Eigenmarken – wer steckt dahinter?

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Eigenmarken – wer steckt dahinter?
Discounter
Eigenmarken –
wer steckt dahinter?
Jeder Discounter hat heute diverse Eigenmarken im Sortiment. Sie sind günstiger
als die bekannten Markenprodukte und auch die Qualität stimmt in der Regel. Doch
wer produziert die billigen Handelsmarken? Sind es in Wirklichkeit Markenprodukte
zum kleinen Preis? ÖKO-TEST hat sich auf die Suche gemacht.
April 2011
Foto: Ex Quisine / Fotolia.com
Foto: NiDerLander / Fotolia.com
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schlechter Arbeitsbedingungen oder
unerlaubter Videoaufzeichnungen
in den Schlagzeilen, entwickelte die
Fairtrademarke Fairglobe, die den
Erzeugern faire Preise für gelieferte
Rohstoffe zahlt. Auch Eigenmarken
wie Ein Herz für Erzeuger von Netto
machen sich in Discountern, die wegen Niedrigstpreisen regelmäßig eine
negative Presse bekommen, nicht
schlecht. Die Kunden zahlen hier je
Liter Milch zehn Cent mehr, die wenigstens zum Teil in die Kasse des
Landwirts fließen. Den Preisaufschlag
gibt es auch für Kartoffeln, Mozzarella
und Schinken mit diesem Zeichen.
Wer steckt hinter
den Billigmarken?
Kein Wunder also, dass das Geschäft
mit den Handelsmarken läuft. Ihr
Marktanteil bei Lebensmitteln liegt in
Deutschland laut dem PLMA Internationalen Jahrbuch der Handelsmarken
2010, für das Nielsen die Zahlen erfasst, bei über 40 Prozent. Mehr denn
je stützen sich Einzelhändler auf ihre
eigenen Marken, um Verbrauchern
ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
zu bieten.
Eigentlich eine Notlösung
Entstanden sind die Handelsmarken
eigentlich „aus der Not heraus“, wie
Wolfgang Twardawa von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) er-
MUM
zählt. Als die Aldi-Brüder Karl und
Theo Albrecht vor fast 50 Jahren ihr
Discountkonzept entwickelten, wonach jeder Artikel dauerhaft für drei
Prozent weniger angeboten werden
sollte, hatten sie ihre Rechnung ohne
die Markenanbieter gemacht. Die
fürchteten nämlich um ihre Glaubwürdigkeit, wenn ihre Produkte auf
der einen Seite zum kleineren Preis
bei Aldi, auf der anderen Seite für
mehr Geld im Supermarkt angeboten würden. So musste sich Aldi um
eigene Produzenten kümmern – und
erfand die Eigenmarken.
Die Eigengewächse bieten aber auch
eine gute Möglichkeit, sich zu profilieren. In Zeiten, in denen es in fast
jedem Discounter Markenprodukte
wie Becel-Margarine und TempoTaschentücher gibt, werden die Läden immer weniger unterscheidbar.
Durch gute Eigenmarken lassen sich
Kunden anlocken, die dann auch
gleich den übrigen Einkauf bei Lidl,
Penny oder Netto erledigen.
Nicht zuletzt helfen Eigenmarken
dabei, der Kette ein Image zu verleihen. Lidl, früher immer wieder wegen
Nichts von dem, was man an Marken
bisher kannte, war im neuen AldiDiscounter zu finden – weder
Nestlé-Schokolade noch MaggiSuppen, weder Schwartau noch Dr.
Oetker. Dafür gab es Handelsmarken
mit Fantasienamen wie Gletscherkrone Müsli und River Cola, die man bis
dato noch nicht gehört hatte. Entsprechend misstrauisch waren die
Kunden anfangs. Doch es dauerte
nicht lange, bis die Verbraucher von
der Qualität der „Aldinativen“ überzeugt waren.
Heute lassen alle Discounter Eigenmarken produzieren. So machen sich
Aldi und Lidl, Netto und Norma, Penny und Plus zunehmend unabhängig
von den etablierten Lieferanten. Das
hat für den Handel enorme Vorteile:
Er kann nicht nur Verpackung, Qualität, Rückstandsgehalte und Aussehen bestimmen. Auch die Preisgestaltung hat er noch besser in der Hand,
wenn er quasi zum Hersteller wird.
