Diagnostik von Niedertemperaturplasmen

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Diagnostik von Niedertemperaturplasmen
Technische Universität München
Fakultät für Physik
Bachelor’s Thesis
Modellierung von Teilchendichten
in StickstoffNiedertemperaturplasmen
Michael Gerl
Arbeit durchgeführt am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
Erstgutachter: Prof. Dr. Rudolf Gross1
Zweitgutachter: Prof. Dr. Reinhard Kienberger2
Betreuer: Dr. Thomas Schwarz-Selinger3
Abgabetermin: 26. August 2011
1 Walther-Meißner-Institut
für Tieftemperaturforschung, Lehrstuhl E 23, TU München
E11, TU München
3 Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP), Garching
2 Lehrstuhl
Kurzüberblick
Aus der Fusionsforschung mit magnetisch eingeschlossenen Fusionsplasmen resultieren Fragestellungen, die im Rahmen von gezielten experimentellen Untersuchungen an Niedertemperaturplasmen diskutiert werden.
Die Charakterisierung von Niedertemperaturplasmen erfolgt im Wesentlichen über die Plasmaparameter Elektronendichte und Elektronentemperatur, sowie durch die Bestimmung der im Plasma auftretenden geladenen und neutralen Teilchenspezies. Aufgrund der hohen Komplexität von aufwändigen experimentellen Untersuchungen der Plasmendiagnostik ist eine schnelle und einfache Simulation zur Bestimmung von
Teilchendichten erforderlich.
In dieser Arbeit werden die Grundlagen eines einfachen RatengleichungsModells zur Simulation von Teilchendichten in Niedertemperaturplasmen
herausgearbeitet. Das dargestellte Modell wird dazu verwendet, die plasmachemische Zusammensetzung eines Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas qualitativ zu verstehen und deren Änderung bei Variation der
Plasmaparameter zu untersuchen. Dazu wird unter anderem die Veränderung der Teilchendichten in Abhängigkeit der Elektronentemperatur und
des Argon-Partialdruckanteils näher betrachtet.
Mit Kenntnissen über die bevorzugt auftretenden chemischen Prozesse
und deren Ratenkoeffizienten kann durch Einschränkung der Simulation auf wesentliche Reaktionen eine Vereinfachung der Modellierung
erreicht werden. Die Abweichung dieser Vereinfachung von den Simulationsergebnissen unter Berücksichtigung aller chemischer Reaktionen sind
sehr gering. Die dominanten chemischen Prozesse eines Stickstoff-ArgonNiedertemperaturplasmas konnten somit erfolgreich identifiziert werden.
Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit besteht in der Überprüfung der ständig erweiterten und korrigierten Datenlage aus Ratenkoeffizienten bzw.
Wirkungsquerschnitten zur Beschreibung von Niedertemperaturplasmen.
Der gezielte Vergleich von Simulationsergebnissen mit experimentellen
Resultaten erlaubt neben der Bewertung der Aussagekraft der Simulation
auch eine Einschätzung der Qualität der in die Modellierung einfließenden Datenbasis. Mit der Simulation lassen sich die Grundtendenzen der
experimentellen Ergebnisse reproduzieren und eine hohe Sensitivität der
Simulationsergebnisse auf Veränderungen der Ausgangsparameter Elektronentemperatur Te und Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β feststellen.
i
Inhaltsverzeichnis
Kurzüberblick
i
1
Einleitung
1
2
Grundlagen
2.1 Eigenschaften eines Plasmas . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Quasineutralität und Debye-Abschirmung
2.1.2 Langmuir-Schwingungen . . . . . . . . . .
2.2 Physikalische Beschreibung eines Plasmas . . . .
2.3 Das Niedertemperaturplasma . . . . . . . . . . . .
2.4 Die Plasmarandschicht . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Transportprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.1 Allgemeine Betrachtung von Stößen . . . .
2.5.2 Diffusion im Flüssigkeitsbild . . . . . . . .
2.6 Experimentelle Plasmendiagnostik . . . . . . . . .
3
4
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6
7
8
11
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16
18
21
21
22
24
Modell zur Simulation von Teilchendichten
3.1 Grundlegende Annahmen des Modells . . . . . . . . . . . .
3.2 Plasmachemische Reaktionstypen und Stöße . . . . . . . . .
3.3 Abhängigkeit der Ratenkoeffizienten von der Elektronentemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Modellierung der Wandverluste . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.1 Wandverluste von Neutralteilchen . . . . . . . . . . .
3.4.2 Wandverluste von Ionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Vernachlässigung von Zu- und Abfluss . . . . . . . . . . . .
3.6 Numerische Lösung des Ratengleichungssystems . . . . . .
26
28
33
Simulationsergebnisse
4.1 Elektronentemperaturvariation . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Berechnung der Reaktionsraten . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Vergleich mit publizierten Simulationsergebnissen . . . . . .
4.4 Vereinfachung der Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5 Vergleich mit experimentellen Ergebnissen . . . . . . . . . .
4.6 Variation der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β . . . .
4.7 Simulation unter Annahme korrigierter Ausgangsparameter
47
48
54
56
61
65
71
74
ii
35
37
37
42
44
45
Inhaltsverzeichnis
5
Zusammenfassung der Ergebnisse
78
A Physikalische Grundlagen zur Beschreibung eines Plasmas
81
A.1 Klassische kinetische Theorie des Plasmas und VlasovGleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
A.2 Boltzmann-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
A.3 Magnetohydrodynamik und Flüssigkeitsgleichungen . . . . 84
B Chemische Reaktionen
86
Danksagungen
91
Literaturverzeichnis
92
iii
Kapitel
1
Einleitung
Aufgrund des stark ansteigenden weltweiten Energiebedarfs stellt die
Energiegewinnung weiterhin eine große Herausforderung für die Zukunft dar. Als grundlastfähige Energiequelle könnte Kernfusion neben
den regenerativen Energien den Vorteil einer zukünftigen sicheren und
nachhaltigen Energieversorgung unter ökologischen und ökonomischen
Gesichtspunkten bieten. Im Gegensatz zur Kernspaltung soll bei der Fusion die Nutzung der inneren Bindungsenergie von Atomkernen durch das
Zusammensetzen stark gebundener Kerne aus ihren leichteren Bestandteilen realisiert werden. Diese Grundidee ist dem Vorbild der Fusionsreaktion
der Sonne nachempfunden. Oberstes Ziel der Fusionsforschung ist die
Nutzung der Energie, die bei der Verschmelzung von Wasserstoffisotopen
zu Helium frei wird.
Die Grundvoraussetzung für den Ablauf von Fusionsreaktionen bildet ein
häufig als 4. Aggregatszustand bezeichneter Zustand, in dem die Atome
(teilweise) ionisiert sind, also in ihre Bestandteile Elektronen und Atomkerne zerlegt vorliegen. Dieser Zustand wird allgemein als Plasma bezeichnet
und soll im ersten Teil der Arbeit näher charakterisiert werden. Das für
den Fusionsprozess benötigte Fusionsplasma ist vollständig ionisiert und
wird mit Hilfe einer toroidalen Magnetfeldkonfiguration in einem Plasmagefäß eingeschlossen.
Die Fusionsforschung stellt Herausforderungen an zahlreiche Bereiche der
Grundlagenforschung. Für die Entwicklung geeigneter Werkstoffe eines
zukünftigen Fusionsreaktors müssen die hohen Anforderungen an die
Materialien eingehend untersucht werden. Zentrales Aufgabengebiet ist
hierbei die Erforschung der „Plasma-Wand-Wechselwirkung“.
Beim Kontakt des Plasmas mit der Gefäßwand werden Teilchen aus der
Wand ausgelöst, die zur Verunreinigung und Verdünnung des Fusionsplasmas führen. Je höher die Ladungszahl dieser Verunreinigungen, umso
mehr Elektronen sind an die Verunreinigungen gebunden und umso mehr
Energie entziehen sie dem Plasma durch isotrope Abstrahlung in Form
von elektromagnetischer Strahlung. Dieser aus der Anregung der Verunreinigungen resultierende Energieverlust nimmt stärker als quadratisch mit
1
Kapitel 1. Einleitung
der Kernladungszahl zu [Sch93, S. 154] und gefährdet das Fortbestehen
des Fusionsplasmas.
Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) wurde im Rahmen des
Fusionsexperiments ASDEX-Upgrade ein Divertorsystem entwickelt, das
zur Abscheidung von Brennstoffresten und Verunreinigungen aus dem
Plasmagefäß dient und einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung
der Fusionsbedingungen liefert.
Bei der in Abbildung 1.1 dargestellten Variante des Divertors werden die
offenen Feldlinien am Rand des magnetischen Einschlusses so modifiziert,
dass Verunreinigungen gezielt auf die speziell präparierten Divertorplatten
gelenkt und dort neutralisiert werden. Das dabei entstehende Neutralgas
besitzt gegenüber dem restlichen Plasma einen höheren Druck und kann
abgepumpt werden [fPI95].
Geschlossene
magnetische Flächen
im Plasmainneren
zum Einschluss der
Plasmateilchen
Aufgebrochene äußere
magnetische Flächen
(„Scrape-Off-Layer“)
zur Abscheidung von
Brennstoffresten und
Verunreinigungen
Divertorplatten
zur Neutralisation von
Brennstoffresten und
Verunreinigungen
Abbildung 1.1: Schnitt durch das Plasmagefäß des Fusionsexperiments
ASDEX-Upgrade mit schematischer Darstellung der ersten Variante
des Divertorsystems [fPI95]. Die durchgezogenen Linien markieren die
magnetischen Flächen, auf denen sich geladene Teilchen bewegen können.
2
Kapitel 1. Einleitung
Auf die Divertorplatten kann lokal ein extrem hoher Teilchenfluss mit einer
thermischen Leistungsdichte im Bereich von einigen 10 MW/m2 auftreffen.
Daher stellt sich die Frage, wie das Divertorsystem effizient vor Überbeanspruchung beziehungsweise Zerstörung durch diese hohen auftreffenden
Teilchenflüsse geschützt werden kann. Der Grundgedanke zur Lösung
dieses Problems ist die Ausnutzung des Effekts isotroper Energieabstrahlung durch gezielte Zugabe von gasförmigen Verunreinigungen im Bereich
des Divertors. Mit dieser als „Radiative Cooling“ bezeichneten Methode
kann die thermische Belastung hochbeanspruchter Bauteile durch lokale
Zugabe von sogenannten extrinsischen Strahlern stark reduziert werden.
In zukünftigen Fusionsanlagen mit stabil aufrechterhaltenem Plasma, wie
beispielsweise ITER, kann die Zerstörung des Divertorsystems durch den
hohen auftreffenden Wärmefluss nur mit gezielter Verunreinigung des
Plasmas und der damit verbundenen isotropen Energieabstrahlung durch
Radiative Cooling abgewendet werden [KDF+ 10]. Bereits im Fusionsexperiment ASDEX-Upgrade ist seit der Umstellung von Kohlenstoff auf
Wolfram-Beschichtung der innersten Wand bei höheren Heizleistungen ab
etwa 8MW [KDF+ 10] der Einsatz von Radiative Cooling nötig.
Um die Langzeitspeicherung des Fusionstreibstoffs aufgrund von „CoDeposition“ zu vermeiden, können allerdings nur rezyklierbare Verunreinigungen wie Stickstoff oder Edelgase als extrinsische Strahler verwendet
werden [KDF+ 10]. Direkt innerhalb des Divertors besitzen die Plasmateilchen im Vergleich zum Plasmainneren deutlich erniedrigte Temperaturen
bis etwa 10 eV. In diesem Bereich eignet sich Stickstoff besonders gut für
Radiative Cooling, da dessen Strahlungscharakteristik im Vergleich zu
Edelgasen wie Neon oder Argon, „Peaks bei niedrigen Elektronentemperaturen aufweist“, wodurch der Energieverlust durch isotrope Abstrahlung im Divertor begünstigt wird [KDM+ 09]. Gleichzeitig wird durch die
Zugabe von Stickstoff die „Perfomance“ des Fusionsplasmas verbessert
[SML+ 10]. Parallel dazu kann auch in etwas weiter innen liegenden Bereichen des Plasmas mit geringfügig höheren Elektronentemperaturen Argon
als extrinsischer Strahler verwendet werden. Dieser kombinierte Einsatz
von Stickstoff und Argon bietet einen besonders effektiven Schutz des
Divertorsystems vor thermischer Überbeanspruchung.
Abbildung 1.2 zeigt den im Betrieb befindlichen Divertor des Fusionsexperiments ASDEX-Upgrade aus einer Perspektive von oben mit und ohne
Verwendung von Stickstoff als extrinsischen Strahler. Gut erkennbar ist
die auf eine Überbelastung hinweisende „stark strukturierte“ Abstrahlung
beim Betrieb des Divertors ohne Radiative Cooling [KDF+ 10],
3
Kapitel 1. Einleitung
Abbildung 1.2: Fotoaufnahme des Divertors im Fusionsexperiment ASDEX
Upgrade ohne den Einsatz von Radiative Cooling zur isotropen Energieabstrahlung (links) und bei gezielter Zuführung des extrinsischen Strahlers
Stickstoff (rechts) [KDF+ 10].
sowie andererseits die gleichmäßige Energieabstrahlung bei Verwendung
von Stickstoff als extrinsischen Strahler.
Allerdings kann die Zugabe von Stickstoff im Divertorsystem auch zur
Ausbildung unerwünschter Verunreinigungen, wie beispielsweise dem
giftigen Ammoniak NH3 , führen. Im späteren Tritiumbetrieb eines zukünftigen Fusionskraftwerks könnte durch Bildung von tritiumhaltigen
Verunreinigungen, wie etwa NT3 , die Entstehung und Ansammlung einer
größeren Menge an radioaktiven Substanzen resultieren.
Um zu verstehen unter welchen Bedingungen es im Bereich des Divertors
durch den Einsatz von Stickstoff als extrinsischen Strahler zur Entstehung
dieser unerwünschten Verunreinigungen kommt, ist die Kenntnis der
auftretenden Teilchenspezies nötigt.
Innerhalb des Divertors sind sowohl die Teilchenenergien mit Werten unter
10 eV als auch die Druckverhältnisse der Größenordnung weniger Pa relativ niedrig. Chemische Prozesse, die in diesem sogenannten rekombinierenden Plasma auftreten, können im Rahmen qualitativer Abschätzungen
mit induktiv gekoppelten Niedertemperaturplasmen erforscht werden.
Diese sogenannten IC-Plasmen („Inductively Coupled Plasma“) lassen
sich in experimentellen Anordnungen unter genau definierten Randbedingungen hinreichend gut untersuchen, wohingegen Messungen direkt am
Divertor aufgrund der erheblich komplizierteren Rahmenbedingungen
nur schwer möglich sind.
Unter den vereinfachten und vergleichsweise gut kontrollierbaren Laborbedingungen von Niedertemperaturplasmen lassen sich die wesentlichen
Mechanismen der Bildung ungewollter Verunreinigungen im Divertor
nachvollziehen. Dadurch wird eine grobe Abschätzung der Teilchendich-
4
Kapitel 1. Einleitung
ten im rekombinierenden Plasma innerhalb des Divertorsystems möglich.
Es stellt sich die Frage, wie durch Variation der Plasmaparameter die
Dichten reaktiver Teilchenspezies beeinflusst werden. In dieser Arbeit soll
durch Simulation von Teilchendichten unter Verwendung eines einfachen
Modells, ein qualitatives Verständnis der plasmachemischen Zusammensetzung eines IC-Niedertemperaturplasmas erzielt werden. Durch weitere
Verfeinerung kann dieses Modell in konsekutiven Arbeiten zur ersten
qualitativen Einschätzung der Plasmachemie im Bereich des Divertors verwendet werden. Der Vorteil einer Modellierung gegenüber aufwändigen
experimentellen Untersuchungen ist evident: Die Stärke der Simulation
liegt in einer schnellen und einfachen qualitativen Abschätzung der Teilchendichten.
Seit 1995 besteht das von Lieberman entwickelte nulldimensionale „Global Model“1 für die Beschreibung von hochfrequenzangeregten, stoßfreien
Niedertemperaturplasmen. Dieses Modell wird in einer vereinfachten,
nicht selbskonsistenten Modifikation für die Simulation von Teilchendichten in einem induktiv gekoppelten Niedertemperaturplasma verwendet.
Ausgangspunkt für die Modellierung bildet aufgrund vergleichsweise
geringer chemischer Komplexität und ausreichend vorhandener Datenlage
die Beschreibung eines Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas. Im Gegensatz zur Untersuchung eines Stickstoff-Wasserstoff-Niedertemperaturplasmas ist die Vielfalt der möglichen auftretenden chemischen Verbindungen und damit die Anzahl der zu modellierenden Teilchenspezies beim
Stickstoff-Argon-Plasma erheblich geringer. Dennoch erfordert bereits die
Modellierung dieses einfachen Systems eine Berücksichtigung von zahlreichen chemischen Reaktionen zwischen Stickstoff und Argon:
Als Grundlage für die Simulation von Teilchendichten werden 82 chemische Reaktionen angesetzt, die in „Experiments and global model of
inductively coupled rf Ar/N2 discharges“ [KK10] von T. Kimura und H.
Kasugai im Juni 2010 publiziert wurden.
Schließlich wird neben einem Vergleich mit bereits veröffentlichten Simulationsergebnissen zur Einschätzung der Verlässlichkeit des Modells auch
ein Vergleich mit experimentellen Ergebnissen durchgeführt.
Der Vergleich mit experimentellen Resultaten erlaubt auch eine Beurteilung der Qualität der für die Modellierung verwendeten Ausgangsparameter und deren Auswirkung auf das Simulationsergebnis.
1 Nähere
Informationen über das Global Model können beispielsweise der Publikation
[LL95] von Lieberman und Lee oder direkt dem von Lieberman und Lichtenberg 1995
veröffentlichten Buch [LL05] entnommen werden.
5
Kapitel
2
Grundlagen
Die Bezeichnung Plasma für den „vierten Aggregatszustand“ der Materie
geht auf Irving Langmuir1 zurück, der im Jahre 1929 das Auftreten von
Plasmaschwingungen in stark evakuierten ionisierten Gasen entdeckte.
Heute bezeichnet der sehr weitläufige Begriff Plasma im Allgemeinen
Gase, deren Atome vollständig oder teilweise in ihre Bestandteile zerlegt
vorliegen. Die wesentlichen Parameter zur groben Klassifizierung von
Plasmen sind Elektronendichte und Temperatur. Abbildung 2.1 zeigt schematisch eine grobe Einteilung der unterschiedlichen Typen von Plasmen
gemäß dieser beiden Plasmaparameter. Bei den bereits in der Einleitung
erwähnten Fusionsexperimenten mit magnetischem Einschluss ergeben
sich Elektronendichten im Bereich von etwa 1015 bis 1024 m−3 bei Temperaturen von bis zu 104 eV2 .
Die in dieser Arbeit betrachteten Niedertemperaturplasmen werden zur
Gruppe der Gasentladungen gezählt und besitzen Elektronendichten im
Bereich von 1014 bis 1018 m−3 bei Elektronentemperaturen von 1 bis
10 eV. Im ersten Teil der Arbeit sind die grundlegenden Konzepte DebyeAbschirmung, Quasineutralität und Langmuir-Schwingungen zur physikalischen Charakterisierung des Plasmazustandes dargestellt.
Schließlich soll ein Einblick in die Grundlagen der physikalischen Beschreibung eines Plasmas gegeben werden und die Eigenschaften des im
Weiteren betrachteten Niedertemperaturplasmas analysiert werden.
Mit den in diesem Kapitel dargestellten Grundlagen kann dann die Modellierung von Teilchendichten in einem Niedertemperaturplasma erfolgen.
1 Irvin
Langmuir (1881 − 1957) war ein amerikanischer Chemiker und Physiker. Im
Jahre 1932 wurde Langmuir für seine Entdeckungen und Untersuchungen zur Oberflächenchemie mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.
2 Eine Temperatur von k T = 1 eV entspricht etwa 11600K.
B
6
Kapitel 2. Grundlagen
1011
Relativistic plasmas
kT = mec2 = 511 keV
109
Vacuum
sparks
Magnetic fusion
experiments
Inertial
fusion
Center
sun
Θ-pinch
102
Solar
wind
Solar
corona
zpinch
Strongly
coupled
plasmas
Glow Gas discharge
Pulsed arcs
discharge Concav cathod
arcs
100
Low temperature
discharge
Interstellar
gas
105
1010
1015
107
106
105
104
Electrons
in metals
Semiconductor
plasmas
Ionosphere
10-2
100
Degenerate
electrons
MHDgenerator
Flames
107
T [K]
Magnetic fusion
reactor
Ideal plasmas
104
T [eV]
1010
White dwarfts
106
1020
1025
1030
Degenerate
ions
103
102
1035
ne [m-3]
Abbildung 2.1: Schematische Darstellung zur groben Einteilung von Plasmen gemäß ihrer Elektronendichte ne und Temperatur T [MHB+ 05].
2.1
Eigenschaften eines Plasmas
Unter einem Plasma versteht man ein vollständig oder teilweise ionisiertes
Gas, das aus einer hinreichend großen quasineutralen Ansammlung von
freien, geladenen und neutralen Teilchen besteht. Quasineutral bedeutet
dabei die Kompensation positiver und negativer Ladungsträger, sodass das
Plasma im Mittel nach außen hin neutral ist. Abhängig vom verwendeten
Hintergrundgas bilden sich in elektropositiven Plasmen nur positiv geladene Ionen aus, während in elektronegativen Plasmen auch negativ geladene
Ionen entstehen. Die kinetische Energie der geladenen Plasmateilchen übersteigt im Mittel die potentielle Energie durch Coulomb-Wechselwirkung
zwischen nächsten Nachbarn um ein Vielfaches [Sch93, S. 37].
Ein als Plasma bezeichnetes ionisiertes Gas muss allerdings nicht wie
das vollständig ionisierte Fusionsplasma ausschließlich aus Ionen und
Elektronen bestehen. Es kann auch nur teilweise ionisiert sein und daher
Neutralteilchen enthalten.
7
Kapitel 2. Grundlagen
Im Rahmen dieser Arbeit werden sogenannte Niedertemperaturplasmen
analysiert, die einen relativ hohen Anteil an angeregten und sich im Grundzustand befindenden Neutralteilchen aufweisen. Eine genauere Charakterisierung von Niedertemperaturplasmen ist in Abschnitt 2.3 dargestellt.
Zunächst werden in einer allgemeineren Diskussion die wesentlichen
Kennzeichen des Plasmazustandes zusammengefasst.
Dazu wird als erstes die Quasineutralitätsbedingung näher untersucht:
Die Quasineutralität eines Plasmas lässt sich durch formale Betrachtung
der Auswirkung einer makroskopischen Ladungsverschiebung im Plasmainneren verstehen: Stark differierende Ladungsdichten werden aufgrund der daraus entstehenden hohen elektrischen Felder quasi instantan
ausgeglichen.
2.1.1
Quasineutralität und Debye-Abschirmung
Eine mikroskopische Betrachtungsweise wie in [Sch93, S. 39] verdeutlicht, dass es lokal zu Abweichungen der Quasineutralität kommen muss.
Betrachtet man etwa ein positiv geladenes Ion im Plasma, das durch elektrostatische Anziehung negativ geladene Elektronen um sich sammelt, so
ist leicht ersichtlich, dass die positive Ionenladung durch die Elektronen
nach außen hin abgeschirmt wird. Zur präziseren Formulierung der Quasineutralitätsbedingung muss diese Abschirmung quantifiziert werden.
Die adäquate Beschreibung eines Plasmas kann im Rahmen der statistischen Physik mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilungen erfolgen.
Ergebnis der statistischen Betrachtung ist, dass die Teilchendichten ne und
ni der geladenen Plasmateilchen (Elektronen und Ionen) über den Boltzmann-Faktor3 mit dem elektrostatischen Potential Φ zusammenhängen:
eΦ
ne = n · e k B Te
ni = n · e
− ke ΦT
B i
(2.1)
(2.2)
Dabei ist n die Ladungsträgerdichte in großem Abstand von der betrachteten Ladung, Te die Temperatur der Elektronen und Ti die Temperatur
der Ionen. Geht man davon aus, dass für das elektrostatische Potential Φ
die Bedingung eΦ k B Te,i erfüllt ist, so lassen sich die Exponentialfunktionen in führender Ordnung entwickeln und in die Poisson-Gleichung
3 Die
Gleichungen (2.1) und (2.2) werden als Boltzmann-Relation bezeichnet und
können direkt aus der Impulserhaltungsgleichung (A.17) wie in [LL05, S. 38] beschrieben
abgeleitet werden.
8
Kapitel 2. Grundlagen
e (n −n )
∆Φ = ∇2 Φ = − ie0 e einsetzen. In sphärischer Darstellung lautet die
Poisson-Gleichung für dieses Problem dann:
1 d
e ( ni − n e )
2
2 dΦ
(2.3)
∆Φ = ∇ Φ = 2
r
=−
dr
e0
r dr
ne2
1
1
1
≈
·
+
(2.4)
·Φ = 2 ·Φ
e0
k B Te k B Ti
λD
Die Lösung der Poisson-Gleichung lässt sich mit Hilfe der totalen DebyeLänge
1
1
1
:
=
+
λ2D
λ2De λ2Di
(2.5)
angeben zu:
Φ (r ) =
q
− r
· e λD
4πe0 r
(2.6)
Dabei sind die Debye-Längen von Elektronen und Ionen λ De und λ Di über
die jeweilige Temperatur Te beziehungsweise Ti und die Dichte n definiert
durch:
r
e0 k B Te,i
λ De,i =
(2.7)
ne2
Darin entsprechen e0 und k B der Dielektrizitäts- und Boltzmannkonstante,
sowie e der Elementarladung. Aus der Lösung (2.6) ist erkennbar, dass das
Potential einer Ladung aufgrund des Beitrags der Exponentialfunktion im
Plasma viel schneller als im Vakuum abfällt. Dieser Effekt wird als DebyeAbschirmung bezeichnet und ist eine grundlegende Eigenschaften eines
Plasmas. Grund für dieses Verhalten ist die Abschirmung einer Ladung q
im Plasma durch eine Hülle aus entgegengesetzten Ladungsträgern mit
Durchmesser λ D . Elektronen, die schnellen geladenen Plasmateilchen, können allerdings nur eine geringe abschirmende Ionen-Wolke ansammeln,
während langsame Ionen eine ausgeprägte abschirmende Elektronenwolke um sich sammeln können. Der Grund für dieses Verhalten liegt in
den stark differierenden Mobilitäten µe und µi von Elektronen und Ionen.
Mit dieser Erkenntnis lässt sich der Begriff der Quasineutralität präziser
formulieren:
9
Kapitel 2. Grundlagen
Ist die typische Ausdehnung a eines Plasmas groß gegenüber
der Debye-Länge λ D , so wird jegliche lokalisierte Ladungsträgerkonzentration auf einer Längenskala der Größenordnung
von λ D abgeschirmt. Ein Plasma aus einfach positiv geladenen
Ionen ist also für a λ D quasineutral, sodass ni ≈ ne ≈ n
angesetzt werden kann. Es ist allerdings nicht neutral in dem
Sinne, dass elektromagnetische Kräfte verschwinden [Sch93, S.
40]. Abweichungen von der Quasineutralität können grundsätzlich nur bis zur Größenordnung der Debye-Länge λ D auftreten.
Ein ionisiertes Gas kann gemäß den bisherigen Überlegungen nur für
a λ D als Plasma bezeichnet werden. Zusätzlich müssen bei einem
Plasma ausreichend viele Teilchen in der abschirmenden Ladungswolke
vorhanden sein. Diese Anzahl an Teilchen wird wie in [Sch93, S. 41] häufig
als Plasmaparameter ND bezeichnet, mit dem die Bedingung ND 1
für ein ideales Plasma formuliert werden kann. ND ergibt sich aus der
Ladungsträgerdichte n multipliziert mit dem Volumen der Debye-Kugel
zu:
3/2
e0 k B T
4π
4π 3
λD 3
e2
√
ND = n ·
λ =
·
=
(2.8)
3 D
3
r0
n
3 1/3
Dabei wurde im letzten Schritt der mittlere Teilchenabstand r0 = 4πn
eingeführt. Die Bedingung ND 1 eines idealen Plasmas impliziert, dass
die kinetische Energie der Teilchen Ekin ≈ k B T die elektrostatische potentielle Energie der geladenen Teilchen im mittleren Abstand r0 ,
e2
3 −1/3
Epot = 4πe
·
um ein Vielfaches übertrifft, also Ekin Epot gilt.
4πn
0
In diesem Zusammenhang lässt sich die Landau-Länge λ L als derjenige
kritische Abstand einführen, bei dem die kinetische Energie der potentiellen Energie gleicht. Unter Annahme einfach geladener positiver Ionen ist
die Landau-Länge gegeben durch [Sch93, S. 41]:
λL =
e2
4πe0 k B T
(2.9)
Damit lässt sich der Plasmaparameter in vereinfachter Form darstellen als
[Sch93, S. 41]
ND =
λD
.
3λ L
(2.10)
Im idealen Plasma muss somit die Bedingung λ L λ D erfüllt sein.
10
Kapitel 2. Grundlagen
2.1.2
Langmuir-Schwingungen
Im vorherigen Abschnitt wurden Abweichungen der Quasineutralität
auf mikroskopischer Skala motiviert. Der klassische Ansatz einer Bewegungsgleichung zur Beschreibung der Teilchenbewegung aufgrund dieser
Abweichung führt auf die sogenannten Langmuir-Schwingungen. Geht
man wie in [Sch93, S.42] von einer ebenen Plasmaschicht mit räumlich
festen Ionenpositionen4 aus, in der Elektronen um die Strecke x gegenüber
ihren Gleichgewichtspositionen ausgelenkt sind, so resultiert ein elektrisches Feld E in x-Richtung und die Bewegung eines Elektrons gehorcht
im Idealfall der Bewegungsgleichung einer ungedämpften harmonischen
2
2
Schwingung me ddt2x = −eE = − ne
e0 · x.
Die Elektronen schwingen dabei mit der Plasmafrequenz
s
ne2
(2.11)
ω p,e =
e0 m e
um ihre Gleichgewichtsposition. Der Kehrwert der Plasmafrequenz entspricht gerade der charakteristischen Zeitskala, in der durch Ladungsverschiebungen hervorgerufene lokale Störungen der Quasineutralität
kompensiert werden.
q Führt man die thermische Geschwindigkeit der
kB T
Elektronen vt,e =
me ein, so ergibt sich ein linearer Zusammenhang
zwischen der Plasmafrequenz ω p,e und der Debye-Länge [Sch93, S. 43]:
vt,e = λ D · ω p,e
(2.12)
Mit Hilfe der Plasmafrequenz lässt sich aus der mittleren Stoßzeit τ 5 eine
weitere Bedingung angeben, die ein Plasma stets erfüllen muss:
Das Produkt aus Plasmafrequenz und der mittleren Stoßzeit mit Neutralteilchen τNeutrale muss groß gegen 1 sein, damit der Effekt der elektrostatischen Wechselwirkung gegenüber dem Verhalten der klassischen Kinetik
eines Gases überwiegt [vK06, S. 13]. Durch die äquivalente Formulierung
−1
ω p,e νNeutrale mit Hilfe der Stoßfrequenz νNeutrale = τNeutrale
impliziert
diese Forderung gerade die Ausbildung von Langmuir-Schwingungen.
4 Bei
Betrachtung der Langmuir-Schwingungen kann in guter Näherung davon ausgegangen werden, dass die Ionen aufgrund ihrer verhältnismäßig großen Masse an ihrem
Ort verharren und nicht an der Schwingung teilnehmen [Sch93, S. 43].
5 Die mittlere Stoßzeit τ = 1 ergibt sich aus der bei der Betrachtung von Stößen in
ν
Abschnitt 2.5.1 eingeführten Stoßfrequenz ν = nσvrel . Dabei bezeichnet σ den Wirkungsquerschnitt und vrel die Relativgeschwindigkeit der stoßenden Teilchen.
11
Kapitel 2. Grundlagen
Insgesamt lassen sich für die Definition eines idealen Plasmas also drei
Bedingungen an ein (teilweise) ionisiertes Gas formulieren:
1. a λ D (Quasineutralität)
Damit die Quasineutralitätsbedingung gewährleistet ist, muss die
typische Ausdehnung a des Plasmas groß gegen die Debye-Länge
sein.
2. ND 1 ⇔ λ L λ D
Die Zahl der Teilchen in der Debye-Kugel ND muss groß gegen 1 sein
und die kinetische Energie der Plasmateilchen muss die potentielle
Energie übertreffen
3. ω p,e · τ 1 ⇔ ω p,e νNeutrale
Der Einfluss der elektrostatischen Wechselwirkung muss die Gaskinetik überwiegen, sodass sich Langmuir-Schwingungen im Plasma
ausbilden können.
12
Kapitel 2. Grundlagen
2.2
Physikalische Beschreibung eines Plasmas
Die Komplexität einer selbstkonsistenten Beschreibung von Plasmen besteht darin, dass die geladenen Plasmateilchen einerseits durch elektrische und magnetische Felder beeinflusst werden, andererseits diese aber
selbst Ursprung von elektromagnetischen Feldern sind. Wie in [LL05, S.23]
dargestellt, muss daher von folgenden vereinfachenden Annahmen zur
physikalischen Beschreibung eines Plasmas ausgegangen werden:
Um eine Gleichgewichtsverteilung der Teilchengeschwindigkeiten bestimmen zu können, werden Stöße von Teilchen im Folgenden als unabhängig
von elektromagnetischen Feldern betrachtet. Ferner wird zur Beschreibung
der makroskopischen Teilchenbewegung bei der Berechnung von Observablen durch Bildung statistischer Momente über die Geschwindigkeit
integriert.
Aufgrund der hohen Komplexität einer quantenmechanischen Beschreibung der Teilchen eines Plasmas wird üblicherweise zur klassischen Beschreibung eines Kontinuums übergegangen. Die Herangehensweise zur
Charakterisierung eines Vielteilchensystems aus der statistischen Mechanik unter Verwendung eines 6n dimensionalen Phasenraums basierend
auf dem Liouville-Theorem kann aus praktischen Gründen durch einen
Übergang in den 6-dimensionalen Raum der Orts- und Geschwindigkeitskoordinaten modifiziert werden. Dazu wird eine Verteilungsfunktion
f a (v, r ) eingeführt, mit der die Wahrscheinlichkeit beschrieben wird, ein
Teilchen in einem Intervall des Orts- und Geschwindigkeitsraums vorzufinden [vK06, S. 41]. Die Grundgleichung in dieser Betrachtung stellt
dann die Boltzmann-Gleichung (A.11) dar. Ein weiterer Übergang in
den dreidimensionalen Ortsraum ermöglicht die Formulierung der Flüssigkeitsgleichungen. Aus dieser Betrachtungsweise kann die sogenannte
Einflüssigkeitstheorie im Ortsraum entwickelt werden, deren dissipationsfreier Spezialfall die ideale Magnetohydrodynamik ist.
Für einen knappen Überblick über die physikalischen Grundlagen zur
Beschreibung eines Plasmas, sowie eine Darstellung der „Hierarchie der
Gleichungen der Plasmaphysik“, so wie sie in der Literatur beschrieben
wird, soll auf Anhang A dieser Arbeit verwiesen werden. An dieser Stelle
sei nur angemerkt, dass die Beschreibung der makroskopischen Eigenschaften eines Plasmas auf den Maxwell-Gleichungen und den durch
Momentbildung aus der Boltzmann-Gleichung (A.11) resultierenden
Erhaltungsgleichungen für Teilchenzahl, Impuls und Energie basiert.
Von entscheidender Bedeutung für die weiteren Betrachtungen ist neben
13
Kapitel 2. Grundlagen
der makroskopische Kontinuitätsgleichung (A.16) die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung (A.12) und die Bewegungleichung (A.17).
Im Folgenden sollen die benötigten allgemeinen Resultate dargestellt und
für die Anwendung zur Modellierung der Teilchendichten von Niedertemperaturplasmen konkretisiert werden. Die Herkunft der aufgeführten
Zusammenhänge ist in Anhang A kurz erläutert und mit entsprechenden
Literaturverweisen für ausführliche Herleitungen versehen.
Makroskopische Kontinuitätsgleichung. (siehe (A.16))
∂n
+ ∇ · (n · u) = G − L
∂t
Die makroskopische Kontinuitätsgleichung entspricht der Teilchenzahlerhaltung innerhalb des betrachteten Plasmavolumens. G und L
bezeichnen dabei die Generations- bzw. Vernichtungsraten, die durch
Teilchenerzeugung beziehungsweise Vernichtung aus Stößen resultieren und u die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen. Interpretiert
man nu als die in (A.15) definierte mittlere Teilchenflussdichte Γ und
betrachtet ein System ohne zeitliche Änderung der Teilchendichte
∂n
∂t ≡ 0, so ergibt sich die makroskopische Kontinuitätsgleichung für
den stationären Zustand:
∇·Γ = G−L
(2.13)
Die makroskopische Kontinuitätsgleichung wird in Abschnitt 2.5.2
zur Formulierung der Diffusionsgleichung verwendet und dient
bei der Entwicklung des Modells zur Simulation von Teilchendichten in einem Niedertemperaturplasma als Ausgangspunkt für die
Quantifizierung des Wandverlusts von Ionen (siehe Abschnitt 3.4.2).
Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung. (siehe (A.12))
Im thermischen Gleichgewichtszustand, in dem sich die durch Stöße
beeinflussten Geschwindigkeitskomponenten der Teilchen einer Spezies derart ausgleichen, dass die Entropie des Gesamtsystems maximiert wird, stellt sich die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung
ein:
3/2
2
m
− mv
f a (v) = n ·
e 2k B T
2πk B T
14
Kapitel 2. Grundlagen
Aus der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung (A.12) lässt sich
gemäß (A.14) durch elementare Integration der Betrag der mittleren
Teilchengeschwindigkeit u bestimmen:
R
3/2 Z
2
dv v · f a (v, r, t)
m
− mv
u=
=
dv 4πv3 e 2k B T
(2.14)
n
2πk B T
r
8k B T
=
πm
Durch Variablentransformation lässt sich aus der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung (A.12) auch die Verteilung
der kinetischen
q
Energie f a ( Ekin ) gewinnen. Mit v( Ekin ) =
f a ( Ekin ) dEkin = 4π
f a (v( Ekin ))
n
2Ekin
m
und der Forderung
v2 ( Ekin ) dv
(2.15)
ergibt sich durch Differentiation für die auf Eins normierte Verteilung
der kinetischen Energie [LL05, Kap. 2.4., S.37]:
√
v( Ekin ) f a (v( Ekin ))
2
Ekin − EkkinT
f a ( Ekin ) =
=√
e B
(2.16)
nm
π (k B T ) 32
Diese Energieverteilungsfunktion wird bei der Diskussion der grundlegenden Annahmen des vorgestellten Modells zur Simulation von
Teilchendichten in Abschnitt 3.1 näher betrachtet und entspricht
dabei gerade der „Electron Energy Distribution Function“ (EEDF).
Impulserhaltung. (siehe (A.17))
Die Impulserhaltungsgleichung entspricht der Bewegungsgleichung
für Teilchen in einem Plasma bei vorhandenen elektrischen und
magnetischen Feldern.
∂u
m·n
+ (u · ∇) u = q · n( E + u × B) − ∇ · Π + f c
∂t
Für eine nähere Diskussion des Druck-Tensors Π und der durch
Stöße bedingten Impulstransferrate f c sei auf die in Anhang A angegebene Literatur verwiesen. In Abschnitt 2.5.2 wird die Impulserhaltungsgleichung für verschwindende externe elektrische und
magnetische Felder bei der Betrachtung der Diffusion im Flüssigkeitsbild als Ausgangspunkt zur Einführung von Diffusionskonstante
D und Mobilität µ verwendet.
15
Kapitel 2. Grundlagen
2.3
Das Niedertemperaturplasma
Bei den im Weiteren betrachteten Niedertemperaturplasmen treten majorisiert Neutralteilchen und nahezu ausschließlich einfach geladene Ionen
auf, sodass die Bedingung der Quasineutralität als ne ≈ ni =: n formuliert
werden kann. Damit lässt sich der Ionisationsgrad als Verhältnis ξ i = n+nnn
definieren, wobei nn die Neutralteilchendichte bezeichnet. Charakteristisch
für die nur teilweise ionisierten Niedertemperaturplasmen ist ein geringer
Ionisationsgrad ξ zwischen 10−6 und 10−3 , eine Elektronendichte ne im
Bereich von 1014 bis 1018 m−3 und eine niedrige Elektronentemperatur im
Bereich von 1 bis 10 eV6 . Die im Folgenden beschriebene Niedertemperaturplasmaentladung lässt sich unter einem geringen Druck von etwa 10−2
bis 100 Pa beobachten.
Zur Erzeugung von Niedertemperaturplasmen wird beispielsweise durch
das Anlegen eines starken elektrischen Feldes an ein neutrales Gas ein elektrischer Durchbruch forciert. Wie im Folgenden näher diskutiert, erfolgt
die Energieeinkopplung bei der Erzeugung von Niedertemperaturplasmen
stets durch die Beschleunigung von Elektronen.
Die im neutralen Gas aufgrund kosmischer Hintergrundstrahlung vorhandenen freien Elektronen werden im elektrischen Feld beschleunigt
und stoßen an Neutralteilchen. Diese Stöße zwischen Elektronen und
Neutralteilchen sind für die Erzeugung eines Niedertemperaturplasmas
von großer Bedeutung, da sie zur Anregung und Ionisation7 der Neutralteilchen führen. Durch die Elektronenstoß-Ionisation von Neutralteilchen
entstehen neben Ionen weitere freie Elektronen. Bei genügend hoher elektrischer Feldstärke breitet sich eine Elektronenlawine aus, sodass es zum
elektrischen Durchbruch und damit zur stark ansteigenden Bildung freier
Ladungsträger kommt. Im Niedertemperaturplasma wird der Verlustkanal
der Ionen nicht durch Rekombination von Elektron-Ionen-Paaren im Plasmainneren, sondern durch Ionenabfluss an die Wand des Plasmagefäßes
der Plasmaphysik ist es üblich mittlere Teilchenenergien E = 32 k B T in Elektronenvolt anzugeben und diese abkürzend als „Temperaturen“ zu bezeichnen. Es wird
also in derartigen Aussagen stets die Maxwell-Verteilung vorausgesetzt, obwohl die
Energieverteilung der Elektronen eines Niedertemperaturplasmas im Allgemeinen nicht
durch eine Maxwell-Verteilung beschrieben werden kann (siehe dazu Abschnitt 3.1).
7 Je nach verwendetem Arbeitsgas kann es durch inelastische Stöße neben der einfachen
Anregung beispielsweise im Falle eines molekularen Arbeitsgases auch zur Anregung von
Rotations- bzw. Vibrationsfreiheitsgraden, zur Dissoziation oder zur Bildung negativ geladener Ionen durch Anlagerung von Elektronen kommen. Hier wird zur Vereinfachung
zunächst nur die Anregung und Ionisation betrachtet.
6 In
16
Kapitel 2. Grundlagen
dominiert8 . Es stellt sich innerhalb einer charakteristischen Zeitskala von
µs ein dynamischer Gleichgewichtszustand zwischen bevorzugt auftretender Elektronenstoß-Ionisation und Ionenabfluss an die Wand ein, sodass
sich im stationären Zustand Erzeugung und Verlust von Ladungsträgern
gerade kompensieren.
Die verschiedenen Bestandteile eines Niedertemperaturplasmas, Elektronen, Ionen und Neutralteilchen befinden sich im stationären Zustand der
Plasmaentlandung nicht untereinander im thermischen Gleichgewicht9 .
Dies lässt sich dadurch veranschaulichen, dass die Elektronen durch ihre
geringere Masse wesentlich leichter kinetische Energie durch das einwirkende externe elektrische Feld aufnehmen können und zudem der
Energieübertrag auf Neutralteilchen bei den auftretenden elastischen Stößen aufgrund des erheblichen Massenunterschieds zwischen Elektronen
und Neutralen sehr gering ist. Der relative Energieübertrag bei elastischen
Stößen von Elektronen der Masse me mit Ionen oder Neutralteilchen der
4me
−4
Masse M me lässt sich größenordnungsmäßig zu ∆E
E ≈ M ∼ 10
abschätzen. Zudem finden unter dem geringen Druck der Plasmaentladung durch die hohe Verdünnung des Gases insgesamt auch nur sehr
wenig Stöße zwischen Elektronen und Neutralteilchen statt. Dies ist insbesondere durch die hohe mittlere freie Weglänge der Elektronen bedingt,
die typischerweise in der Größenordnung der Plasmaausdehnung liegt.
Elektronen verlieren damit durch elastische Stöße mit Neutralteilchen im
Mittel nur sehr wenig Energie.
Ionen sind nach ihrer Entstehung durch Elektronenstoß-Ionisation nahezu
in Ruhe und erfahren durch ihre im Vergleich zu den Elektronen hohe Masse im elektrischen Feld nur eine vergleichsweise geringe Beschleunigung.
Damit besitzen Ionen gegenüber den Neutralteilchen keine signifikant
höhere mittlere Energie.
Insgesamt ergibt sich also eine geringe mittlere Energie für Ionen und
Neutralteilchen von der Größenordnung der Raumtemperatur (25 meV),
bei gleichzeitig hoher Elektronenenergie von typischerweise 1 − 10 eV.
In diesem Zusammenhang spricht man häufig von heißen Elektronen und
kalten Neutralteilchen, woraus wegen der hohen Neutralteilchendichte die
Bezeichnung Niedertemperaturplasma entspringt.
8 Erst
bei hohem Druck überwiegt der Einfluss der Rekombination von Elektronen und
Ionen im Plasmainneren gegenüber dem Ionenabfluss an die Wand des Plasmagefäßes.
9 Niedertemperaturplasmen werden aufgrund des fehlenden thermischen Gleichgewichtszustands zwischen Elektronen, Ionen und Neutralteilchen zur Gruppe der
Nichtgleichgewichtsplasmen gezählt.
17
Kapitel 2. Grundlagen
Es ist daher evident, dass sich Elektronen und Schwerteilchen im Niedertemperaturplasma nicht im thermischen Gleichgewicht miteinander
befinden. Lediglich für die einzelnen Teilchen der jeweiligen Teilchengruppen kann in guter Näherung ein sogenanntes lokales thermisches
Gleichgewicht angenommen werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass Elektronen, Ionen
und Neutralteilchen im lokalen Gleichgewichtszustand Maxwellschen
Geschwindigkeitsverteilungen gehorchen. Dies ist jedoch im Allgemeinen
eine stark vereinfachende Annahme, da durch auftretende Ionisationsoder Dissoziationsprozesse die Anzahl hochenergetischer Elektronen deutlich abnimmt und die Energieverteilung von entstehenden Ionen und
Neutralteilchen ebenfalls beeinflusst wird.
Bei der Bildung von Niedertemperaturplasmen unter Verwendung molekularer Hintergrundgase, wie beispielsweise Stickstoff, findet neben der
Anregung und Ionisation auch die Dissoziation von Neutralteilchen statt.
Dabei entstehen neben Ionen auch Radikale. Die Reaktivität dieser Ionen
und Radikale wird in zahlreichen Anwendungen der Oberflächenbehandlung mit Plasmen ausgenutzt: Durch chemische Reaktionen wird
beispielsweise die gezielte Erosion von Oberflächen oder die Abscheidung
(Deposition) dünner Schichten erreicht. Ein wesentlicher Vorteil in der
Oberflächenbehandlung mit Niedertemperaturplasmen besteht darin, dass
die Oberfläche auf Raumtemperatur gehalten werden kann, da die thermische Belastung durch den Beschuss mit Ionen sehr gering ist. Dadurch
wird die Behandlung empfindlicher Substratoberflächen ermöglicht. Die
chemische Aktivierung der Oberflächen erfolgt durch einen gerichteten
Ionenfluss, der aus einem elektrischen Feld in der Randschicht resultiert.
Auf die Entstehung dieses gerichteten Ionenflusses wird in der folgenden
Betrachtung der Plasmarandschicht eingegangen.
2.4
Die Plasmarandschicht
Im Folgenden soll die Entstehung einer Raumladungszone bei Kontakt
eines Niedertemperaturplasmas mit einer nicht geerdeten plasmabegrenzenden Oberfläche qualitativ erklärt werden.
An der Plasmabegrenzung können Elektronen und Ionen durch Rekombination aus dem Plasma entfernt werden. Aufgrund der höheren thermische
Geschwindigkeit und der geringeren Masse besitzen die Elektronen gegenüber den Ionen eine viel höhere Mobilität. Damit ist zunächst der
18
Kapitel 2. Grundlagen
Elektronenfluss auf die plasmabegrenzende Oberfläche deutlich größer als
der Ionenfluss, sodass Elektronen das Plasma im Randbereich mit höherer
Wahrscheinlichkeit durch Rekombination verlassen können. Dadurch bildet sich ein Bereich niedriger Elektronendichte und vergleichsweise hoher
Ionendichte, also eine positive Raumladungszone in der Randschicht zur
Plasmawand aus. Aus der positiven Raumladung resultiert ein elektrisches Feld, das der Bewegung der Elektronen in Richtung der Oberfläche
entgegenwirkt. Schließlich stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein, indem der Ionenstrom den Elektronenstrom gerade kompensiert. Das dabei
ausgebildete elektrostatische Potential fällt in der entstandenen Plasmarandschicht („plasma sheath“) in Richtung der Oberfläche stark ab, sodass
die Plasmabegrenzung gegenüber dem Plasmainneren ein negatives Potential Usheath besitzt. Dadurch werden die einfach geladenen Ionen innerhalb
der einige Debye-Längen10 dicken Randschicht zur begrenzenden Oberfläche hin beschleunigt. Diese beschleunigten Ionen bilden den bereits
im vorherigen Abschnitt angesprochenen gerichteten Ionenfluss, der für
zahlreiche Anwendungen im Bereich der Oberflächenbehandlung von
essentieller Bedeutung ist. Typischerweise beträgt die Potentialdifferenz
zwischen Plasmainnerem und der Begrenzung des Plasmas Usheath 11 einige Vielfache von k BeTe , sodass die Ionenenergie dementsprechend einigen
Vielfachen der Elektronentemperatur k B Te entspricht [LL05, Kap. 1.2, S.
11]. Zur Veranschaulichung ist in Abbildung 2.2 schematisch der Potentialund Dichteverlauf innerhalb der Randschicht dargestellt.
Im Rahmen einer quantitativen Betrachtung, wie sie in [vK11, Kapitel
3.1.] aufgeführt ist, kann ausgehend von der Energieerhaltung (2.17) der
Ionen, die mit der Geschwindigkeit v0 in den Bereich der Randschicht
mit dem elektrostatischen Potential Φ eintreten, unter Verwendung der
Erhaltung der Flussdichte ni ( x )vi ( x ) = n0 v0 ein Ausdruck für den räumlichen Verlauf der Ionendichte ni ( x ) abgeleitet werden. Die räumliche
Dichteverteilung der Elektronen kann über die Boltzmann-Relation (2.1)
abgeschätzt werden, da die Elektronendichte aufgrund ihrer hohen Mobilität in guter Näherung unmittelbar durch den Verlauf des elektrischen
Feldes bestimmt wird.
1
1
Mv2i ( x ) + eΦ( x ) = Mv20
2
2
10 Aus
(2.17)
der Debye-Länge für Elektronen (2.7) ergibt sich die Dicke der Randschicht eines
Niedertemperaturplasmas zu 0.01 − 1 mm.
11 Unter typischen Bedingungen eines Niedertemperaturplasmas ergibt sich eine Potentialdifferenz von Usheath ≈ 5 − 30 V.
19
Kapitel 2. Grundlagen
ne = ni
φ
Beliebige Einheiten
ne , ni , φ
ni
ne
Plasmainneres
Randschicht
x Randschicht
Gefäßwand
x
Abbildung 2.2: Schematische Darstellung des Potential- und Dichteverlaufs
innerhalb der Randschicht eines Niedertemperaturplasmas.
Mit dem räumlichen Verlauf der Dichten ne und ni von Elektronen und
e·(ne −ni )
Ionen lässt sich nun die Poisson-Gleichung 4Φ( x ) =
formulieren,
e0
die im Allgemeinen numerisch gelöst werden kann. In [vK11, Kapitel 3.1.,
S. 63-64] ist eine qualitative Abschätzung der Lösung für den Bereich
direkt an der Oberfläche der Randschicht x ≈ xRandschicht skizziert, die als
zusätzliche Lösungsbedingung der Poisson-Gleichung impliziert, dass die
Geschwindigkeit v0 mit der Ionen der Masse M in die Raumladungszone
eintreten die sogenannte Bohm-Geschwindigkeit vBohm übertreffen muss:
r
k B Te
v0 > vBohm =
(2.18)
M
Damit gibt die Bohm-Geschwindigkeit vBohm gerade die für die Ausbildung der positiven Raumladungszone minimal nötige Geschwindigkeit
der in die Randschicht eintretenden Ionen an.
20
Kapitel 2. Grundlagen
2.5
Transportprozesse
Der Teilchentransport in Niedertemperaturplasmen wird wesentlich durch
Stöße beeinflusst. Essentiell für die Beschreibung von Transportprozessen
ist daher die Betrachtung der Auswirkung von Stößen auf die Teilchenflussdichte Γ. Die folgende allgemeine Diskussion erlaubt die Charakterisierung von Stoßprozessen durch Einführung der mittleren freien Weglänge
λ und der Stoßfrequenz ν. Mit Hilfe dieser Größen kann eine vereinfachte
Berücksichtigung von Stößen in der Bewegungsgleichung (A.17) erfolgen,
wodurch letztendlich unter Verwendung der Kontinuitätsgleichung (A.16)
die Beschreibung von Diffusionsprozessen ermöglicht wird.
2.5.1
Allgemeine Betrachtung von Stößen
Die Streuung eines in x-Richtung fließenden Teilchenstroms Γ = n u aus
Teilchen der Dichte n und der Geschwindigkeit u in einem Medium aus
ortsfesten12 Stoßpartnern der Dichte n g kann gemäß der Betrachtungen
in [LL05, S. 44] durch den folgenden Zusammenhang mit Hilfe des Wirkungsquerschnitts σ beschrieben werden:
dΓ
= −σn g Γ
dx
(2.19)
Die Lösung dieser Differentialgleichung lässt sich unter Verwendung der
mittleren freien Weglänge λ = σn1 g schreiben als:
x
Γ = Γ0 · e − λ
(2.20)
Dabei entspricht die mittlere freie Weglänge λ gerade der Distanz, in
der die Teilchenflussdichte Γ durch elastische oder inelastische Stöße
mit anderen Gaspartikeln auf ihren e-ten Teil abgesunken ist. Aus der
mittleren freien Weglänge lässt sich über die Definition der Stoßzeit τ = λu
die Stoßfrequenz ν bestimmen.
ν=
1
= n g σu
τ
12 Durch
(2.21)
Einführung der Relativgeschwindigkeit vrel = u − u g können alle durchgeführten Betrachtungen direkt auf Stöße mit bewegten Stoßpartnern der Geschwindigkeit
u g erweitert werden. Die Stoßfrequenz ergibt sich dann allgemeiner zu ν = n g σvrel .
21
Kapitel 2. Grundlagen
Mit Hilfe dieser Stoßfrequenz kann die Generationsrate G = nνErzeugung
und die Vernichtungsrate L = nνVernichtung für die Erzeugung beziehungsweise Vernichtung von Teilchen in der makroskopischen Kontinuitätsgleichung (A.16) ausgedrückt werden.
2.5.2
Diffusion im Flüssigkeitsbild
Ausgehend von der Impulserhaltungsgleichung (A.17) kann, wie in [vK06,
S. 78], für verschwindendes Magnetfeld B = 0 unter Annahme eines nichttensoriellen Druckgradienten, also ∇ · Π ≡ ∇ p, die folgende vereinfachte
Bewegungsgleichung angegeben werden:
∂u
mn
+ (u · ∇) u = qnE − ∇ p − mu nνm
(2.22)
∂t
Dabei wurde der Stoßterm f c im Sinne der sogenannten Relaxationsnäherung mit Hilfe der Stoßfrequenz νm ausgedrückt und angenommen,
dass die Stöße an einem ruhenden Hintergrundgas erfolgen [LL05, S. 33
und 133]. Der Stoßterm wird als das Produkt aus Impulsänderung (≈ mu)
und Häufigkeit des Stoßprozesses (≈ nνm ) angesetzt [vK06, S. 78]. Im
stationären Fall lässt sich unter Vernachlässigung des in u nichtlinearen
Terms (u · ∇) u auf der linken Seite der Gleichung der folgende Ausdruck
für die mittlere Geschwindigkeit u angeben:
u=
1
(±enE − ∇ p)
mnνm
(2.23)
Sowohl für Elektronen als auch für Ionen kann in guter Näherung eine
isotherme Prozessführung angenommen werden und daher die Gleichung
isothermer Zustandsänderungen angesetzt werden. Letztere ergibt sich
direkt aus der Adiabatengleichung (A.19) für γ = 113 . Schließlich kann
∇p
unter Verwendung der isothermen Zustandsgleichung p = ∇nn und der
idealen Gasgleichung p = nk B T die mittlere Geschwindigkeit u wie folgt
angegeben werden [LL05, S. 133]:
e
k B T ∇n
E−
·
mνm
mνm n
∇n
= ±µE − D
n
u=±
13 Die
Adiabatengleichung (A.19) lautet:
∇p
p
22
= γ ∇nn .
(2.24)
(2.25)
Kapitel 2. Grundlagen
Dabei wurde im letzten Schritt die Beweglichkeit µ und die Diffusionskonstante D eingeführt.
|q|
mνm
kB T
D=
mνm
µ=
(2.26)
(2.27)
Diese beiden Größen hängen über die sogenannte Einstein-Beziehung
zusammen:
µ=
|q|
·D
kB T
(2.28)
Die Diffusionskonstante wirdqunter Verwendung der mittleren thermi8k B T
schen Geschwindigkeit u =
πm aus (A.14) und der mittleren freien
1
Weglänge λ = uτ = νum = σn
mit der Stoßfrequenz νm = nσu aus (2.21)
häufig in der folgenden äquivalenten Darstellung angegeben:
D=
π 2
λ νm
8
(2.29)
Interpretiert man nun gemäß dem Fickschen-Gesetz − D ∇n als Flussdichte
Γ und setzt diese in die makroskopische Kontinuitätsgleichung (A.16) ein,
so ergibt sich die Diffusionsgleichung:
∂n
∂n
+ ∇ · (− D ∇n) = G − L ⇔
− D 4n = G − L
∂t
∂t
23
(2.30)
Kapitel 2. Grundlagen
2.6
Experimentelle Plasmendiagnostik
Essentieller Bestandteil der Erforschung von Plasmaeigenschaften ist die
Untersuchung der Auswirkung äußerer Plasmaparameter, wie zugeführte
Leistung, Gesamtdruck und Zusammensetzung der Hintergrundgase auf
die inneren Plasmaparameter Elektronendichte und -Temperatur. Aus der
Wechselwirkung dieser äußeren und inneren Plasmaparameter resultieren
wesentliche Eigenschaften, wie die Dichte- und Energieverhältnisse der im
Plasma auftretenden neutralen, geladenen und radikalen Teilchenspezies.
Ziel vieler experimenteller Untersuchungen mit Niedertemperaturplasmen ist es, ein Verständnis für die zugrundeliegenden Mechanismen der
Teilchenerzeugung und deren Abhängigkeit von äußeren Plasmaparametern zu entwickeln. In speziellen Versuchsanordnungen zur Erforschung
von Niedertemperaturplasmen ist zu diesem Zweck die nötige Diagnostik
implementiert.
In dieser Arbeit werden sogenannte induktiv gekoppelte Niedertemperaturplasmen (IC-Plasmen) diskutiert. Die Plasmaerzeugung erfolgt dabei
in einer zylindersymmetrischen Anordnung mit Hilfe induktiv angeregter
azimutaler elektrischer Ströme über die Einkopplung der elektromagnetischen Strahlung einer Radiofrequenzquelle. Abbildung 2.3 zeigt den
experimentellen Aufbau „PUMA“, der zur Untersuchung eines induktiv gekoppelten Niedertemperaturplasmas dient. Die Plasmaerzeugung
erfolgt hierbei über einen Hochfrequenzgenerator mit einer Frequenz
von 13.56 MHz und einer maximalen Leistung von 600 W in einem zylindrischen Plasmagefäß aus Edelstahl. Die Anordnung eignet sich zur
Erzeugung von IC-Niedertemperaturplasmen in einem Druckbereich zwischen 0.1 und 50 Pa. Die Elektronentemperatur Te liegt dabei im Bereich
von 1 bis 10 eV und die Elektronendichte ne kann Werte zwischen 1015 und
1018 m−3 annehmen. Die in der Versuchsanordnung PUMA implementierte Diagnostik mit Langmuir-Sonde, Plasmamonitor (Pfeiffer Plasma
Process Monitor), Massenspektrometer und Optischer Emissionsspektroskopie ermöglicht die Bestimmung wesentlicher Plasmaparameter:
Über Langmuir-Messungen können Elektronenenergieverteilung, Elektronentemperatur und Elektronendichte ermittelt werden. Diese invasive
Messmethode kann allerdings die Plasmaparameter durch Einbringung
der Messanordnung signifikant stören [Wün04, S. 5], wodurch die Genauigkeit der Messergebnisse wesentlich beeinträchtigt wird.
Die Temperatur des Hintergrundgases kann mit Hilfe optischer Emissionsspektroskopie abgeschätzt werden und beträgt typischerweise etwa 600K.
24
Kapitel 2. Grundlagen
Plasmamonitor
Plasmagefäß
aus Edelstahl
Massenspektrometer
Optische
EmissionsSpektroskopie
(OES)
PLASMA
Ø 14 cm
Langmuirsonde
flache
Spule
(Luft)
Quarzglashut
ICP
HFGenerator
13.56 MHz
N2 Ar
Abbildung 2.3: Schematische Darstellung der Versuchsanordnung PUMA
des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP), Garching.
Eine massen- und energieaufgelöste Untersuchung der Teilchenflüsse von
Ionen, die auf die Wand des Plasmagefäßes treffen, kann über den sogenannten Plasmamonitor erfolgen14 . Quadrupol-Massenspektrometrie von
Neutralgasen (Ionization Threshold Mass Spectroscopy (ITMS)) erlaubt
zudem die Bestimmung ausgewählter Neutralteilchendichten.
Die Durchführung dieser Messungen ist jedoch relativ aufwändig und
auf wenige Teilchenspezies beschränkt. Daher ist es erstrebenswert auf
Grundlage eines einfachen Modells die Dichten der in einem Niedertemperaturplasma auftretenden Teilchenspezies durch Simulation quantifizieren
zu können. Im folgenden Kapitel 3 werden die Grundlagen zur Modellierung der Teilchendichten aufgezeigt. In Kapitel 4 wird dann im Rahmen
der Diskussion der Simulationsergebnisse auch ein Vergleich der modellierten Teilchendichten mit bereits vorliegenden experimentellen Ergebnissen
durchgeführt, die aus dem Versuchsaufbau PUMA gewonnen wurden.
14 Der
kombinierte Einsatz von Langmuir-Sonde und Plasmamonitor ermöglicht eine
absolute Bestimmung ausgewählter Ionendichten.
25
Kapitel
3
Modell zur Simulation von
Teilchendichten
Zur Bestimmung der Dichten der verschiedenen im Plasma auftretenden
Teilchenspezies wird ein System von Ratengleichungen verwendet. Diese
besitzen die folgende allgemeine Form einer gewöhnlichen Differentialgleichung erster Ordnung:
dn
= RErzeugung − RVerlust
dt
(3.1)
Die Raten der Teilchenentstehung RErzeugung beziehungsweise Vernichtung RVerlust werden dabei in sogenannten Quellen- bzw. Senkentermen
berücksichtigt, die sich aus dem Produkt der entsprechenden EduktTeilchendichten mit den Ratenkoeffizienten der zugrundeliegenden chemischen Reaktion angeben lassen. Der Ratenkoeffizient für die Erzeugungsreaktion eines Atoms, Moleküls oder Teilchens C, bei der das Produkt
C in einer allgemein angenommenen chemischen Reaktion über einen
Zweiteilchenstoßprozess aus den Edukten A und B gebildet wird,
A + B −→ C + D
(R 3.1)
ergibt sich aus der Mittelung des Produkts aus Wirkungsquerschnitt
C (E
σAB
AB ) und dem Betrag der Relativgeschwindigkeit v AB = | v A − vB |
der beiden Stoßpartner über deren auf Eins normierte Geschwindigkeitsverteilungsfunktionen1 f A (vA ) und f B (vB ):
K CAB
=
C
hσAB
v AB i f A , f B =
Z
v A ,v B
C
dvA dvB σAB
v AB f A (vA ) f B (vB )
(3.2)
C (E
Der experimentell zugängliche Wirkungsquerschnitt σAB
AB ) wird dabei
in Abhängigkeit von der Schwerpunktsenergie E AB =
1 Für
m AB v2AB
2
mit der
Ratenkoeffizienten von chemische Reaktionen bei denen Elektronen beteiligt
sind, wird üblicherweise davon ausgegangen, dass sich der Stoßpartner in Ruhe befindet.
In diesem Fall muss nur über die auf Eins normierte Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen integriert werden. Diese ergibt sich aus der in Gleichung (A.12)
angegebenen Maxwell-Verteilung per Division durch die Dichte n.
26
Kapitel 3. Modellierung
effektiven Masse m AB = mmAA+mmBB angegeben.
Entsprechend analog lässt sich auch der Ratenkoeffizient für eine Vernichtungsreaktion von C angeben,
C + E −→ F + G,
(R 3.2)
bei der das Teilchen C unter Bildung von F und G vernichtet wird.
Wie im folgenden Abschnitt 3.1 näher erläutert wird, soll in dieser Arbeit
auf die Diskussion von Dreiteilchenstößen gänzlich verzichtet werden.
Daher bilden die Reaktionen (R 3.1) und (R 3.2) die beiden Grundtypen
für Erzeugungs- bzw. Vernichtungsreaktionen der Teilchenspezies C im
Plasmainneren.
Allgemein lässt sich damit die Ratengleichung für die Teilchendichte
nC der Spezies C als Bilanzgleichung der Erzeugungs- und Verlustraten
angeben:
dnC
=
dt
C
H
FG
CD
n
+
K
n
−
K
n
K
n
n
−
n
K
∑ AB A B C ∑ EC E ∑ H,Wand H C,Wand C
A,B
H
E,F
(3.3)
+ ZCextern − Aextern
C
Neben den durch die Erzeugungs- und Vernichtungsreaktionen eingehenden Reaktionsraten müssen in den Ratengleichungen (3.3) auch der
externe Zufluss ZCextern und der Abfluss Aextern
berücksichtigt werden. Der
C
Abfluss von Neutralteilchen und Ionen an die Wand des Plasmagefäßes
geht in Form der dritten Summation über die Teilchenspezies H in die
Ratengleichung ein. Die Quantifizierung der Wandverlustprozesse erfolgt
in Abschnitt 3.4. Der externe Zufluss ZCextern beschreibt ausschließlich den
im Experiment fest eingestellten Zufluss eines neutralen Hintergrundgases. Handelt es sich bei der Spezies C um kein neutrales zugeleitetes
Hintergrundgas, so ist demzufolge ZCextern = 0. In den Abfluss Aextern
geht
C
die in der Versuchsanordnung einstellbare Abflussrate aller Teilchenspezies ein. In Abschnitt 3.5 stellt sich heraus, dass für die Simulation der
Teilchendichten eines Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas auf die
Modellierung der externen Zu- und Abflussraten verzichtet werden kann.
Unter dieser Annahme verschwinden externer Zu- und Abfluss.
27
Kapitel 3. Modellierung
Bei der Modellierung des betrachteten Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas besteht nun die Schwierigkeit in der Vielzahl der chemischen
Reaktionen, die zu einem recht umfangreichen System gekoppelter Differentialgleichungen führt, das im Allgemeinen nur numerisch gelöst
werden kann.
Gegen Ende des Kapitels wird auf die numerische Lösung dieses Ratengleichungssystems eingegangen. Im folgenden Abschnitt sind jedoch
zunächst die grundlegenden Annahmen zur Simulation der Teilchendichten zusammengestellt.
3.1
Grundlegende Annahmen des Modells
Zur Modellierung der Teilchendichten wird von einem nicht selbstkonsistenten, nulldimensionalen Modell eines elektropositiven Plasmas ausgegangen. Die Beschränkung der Simulation auf elektropositive Plasmaentladungen impliziert dabei, dass neben den Elektronen ausschließlich
positiv geladene Ionenspezies und Neutralteilchen im Plasma auftreten.
Zudem soll von der bei Niedertemperaturplasmen gut erfüllten Annahme
einfach geladener Ionenspezies ausgegangen werden. Die Bestimmung
von Elektronendichte und -Temperatur, und damit die selbstkonsistente
Beschreibung des betrachteten Niedertemperaturplasmas ist mit dem
verwendeten Modell nicht möglich. Die Einschränkung auf eine nulldimensionale Modellierung stellt die große Vereinfachung räumlich konstant
angenommener mittlerer Teilchendichten dar.
Zur chemischen Beschreibung eines Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas werden der Publikation [KK10] von Takashi Kimura und Hiroki Kasugai 82 chemische Reaktionen, einschließlich ihrer zugehörigen
Ratenkoeffizienten entnommen (siehe Tabellen (B.2), (B.3), sowie (B.4)).
Unberücksichtigt geblieben sind hierbei sogenannte Dreiteilchenstöße. Bei
den im Niedertemperaturplasma vorliegenden geringen Druckverhältnissen im Bereich weniger Pascal sind Dreiteilchenstöße allerdings sehr
unwahrscheinlich und können daher in guter Näherung vernachlässigt
werden. Für eine nähere Diskussion der betrachteten Reaktionstypen sei
auf Abschnitt 3.2 verwiesen.
Im Folgenden sind die wesentlichen Annahmen des auf diesen Reaktionen
basierenden Modells zusammengefasst:
28
Kapitel 3. Modellierung
Räumlich homogene Verteilung der Elektronentemperatur und
Maxwellverteilung. Im Rahmen der Simulation der Teilchendichten
wird von einer homogen verteilten Elektronentemperatur Te innerhalb des Plasmagefäßes ausgegangen. Zudem wird für Elektronen
die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung (A.12) angesetzt. Dies
ist allerdings eine stark vereinfachende Annahme, da auftretende
Ionisations- und Dissoziationsprozesse zur Verringerung der Anzahl
hochenergetischer Elektronen führen und es daher zu Abweichungen
von der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung kommen muss.
Abbildung 3.1 zeigt den Verlauf des natürlichen Logarithmus der
5
4
3
E P F
(E
e
))
2
ln ( fE
1
0
-1
-2
0
5
1 0
1 5
E le k tr o n e n e n e r g ie E
e
2 0
2 5
[e V ]
Abbildung 3.1: Darstellung des natürlichen Logarithmus der experimentell
bestimmten EEPF gegen die Elektronenenergie Ee .
experimentell bestimmten „Electron Energy Propability Function“
(EEPF) f EEPF gegen die Elektronenenergie Ee für ein Stickstoff-ArgonNiedertemperaturplasma mit einem Argon-Partialdruckanteil von
20% bei einem Druck von ptot = 1.5 Pa.
Die EEPF ergibt sich aus der Maxwellschen-Energieverteilungsfunktion
(2.16) („Electron Energy Distribution Function“, EEDF) durch Division durch die Wurzel der Elektronenenergie Ee :
1
2
1
− k EeTe
B
e
f EEPF ( Ee ) = √ f EEDF ( Ee ) = √
π (k B Te )3/2
Ee
29
(3.4)
Kapitel 3. Modellierung
In Abbildung 3.1 sind zwei Bereiche mit unterschiedlicher Steigung
des natürlichen Logarithmus der EEPF zu erkennen. Es ist daher
nicht möglich die Elektronen für den gesamten Energiebereich mit
einer Maxwell-Verteilungsfunktion angemessen zu beschreiben.
Für Elektronenenergien zwischen 0 und 15 eV ergibt sich in etwa
eine mittlere Elektronentemperatur von Te,1 = 4.3 eV. Oberhalb von
Ee = 15 eV nimmt die Elektronentemperatur einen Wert von Te,2 =
2.9 eV an. Zur Simulation von Teilchendichten kann in hinreichend
guter Näherung die Energieverteilung für Elektronentemperaturen
oberhalb von 15 eV angesetzt werden, da in diesem Energiebereich
die wesentlichen plasmachemischen Prozesse (siehe Tabelle 3.1) zur
Erzeugung- und Vernichtung der verschiedenen Teilchenspezies
stattfinden.
Räumlich konstante mittlere Elektronen- und Ionendichte im Plasmainneren. Bei der Modellierung wird im Innenbereich des Plasmas
von der Homogenität und Isotropie des Raumes und damit von
räumlich konstanten mittleren Elektronen- und Ionendichten ausgegangen. Im Sinne dieser nulldimensionalen Beschreibung sind alle
Teilchendichten über das gesamte Volumen gemittelte ortsunabhängige Werte.
Steady-state-Zustand. Wie in zahlreichen Anwendungen der Oberflächenbehandlung mit Niedertemperaturplasmen ist auch unter
experimentellen Bedingungen die Prozesszeit (∼ s) groß gegen die
Zeitskala auf der typischerweise Transportprozesse (∼ ms, µs) stattfinden. Daher wird von einem steady-state Zustand mit zeitunabhängigen Teilchendichten ausgegangen. Insbesondere Elektronendichte
und Elektronentemperatur sind damit nicht nur räumlich, sondern
auch zeitlich konstant. In diesem stationären Zustand sind in der
Versuchsanordnung konstante, genau definierte Zu- und Abflussraten des Hintergrundgases, sowie eine konstante Entladungsleistung realisiert. Ebenfalls mit zeitlich konstanter Rate erfolgen die in
den Abschnitten 3.4.1 und 3.4.2 quantifizierten Wandverluste von
Neutralteilchen und Ionen. Sämtliche Teilchenflüsse an die Wand
des Plasmagefäßes werden daher als zeitunabhängig angenommen.
30
Kapitel 3. Modellierung
Vernachlässigung der Rekombination von Elektronen und Ionen
im Plasmainneren. Da die mittlere freie Weglänge für Rekombinationsprozesse viel größer als die für Ionisationsprozesse ist, kann in
guter Näherung davon ausgegangen werden, dass im Plasmainneren
nahezu keine Rekombination von Elektronen und Ionen stattfindet.
Im Anschluss an die Diskussion der grundlegenden Annahmen des verwendeten Modells werden die experimentell zugänglichen Ausgangsparameter der Modellierung zusammengefasst. Die im Versuchsaufbau PUMA
(siehe Abschnitt 2.6) implementierte Diagnostik mit Langmuir-Sonde,
Plasmamonitor, Quadrupol-Massenspektrometer und optischer Emissionsspektroskopie erlaubt die Bestimmung der folgenden in die Modellierung eingehenden Plasmaparameter:
Elektronendichte und Elektronentemperatur. Die Langmuir-Sonde
ermöglicht neben der Bestimmung der Elektronendichte auch die Vermessung der Elektronenenergieverteilung (siehe Abb. 3.1) und damit
die Berechnung der Elektronentemperatur. Bei einem Druck von 1 Pa
ergibt sich experimentell die typische Elektronentemperatur, bei der
die Quasineutralitätsbedingung erfüllt ist, zu Te,quasineutral ≈ 3.5 − 4 eV.
Das Resultat für Te,quasineutral aus der Modellierung einer Elektronentemperaturvariation ist in Abschnitt 4.1 dargestellt.
Gesamtdruck- und Gasmischung. Durch gezielte Einstellung der
Zu- und Abflussraten werden im Experiment Gesamtdruck2 und
Partialdruckanteile der Hintergrundgase vorgegeben. Daher kann
neben dem Gesamtdruck auch das Mischungsverhältnis der Hintergrundgase als weiterer Ausgangsparameter für die Simulation
verwendet werden.
Dichte des Hintergrundgases. Die Bestimmung der Teilchendichten
des Hintergrundgases erfolgt unter Annahme der idealen Gasgleichung aus den Partialdruckanteilen und der Temperatur des Hintergrundgases TGas . Neben der Dichte von Argon und Stickstoff kann
durch Massenspektroskopie („Ionization Threshold Mass Spektroscopy“) auch die Dichte von atomarem Stickstoff N ermittelt werden.
Die dabei auftretende experimentelle Unsicherheit ist allerdings relativ hoch und liegt im Bereich von ±20 − 30% [SCG00a].
2 Mit
Hilfe eines sogenannten Totaldruckaufnehmers kann der Gesamtdruck experimentell ermittelt werden.
31
Kapitel 3. Modellierung
Temperatur des Hintergrundgases. Die Temperatur von Neutralteilchen und Ionen kann experimentell über optische Emissionsspektroskopie [Fan04] als die Temperatur des Hintergrundgases TGas abgeschätzt werden. In sämtlichen durchgeführten Simulationen dieser
Arbeit wird für die Temperatur des Hintergrundgases TGas = 600K
angesetzt. Unter Annahme einer Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung werden aus der Temperatur des Hintergrundgases die
mittleren
Geschwindigkeiten von Neutralteilchen und Ionen als
q
B TGas
u = 8kπm
abgeschätzt und in der Modellierung der Wandverluste
in Abschnitt 3.4 verwendet.
Abmessungen des zylindrischen Plasmagefäßes. Für die Modellierung der Wandverluste in Abschnitt 3.4 wird zudem davon ausgegangen, dass sich die Plasmaentladung nicht in der gesamten
zylindersymmetrischen Geometrie des Plasmagefäßes vollzieht. Die
tatsächliche Ausdehnung des Niedertemperaturplasmas im Experiment ist häufig deutlich kleiner als die Abmessung des Plasmagefäßes und entspricht in grober Näherung den Dimensionen der
Elektroden mit Radius R = 7 cm und Abstand l = 6 cm. Die Annahme der Ausgangsparameter R und l impliziert somit eine weitere
starke Vereinfachung der Modellierung.
Durch den Übergang zu dem von Michael A. Lieberman 1995 formulierten „Global Model“ [LL05] könnte eine selbstkonsistente Simulation
der Teilchendichten erfolgen: Das Global Model basiert im Wesentlichen
auf zwei grundlegenden Bilanzgleichungen: Der globalen Ladungsträgerbilanz und der globalen Leistungsbilanz. Eine tiefergehende Diskussion
(siehe [LL05, Kap. 11] und [LL95]) ermöglicht die Bestimmung der globalen mittleren Elektronentemperatur Te , sowie der Elektronendichte ne aus
der Ladungsträger- und Leistungsbilanz.
Dies soll allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht durchgeführt werden.
Ziel ist es vielmehr die Aussagekraft der vereinfachten nicht selbstkonsistenten Modellierung zu verifizieren, um so ein qualitatives Verständnis
für die im Niedertemperaturplasma stattfindenden chemischen Prozesse
zu gewinnen.
32
Kapitel 3. Modellierung
3.2
Plasmachemische Reaktionstypen und Stöße
Im Folgenden sind in einem kurzen Überblick die grundlegenden Typen
chemischer Reaktionen zusammengestellt, die für die Modellierung des
Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas betrachtet werden. In Anhang
B sind in den Tabellen B.2, B.3 und B.4 alle für die Simulation der Teilchendichten berücksichtigten chemischen Reaktionen angegeben.
Im Einzelnen treten bei den Reaktionen die Neutralteilchen N, N2 und Ar,
sowie deren angeregte Zustände N(P), N(D), N2 (A), N2 (a0 ), N2 (B), N2 (C),
Arm , Arr und Ar(4p) auf. Bei den angeregten Zuständen wurde die in der
Literatur übliche abkürzende Schreibweise der spektroskopischen Niveaus
verwendet. Diese Nomenklatur ist in Anhang B kurz erläutert.
Die Modellierung des Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas berücksichtigt zudem wesentliche Erzeugungs- und Verlustreaktionen der Ionen
N+ , N+2 und Ar+ .
In Tabelle 3.1 sind die auftretenden Reaktionstypen mit konkreten Beispielen aus den betrachteten chemischen Reaktionen aufgeführt.
Tabelle 3.1: Reaktionstypen
Typ
Elektronenstoß-Anregung
Elektronenstoß-Umbesetzung
Elektronenstoß-Ionisation
Stufenweise Elektronenstoß-Ionisation
Metastable-metastable Ionisation
Metastable-resonant Ionisation
Anregungstransfer
Strahlungsabregung
Stufenweise Strahlungsabregung
Dissoziative Rekombination
Dissoziative Ionisation
Elektronenstoß-Dissoziation
Schwerteilchenstöße angeregter Zustände, die zu Ionisation führen
Schwerteilchenstöße die zu Umbesetzung führen
Ladungsaustausch
Reaktion
−
Beispiel
∗
−
A + e −−→ A + e
Ar + e − −−→ Arm + e −
A1∗ + e− −−→ A2∗ + e−
Arm + e − −−→ Arr + e −
A + e− −−→ A+ + 2 e−
Ar + e − −−→ Ar+ + 2 e −
A∗ + e− −−→ A+ + 2 e−
Arm + e − −−→ Ar+ + 2 e −
Am + Am −−→ A+ + A + e− Arm + Arm −−→ Ar+ + Ar + e −
Am + Ar −−→ A+ + A + e− Arm + Arr −−→ Ar+ + Ar + e −
A∗ + B −−→ A + B∗
N2 ( A) + N(S) −−→ N2 ( X ) + N( P)
A∗ −−→ A + hν
Arr −−→ Ar + hν
A1∗ −−→ A2∗ + hν
Ar(4p) −−→ Arr + hν
A2+ + e− −−→ A + A∗
N2+ + e − −−→ N(S) + N( D )
A2 + e− −−→ A+ + A + 2 e− N2 ( X ) + e − −−→ N+ + N(S) + 2 e −
A2 + e− −−→ A + A∗ + e−
N2 + e− −−→ N + N( D ) + e−
∗
∗
+
−
(A2 )1 + (A2 )2 −−→ A2 + e N2 ( a0 ) + N2 ( A) −−→ N2+ + e −
A∗ + A2 −−→ A + A2
N( D ) + N2 ( X ) −−→ N(S) + N2 ( X )
A+ + B −−→ A + B+
Ar+ + N2 −−→ Ar + N2+
33
Kapitel 3. Modellierung
Stöße zwischen Elektronen und Neutralteilchen sind dabei für das Niedertemperaturplasma aus zweierlei Hinsicht sehr entscheidend: Einerseits
für Prozesse der Teilchenerzeugung beziehungsweise Vernichtung durch
Ionisation und Dissoziation und andererseits für Energieverlustprozesse
wie Anregung und elastische Streuung.
Die inelastischen Prozesse können im Gegensatz zu den elastischen Streuprozessen nicht für beliebige Energien, sondern erst ab charakteristischen
Schwellenenergien auftreten. Ionisationsprozesse besitzen mit Ionisationsenergien der Größenordnung 10 eV im Allgemeinen die höchste Schwellenenergie, während Elektronenstoß-Dissoziationsprozesse, die primär für
die Entstehung von radikalen Teilchenspezies im Plasma verantwortlich
sind, deutlich niedrigere Schwellenenergien aufweisen [CC03, S. 127].
Bei stufenweise ablaufenden Ionisationsprozessen ist die Schwellenenergie
zur Ionisation der bereits angeregten Spezies geringer. Für die Entstehung
der angeregten Teilchenspezies über Elektronenstoß-Anregungsprozesse
sind stark unterschiedliche, von der Atomsorte und der Art der Anregung
abhängige Schwellenenergien nötig [CC03, S. 127].
Neben Stoßprozessen unter Beteiligung von Elektronen werden in der
Modellierung auch zahlreiche Schwerteilchenstöße zwischen angeregten
und sich im Grundzustand befindenden Neutralteilchen berücksichtigt.
Ferner gehen in die Modellierung auch Stöße der Ionen Ar+ und N+2 mit
den Hintergrundgasen N2 und Ar ein (Reaktionen 70 und 71 in Tab. B.3):
Ar+ + N2 −→ Ar + N2+
(R 3.3)
Ar + N2+ −→ Ar+ + N2
(R 3.4)
Diese Ladungsaustauschreaktionen führen in der Randschicht des Plasmas zur Bildung schneller Neutralteilchen und langsamer Ionen, wodurch
die Reaktivität des Niedertemperaturplasmas bei Wechselwirkung mit
der Gefäßwand wesentlich beeinflusst wird [CC03, S. 142]. Um eine vollständigere Beschreibung der Teilchenentstehungsprozesse zu erreichen,
müssten weitere derartige Ladungsaustausch-Reaktionen zwischen Ionen
und beispielsweise den angeregten Neutralteilchen berücksichtigt werden.
Im Rahmen dieses einfachen Modells soll allerdings davon ausgegangen
werden, dass Stöße zwischen Ionen und angeregten Neutralteilchen nur
eine untergeordnete Rolle in der Teilchenbilanz spielen.
34
Kapitel 3. Modellierung
3.3
Abhängigkeit der Ratenkoeffizienten von der
Elektronentemperatur
Um eine schnellere numerische Konvergenz zu erreichen, werden die
C v
gemäß (3.2) als Mittelwert K CAB = hσAB
AB i f A , f B definierten Ratenkoeffizienten für Stoßprozesse, bei denen Elektronen beteiligt sind, üblicherweise
in der sogenannten Arrhenius-Form (3.5) angegeben:
K ( Te ) = K0 Tec · e
−k
E0
B Te
(3.5)
Dabei ist E0 die für den Prozess typische Schwellenenergie, also beispielsweise die Ionisations- oder Anregungsenergie. Der Koeffizient K0 Tec
beschreibt die im Allgemeinen von der Elektronentemperatur abhängige3
gesamte Anzahl an stattfindenden Stößen pro Zeitintervall. Der Exponent
c beträgt dabei typischerweise Werte, die um 0.5 schwanken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stoß auch zu einer chemischen Reaktion führt,
kann durch den Boltzmann-Faktor e−E0 /(k B Te ) abgeschätzt werden. Dieser
approximiert den Anteil an Stößen, die genügend Energie für den Start der
chemischen Reaktion besitzen. Eine Verringerung der Schwellenenergie E0
oder eine Erhöhung der Elektronentemperatur resultiert im Anstieg des
Ratenkoeffizienten.
Exemplarisch ist in Abbildung 3.2 die Elektronentemperaturabhängigkeit
des Ratenkoeffizienten K4 = 2.3 · 10−14 Te0.59 · e−17.44/Te der ElektronenstoßIonisation Ar + e – −→ Ar+ + 2 e – dargestellt. Es ergibt sich der charakteristische Verlauf des Ratenkoeffizienten mit starkem Anstieg um über
12 Größenordnungen im Bereich niedriger Elektronentemperaturen von
0.5 bis 5 eV.
Ein abweichendes Verhalten zeigt der Ratenkoeffizient K28 der dissoziativen Rekombination von Stickstoff N+2 + e – −→ N(S) + N(D) (siehe Tabelle
B.2, Reaktion 28): K28 ∼ √1T .
e
Qualitativ kann dieser Abfall des Ratenkoeffizienten mit zunehmender
Elektronentemperatur dadurch verstanden werden, dass bei der dissoziativen Rekombination ein Anstieg der Elektronentemperatur eine Verkürzung
der Wechselwirkungszeit bewirkt und daraus eine Verminderung der
Reaktionsrate resultiert.
3 Viele
der in die Arrhenius-Form (3.5) gefitteten Ratenkoeffizienten besitzen temperaturunabhängige Koeffizienten. Dies ist entweder auf eine unzureichende Datenlage oder
eine starke Vereinfachung bei der Bestimmung der Ratenkoeffizienten zurückzuführen.
35
Kapitel 3. Modellierung
1 E -1 3
1 E -1 4
1 E -1 5
1 E -1 6
-3
s
-1
]
1 E -1 7
1 E -1 8
R a te n k o e ffiz ie n t K
4
[m
R
1 E -1 9
a
t e
n
k
o
e
f f i z i e
n
t
d
e
r
E
l e
k
t r o
n
e
n
s t o
ß
- I o
n
i s a
t i o
n
v o
n
A
r g
o
n
+
u
n
t e
r
B
i l d
u
n
g
d
e
s
A
r
-
I o
n
s
1 E -2 0
1 E -2 1
1 E -2 2
1 E -2 3
1 E -2 4
1 E -2 5
1 E -2 6
1 E -2 7
0
1
2
3
4
5
E
l e
k t r o
6
n
7
e
n
t e
8
m
p
e
9
r a
t u
1 0
r
T
[ e
1 1
V
1 2
1 3
1 4
1 5
]
e
Abbildung 3.2: Elektronentemperaturabhängigkeit des Ratenkoeffizienten
der Elektronenstoß-Ionisation Ar + e – −→ Ar+ + 2 e – .
Für Stöße zwischen Neutralteilchen kann die Energieabhängigkeit des
Wirkungsquerschnitts in der Berechnung des Ratenkoeffizienten vernachlässigt und daher von folgender Näherung ausgegangen werden:
K = hσ v AB i f A , f B ≈ σu AB
(3.6)
In dieser Näherung ergeben sich somit für Stöße zwischen Neutralteilchen
von der Elektronentemperatur unabhängige Ratenkoeffizienten.
Bei Stößen zwischen Ionen und Neutralteilchen kommt es gemäß [LL05,
Kap. 3.2, S. 55] zur Ausbildung von induzierten Dipolen mit einem Streupotential U (r ) ∼ 1/r4 . In diesem Fall ist der Wirkungsquerschnitt σ ∼ 1/u
und damit der Ratenkoeffizient ebenfalls unabhängig von der Elektronentemperatur.
36
Kapitel 3. Modellierung
3.4
Modellierung der Wandverluste
Der wesentliche Beitrag der Verlustreaktionen in der betrachteten StickstoffArgon-Niedertemperaturplasmaentladung rührt von den Teilchenflüssen
an die Wand des Plasmagefäßes her. In diesem Abschnitt soll daher die
Quantifizierung der Wandverluste von Neutralteilchen und Ionen in der
zylindrischen Entladungsgeometrie erfolgen.
3.4.1
Wandverluste von Neutralteilchen
Zunächst wird der Abfluss der Neutralteilchen Arm , N2 (A), N2 (a0 ), N(S),
N(D) und N(P) an die Wand des Plasmagefäßes für die folgenden 8
Wandverlustreaktionen4 beschrieben.
Arm −→ Ar
(R 3.5)
N2 ( A) −→ N2 ( X )
(R 3.6)
N2 ( a0 ) −→ N2 ( X )
(R 3.7)
N(S) −→ 12 N2 ( X )
(R 3.8)
N( D ) −→ 12 N2 ( X )
(R 3.9)
N( D ) −→ N(S)
(R 3.10)
N( P) −→ 21 N2 ( X )
(R 3.11)
N( P) −→ N(S)
(R 3.12)
In der weiteren Diskussion entspricht die Teilchendichte n der Dichte der
jeweiligen an die Wand abfließenden Neutralteilchenspezies. Gemäß der
Herangehensweise in [LL05, Kap. 5.2]5 kann ausgehend von der Diffusionsgleichung (2.30) für den stationären Zustand unter Annahme einer
vernachlässigbaren Verlustrate L ≈ 0 mit der in Abschnitt 2.5.1 bereits
4 Innerhalb
der gesamten Arbeit werden Wandverlustreaktionen, bei denen eine auf
die Wand auftreffende Teilchenspezies A umgewandelt wird und als Spezies B von der
Wand desorbiert, in der Notation A −−→ B dargestellt. Alle berücksichtigten Wandverlustreaktionen sind in Tabelle B.4 dargestellt und werden stets mit einem führenden “W”
gekennzeichnet.
5 Alternativ könnte auch direkt über die Kontinuitätsgleichung für den stationären
Zustand (2.13) n K = ∇ · Γ unter Verwendung des Fickschen Gesetzes Γ = − D ∇n der
im Folgenden für die Bestimmung des Ratenkoeffizienten benötigte Zusammenhang
n K = − D 4n abgeleitet werden.
37
Kapitel 3. Modellierung
eingeführten Näherung für die Generationsrate G ≈ nν die Diffusionsgleichung in die Helmholtz-Gleichung
4n +
G
ν
= 0 ⇔ 4n + n = 0
D
D
(3.7)
überführt werden.
Für die zylindersymmetrische Geometrie der Plasmaentladung kann die
Helmholtz-Gleichung in den natürlichen sphärischen Koordinaten dargestellt werden:
d2 n 1 dn d2 n
ν
+
+
+
n=0
r dr
D
dr2
dz2
(3.8)
2
Bei verschwindender axialer Variation der Teilchendichte ddzn2 = 0 ergibt
sich daraus die Besselsche-Differentialgleichung mit den bekannten Bessel-Funktionen als Lösung. Im Falle axialer Variation der Teilchendichte
d2 n
6= 0 kann über einen Produktansatz die Separation der Differentialdz2
gleichung (3.8) erreicht werden.
In einer ersten stark vereinfachten Betrachtungsweise soll davon ausgegangen werden, dass die Neutralteilchen mit der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β = 1 an der perfekt absorbierenden Wand des Plasmagefäßes verloren gehen und dauerhaft aus dem Plasma entfernt werden.
Zur Lösung der Differentialgleichung kann daher als Randbedingung das
Verschwinden der Teilchendichte am Rand des Plasmas, also
n|r= R = n|z=±l/2 = 0
(3.9)
gefordert werden. Es ergibt sich für die Teilchendichte die folgende Lösung
[LL05, S. 143]:
χ · r
πz 01
n(r, z) = n0 j0
· cos
(3.10)
R
l
Dabei bezeichnet χ01 = 2.405 die erste Nullstelle der Bessel-Funktion
ersten Typs, nullter Ordnung j0 und n0 die Elektronendichte im Zentrum
der Entladungsgeometrie mit Radius R und Höhe l. Unter Annahme
einer ortsunabhängigen Diffusionskonstante D ergibt sich daraus gemäß
Γ = − D ∂n
∂z die Teilchenflussdichte.
Mit diesem Ansatz lässt sich aus der Differentialgleichung (3.8) die für
den Diffusionsprozess charakteristische Längenskala Λ einführen [LL05,
S. 143]:
χ201 π 2
1
ν
=
=
+ 2
D
Λ2
R2
l
38
(3.11)
Kapitel 3. Modellierung
Daraus ergibt sich die Entstehungsrate G = nν durch Elimination der
Reaktionsfrequenz ν = ΛD2 :
G = nν = n ·
D
≡ n · KD
Λ2
(3.12)
Schließlich kann der Wandverlust von Neutralteilchen an eine perfekt
absorbierenden Wand durch den Ratenkoeffizient K D quantifiziert werden.
KD =
D
Λ2
(3.13)
Für eine präzise Beschreibung der Diffusion einer Neutralteilchenspezies
A durch die Hintergrundgase H1 , H2 , ..., muss die Diffusionskonstante D
für jedes dieser Hintergrundgase berücksichtigt werden. Die gesamten
Diffusionskonstanten D A der oben aufgeführten Wandverlustprozesse
werden daher direkt aus den entsprechenden Wirkungsquerschnitten σA,k
für die Wechselwirkung der Spezies A mit den Hintergrundgasen Hk
(k = 1, 2, ...) berechnet: Aus D = π8 λ2 ν (Gleichung (2.29)) ergibt sich unter
Verwendung der mittleren freien Weglänge λ = (σn)−1 , der Stoßfrequenz
ν = nσv
q rel (siehe Abschnitt 2.5) und der mittleren Geschwindigkeit
B TGas
u = 8kπm
die gesamte Diffusionskonstante D A für den Wandverlust
der Spezies A zu:
r
π
1
π
1
8k B TGas
p
DA =
· u A,k = ∑
(3.14)
·
∑
8 k σA,k nk
8 k σA,k nk m̃ A,k
π
Dabei wurde im letzten Schritt die reduzierte Masse m̃ A,k = mmAA+mmk verk
q
8k B TGas
wendet, um die mittlere Relativgeschwindigkeit u A,k =
π m̃ A,k angeben
zu können. Für das untersuchte Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma
wird die Summe über die Hintergrundgase Ar und N2 ausgeführt.
Die entsprechenden Wirkungsquerschnitte sind den Publikationen [Phe90]
und [LL05, S. 312] entnommen und in Tabelle B.4 zusammengestellt. Für
Wandverlustprozesse angeregter Neutralteilchen werden dabei die Wirkungsquerschnitte der im Grundzustand befindlichen Teilchenspezies
verwendet.
39
Kapitel 3. Modellierung
Bei der obigen Quantifizierung des Wandverlusts von Neutralteilchen
wurde eine perfekt absorbierende Wand vorausgesetzt. Das Problem in
der dabei verwendeten Randbedingung (3.9) verschwindender Teilchendichten am Rand des Plasmagefäßes zeigt sich bei der Betrachtung der
auf die Wand auftreffenden Teilchenflussdichte Γ = nu. Die Lösung
(3.10)
∂n 6= 0,
impliziert aufgrund des Zusammenhangs Γ|z=± l = − D ∂z l
2
z=± 2
dass nur endlich viele Teilchen an die Wand fließen können und daher
die Teilchengeschwindigkeit am Gefäßrand divergieren müsste. Dieses
unphysikalische Verhalten kann nur durch eine tiefergehende Betrachtung
des Wandverlusts überwunden werden:
Ausgangspunkt für eine präzisere Quantifizierung der Wandverlustreaktionen bildet erneut ein zylindersymmetrisches Entladungsmodell. Im
Unterschied zu obiger Betrachtung wird allerdings nicht mehr eine perfekt
absorbierende Wand vorausgesetzt. Stattdessen wird angenommen, dass
auf die Wand auftreffende Neutralteilchen mit einer endlichen Wahrscheinlichkeit r von dieser reflektiert werden oder durch Wechselwirkung mit
der Wand mit einer Wahrscheinlichkeit γ in andere Spezies umgewandelt werden und anschließend wieder von der Wand desorbieren. Wie in
Abbildung 3.3 dargestellt, können im allgemeinsten Fall auf die Wand
auftreffende Teilchen mit der als Haftkoeffizient bezeichneten Wahrscheinlichkeit s durch Chemisorption auch dauerhaft an der Wand gebunden
bleiben. Die gesamte vom Material des Plasmagefäßes abhängige Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β = 1 − r ergibt sich aus der Summe
β = s + γ und muss der Bedingung 0 ≤ β ≤ 1 genügen.
Abbildung 3.3: Schematische Darstellung der in die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β = 1 − r = s + γ eingehenden Prozesse Chemisorption
(s), Reflektion (r) und Umwandlung mit anschließender Desorption (γ).
40
Kapitel 3. Modellierung
Für die Modellierung der zu Beginn des Kapitels aufgeführten 8 Wandverlustreaktionen, bei denen stets ein auf die Wand auftreffendes Teilchen
umgewandelt wird und die Wand als andere Teilchenspezies wieder verlässt, kann von einem Haftkoeffizienten s = 0 ausgegangen werden.
Somit entspricht die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit im Rahmen der
Modellierung des nicht schichtbildenden Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas gerade der Wahrscheinlichkeit für die Umwandlung von
Teilchen an der Oberfläche mit anschließender Desorption: β = 1 − r = γ.
Die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeiten (siehe Tabelle B.4) der zu
Beginn des Kapitels aufgeführten Wandverlustreaktionen stammen aus
experimentellen Untersuchungen und wurden den Publikationen [CS80],
[SCG00b] und [TG09] entnommen.
P. J. Chantry berücksichtigte die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β
in [Cha87] durch die Forderung einer modifizierten Randbedingung:
β
dn n|
· u (3.15)
Γ A |z= l = − D ∇n|Wand = − D
=
2
dx z= l
2 (2 − β) Oberfläche
2
Die Diskussion dieser Randbedingung für die vorliegende zylindersymmetrische Geometrie offenbart sich als relativ aufwändig und es soll an dieser
Stelle nur darauf verwiesen werden, dass P. J. Chantry im Jahre 1987
in [Cha87] nach erfolgreicher Diskussion den folgenden für allgemeine
Entladungsgeometrien gültigen empirischen Ausdruck für die gesamte
charakteristische Länge des Wandverlusts von Neutralteilchen Λtot,Wand
gefunden hat:
Λtot,Wand = Λ2 + λ · l0
(3.16)
Dabei ist l0 durch das Verhältnis des Volumens der Entladungsgeometrie V zur Oberfläche S gegeben: l0 = VS . In λ geht die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β, die Diffusionskonstante D, sowie die mittlere
Geschwindigkeit u wie folgt ein:
λ = D·
2 (2 − β ) 1
·
β
u
(3.17)
Im Rahmen dieser Arbeit soll der von Chantry gefundene Ratenkoeffizient nur angegeben und für eine präzise Diskussion direkt auf die
Publikation [Cha87] verwiesen werden:
1
Ktot,Wand
=
1
1
Λ2 VZylinder 2 (2 − β) 1
+
=
+
·
·
K D KW
D
SZylinder
β
u
41
(3.18)
Kapitel 3. Modellierung
3.4.2
Wandverluste von Ionen
In diesem Abschnitt wird der Wandverlust der im Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma auftretenden Ionen Ar+ , N+ und N+2 über die folgenden
drei Reaktionen betrachtet:
Ar+ −→ Ar
(R 3.13)
N+ −→ N
(R 3.14)
N2+ −→ N2
(R 3.15)
Die Beschreibung der Wandverlustprozesse von Ionen unterscheidet sich
aufgrund des vorhandenen elektrischen Feldes in der Plasmarandschicht
grundsätzlich von den Betrachtungen des vorhergehenden Abschnitts für
Neutralteilchen. Den Ausgangspunkt für die Diskussion des Wandverlusts
der Ionen bildet die makroskopische Kontinuitätsgleichung (A.16).
Diese lautet für den modellierten stationären Zustand:
ni,bulk · Ki,Wand = ∇ · (ni · ui )
(3.19)
Dabei bezeichnet ni,bulk die Ionendichte im Plasmainneren und Ki,Wand den
für die Quantifizierung des Wandverlusts von Ionen verwendeten Ratenkoeffizienten. Integration über das Zylindervolumen unter Verwendung
des Integralsatz von Gauss liefert
VZylinder ni,bulk Ki,Wand = (ni · ui )∂V · SZylinder .
(3.20)
Um das Produkt aus Ionendichte ni und mittlerer Geschwindigkeit ui am
Rand ∂V des Zylindervolumens auszuwerten, wird die rechte Seite der
Gleichung (3.20), durch Einführung der effektiven Oberfläche
Seff =
nDeckfläche
n
· ADeckfläche + Mantelfläche · AMantelfläche
ni,bulk
ni,bulk
(3.21)
und unter Verwendung der Bohm-Geschwindigkeit vBohm (siehe 2.18) für
die Teilchengeschwindigkeit an der Zylinderoberfläche, wie folgt umgeformt:
(ni · ui )∂V · SZylinder = ni,bulk · vBohm · Seff
(3.22)
Der Ratenkoeffizient für den Wandverlust von Ionen ergibt sich damit zu
Ki,Wand = (hl · ADeckfläche + hr · AMantelfläche ) ·
42
vBohm
.
VZylinder
(3.23)
Kapitel 3. Modellierung
Dabei wurden zur Vereinfachung der Notation die Verhältnisse der Teilchendichten durch die beiden Größen hl und hr ersetzt:
nDeckfläche
ni,bulk
nMantelfläche
hr : =
ni,bulk
hl :=
(3.24)
(3.25)
Für die Bestimmung dieser Verhältnisse in der vorliegenden Zylindergeometrie soll auf die 1986 von V. A. Godyak ermittelten in [God86]
veröffentlichten Zusammenhänge für hl und hr verwiesen werden6 :
−1/2
l
hl = 0.86 3 +
2λtot
−1/2
R
hr = 0.8 4 +
2λtot
(3.26)
(3.27)
In hl und hr geht neben den Zylinderabmessungen R und l die mittlere
freie Weglänge (siehe Abschnitt 2.5.1) ein. Dabei ist allerdings zu beachten,
dass diese durch unterschiedliche Streuprozesse bestimmt ist. Die totale
mittlere freie Weglänge λtot,i für den Wandverlust der Ionenspezies i ergibt
sich gemäß der Matthiessen-Regel zu
1
λtot,i
= ∑ σi,k nk ≈
k
ptot
k B TGas
∑
σi,k χk .
(3.28)
k
Dabei läuft die Summe über k wie bei der Bestimmung der Diffusionskonstante für den Wandverlust von Neutralteilchen über die Hintergrundgase
Ar und N2 . Im letzten Schritt wurde die Teilchendichte nk unter Verp
wendung der idealen Gasgleichung durch nk = k Tk abgeschätzt und
B Gas
verwendet, dass der Partialdruck des Hintergrundgases Hk durch den
Anteil χk des Gesamtdrucks ptot gegeben ist: pk = χk ptot .
Die entsprechenden Wirkungsquerschnitte für die Modellierung des Wandverlusts von Ionen entstammen den Publikationen [Phe90] und [KK10]
und sind in Tabelle B.4 dargestellt.
6 Die
Bestimmung der Dichteverhältnisse hl und hr ist im Allgemeinen schwierig, da
die Ausdehnung des Plasmas nicht beliebig genau vorherbestimmt werden kann.
43
Kapitel 3. Modellierung
3.5
Vernachlässigung von Zu- und Abfluss
Experimentell ist im Versuchsaufbau PUMA (siehe Abschnitt 2.6) durch
den Einsatz sogenannter flow-controler eine konstante Zuflussrate der
Hintergrundgase realisiert. Ein kontinuierlicher Abfluss wird über eine
Turbomolekularpumpe erzielt, deren Saugleistung mit Hilfe eines vorgeschaltenen Butterfly-Ventils reguliert werden kann. Daraus ergibt sich
über das Volumen der Entladungsgeometrie der Gesamtdruck ptot , sowie
die mittlere Aufenthaltszeit der verschiedenen Teilchen im Plasmagefäß.
Die Verweildauer einer schichtbildenden Teilchenspezies im Plasma beeinflusst das chemische Verhalten des Systems wesentlich. Daher muss
für die Simulation der Teilchendichten eines reaktiven schichtbildenden
Plasmas7 , in dem durch Deposition ein fortwährendes Schichtwachstum
an der Wand des Plasmagefäßes auftritt, eine Modellierung von Zu- und
Abflussraten erfolgen.
Die gezielte Modellierung von Zu- und Abflussraten ist auch in nichtschichtbildenden Plasmen mit hohem Dissoziationsgrad nötig, da sonst
durch den Effekt des masseabhängigen Pumpvermögens8 der verwendeten
Turbopumpen die Teilchenzahlerhaltung innerhalb des Plasmavolumens
nicht richtig beschrieben werden kann.
Bei dem betrachteten Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma handelt
es sich um ein nicht-schichtbildendes Plasma mit geringen Dissoziationsgraden im Bereich weniger Prozent. Daher kann die Modellierung der
Teilchendichten in guter Näherung unter Vernachlässigung der von außen
definierten Zu- und Abflussraten erfolgen. Bei der Simulation der Teilchendichten wird also von der Annahme eines abgeschlossenen Systems
ausgegangen.
7 Ein
Beispiel für reaktive schichtbildende Plasmen ist das Methanplasma.
der in den experimentellen Versuchsaufbauten verwendeten Turbopumpen
zur Vakuumerzeugung herrscht in der sogenannte Molekularströmung eine voneinander unabhängige Bewegung der Teilchen, wobei Teilchen mit hoher Masse langsamer
abgepumpt werden als solche mit geringer Masse. Für nähere Informationen zur Funktionsweise der Turbopumpen sei auf [WAWJ06] verwiesen.
8 Innerhalb
44
Kapitel 3. Modellierung
3.6
Numerische Lösung des Ratengleichungssystems
Wie bereits zu Beginn des Kapitels angesprochen, muss zur Modellierung der Teilchendichten im Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma
ein System gekoppelter Ratendifferentialgleichungen erster Ordnung unter
entsprechenden Randbedingungen gelöst werden. Diese sind vorgegebene
Teilchendichten der Hintergrundgase und verschwindende Teilchendichten
sämtlicher anderer Spezies zum Zeitpunkt t = 0. Aufgrund der hohen
Anzahl von 82 betrachteten Reaktionsgleichungen und der daraus resultierenden stark gekoppelten Ratengleichungen ist die Lösung des Ratengleichungssystems im Allgemeinen nur numerisch möglich.
Die Ratengleichung für die Bestimmung der Dichte der rein über Zweiteilchenstöße und Wechselwirkung mit der Gefäßwand erzeugten beziehungsweise vernichteten Teilchenspezies C wurde bereits zu Beginn dieses
Kapitels formuliert und soll hier der Übersicht halber erneut dargestellt
werden:
dnC
FG
C
H
= ∑ K CD
n
n
−
n
K
n
+
K
n
−
K
n
C ∑ EC E
∑ H,Wand H C,Wand C
AB A B
dt
E,F
H
A,B
(3.29)
+
ZCextern
−
Aextern
C
Sei n der Spaltenvektor der Teilchendichten aller modellierten Spezies,
so lässt sich das Ratengleichungssystem übersichtlicher in der folgenden
Form darstellen:
dn
= n T An + Bn + C
dt
(3.30)
Die beiden Matrizen A und B der quadratischen und linearen Formen resultieren aus den beiden in der Ratengleichung 3.29 auftretenden Summen
über alle Teilchenspezies A und B, beziehungsweise E und F. In die Matrix B geht zudem der lineare Anteil der Wandverlustreaktionen ein. Der
durch die Matrix C beschriebene konstante Anteil des Ratengleichungssystems würde die konstanten Zu- und Abflussraten berücksichtigen. Wie
im vorherigen Abschnitt 3.5 diskutiert, kann im Falle des Stickstoff-Argon
Niedertemperaturplasmas die Modellierung von Zu- und Abflussraten
allerdings vernachlässigt werden.
In das Differentialgleichungssystem gehen Ratenkoeffizienten unterschiedlicher Größenordnungen ein. Daraus resultieren bei der numerischen
Lösung unterschiedlich schnell variierende Lösungsanteile.
45
Kapitel 3. Modellierung
Besitzt ein Differentialgleichungssystem simultan Lösungsanteile, die nur
langsam veränderlich sind und solche, die sehr schnell variieren, so bezeichnet man es als steifes Differentialgleichungssystem9 . Viele numerische Verfahren passen bei der Lösung solcher steifen Differentialgleichungssysteme aus Stabilitätsgründen die Schrittweite der Iteration an
die schnell verschwindenden Lösungsanteile an und benötigen somit eine
hohe Anzahl an Iterationsschritten.
Daher wird zur Lösung des obigen Ratengleichungssystems der im Solver
„Kpp“10 implementierte Rosenbrock-Algorithmus verwendet, der auf einem semi-impliziten Runge-Kutta-Verfahren (siehe [PTVF07, Kap. 17.5.1]
und [SS05, Kap. 4.1.12]) mit variabler Anpassung der Schrittweite basiert.
Zur Lösung des Ratengleichungssytems müssen zunächst die chemischen
Reaktionen, deren Ratenkoeffizienten, sowie die Anfangsbedingungen eingelesen werden. Im Vorhinein erfolgt daher eine manuelle Berechnung der
Ratenkoeffizienten. Die Bereitstellung dieser Ausgangsparameter, sowie
die Wahl der für die Simulation nötigen Optionen gestaltet sich relativ
umständlich. Beispielsweise für die Simulation der Elektronentemperaturvariation (siehe Abschnitt 4.1) müssen 25 Quelldateien generiert und
dem Solver zur Lösung bereitgestellt werden. Der Vorteil in der Verwendung des Solvers Kpp besteht darin, dass die Ratengleichungen der Form
(3.29) automatisch aus den chemischen Reaktionen generiert und nicht
einzeln aufgestellt und eingegeben werden müssen. Im ersten Schritt der
Simulation erzeugt der Solver den zur zeitaufgelösten Bestimmung der
Teilchendichten n T (t) nötigen Quellcode in der Programmiersprache C,
der im Anschluss separat ausgeführt werden muss. Für den in dieser
Arbeit betrachteten stationären Zustand wird aus den von Kpp gelieferten
zeitaufgelösten Teilchendichten der bei großen Zeiten erreichte Sättigungswert ausgelesen.
9 Der
Begriff des steifen Differentialgleichungssystems geht auf Curtiss und Hirschfelder zurück und ist bis heute nicht einheitlich definiert. Der Wortlaut der ersten
Formulierung von 1952 besagt [Sim07]: „Stiff equations are equations where certain
implicit methods perform better, usually tremendously better, than explicit ones.“ Eine
modernere Formulierung lautet [Sim07]: „Ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen ist steif, wenn explizite Verfahren aus Stabilitätsgründen extrem kleine Schrittweiten
verwenden, obwohl sich die Lösung kaum ändert; implizite Verfahren dagegen große
Schrittweiten einsetzen können.“
10 Die Abkürzung Kpp steht für Kinetic PreProcessor. Für nähere Informationen
über das Projekt „Kpp“ des Department of Computer Science Virginia Polytechnic Institute and State University Blacksburg, Virginia, USA sei auf die Webseite
http://people.cs.vt.edu/ asandu/Software/Kpp verwiesen.
46
Kapitel
4
Simulationsergebnisse
In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse zur Simulation der Teilchendichten unter verschiedene Plasmabedingungen diskutiert. Die Modellierung liefert die Teilchendichten im steady-state Zustand für die folgenden
15 Teilchenspezies: N2 , N2 (A), N2 (B), N2 (C), N2 (a0 ), N+2 , N, N(P), N(D),
N+ , Ar, Ar(4p), Arr , Arm , Ar+ .
Eine Erweiterung des Modells durch zusätzliche Berücksichtigung der in
Tabelle B.5 aufgeführten Reaktionen, erlaubt zudem einen Versuch zur
Abschätzung der Dichten der N+3 - und N+4 -Ionen.
Zunächst wird durch Simulation einer Elektronentemperaturvariation die
typische Elektronentemperatur Te,quasineutral abgeschätzt, bei der die Quasineutralitätsbedingung erfüllt ist. Auf Grundlage der Simulationsergebnisse
der Elektronentemperaturvariation kann im nächsten Schritt durch Berechnung sämtlicher Reaktionsraten untersucht werden, welche Reaktionen
im Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma besonders bedeutsam sind.
Damit lassen sich gezielt die wichtigsten Erzeugungs- beziehungsweise
Verlustreaktionen für jede Teilchenspezies ermitteln und so die plasmachemische Zusammensetzung des Niedertemperaturplasmas verstehen.
Im Anschluss wird die Modellierung einer Variation des Argon-Partialdruckanteils anhand ausgewählter Ionen- und Neutralteilchenspezies mit den
von Kimura in [KK10] publizierten Simulationsergebnissen verglichen,
um eventuelle Fehler in der Simulation ausschließen zu können.
Auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse wird anschließend das zur
Simulation betrachtete Ensemble aus 82 chemischen Reaktionen auf 38
bedeutsame Reaktionen reduziert und die Auswirkung dieser Vereinfachung auf die Güte des Simulationsergebnisses diskutiert.
Schließlich wird zur Einschätzung der Aussagekraft der Simulation ein
gezielter Vergleich mit experimentellen Ergebnissen durchgeführt. Dieser
Vergleich ermöglicht auch die Beurteilung der für die Simulation verwendeten Ausgangsparameter. Mit Hilfe einer weiteren Simulation wird
abschließend die Auswirkung einer Variation der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit auf das Simulationsergebnis untersucht.
47
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
4.1
Elektronentemperaturvariation
Zur groben Abschätzung der typischen Elektronentemperatur Te,quasineutral
aus dem nicht-selbstkonsistenten Modell wird eine Variation der Elektronentemperatur im Bereich von 1 bis 8 eV simuliert. Die typische Elektronentemperatur entspricht gerade der Temperatur, bei der für eine vorgegebene
Elektronendichte die Quasineutralitätsbedingung erfüllt ist, also die Summe der Ionendichten der Elektronendichte gleicht.
Die Simulation der Elektronentemperaturvariation erfolgt für einen Gesamtdruck von ptot = 1 Pa und einen Stickstoff-Partialdruckanteil1 von
90%, bei einer Temperatur des Hintergrundgases von TGas = 600K. Ferner
wird für die Modellierung von einer Elektronendichte ne = 1.0 · 1016 m−3
ausgegangen. Die Simulationsergebnisse der untersuchten Teilchenspezies
sind in den Abbildungen 4.1 und 4.3 in einer logarithmischen Auftragung der Teilchendichten gegen die Elektronentemperatur dargestellt. Zur
besseren Übersicht zeigt Abbildung 4.1 ausschließlich die modellierten
Teilchendichten der Ionen und die konstant angenommene Elektronendichte ne . Aus der Forderung der Quasineutralitätsbedingung ne = ∑i ni
kann die typische Elektronentemperatur für den Gasdruck von ptot = 1 Pa
zu etwa Te,quasineutral = 4.6 eV abgeschätzt werden.
Neben dieser Abschätzung lässt sich auch der charakteristische Verlauf
der Teilchendichten qualitativ verstehen: Bei niedrigen Elektronentemperaturen im Bereich zwischen einem und zwei Elektronenvolt ergibt die
Simulation vergleichsweise geringe Teilchendichten, die in diesem Bereich
der Entstehungsphase mit der Elektronentemperatur stark ansteigen. Die
verminderten Teilchendichten resultieren aus niedrigen Ratenkoeffizienten
3
der Größenordnung 1 · 10−22 ms . Der charakteristische Verlauf der Teilchendichten, mit starkem Anstieg bei niedrigen und nur sehr schwacher
Zunahme bei höheren Elektronentemperaturen, spiegelt die bereits in
Abschnitt 3.3 diskutierte Elektronentemperaturabhängigkeit der Ratenkoeffizienten wieder. Entsprechend dem in Abbildung 3.2 dargestellten
Verlauf des Ratenkoeffizienten einer Elektronenstoß-Ionisation bei Änderung der Elektronentemperatur steigen zunächst auch die Teilchendichten
stark an. Bei höheren Elektronentemperaturen im Bereich von 3 − 4 eV
nimmt dieser Anstieg der Teilchendichten deutlich ab.
1 Über
die ideale Gasgleichung kann aus den Partialdruckanteilen direkt auf die
Teilchendichten der Hintergrundgase geschlossen werden. Für den hier betrachteten
Fall mit p N2 /ptot = 0.9 und TGas = 600 ergibt sich die Teilchendichte von Stickstoff zu
n N2 = 1.09 · 1020 m−3 und die Teilchendichte von Argon zu n Ar = 1.21 · 1019 m−3 .
48
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
E
l e
k t r o
n
e
n
t e
m
p
e
r a
t u
r v a
r i a
t i o
n
-
I o
n
e
n
1 E 1 8
+
N
2
1 E 1 7
+
N
+
1 E 1 6
A
r
e
1 E 1 5
T e ilc h e n d ic h te n
T
[1 /m
3
]
1 E 1 4
1 E 1 3
1 E 1 2
Q
u a
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u t r a
lit ä
t
b e
i
T
=
4
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e
V
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1 E 1 1
1 E 1 0
1 E 9
A u s g a n g s p a ra m e te r
3
n
=
1
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=
1
. 0
E
=
1
. 2
=
6
0
=
1
P
=
0
. 9
1
6
E
2
0
1
/ m
1
/ m
E
1
9
1
/ m
e
1 E 8
3
n
N
2
A
r
9
3
n
1 E 7
T
G
K
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p
1 0 0 0 0 0 0
1
0
a
t o t
p
N
P
a
2
1 0 0 0 0 0
1
2
3
E
4
l e
k t r o
n
e
n
5
t e
m
p
e
r a
6
t u
r
T
[ e
V
7
8
]
e
Abbildung 4.1: Simulationsergebnis der Elektronentemperaturvariation
für Ionen.
Zur näheren Diskussion der modellierten Teilchendichten ist ein qualitatives Verständnis der im vorliegenden Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma bevorzugt stattfindenden chemischen Reaktionen nötig: Dazu soll
an dieser Stelle ein Vorgriff auf die in Abschnitt 4.2 für jede auftretende
Spezies über die Bestimmung der Reaktionsraten ermittelten wichtigen
Erzeugungs- und Verlustreaktionen getätigt werden.
Bei der Modellierung der Ionendichten (siehe Abb. 4.1) stellt sich heraus, dass im Bereich mittlerer Elektronentemperaturen die Dichte der
N+2 -Ionen die übrigen Ionendichten um nahezu eine Größenordnung übersteigt. Dieses Simulationsergebnis entspricht gerade der naiven Erwartung,
dass sich für einen Argon-Partialdruckanteil von 10% das Verhältnis der
n +
Dichten der Ar+ zu den N+2 -Ionen zu etwa nAr+ ≈ 0.1 ergibt.
N2
Die Berechnung der Reaktionsraten in Abschnitt 4.2 bestätigt den erwartungsgemäß hohen Einfluss der Hintergrundgase N2 und Ar durch
49
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
die dominiert auftretende Bildung von N+2 - und Ar+ -Ionen über die
Elektronenstoß-Ionisationsprozesse N2 + e – −→ N+2 + 2 e – und
Ar + e – −→ Ar+ + 2 e – (Reaktionen 17 und 4, siehe Tab. B.2).
In Anbetracht der gegenüber Stickstoff um etwa eine Größenordnung
niedrigeren Teilchendichte des Hintergrundgases Argon und der daraus
resultierenden kleineren Reaktionsrate für die Bildung des Ar+ -Ions, ist
die deutlich verminderte Teilchendichte der Ar+ -Ionen plausibel.
Ein weiterer Effekt für die Erklärung der verringerten Teilchendichte der
Ar+ -Ionen ist in Tabelle 4.1 bei Betrachtung der Ladungsaustauschreaktion
Ar+ + N2 −→ Ar + N+2 (Reaktion 70) erkennbar. Diese stellt eine weitere
wesentliche Erzeugungsreaktion von N+2 -Ionen dar, ist aber gleichzeitig
auch ein Hauptverlustkanal der Ar+ -Ionen. Unter Bildung von N+2 -Ionen
werden somit zusätzlich Ar+ -Ionen aufgebraucht.
Direkt aus dem Hintergrundgas N2 kann auch das N+ -Ion über die dissoziative Ionisation N2 + e – −→ N+ + N + 2 e – entstehen. Bei niedrigen
Elektronentemperaturen ergibt sich gegenüber der Teilchendichte der
Ar+ -Ionen eine deutlich reduzierte Dichte der N+ -Ionen, die sich bei
höheren Elektronentemperaturen mehr und mehr der Dichte der Ar+ Ionen annähert. Dieses Verhalten ist aufgrund der stark unterschiedlichen
Schwellenenergien der beiden Bildungsreaktionen sehr einsichtig: Für die
Entstehung des N+ -Ions über dissoziative Ionisation ist eine Ionisierungsenergie von 24 eV [AQV+ 04] nötig, während die Bildung von Ar+ bereits
ab 15.7 eV [TMH02] einsetzen kann. Bei geringeren Elektronentemperaturen kann aufgrund der Maxwell-Verteilung der Elektronen die Bildung
der Ar+ -Ionen gegenüber der Bildung der N+ -Ionen bevorzugt eintreten,
wohingegen bei höheren Temperaturen beide Reaktionen nahezu gleich
häufig stattfinden. Besonders deutlich zeigt sich dieses Verhalten in der
Darstellung des relativen Anteils der Ionendichten bei Elektronentemperaturvariation bezogen auf die Summe der Ionendichten (siehe Abb. 4.2).
Der in dieser Abbildung ebenfalls erkennbare starke Abfall des relativen
Anteils der Dichte des N+2 -Ions von etwa 97 auf 66% bei zunehmender Elektronentemperatur spiegelt den Anstieg der Ionendichten nAr+ und nN+
wieder. Zusammenfassend lässt sich eine Annäherung der Ionendichten
mit zunehmender Elektronentemperatur beobachten.
50
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
R e la tiv e r A n te il d e r Io n e n d ic h te n b e i T e - V a r ia tio n
9 0
+
N
2
+
N
R e la tiv e r A n te il d e r Io n e n d ic h te n [% ]
A r
+
8 0
7 0
6 0
1 0
0
1
2
3
4
5
E le k tr o n e n te m p e r a tu r T
e
6
7
8
[e V ]
Abbildung 4.2: Relativer Anteil der Ionendichten in Abhängigkeit der
Elektronentemperatur.
Die Simulation der Neutralteilchendichten (siehe Abb. 4.3) ergibt eine
stark erhöhte Dichte von atomarem Stickstoff im Grundzustand N. Diese
liegt um mehr als 1 12 Größenordnungen über der Dichte der angeregten
Stickstoff-Spezies N(D) und N(P). Insgesamt fällt auf, dass ab einer Elektronentemperatur von Te = 2 − 4 eV die Dichte von atomarem Stickstoff N
und den angeregten Stickstoff-Spezies N2 (A), N(D), N(P), N2 (a0 ), die Ladungsträgerdichte um Größenordnungen übersteigt. Die später skizzierte
Bestimmung der Reaktionsraten zeigt, dass die Spezies N primär durch
Elektronenstoß-Dissoziation (N2 + e – −→ N + N(D) + e – ) des reichlich
vorhandenen Hintergrundgases N2 , sowie durch Wechselwirkung der
ebenfalls ausreichend vorhandenen angeregten Spezies N(D) und N(P)
mit der Gefäßwand entsteht. Die gegenüber atomarem Stickstoff verringerten Dichten der Spezies N(D) und N(P) sind daher über den bevorzugt
auftretenden Wandverlust von N(D) und N(P) unter Bildung von atomarem Stickstoff mit hohen Reaktionsraten zwischen 1021 und 1022 s−1
nachvollziehbar. Damit wird die Notwendigkeit der Berücksichtigung
dieser angeregten Spezies für die Modellierung klar ersichtlich.
51
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
E le k tr o n e n te m p e r a tu r v a r ia tio n - N e u tr a lte ilc h e n
1 E 2 1
N
N
1 E 1 9
N
2
1 E 2 0
(A )
2
(B )
2
N
N
N
3
]
N (P )
N (D )
A r
A r(4 p )
A rr
1 E 1 6
1 E 1 5
T
[1 /m
( a ’)
2
1 E 1 7
T e ilc h e n d ic h te n
(C )
2
1 E 1 8
1 E 1 4
A r
m
e
1 E 1 3
1 E 1 2
A u s g a n g s p a ra m e te r
1 E 1 1
n
1 E 1 0
n
N 2
A r
1 E 9
T
G a s
p
1 E 8
= 1 .0 9 E 2 0 1 /m
3
= 1 .2 1 E 1 9 1 /m
3
= 6 0 0 K
= 1 P a
to t
p
3
= 1 .0 E 1 6 1 /m
e
n
= 0 .9 P a
N 2
1 E 7
1
2
3
4
5
E le k tr o n e n te m p e r a tu r T
e
6
7
8
[e V ]
Abbildung 4.3: Simulationsergebnis der Elektronentemperaturvariation
für Neutralteilchen.
Aus dem Hintergrundgas N2 können die angeregten Spezies N2 (A), N2 (a0 )
und N2 (B) über Elektronenstoß-Anregung entstehen. Daraus resultieren
Teilchendichten in der Größenordnung von 1015 − 1017 m−3 . Eine dazu
vergleichsweise stark reduzierte Dichte von etwa 1012 − 1013 m−3 ergibt
sich für die Spezies N2 (C), die primär aus der Spezies Arm und dem
Hintergrundgas N2 durch Anregungstransfer (Arm + N2 −→ Ar + N2 (C))
entsteht. Die angeregten Argon-Spezies Arm und Arr liegen im Plasma
mit Teilchendichten im Bereich von 1014 − 1016 m−3 vor. Besonders auffallend ist, dass im Vergleich dazu die Spezies Ar(4p) eine um 3 Größenordnungen geringere Dichte aufweist. Eine qualitative Begründung für
dieses Verhalten kann in der Tatsache erkannt werden, dass die beiden
primären Erzeugungsreaktionen (Stufenweise-Strahlungs-Abregungen:
Ar(4p) −→ Arr + hν und Ar(4p) −→ Arm + hν) der Spezies Arr und Arm
den primären Verlustreaktionen der Spezies Ar(4p) gleichen. Die Entstehung der Spezies Arr und Arm bedingt damit gerade den Verlust der Spezies Ar(4p) und es stellt sich folglich eine stark reduzierte Teilchendichte
52
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
von Ar(4p) ein. Eine präzisere Betrachtung zeigt allerdings, dass die bevorzugt auftretenden Erzeugungskanäle der Spezies Ar(4p) (ElektronenstoßUmbesetzungen: Arm + e – −→ Ar(4p) + e – und Arr + e – −→ Ar(4p) + e – )
wiederum den Verlustkanälen der Spezies Arr und Arm entsprechen.
Daraus ist eine starke Kopplung der Reaktionsmechanismen der angeregten Argon-Spezies untereinander zu erkennen. Erst die Betrachtung der
Ratenkoeffizienten erlaubt die obige Erklärung der stark verminderten
Teilchendichte der Spezies Ar(4p): Es zeigt sich, dass die Reaktionsraten
der Strahlungs-Abregungen (∼ 107 s−1 ) die Raten der ElektronenstoßUmbesetzungen (∼ 104 s−1 ) gerade um 3 Größenordnungen übersteigen
und damit tatsächlich bevorzugt Ar(4p) unter Bildung von Arr und Arm
abgebaut wird.
Ein in Abbildung 4.3 aufgrund der logarithmischen Darstellung schwer
erkennbares, aber sehr physikalisches Simulationsergebnis zeigt sich im
Verlauf der Teilchendichte des Hintergrundgases N2 . Die monotone Abnahme der Teilchendichte nN2 mit steigender Elektronentemperatur um
insgesamt 10% entspricht in Anbetracht der zunehmenden Bildung von
atomarem Stickstoff und angeregter Stickstoff-Spezies gerade der Teilchenzahlerhaltung. Deutlich schwächer und in der logarithmischen Skala
nicht mehr erkennbar, zeigt sich dieser Effekt auch in der Dichte nAr
des Hintergrundgases Argon. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen
Teilchendichten sämtlicher Argon-Spezies bleibt nAr nahezu konstant.
53
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
4.2
Berechnung der Reaktionsraten
Mit den Simulationsergebnissen der Elektronentemperaturvariation lassen
sich für die auftretenden Teilchenspezies aus den modellierten Teilchendichten und den Ratenkoeffizienten die entsprechenden Reaktionsraten R
für Erzeugungs- und Vernichtungsreaktionen als Produkt aus Ratenkoeffizient und Eduktdichten berechnen.
Beispielsweise ergibt sich die Reaktionsrate R22 für die Bildung der angeregten Spezies N2 (A) über die Elektronenstoß-Anregung
N2 + e – −→ N2 (A) + e – (Reaktion 22, siehe Tab. B.2) zu:
R22 = nN2 ne K22
Die Berechnung der Reaktionsraten wurde für die 13 betrachteten Teilchenspezies N2 (A), N2 (B), N2 (C), N2 (a0 ), N+2 , N, N(P), N(D), N+ , Ar(4p), Arr ,
Arm und Ar+ für sämtliche in die Modellierung eingehende Erzeugungsund Verlustreaktionen durchgeführt. Anhand der Reaktionsraten kann die
Bedeutung der einzelnen chemischen Reaktionen für das Gesamtsystem
eingeschätzt und ein Verständnis für die zur Ausbildung der Teilchendichten stattfindenden Reaktionsmechanismen entwickelt werden. Dazu
wurden für die oben angegebenen Spezies die Erzeugungs- und Verlustkanäle mit maximaler Reaktionsrate beziehungsweise im Vergleich dazu
gleicher Größenordnung herausgearbeitet. In Tabelle 4.1 sind die wichtigen Erzeugungs- und Verlustreaktionen der betrachteten Teilchenspezies
zusammengefasst.
Die Berechnung der Reaktionsraten zeigt insbesondere den unerwartet
hohen Einfluss der angeregten Spezies N(D) und N(P) auf die Bildung von
atomarem Stickstoff durch Desorption von der Wand des Plasmagefäßes
über die beiden Wandverlustreaktionen N(D) −→ N(S) und N(P) −→ N(S).
Wie bereits im vorherigen Abschnitt festgestellt, offenbart sich die Berücksichtigung angeregter Stickstoff-Spezies in der Modellierung in Anbetracht
der deutlichen Auswirkung auf die Entstehung von atomarem Stickstoff
durch Wechselwirkung mit der Gefäßwand als sehr entscheidend.
54
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
Tabelle 4.1: Bedeutsame Erzeugungs- und Verlustreaktionen
Spezies
N2 ( A)
N2 ( B)
N2 (C )
N2 ( a0 )
N2+
N( S )
#
wichtige Erzeugungsreaktionen
−
−−→ N2 ( A) + e
22
N2 ( X ) + e
45
N2 ( B) −−→ N2 ( A) + hν
23
N2 ( X ) + e − −−→ N2 ( B) + e −
46
N2 (C ) −−→ N2 ( B) + hν
64
Arm + N2 ( X ) −−→ Ar + N2 (C )
−
−−→ N2 (C ) + e
N2 ( X ) + e
25
N2 ( X ) + e − −−→ N2 ( a0 ) + e −
−−→
N2+
N2 + e
70
Ar+ + N2 −−→ Ar + N2+
+2e
W10 N2 ( A) −−→ N2 ( X )
N2 ( A) + N2 ( X ) −−→ N2 ( X ) + N2 ( X )
31
N2 ( A) + N(S) −−→ N2 ( X ) + N( P)
45
N2 ( B) −−→ N2 ( A) + hν
46
N2 (C ) −−→ N2 ( B) + hν
W4 N2+ −−→ N2
W7 N( D ) −−→ N(S)
26
36
W11 N2 ( a0 ) −−→ N2 ( X )
−
17
wichtige Verlustreaktionen
−
24
−
#
−
W5 N(S) −−→
1
2 N2 ( X )
N2 ( X ) + e − −−→ N(S) + N( D ) + e −
W9 N( P) −−→ N(S)
52
N(S) + e − −−→ N( P) + e −
W9 N( P) −−→ N(S)
31
N2 ( A) + N(S) −−→ N2 ( X ) + N( P)
W8 N( P) −−→
N( D )
26
N2 ( X ) + e − −−→ N(S) + N( D ) + e −
W7 N( D ) −−→ N(S)
+
27
N2 ( X ) + e − −−→ N+ + N(S) + 2 e −
W3 N+ −−→ N
48
N(S) + e − −−→ N+ + 2 e −
3
Ar + e − −−→ Ar(4p) + e −
N( P )
N
Ar(4p)
Arm
Arr
Ar+
−
−−→ Ar(4p) + e
−
1
2 N2 ( X )
15
Ar(4p) −−→ Arr + hν
16
Ar(4p) −−→ Arm + hν
9
Arm + e
10
Arr + e − −−→ Ar(4p) + e −
16
Ar(4p) −−→ Arm + hν
W1 Arm −−→ Ar
11
Arr + e − −−→ Arm + e −
9
Arm + e − −−→ Ar(4p) + e −
1
Ar + e − −−→ Arm + e −
15
Ar(4p) −−→ Arr + hν
10
Arr + e − −−→ Ar(4p) + e −
11
Arr + e − −−→ Arm + e −
14
Arr −−→ Ar + hν
66
Arr + N2 ( X ) −−→ Ar + N2 ( B)
67
Arr + N2 ( X ) −−→ Ar + N2 (C )
68
Arr + N2 ( X ) −−→ Ar + 2 N(S)
4
Ar + e − −−→ Ar+ + 2 e −
70
Ar+ + N2 −−→ Ar + N2+
71
Ar + N2+ −−→ Ar+ + N2
W2 Ar+ −−→ Ar
55
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
Auf Grundlage der Kenntnis der bevorzugt auftretenden Erzeugungs- und
Vernichtungsreaktionen kann eine Reduzierung des in die Modellierung
eingehenden Ensembles an chemischen Reaktionen angestrebt werden.
Diese Vereinfachung wird in Abschnitt 4.4 diskutiert. Zuvor soll allerdings
zur Fehlersuche der gezielte Vergleich einer Modellierung mit bereits
publizierten Simulationsergebnissen erfolgen.
4.3
Vergleich mit publizierten Simulationsergebnissen
Zur Auffindung möglicher Fehler wird die Modellierung der Variation des
Argon-Partialdruckanteils δAr im Bereich von 50 bis 100% für ausgewählte
Neutralteilchen- und Ionenspezies mit den von Kimura in [KK10] publizierten Simulationsergebnissen verglichen. Die Rahmenbedingungen des
simulierten Plasmas sind dabei ein Gesamtdruck von ptot = 4 Pa und eine
konstante Temperatur des Hintergrundgases von TGas = 600K. Elektronentemperatur Te und Elektronendichte ne wurden in [KK10] allerdings nicht
als konstant angenommen, sondern im Rahmen des selbstkonsistenten
Global Model von Lieberman in Abhängigkeit des Partialdruckanteils
von Argon bestimmt. Die von Kimura selbstkonsistent ermittelte, im
Bereich von 2.3 bis 2.8 eV schwankende Elektronentemperatur, sowie
die von 2.14 · 1017 auf 4.91 · 1017 m−3 ansteigende Elektronendichte wird
für die Simulation als Ausgangsparameter verwendet. Das Ergebnis der
Argon-Partialdruckvariation ist in Abbildung 4.4 für ausgewählte Neutralteilchenspezies und in Abbildung 4.5 für die Ionen N+2 , N+ und Ar+
dargestellt. Die von Kimura publizierten Simulationsergebnisse sind zum
direkten Vergleich durch unausgefüllte Symbole gekennzeichnet.
Sowohl das Resultat von Kimura, als auch die eigene Simulation zeigt die
Abnahme der Dichten der Stickstoff-Spezies mit zunehmendem ArgonPartialdruckanteil. Ab δAr = 90% wird diese Abnahme gegenüber dem bisherigen Verlauf beträchtlich verstärkt, da für die Erzeugung der StickstoffSpezies nicht mehr ausreichend molekularer Stickstoff N2 zur Verfügung
steht. Die Dichten der Spezies Arm und Ar+ nehmen erwartungsgemäß
mit dem Argon-Partialdruckanteil zu.
Für die genaue Interpretation der Veränderung der plasmachemischen Zusammensetzung unter Partialdruckvariation sei direkt auf die Publikation
[KK10] verwiesen und an dieser Stelle nur eine Zusammenfassung der von
56
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
V e r g le ic h m it d e n S im u la tio n s e r g e b n is s e n v o n K im u r a - N e u tr a le S p e z ie s
1 E 2 0
N
(A )
2
N
(B )
2
N
1 E 1 9
N (P )
N (D )
A rm
[1 /m
3
]
N
(A ) *
2
N
1 E 1 8
N
(B ) *
2
(C ) *
2
T
T e ilc h e n d ic h te n
(C )
2
N
N
*
N (P ) *
N (D ) *
A rm *
1 E 1 7
e
* ) K im u r a
1 E 1 6
1 E 1 4
1 E 1 3
5 0
6 0
7 0
8 0
9 0
1 0 0
P a r t i a l d r u c k a n t e i l δA r [ % ]
Abbildung 4.4: Vergleich der Modellierung mit den in [KK10] publizierten
Simulationsergebnissen für ausgewählte Neutralteilchen.
Kimura gefundenen zentralen Ergebnisse aufgeführt [KK10, Abschnitt V.
Concluding remarks]:
Es stellt sich heraus, dass für Argon-Partialdruckanteile zwischen 50 und
100% atomarer Stickstoff die dominante Teilchenspezies darstellt. Die
Dichte von atomarem Stickstoff nN sinkt für Argon-Partialdruckanteile
kleiner als 80% nur relativ schwach mit zunehmendem δAr ab. Eine besonders geringe Änderung auch bei hohen Partialdruckanteilen ergibt sich
für die Dichte der angeregten Stickstoff-Spezies N2 (A).
Die Ionendichten nN+ und nN+ zeigen ein ähnliches Verhalten wie die
2
Neutralteilchendichten der Stickstoff-Spezies und variieren für ArgonAnteile kleiner als 80 − 90% nur schwach.
Im Folgenden werden die im Rahmen dieser Arbeit erzielten Simulationsergebnisse mit den von Kimura publizierten Resultaten verglichen.
Besonders auffallend ist dabei eine erhebliche Abweichung zwischen den
Simulationsergebnissen für die Spezies N2 (C):
57
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
Gemäß [KK10] ergeben sich für N2 (C) Teilchendichten zwischen 1017 und
1018 m−3 . Demgegenüber liefert die selbst durchgeführte Simulation Teilchendichten in der Größenordnung von 1014 m−3 . Eine Überlegung basierend auf der aus der Elektronentemperaturvariation gewonnenen Kenntnis
bedeutsamer Reaktionen erlaubt trotz der hier veränderten Plasmaparameter eine qualitative Abschätzung der Teilchendichte der Spezies N2 (C).
Geht man davon aus, dass die bei der Bestimmung der Reaktionsraten für
die Elektronentemperaturvariation ermittelten bedeutsamen Reaktionen
ebenso unter den vorliegenden veränderten Plasmaparametern hohe Reaktionsraten aufweisen, so kann angenommen werden, dass die Spezies
N2 (C) vordergründig durch direkte Anregung des Hintergrundgases N2
(Reaktion 24 aus Tab. B.2)
N2 + e − −→ N2 (C ) + e −
(R 4.1)
entsteht und hauptsächlich durch stufenweise Strahlungs-Abregung
(Reaktion 46 aus Tab. B.2)
N2 (C ) −→ N2 ( B) + hν
(R 4.2)
vernichtet wird.
Setzt man nun die Ratengleichung für diese beiden Reaktionen im stationären Zustand an,
dnN2
dt
= 0 = K24 · ne · nN2 − K46 · nN2 (C)
(4.1)
so ergibt sich durch Umformung für die Dichte der Spezies N2 (C) der
folgende Zusammenhang:
nN
2 (C )
=
K24 · ne · nN2
K46
≈ 8.2 · 1014 m−3
(4.2)
Dabei wurde im Sinne der Abschätzung einer oberen Grenze für nN (C)
2
der in der Partialdruckvariation auftretende maximale Ratenkoeffizient
3
der Reaktion (R 4.1) K24 ≈ 1.9 · 10−16 ms und der minimale Ratenkoeffizient der Reaktion (R 4.2) K46 ≈ 2.74 · 10+7 1s angesetzt. Diese einfache
Abschätzung ergibt als obere Grenze für die Dichte nN (C) der Spezies
2
N2 (C) somit eine mit der eigenen Modellierung gut übereinstimmende
Teilchendichte, die um nahezu 4 Größenordnungen von der in [KK10]
publizierten Teilchendichte abweicht. Es bleibt also eine deutliche Diskrepanz zwischen der eigenen Einschätzung der Dichte nN (C) und den in
2
[KK10] dargestellten Simulationsergebnissen.
58
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
V e r g le ic h m it d e n S im u la tio n s e r g e b n is s e n v o n K im u r a - Io n e n
1 E 1 8
+
N
2
+
N
+
A r
+
N
*
2
+
N
1 E 1 7
A r
*
+
*
3
]
e
T e ilc h e n d ic h te n
T
[1 /m
* ) K im u r a
1 E 1 6
1 E 1 5
1 E 1 4
5 0
6 0
7 0
8 0
9 0
1 0 0
P a r t i a l d r u c k a n t e i l δA r [ % ]
Abbildung 4.5: Vergleich der Modellierung mit den in [KK10] publizierten
Simulationsergebnissen für die Ionen N+2 , N+ und Ar+ .
Überdies sind in Abbildung 4.4 moderate Abweichungen der Teilchendichten der neutralen Spezies N(P) und N2 (A) erkennbar. Verglichen mit
den von Kimura bestimmten Teilchendichten ergibt sich für die Spezies
N(P) ein durchschnittlich um den Faktor 1.8 erhöhtes und für die Spezies
N2 (A) ein im Mittel um den Faktor 0.4 erniedrigtes Simulationsergebnis.
Wesentlich geringer weichen die Dichten der Spezies N2 (B), N, N(D) und
Arm mit durchschnittlich 5 − 17% von den publizierten Resultaten ab.
Diese Abweichungen könnten aus der Verwendung unterschiedlicher
Diffusionskonstanten für die Modellierung der Wandverlustreaktionen
herrühren. Die Diffusionskonstanten der eigenen Modellierung wurden,
wie in Abschnitt 3.4.1 erwähnt, über die in [Phe90] und [LL05] publizierten
Wirkungsquerschnitte (siehe Tabelle B.4) berechnet. In [KK10] ist weder
ein Hinweis auf die Herkunft noch auf den Zahlenwert der in die Beschreibung der Wandverluste eingehenden Diffusionskonstanten zu finden.
Die in Abbildung 4.5 dargestellten modellierten Ionendichten zeigen mit
mittleren relativen Abweichungen von unter 8% eine recht gute Übereinstimmung mit den von Kimura publizierten Simulationsergebnissen.
59
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
Insgesamt bewegen sich die Abweichungen der Teilchendichten im Rahmen der Unsicherheit der Simulationsergebnisse, die aus einer fehlerbehafteten graphischen Entnahme der Ausgangsparameter Elektronendichte
ne und Elektronentemperatur Te aus der Publikation [KK10, Fig. 5a,b] von
Kimura resultiert.
60
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
4.4
Vereinfachung der Modellierung
Auf Grundlage der für die Elektronentemperaturvariation berechneten
Reaktionsraten und der sich daraus ergebenden in Abschnitt 4.2 dargestellten bevorzugt stattfindenden Erzeugungs- und Verlustreaktionen kann das
bisher zur Modellierung des Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmas
verwendete Ensemble aus 82 chemischen Reaktionen erheblich reduziert
und damit die Simulation der Teilchendichten vereinfacht werden. Dies
erlaubt ein besseres Verständnis für die dominiert auftretenden Reaktionsmechanismen der Teilchenerzeugung und -Vernichtung. In diesem
Abschnitt soll die Auswirkung auf die Qualität der Simulation bei der
Beschränkung der Modellierung auf die 38 mit hoher Reaktionsrate stattfindenden chemischen Reaktionen aus Tabelle 4.1 untersucht werden.
E le k tr o n e n te m p e r a tu r v a r ia tio n ( v e r e in fa c h t) - N e u tr a le
1 E 2 1
N
2
1 E 2 0
N
(A )
2
N
1 E 1 9
(B )
2
N
1 E 1 8
N
N
3
]
N (P )
N (D )
A r
A r(4 p )
A rr
1 E 1 6
1 E 1 5
T
[1 /m
( a ’)
2
1 E 1 7
T e ilc h e n d ic h te n
(C )
2
1 E 1 4
A r
m
e
1 E 1 3
1 E 1 2
A u s g a n g s p a ra m e te r
1 E 1 1
n
n
1 E 1 0
n
N 2
A r
1 E 9
T
G a s
p
1 E 8
= 1 .0 9 E 2 0 1 /m
3
= 1 .2 1 E 1 9 1 /m
3
= 6 0 0 K
= 1 P a
to t
p
3
= 1 .0 E 1 6 1 /m
e
= 0 .9 P a
N 2
1 E 7
1
2
3
4
5
E le k tr o n e n te m p e r a tu r T
e
6
7
8
[e V ]
Abbildung 4.6: Ergebnis der Simulation der Elektronentemperaturvariation
für das vereinfachte Ensemble an Reaktionen für Neutralteilchen.
61
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
E
l e
k t r o
n
e
n
t e
m
p
e
r a
t u
r v a
r i a
t i o
n
( v e
r e
i n
f a
c h
t )
-
I o
n
e
n
1 E 1 8
+
N
2
1 E 1 7
+
N
+
1 E 1 6
A
r
e
1 E 1 5
T e ilc h e n d ic h te n
T
[1 /m
3
]
1 E 1 4
1 E 1 3
1 E 1 2
Q
u a
s in e
u t r a
lit ä
t
b e
i
T
=
4
. 6
e
V
e
1 E 1 1
1 E 1 0
1 E 9
A u s g a n g s p a ra m e te r
3
n
=
1
. 0
=
1
. 0
E
=
1
. 2
=
6
0
=
1
P
=
0
. 9
1
6
E
2
0
1
/ m
1
/ m
E
1
9
1
/ m
e
1 E 8
3
n
N
2
A
r
9
3
n
1 E 7
T
G
K
a s
p
1 0 0 0 0 0 0
1
0
a
t o t
p
N
P
a
2
1 0 0 0 0 0
1
2
3
E
4
l e
k t r o
n
e
n
5
t e
m
p
e
r a
6
t u
r
T
[ e
V
7
8
]
e
Abbildung 4.7: Ergebnis der Simulation der Elektronentemperaturvariation
für das vereinfachte Ensemble an Reaktionen für Ionen.
Wie aus den in den Abbildungen 4.6 und 4.7 dargestellten Simulationsergebnissen ersichtlich, ergibt sich eine sehr gute Übereinstimmung der
vereinfachten Modellierung mit den bisherigen Ergebnissen.
Es zeigt sich der bereits in Abschnitt 4.1 diskutierte Verlauf der Teilchendichten bei Variation der Elektronentemperatur mit nur minimalen
Abweichungen in den absoluten Zahlenwerten der Dichten. Auch die
sich ergebende typischen Elektronentemperatur von Te,quasineutral ≈ 4.6 eV
entspricht dem bereits diskutierten Resultat.
Zum genauen Vergleich ist die relative Abweichung der vereinfachten Modellierung, bezogen auf das bisherige Simulationsergebnis, in Abbildung
4.8 für Neutralteilchen und Abbildung 4.9 für Ionen dargestellt.
62
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
Die Simulation der Neutralteilchendichten unter Verwendung der reduzierten Anzahl an Reaktionen ergibt sehr geringe relative Abweichungen
von unter 8% für die Neutralteilchenspezies N2 (C), N2 (B), N2 (a0 ), N2 (A),
N, Ar(4p), N(P), N(D) und Arm . Lediglich die vereinfachte Modellierung
der angeregten Argon-Spezies Arr zeigt mit maximal 34% eine moderate Abweichung von den Simulationsergebnissen unter Berücksichtigung
aller 82 Reaktionen. Das zu geringe Ergebnis für die Dichte nArr könnte
aus dem Beitrag der bei der Vereinfachung unberücksichtigt gebliebenen
Elektronenstoß-Umbesetzung Arm + e – −→ Arr + e – (Reaktion 8, siehe
Tab. B.2) und Elektronenstoß-Anregung Ar + e – −→ Arm + e – (Reaktion
2, siehe Tab. B.2) resultieren. Diese beiden Reaktionen besitzen Raten der
Größenordnung 1018 bis 1019 s−1 und könnten neben der dominanten
Strahlungsabregung Ar(4p) −→ Arr + hν (Reaktion 15, siehe Tab. 4.1) mit
um eine Größenordnung geringeren Reaktionsraten die Entstehung der
Spezies Arr zusätzlich beeinflussen.
R e la tiv e A b w e ic h u n g b e i V e r e in fa c h u n g - N e u tr a le S p e z ie s
1 0
N
2
N
5
(A )
2
N
N
(C )
2
0
R e la tiv e A b w e ic h u n g [% ]
(B )
2
N
( a ’)
2
N
-5
N (P )
N (D )
A r
A r(4 p )
A rr
-1 0
-1 5
A r
m
-2 0
-2 5
-3 0
-3 5
-4 0
1
2
3
4
5
E le k tr o n e n te m p e r a tu r T
e
6
7
8
[e V ]
Abbildung 4.8: Relative Abweichung der Simulationsergebnisse für Neutralteilchen bei Berücksichtigung der bevorzugt auftretenden chemischen
Prozesse.
63
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
R e la tiv e A b w e ic h u n g b e i V e r e in fa c h u n g - Io n e n
2
+
N
2
+
N
1
A r
+
R e la tiv e A b w e ic h u n g [% ]
0
-1
-2
-3
-4
-5
-6
-7
-8
1
2
3
4
5
E le k tr o n e n te m p e r a tu r T
e
6
7
8
[e V ]
Abbildung 4.9: Relative Abweichung der Simulationsergebnisse für Ionen
bei Berücksichtigung der bevorzugt auftretenden chemischen Prozesse.
Die Dichte der N+2 -Ionen weicht mit weniger als 1.5% nur marginal vom
Resultat der vollständigen Simulation ab. Auch die Ionendichten nN+ und
nAr+ liegen mit relativen Abweichungen von maximal 6.7% beziehungsweise 4.2% nur geringfügig unterhalb der bisherigen Simulationsergebnisse.
Aufgrund der insgesamt nur sehr geringen relativen Abweichungen der
vereinfachten Simulationsergebnisse, bilden die 38 in Tabelle 4.1 aufgeführten chemischen Reaktionen die relevanten Prozesse zur Simulation
von Teilchendichten in Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasmen.
Für weitere Simulationen kann in guter Näherung von dieser Auswahl an
dominiert auftretenden Reaktionen ausgegangen werden.
Um allerdings die tatsächliche Aussagekraft der Simulation einschätzen
zu können, soll im nächsten Abschnitt für einen gezielten Vergleich mit
experimentellen Ergebnissen das bisherige auf 82 chemischen Reaktionen basierende Modell durch zusätzliche Berücksichtigung der in Tabelle
B.5 aufgeführten Reaktionen auf die Modellierung der Ionendichten der
Spezies N+3 und N+4 erweitert werden.
64
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
4.5
Vergleich mit experimentellen Ergebnissen
Zur Einschätzung der Aussagekraft der Modellierung soll ein Vergleich
mit experimentellen Ergebnissen durchgeführt werden, die aus dem Versuchsaufbau PUMA (siehe Abschnitt 2.6) stammen: Dazu erfolgt erneut
die Simulation einer Argon-Partialdruckvariation unter Berücksichtigung
der bisherigen 82 Reaktionen, sowie der in Tabelle B.5 aufgeführten
chemischen Prozesse.
Die Ausgangsparameter hierfür bilden ein konstanter Gesamtdruck von
ptot = 1.5 Pa, sowie eine konstante Temperatur des Hintergrundgases von
TGas = 600K. Durch Änderung der Zuflussrate der Hintergrundgase kann
der Argon-Anteil zwischen 0 und 100% variiert werden. Unter den experimentellen Bedingungen stellt sich die Elektronentemperatur Te selbstkonsistent ein und variiert zwischen 2.5 und 2.9 eV. Die Elektronendichte wird
durch Anpassung der ins Plasma eingekoppelten Leistung vorgegeben
und schwankt von 3.47 bis 3.87 · 1016 m−3 .
In Abbildung 4.10 ist der Verlauf der Teilchendichten der Ionenspezies N+2 ,
N+ , N+3 und Ar+ gegen den Partialdruckanteil δAr von 0 bis 100% aufgetragen. Die ausgefüllten Symbole entsprechen den aus dem Versuchsaufbau
PUMA stammenden experimentellen Ergebnissen, während die unausgefüllten Symbole die simulierten Teilchendichten repräsentieren. Zusätzlich
ist die in die Simulation eingehende Elektronendichte eingezeichnet.
Da die experimentelle Bestimmung der Elektronentemperatur Te über
Langmuir-Messungen nur bis auf eine Unsicherheit von 10% erfolgen
kann und die Elektronentemperatur als Ausgangsparameter für die Modellierung der Teilchendichten aufgrund der starken Te -Abhängigkeit
der Ratenkoeffizienten (siehe Abschnitt 3.3) das Simulationsergebnis wesentlich beeinflusst, wurden zur groben Fehlerabschätzung zusätzlich
Simulationen bei um 10% erhöhter beziehungsweise verringerter Elektronentemperatur durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Simulationen sind in
Form der gestrichelten Linien in Abbildung 4.10 dargestellt. Die Unsicherheit der experimentellen Bestimmung der Ionendichten kann grob zu etwa
30% abgeschätzt werden und ist durch Fehlerbalken gekennzeichnet.
Der sich aus der Modellierung ergebende Verlauf der Teilchendichten bei
Variation des Argon-Partialdruckanteils spiegelt sowohl die experimentellen Ergebnisse, als auch die intuitive Erwartung wieder:
Die Teilchendichte des Ar+ -Ions steigt mit zunehmendem Argon-Partialdruckanteil δAr an, während die Ionendichten der Stickstoff-Spezies N+2 ,
N+ und N+3 mit δAr abnehmen.
65
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
1 E 1 7
+
N
(E x p )
2
+
N
(E x p )
+
1 E 1 6
N
(E x p )
3
+
A r
(E x p )
+
N
( S im )
2
1 E 1 5
+
( S im )
+
N
3
1 E 1 4
A r
+
( S im )
( S im )
T e ilc h e n d ic h te n
T
[1 /m
3
]
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1 0 0
P a r t i a l d r u c k a n t e i l δA r [ % ]
Abbildung 4.10: Vergleich der Simulationsergebnisse einer Ar-Partialdruckvariation mit den aus dem Experiment PUMA gewonnen Ergebnissen.
Vor einem detaillierteren Vergleich mit den experimentellen Ergebnissen
soll die Abweichung der Simulationsergebnisse von der Quasineutralitätsbedingung ne = ∑i ni untersucht werden. Abbildung 4.11 zeigt den
Verlauf der relativen Abweichung ar = ∑i nnie−ne der Summe der modellierten Ionendichten von der Elektronendichte sowohl für die eigentliche
Simulation als auch für die zur Einschätzung des Fehlers durchgeführten
Modellierungen bei erhöhter beziehungsweise erniedrigter Elektronentemperatur (gestrichelte Linien). Die Simulation ergibt nahezu im gesamten
Partialdruckbereich zu geringe Ionendichten. Für Argon-Anteile zwischen
60 und 80% zeigt sich mit −70% die maximale relative Abweichung von
der Quasineutralitätsbedingung. Die Verwendung der um 10% höheren
Elektronentemperatur zur Fehlerabschätzung resultiert gemäß den aus
der Elektronentemperaturvariation in Abschnitt 4.1 gewonnenen Erkenntnissen in einem Anstieg der Teilchendichten und damit einer Annäherung
der Ionendichten an die Elektronendichte. Im Sinne der Forderung der
Quasineutralität des Plasmas müssten in die Modellierung demzufolge
66
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
R
e
l a
t i v e
A
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δ
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[ %
1 0 0
]
r
Abbildung 4.11: Relative Abweichung der simulierten Ionendichten von
der Quasineutralitätsbedingung.
höhere als die experimentell bestimmten Elektronentemperaturen einfließen. Die zu gering angesetzten Elektronentemperaturen könnten aus der
Annahme der Maxwell-Verteilung mit der mittleren Elektronentemperatur Te,2 = 2.9 eV (siehe Abschnitt 3.1) resultieren. Für geringfügig höhere
Te würde die Simulation die Quasineutralitäsbedingung bereits erheblich
besser erfüllen.
Die simulierten Ionendichten nN+ , nN+ und nN+ zeigen bei einem Argon2
3
Partialdruckanteil von 5% ausgeprägte Maxima und damit eine deutliche
Abweichung ihrer charakteristischen monotonen Abnahme. Bei einem
Partialdruckanteil von 95% ergibt sich zudem ein relatives Maximum der
Ionendichte nAr+ . Die Ursache dieser Abweichungen vom sonst monotonen Verlauf der Ionendichten sind die Maxima Te |δAr =5% = 3.21 eV und
Te |δAr =95% = 2.97 eV der experimentell bestimmten und in die Simulation
als Ausgangsparameter eingehenden Elektronentemperatur. Diese ist zur
Verdeutlichung des starken Einflusses der Elektronentemperatur auf den
Verlauf der simulierten Teilchendichten in Abb. 4.11 eingezeichnet.
67
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
Eine relativ gute Übereinstimmung der Modellierung mit den experimentellen Ergebnissen zeigt sich insbesondere für die Teilchendichte der
N+ -Ionen bei Argon-Partialdruckanteilen zwischen 0 und 60%. Hier liegen
die experimentellen Dichten nahezu für alle Partialdruckanteile innerhalb
der abgeschätzten Unsicherheit der Simulation. Für die Teilchendichten
der Spezies Ar+ und N+2 liegt der Fehlerbereich der Simulationsergebnisse
(gestrichelte Linien) noch relativ nahe an den experimentellen Ergebnissen. Lediglich die Dichte der N+3 -Ionen weicht mit bis zu 3 Größenordnungen erheblich vom experimentellen Resultat ab. Diese Abweichung
deutet auf eine unzureichende Modellierung der N+3 -Ionen hin. Es sind
dementsprechend entweder entscheidende Reaktionen in der Simulation
unberücksichtigt geblieben, oder die Ratenkoeffizienten (siehe Tab. B.5)
der entsprechenden Erzeugungs- bzw. Verlustreaktionen wurden um Größenordnungen zu gering bzw. hoch angesetzt.
Experimentell kann neben den bereits diskutierten Ionendichten auch die
Dichte von atomarem Stickstoff bestimmt werden. Der Vergleich mit den
Simulationsergebnissen ist in Abbildung 4.12 dargestellt. Die experimentelle Unsicherheit2 bei der Bestimmung der Neutralteilchendichte von
atomarem Stickstoff mit Hilfe der Quadrupol-Massenspektroskopie („Ionization Threshold Mass Spectroscopy“, ITMS) ist in Form der gepunkteten
Linien gekennzeichnet. Für atomaren Stickstoff ergibt die Simulation im
Vergleich zu den experimentellen Ergebnissen eine um über zwei Größenordnungen höhere Teilchendichte. Bei der Bestimmung der Reaktionsraten
in Abschnitt 4.2 wurden die primären Erzeugungsreaktionen (26, W7, W9,
siehe Tab. 4.1),
N2 + e − −→ N + N( D ) + e −
(R 4.3)
N( D ) −→ N
(R 4.4)
N( P) −→ N
(R 4.5)
sowie die bevorzugt stattfindende Verlustreaktion (W5 siehe Tab. 4.1)
N −→ 12 N2
(R 4.6)
von atomarem Stickstoff ermittelt. Reaktion 26 (hier R 4.3) beschreibt die
Entstehung von atomarem Stickstoff aus dem Hintergrundgas N2 über
Elektronenstoß-Dissoziation.
2 Als
maximale beziehungsweise minimale experimentelle Unsicherheit wurde hierbei eine um den Faktor 10 erhöhte beziehungsweise um den Faktor 0.5 erniedrigte
Teilchendichte von atomarem Stickstoff angenommen.
68
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
1 E 2 1
N
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(E x p )
( S im )
N
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1 0 0
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Abbildung 4.12: Vergleich von Simulationsergebnissen mit der aus dem
Experiment PUMA gewonnen Dichte von atomarem Stickstoff.
Bei der Überprüfung des Ratenkoeffizienten K26 stellt sich heraus, dass
in [KK10] der Ratenkoeffizient fehlerhaft aus den in [Cos93] angegebenen
Wirkungsquerschnitten berechnet wurde. Der um etwa den Faktor 0.2
geringere korrigierte Ratenkoeffizient kann auch der Publikation [TMH02]
entnommen werden und ist in Tabelle B.2 unter der Reaktion 26’ aufgeführt. Die Auswirkung der Korrektur des Ratenkoeffizienten K26 auf die
Teilchendichte nN wird im Rahmen der Diskussion einer erneuten Simulation in Abschnitt 4.7 untersucht. Im Folgenden wird die Modellierung der
Wandverlustreaktionen W5, W7 und W9 näher betrachtet.
Der Einfluss dieser Wandverlustreaktionen auf die Entstehung von atomarem Stickstoff kann durch Aufstellen der Ratengleichungen für die Spezies
N(D) und N im stationären Zustand qualitativ abgeschätzt werden:
dnN( D)
dt
= 0 = nN2 ne K26 − nN( D) KW7
69
(4.3)
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
dnN
= 0 = nN2 ne K26 + nN( D) KW7 + nN( P) KW9 − nN KW5
dt
≈ nN2 ne K26 + nN( D) KW7 − nN KW5
(4.4)
Im letzten Schritt wurde in der Ratengleichung von atomarem Stickstoff
der Beitrag der Wandverlustreaktion W9 (hier: R 4.5) vernachlässigt. Diese
Abschätzung kann dadurch begründet werden, dass die Teilchenspezies
N(P) gemäß Tabelle 4.1 über die Reaktionen 52 (Elektronenstoß-Ionisation:
N + e – −→ N(P) + e – ) und 31 (Schwerteilchenstoß mit Änderung des
Anregungszustands: N2 (A) + N −→ N2 + N(P)) aus atomarem Stickstoff
erzeugt wird und sich daher die Auswirkung der Erzeugungsreaktion W7
auf die Dichte nN gerade kompensiert. Durch Elimination des Beitrags
der Wandverlustreaktion W7 ergibt sich aus den beiden Ratengleichungen
(4.3) und (4.4) die folgende Abschätzung für die Dichte von atomarem
Stickstoff:
2K26 nN2 ne
nN ≈
(4.5)
KW5
Das überhöhte Simulationsergebnis für die Teilchendichte nN könnte gemäß Gleichung (4.5) aus einem zu niedrigen Ratenkoeffizienten KW5 herrühren. Aus der Beschreibung des Wandverlusts von Neutralteilchen in
Abschnitt 3.4.1 ist bekannt, dass der Ratenkoeffizient (siehe Gleichung
2
(3.18)), unter Vernachlässigung des diffusiven Anteils K1D = ΛD , folgende
Abhängigkeit von der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit
β und der
q
mittleren Geschwindigkeit u =
KW5 ∼
8k B TN
πm
besitzt:
p
β
β
·u ∼
· TN
2 (2 − β )
2 (2 − β )
(4.6)
Für die Temperatur TN wurde im Sinne der vereinfachenden Annahmen
der Modellierung (siehe Abschnitt 3.1) die Temperatur des Hintergrundgases TGas angesetzt. Aufgrund der Entstehung von atomarem Stickstoff
über Elektronenstoß-Dissoziation besitzen die Stickstoffatome nach der
Dissoziation allerdings die sogenannte Franck-Condon-Energie. Diese
liegt gemäß [Cos93, Fig. 1] mit bis zu k B TN = 1 − 2 eV deutlich über der
Temperatur des Hintergrundgases. Der Einfluss der zu gering angenommenen Temperatur TN = TGas könnte das zu hohe Simulationsergebnis
der Dichte von atomarem Stickstoff zumindest teilweise erklären.
Zusätzlich wird im folgenden Abschnitt die Auswirkung einer Veränderung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit βW5 durch eine erneute
Simulation untersucht.
70
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
4.6
Variation der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β
In die Simulation der Argon-Partialdruckvariation gehen die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeiten βW5, W6, W8 = 7% und βW7, W9 = 1 −
βW5, W6, W8 = 93% für die Wandverlustreaktionen W5, W6, W7, W8 und W9
(siehe Tabelle B.4) ein. Die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit βW5, W6, W8
wurde der Publikation [SCG00b] entnommen und resultiert aus der Anpassung von Simulationsergebnisse an experimentell bestimmte Teilchendichten unter Verwendung von Gleichung (4.5). Dieses Vorgehen ist jedoch stark fehlerbehaftet, da sämtliche Unsicherheiten der Modellierung
direkt die Güte der bestimmten Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit
beeinflussen. Für die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit der Wandverlustreaktionen W7 und W9 wird gemäß [TG09] βW7, W9 = 1 − βW5, W6, W8
angenommen3 .
Wie der Publikation [MCV+ 05] zu entnehmen ist, offenbart sich die experimentelle Bestimmung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit im Allgemeinen als schwierig. Die Resultate der dazu durchgeführten Messungen
sind stark von den experimentellen Gegebenheiten (Reinheit des Materials,
Oberflächenverunreinigungen, etc.) abhängig und variieren daher „um
Größenordnungen“ [MCV+ 05]. In Anbetracht dessen erscheint es sinnvoll
die Auswirkung einer Veränderung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit auf die Modellierung der Teilchendichten näher zu untersuchen. Dazu
wird für einen Argon-Partialdruckanteil von δAr = 20% eine Variation der
Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit βW5, W6, W8 im Bereich zwischen 3
und 97% durchgeführt. Wie in der bisherigen Modellierung wird dabei
für die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit der Reaktionen W7 und W9
der Zusammenhang βW7, W9 = 1 − βW5, W6, W8 angesetzt und diese folglich
ebenfalls entsprechend variiert. Alle weiteren Parameter der Modellierung
gleichen den Ausgangsparametern4 der Argon-Partialdruckvariation im
vorherigen Abschnitt 4.5.
3 Die
Annahme βW7, W9 = 1 − βW5, W6, W8 in [TG09] erscheint plausibel, da die angeregten Stickstoff-Spezies N(P) und N(D) an der Wand des Plasmagefäßes mit hoher
Wahrscheinlichkeit entweder in den Grundzustand von atomarem oder molekularem
Stickstoff umgewandelt werden und als solche von der Wand desorbieren.
4 Die Ausgangsparameter für die Modellierung der Variation der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β sind wie bei der Simulation im vorherigen Abschnitt 4.5:
ne = 3.47 · 1016 m−3 , nN2 = 1.46 · 1020 m−3 , nAr = 3.65 · 1019 m−3 , Te = 2.927 eV, ptot = 1.5
Pa, TGas = 600K.
71
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
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8
Abbildung 4.13: Einfluss der Variation der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit β. Für die Reaktionen W5, W6 und W8 ist ein ansteigendes β
simuliert. Es gilt βW7, W9 = 1 − βW5, W6, W8 .
Abbildung 4.13 zeigt das Simulationsergebnis bei Änderung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit für die ausgewählten Teilchenspezies N+2 ,
N, N(P), N(D), N+ und Ar+ . Zusätzlich ist zur besseren Übersicht neben
der Elektronendichte auch die Dichte der Hintergrundgase N2 und Ar
eingezeichnet. Die Erhöhung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit
βW5, W6, W8 resultiert in einem deutlichen Abfall der Dichte von atomarem
Stickstoff um nahezu zwei Größenordnungen im dargestellten Bereich.
Es ergibt sich eine stärkere Abnahme der Dichte bei niedrigen Oberflächenverlustwahrscheinlichkeiten. Dieses Verhalten wurde qualitativ bereits
durch die Abschätzung der Dichte nN in Gleichung (4.5) erkannt und entspricht dem Anstieg des Ratenkoeffizienten KW5 der Wandverlustreaktion
W5 mit zunehmender Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit gemäß dem
Zusammenhang (4.6). Für die Dichte von atomarem Stickstoff ergibt sich
schon bei einem Anstieg der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit von
3 auf 40% eine relative Abnahme um etwa 73%. Ein ähnlicher Verlauf
72
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
zeigt sich auch bei der Dichte der angeregten Spezies N(P). Die bereits
betrachteten Erzeugungsreaktionen 52 und 31 hängen stark von der Dichte
von atomarem Stickstoff ab, während sich der Einfluss der Variation der
Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit auf die beiden Wandverlustreaktionen W9 und W8 gerade kompensiert. Ebenso wird auch die Dichte
der N+ -Ionen bei niedrigen Oberflächenverlustwahrscheinlichkeiten über
die Reaktion 48 (Elektronenstoß-Ionisation: N + e – −→ N+ + 2 e – ) stark
von der Dichte von atomarem Stickstoff beeinflusst. Bei Oberflächenverlustwahrscheinlichkeiten über 40% stellt sich allerdings eine nahezu
konstante Dichte von nN+ ≈ 1 · 1014 m−3 ein. In diesem Bereich ist die
Dichte von atomarem Stickstoff bereits derart stark gesunken, sodass
N+ -Ionen kaum mehr über Reaktion 46 gebildet werden, sondern die
Erzeugung primär aus dem Hintergrundgas N2 über die dissoziative
Ionisation N2 + e – −→ N+ + N + 2 e – (Reaktion 27) erfolgt und damit
von der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit unbeeinflusst bleibt.
Ein erstaunliches Ergebnis zeigt sich im zwar geringen, aber deutlich
erkennbaren Rückgang der Dichte des Ar+ -Ions bei der vorliegenden
Variation der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit für Wandverlustreaktionen unter ausschließlicher Beteiligung von Stickstoff-Spezies. Die Dichte
des N+2 -Ions zeigt ein vergleichbares Verhalten wie die Dichte des Ar+ -Ions
mit schwacher Abnahme bei niedrigen βW5, W6, W8 und konstanter Dichte
bei höheren βW5, W6, W8 . Der sich ähnelnde Verlauf der Ionendichten nAr+
und nN+ resultiert aus der starken Kopplung der bevorzugt auftretenden
2
Erzeugungs- und Verlustreaktionen (siehe Tab. 4.1). Der geringe Rückgang
der Dichten nN+ und nAr+ zwischen Oberflächenverlustwahrscheinlich2
keiten von 3 bis etwa 30% ergibt sich aus dem schwachen Einfluss der
Ladungsaustausch-Reaktion N2 + N+ −→ N + N+2 (Reaktion 79) auf die
Entstehung der N+2 -Ionen. Die Reaktionsrate R79 = K79 nN2 nN+ der Ladungsaustauschreaktion 79 spiegelt gerade die Abnahme der Dichte der
N+ -Ionen in diesem Bereich der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit
wieder.
Nach dieser Untersuchung der Auswirkungen der Änderung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit soll im folgenden Abschnitt unter Annahme
einer höheren Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit βW5, W6, W8 und des
korrigierten Ratenkoeffizienten der Reaktion 26 erneut die Simulation der
Argon-Partialdruckvariation aus Abschnitt 4.5 erfolgen und eine mögliche Verbesserung der Simulation unter Verwendung der korrigierten
Ausgangsparameter untersucht werden.
73
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
4.7
Simulation unter Annahme korrigierter Ausgangsparameter
Die erneute Simulation der Argon-Partialdruckvariation zum Vergleich mit
den experimentellen Ergebnissen erfolgt aufgrund der bereits im vorherigen Abschnitt diskutierten hohen Unsicherheit in der experimentellen Bestimmung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit für βW5, W6, W8 = 40%
und entsprechend βW7, W9 = 1 − βW5, W6, W8 = 60%. Zudem wird der korrigierte Ratenkoeffizient K260 = 6.15 · 10−15 Te0.81 · e−12.8/Te in der Simulation
berücksichtigt. Das in Abbildung 4.14 dargestellte Simulationsergebnis für
die Dichte von atomarem Stickstoff entspricht den Erwartungen des vorherigen Abschnitts, da sich eine um über eine Größernordnung geringere
Dichte nN ergibt. Damit liegt die simulierte Teilchendichte von atomarem
Stickstoff nahezu für alle Partialdruckanteile innerhalb des Fehlerbereichs
(gepunktete Linien) der experimentell bestimmten Dichte.
V e r g le ic h P U M A S im u la tio n v e r b e s s e r t - N e u tr a lte ilc h e n
1 E 2 1
N
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Abbildung 4.14: Vergleich der aus dem Experiment PUMA gewonnen
Neutralteilchendichten mit den Simulationsergebnissen unter Verwendung
korrigierter Ausgangsparameter mit βW5, W6, W8 = 40%.
74
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
V e r g le ic h P U M A m it k o r r ig ie r te r S im u la tio n ( a lle v e r g le ic h b a r e n S p e z ie s )
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Abbildung 4.15: Vergleich der aus dem Experiment PUMA gewonnen
Ionendichten mit den Simulationsergebnissen unter Verwendung korrigierter Ausgangsparameter mit βW5, W6, W8 = 40%.
Die Betrachtung der Simulationsergebnisse der Ionendichten (siehe Abbildung 4.15) spiegelt ebenfalls die bereits im vorherigen Abschnitt diskutierte Abnahme der Ionendichten bei Erhöhung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit wieder.
Für N+2 -Ionen resultiert aus der Modellierung unter Berücksichtigung
der korrigierten Ausgangsparameter, bezogen auf das bisherige Simulationsergebnis, eine um durchschnittlich 34% erniedrigte Ionendichte.
Noch gravierender ist die mittlere relative Abweichung für die Dichte der
N+ -Ionen mit einem um 68% geringerem Simulationsergebnis. Lediglich
die Abweichung der Dichte der Ar+ -Ionen bewegt sich mit etwa 14% in
einem befriedigenden Rahmen. Insgesamt stellt sich heraus, dass durch
Korrektur der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit zwar eine erhebliche
Verbesserung des Simulationsergebnisses für atomaren Stickstoff erzielt
werden kann, gleichzeitig aber die Abweichungen der simulierten Ionendichten von den experimentellen Ergebnissen deutlich zunehmen.
75
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
Abschließend kann festgestellt werden, dass die Annahme einer um 10%
niedrigeren Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit βW5, W6, W8 = 30% keine
wesentlich geringeren Abweichungen der Simulationsergebnisse für Ionen
liefern würde. Dies ist aus dem Verlauf der Teilchendichten bei Variation
der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit in Abbildung 4.13 ersichtlich:
Beispielsweise ist die Änderung der Teilchendichte nN+ der N+ -Ionen bei
Erniedrigung der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit von 40 auf 30%
vergleichsweise gering.
Insgesamt stellt sich heraus, dass die Annahme einer höheren Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit von βW5, W6, W8 = 40% das Simulationsergebnis
erwartungsgemäß beeinflusst. Aus der erheblichen Verbesserung der simulierten Dichte von atomarem Stickstoff ist die hohe Sensitivität der
Modellierung von Wandverlustreaktionen auf Änderungen der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit ersichtlich.
Bei der Betrachtung der relativen Abweichung der simulierten Ionendichten von der Quasineutralitätsbedingung (siehe Abb. 4.11) in Abschnitt 4.5
zeigt sich bereits, dass die Simulation unter Annahme einer zu geringen
Elektronentemperatur Te durchgeführt wurde. Insofern ist die weitere
Verringerung der Ionendichten bei Verwendung der höheren Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit βW5, W6, W8 = 40% ein vertretbares Resultat, das
durch eine Erhöhung der Elektronentemperatur im Sinne der Quasineutralitätsbedingung zumindest teilweise kompensiert werden könnte.
Allerdings würde sich eine Erhöhung von Te entsprechend auch in einem
weiteren Anstieg der Dichte von atomarem Stickstoff auswirken. Dies verdeutlicht, dass die Abweichung des Simulationsergebnisses für atomaren
Stickstoff nicht ausschließlich durch die Annahme einer höheren Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit erklärt werden kann. Im Rahmen der
Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Arbeit werden einige Vorschläge
zur Verbesserung der Genauigkeit der Modellierung diskutiert. Allerdings
könnte auch eine experimentelle Unterschätzung der Dichte von atomarem Stickstoff zur Abweichung zwischen den Simulationsergebnissen und
den experimentellen Resultaten führen. Die Bestimmung der Dichte von
atomarem Stickstoff mit Hilfe der Ionization Threshold Mass Spectroscopy
(ITMS) ermöglicht ausschließlich die Einschätzung der Dichte am Rand
des Plasmagefäßes. Diese kann aufgrund auftretender Dichtegradienten
stark von der Dichte im Plasmainneren abweichen. Messungen unter Verwendung des Plasmamonitors deuten auf eine um den Faktor 4 erhöhte
Dichte im oberen Innenbereich des Plasmagefäßes (siehe Abb. 2.3) hin.
76
Kapitel 4. Simulationsergebnisse
Die durchgeführte nulldimensionale Simulation erlaubt ausschließlich
die Bestimmung von mittleren Teilchendichten im Plasmainneren. Daher
wurde zusätzlich eine Abschätzung der Dichte von atomarem Stickstoff
im Plasmainneren mit Hilfe der optischen Emissionsspektroskopie durchgeführt. Diese Methode erlaubt allerdings lediglich die Bestimmung einer
Obergrenze für die Dichte von atomarem Stickstoff. Über das gesamte
Volumen gemittelt, ergibt sich so im Innenbereich des Plasmas eine Dichte,
die maximal um den Faktor 8 gegenüber dem Messergebnis der ITMS am
Rand des Plasmagefäßes erhöht ist.
Zudem ist zu erwähnen, dass keine der verwendeten Diagnostikmethoden
außer der ITMS eine direkte Bestimmung von Teilchendichten erlaubt.
Nur durch Anwendung von weiteren Modellen zur theoretischen Interpretation der Messergebnisse ist es möglich experimentelle Rückschlüsse auf
die Teilchendichten zu ziehen [Wün04, S. 5]. Daher kann keine eindeutigere Aussage zur Diskrepanz zwischen experimentellen Resultaten und
Simulationsergebnissen getroffen werden.
77
Kapitel
5
Zusammenfassung der Ergebnisse
Im Rahmen dieser Arbeit wurden zunächst die Grundlagen für ein nulldimensionales Modell zur Simulation von Teilchendichten in Niedertemperaturplasmen dargestellt. Ein Ziel der Anwendung dieses Modells
auf das Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma besteht darin, ein Verständnis für dessen plasmachemische Zusammensetzung zu entwickeln.
Die Berechnung der Reaktionsraten ermöglicht durch das Herausarbeiten der relevanten Erzeugungs- und Vernichtungsreaktionen (siehe Tab.
4.1) eine qualitative Erklärung des Verlaufs von Teilchendichten bei Variation der Plasmaparameter. Es stellt sich dabei insbesondere heraus,
dass atomarer Stickstoff N neben den Hintergrundgasen die dominante
Teilchenspezies im Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma für sämtliche Argon-Partialdruckanteile und Elektronentemperaturen im Bereich
von 2 − 10 eV darstellt. Die Kenntnis der primär stattfindenden Reaktionsmechanismen zeigt die Wichtigkeit der Berücksichtigung der angeregten Stickstoff-Spezies (insbesondere N(D) und N(P)) für eine hinreichend präzise Beschreibung der Teilchendichten im Stickstoff-ArgonNiedertemperaturplasma.
Der zur Überprüfung der erzielten Simulationsergebnisse durchgeführte
Vergleich einer Argon-Partialdruckvariation mit den in [KK10] publizierten
Simulationsergebnissen ergibt für alle modellierten Neutralteilchenspezies
außer N2 (C) relativ geringe Abweichungen, die auf die Verwendung unterschiedlicher Diffusionskonstanten bei der Modellierung von Wandverlustreaktionen zurückgeführt werden können. Das in dieser Arbeit ermittelte
Ergebnis für die Dichte des angeregten Stickstoff-Moleküls N2 (C) zeigt
eine deutliche Abweichung von den publizierten Ergebnissen. Eine einfache Abschätzung der Dichte nN (C) deutet allerdings stark auf einen
2
Fehler in der Darstellung der Simulationsergebnisse in [KK10] hin.
Schließlich wird die Möglichkeit der Vereinfachung der Simulation durch
Beschränkung auf die bedeutsamen Erzeugungs- und Vernichtungsreaktionen untersucht. Dabei stellt sich heraus, dass für die Simulation
der Teilchendichten in sehr guter Näherung statt von allen 82 chemischen Reaktionen auch von den 38 in Tabelle 4.1 aufgeführten bevorzugt
78
Kapitel 5. Zusammenfassung der Ergebnisse
stattfindenden Reaktionen ausgegangen werden kann. Durch die Identifikation bedeutsamer Reaktionen wurde eine beträchtliche Vereinfachung
der Modellierung erzielt und so für zukünftige verfeinerte Simulationen
bereits eine grobe Auswahl an wesentlichen chemischen Prozessen (Tab.
4.1) herausgearbeitet.
Ein weiteres Ziel dieser Arbeit besteht in der Bewertung der Aussagekraft
der Simulationsergebnisse und in der Einschätzung der Qualität der verwendeten Ausgangsparameter. Dazu wurde der Vergleich der simulierten
Teilchendichten einer weiteren Argon-Partialdruckvariation mit bereits
vorliegenden experimentellen Resultaten durchgeführt, die aus dem Versuchsaufbau PUMA stammen. Die experimentelle Untersuchung zeigt das
Auftreten der Ionen N+3 und N+4 . Ausgehend von allen bisher betrachteten
chemischen Reaktionen wird daher die Modellierung durch Hinzunahme
weiterer Reaktionen auf die Spezies N+3 und N+4 erweitert. Der Vergleich
der Simulationsergebnisse mit den experimentellen Resultaten zeigt eine
Übereinstimmung des groben Verlaufs der Teilchendichten. Die Absolutwerte der simulierten Dichten der Spezies N+3 und N+4 weichen allerdings
erheblich von den experimentell bestimmten Werten ab.
Eine Erweiterung der Modellierung auf diese Teilchenspezies durch Berücksichtigung der in Tabelle B.5 dargestellten zusätzlichen Reaktionsgleichungen und Ratenkoeffizienten ist daher nicht in hinreichender Genauigkeit möglich. Dies ist entweder auf das Fehlen weiterer wesentlicher
chemischer Reaktionen in der Modellierung oder eine stark fehlerbehafte
Einschätzung der Ratenkoeffizienten zurückzuführen.
Insgesamt zeigt sich, dass die Qualität der Simulation der Teilchendichten
wesentlich von der Qualität der verwendeten Ausgangsparameter abhängt:
Im Rahmen des Vergleichs mit experimentellen Ergebnissen wird die Sensitivität der Simulationsergebnisse auf Änderungen des experimentell
bestimmten Ausgangsparameters Elektronentemperatur untersucht.
Die durchgeführte Fehlerabschätzung der Simulationsergebnisse zur Berücksichtigung der Unsicherheit in der experimentellen Bestimmung der
Elektronentemperatur zeigt die deutlichen Auswirkungen einer Änderung
von Te um ±10% auf die simulierten Teilchendichten.
Eine beträchtliche Abweichung zwischen Simulationsergebnissen und
experimentellen Ergebnissen zeigt sich für die Dichte von atomarem Stickstoff nN . Die dargestellte qualitative Abschätzung verdeutlicht die starke
Abhängigkeit der Dichte nN von der Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit
in der Modellierung der Wandverlustreaktionen von Stickstoff. Die hohe
Sensitivität der modellierten Teilchendichten auf Änderungen der Oberflä-
79
Kapitel 5. Zusammenfassung der Ergebnisse
chenverlustwahrscheinlichkeit β bestätigt sich durch die Simulation einer
zwischen 3 und 97% variierenden Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit.
Unter Annahme korrigierter Ausgangsparameter für die Oberflächenverlustwahrscheinlichkeit von Stickstoff ergibt sich eine deutliche Verbesserung des Simulationsergebnisses für atomaren Stickstoff.
Allerdings stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass der zunächst
zu gering angenommene Wert für β nicht die einzige Ursache für die von
der Modellierung zu hoch eingeschätzte Dichte nN darstellen kann.
Eine wesentliche Verbesserung der Modellierung könnte durch eine präzisere Simulation der Teilchenflüsse an die Wand des Plasmagefäßes erfolgen. Im Hinblick auf eine ortsaufgelöste Modellierung von Teilchendichten
könnten dadurch Simulationsergebnisse besser mit experimentellen Resultaten verifiziert werden. Ferner würde eine Erweiterung auf das Global
Model von Lieberman mit einer selbstkonsistenten Berechnung der Ausgangsparameter Elektronendichte ne und Elektronentemperatur Te durch
die Erfüllung der Quasineutralitätsbedingung die Genauigkeit der Simulationsergebnisse erheblich steigern.
Fortwährend wird die in der Literatur vorhandene Datenbasis für die
Beschreibung von Niedertemperaturplasmen korrigiert und erweitert. Die
Simulation von Teilchendichten unter Verwendung des in dieser Arbeit
vorgestellten einfachen Modells ermöglicht eine schnelle und einfache
Einschätzung dieser Daten und eignet sich damit insbesondere zur Vorbereitung komplexerer Modellierungen als erster Test der zu verwendenden
Eingangsparameter. Die durchgeführte Modellierung kann leicht um
weitere chemische Reaktionen und Teilchenspezies erweitert werden und
erlaubt es die relevanten chemischen Prozesse zu identifizieren.
Für die Betrachtung komplexerer Systeme kann so bereits eine grobe
Vorauswahl an benötigten Reaktionsgleichungen getroffen werden, die
sich als möglicher Ausgangspunkt für präzisere Simulationen eignet.
In einer konsekutiven Arbeit kann ausgehend von den gewonnen Erkenntnissen die Modellierung von Teilchendichten eines Stickstoff-ArgonNiedertemperaturplasmas mit zusätzlichem Wasserstoffanteil erfolgen.
Durch weitere Verfeinerung des dargestellten Modells kann so im Hinblick auf die in der Einleitung dieser Arbeit erwähnte Erforschung der
Zugabe von Stickstoff und Argon in magnetisch eingeschlossenen Fusionsplasmen zum effizienten Schutz des Divertorsystems durch Radiative
Cooling bereits eine grobe Abschätzung der plasmachemischen Vorgänge
im Bereich des Divertors angestrebt werden.
80
Anhang
A
Physikalische Grundlagen zur
Beschreibung eines Plasmas
A.1
Klassische kinetische Theorie des Plasmas
und Vlasov-Gleichung
Basierend auf den Überlegungen der statistischen Mechanik, lässt sich
mit einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f a ( p, r, t) eine Verteilungsfunktion für ein Teilchen vom Typ a einführen, die angibt mit welcher
Wahrscheinlichkeit dieses Teilchen am Ort r zur Zeit t den Impuls p besitzt.
Dieses Vorgehen ermöglicht die Bestimmung makroskopischer physikalischer Größen des Gesamtsystems über die Berechnung vom Erwartungswerten. So lassen sich, wie in [Sch93, S. 72] beschrieben, Teilchendichte,
mittlere Geschwindigkeit und mittlere Teilchenenergie berechnen.
Um die Verteilungsfunktion bestimmen zu können, wird für die Entwicklung einer Kontinuitätsgleichung im Phasenraum von folgenden Annahmen ausgegangen [Sch93, S. 73]:
Grenzfall eines stark verdünnten Gases. Bei hinreichend hoher Verdünnung des betrachteten Gases beziehungsweise Plasmas können
die nahezu wechselwirkungsfreien Teilchen als unabhängig voneinander beschrieben werden. Im Phasenraum kann sich die Verteilung
im Punkt ( p, r ) nur durch Zu- bzw. Abfluss von Teilchen durch die
Oberfläche eines betrachteten Testvolumens ändern. Insbesondere
soll angenommen werden, dass im Grenzfall des stark verdünnten Gases innerhalb eines genügend kleinen Testvolumens keine
Teilchen erzeugt oder vernichtet werden können und sich somit Zuund Abfluss von Teilchen gerade kompensiert. Daraus resultiert die
Forderung einer zeitlich konstanten Verteilungsfunktion, die in Form
der Kontinuitätsgleichung (A.1) formuliert werden kann.
d f a ( p, r, t)
∂ f a dp
dr
=
+
· ∇p fa +
· ∇r f a = 0
dt
∂t
dt
dt
81
(A.1)
Anhang A. Beschreibung eines Plasmas
In der statistischen Mechanik entspricht diese Annahme zeitlich
unveränderter Wahrscheinlichkeitsdichten gerade dem folgendem
Theorem 1. Liouville-Theorem1
Das Volumen eines beliebigen Bereichs im Phasenraum bleibt längs einer
Phasenraumtrajektorie im zeitlichen Verlauf konstant. Sei f eine Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung im Phasenraum. Dann gilt für die zeitliche
Entwicklung von f :
df
= 0.
dt
(A.2)
Klassiche Bewegung im elektromagnetischen Feld. Die Bewegung
der nicht-wechselwirkenden, klassischen, mit Ladung q a geladenen
Teilchen ist durch die Lorentz-Kraft bestimmt:
dp
= q a · ( E + v × B)
dt
(A.3)
Aus der Bewegungsgleichung (A.3) und der Kontinuitätsgleichung
(A.1) ergibt sich die stoßfreie Boltzmann-Gleichung, die auch unter
dem Namen Vlasov-Gleichung bekannt ist:
∂ fa
+ v · ∇r f a + q a · ( E + v × B ) · ∇ p f a = 0
∂t
(A.4)
Die in (A.3) auftretenden elektromagnetischen Felder sind über die Maxwell-Gleichungen in Materie mit der Ladungsdichte ρ und der Stromdichte j verknüpft:
∇×E = −
∂B
∂t
∂E
∇ × B = µ 0 j + e0 µ 0
∂t
ρ
∇·E =
e0
∇·B = 0
1 Die
(A.5)
(A.6)
(A.7)
(A.8)
Formulierung des Liouville-Theorems in [Bal07, Kapitel 2.3, S. 83] lautet: „The
volume of a region in phase space remains constant when one follows this region during
the temporal evolution.“
82
Anhang A. Beschreibung eines Plasmas
Daraus ist ersichtlich, dass die elektromagnetischen Felder gemäß (A.9)
und (A.10) über die Ladungs- bzw. Stromdichte aus der Wahrscheinlichkeitsverteilung f a ( p, r, t) bestimmt werden und damit selbstkonsistent in
die Vlasov-Gleichung (A.4) eingehen.
ρ=
∑ qa
Z
∑ qa
Z
dp f a ( p, r, t)
(A.9)
a
j=
dp v · f a ( p, r, t)
(A.10)
a
A.2
Boltzmann-Gleichung
In der bisherigen Betrachtung wurde im Rahmen der Näherung stark
verdünnter Gase auf die Auswirkung von Stößen gänzlich verzichtet.
Stöße sind jedoch von fundamentaler Bedeutung für die Ausbildung der
Wahrscheinlichkeitsverteilung f a ( p, r, t). Daher wird im Folgenden zur Beschreibung von Stößen die Vlasov-Gleichung (A.4) um einen zusätzlichen
Stoßterm ergänzt.
∂ fa
∂ fa
+ v · ∇r f a + q a · ( E + v × B ) · ∇ p f a =
(A.11)
∂t
∂t c
Durch die daraus entstehende Boltzmann-Gleichung (A.11) ist die zeitund ortsaufgelöste Wahrscheinlichkeitsverteilung f a ( p, r, t) festgelegt und
gegenüber der Vlasov-Gleichung neben dem Einfluss externer elektromagnetischer Kräfte auch die Auswirkung von Stoßprozessen
berück ∂ fa
∂t
sichtigt. Die genaue Betrachtung des Stoß-Terms
c
führt auf die
Fokker-Planck-Gleichungen und ergibt das Fokker-Planck-Stoßintegral.
Formal lässt sich durch Betrachtung der Boltzmann-Gleichung für das
Vorhandensein einer Teilchensorte bei Verschwinden sämtlicher zeitlich
variierender Beiträge, die in die Boltzmann-Gleichung
eingehen, aus
∂ fa
∂t
= 0 die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung ableiten. Dies ist beispielsweise in [LL05,
Anhang B S.727 und S. 36] durchgeführt. Hier soll nur das Ergebnis der
längeren Rechnung dargestellt werden:
dem Stoßintegral über den Zusammenhang
f a (v) = n ·
m
2πk B T
83
3/2
c
2
e
mv
− 2k
T
B
(A.12)
Anhang A. Beschreibung eines Plasmas
A.3
Magnetohydrodynamik und Flüssigkeitsgleichungen
Die bisherigen Überlegungen münden in eine physikalische Beschreibung
im 6 dimensionalen Phasenraum unter Verwendung der BoltzmannGleichung (A.11). Der Übergang in den Anschauungsraum kann nun
durch Mittelung über den Impulsraum erfolgen. Es ergeben sich die
Folgenden makroskopischen Observablen [LL05, S. 30]:
• Mittlere Teilchendichte
n(r, t) =
Z
dv f a (v, r, t)
• Mittlere Teilchengeschwindigkeit
R
R
dv v · f a (v, r, t)
dv v · f a (v, r, t)
u(r, t) = R
=
n
dv f a (v, r, t)
(A.13)
(A.14)
• Mittlere Teilchenflussdichte
Γ = n·u
(A.15)
Die Bildung entsprechender statistischer Momente der Boltzmann-Gleichung
ergibt die fundamentalen Erhaltungsgleichungen zur Beschreibung des
Systems im Ortsraum und schafft die Grundlage für eine Kontinuumsbeschreibung im Rahmen der idealen Magnetohydrodynamik.
Um längere Rechnungen zu vermeiden, soll hier basierend auf der Darstellung in [LL05, Kap. 2.3] nur ein kurzer Überblick über die Ergebnisse
der Bildung statistischer Momente gegeben werden:
Teilchenzahlerhaltung.
Die Teilchenzahlerhaltung ergibt sich aus dem 0. Moment der Boltzmann-Gleichung zu:
∂n
+ ∇ · (n · u) = G − L
∂t
(A.16)
Dabei bezeichnen G und L die Generations- bzw. Vernichtungsraten, die durch Teilchenerzeugung beziehungsweise Vernichtung aus
Stößen resultieren.
84
Anhang A. Beschreibung eines Plasmas
Impulserhaltung bzw. Bewegungsgleichung.
Die Impulserhaltung ergibt sich aus dem 1. Moment der BoltzmannGleichung durch Multiplikation mit der Teilchenmasse m zu:
∂u
m·n
+ (u · ∇) u = q · n( E + u × B) − ∇ · Π + f c
(A.17)
∂t
Dabei ist m · n ≡ ρ die Massendichte und Π der Druck-Tensor.
f c gibt die Rate des Impulstransfers pro Volumeneinheit durch Stöße
mit anderen Spezies an. Für eine genauere Diskussion des DruckTensors und der Impulstransferrate betrachte man die Ausführungen
in [LL05, Kap. 2.3].
Energieerhaltung.
Die Energieerhaltung ergibt sich durch Momentbildung des Produk2
tes von mv
2 mit der Boltzmann-Gleichung zu:
3
∂ 3
∂ 3
p + ∇ · ( pu) + p∇ · u + ∇ · q =
p
(A.18)
∂t 2
2
∂t 2 c
Dabei ist q = −κ T · ∇ T der Wärmeflussvektor, der sich aus der
thermischen Leitfähigkeit κ T und dem Temperaturgradienten ∇ T
ergibt.
Adiabatische Zustandsgleichung.
Geschlossen wird dieses Gefüge an Erhaltungsgleichungen durch
die ideale Gasgleichung p = nkT und die adiabatische Zustandsgleichung. Letztere erhält man aus der Teilchenzahlerhaltung (A.16) und
der Energieerhaltung (A.18) [LL05, S. 42] zu:
∇n
p
∇p
=γ
= const. ⇔
γ
n
p
n
c
(A.19)
Dabei ist γ = cVp durch das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten bei konstantem Druck bzw. konstantem Volumen gegeben.
85
Anhang
B
Chemische Reaktionen
In diesem Abschnitt sind die 82 chemischen Reaktionen aufgeführt, die für
die Modellierung der Teilchendichten im Stickstoff-Argon-Niedertemperaturplasma berücksichtigt werden:
Dabei wird für die angeregten Zustände die in der Literatur häufig verwendete und in Tabelle B.1 dargestellte abkürzende Schreibweise der
spektroskopischen Niveaus benutzt:
Tabelle B.1: Abkürzende Schreibweise der spektroskopischen Niveaus der
angeregten Zustände
Abkürzung
Spektroskopisches Niveau
N2 ( A )
N2 ( B )
N2 ( C )
N2 ( a 0 )
N( S )
N( D )
N( P )
Arm
Arr
Ar(4p)
N2 ( A 3 Σ u )
N2 ( B 3 Π g )
N2 ( C 3 Π u )
N2 ( a 0 3 Σ u )
N(4 S)
N(2 D)
N(2 P)
metastabile 1s5 und 1s3 Niveaus
„resonant“ 1s4 und 1s2 Niveaus
angeregter 4p Zustand von Argon
Die spektroskopischen Niveaus der Moleküle werden üblicherweise gemäß Abbildung B.1 durch die Hauptquantenzahl n und die Bahndrehimpulsquantenzahl l des angeregten Elektrons, sowie durch die aus dem
Gesamtelektronenspin resultierende Multiplizität und die Quantenzahl Γ
des gesamten Elektronenbahndrehimpulses gekennzeichnet. Als Indizes
wird noch die Symmetrie der elektronischen Wellenfunktion bezüglich
Inversion an einer Ebene, die beide Kerne enthält (+/−) und die Inversionssymmetrie bezüglich dem Mittelpunkt zwischen beiden Kernen (u/g)
angegeben. Die in Tabelle B.1 benutzte Nomenklatur der spektroskopischen Niveaus entspricht einer vereinfachten Darstellung, bei der statt
86
Anhang B. Chemische Reaktionen
Hauptquantenzahl und Bahndrehimpuls des angeregten Elektrons lateinische Buchstaben verwendet werden. Beginnend mit dem Grundzustand X,
werden die weiteren Niveaus mit steigender Energie in alphabetischer Reihenfolge mit Buchstaben bezeichnet. Großbuchstaben symbolisieren dabei
Zustände im Elektronenspinsystem des Grundzustands und Kleinbuchstaben die Niveaus in den anderen Spinsystemen [Wün04, Kap. 2.2., S. 17].
Abbildung B.1: Notation der spektroskopischen Niveaus von Molekülen
am Beispiel des Zustands 3 p 3 Σ+
u des Wasserstoffmoleküls
[Wün04, Kap. 2.2., S. 17].
Für die Bezeichnung der spektroskopischen Niveaus von Atomen (siehe
Abbildung B.2) wird die Hauptquantenzahl n des angeregten Elektrons,
die aus dem Gesamtelektronenspin S resultierende Multiplizität und die
Gesamtdrehimpulsquantenzahl L, sowie die Quantenzahl J des gesamten
Elektronendrehimpulses angegeben [Wün04, Kap. 2.1, S. 10].
In den spektroskopischen Niveaus der Stickstoff-Atome in Tabelle B.1 wird
ebenfalls eine vereinfachende Schreibweise verwendet, bei der Hauptquantenzahl n und Gesamtdrehimpulsquantenzahl J nicht angegeben werden.
Der Grundzustand von atomarem Stickstoff wird also beispielsweise als
N(S) bezeichnet.
87
Anhang B. Chemische Reaktionen
Abbildung B.2: Notation der spektroskopischen Niveaus von Atomen am
Beispiel des Zustands 2 2P3/2 des Wasserstoffatoms
[Wün04, Kap. 2.1, S. 10].
Tabelle B.2: Chemische Reaktionen
# Reaktion
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
26’
27
−
Ratenkoeffizient
−
Ar + e −−→ Arm + e
Ar + e − −−→ Arr + e −
Ar + e − −−→ Ar(4p) + e −
Ar + e − −−→ Ar+ + 2 e −
Arm + e − −−→ Ar+ + 2 e −
Arr + e − −−→ Ar+ + 2 e −
Ar(4p) + e − −−→ Ar+ + 2 e −
Arm + e − −−→ Arr + e −
Arm + e − −−→ Ar(4p) + e −
Arr + e − −−→ Ar(4p) + e −
Arr + e − −−→ Arm + e −
Arm + Arm −−→ Ar+ + Ar + e −
Arm + Arr −−→ Ar+ + Ar + e −
Arr −−→ Ar + hν
Ar(4p) −−→ Arr + hν
Ar(4p) −−→ Arm + hν
N2 + e − −−→ N2+ + 2 e −
N2 ( A) + e − −−→ N2+ + 2 e −
N2 ( B) + e − −−→ N2+ + 2 e −
N2 (C ) + e − −−→ N2+ + 2 e −
N2 ( a0 ) + e − −−→ N2+ + 2 e −
N2 ( X ) + e − −−→ N2 ( A) + e −
N2 ( X ) + e − −−→ N2 ( B) + e −
N2 ( X ) + e − −−→ N2 (C ) + e −
N2 ( X ) + e − −−→ N2 ( a0 ) + e −
N2 ( X ) + e − −−→ N(S) + N( D ) + e −
N2 ( X ) + e − −−→ N(S) + N( D ) + e −
N2 ( X ) + e − −−→ N+ + N(S) + 2 e −
28 N2+ + e − −−→ N(S) + N( D )
29 N2 ( a0 ) + N2 ( A) −−→ N2+ + e −
−15
−12.64/Te
5 · 10
·e
1.9 · 10−15 · e−12.6/Te
2.1 · 10−14 · e−13.13/Te
2.3 · 10−14 Te0.59 · e−17.44/Te
1.0 · 10−13 · e−4.2/Te
1.0 · 10−13 · e−4.2/Te
1.8 · 10−13 Te0.61 · e−2.61/Te
3.7 · 10−13
8.9 · 10−13 Te0.51 · e−1.59/Te
8.9 · 10−13 Te0.51 · e−1.59/Te
9.1 · 10−13
6 · 10−16
2.1 · 10−15
τrad
3 · 107 (s−1 )
3 · 107 (s−1 )
2.8 · 10−14 · e−18.56/Te
8.3 · 10−15 · e−12.84/Te
2.1 · 10−14 · e−11.00/Te
9.17 · 10−14 · e−6.67/Te
4.3 · 10−14 · e−10.32/Te
1.22 · 10−14 · e−7.34/Te
5.58 · 10−15 · e−6.81/Te
6.42 · 10−15 · e−9.87/Te
5.1 · 10−15 · e−11.69/Te
6.53 · 10−14 · e−14.2/Te
6.15 · 10−15 Te0.81 · e−12.8/Te
1.17 · 10−14 · e−27.5/Te
0.5
4.8 · 10−13 0.026
Te
9.0 · 10−18
88
Quelle
[GT07]
[GT07]
[GT07]
[GT07]
[KO01]
[KO01]
[GT07]
[GT07], [KO01]
[GT07]
[GT07]
[GT07]
[GT07], [KO01]
[GT07], [KO01]
[KO01]
[GT07]
[GT07]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]korrigiert
[TG09]
[HTGF02]
[HTGF02]
Anhang B. Chemische Reaktionen
Tabelle B.3: Chemische Reaktionen (Fortsetzung)
# Reaktion
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
N2 ( a0 ) + N2 ( a0 ) −−→ N2 ( X ) + N2+ + e −
N2 ( A) + N(S) −−→ N2 ( X ) + N( P)
N2 ( A) + N(S) −−→ N2 ( X ) + N2 (S)
N2 ( A) + N2 ( A) −−→ N2 ( B) + N2 ( X )
N2 ( A) + N2 ( A) −−→ N2 (C ) + N2 ( X )
N2 ( A) + N2 ( A) −−→ N(S) + N(S) + N2 ( X )
N2 ( A) + N2 ( X ) −−→ N2 ( X ) + N2 ( X )
N2 ( B) + N2 ( X ) −−→ N2 ( A) + N2 ( X )
N2 ( B) + N2 ( X ) −−→ N2 ( X ) + N2 ( X )
N2 (C ) + N2 ( X ) −−→ N2 ( A) + N2 ( X )
N2 (C ) + N2 ( X ) −−→ N2 ( B) + N2 ( X )
N2 (C ) + N2 ( X ) −−→ N2 ( a0 ) + N2 ( X )
N2 ( a0 ) + N2 ( X ) −−→ N2 ( A) + N2 ( X )
N2 ( a0 ) + N2 ( X ) −−→ N2 ( B) + N2 ( X )
N2 ( a0 ) + N2 ( X ) −−→ N2 ( X ) + N2 ( X )
N2 ( B) −−→ N2 ( A) + hν
N2 (C ) −−→ N2 ( B) + hν
N2 ( a0 ) −−→ N2 ( X ) + hν
N(S) + e − −−→ N+ + 2 e −
N( D ) + e − −−→ N+ + 2 e −
N( P) + e − −−→ N+ + 2 e −
N(S) + e − −−→ N( D ) + e −
N(S) + e − −−→ N( P) + e −
N( P) + e − −−→ N( D ) + e −
N( D ) + e − −−→ N(S) + e −
N( P) + e − −−→ N(S) + e −
N( D ) + N2 ( X ) −−→ N(S) + N2 ( X )
N( P) + N2 ( X ) −−→ N(S) + N2 ( X )
N( P) + N2 ( X ) −−→ N( D ) + N2 ( X )
N( P) + N(S) −−→ N( D ) + N(S)
N( P) + N( D ) −−→ N2+ + e −
Ar + N2 ( B) −−→ Ar + N2 ( A)
Ar + N2 ( a0 ) −−→ Ar + N2 ( B)
Arm + N2 ( X ) −−→ Ar + N2 ( B)
Arm + N2 ( X ) −−→ Ar + N2 (C )
Arm + N2 ( X ) −−→ Ar + 2 N(S)
Arr + N2 ( X ) −−→ Ar + N2 ( B)
Arr + N2 ( X ) −−→ Ar + N2 (C )
Arr + N2 ( X ) −−→ Ar + 2 N(S)
Ar + N( D ) −−→ Ar + N(S)
Ar+ + N2 −−→ Ar + N2+
Ar + N2+ −−→ Ar+ + N2
Ratenkoeffizient
Quelle
2.5 · 10−17
5 · 10−16
9.6 · 10−17
7.7 · 10−17
1.5 · 10−16
1.5 · 10−17
4.0 · 10−17
2.85 · 10−17
1.5 · 10−18
1.1 · 10−17
3.3 · 10−17
1.0 · 10−17
2.0 · 10−19
1.9 · 10−19
1.9 · 10−19
2 · 105 (s−1 )
2.74 · 107 (s−1 )
1.0 · 102 (s−1 )
5 · 10−15 Te0.77 · e−15.24/Te
1.7 · 10−14 Te0.5 · e−13.07/Te
9.4 · 10−15 Te0.67 · e−11.25/Te
2.74 · 10−14 /Te0.4 · e−3.35/Te
9.11 · 10−14 /Te0.45 · e−4.80/Te
1.63 · 10−14 /Te0.17 · e−2.69/Te
1.0 · 10−14 /Te0.36 · e−0.83/Te
5.45 · 10−15 /Te0.41 · e−1.05/Te
6.0 · 10−21
2.0 · 10−24
2.0 · 10−24
1.8 · 10−18
3.0 · 10−18
3.0 · 10−19
1.0 · 10−20
9.8 · 10−18
3.0 · 10−17
1.6 · 10−17
9.8 · 10−18
3.0 · 10−17
1.6 · 10−17
6.0 · 10−23
4.45 · 10−16
2.81 · 10−16
[HTGF02]
[LTE07]
[MYB+ 06]
[HTGF02]
[HTGF02]
[TDGF05]
[MYB+ 06]
[HTGF02]
[HTGF02]
[LTE07]
[LTE07]
[HTGF02]
[LTE07]
[HTGF02]
[DBJ+ 98]
[HTGF02]
[HTGF02]
[LTE07]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[DBJ+ 98]
[DBJ+ 98]
[DBJ+ 98]
[LTE07]
[LTE07]
[HTGF02]
[HTGF02]
[MYB+ 06]
[MYB+ 06]
[MYB+ 06]
[KK10]
[KK10]
[KK10]
[DBJ+ 98]
[HTGF02]
[HTGF02]
89
Anhang B. Chemische Reaktionen
Tabelle B.4: Wandverlustreaktionen∗
#
Reaktion
Ratenkoeff. σAr
W1 Arm −−→ Ar
W2 Ar+ −−→ Ar
W3 N+ −−→ N
W4 N2+ −−→ N2
W5 N(S) −−→ 21 N2 ( X )
W6 N( D ) −−→ 12 N2 ( X )
W7 N( D ) −−→ N(S)
W8 N( P) −−→ 21 N2 ( X )
W9 N( P) −−→ N(S)
W10 N2 ( A) −−→ N2 ( X )
W11 N2 ( a0 ) −−→ N2 ( X )
∗ Der
Kap. 3.4.1
Kap. 3.4.2
Kap. 3.4.2
Kap. 3.4.2
Kap. 3.4.1
Kap. 3.4.1
Kap. 3.4.1
Kap. 3.4.1
Kap. 3.4.1
Kap. 3.4.1
Kap. 3.4.1
σN2
−19
β
−19
3.54 · 10
[LL05, S.312]
1.48 · 10−18 [Phe90]
1.92 · 10−19 [Phe90]
3.20 · 10−19 [KK10, K71]
2.29 · 10−19 [Phe90]
2.29 · 10−19 [Phe90]
2.29 · 10−19 [Phe90]
2.29 · 10−19 [Phe90]
2.29 · 10−19 [Phe90]
3.82 · 10−19 [LL05, S.312]
3.82 · 10−19 [LL05, S.312]
3.82 · 10
[LL05, S.312]
5.07 · 10−19 [KK10, K70]
1.10 · 10−18 [Phe90]
1.60 · 10−18 [Phe90]
2.40 · 10−19 [Phe90]
2.4 · 10−19 [Phe90]
2.4 · 10−19 [Phe90]
2.4 · 10−19 [Phe90]
2.4 · 10−19 [Phe90]
4.00 · 10−19 [Phe90]
4.00 · 10−19 [Phe90]
[KK10]
[KK10]
[KK10]
[KK10]
0.07 [SCG00b] [KK10]
0.07 [SCG00b] [KK10]
0.93 [TG09] [KK10]
0.07 [SCG00b] [KK10]
0.93 [TG09] [KK10]
1.00 [CS80]
[KK10]
1.00 [CS80]
[KK10]
Wirkungsquerschnitt σN2 für die Wandverlustreaktion W2 und der
Wirkungsquerschnitt σAr für die Wandverlustreaktion W4 wurde aus den
Ratenkoeffizienten der Reaktionen 70 und 71 (siehe Tabelle B.3)
qüber den
Zusammenhang σ =
K70, 71
urel
bestimmt. Dabei bezeichnet urel =
8k B TGas
πmreduziert
die mittlere Relativgeschwindigkeit und mreduziert die reduzierte Masse.
Tabelle B.5: Chemische Reaktionen zur Erweiterung der Modellierung auf
die Spezies N+3 und N+4
#
Reaktion
Ratenkoeffizient
Quelle
72
73
74
75
76
77
N2 ( A) + N2+ −−→ N + N3+
N2 ( A) + N2 ( A) −−→ e − + N4+
N + N3+ −−→ N2 ( A) + N2+
N3+ + e − −−→ N2 + N
N4+ + e − −−→ N2 + N2
N + N4+ −−→ N2 + N2 + N+
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
[TG09]
78
N2 + N4+ −−→ N2 + N2 + N2+
5.5 · 10−17
1 · 10−19
6.6 · 10−17
3.22 · 10−15 /Te0.5
3.2 · 10−13 /Te0.5
1.0 · 10−17
−6.45
· e900/TGas
8.67 · 10−23 T300
[TG09]
79
80
W16
W17
N2 + N+ −−→ N + N2+
N2+ + N −−→ N+ + N2
N3+ −−→ N2 + N
N4+ −−→ 2 N2
2.0 · 10−17
1.0 · 10−17
siehe Kapitel 3.4.2
siehe Kapitel 3.4.2
[TG09]
[TMH02]
[TMH02]
[TMH02]
Gas
90
Quelle
Danksagungen
Zu aller erst möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Rudolf
Gross für die Begutachtung meiner Thesis bedanken.
Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Dr. Thomas Schwarz-Selinger und
Herrn Maik Sode aus der Arbeitsgruppe E2M des Max-Planck-Instituts
für Plasmaphysik für die hervorragende wissenschaftliche Betreuung und
unermüdliche Unterstützung. Insbesondere die stetige Bereitschaft zur
Diskussion von Simulationsergebnissen hat wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen.
Für die freundliche Aufnahme in die Arbeitsgruppe E2M möchte ich mich
bei Herrn Dr. Wolfgang Jacob bedanken.
Selbstverständlich gilt der Dank auch den Mitarbeitern der Arbeitsgruppe,
allen voran Klaus Tichmann und Udo von Touissant, die mir in hilfreichen
Diskussionen schnell und unkompliziert zur Seite standen.
Schließlich möchte ich meinem Kommilitonen Tobias Ried ganz herzlichen
Dank für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Physikstudium aussprechen.
In den unzähligen Stunden der gemeinsamen Arbeit ist meine Begeisterung für theoretische Physik entsprungen.
Den größten Dank möchte ich abschließend an meine Eltern richten, die
mir das Physikstudium ermöglicht haben und mir den Rücken nicht nur
freihalten, sondern stets auch stärken.
91
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