Pädagogische Analyse von Videospielen

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Pädagogische Analyse von Videospielen
Pädagogische Analyse von Videospielen
Diese Arbeit widmet sich der Beantwortung der Fragen zur Aufgabe „Pädagogische Analyse von
Videospielen“. Die Beantwortung basiert auf den im Lerntagebuch zusammengefassten Recherchen
sowie persönlichen Erfahrungen.
Jochen Kranzer
Donauuniversität Krems | Medienspielpädagogik 09
Wien, Feb 2010
Inhalt
Auswahl der Spiele ............................................................................................................................................................3
Welche Spiele haben Sie gewählt und warum?
Annahme einer virtuellen Identität ............................................................................................................................4
Welche virtuelle Identität haben sie in den Spielen angenommen?
Zusammenhang zwischen realer und virtueller Identität ................................................................................7
Wie empfanden sie den Zusammenhang zwischen ihrer realen und ihrer virtuellen
Identität? Hat sich dieser Zusammenhang über den Zeitraum des Spielens verändert? Wenn
ja, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt?
Projektion und Rückprojektion....................................................................................................................................8
Wie würden sie ihre projizierte Identität beschreiben? Welche ihrer persönlichen
Eigenschaften wurde projiziert? Gab es eine Form der Rückprojektion?
Wie sah diese aus? Wie würden sie den Zusammenhang zwischen Projektion und
Rückprojektion beschreiben?
Gedankenexperiment .................................................................................................................................................... 11
Unserem Gedankenexperiment folgend, was sollten sie durch die Spiele gelernt haben?
Stimmt dieses Gedankenexperiment mit ihren persönlichen Erfahrungen überein?
pädagogische Einsatzmöglichkeiten der gewählten Spiele ........................................................................... 13
Entsprechend den Ergebnissen aus dieser Analyse, sehen sie pädagogische
Einsatzmöglichkeiten der von ihnen gespielten Spiele?
Wie könnte dies konkret umgesetzt werden?
Zusammenfassung .......................................................................................................................................................... 14
Auswahl der Spiele
Runes of Magic
Es sollte ein Online Spiel gewählt werden und aus praktischen Gründen (Runes of Magic wurde
im Kurs vorgestellt und alle Kollegen spielen es. Wir haben auch die Gilde MSP - Magic Super
Pack gegründet) wählte ich ebenfalls Runes of Magic (RoM). Ich kannte RoM vorher nicht,
konnte jedoch ca. 3 Jahre Lang - mit einigen Unterbrechungen - Erfahrungen in World of
Warcraft (WoW) sammeln. Ich habe mich schon früher für Computerrollenspiele interessiert
und auch einige sehr intensiv gespielt - zB.: Lands of Lore, Ultima, Eye of the Beholder, Betrayal
at Krondor, Stonekeep, Baldur´s Gate, Neverwinter Nights und Knights of the Old Republic.
World of Warcraft war für mich - wie für so viele andere - der Einstieg in die Welt der Massively
Multiplayer Onlinegames (MMO´s). Mittlerweile ist mein WoW Account jedoch wieder gekündigt
und außer RoM spiele ich derzeit keine Online Spiele.
In Runes of Magic führt man seinen Avatar gemeinsam mit vielen anderen Mitspielern durch
eine Fantasy-Welt, erfüllt Aufgaben, kämpft gegen Monster und baut nach und nach die
Fähigkeiten seiner Spielfigur in unterschiedlichen Klassen aus. Neben dem Erlernen von immer
neuen Kampffähigkeiten kann man auch unterschiedliche Berufe erlernen, Gegenstände
herstellen und an andere Spieler oder Händler verkaufen. Das verdiente Geld investiert man in
immer bessere Ausrüstung, die zum Bestehen der fortgeschrittenen Quests dringend
erforderlich ist. Der Fokus liegt auf gruppenbasiertem Kampf, bei dem die einzelnen
Gruppenmitglieder spezielle Aufgaben erfüllen müssen. Es kommt auf koordiniertes Vorgehen in
der Gruppe und strategischen Einsatz der einzelnen Kampffertigkeiten an. Den einzelnen Quests
wird zwar immer eine Geschichte vorangestellt, die jedoch in den meisten Fällen ignoriert
werden kann (und auch wird), da es keine übergeordnete erzählerische Klammer im Spiel gibt
und auf Grund der persistenten Spielwelt und der daraus resultierenden Spielmechanik das
Erfüllen von Aufgaben keine Folgen für die Spielwelt hat.
Review | GameStar
Assassins Creed 2
Als zweites Spiel wählte ich Assassins Creed 2, das ich in der Konsolenfassung (XBox360 und
Playstation 3) gespielt habe. Mein Hauptinteresse galt dabei der Integration von Spielmechanik,
Geschichte und Inhalt. Ich kannte (und mochte) den ersten Teil und die Idee, einem in
historischem Kontext angesiedelten Spielinhalt (man kämpft als Assassine zur Zeit der
Kreuzzüge gegen Templer und Kreuzritter) durch einen Kniff in der Geschichte mit einem
modernen und hochtechnologischem Interface zu versehen. Im Zentrum steht dabei der
"Animus" - ein Gerät, das es ermöglicht, über DNA-Analysen in die Erinnerungen seiner
Vorfahren virtuell "einzusteigen" und diese nochmals zu erleben und zu beeinflussen. Man agiert
also in einer historischen Spielwelt, bleibt dabei jedoch über das Interface immer mit der
Gegenwart verbunden und erhält über diesen Weg auch zusätzliche Informationen wie zB.
