseelsorgebasieren
aufDaten,diedieRatsuchendenselbstangegebenhaben.10Eshandeltsichum2940
AngabenzuGeschlechtundAlter,dieRatsuchendeimZeitraumvonMaibisDezember
2010imneuenChatsystemmitihrerVisitenkartezurVerfügungstelltenunddieinder
StatistikdesChatautomatischgespeichertwerden.
ProfilederRatsuchenden
Danachsind69,3%derRatsuchendenweiblich.12,3%männlicheRatsuchendenutzen
denChat.KeineAngabenmachen18,4%.
Vgl.Hintenberger/Kühne,VerändertemedialeLebensweltenundImplikationenfürdie
Beratung.In:Dies.(Hg.)Handbuch,13–26.
9
Vgl.KarlheinzBenke,Netz,Online‐KommunikationundIdentität.In:
Hintenberger/Kühne(Hg.),Handbuch,47‐56.
10
DieimArtikelvonFriedhelmNachreiner/G.Schmidt‐MöckindiesemHeftverwendeten
DatenberuhenaufEinschätzungenvonBeratenden.
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ImErgebnisbedeutetdies:ÜberZweidrittelderRatsuchendenimChatder
Telefonseelsorgesindweiblich.DieserWertliegtdeutlichüberdemAnteilderFrauen,
diemiteinemAnteilvon53%dasTelefonalsMediumvonSeelsorgeundnutzen.11
BeimAltermachen28,3%derRatsuchendenkeineAngaben.DieAltersgruppebis29
Jahreistmit44,3%vertreten.DerSchwerpunktliegtinderAltersgruppeder20–29‐
jährigen,diemit33,2%amstärkstensind,gefolgtvonderAltersgruppeder30–39‐
jährigenmit12,5%undvonden11‐19‐jährigenmit11%.Die40–49‐jährigensind
mit7,8%unddie50–59‐jährigenmit6,9%alsRatsuchendevertreten.
FürdasProfilderNutzer/innenimChatderTelefonseelsorgebedeutetdies:Fastdie
HälftederRatsuchendenistunter30Jahrealt.ImVergleichzurAltersstrukturder
RatsuchendenamTelefon12,wostabilüberJahrehinwegdieGruppeder40–49‐
jährigenamstärkstenvertretenist,gefolgtvonden50–59‐jährigenundden30–39‐
jährigen,erreichtdieTelefonseelsorgeimChateineneueeigenständigeZielgruppe:
jungeMenschenunter30Jahre,vorallemjungeFrauen.
BeidenAngabenzumGeschlechtbeteiligtensich86,6%derRatsuchenden.DerAnteil
“keineAngabe”istmit18,4%imVergleichmitdenDatenvonFriedhelm
Nachreiner/GerdSchmidt‐Möckdeutlichabgesunken.BeiderAngabedesAlters
beteiligtensich71,7%derRatsuchenden;keineAngabemachen28,3%der
Nutzer/innen.HieristderAnteilvon“keineAngabe”unter30%gesunkenimVergleich
mitdenErgebnissenvonFriedhelmNachreiner/GerdSchmidt‐Möck.
ImErgebniszeigtsichhierimProfilderNutzer/inneneinedeutlicheBereitschaft,mit
ihreneigenenAngabenzurEntwicklungvonVertrauenundVerbindlichkeitimKontakt
beizutragen,einewertvolleVoraussetzungfürSeelsorgeundBeratungimChat.
ChatspezifischeThemenderRatsuchenden
AufdenerstenBlickscheinendieThemenderRatsuchenimChatundamTelefonganz
ähnlichzusein.AmhäufigstenschreibendieRatsuchendenvon“Depression/sonstigen
psychischenKrankheiten”undvon“Beziehung/Ehe/Partnerschaft”.13Beigenauerem
HinsehenergibtsichjedocheindifferenziertesBild,lassensichchatspezifischeThemen
derRatsuchendenbestimmen.DiefolgendenAussagendazubasierenaufstatistischen
Daten,dieinderTelefonseelsorgeRecklinghausenmiteigenenStatistikbögen,
differenzierendenItemsdurchdieBeratendenanonymisierterhobenwurden.Die
Auswertungvonüber1600ChatsausdenJahren2008und2009ergibt:
ImThemenbereich“psychischenErkrankungen”schreiben34%derRatsuchendenvon
Depression;30%derRatsuchendenvonselbstverletzendemVerhalten;13%von
Essstörungen;5%derRatsuchendenvonwahnhaftemErlebenund18%vonsonstigen
psychischenKrankheiten.
AlschatspezifischesThemaderRatsuchendenkommthierfastgleichaufmit
“Depression”dasselbstverletzendeVerhaltenindenBlick.Essstörungenbildeneinen
eignenAkzentimSpektrumderThemeninChat.DieDepressionistunterderKategorie
“psychischeKrankheit”auchamTelefonamstärkstenvertreten,dochnehmen
selbstverletzendesVerhaltenundEssstörungenunterdenGesprächsthemenamTelefon
weitwenigerRaumein.
HierbezieheichmichaufDaten,dievonBeratendencomputergestützterhobenund
bundesweitausgewertetwerden.Vgl.www.telefonseelsorge.deunterdemLink“Presse”
–“Hintergrund”–“StatistikTelefon”.
12
Vgl.ebd.
13
Vgl.ebd.unddenArtikelvonNachreiner/Schmidt‐MöckindiesemHeft.
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ÄhnlichistesmitdenThemen“Suizid”und“Gewalt”.AmTelefonverzeichnenwirin
RecklinghausendasThema“Suizid”in9%derGespräche,währendin18%der
durchgeführtenChatsRatsuchendeSuizidgedanken,‐absichten,frühereSuizidversuche
unddenSuizideinesAnderenzumThemamachen.Ebenfallssignifikanthäufigeralsam
TelefonschreibenRatsuchendein12%derChatsvonsexualisierterGewalt.
MitdemselbstverletzendenVerhaltenunddenEssstörungenfindenimChat
biographischeErfahrungeneinenRaum,inderenHintergrundTraumatisierungen
anzunehmensind.
DifferenziertestatistischeErhebungenbringenalsochatspezifischeThemender
RatsuchendenindenBlick,schwere,“dunkle”ThemendesLebens14.ImChatkönnen
RatsuchendeimSchutzmedialerDistanzundKontrollegeradequälendeThemen
äußern15.DastechnischeSettingerlaubtihnen,dieKontrolleüberdenKontaktzu
behalten.
DieTelefonseelsorgeimChatwirdhiermitihrenChancenalsniedrigschwelliges
Angebotsichtbar,alseinspezifisches,ergänzendes,überbrückendesMediumvon
SeelsorgeundBeratungimSeelsorge‐NetzwerkderKirchenundimpsychosozialen
Netz.DieTelefonseelsorgeimChaterreichtneueZielgruppen,vorallemjungeFrauen
undMänner,diemitschwerenThemenundquälendenErfahrungeneinen
KommunikationsortimInternetsuchenundfinden.
3 Seelsorge‐undBeratungsarbeitunterdenBedingungenkanalreduzierter
Kommunikation
DerChatbieteteinetext‐undzeichenbasierteKommunikation.ImVergleichzuderface
tofaceKommunikationundzudertelefonischenBegegnungnimmtder
InformationsreichtumimChatweiterab.Hören,Riechen,SchmeckenundTastenfinden
nichtstattunddasSehenistaufdieWahrnehmungvonZeichenreduziert.Angesichts
dieserweitgehendenKanalreduktionbefürchtetenVieleeineVerarmungder
menschlichenKommunikationundwarntenvoreinerEntsinnlichung,
EntkontextualisierungundEntschmenschlichungdurchdasInternet16.Anderseitsgab
dieÜberwindungsozialerundräumlicherGrenzendurchdasInternetauchAnlasszu
großenHoffnungenaufEmanzipationundegalitäregesellschaftlicheEntwicklungen.
