Technischer Produktdesigner – der neue Technische Zeichner?
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Technischer Produktdesigner – der neue Technische Zeichner?
Themen Manfred Kuras Technischer Produktdesigner – der neue Technische Zeichner? Über ein Jahrhundert galt die Reißschiene als Statussymbol für den beruflichen Aufstieg Seit 2011 hat sich die Berufsbezeichnung „Technische Zeichnerin/Technischer Zeichner“ geändert – er war wohl auch schon seit Einführung der CAD-Technologie nicht mehr zeitgemäß. Galt noch vor wenigen Jahren der/die Technische Zeichner/ -in als Garant für exakte Tusche- und Zirkelkonstruktionen, so hat sich das Berufsbild heute grundlegend geändert. Der Einsatz von 2D- und 3D-CAD-Systemen, das MS-Office-Angebot und die vernetzte PC-Arbeit haben dazu geführt, dass auch in den Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen der Fokus auf Rationalisierung gerichtet wurde. Aufgrund dieser Entwicklung sahen viele Firmen die Ausbildung zum/r Technischen Zeichner/-in als überholt und nicht mehr zeitgemäß an. Eine Anpassung an die neuen Technologien im Ausbildungsbereich war für viele Unternehmen zu personal- und damit zu kostenintensiv. Die Diskrepanz zwischen schulischer Ausbildung und betrieblicher Wirklichkeit vergrößerte sich mit jedem Update. Dieser Prozess ist durch die Neuordnung zum Technischen Produktdesigner vom 21. Juni 2011 gestoppt worden. Hier wurden nun die 3D-Konstruktionstechnik und das methodische Konstruieren in den Mittelpunkt der Ausbildung gerückt. Die alten Fachrichtungen des Technischen Zeichners: Stahl- und Metallbautechnik, Elektrotechnik, Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik werden in dem neuen Berufsbild „Technische(r) Systemplaner/-in“ weitergeführt. Die alte Fachrichtung Maschinen- und Anlagentechnik, die ca. 75 % der Ausbildungsverhältnisse umfasste, wird gemäß der neuen Verordnung von 2011 dem Ausbildungsberuf „Technische(r) Produktdesigner/-in“, Fachrichtung: Maschinen- und Anlagenkonstruktion (MAK) zugeordnet. Manfred Kuras Dipl.-Ing., StD. a. D. Manfred Kuras, Haarstraße 18, 35745 Herborn, E-Mail: [email protected] Die neue Abschlussprüfung findet in gestreckter Form statt, d. h. in zwei Teilen. „Teil 1 soll zum Ende des zweiten Ausbildungsjahres stattfinden und erstreckt sich auf Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten des 1. bis 3. Ausbildungshalbjahres sowie auf den im Berufsschulunterricht zu vermittelnden Lehrstoff“ (BGBl 2011, S. 1219 – § 11) (vgl. Strukturschemata). Kern der Abschlussprüfung Teil 2 bildet der Arbeitsauftrag, der am Prüfungstag präsentiert und in ein auftragsbezogenes Fachgespräch „mit Bezug auf den 3D-Datensatz, die Dokumentation und die praxisbezogenen Unterlagen geführt Schon 2005 war im Vorgriff auf die anstehenden Veränderungen der Monoberuf „Technische(r) Produktdesigner/-in“ entwickelt worden. Er ist in die Fachrichtung Produktgestaltung und -konstruktion überführt worden. Hier soll auch die alte Fachrichtung Holztechnik etabliert werden (vgl. BGBl 2011, S. 1215 ff.). Der Beruf wird zu ca. 50 % von Frauen gewählt. Viele Absolventinnen und Absolventen wählen nach der Ausbildung einen Ingenieursstudiengang. Abb. 1: Prüfungsanforderungen Technische(r) Produktdesigner/-in Die berufsbildende Schule (BbSch) 66 (2014) 4 145 Technischer Produktdesigner – der neue Technische Zeichner? wird“ (BGBl 2011, S. 1219 – § 11). Als Variante 01 steht der „Betriebliche Auftrag“ und als Variante 02 das „Prüfungsprodukt“ der PAL (Prüfungsaufgaben- und Lehrmittelentwicklungsstelle, IHK Region Stuttgart) mit einem Bearbeitungsansatz einschließlich Dokumentation von 70 Stunden zur Auswahl. „Der Ausbildungsbetrieb wählt die Prüfungsvariante aus und teilt sie dem Prüfling und der IHK mit der Anmeldung zur Prüfung mit“ (C2: BGBl 2011, S. 1219 – § 12 [2]). Wie weit die neue Konzeption der gestreckten Prüfung eine engere Kooperation der Lernorte Betrieb und Berufsschule unterstützen kann, werden die nächsten Jahre zeigen. entwickeln. Diese rein didaktisch-methodische Vorgehensweise kann nicht nur theoretisch oder durch einen „Zeichenlehrgang“ in Erfahrung gebracht werden. Die wesentlichen Funktionsfaktoren werden aufgrund der technischen und wirtschaftlichen Auslegung durch die Art der Fertigung und Montage unter dem Aspekt der Qualitätssicherung bestimmt. Eine fertigungsgerechte Gestaltung und Bemaßung von Maschinenteilen erfordern eine fundierte Werkstattausbildung, in der neben Zerspanungsverfahren auch Grundlagen der Schweiß-, Guss- und Umformtechnologien unter wirtschaftlichen und recyclinggerechten Aspekten erfahrbar wurden. Gerade der DIN-EN-ISO-Umstellungsprozess erfordert grundlegende Konstruktionserfahrungen und Produktkenntnisse, die nur über eine breite Berufsausbildung nachhaltig vermittelt werden. Vergleicht man die Ausbildungsrahmenpläne Technischer Zeichner und Technischer Produktdesigner MAK, so stellt man aber eine sukzessive Verringerung dieser fundamentalen Berufsgrundlagen fest. Abb. 2: Anforderungen Abschlussprüfung Technische(r) Produktdesigner/-in Inzwischen ist ein erster Jahrgang Technischer Produktionsdesigner durch den ersten Teil der Abschlussprüfung gegangen. Mindestens im Kammerbezirk Lahn-Dill (dem Zuständigkeitsbereich des Autors) erreichten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Prüfung im Durchschnitt gute Ergebnisse. Gleichwohl lässt die neue Ausbildungsorganisation mindestens in einem Punkt noch Fragen offen: Die Auszubildenden sollen zum Zeitpunkt der Prüfung in der Lage sein, eigenständige und professionelle CAD-Konstruktionen zu erstellen. Dies kann m. E. nur dann gelingen, wenn sie über strukturierte Synthese- und Analyseprozesse kognitiv dazu befähigt werden – ein Lernprozess, der ohne intensiven Werkstattunterricht kaum erfolgreich sein kann. Die Auszubildenden müssen die Fähigkeit entwickeln, Funktionsprinzipien und Funktionsstrukturen abzuleiten und sie selbstständig auf neue technische Lösungen zu transferieren und normgerecht zu dokumentieren. Dazu sind in aller Regel mehrere komplexe Projekte notwendig, die eigenständig bearbeitet werden. Das technisch-funktionale Denken hat hier eine zentrale Bedeutung. Es ermöglicht optimal funktionierende Gegenstände gemäß der je wirksamen physikalischen Effekte zu erfassen, ihre Strukturen zu analysieren und auf neue Funktionsmuster zu übertragen. Damit der Konstrukteur „mit den Augen zu stehlen“ lernt, muss er diese Denkweise durch berufsfeldbreite Praxiserfahrungen 146 Die berufsbildende Schule (BbSch) 66 (2014) 4 1964: Begründung der Ausbildungsverlängerung von 3 auf 3,5 Jahre durch eine definierte 18 Monate lange Werkstattausbildung 1978: Einführung der Zwischenprüfung zum Stand der betrieblichen Ausbildung 1993: Einführung der Integrierten Prüfung Reduzierung der Werkstattausbildung auf ca. 12 Monate 2000: Integrierte Prüfung mit CAD-Mindestanteil Reduzierung der Werkstattausbildung auf ca. 6 Monate lt. Nachfrage 2011: Einführung der gestreckten Prüfung Teil 1 und Teil 2 ohne inhaltliche Definition und Zeitansatz der Werkstattausbildung Seit 1993 wird auch auf den Prüfungsteil „Geometrie“ verzichtet, der die Ableitung von Kurvenkonstruktionen bei Körperschnitten, Durchdringungen und Abwicklungen mit den Methoden der Darstellenden Geometrie verlangte, um das technisch-konstruktive Denken und das räumliche Vorstellungsvermögen über geometrische Problemstellungen zu fördern. Gerade der Beruf Technische(r) Produktdesigner/-in eröffnet vielen Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit, ihr technisch-funktionales und technisch-kreatives Denken im Hochschulbereich zu erweitern und zu vertiefen. Der Standort Deutschland braucht nicht weniger sondern mehr gut ausgebildete Konstrukteure und Ingenieure, um den Herausforderungen der Globalisierung innovativ zu begegnen. Damit dies auch nach der Neuordnung des Ausbildungsberufes gewährleistet werden kann, plädiere ich für eine Verstärkung der Praxisanteile auch in den neuen Ausbildungsordnungen.