Hintergrundwissen zu historischen Persönlichkeiten oder Gebäuden.
In Assassins Creed 2 steuert man einen vorgegebenen Charakter (Desmond Miles alias Ezio). Im
Gegensatz zu RoM kann der Spielcharakter nicht modifiziert werden - auf Grund des
historischen Kontexts kann auch nicht das Geschlecht gewählt werden (keine Assassininnen).
AC2 ist ein sog. Open World Spiel - das bedeutet, dass man sich (relativ) frei durch die Spielwelt
bewegen kann (obwohl es auch Gebiete gibt, die nicht von Beginn an zu betreten kann und die
erst im weiteren Spielverlauf freigeschaltet werden). In der Spielwelt verteilt sind die
Startpunkte der einzelnen Missionen, in denen auch die Geschichte erzählt wird. An diesen
Startpunkten steht es dem Spieler frei, ober die Mission beginnen möchte, oder nicht. Es kann
immer nur eine Mission gleichzeitig aktiv sein. Abseits von den Missionen gibt es zusätzliche
Aufgaben, die erfüllt werden können um Bonusgegenstände oder andere Vorteile im Spiel zu
erhalten. Das Gameplay fokussiert auf die scheinbar grenzenlose Bewegungsfreiheit in den
historischen Städten. Jedes Gebäude kann erklettert werden, oft finden Verfolgungsjagden oder
eine Flucht über die Dächer statt.
Review | GEE
Annahme einer virtuellen Identität
Runes of Magic
Die Beantwortung der Frage nach der
angenommenen Identität im Spiel scheint
in Runes of Magic interessanter zu sein,
da hier der Avatar im Spiel zu Beginn frei
gewählt werden kann. Zwar bietet Runes
of Magic nicht die Freiheit in der
Charactergenerierung wie andere Spiele
dieses Genres – die Auswahl beschränkt
sich auf die Klasse, der die eigene
Spielfigur angehören soll – trotzdem
erscheinen die Wahlmöglichkeiten ausreichend. Man kann zwischen Krieger, Kundschafter,
Schurke, Magier, Priester, Ritter, Bewahrer und Druide wählen. Diese Wahlmöglichkeiten
reduzieren sich bei genauerer Betrachtung auf die bewährten Rollen, die Spieler im
Gruppenspiel annehmen. Kämpfer (Tank) stehen im Schlachtgetümmel an vorderster Front und
versuchen, die Angreifer (Mob´s) an sich zu binden – dh. die Gegner sollen ihre Angriffe auf den
Kämpfer konzentrieren, damit die restlichen Mitglieder der Gruppe ungestört die Gegner
bekämpfen können. Krieger müssen daher viel einstecken können und verfügen deshalb über
die mächtigsten Rüstungen und Waffen. Heiler verfügen über die geringsten offensiven
Fähigkeiten, sind durch die Fähigkeit, die kämpfenden Gruppenmitglieder während dem Kampf
zu heilen und eventuell sogar wiederzubeleben für das Gruppenspiel jedoch von entscheidender
Bedeutung. Fernkämpfer wie zB. Bogenschützen oder Magier (Damage Dealer) agieren im
Hintergrund und sorgen dafür, den Feinden möglichst viel Schaden zuzufügen ohne dabei deren
Aufmerksamkeit von den Kämpfern abzulenken. Diese Klassen können zwar großen Schaden bei
den Feinden verursachen, jedoch kaum Angriffen standhalten. Daraus ergibt sich eine
strategische Herausforderung beim Spiel, die den Reiz dieser Klassen ausmacht. Diese
spielerische Herausforderung war für mich der Grund, in Runes of Magic einen Magier (namens
Caldrin) zu spielen. Diese Entscheidung gründet sich nahezu ausschließlich auf die dem Spiel
zugrundeliegende Spielmechanik die eine bestimmte Strategie im Spiel erfordert und dadurch
ein ganz spezifisches Spielerlebnis bietet.
Onlinespiele wie Runes of Magic fokussieren sehr stark auf die Spielmechanik und weniger auf
das Erzählen einer Geschichte. Die Mechanik basiert dabei hauptsächlich auf Kämpfen gegen
Monster und feindliche Charaktere und daraus resultierendem Erfahrungsgewinn, der
wiederum die Kampffähigkeiten weiter verbessert. Die Wahl der eigenen Spielfigur und deren
(Kampf-)Klasse beeinflusst also hauptsächlich das Spielerlebnis während der Kämpfe, die den
Großteil des Gameplays ausmachen. Gameplay Elemente außerhalb der Kämpfe wie zB. diverse
Berufsfähigkeiten, Handel, der Ausbau einer eigenen Behausung und die Kommunikation mit
anderen Spielern sind für alle wählbaren Klassen gleichermaßen zugänglich und spielen daher
bei der Auswahl der eigenen Spielfigur keine Rolle. Auch die Wahl des Geschlechts der Spielfigur
hat keine spielerischen Auswirkungen. Neben der Entscheidung für eine der Spielklassen stehen
noch – sehr eingeschränkte – Möglichkeiten zur Anpassung des Erscheinungsbilds des eigenen
Avatars zur Verfügung. Die Kleidung wird je nach gewählter Klasse vorgegeben (bei Magiern
meist eine Robe). Dies ist jedoch von geringer Bedeutung, da das Erscheinungsbild des Avatars
im weiteren Spielverlauf von der Rüstung und den Gegenständen, die im Spiel gesammelt und
angelegt werden geprägt wird.
Zusammenfassend kann feststellt werden, dass die zu Beginn gewählte Spielfigur in Runes of
Magic (und dies gilt sinngemäß auch für andere MMO´s) nur ein leerer „Container“ ist, der erst
im Spielverlauf „mit Erfahrungen gefüllt“ wird. Der in vielen Spielen gewählte Begriff der
Charaktergenerierung trägt dem generischen und zu Beginn noch völlig ungeprägten
Spielcharakter gut Rechnung. Die Entscheidung betrifft ausschließlich das zu erwartende
Gameplay durch die gewählte Charakterklasse. Die Spielfigur bleibt ohne persönliche
Hintergrundgeschichte und verfügt über keine signifikante eigene Motivation. Es obliegt den
Spielern, ihre Spielfigur durch ihre persönliche Art und Weise, das Spiel zu spielen „lebendig“ zu
machen. Die Entscheidung, ob man „sich selbst“ im Spiel darstellt, oder eine von der eigenen
Persönlichkeit abweichende Identität abnimmt ist dabei frei.
Assassins Creed II
Ganz anders als in Onlinespielen wie
Runes of Magic gestaltet sich die Wahl
der virtuellen Identität in Assassins
Creed II. Hier wird vom Spiel eine
Identität vorgegeben – der Assassine Ezio
Auditore de Firenze. Als Spieler hat man
(am Anfang) keinerlei Einfluss auf
Aussehen und Fähigkeiten. Im Gegenzug
dazu wird die Spielfigur jedoch gleich zu
Spielbeginn mit einer
Hintergrundgeschichte und in den ersten Spielminuten auch mit einer entsprechenden
Motivation (Vater und Bruder durch Verschwörer hingerichtet – Rache) ausgestattet. Assassins
Creed II nimmt dabei die „Geburt“ der Spielfigur wörtlich – das Spiel beginnt mit einer
Geburtsszene. Das Kind, das zuerst nicht atmen will und erst durch Interaktionen der Spieler
dazu animiert werden muss, stellt sich als die Hauptfigur bzw. Spielercharakter heraus. Auch
wenn nach dieser kurzen Einstiegssequenz ein Zeitsprung in die Jugendjahre von Ezio
stattfindet sorgt dieser emotional starke Einstieg für eine entsprechende Bindung an die
virtuelle Identität. Auch in den weiteren ersten Spielstunden legt das Spiel großen Wert auf die
Zeichnung des Charakters der Spielfigur und die Einführung ihrer Werte, Einstellungen und
Motivationen. Erst nach einer – für Spielmaßstäbe – sehr langen Phase der Einführung erhält
Ezio seine Bestimmung als Assassine und die Geschichte beginnt sich zu entfalten.
Assassins Creed II bedient sich (wie auch schon der erste Teil) eines erzählerischen Tricks, um
die Spielmechanik und vor allem die futuristischen Features des Spielinterfaces (Kampfanzeigen,
Datenbankeinträge mit kontextabhängigen Zusatzinformationen zur Spielwelt, dynamische
Karte und aktives Radar) mit dem historischen Setting des Spiels (Orient zur Zeit der Kreuzzüge
bzw. das Italien der Renaissance) zu vereinen. Gemäß dieses Kniffes steuert man als Spieler
nicht direkt einen Assassinen, sondern eine Figur der Gegenwart namens Desmond Miles, die
gemäß der erzählten Geschichte in direkter Linie von den Assassinen abstammt und über dessen
DNA und einer Maschine (dem Animus) in die Erinnerungen der Vorfahren eingegriffen werden
kann. Es ist also Miles, der über den Animus den Assassinen Ezio steuert. Mit gutem Willen
könnte man also auch die Identitätsprojektion von Miles auf Ezio und umgekehrt betrachten. Da
die Phasen, in denen man Miles in der Gegenwart steuert jedoch äußerst kurz und darüber
hinaus für das Hauptgameplay irrelevant sind und darüber hinaus der Charakter von Miles nicht
genauer ausformuliert wird, soll in dieser Arbeit nicht weiter darauf eingegangen werden.
Zusammenfassung
Die gewählten Spiele repräsentieren die zwei grundsätzlichen Varianten der Beziehung
zwischen Spieler und Spielfigur. Während Runes of Magic eine leere Schablone (Avatar) zur
Verfügung stellt, die vom Spieler im Verlauf des Spiels beliebig ausgestaltet werden kann,
schlüpft man in Assassins Creed II in eine vordefinierte und bereits mit Hintergrundgeschichte
und eigener Motivation ausgestattete Rolle. Daraus ergeben sich völlig unterschiedliche
Spielerfahrungen aber auch spezielle Anforderungen an die Spiele. Während Runes of Magic eine
möglichst offene Gestaltung mit unzähligen Wahlmöglichkeiten zulassen soll, liegt die
Hauptaufgabe der Entwickler von Assassins Creed II bei der glaubwürdigen Präsentation des
Hauptcharakters und damit einer möglichst engen Bindung der Spieler an die vorgegebene
Spielfigur.
Zusammenhang zwischen realer und virtueller Identität
In Runes of Magic zeigte sich die Bindung zwischen meiner realen und der gewählten virtuellen
Identität zuerst durch die entsprechende Auswahl der Charakterklasse im Spiel (siehe Annahme
einer virtuellen Identität) und der damit zusammenhängenden „Grundkonfiguration“ des
Spielerlebnisses gemäß persönlicher Vorlieben. Wie in diesem Genre durchaus üblich war die
emotionale Bindung durch Projektion der realen auf die virtuelle Identität zunächst nicht
vorhanden. Erst nach einiger Zeit und den im Spiel gemachten Erfahrungen gewann die virtuelle
Identität an Struktur und Tiefe. Dies weniger durch konkrete Erlebnisse wie zum Beispiel
erfüllte Aufgaben oder neu erhaltene Ausrüstungsgegenstände, sondern mehr durch die
Manifestation der eigenen Persönlichkeit in der Spielweise der virtuellen Figur (siehe Projektion
und Rückprojektion).
Am deutlichsten wird der Unterschied im Empfinden des Zusammenhangs zwischen realer und
virtueller Identität in der verbalen Kommunikation über die Spielerlebnisse.
Beim Sprechen über die virtuelle Identität in Onlinespielen wie Runes of Magic oder World of
Warcraft verwende ich fast ausschließlich die erste Person: „Ich habe ein neues Schwert
bekommen“, „Ich stehe gerade auf dem Marktplatz von Sturmwind.“ oder „Ich bin gerade
gestorben.“ und im Gruppenspiel „Wir gehen gemeinsam nach Ogrimar.“ oder „Wir müssen
unsere Taktik ändern.“ Die Identifikation mit der virtuellen Identität ist also unmittelbar und
ausgeprägt. Den Grund dafür sehe ich in der Ausschließlichkeit der projizierten Eigenschaften
der virtuellen Identität. Alles was Caldrin in Runes of Magic oder Vinarius in World of Warcraft
sind, kommt ausschließlich von mir. Das schließt die (Spiel-)Vergangenheit (was haben die
Figuren bereits erlebt) ebenso mit ein, wie die Spielweise, also das Verhalten der Spielfigur in
der virtuellen Welt. Gerade in Onlinespielen kommt dabei der sozialen Interaktion eine
besondere Bedeutung zu. Virtuelle (Spiel-)Welten bieten die Möglichkeit, eine völlig neue
Identität anzunehmen und sich im Spiel anderen Spielern gegenüber anders darzustellen als in
der Realität. In Gewisser Weise tut man das auch immer – bewusst oder unbewusst – indem man
sich an das jeweilige Szenario anzupassen versucht. Dies kann zum Beispiel in Form einer
besonderen, von der normalen Umgangssprache abweichenden, Sprache, die man im Spiel
verwendet, geschehen. Ich habe festgestellt, dass ich dabei weniger in eine Rolle schlüpfe, die in
deutlichem Widerspruch zu meiner eigenen Persönlichkeit steht, sondern vielmehr mich selbst
im jeweiligen Kontext bzw. Szenario sehe. Bei der Projektion meiner realen auf die virtuelle
Identität findet also keine oder nur eine geringe Transformation statt.
Im Gegensatz zu Spielen mit freier Gestaltung der virtuellen Identität verwende ich für Spiele
wie Assassins Creed II fast ausschließlich die dritte Person. „Er (Ezio) klettert gerade auf den
Kirchturm“ oder „Er kauft gerade eine neues Gemälde für seine Villa.“ oder vor allem auch „Er
springt schon wieder nicht dahin, wo ich gerne möchte!“ Die letzte Aussage hat wahrscheinlich
weniger mit der Projektion von Identität zu tun, sondern deutet ganz banal darauf hin, dass
Fehlverhalten lieber Dritten als sich selbst zugewiesen wird.
Durch die Vorgabe einer ganz spezifischen Rolle für die virtuelle Identität des Spielers entsteht
also keine so unmittelbare Bindung – auch wenn das Spiel viel Mühe darauf verwendet, die
Gedanken, Hintergründe und Handlungsmotive der Spielfigur zu illustrieren. Ich agiere in
diesem Fall mehr als Begleiter oder Puppenspieler. Gerade Assassins Creed scheint sich dessen
bewusst zu sein und nennt die speziell für dieses Spiel entwickelte Steuerung
„Puppenspielersteuerung“. Für das Spielerlebnis an sich kann ich daraus keine Vor- oder
Nachteile ableiten. Tendenziell würde ich jedoch vermuten, dass ein Transfer aus der virtuellen
in die reale Welt (wie er bei Lernspielen ja explizit gewünscht ist) leichter stattfinden kann,
wenn die Bindung an die virtuelle Identität eine möglichst direkte ist.
In Assassins Creed gab es jedoch trotzdem ein Spielelement, das mich zu einer direkteren
Projektion angeregt hat – die Villa. Im ersten Drittel des Spiels führt uns die Geschichte zur
Familienvilla der Auditores, die zu Beginn noch sehr heruntergekommen ist. Die Familie von
Ezio bezieht die Villa und sucht dort Schutz vor den Verschwörern, die den Tod des Vaters und
des Bruders zu verantworten haben. Ab diesem Zeitpunkt wird ein neues Spielelement
eingeführt – man hat die Möglichkeit, durch Investitionen die Villa samt umliegendem Städtchen
schrittweise zu renovieren und die Attraktivität für Besucher zu erhöhen, was wiederum die
Einnahmen der Familie Auditore erhöht. Neben dieser wirtschaftlichen Motivation, die auch
spielrelevant ist –die Einnahmen können regelmäßig in der Villa abgeholt und für neue und
bessere Ausrüstung investiert werden, die wiederum Auswirkungen auf die Spielmechanik hat –
spielt vor allem der Faktor des Besitztums eine Rolle bei der Identitätsprojektion. Auch wenn ich
die Spielfigur eher in der dritten Person wahrgenommen habe, so änderte sich das im Bezug auf
die angehäuften Besitztümer, die ich insgeheim als „meine“ bezeichnete.
Projektion und Rückprojektion
Allgemein
Wenn wir uns mit Computerspielen befassen, ist dies auch immer mit einem Wechsel in eine
unterschiedliche Welt verbunden. In unserem täglichen Leben bewegen wir uns in der realen
Welt, von der aus wir (in der Regel bewusst und freiwillig) in andere Welten (mentale Welt,
Spielwelt, mediale Welt, virtuelle Welt) wechseln. Alfred Schütz und Thomas Luckmann
bezeichnen mit dem Begriff der Lebenswelt die Gesamtheit der sogenannten „Subsinnwelten“, in
denen jeweils eigene kognitive Stile und Regeln herrschen und in denen Handlungen mit
spezifischen Konsequenzen verbunden sind. Aus ebendiesen Unterschieden ergibt sich die
Notwendigkeit, der Abgrenzung (Rahmung) zwischen den Welten, die nach Fritz als
Rahmungskompetenz bezeichnet wird.
Huizinga beschreibt die Grenze zwischen Realität und Spiel(welt) als „magischen Kreis“, den zu
überschreiten erforderlich ist, um „ins Spiel einzutreten“ und es nach Beendigung „wieder zu
verlassen“. Im Unterschied zum physischen Wechsel von einem Raum in einen anderen bleibt
beim Wechsel zwischen zwei (Lebens-)Welten immer ein Teil von uns in der realen Welt
verhaftet, aus der heraus wir immer agieren (im Fall von Computerspielen ist dies natürlich
unser Körper, aber auch Emotionen, Wissen und kognitive Schemata der realen Welt) während
ein anderer Teil in die neue Welt übertritt. Wäre es möglich, diesen kognitiven Prozess physisch
darzustellen, so könnte man sich mit einem Bein in jeder Welt stehend vorstellen. Da wir also
sozusagen in beiden Welten „anwesend“ sind, besteht in uns eine Verbindung zwischen den
Welten und es entsteht die Möglichkeit eines Austauschs bzw. Transfers. Nach Fritz wird unter
Transfer die Bewegung von „etwas“ (Gedanken, Gefühle, kognitive Schemata, Fähigkeiten)
zwischen zwei Kontexten verstanden, wobei immer eine Transformation, dh. Anpassung an den
neuen Kontext stattfindet.
Wenn wir also von der Projektion unserer realen Identität auf eine virtuelle Identität sprechen,
meinen wir den Transfer von Gedanken, Gefühlen, kognitiven Schemata und Fähigkeiten von der
realen Welt in die virtuelle (Spiel-)Welt. Der Transfer in diese Richtung vollzieht sich in der
Regel automatisch und oft unbewusst. Der Transfer von der virtuellen Welt in die reale Welt –
also die Rückprojektion unserer virtuellen Identität auf die reale Identität – geschieht hingegen
meist nicht automatisch, sondern muss bewusst herbeigeführt werden und erfordert darüber
hinaus in der Realität verankerte Erfahrungen als Anknüpfungspunkte.
Projektion
Die Projektion persönlicher Eigenschaften gestaltete sich in den beiden gewählten Spielen recht
unterschiedlich.
Assassins Creed II
Durch einen Wechsel der Plattform (von Xbox360 auf Playstation 3) musste ich das erste Drittel
des Spiels wiederholen. Zuerst versuchte ich, die schon bekannten Abschnitte möglichst schnell
durchzuspielen um rasch wieder an die Geschichte anschließen zu können. Schon nach wenigen
Stunden verwarf ich diese Strategie jedoch wieder, da mein persönliches Spielerlebnis auf diese
Weise zu sehr beeinträchtigt wurde. Warum war das so?
Es fand also ein emotionaler Transfer statt, bei dem Gefühle wie Neugier, das Genießen der
Atmosphäre und das Eintauchen in die Geschichte von der Realität ins Spiel übertragen wurden.
Die Stimmung und Atmosphäre einer virtuellen (Phantasie-)Welt aufzunehmen und zu genießen
ist für mich ein wesentlicher Teil der Motivation, mich mit Spielen zu befassen. Instrumentellhandlungsorientierter Transfer fand in Form von Gründlichkeit und strukturiertem Vorgehen
statt. So war es für mich quasi selbstverständlich, mich auf die systematische Suche nach allen
versteckten Schätzen zu machen.
Durch die hohe graphische Qualität und die filmähnliche Präsentation des Spielgeschehens
entstand darüber hinaus das Bedürfnis, durch geschickte Navigation und manuelle Anpassung
des Kamerawinkels ein möglichst ästhetisches Spielerlebnis zu erschaffen und quasi als
Regisseur und Kameramann den eigenen Spielcharakter zu begleiten.
Das Setting und die grundlegende Spielmechanik von Assassins Creed II provozierten geradezu
einen ethisch-moralischen Transfer. Nach der Absolvierung einiger Nebenquests, die alle als
Auftragsattentate zu lösen sind, stellt sich die Frage nach der moralischen Vertretbarkeit der
eigenen Spielinteraktionen. Bei der Haupthandlung wird noch versucht, das Töten von
Verschwörern mit deren Verbrechen gegen die Gesellschaft zu rechtfertigen. Die
Nebenhandlungen laufen hingegen stets nach dem Muster „Geh hin und töte diesen und jenen,
denn er steht unserer Sache im Weg.“ Da jedoch nicht weiter auf die Motive eingegangen wird,
stellt sich nach einiger Zeit das Gefühl ein, als willenloser Handlanger zu agieren, der ohne
irgendwelche Alternativen zum Töten gezwungen ist.
In manchen Situationen im Spiel stellte sich ein assoziativer Transfer ein, bei dem sich (zB. in
der Nacht alleine auf der Spitze eines Kirchturms sitzend und über die Dächer der Stadt
blickend) das Gefühl des einsamen Einzelkämpfers einstellte. Die bittersüße Melancholie, bei
einer Aufgabe völlig auf sich allein gestellt zu sein und dabei außerhalb der moralischen und im
Fall von Assassins Creed II auch physischen Grenzen der Gesellschaft zu agieren ist mir, der ich
ohne Geschwister aufgewachsen bin und mich daher auch oft alleine beschäftigen konnte, wenn
gerade keine Freunde oder Nachbarskinder zum Spielen zur Verfügung standen bekannt.
Runes of Magic)
Der oben beschriebene emotionale Transfer (speziell das Eintauchen in die virtuelle Spielwelt)
tritt verstärkt in Onlinerollenspielen auf. Dies macht sich vor allem durch (spielmechanisch
irrelevante) Handlungen bemerkbar, die einzig der Aufrechterhaltung und Vertiefung der
Spielatmosphäre dienen. Es bringt keine Punkte oder sonstige Vorteile im Spiel, den eigenen
Avatar durch die Verwendung von Emotes oder einer dem Szenario entsprechenden Sprache im
Kontext der Spielwelt agieren zu lassen.
Darüber hinaus konnte ich den Transfer von gruppenspezifischen Verhaltensmustern (Tendenz
zum Agieren im Hintergrund, Hilfsbereitschaft, manchmal Ungeduld aber auch die Freude am
Arbeiten im Team) feststellen.
Rückprojektion
Assassins Creed II
Die oben beschriebene Gründlichkeit im Sammeln von Gegenständen und Informationen führte
zu einem informationellen Transfer, bei dem zB. Wissen über berühmte Gebäude oder Personen
in die Realität übertragen wurde. Dies führte in weiterer Folge dazu, dass ich mich gezielt nach
Dokumentationen über die Medici zur Zeit der Renaissance in Venedig umsah und diese dann
schließlich auch mit großem Interesse verfolgte. Speziell bei berühmten Gebäuden gab es
auffällige Parallelen zwischen Spiel und Realität.
Emotionaler Transfer aus dem Spiel fand einerseits durch die Übertragung der Atmosphäre der
virtuellen Welt, andererseits aber durch Ärger und Frust bei zu schwierigen Stellen im Spiel.
Nachdem knifflige Kletterpassagen auch nach mehreren Anläufen nicht zu schaffen waren und
der aufkommende Ärger sich in Ungeduld und ungenauer Steuerung äußerte (was das Ergebnis
noch weiter verschlechterte) habe ich das Spiel meist beendet. Die im Spiel entstandenen
negativen Gefühle hielten dann noch einige Zeit nach Beendigung des Spiels an.
Runes of Magic
Die Rückprojektion in Runes of Magic war sozialer Natur und drückte sich durch ein
Gemeinschaftsgefühl aus, das über das Spiel hinaus in den Metaspielraum wirkte.
Gedankenexperiment
In einem Gedankenexperiment wollen wir uns als „Handler“ oder Puppenspieler der von uns
gesteuerten virtuellen Identitäten bezeichnen und dann die Perspektive wechseln und uns
fragen, welche Fähigkeiten unsere Spielfigur von uns erwartet, um im Spiel erfolgreich zu
bestehen.
Ezio erwartet von Jochen (Assassins Creed 2)




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
Gute Hand- Auge Koordination
o Beherrschen der „Puppenspielersteuerung©“
o Schnelle Auffassungsgabe und gutes Reaktionsvermögen
o Auslösen der richtigen Tastenkombinationen im richtigen Moment
Strategisches Denken
o Richtige Entscheidung für offensive oder unauffällige Strategie je nach
Erfordernis der aktuellen Aufgabe
o Nutzen von Deckungen und Untertauchen in der Menge, wenn unauffälliges
Vorgehen gefragt ist
o Wahl der richtigen Waffe für die unterschiedlichen Kampfarten
o Richtiger Einsatz von Bonusobjekten in kritischen Situationen
o Erkennen und Abwägen unterschiedlicher Optionen beim Lösen einer Aufgabe
Räumliches Denken
o Orientierung im dreidimensionalen Raum
o Analytisches Denken beim Erkennen und Finden von Kletterrouten im Raum
o Orientierung in der Spielwelt (global)
Konzentration
o Speziell bei langen Kletterpassagen mit Absturzgefahr
o Beim Lösen von zeitkritischen Aufgaben
Konsequenz
o Im Auffinden Bonusobjekten, die zwar nicht direkt für das Vorankommen in der
Handlung erforderlich sind, die jedoch einen „passiven Bonus“ darstellen und
damit das Vorankommen erleichtern
o Im Finden und Zusammentragen aller Puzzlestücke
Kombinationsgabe
o Beim Lösen von Rätseln
Nicht erforderlich für Ezio sind hingegen

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Historisches Wissen über das Szenario (Gebäude, Personen)
Umgang mit Waffen
Gutes Körperbewusstsein und körperliche Fitness
Aggressives Verhalten
Hinterfragung des moralischen Hintergrunds
Caldrin erwartet von Jochen (Runes of Magic)
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
Teamwork
o Einsatz der eigenen Fähigkeiten zum Wohle der Gruppe
o Anpassung der eigenen Vorgehensweise an die Bedürfnisse der Gruppe
(Ergänzung der Fähigkeiten)
o Fokus auf das Erreichen des Gruppenziels (nicht Maximierung des eigenen
Erfahrungs- und Punktegewinns)
o Gewissenhafte Erfüllung der innerhalb der Gruppe zugeteilten Aufgabe
(Übernehmen einer speziellen strategischen Rolle)
Soziale Kompetenz
o Kommunikation mit anderen Spielern und vor allem den eigenen Gilden- oder
Gruppenmitgliedern
o Gute Umgangsformen
o Faires Verhalten anderen Spielern gegenüber
o Verlässlichkeit
o Hilfsbereitschaft
Strategisches Denken
o Bei der Auswahl der richtigen Fertigkeiten im Kampf
o Beim Steigern der zur Spielstrategie passenden Fertigkeiten beim Stufenaufstieg
o Bei der Auswahl der anzugehenden Aufgaben
Effizientes Micromanagement
o Beim
Wissen über die Spielwelt
o Geographische Kenntnisse
o Aufenthaltsorte wichtiger Figuren im Spiel (Händler, Questgeber, Lehrer, etc.)
o Aufenthaltsort von Gegnern
o Strategische Schwachpunkte von Gegnern
Nicht erforderlich für Caldrin sind hingegen



Umgang mit Waffen
Wissen über diverse Handwerksberufe
Magische Fähigkeiten ;-)
Pädagogische Einsatzmöglichkeiten der gewählten Spiele
Runes of Magic
Sieht man von der oft angeführten Verbesserung der Auge-Hand Koordination und der
generellen Verbesserung der räumlichen Vorstellungskraft wie sie bei allen dreidimensionalen
virtuellen Welten stattfindet ab, sehe ich bei Onlinespielen wie Runes of Magic oder World of
Warcraft nur eingeschränkte Möglichkeiten, die Spiele im Unterricht einzusetzen. Der Grund
dafür liegt meiner Meinung nach im generellen Setting dieser Spiele. Die Konzentration auf
phantastische Inhalte und Geschichten bietet wenig bis keine Anknüpfungspunkte in der realen
Alltagswelt der Kinder.
Unter Umständen ließe sich strategisches Denken (wie setze ich meine Fähigkeiten in der
Gruppe am besten ein) transferieren. Da dies im Spiel jedoch ausschließlich für
phantasiebetonte Kampfsituationen erforderlich ist, müsste beim Transfer eine maßgebliche
Transformation der im Spiel erlernten Schemata stattfinden, die diese eher militärisch,
strategischen Denkmuster in der Regel nicht Teil der Lebenswelt der Schulkinder sind.
Ein Faktor von Onlinespielen, der gegen den pädagogischen Einsatz (zumindest in Schulen)
spricht ist die erforderliche Spielzeit. Die Spielmechanik ist darauf ausgelegt, die Spieler
möglichst lange zu motivieren und so an das Spiel zu binden. Interessante Aufgaben, bei denen
das oben erwähnte strategische Vorgehen in einer größeren Gruppe erforderlich ist, sind erst
nach längerer Spielzeit überhaupt zugänglich und benötigen dann in der Regel zur Lösung mehr
Zeit, als in einer Unterrichtssituation in der Schule zur Verfügung steht. Soziale Faktoren im
Umgang und Zusammenspiel mit anderen Mitspielern gewinnen auch erst ab einer gewissen im
Spiel verbrachten Zeit an Bedeutung.
Schafft man es jedoch, dieses Zeitproblem zu lösen, so können Onlinespiele durchaus dazu
dienen, ebendiese sozialen Prozesse zu reflektieren. Mögliche Anknüpfungspunkte wären dabei
das Verhalten in der Gruppe, der Umgang mit neuen Gruppenmitgliedern oder gruppenfremden
Spielern, Möglichkeiten der Kommunikation und Konfliktlösung innerhalb einer Gruppe. Auf
einer dynamischen Transferebene könnten Werte wie Hilfsbereitschaft, Konfliktlösung,
Verlässlichkeit und Teamwork übertragen werden.
Eine konkrete Umsetzung könnte aus einer Mischung aus längeren Spielphasen zuhause sowie
kurzen von Pädagogen begleiteten Spielphasen im Unterricht bestehen. Der Fokus im Unterricht
liegt dabei auf der Reflexion der gemachten Erfahrungen.
Assassins Creed II
Assassins Creed erschien auf den ersten Blick durch das historische Szenario und die auf
tatsächlichen Ereignissen basierende Geschichte gut geeignet für den Einsatz im (zB. Geschichts)Unterricht. Bei genauerer Betrachtung stellte sich jedoch heraus, dass sich die simple Formel
historisches Szenario = Eignung für Geschichtsunterricht nicht so einfach anwenden lässt. Der
Grund liegt in den kleinen, aber doch entscheidenden Abweichungen von den historisch
tatsächlich belegten Fakten, die zugunsten des Gameplays und der erzählten Geschichte im Spiel
gemacht wurden.
Ziel einer pädagogischen Aufbereitung im Unterricht könnte also sein, ebendiese Abweichungen
im Spiel aufzustöbern und mit den tatsächlichen Daten und Fakten zu vergleichen. Mögliche
Fragestellungen wären dabei unter anderem:





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

Welche Rolle spielte die Kirche im Italien der Renaissance?
Wie ausgeprägt war die Trennung in einzelne Disziplinen der Kunst?
Welche Gebäude im Spiel existieren heute noch und wie haben sie sich im Laufe
der Zeit verändert?
Welche Unterschiede zu Stadtbild und Architektur sind zwischen den Städten der
Renaissance und heute zu erkennen?
Welche der im Spiel vorkommenden Figuren existierten wirklich und wo gibt es
Unterschiede zur Darstellung im Spiel?
Wer waren die Templer und was war ihre Motivation?
Wer waren die Assassinen und was war ihre Motivation?
Welches Lebensgefühl prägte die Renaissance?
Dabei kann auf das Gameplay und die Spielumgebung aber vor allem auch auf die Rätseleinlagen,
in denen vom Spiel durch die Verwendung von realen Photos, Personen, Gemälden und
Ereignissen ein direkter Bezug zur Realität hergestellt wird. Diese Spielelemente bedürfen
wegen ihrer scheinbaren Realitätsnähe und faktischen Korrektheit einer besonders kritischen
Hinterfragung. In diesen Spielphasen mutet Assassins Creed II fast wie ein Roman von Dan
Brown an, in dem für einen (durchaus spannenden) Plot einer fiktiven Geschichte historische
Fakten verändert, erfunden oder unterschlagen werden.
Bezug nehmend auf die wichtigste Interaktion im Spiel, das Finden und Töten von Zielpersonen
kann eine Diskussion über Ethik und moralische Werte angestoßen werden. Folgende Fragen
könnten dabei unter anderem betrachtet werden.
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Ist es gerechtfertigt, aus Rache zu töten?
Gibt es überhaupt Gründe, die das Töten eines Menschen rechtfertigen? Wie ist der
Zusammenhang zu heutigen, „modernen“ Kriegen?
Welche Bedeutung und Konsequenzen hat die Denkweise „Auge um Auge – Zahn um
Zahn“
Welche alternativen Lösungsstrategien hätte es gegeben?
Wie stellen sich die im Spiel dargestellten Situationen aus der Sichtweise der „Feinde“
dar?
Durch die Aufteilung des Gameplays in einzelne Missionen, die innerhalb einer
Unterrichtseinheit auch bewältigt werden können, eignet sich Assassins Creed II
durchaus für das Spielen einzelner Abschnitte im Unterricht.
Zusammenfassung
Computerspiele haben mittlerweile eine nicht zu leugnende Bedeutung und Relevanz für die
Gesellschaft und die Jugendkultur im Speziellen. Kinder und Jugendliche verbringen viel Zeit in
digitalen Spielwelten – insgesamt 64.000 Jahre weltweit sind es bis jetzt allein in Halo 3 und dies
ist nur eines von vielen Blockbuster Games der letzten Monate. Sie tun dies mit höchster
Motivation und sie tun es freiwillig. Dabei zeigen Untersuchungen, dass es keineswegs nur
Kinder sind, die sich intensiv mit dem neuen Medium der Computerspiele befassen. Das
Durchschnittsalter liegt längst bei ca. 30. Dies zeigt, dass, wer das Spiel einmal für sich entdeckt
hat, meistens auch dabei bleibt.
Es ist die intrinsische Motivation, die uns dazu antreibt, die Regeln und Mechanismen eines
Spiels zu erlernen, daraus erfolgversprechende Strategien zu entwickeln und diese schließlich
im Spiel zu erproben. Wir trainieren dabei (bewusst oder unbewusst) wissenschaftliches
Denken, indem wir ein System analysieren, mit den Ergebnissen eine These für die Lösung der
gestellten Aufgaben aufstellen, diese dann innerhalb des Systems evaluieren und gegebenenfalls
anpassen und neu evaluieren.
Die Methoden und Mechanismen, die moderne Computerspiele für uns so interessant und
fesselnd machen und die durch eine mittlerweile milliardenschwere Industrie stetig verbessert
und erweitert werden, scheinen auch optimal für die Anwendung im Bildungsbereich und im
Sinne des lebenslangen Lernens geeignet zu sein. Das einfache Austauschen von Spielinhalten
durch Lehrinhalte erscheint naheliegend, um sich der positiven Effekte von Spielen auch beim
Lernen zu bedienen. Erste Erfahrungen mit den sogenannten Serious Games haben jedoch
gezeigt, dass es nicht ausreicht, Spiele lediglich als „Transportmedium“ für Lehrstoff zu
verwenden.
Spiele in der virtuellen Welt erfordern ein „Einlassen“ auf diese Welt, in der eigene Regeln
herrschen und Handlungen in eigenen Kontexten gesehen werden und mit spezifischen
Konsequenzen verbunden sind. Dieses „Einlassen“ ist immer mit einem Transfer verbunden, der
in diesem Zusammenhang als die Übertragung von Gedanken, Gefühlen, Fähigkeiten und
kognitiven Schemata betrachtet wird und auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen und in
vielfältiger Form stattfinden kann. Beim „Eintreten“ in die Spielwelt (Huizinga bezeichnet dies
als das Überschreiten des magischen Kreises, der das Spiel von der realen Welt trennt) findet
dieser Transfer meist automatisch statt. Für die Betrachtung der Leistungsfähigkeit von Spielen
für das Lernen ist jedoch die umgekehrte Richtung von größerem Interesse. Wir fragen uns also,
was können wir aus dem Spiel mit in unser reales Leben bringen und wie können wir davon
profitieren. Dieser Transfer stellt das eigentliche Lernen durch das Spiel dar und erfordert in
jedem Fall mögliche Anknüpfungspunkte an reale Erfahrungen.
Für die Konzeption von Serious Games ergeben sich damit zwei große Herausforderungen.
Erstens die möglichst enge Verzahnung von Lerninhalten und Spielmechanik (Spielziel =
Lernziel) um sicherzustellen, dass die Fähigkeiten zum Beherrschen des Spiels, die wir uns
intrinsisch motiviert gerne erarbeiten, deckungsgleich mit den gesteckten Lernzielen sind. Und
zweitens die genaue Untersuchung der aus dem Spiel heraus möglichen Transferprozesse.

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