EinedifferenzierteSichtbietetdasmedienökologischeRahmenmodellvonNicola
Döring.Siebetont:KommunikationimInternetfindetjenachAnwendungsbereich
unterschiedlichstattundmussdementsprechendunterschiedlichwahrgenommenund
bewertetwerden.SieistnichtdefizitärimVergleichzurfacetofaceKommunikation,
sondernanders.„DasInternetisteinneuersozialerHandlungsraum,indemMenschen
aufkreativeWeiseGefühleausdrücken,Beziehungenrealisierenundsoziale
Fertigkeitenerlernen,ohnedassdabeiautomatischKommunikationsstörungenund
Beziehungsverarmungresultierenmüssen“17.
Vgl.BirgitKnatz/BernardDodier,HilfeausdemNetz.TheorieundPraxisderBeratung
perE‐Mail.Stuttgart2003,177‐209.
15
Vgl.NicolaDöring,SozialpsychologiedesInternet,Göttingen2003,396–401;478–
487.
16
soz.B.BarbaraMettler‐Meibom,sozialeKosteninderInformationsgesellschaft,1987,
53ff.
17
Döring,SozialpsychologiedesInternet,2003,163.
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UmdieMöglichkeitendesInternetsfürdieSeelsorgearbeitauszuloten,isteswichtig,
sichvoneinemdefizitärenBlickaufdasMediumzulösenundeineNeugierfürdas
„Andere“diesesErfahrungsraumeszuentwickeln.
DieSpracheimTS‐Chat
ImChatzeigtsicheineganzeigeneExpressivität,dieintuitivundreflektierend
entwickeltwird.ElementederMündlichkeitverbindensichmitElementender
Schriftsprache.ImTS‐Chatwirdfastdurchgängigvom„reden“und„hören“geschrieben.
Als„Oraliteralität“wirddieseneueSprachformbezeichnet18.EsisteineSpracheder
Nähe,dieaufInteraktionundDialogausgerichtetist.DieseSpracheistfehlerfreundlich:
Rechtschreibfehler,durchgängigeKleinschreibungundVerzichtaufInterpunktionsind
keinProblem,sondernkennzeichneneherdeninformellenCharakterderBegegnung.
NonverbalerundparaverbaleElementewieEmoticons(…usw.),Soundwörter(Puh,
hm,..usw),gezielteVeränderungenderSchreibweiseundderZeichensetzung(GIB
NICHTAUF!!!!!!!!!!!!!!)erweiterndieAusdrucksmöglichkeitenimTelefonseelsorge‐Chat.
Akronyme,diefürdieChatkommunikationinanderenBereichentypischsind,werden
imTelefonseelsorge‐Chatjedochseltengenutzt.
ImChatwirdnichtnurtextbasiertgesprochen.Eswirdauchtextbasiertgehandelt!
DurcheinenWechselindie3.PersonoderdurchInflektivkonstruktionen,diekomplex
ineinanderverschachteltwerden,wirdtextbasiertgehandelt19.
Beispiel:DieRatsuchendeüberlegtdenChatabzubrechen.
DieTelefonseelsorgerinschreibt:daswäresehrschade,findeich*aufmunterndgucken*
DieRatsuchendereagiert:hm?*schulterzuck*
AuchdieGestaltungdesNicknamesbieteteineneueAusdrucksmöglichkeit.Der
NicknameverbirgtIdentitätundzugleichoffenbarterAspektederPerson.Im
Telefonseelsorge‐ChatisterhäufigAusdruckderemotionalenVerfassung;diePalette
derNamensschöpfungenreichtvondramatischen(„Todesengel“)biszubeiläufigen
Gestaltungen(„justmyself“).Auchausgesprochenkunstvolleundmehrdeutige
Nicknames(„heartsfear“)findensich.
DiesekurzeundfragmentarischeBeschreibungmachtdeutlich,wievielfältig,
ausdrucksstarkundreflektiertdastextbasierteSprechenundHandelnim
Telefonseelsorge‐Chatist.
4 DieMethodikderChatberatung
WiearbeitendieTelefonseelsorgerinnenundTelefonseelsorgermitdieserChatsprache?
InderRegelgehörensiezuden„DigitalImmigrants“.ImChattreffensieüberwiegend
auf„DigitalNatives“;d.h.dieTelefonseelsorgerinnenundTelefonseelsorgermüssensich
auffremdeSprachgewohnheiteneinlassen,umdieMöglichkeitenderBegegnungim
Chatoptimalnutzenzukönnen.InmedienspezifischenTrainingseinheitenerweiternsie
ihreGestaltungsmöglichkeitenbeigleichzeitigerWahrungihresauthentischen
Ausdrucks.
Döring,SozialpsychologiedesInternets,2003,…
Hintenberger,derChatalsneuesBeratungsmedium.In:Kühne/Hintenberger(Hg.),
HandbuchderOnline‐Beratung,2009,70ff.
18
19
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DaderTelefonseelsorge‐ChatzeitlichbegrenztistunddasMediuminformationsarmist,
empfiehltsicheineklareStrukturierung.
InderPraxisderTelefonseelsorgehatsichdieMethodik,dieGerhardHintenbergerfür
dieChatberatungentwickelthatalshilfreicherwiesen20.
.
ErbeschreibtvierPhasen:
‐
DieInitialphasedientdazu,KontaktherzustellenundVertrauenzubilden,indem
eineAtmosphärederGastlichkeitaufgebautwird.Hiergehtesnebendem
SammelnvonDatenundFakteninersterLiniedarum,denKontextgemeinsam
zuexplorieren.IdealerweiseendetdieInitialphasemiteinerProblemdefinition.
‐
InderAktionsphasesetzensichBeraterinundKlientindialogischmitdem
definiertenProblemauseinander.DiesführtzueineremotionalenVerdichtung
und/odersachlichenVertiefung.DieinInter‐AktionengesetztenThemen
mündeninderIntegrationsphaseineinvertieftesVerstehen.
‐
InderNeuorientierungsphasewerdenaufdemHintergrunddurchlebter
ErfahrungenundrationalerEinsichtenVeränderungsszenarienentworfenund
Lösungsmöglichkeitengesichtet.
‐
SeelsorgeundBeratungimChaterforderngrundlegendeInterventionsstrategien,
diedenChatvonAnfangbisEndeprägenundChat‐spezifischsind:Dasistzum
EinendieaktiveSteuerungdesSprecherwechsels.DaderChatkeinesynchrone
Kommunikationermöglicht,sondernzeitverzögertInformationenübermittelt,
kanneszuverwirrendenÜberkreuzungenderÄußerungenkommen.Durch
Fortsetzungsmarkierungen,Ende‐Markierungen(*oder#),Versendungkurzer
SatzfragmenteundInterventionen,dieRederechterteilen,kannder
Sprecherwechselgesteuertwerden.
‐
ZumanderenistdieEntschleunigungkennzeichnend:dem
GeschwindigkeitsrauschdesInternetswirdeinmeditativesTempo
entgegengesetzt,umeinenRaumderBegegnungmitsichunddemAnderenzu
öffnen.DerEntschleunigungdienenz.B.HandlungskommentierendeÄußerungen
(*denktkurzmalnach*)undRaumundZeitöffnendeInterventionen(„...umdich
besserverstehenzukönnen,würdeichgernedarübernochetwasmehrwissen.
Magstduerzählen?“).
‐
EbensoistdiemündlicheKonzipierungderSchriftsprachetypischfürdie
Chatberatung.Hierwerdendieobenbeschriebenenverbalen,nonverbalenund
paraverbalenMöglichkeitendesChatgenutzt.
‐
(InderSupervisionderChatgesprächezeigtsichdeutlich,dasssichRatsuchende
hierdenMöglichkeitenderBeratendenanpassen.Die„DigitalNatives“nehmen
offenbarRücksichtaufdie„DigitalImmigrants“.HäufignutzendieRatsuchenden
erstdanndiechat‐typischenMöglichkeiten,wenndieBeratendendiese
Gestaltungsmöglichkeiteneinsetzen.)