Foto: brokenarts/sxc.hu
B
ei Lidl gibt es Linessa, das
wissen 82 Prozent derjenigen, die den Discounter
kennen. Moser Roth? Der Anteil der
Aldi-Fans, die darin die Schokoladenmarke ihres Discounters erkennen, ist ebenso hoch. Und elite, eine
Eigenmarke von Penny, ist immerhin
noch 41 Prozent der Penny-Kunden
ein Begriff. 810 Verbraucher hat das
Marktforschungsinstitut MetrixLab
im Auftrag der Lebensmittelzeitung
zum Thema Eigenmarken befragt –
und eines wurde dabei ganz klar: Die
Verbraucher mögen die Eigen- oder
Handelsmarken, wie sie auch genannt
werden. 84 Prozent schätzen sie genauso sehr wie Markenprodukte, fünf
Prozent halten sie sogar für besser.
Nur zehn Prozent der Leute bemängeln eine angeblich schlechtere Qualität im Vergleich mit den bekannten
Marken.
Seit Bücher wie der bekannte AldiMarkenführer von Martina Schneider
die Runde machen, hat sich bei vielen
Discounterkunden die Meinung breitgemacht, hinter den Billigheimern
steckten immer bekannte Hersteller.
Auch wenn die Autorin dies gar nicht
behauptet, sondern differenziert die
mögliche Herkunft der Eigenmarken
entschlüsselt – die Gerüchte halten
sich hartnäckig. Tandil sei in Wirklichkeit Persil (von Henkel), und der
Schokodoppelkeks Kurpfalzrolle sei
dasselbe Produkt wie die Prinzenrolle (von Griesson de Beukelaer). Doch
beides stimmt nicht. Tandil wird vermutlich von verschiedenen Lohnherstellern produziert. In der Ausgabe
des Aldi-Markenführers werden die
Dalli-Werke, Luhns und Propack genannt. Die Kurpfalzrolle kommt zwar
wie die Prinzenrolle tatsächlich von
Griesson de Beukelaer. Die Rezeptur ist aber eine andere,
was man auch
schmeckt. Der Handelsmarke fehlt
der intensiv schokoladige Geschmack,
er schmeckt flacher und süßer.
Außerdem haben die Angaben über
die No-Name-Hersteller nur für eine
begrenzte Zeit Aussagekraft. Denn
der Handel wechselt die Lieferanten
immer wieder. So schreibt Martina Schneider in dem Buch „Welche
Marke steckt dahinter?“ über elite Milchreis mit Zimt (Penny) und
Müller-Milchreis mit Zimt: „Beide
Sorten stammen aus der Molkerei
Alois Müller, haben jedoch etwas
unterschiedliche Rezepturen.“ Doch
bereits 2009 verhielt es sich anders:
elite Milchreis, bei einem Hamburger
Penny-Markt gekauft, kommt von
der Firma J. Bauer, Anbieter der bekannten Bauer-Milchprodukte.
Herkunft ungewiss
Wer hinter den Handelsmarken
steckt, lässt sich oft nicht eindeutig
beantworten. Denn es gibt verschiedene Möglichkeiten: Das preiswerte
Handelsprodukt wird von einem Markenhersteller erzeugt und entspricht
hundertprozentig der Marke – das ist
eher selten der Fall. Oder es handelt
sich bei der Handelsmarke um ein
eigenständiges Produkt, das aber von
einem Markenhersteller erzeugt wird
und dem „Original“ oft ein bisschen
ähnelt. Diesen Fall findet man häufiger, wie die Beispiele unten zeigen.
Eigenmarken werden aber auch von
Tochterunternehmen des Markenherstellers erzeugt. Das ist beispielsweise bei der Copack Tiefkühlkost
Produktionsgesellschaft der Fall. Bei
diesem Hersteller aus Bremerhaven
handelt es sich um ein Unternehmen
der Frosta AG, ebenfalls mit Sitz in
Bremerhaven. „Die Rezepturen
sind jeweils nach den Spezifikationen der Handelsmarke ausgerichtet und entsprechen nicht unseren Frosta-Originalrezepturen“,
so Vorstand Jürgen Marggraf. Zwar
würden die Frosta-Markenprodukte
und die Discounterhandelsmarke
auf denselben Produktionsanlagen
gefertigt. Bevor aber die Frosta-Linie
hergestellt wird, würden die Maschinen immer vorab nass gereinigt, „um
eventuelle Querkontaminationen
gänzlich auszuschließen“.
Nicht zuletzt werden Handelsmarken
auch von Firmen produziert, die ausschließlich Eigenmarken herstellen: