Geheimdienste, CIA, BND, Operation Alberich
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Geheimdienste, CIA, BND, Operation Alberich
Operation Alberich Islamisten präsentieren sich als knallharte Kämpfer. Foto: Islamistisches Werbevideo _ von Jürgen Elsässer Die Prism-Schleppnetzfahndung der US-Geheimdienste habe auch in Deutschland einige Terroranschläge verhindert, heißt es. Das Beispiel der Sauerland-Bomber zeigt das Ge genteil: Der durch Internetüberwachung aufgedeckte Terrorplot w ar von einem CIA-Mann überhaupt erst angestiftet worden. Der bekannteste Anschlagsversuch, den die NSA-Überwacher vereitelt haben wollen, ging von der sogenannten Sauerlandgruppe aus. Am 4. September 2007 überwältigt ein GSG 9-Kommando drei junge Islamisten in der Gemein de Medebach im Sauerland. «Sechs Jahre ist es heute her, dass junge Männer in die Türme des World Trade Centers flogen», so begann im ZDF eine Reportage über den festge nommenen Rädelsführer Fritz Gelowicz. Und weiter: «Mas senmord - wie damals am 11. September und am liebsten zum Jahrestag oder kurz danach, das, so glauben die Fahn der, war sein Plan.» Wurde damals also ein «deutsches 9/11» in letzter Minute abgewendet? Waren die Erkennt nisse der NSA dafür tatsächlich hilfreich? Dagegen spricht zunächst, dass sich die Nachwuchsterroristen selbst bei der Vorbereitung ihres Anschlages so auffällig verhielten, dass sie ganz ohne Hightech aufgeflogen wären. Obwohl gegen Gelowicz bereits im Jahre 2005 wegen Bildung ei ner kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung ermittelt und er kurzfristig festgenommen worden war, tauchte er danach nicht etwa in den Untergrund ab, änderte auch nicht sein Erscheinungsbild oder besorgte sich eine neue Identität. Vielmehr fuhr der Islamist am Silvestertag 2006 mit Freunden «mehrfach auffällig» vor einer US-Kaserne in Hanau hin- und her - so auffällig, dass das Observations kommando des Verfassungsschutzes das Auto anhalten und die Personalien der Insassen aufnehmen ließ. Spätestens am 6. Januar 2007 hätte Gelowicz merken müssen, dass der Staatsschutz es wieder auf ihn abgesehen hat: Seine Ulmer Wohnung wurde durchsucht. «Dass Fritz G. und seine mut maßlichen Komplizen sich von der Hausdurchsuchung nicht abschrecken ließen, dass sie im Gegenteil erst danach be gannen, kanisterweise Explosivstoffe zu beschaffen, Häu ser und Garagen zu mieten, militärische Zünder zu besorgen und in ihren [abgefangenen] E-Mails angeblich sogar die Fahnder zu verhöhnen, w irft ernste Fragen auf», wunderte sich die Frankfurter Allgemeine. Eines Tages ärgerten sich die Drei über Zivilpolizisten. Daraufhin «stieg einer der Isla misten (...) an einer roten Ampel aus und schlitzte die Reifen eines Verfolger-Wagens des Verfassungsschutzes auf». Ein anderes Mal randalierten sie so wild vor einer Disco voller US-Soldaten - einem potentiellen Anschlagsziel - , dass eine Polizeistreife eingriff. Der Beginn der Operation gehtauf Erkenntnisse des Prism-Programms zurück. Bei den Chefrunden im Bundeskanzleramt wurde die Opera tion über Monate hinweg fast jeden Dienstag bespro chen, federführend dafür war Thomas de Maizière. Ein Liberaler mahnt Gerhart Baum (FDP), Bundes innenminister unter Kanzler Helmut Schmidt, über seinen Amtsnachfolger Schäuble: <€r beschuldigt seine Kritiker der Hysterie und erzeugt zugleich eine hysterische Anti-TerrorAngst im Lande, um den Weg für seine Vorschläge freizuräu men. Das erinnert mich an die Situation in den USA nach den Anschlägen in New York und Washington.» (10.7.2007) Obwohl «Terror-Fritz» (so Die Welt über Gelowicz) und seine Kumpane also kaum Anstalten machten, sich ihren Beschattern zu entziehen, lief über fast ein ganzes Jahr eine Mega-Fahndung gegen sie, angeblich zur Verhinde rung des Anschlages. Die monatelange Inszenierung unter dem Codenamen «Operation Alberich» - benannt nach dem Zwerg unter der Tarnkappe aus der Siegfried-Sage - war laut Spiegel der «größte Polizeieinsatz seit dem Deutschen Herbst 1977» und beschäftigte ständig 500 Beamte aus ver schiedenen Landeskriminalämtern. für Deutschland heraus. Anfang Mai berichtete der Focus bereits relativ detailliert über die angebliche Gefährlichkeit der später Festgenommenen, inklusive ihrer Kontakte nach Zentralasien. Die entsprechenden Informationen stammten - wie zu Beginn der Kampagne - von der Internetüberwa chung durch CIA und NSA, konnten also unabhängig davon gar nicht überprüft werden. Wolfgang Schäuble, damals noch Innenminister, lobhudelte im Rückblick: «Kein Land hat eine so gute weltweite Aufklärung wie die Amerikaner, wir profitieren täglich davon.» Warum war der riesige Aufwand notwendig gewesen? Hätten nicht zwei Observationsteams genügt, um dem tollpatschigen Trio auf den Fersen zu bleiben? Die Beant wortung dieser Frage soll auf den Schluss des Artikels ver schoben werden. Schauen w ir uns zunächst die Regie der «Operation Alberich» an. Sie wurde, so der Spiegel, «nicht nur in Berlin, sondern auch in Washington» geführt. Und weiter: «In Berlin arbeitete gar eine gemeinsame Arbeits gruppe deutscher Behörden und der CIA an dem Fall. Die Kooperation sei so "eng wie nie" gewesen, so US-Heimatschutzminister Michael Chertoff. (...)» In die heiße Phase ging «Alberich» ab Anfang Juni 2007. Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm sprachen George W. Bush und Merkel unter vier Augen über den Fall. «Amerika fühlte sich bedroht, und die Bedrohung, so hatten es USGeheimdienstler ihrem Präsidenten aufgeschrieben, komme aus Deutschland - wieder einmal, wie beim 11. September 2001», fasste der Spiegel zusammen. Die Bundesregierung parierte und mobilisierte die Ängste der Bevölkerung. In der Spiegel-Ausgabe vom 8. Juli 2007 erschien ein Interview mit Schäuble unter der Überschrift «Es kann uns jederzeit treffen». Schäuble weiter: «Wenn w ir sagen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Anschlags so hoch wie nie zuvor ist, schwingt da keine Panikmache mit.» Chronologie einer verdeckten Operation Tatsächlich geht der Beginn der «Operation Alberich» im Oktober 2006 auf Erkenntnisse des Prism-Programms zurück: Der amerikanische Abhördienst NSA hatte im In ternet verdächtige E-Mails zwischen Deutschland und Pakistan abgegriffen. Damit wurden die deutschen Behör den gefüttert und zum gemeinsamen Vorgehen gedrängt. Bereits am 5. Januar 2007 zog das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) von Polizei und Geheimdiensten in Berlin-Treptow die Ermittlungen gegen die angeblichen Anschlagsvorbereitungen an sich. Bei den Chefrunden im Bundeskanzleramt wurde die Operation über Monate hin weg fast jeden Dienstag besprochen, federführend dafür war Thomas de Maizière, Amtschef von Bundeskanzlern Angela Merkel. Im April 2007 erhöhte Washington den Druck und gab über die Berliner US-Botschaft eine erhöhte Terrorwarnung Der Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen (s. Foto) gab am 18. Juli gegenüber dem Bundestags-Innenausschuss an, die NSA-Überwachung habe sieben Terroranschläge in Deutschland verhindert. Bundes innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte zuvor von fünf en gesprochen. Nähere Angaben dazu machten beide nicht. Im Falle der Sauerland-Gruppe, die in diesem Artikel behandelt wird, ist die NSA-Verwicklung erwiesen. Foto: HPI/D. Laessig Agent Mevtüt Kar M it den Festnahmen von Anfang September 2007 soll ten sich diese Kassandrarufe - scheinbar - als berechtigt erweisen. Und heute dient das Beispiel der Sauerland-Bomber den Fürsprechern der NSA dazu, den letztlichen Nutzen der illegalen Internetspionage zu betonen. Dabei wird ein wichtiger Punkt übersehen: Die Islamisten um Fritz Gelowicz wollten zwar einen Anschlag begehen. Doch so tollpat schig, wie sie waren, wären sie dazu nie und nimmer in der Lage gewesen. Die entscheidende Hilfestellung leistete der Türke Mevlüt Kar. Dieser arbeitete ab August 2002 für den Geheimdienst MIT, der «den Informanten in Kooperation mit der CIA geführt» habe, so die Æ/'/d-Zeitung im Juli 2009. Im Jahre 2004 machte sich Kar in Istanbul an den durchrei senden Gelowicz heran und schleuste den Terror-Novizen an den Hindukusch, wo er - anstatt seinem ursprünglichen Wunsch gemäß vor Ort gegen die US-Amerikaner zu kämp fe n -v o n Instrukteuren der ebenfalls Geheimdienst-kontrollierten Splittergruppe Islamische Dschihad Union (IJU) zum Bombenlegen in Deutschland animiert wurde. Im weiteren besorgte Kar die Zünder für die Bombe, die Gelowicz und seine Freunde für ein «deutsches 9/11» bauen wollten. Unter der Überschrift «Mutmaßlicher CIAMann war "der Chef"» fasste der Stern im Februar 2009 zusammen: «Ein mutmaßlicher Kontaktmann des USGeheimdienstes CIA spielte bei der Attentatsvorbereitung eine größere Rolle als bislang bekannt. (...) Demnach soll er die Person mit dem Tarnnamen "sut" sein, über den die Be schaffung der 26 Sprengzünder maßgeblich gelaufen sein soll. Fritz Gelowicz soll mit "sut" konspirativ kommuniziert haben.» Aber Kar holte noch viel härtere Dschihadisten mit ins Boot: «Was den Fall noch undurchsichtiger macht: Wich tigster Kontaktmann von Mevlüt K. in Deutschland war nach BKA-Erkenntnissen der 26-jährige Somalier Ahmed H. aus Ludwigshafen. Es handelt sich um jenen Ahmed H., der zur zeit wegen Mordes an drei georgischen Autohändlern vor Gericht steht (...). Ahmed H., so geht aus BKA-Akten hervor, hatte in der Zeit der Anschlagsvorbereitungen regelmäßig telefonischen Kontakt zum "Chef" Mevlüt K., der sich in der Türkei aufhielt. In den Gesprächen sei es immer wieder um die Zünder gegangen.» Pikanterie am Rande: Mevlüt Kar soll im selben Jahr 2007 auch bei der Schießerei beteiligt gewesen sein, der am 25. April die Polizistin Michèle Kiese wetter in Heilbronn zum Opfer fiel - eine Bluttat, die mittler weile dem Nationalsozialistischen Untergrund angelastet wird. (vgl. unsere Sonderausgabe COMPACT-Spezial Nr.1). Neue Gesetze Im Zuge der Terror-Hysterie rund um die SauerlandGruppe präsentierte Schäuble weitreichende Vorstöße für Verfassungsänderungen, ja sogar zur möglichen Einfüh rung der Todesstrafe. «Das Grundgesetz würde doch zer brechen, wenn w ir es nicht anpassen würden, gerade bei solchen zentralen Fragen (...). Die Amerikaner würden ihn (Bin Laden) exekutieren*lind die meisten Leute würden sa gen: Gott sei Dank. (...) W ir sollten versuchen, solche Fra gen möglichst präzise verfassungsrechtlich zu klären, und Rechtsgrundlagen schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten.» Diese Provokation des radikalen Badeners vom Juli 2007 stieß zunächst auf erhebliche Kritik. M it den Fest nahmen der Sauerland-Gruppe Anfang September 2007 jedoch wendete sich das Blatt. Schäuble konnte sich als erfolgreicher Fahnder profilieren und nutzte die Publicity für weitere Angstmache. Diesmal ging es ihm um einen An schlag mit schmutzigen Atombomben: «Viele Fachleute sind inzwischen davon überzeugt, dass es nur noch darum geht, wann ein solcher Anschlag kommt, nicht mehr ob.» Und als ob das nicht schon Horror genug wäre, setzte er nach: «Es hat keinen Zweck, dass w ir uns die verbleibende Zeit auch noch verderben, weil w ir uns vorher schon in eine Weltun tergangsstimmung versetzen.» Die SPD ging sofort nach der erfolgreichen Polizeiaktion in die Knie. «Noch vor Tagen gaben sich die Sozialdemo kraten knallhart in der Ablehnung neuer Instrumente zur Terror-Abwehr. Doch nach den gestrigen Festnahmen von drei mutmaßlichen Attentätern bröckelt die Front», hieß es auf spiegel.de. Mitte April 2008 brach der Widerstand der SPD zusammen. Die sozialdemokratische Bundesjustizministerin Brigitte Zypries einigte sich mit Schäuble darauf, Online-Durchsuchungen zu erlauben. Einziger Vorbehalt: «Ermittler dürfen (...) auf Wunsch der SPD nicht in die Woh nung eines Verdächtigen eindringen, um Spähprogramme auf Computern zu installieren.» (spiegel.de) Das ist auch gar nicht nötig: Die entsprechende Software, der sogenannte Bundestrojaner, kann auch über E-Mails eingeschleust wer den. Gleichzeitig beschlossen die Parteien der Großen Ko alition die Ergänzung des Großen Lauschangriffs durch die optische Wohnraumüberwachung. Von diesem Ergebnis her betrachtet ergibt sich die Ant wort auf die Frage im Anfangsteil, warum im Rahmen der «Operation Alberich» eine derart riesige Polizeiaktion gegen offenkundig so dilettantische Täter notwendig gewesen war: Den US-amerikanischen Geheimdiensten und ihren deutschen Helfern wie Schäuble ging es nicht darum, den Bürgern durch entschlossenes polizeiliches Handeln die Terrorangst zu nehmen - sondern diese überhaupt erst zu erzeugen. M it dieser «Strategie der Spannung» schufen sie das geeignete Klima zur Durchsetzung einer Totalüberwa chung, die sich gegen die gesamte Bevölkerung richtet. ■ Die M itglieder der SauerlandGruppe sollen Bombenanschläge in Deutschland geplant haben. Foto: Islam Werbevideo Eingangsbereich des Islamischen Informationszentrums HZ in Ulm, wo Gelowicz häufig verkehrte. Foto: Islam Werbevideo Die deutsche Wirtschaft wird ausspioniert Erich Schmidt-Eenboom ist der wichtigste deutsche Aufklärer über die Machenschaften der Geheimdienste. Im COMPACT-Interview analysiert er das Näheverhältnis zwischen dem BND und dem Großen Bruder aus Amerika. Deutschland ist von der US-Abhörbehörde NSA und ihrer britischen Schwester, dem Government Com munication Headquarters (GCHQ), offenbar total überwacht worden. W elche Interessen haben die angelsächsischen Dienste in Deutschland? M it 65.000 Mitarbeitern späht die National Security Agency w eltw eit Kommunikationsströme aus. Deutschland haben die Agenten besonders genau im Auge. Sowohl wegen der relativ engen Beziehun gen Berlins zu Russland, China und dem Iran, als auch zur Wirtschafts spionage. Foto: wikipedia.org In Wiesbaden wird auf der Airbase Erbenheim zurzeit eine neue Gehelm dienstzentrale für 184 Millionen US-Dollar gebaut. Sie wird die bisher in Darmstadt ange siedelte 66th Mi litan/ Intelligence Group aufnehmen. Ehrung für im Dienst ums Leben gekommene CIA-Agenten im Ein gangsbereich der Agentur-Zentrale in Langley. Foto: CIA Die Spionage ist nicht so total, wie es die breit diskutierte Gefährdung der Privatsphäre von Bundesbürgern glauben machen will. Sie ist jedoch in politischer, wirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Hinsicht w eit intensiver als gegenüber anderen europäischen Staaten einschließlich der Russischen Föderation. Für die Vereinigten Staaten und für Großbritannien gibt es eine Reihe von Gründen, die Bundesrepublik vorrangig auszuspionieren: Berlin unterhält enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zur Volks republik China und war - insbesondere in energiepoliti schen Fragen - über Jahre hinweg näher an der Russischen Föderation als andere EU-Staaten; Die Bundesrepublik hat sich zu einem bedeutenden Rüstungsexporteur entwickelt, der auch in Konkurrenz zu angelsächsischen Unternehmen steht, und nicht zuletzt spielt Deutschland eine Schlüssel rolle bei der Bewältigung der internationalen Finanzkrise. Wo befinden sich die Horchposten der deutschen und ausländischen Dienste? Der BND hat die beiden größten Abhörstationen der USA auf deutschem Boden in Gablingen bei Augsburg 1999 und in Bad Aibling 2004 übernommen. Weitere Bundesstellen für Fernmeldestatistik befinden sich in Husum, Schöningen, Butzbach und Brühl. In Gablingen und Bad Aibling ist die NSA - weitestge hend ohne Personal und auf technische Erfassung konzen triert - weiter präsent. Im hessischen Griesheim unterhielt sie eine Abhörstation, in die Näfchrichtendienstler aus Bay ern versetzt worden waren. In Wiesbaden wird auf der Air base Erbenheim zurzeit eine neue Geheimdienstzentrale für 184 Millionen US-Dollar gebaut, die jedoch nicht zur NSA gehört, sondern die bisher in Darmstadt angesiedelte 66th Military Intelligence Group aufnehmen wird. Geheuchelte Empörung Die Bundesregierung bestreitet, von der NSA-Überwachung gewusst zu haben. Der BND beobachtet «fremde Dienste» systematisch. Über die enge Zusammenarbeit mit der NSA kennt er deren tech nische Möglichkeiten, er weiß um deren großen Bestand von 65.000 Mitarbeitern und analysiert die Aufklärungspri- oritäten des großen Bruders. Der Verfassungsschutz stellt Bedrohungsanalysen auf. So hat der Abteilungsleiter für Spionageabwehr im Landesamt Baden-Württemberg, Ha rald Woll, 2002 sogar öffentlich den Vorwurf erhoben, die NSA würde von Bad Aibling aus die deutsche Wirtschaft ausspionieren. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber stieß in dasselbe Horn. Das Bundesamt für Sicher heit in der Informationstechnik in Bonn ist zuständig für den Schutz der Regierungskommunikation und berät auch die deutsche Industrie in Fragen der technischen Lauschab wehr. Dabei muss es sich mit allen potentiellen Angreifern und ihren Fähigkeiten auseinandersetzen. Das Auswärtige Amt hat als Ergänzung zum NATOTruppenstatut im Juni 2003 mit dem Oberkommandieren den der US-Streitkräfte in Deutschland eine Vereinbarung abgeschlossen, die den amerikanischen Vertragsunterneh men der NSA und der Defense Intelligence Agency (DIA) Steuer- und Zollprivilegien garantiert. Auf der Basis solcher Vereinbarungen haben 207 amerikanische Firmen unter genauer Bezeichnung ihrer Geschäftstätigkeit von der Ar beit mit menschlichen Quellen über nachrichtendienstliche Analysen bis hin zur fernmeldeelektronischen Aufklärung mitgeteilt, wie sie die US-Nachrichtendienste in der Bun desrepublik unterstützen. In summa: Im Staats- und Regie rungsapparat Deutschlands lagen umfassende Informatio nen zu den Geheimdienstpraktiken der USA auf deutschem Boden vor. W ie umfassend w ar die Bundesregierung informiert? Im Auswärtigen Amt, im Bundesinnenministerium und im Kanzleramt waren hinreichend viele Informationen zur den NSA-Aktivitäten vorhanden. Sie wurden aus bündnispo litischen Rücksichten verschwiegen, bis die Enthüllungen von Edward Snowden öffentliche Empörung und damit Handlungsdruck auslösten. Die offene Frage ist, ob und in welchem Umfang Ronald Pofalla die Kanzlerin selbst vor Snowdens Alarmierung der Weltöffentlichkeit unterrichtet hatte. Angela Merkel hat jedoch auch danach Ahnungslo sigkeit vorgespielt, obwohl sie die Möglichkeit hatte, aus Ministerien und Nachrichtendiensten genaue Sachstandsberichte einzufordern. M it riesigen Parabolspiegeln wird Satellitenkommunikation über wacht. Foto: Archiv Die NSA soll Einrichtungen der EU in Brüssel und den USA ausspioniert haben. Dem GCHQ wird vorge worfen, 2009 den G-20-Gipfel in London überwacht zu haben. Auch die Politik der Europäischen Union ist für das Weiße Haus von hohem Interesse und der Director of National In telligence weist im Einvernehmen mit dem US-Präsidenten alle seine Nachrichtendienste regelmäßig an, mit allen Mitteln ein detailliertes Lagebild über die Entwicklungen in der EU zu gewinnen. Dieses Interesse wird während der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen noch zuneh men. Die integrationsfeindliche Sonderstellung Großbritanniens in der EU und sein Argwohn gegenüber der Achse Paris-Ber lin motivieren das GCHQ unter anderen, das Unterseekabel bei Bude anzuzapfen und im Programm Tempora bis zu 600 Millionen Telefonverbindungen täglich nach nachrichten dienstlich brauchbaren Informationen zu durchsuchen. Die Überwachung der Delegierten beim Treffen der 20 wichtigs ten Industrienationen - aufgrund von Vorgaben von Premier Gordon Brown - , um im Vorfeld Verhandlungspositionen in Erfahrung zu bringen, gehört zum Kerngeschäft jedes Nach richtendienstes. Es wäre naiv anzunehmen, dass bei den G-20-Gipfeln in Peking (2005), Washington (2008) und Mos kau (2013) die Gastgeber nicht auch versucht hätten, ihren nachrichtendienstlichen «Heimvorteil» zu nutzen. Der Nutzen des BND für die NSA Der BND darf seit 2001 bis zu 20 Prozent des Fernmeldeverkehrs überwachen. Tatsächlich sollen es nicht einmal eine M illion Telefonate im letzten Jahr gew e sen sein, also nur ein Bruchteil davon. W eshalb nutzt der BND seine Möglichkeiten nicht? Im Auswärtigen Amt im Bundes innenministerium und Im Kanzleramt waren hinreichend Informationen zu den NSA-Aktivitäten vorhanden. Sie wurden aus bündnispolitischer Rücksicht ver schwiegen. BND-Überwachung 2005 flog auf, dass Erich Schmidt-Eenboom und sein Forschungsinstitut für Friedens politik in Weilheim/Oberbayern ab 1993 für geraume Zeit umfassend vom BND überwacht wurden. «Die Observation selbst fand durch einen Pkw statt, in dessen Sonnenblende eine Kamera eingebaut war, die auf den Eingangsbereich des Instituts gerichtet war. So wurden die Besucher gefilmt und die Autokennzeichen ermittelt. Besucher, die mit der Bahn anreisten, wurden bei ihrer Rückreise teilweise bis nach Nürnberg verfolgt, um ihre Identität festzustellen. (...) M ittlerweile bin ich zwar abge klärter. Aber wenn mir jemand erzählt, dass ich selbst beim Saunabesuch mit Freunden vor Beschattung nicht sicher war (...); dass bekannt war, was ich wann in den Kofferraum gepackt habe oder was meine Sekretärin eingekauft hat, das war wirklich erschreckend.» (Schmidt-Eenboom im Spiegel vom 11. November 2005) Foto: privat Der Ansatz nachrichtendienstlicher Mittel richtet sich nach dem Ertrag, den sie in der vergangenen Zeit erbracht haben. Ein Dienst, dem, anders als einer NSA mit ihrem Jahresetat von 100 Milliarden US-Dollar, nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen, muss wechselnde Schwerpunkte setzen. Insofern sind Schwankungen in der E-Mail-Überwachung erklärlich, zumal in den technischen Abteilungen zugleich andere Schwerpunkte, wie die Abwehr von Cyberattacken, gesetzt wurden. Mitarbeiter. Die Technikabteilung des BND delegiert von Zeit zu Zeit wenige Spezialisten zum Militärnachrichten dienst Nationalchinas, während NSA und DIA dort stark vertreten sind. Eine wie auch immer geartete Konfrontation des BND mit den US-Diensten könnte schnell dazu führen, dass er auf amerikanischen Druck hin seine Zugangsmög lichkeiten oder sogar seine Basis in Taiwan verliert. W ie verzahnt sind die deutschen und US-Geheimdienste? Vor 1990 durften westliche Dienste in Westdeutsch land ganz legal spionieren. Hat sich an diesem Zu stand substantiell etwas geändert? Die Residentur in Washington ist die größte und höchstdo tierte Auslandsvertretung des BND. Die Geheimdienstchefs beider Nationen besuchen sich regelmäßig, und Arbeits gruppen der Beschaffung, der Auswertung und der techni schen Aufklärung arbeiten projektbezogen zusammen. Was kann der kleine und manchmal verschlafen w ir kende BND den US-Diensten überhaupt bieten? Robert Aldrich hat in seiner 2010 publizierten Geschichte des britischen GCHQ auf gleich drei Fälle hingewiesen, in denen sich der BND den Respekt der NSA erarbeitet hat: In den frühen 1980er Jahren durch die erfolgreiche Über wachung und Entschlüsselung des Funkverkehrs der Bon ner Botschaften der Warschauer-Vertrags-Staaten aus Monschau, Mitte der 1980er Jahre mit dem Vorschlag zur NATO-weiten Einführung eines Systems zur taktischen Fernmeldeaufklärung (Sigdasys), und 1991 durch die Koope ration in Bad Aibling bei der Versorgung von Kroaten und verschiedenen Moslemgruppierungen auf dem Balkan mit Informationen. Vor 25 Jahren bereits war der BND - gegen den Widerstand der Briten - zum privilegierten Partner der NSA aufgestiegen, ein Status, den zuvor nur angelsächsi sche Dienste genossen. Edward Snowden enthüllt scheib chenweise. Die neuen Scheibchen von Anfang August, die auf die Erfassung von 500 Millionen Metadaten durch den BND für die NSA in Bad Aibling verweisen, sind der großen Aufregung nicht wert, die sie zeitigten. Die massenhafte, jedoch von personenbezogenen Oaten Deutscher bereinigte Weitergabe von Verbindungsdaten aus Krisengebieten ist die angesichts des globalen Anschwellens von Telekom munikation 2002 vertraglich fixierte logische Folge der vor einem halben Jahrhundert begonnenen Zusammenarbeit. Die ergänzende Information, dass die NSA an den BNDProgrammen Mira4 und Veras interessiert ist, unterstreicht nur, dass der BND in bestimmten Nischen so gut aufgestellt ist, dass er in technischer Hinsicht kein Nachrichtendienst ist, der die Entwicklung verschlafen hat. Könnte der Bundesnachrichtendienst überhaupt an den US-Diensten vorbei oder sogar gegen sie ope rieren? _ Erich Schmidt-Eenboom (*1953) hat zahlreiche Bücher zum Thema Geheim dienste verfasst und ist häufig Gast in Fernsehen und Rundfunk. 2011 war er Co-Autor des Buches «Im Schatten des Dritten Reichs. Der BND und sein Agent Richard Christmann» (Christoph Links Verlag, 255 Seiten, 19,90 Euro). Seine Website: www.geheimdienste.info. An den US-Diensten vorbei kann eine BND-Operation schon deshalb nicht laufen, weil CIA, DIA und NSA auch die Aktivitäten des deutschen Auslandsnachrichtendienstes im Visier haben. Gegen die großen und in vielen Staaten einflussreichen amerikanischen Geheimdienste zu arbeiten, würde die Handlungsfähigkeit des BND außerordentlich stark einschränken. In Taiwan ist der BND beispielsweise mit nur zwei Mitarbeitern in einer illegalen Residentur prä sent, die CIA-Station in Taipeh hat dagegen mehr als 200 Schmutzige Deals mit Kohl Als der Freiburger Historiker Josef Foschepoth im ver gangenen Jahr die These aufstellte, durch die Notstands gesetze seien 1968 nicht alle alliierten Siegerrechte zur Überwachung der Telekommunikation erloschen, begegnete ihm viel Skepsis. Mittlerweile hat die Bundesregierung eingeräumt, dass mit den USA und Großbritannien 1968, mit Frankreich 1969 Verwaljungsabkommen unterzeichnet wurden, die Eingriffe in die Telekommunikation zuließen. Regierungssprecher Steffen Seibert verlautete, diese Ver einbarungen würden zwar formal weiter bestehen, sie seien jedoch seit 1990 nie in Anspruch genommen worden. Als marginalen Erfolg konnte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bei seinem Besuch in Washington verbuchen, dass die Vereinigten Staaten zur Suspendierung dieser Vereinba rung bereit sind. Anfang August wurde die Kündigung der Verwaltungsabkommen mit den USA und Großbritannien bekannt gegeben. Die massenhafte Weitergabe von Verbindungsdaten ist angesichts des Anschwellens der Telekommu nikation die logische Folge der vor 50 Jahren begonnenen Zusammen arbeit, Das klingt, als habe es 1990 konkrete Absprachen gegeben. Es gibt die Vermutung,'Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher habe den drei West-Alliierten nach Abschluss der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen in einer geheimen Note mitgeteilt, dass die Bundesrepublik von der Fortgeltung der Verwaltungsabkommen aus 1968/69 ausgehe. Ein zwei tes Gerücht besagt, die Bundesregierung habe gegenüber den USA, Großbritannien und Frankreich den Standpunkt vertreten, dass ihre Abhörrechte nicht für die fünf neuen Länder gelten, da es dort an der Grundlage «Schutz der Stationierungsstreitkräfte» fehle. Zu der von der Kanzlerin zugesagten vollständigen Aufklärung gehört auch die Ant wort auf die Fragen, welchen Preis die Bundesrepublik in nachrichtendienstlicher Hinsicht für die Zustimmung zur Wiedervereinigung zahlen musste, und ob es den partiel len Widerstand der Regierung von Helmut Kohl gegen die Ausweitung der Abhörpraxis auf das Beitrittsgebiet gab. ■ Kalte Krieger in Pullach Eine kleine Geschichte des BND von seiner Gründung durch Reinhard Gehlen bis zu seinem aktuellen Chef Gerhard Schindler: Es gab immer w ieder Linienkämpfe zwischen einer pro-amerikanischen und einer entspannungsfreundlicheren Strömung. Man kann einem BND-Chef schlecht vorwerfen, dass er ein «harter Hund» ist, wie die Weltbel Amtsantritt Gerhard Schindlers Ende 2011 schrieb. Das wäre genauso albern, als kreide man einem Metzger seinen täglichen Wurstkonsum an. Deswegen sollte nicht darüber gemäkelt werden, dass der heute 60-jährige FDP-Mann als Ministerialdirektor im Bundesinnenministerium wesentlich an der Ausarbeitung des sogenannten Otto-Katalogs beteiligt war - einem Ge setzespaket zur inneren Sicherheit, mit dem sein damaliger Amtschef Otto Schily auf den 11. September 2001 reagierte. Aber verdächtig ist schon, dass unter seiner Ägide die Zusammenarbeit des BND mit dem Big Brother USA erheb lich intensiviert wurde - und zwar unter Missachtung deut scher Gesetze. Die Spionageorganisation NSA pries ihn in einem Dokument vom Januar 2013 als «Schlüsselpartner» und lobten seinen «Eifer». Weiter heißt es in dem Papier, das der Spiegel am 20. Juli referierte: «Der BND hat dar an gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, Ü B ¡flilllijf 5S M M IIH T dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheim dienst-Informationen zu schaffen.» Datenaustausch mit den USA ist also wichtiger als Datenschutz für deutsche Firmen und Bürger? M it dieser Orientierung entspricht Schindler ganz dem Gründungsprofil des-BND. Der westdeutsche Geheimdienst entstand aus der bereits 1946 von der US-Besatzungsmacht initiierten Organisation Gehlen, benannt nach Reinhard Gehlen aus der Abteilung Fremde Heere Ost der NSWehrmacht. Dieser Vorlauf erklärt, warum Gehlen bei der BND-Gründung 1956 sehr viele alte Kameraden in die neue Behörde mitbrachte. Doch das entscheidende Auswahlkri terium bei der Personalpolitik war nicht, ob einer früher Hitler-Anhänger gewesen war - sondern ob er den USBesatzern dienstbar sein oder von diesen, etwa mit Verweis auf beschlagnahmte NS-Akten, entsprechend konditioniert werden konnte. «Der BND war kein nationaler Nachrichten- Modell des BND-Neubaus in Berlin. Foto: bbr.bund.de Baustelle der neuen BND-Zentrale in der Berliner Chaussée Straße. Foto: Alexander Obst, Wikipedia Heuchler «Für mich selbst bedeutet Privatheit ein Frühstück mit meiner Frau, der morgendliche Dauerlauf und die Gedanken, die ich mir dabei mache. Für Sicherheitsbehörden ist der private Bereich, in dem sich Menschen unbehelligt frei entfalten können, vor allem dreierlei: Verantwortung, Ver pflichtung, Herausforderung.» (BND-Chef Gerhard Schindler in der Süddeutschen Zeitung, 22.7.2013) Bundesnachrichtendienst Foto: bnd.bund.de dienst», sagte deswegen selbst Professor Wolfgang Krie ger, der in der BND-internen Arbeitsgruppe zur Geschichts aufarbeitung mitwirkt, bei einer Tagung zu Jahresende 2012. Vielmehr habe es sich bei der im bayrischen Pullach angesiedelten Behörde um ein «institutionelles Novum» gehandelt, nämlich «ein militärischer Nachrichtendienst im Dienste der NATO», soll heißen: im Dienste der USA. Das stieß durchaus auf Widerstand in der Bundesrepu blik. «Seit es den Pullacher Geheimdienst gab,» resümierte der Spiegel 1971, «lagen BND und SPD in Fehde. Die SPD hatte 1955 vor einer allzu pauschalen Übernahme der Or ganisation Gehlen in den Bundesdienst gewarnt (...); der BND wiederum verschloss sich jedem SPD-Einfluss. Er war ganz auf die Achse Gehlen-Adenauer eingeschworen. Es gab kaum einen prominenten Sozialdemokraten, der sich nicht von BND-Schatten verfolgt fühlte. Erich Ollenhauer wurde beobachtet, der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann war Observations-Objekt, Egon Bahr folgten die Spurenleser bis nach Ost-Berlin und Rom, Herbert Wehner sah sich als Staatsfeind angeprangert.» Die Sozialdemokraten schlugen zurück, als 1969 die CDU/CSU erstmals die Macht in Bonn verlor und unter W illy Brandt eine SPD-geführte Bundesregierung ans Ruder kam. Brandt setzte mit Horst Ehmke seinen Kanzleramtsminister als Ausputzer beim BND ein. Ehmke erinnert sich, dass er einmal beim bayrischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauss wegen geheimer Waffengeschäfte der Pullacher intervenierte. «Er wolle wohl nicht mehr lange leben», habe ihm der CSU-Mann da gedroht. Ehmke erreichte immerhin eine Säuberung der Spitze des BND, aber der Apparat blieb intakt. Am Sturz von W illy Brandt 1974 soll er seinen Anteil gehabt haben: Der BND wusste frühzeitig von der Spionage tätigkeit von Brandts Vertrautem Günter Guillaume für die Stasi, ließ den Sozialdemokraten aber in die Falle laufen. Unter Brandts Nachfolger Helmut Schmidt (1974 bis 1982) pendelte sich ein prekäres Gleichgewicht in den Diensten ein. Die ersten Jahre der Kanzlerschaft von Hel mut Kohl waren von vielen Skandalen und Pleiten des BND gekennzeichnet. «KGB und das Ministerium für Staatssi cherheit (MfS) in Ost-Berlin konnten über Jahre Maulwürfe in Pullacher Spitzenpositionen platzieren, die Zugang zum kompletten Personalbestand hatten», resümierte der Spie gel 1995 im Rückblick. M it der Wiedervereinigung und dem Zusammenbruch des Ostblocks wurden die Karten neu gemischt, auch beim BND. Der Sozialdemokrat Konrad Porzner, einst enger Ver trauter von Herbert Wehner, war von Kohl 1990 an die Spit ze der Pullacher Behörde berufen worden, damit er «die Op position davon abhielt, die Fortexistenz des Dienstes nach dem Ende des Kalten Kriegs allzu lautstark in Frage zu stel len». Bereits 1991 war seine Position jedoch angeschlagen, nachdem im Hamburger Hafen Panzerfahrzeuge der aufge lösten Volksarmee der DDR aufgetaucht waren, die der BND an Israel liefern wollte - ohne Wissen Porzners. Im Jahr 1994 geriet der Dienst erneut in die Schlagzeilen: Agent «Adrian» alias W illi Liesmann inszenierte eine, so später die Formulierung des Landgerichts München, «klassische poli zeiliche Tatprovokation»: M it Hilfe russischer Mafiosi wurde Plutonium in die bayrische Landeshauptstadt geschmuggelt und mit großem Trara abgefangen. «Das wäre ein guter Punkt für die Partei bei den Wahlen», hatte Liesmann vorab die Atomdealer zur Eile gedrängt. M it der «Partei» war die CSU gemeint, und mit den «Wahlen» jene zum bayrischen Landtag, zwei Wochen nach dem spektakulären Fund. Die Informationen über die Inszenierung der Sache durch den Dienst gelangten über einen BND-Vizepräsidenten zum Spiegel, wohl um Porzner zu desavouieren und zum Rücktritt zu zwingen - obwohl der SPD-Mann kein Interesse gehabt haben dürfte, den CSU-Wahlkampf zu fördern. Porzners Gegenspieler im BND war damals Volker Foertsch, der «letzte Stay-Behind-Direktor des BND», also der illegalen NATO-Terrortruppe Gladio, wie der Schweizer Gladio-Forscher Daniele Ganser recherchiert hat. Foertsch, ein alter Gehlen-Zögling, war in der CIA-Zentrale in Langley geschult worden und 1985 zum Leiter der BND-Unterabtei- Die Gladio-Fraktion manipulierte den bayerischen Landtags-Wahl kampf und mobbfe den sozialde mokratischen BND-Chef Konrad Porzner aus seinem Amt. lung 12 - Aufklärung im Sowjetblock - und damit auch zum Vorgesetzten der Unterabteilung 12C aufgestiegen, also des deutschen Zweiges von Gladio. 