ImTS‐Chatwirdvielgefragt.DieeigenenBilder,AssoziationenundProjektionen
müssenausgesprochenundaktivüberprüftwerden,dadie„automatischen“
FeedbackprozessedurchHören,Sehenusw.fehlen.
DerAufbaueinerwarmen,wohlwollendenundgastlichenAtmosphäremitverbalen,
nonverbalenundparaverbalenInterventionenistdieVorraussetzungfürdasGelingen
desKontaktes.DieSchriftlichkeitdesGesprächskannfestlegendwirkenundnegative
Hintenberger,derChatalsneuesBeratungsmedium.In:Kühne/Hintenberger(Hg.),
HandbuchderOnline‐Beratung,2009,69‐78
20
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Assoziationenfördern.InderPraxisbewährensichfürdenAufbaueinerwarmen,
gastlichenAtmosphärediehäufigeNutzungvonKonjunktiven(„…ichkönntemir
vorstellen…)undIch‐AussagenunddiedirekteAnrededesRatsuchenden.
Ironie,starkkonfrontierende,oderaufdeckendeInterventionensindimTS‐Chatfehlam
Platze.AufgrundderKanalreduzierungistIronieimChatkaumadäquatzuverstehen.
DiemedienspezifischeFragilitätderSeelsorge‐undBeratungsbeziehungläsststark
konfrontierendeundaufdeckendeInterventionenimTS‐Chatnichtzu.
WieamTelefonkonzentrierensichdieBeratendenaufdieaktuelleLebenssituation.
SiebegleitendieRatsuchendenrespektvoll,einfühlsamundstärkensieinder
WahrnehmungihrerFähigkeitenundMöglichkeiten.ImChatistdie
Ressourcenorientierungnochstärker,alsindertelefonischenSeelsorge‐und
Beratungsarbeit.
5 Identitäts‐undBeziehungsarbeitinderChatseelsorge
WeiterewichtigeFragenfürdieSeelsorgearbeitimChatsind:WiewirdIdentitätimTS‐
Chatgestaltet?WiewerdenEmotionenwahrgenommen?WieentwickeltsichBeziehung
imSeelsorgechat?DiedreiKomplexesindengmiteinanderverbunden.
DieKonstruktionvonIdentitätimTS‐Chat:
VorgetäuschteIdentitäten(„Fakes“)erlebenwirimTS‐Chatselten.DasInternet
ermöglichteinSpielmitdenIdentitäteninniedagewesenerWeise.Inmanchen
AnwendungsbereichenistderIdentitätswechselgeradezudieBasisderKooperation
(interaktiveSpieleusw.).AberderKick,dermitdemWechselverbundenseinkann,
wirdimTelefonseelsorge‐Chatoffensichtlichnichtgesucht.AuchderNickname,derdie
Identitätverbirgt,offenbarthäufiginverdichteterWeiseAspektederPerson.Eher
scheintesdenentgegengesetztenEffektzugeben:FacettendereigenenIdentität,dieim
direktenKontaktverborgenwerdenmüssen,könnenimSchutzedertotalenAnonymität
preisgegebenwerden.
InseltenenFällenbegegnenunsimChatTeilidentitätenvonMenschen,dieuntereiner
dissoziativenPersönlichkeitsstörungleiden.DerTS‐Chatbietettraumatisierten
MenschendieMöglichkeiteinerwenigerängstigendenBeziehungsaufnahme,dasie
diesenKontaktweitgehendkontrollierenkönnen.AuchfürMenschen,dieuntereiner
dissoziativenPersönlichkeitsstörungleidenkanndiesesAngebotattraktivsein.Wirsind
zuderÜberzeugunggekommen,dasseinKontaktmitdiesenTeilidentitätenimChat
nichtsinnvollundnichtzuverantwortenist.DahergrenzenwirKontaktemitden
Teilidentitätenab.DieseAbgrenzungwirdmiteinerEinladungandie„Alltagsperson“
(dieHauptidentität)verbunden,siebeiihrerOrientierungimAlltagzuunterstützen.Im
KontaktmitdieserGruppewerdendieChancenunddieGefahrendiesesMediumssehr
deutlich.
DieWahrnehmungvoneigenenundfremdenGefühlenimTS‐Chat:
ImChatwerdenGefühlehäufigschnellerunddirekterausgedrückt.DieBeratenden
sagen:„EsgehtschnellzurSache“.DerAusdruckvonGefühlenundInhaltenwirddurch
denSchreibvorgangbewusstergestaltet,alsindermündlichenKommunikation.Auch
dieWartezeitzwischenderAnmeldungundderDurchführungdesChatskanndenGrad
derReflexionfördern.DieZeitbegrenzungunddasWissenumdieInformationsarmut
desMediumsanimierenzurKonzentration.AufdieseWeiseförderndie
9
RahmenbedingungenderChatseelsorgebeidenRatsuchendendieEigenaktivitätund
dieReflexionderGefühle.DasisteinentscheidenderVorteilderChatseelsorge.
Gibtesaucheinenvor‐oderunbewusstenAusdruckvonGefühlenimChat?Auchwenn
dieseFragebisjetztwenigerforschtwurde21glaubeichdavonausgehenzudürfen.
SchreibenisteinkreativerAkt.Kreativitätverbindetunsmitdenvorbewussten
Anteilen;„es“maltund„es“schreibt.DieKreativitätderRatsuchendenbeeindruckt
immerwiederinihrerBildhaftigkeit.
EinBeispiel:„...ichfehlemiraberzurZeit.DieRuheinselinmirseheichnicht.
Dauersturm.“
DieWorteundBildererzeugeneinenSpannungs‐undErfahrungsraum,derdurchlässig
wirdfürdenAusdruckunddieWahrnehmungvonGefühlen.DieDurchlässigkeitfürdie
ErschaffungunddieWahrnehmungsolcherSprach‐undBildräumeberuhtaufBegabung
undaufTraining.DieTelefonseelsorgerinnenundTelefonseelsorgerlesenzwischenden
Zeilen,wasdieRatsuchendenbewegtundwiesiesichfühlen.Geradewennesumdas
„zwischendenZeilenlesen“geht,isteswichtigdieeigenenWahrnehmungenmit
direktenFragenzuüberprüfen.HäufigreagierendieRatsuchendenaufdieseNachfragen
ausgesprochenpositiv.
DieEntwicklungderSeelsorgebeziehungimTS‐Chat:
RatsuchendeimInternetneigeneherzupositivenProjektionen‐nichtnurimTS‐Chat22.
SeltenerkommteszustarkennegativenProjektionen.Trotzdembleibendie
ErwartungenandieSeelsorge‐undBeratungsbeziehungweitgehendrealistisch.Durch
diemedialenRahmenbedingungenistesimChateinfachüberdeutlich,beiwemdie
VerantwortungfürdennächstenSchrittliegt:entwederdieRatsuchendenwagenihn
odersielassenes.Dessensindsichbeide(!)Seitenbewusst.
EigenverantwortungundEigenaktivitätsindinderInternetseelsorgedeutlicher,alsim
direktenKontakt.FüreinekonstruktiveSeelsorgebeziehungistdieseDeutlichkeitsehr
hilfreich.
Auffälligist,wiehochdieZufriedenheitmitdemTS‐Chatist.EineAuswertunginder
TelefonseelsorgeRecklinghausenergab4von5RatsuchendankenamEndedesChatfür
dieAnregungenunddas„Zuhören“.
DieseZufriedenheitmagaucheinHinweisaufdieEffektivitätderSeelsorgeund
BeratungsarbeitimChatsein.AufdemHintergrundausgewählterempirischerDaten
belegtChristianeEichenbergdieEffektivitätderSeelsorgeundBeratungimChat23
DieGrenzendiesermedialenBeziehungmüssenjedochauchsehrdeutlichimBlicksein.
ImTS‐ChatkönnenlängerfristigeBegleitungenentstehen;Ratsuchendeknüpfenanden
letztenChatan,mancheverabredensichfüreinenFolgechat.Aberüberwiegendhandelt
essichumeinmaligeKontakte,dieinsichabgerundetwerdenmüssen.Die„Fragilität“
derSeelsorgebeziehungistinderanonymenChatberatungnochausgeprägter,alsam
Telefon:dieMöglichkeiten,dieBeziehungzuüberprüfenund„abzusichern“sindnoch
eingeschränkterundeinKlickgenügt,umdieBeziehungabzubrechen.Die
BeratungspraxisimTS‐Chat(sieheoben)trägtdieserFragilitätRechnung.
Fazit:AuchinderanonymenChatseelsorgekannsicheinetragfähigeundkonstruktive
Seelsorgebeziehungentwickeln.DieoptimaleNutzungdermedienspezifischen
Döring,SozialpsychologiedesInternet,2003,…
StephanieBauer,HansKordy,E‐mental‐Health,2008….
23
ChristianeEichenberg…….
21
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Wahrnehmungs‐undInterventionsmöglichkeitenundderverantwortlicheUmgangmit
denmedienspezifischenGrenzensinddafürdiewichtigenVorraussetzungen.
6 DieTelefonseelsorgeimInternetistverankertimNetzwerkderkirchlichen
Seelsorge
Beim2.ÖkumenischenKirchentag2010inMünchensprachenVizepräsesPetraBosse–
Huber,24undBischofFranz–JosefBode,25,imRahmendesForums„Seelsorgeinneuen
Medien“überdieZukunftderSeelsorgeimInternet.26
FürdieevangelischeKirchesagteVizepräsesPetraBosseHuber:„DasInternetistdas
„GalatienderGegenwart“.InderBegründungknüpftesieanihreAussagean:„Seelsorge
istdieMuttersprachederKirche“27.AuftragderKircheistes,dortzusein,wodie
Menschensind.IndemdieKirchedieMenscheninNötenundÄngstenaufsuchtund
begleitet,wirdihreSeelsorgeeineFormderVerkündigungdesEvangeliums,zur
Muttersprache,dieeinMenschunmittelbarundohneErklärungenversteht.Im
AnschlussanHans‐UlrichGehringsUntersuchungzurSeelsorgeinder
Mediengesellschaftbetontesie,dassdasInternetzumLeitmediuminderGesellschaft
gewordenist.28WeilMenschensichimInternetaufhalten,zurLebenskunstder
Übergängeherausgefordertsind,imChatoderperMailsehrpersönlicheFragenstellen
könnenundexistenzielleErfahrungenbesprechenwollen,istdasInternetwie„das
GalatienderGegenwart“.AuchPauluswählteeinMedium,denBrief,umdasEvangelium
dorthinzubringen,wonochkeineGemeindewar.DiedigitaleWeltwirdfürimmermehr
Menschenein„vertrauterRaum“,„wieeinezweiteHeimat“sodasssichdasVerständnis
vonSeelsorgeerweiterthat:dieGemeindeisteinselbstverständlicherOrtvon
Seelsorge.InTheorieundPraxisderSeelsorgehatsichdieKircheinzwischengeöffnet
fürOrte,andenenMenscheninspezifischenSituationenarbeitenundleben:Esgibtdie
Flughafenseelsorge,Polizeiseelsorge,Krankenhaus‐undGefängnisseelsorge.Die
SeelsorgeimInternethatdieAufgabe,zuMenschenBeziehungenaufzubauen,dieim
InternetmitihremLeben,mitihrenNötenundÄngstenpräsentsind.Evangelische
LandeskirchenhabenausdiesemGrundeineeigeneInternetseelsorgeaufgebaut.Die
ArbeitderTelefonseelsorgeperMailundimChatbezeichneteVizepräsesPetraBosse
Huberalseinqualitätvolles,niedrigschwelligesundchancenreichesAngebot,dasinder
ökumenischenPartnerschaftverankertistundfinanziellverantwortetwird.
FürdiekatholischeKirchebezeichneteBischofFranz–JosefBodedasInternetalsden
Marktplatz,dieAgoravonheute.ErbezogsichaufdieGrundaussagendesII.
VatikanischenKonzilszurAufgabederKircheinderWeltvonheute.„Freudeund
Hoffnung,TrauerundAngstderMenschenvonheute,besondersderArmenund
Vizepräses der Evangelischen Landeskirche im Rheinland und Mitglied der Kammer für
Theologie der Evangelischen Kirche in Deutschland.
25
Bischof von Osnabrück und Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen
Bischofskonferenz.
26
Die folgenden Aussagen fassen bislang unveröffentlichte Kurzvorträge zusammen. Die
Zitate stammen aus der Tonaufzeichnung.
27
Vgl.PetraBosse–Huber,Seelsorge–die„Muttersprache“derKirche.In:Anja
Kramer/FreimutSchirrmacher,SeelsorglicheKircheim21.Jahrhundert.Neukirchen
2005,11–17.
28
Vgl.Hans–UlrichGehring,SeelsorgeinderMediengesellschaft.TheologischeAspekte
medialerPraxis,Neukirchen–Vluyn2002.
24
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BedrängtenallerArt,sindauchFreudeundHoffnung,TrauerundAngstderJünger
Christi.UndesgibtnichtswahrhaftMenschliches,dasnichtinihrenHerzenseinen
Widerhallfände“29.SeelsorgeimInternetbeschreibteralsein„Wahr–nehmen“dessen,
wasMenschenbewegtundalsAntwortenausder„ResonanzimInneren“derMenschen.
DasInternetistnichtalseinInstrumentderVerkündigungzunutzen,sondernalsein
RaumderBegegnungzugestalten,indemdieKircheHilfezugelingendemLeben
anbietet.DieSeelsorgederKircheistgekennzeichnetdurch„Vielgestaltigkeit“und
„Vielortigkeit“.Siekannsichterritorialverstehen,inkategorialeFeldergehen,durch
personale,lokale,temporaleundglobaleMerkmalecharakterisiertundmedialverortet
sein.DasInternetisteinwichtigerOrtderSeelsorge,wiedieAgoraundderAreopagfür
PaulusbedeutsameOrtederSeelsorgewaren.DiePastoralderZukunftwirdin
Seelsorge–Netzwerkenorganisiertsein,indenenalleMöglichkeitender
Kommunikationgenutztwerden.NiedrigschwelligeGesprächsmöglichkeitenwiebeider
TelefonseelsorgesindhilfreichfürMenschen,diesichleichterimSchutzderAnonymität
äußern.SeelsorgeperChatundMailsprichtMenschenan,diebesserschreibend
ausdrücken,wassienichtaussprechenkönnen.Wichtigist,wachsamzuseinangesichts
derVorteileundGefahrendesInternetsalleszufördern,waspersonaleBeziehungin
derInternet‐Seelsorgeermöglicht.BischofFranz–JosefBodeüberzeugtesichvonder
persönlichenIntensitätimChatderTelefonseelsorge.ImAusblickwarklar:Die
TelefonseelsorgeimInternetisteinunverzichtbarerTeilimNetzwerkkirchlicher
Seelsorge.DieökumenischeTrägerschaftderTelefonseelsorgehatsichbewährt,die
Finanzierungkanngemeinsamweiterentwickeltwerden.
PfarrerinGunhildVestner,TelefonseelsorgeRecklinghausen,Limperstr.15,45657
Recklinghausen,vestner@telefonseelsorge‐re.de.
Dr.WernerGreulich,TelefonseelsorgeRecklinghausen,Limperstr.15,45657
Recklinghausen,greulich@telefonseelsorge‐re.de.
GaudiumetSpes,PastoralkonstitutiondesZweitenVatikanischenKonzils„DieKirche
inderWeltvonheute“,inKarlRahner/HerbertVorgrimler,Kleines
Konzilskompendium,Freiburg1966.SobereitszitiertbeiStefanSchohe,DasKonzept
derTelefonseelsorge.In:TraugottWeber(Hg.)HandbuchderTelefonseelsorge,
Göttingen2006,25–32,hier31.
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