1989 wurde er Abteilungs leiter 1 und damit für die gesamte Beschaffung zuständig, wechselte aber nach ersten Konflikten mit Porzner 1994 auf den Chefsessel der Abteilung 5, der Gegenspionage. In die ser Funktion war er mitverantwortlich für die Bespitzelung von Journalisten und Experten wie Erich Schmidt-Eenboom (vgl. Seite 26). Nachdem Porzner erfahren hatte, dass es im BND «pri vate Dienstpolitik» zugunsten des britischen MI6 gegeben hatte, beantragte er 1996 die Entlassung von Foertsch. Doch im Kanzleramt hatte dieser in Gestalt von Geheimdienstko ordinator Bernd Schmidbauer und Kanzleramtschef Fried rich Bohl (beide CDU) mächtige Verbündete, die den Antrag zurückwiesen. Porzner blieb nichts anderes übrig, als im Juni 1996 seinerseits um Entlassung zu bitten. Gehlen während das zweiten Weltkrieges und danach. Foto: Doku «The CIA & The Nazis» «Sie entschuldigten N -M A J REINHARD GE HLEN a V G - 1300 . ^ Kohl berief mit Hansjörg Geiger einen Vertrauten, dem aber 1998 - nach dem Wahlsieg von Gerhard Schröder - mit August Hanning wiederum ein eher der SPD geneigter Prä sident folgte. Erneut kam es zu einem Machtkampf inner halb des Geheimdienstes: Im Vorfeld und während des IrakKrieges unterlief die pro-amerikanische Fraktion des BND die Beschlüsse und Weisungen der rot-grünen Bundesregie rung, die Aggression der USA nicht zu unterstützen. Zwei BND-Agenten in Bagdad spielten dabei eine Schlüsselrolle. Sie haben, so der diesbezügliche Bericht der Bundesre gierung, «mehr als 130 Meldungen» an die BND-Zentrale geschickt, von denen Pullach «sieben Koordinaten enthal tende Berichte an die US-Seite übermittelte». Die Rede ist von Zielkoordinaten für die Luftkriegsführung. Außerdem sollen die beiden einen geheimen Verteidigungsplan der irakischen Armee an die US-Streitkräfte weitergegeben ha ben. Zu dieser Zeit hatte die CIA keine eigenen Leute in der Zweistrom-Metropole. Betrieb Rot-Grün nur ein doppeltes Spiel - wortgewalti ges «Nein» zum Irak-Krieg auf der einen Seite, klandestine Hilfe auf der anderen? Dagegen spricht, was der grüne Ab geordnete Hans-Christian Ströbele aus dem Parlamentari schen Kontrollgremium (PKGr) berichtete: Es gab demnach 2003 «eine klare und eindeutige Auftrags- und Weisungsla ge» der Bundesregierung an den BND, die US-Kriegführung nicht zu unterstützen. Teile der BND-Führung hatten diese Direkth/en aber wissentlich ignoriert: Über die Richtlinie war beim BND «keinerlei Aufzeichnung» angefertigt, sie sei nur teilweise an die Agenten weitergegeben und ihre Ein haltung auch nicht überprüft worden - ein für eine deutsche Behörde vermutlich einmaliger Vorgang. Für die These von der Wühlarbeit der pro-amerikani schen BND-Fraktion während des Irakkrieges spricht auch, g E N -M A J REINHARD £ GEHLEN s V .3 W G - 1 3 0 0 was ein Pullacher Mitarbeiter gegenüber der Süddeutschen Zeitung von einem Gespräch zwischen BND-Leuten und ihren US-Kollegen im Vorfeld des US-Angriffes berichte te: «Sie entschuldigten sich für Schröder und die Art und Weise, wie die deutsche Regierung sich benommen hat.» Weiter hätten sie gesagt: «Wir unterstützen den Krieg, w ir unterstützen ihn voll und ganz.» In Hannings Amtszeit fällt auch der Abschluss einer Ver einbarung zwischen NSA und BND. Dieses «Memorandum of Agreement» wurde am 28. April 2002 vom ihm und M i chael V. Hayden (NSA) unterzeichnet. Es ging dabei unter anderem um den gemeinsamen Betrieb einer Abhöranlage im bayrischen Bad Aibling. Die dafür nötige Software wurde im Jahr 2009 unter dem damaligen BND-Chef Ernst Uhrlau (ebenfalls SPD) während der Großen Koalition noch einmal verbessert. Anders als das vom NSA-Überläufer Edward Snowden enthüllte Prism-Programm, das erst 2006 startete, ging es in dieser Vereinbarung nicht um eine weltweite Internet Schleppnetzfahndung, die auch das Abfischen deutscher Telekommunikationsdaten einschloss, sondern lediglich um eine Zusammenarbeit bei der Datengewinnung in Krisenge bieten wie Afghanistan. Dieser Unterschied wird in der ge genwärtigen Debatte absichtlich verwischt, und BND-Chef Schindler ist bei dieser Vertuschung ein wichtiger Stichwortgeber. In einer BND-Stellungnahme vom 7. August hieß es, und zwar bezogen auch auf Prism, «dass deutsche Te lekommunikationsverkehre und deutsche Staatsangehörige (...) von diesen Erfassungen nicht betroffen» seien. Genau das aber wird von Snowden anders gesehen - und er hat zahlreiche Beweise dafür geliefert, die nun endlich geprüft werden müssten. ■ sich für Schröder und die Art und Weise, wie die deutsche Regie rung sich benom men hat.» Weiter hätten sie gesagt: «Wir unterstützen den Krieg, wir un terstützen ihn voll und ganz.» Karel Meisner schrieb in COMPACT 8/2013 über neue Erkenntnisse zum Naheverhältnis der Stasi mit Joachim Gauck. Das US-Militär in Deutschland Erläuterungen zur Karte W ichtiger Militärflug hafen der US-Airforce Zivilflughafen mit wichtiger USAF-Nutzung US-Kommandozentrale Militärpersonal der US-Armee Militärpersonal der USAF Hessen Geilenkirchen Wiesbaden zukünftig: HOTask Fort U5AREUR Consolidate! Intelligence Ramstein Nürnberg Heidelberg Rheinland-Pfalz Stuttgart ■S Baden-Württemberg