Hoffnung im Gepäck

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Hoffnung im Gepäck
2 8 . S E P T E M B E R 2 014
W E LT A M S O N N TAG
HAMBURG 9
NR. 39
Singles reisen anders: Das Unternehmen
Sunwave hat sich auf die Urlaubsbedürfnisse
von Alleinstehenden spezialisiert
S
eit zwei Jahren ist Paula
(*) Single. Die 35-Jährige
hat einiges ausprobiert,
um einen neuen Partner
zu finden. „Leider musste
ich die Erfahrung machen,
dass die meisten Angebote
für Singles weder gut organisiert noch effektiv sind“, sagt sie. Eine Singlereise im
Sommer dieses Jahres sollte anfangs nur
eine weitere Möglichkeit für sie sein,
Gleichgesinnte zu treffen. Doch diese eine Woche in Griechenland veränderte
das Leben der Schweizerin. Organisiert
hat den Urlaub das Hamburger Unternehmen Sunwave, das sich auf die Nische
Singlereisen spezialisiert hat. Der kleine
Mittelständler aus dem Stadtteil Bergedorf profitiert von der wachsenden Zahl
der Singles. Auch andere Anbieter haben
den Bedarf der Alleinreisenden erkannt.
VON JANA WERNER
In Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt etwa 18 Millionen
Menschen ohne einen Partner. Das entspricht einem Anstieg von 26,6 Prozent
gegenüber 1996. Die Gründe dafür sind
Untersuchungen zufolge vielschichtig:
Frauen haben oft zu hohe Ansprüche an
ihren Traummann. Und Männer empfinden sich häufig als zu schüchtern, um
neue Kontakte zu knüpfen.
Die Fähigkeit, wieder Übung im sozialen Zusammenleben zu bekommen, vermitteln die unzähligen Angebote wie Internetdating oder Speeddating nicht, wie
Paula gemerkt hat. „Sie wirken diesbezüglich eher kontraproduktiv.“ So ist
nach Einschätzung der 35-Jährigen das
größte Problem vieler Singles nicht, dass
es keine Möglichkeiten gibt, andere kennenzulernen. Vielmehr fehle es häufig
„an wirklich guten, motivierenden und
erlebnisreichen Angeboten, bei denen
man sich als Single öffnet und wieder auf
andere zugeht“, erklärt Paula.
Genau aus dieser Marktlücke hat Sunwave ein Geschäft gemacht. „Singlereisen
sind ein Segment in der Reisebranche,
das sich in den vergangenen Jahren stark
entwickelt hat. Das ist ein wachsender
Markt“, bestätigt DRV-Sprecherin Sibylle
Zeuch. Das zeige sich daran, dass es spezielle Kataloge dafür gebe. „Der Bedarf ist
da, das haben die Veranstalter erkannt
und darauf reagiert – sei es, dass die großen Anbieter die Singlereisen in ihr Angebot aufgenommen haben oder sich kleinere Unternehmen auf dieses Segment
spezialisiert haben“, erklärt Zeuch.
Die Analysen der Kieler Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (FUR)
bestätigen den Trend: Machten 2003
noch 9,6 Millionen deutsche Singles eine
Urlaubsreise, waren es 2011 schon 10,8
Millionen und 2013 etwa 11,2 Millionen.
Die jüngste Zahl entspricht einem Anteil
von 20 Prozent aller Reisenden. Im Vergleich dazu: Familien-Urlauber hatten einen Anteil von 30 Prozent. Die Motive
der Singles sind insbesondere Sonne,
Wärme, schönes Wetter haben (62 Prozent), Abstand zum Alltag gewinnen (59
Prozent) sowie Spaß, Freude und Vergnügen haben (56 Prozent). Flirt und Erotik
rangiert sowohl bei den Männern mit 29
Prozent als auch bei den Frauen mit
zwölf Prozent weiter hinten.
Als Anbieter von Skireisen 1986 gegründet, entwickelt Sunwave seit 2002
Touren eigens für Singles ab 25 Jahre.
„Das erste Produkt war eine Segelreise,
und das Interessante daran war, dass wir
das komplette Schiff für unsere Gäste reserviert haben – für 16 Frauen und 16
Männer“, sagt Otto Witten, einer der bis
heute drei geschäftsführenden Gesellschafter. Das Konzept, in kleiner Gruppe
gemeinsam zu segeln, in Häfen anzulegen, zu baden und zu grillen, ging auf.
Mittlerweile nehmen die Singlereisen
einen Anteil von 90 Prozent am Gesamtangebot ein. Die Zahl der Beschäftigten
des Mittelständlers ist auf 15 gewachsen,
die Palette an ganzjährigen Reisen zu
rund 30 Destinationen um ein Vielfaches
erweitert. Neben dem Chartern von ganzen Hoteltrakten, Häusern oder Segelschiffen ist auch die Größe der jeweiligen
Gruppe wesentlich: In der Regel reisen
nämlich nicht mehr als 20 Singles, zahlenmäßig gerecht nach Frauen und Männern aufgeteilt, entweder für ein Wochenende oder einen kompletten Urlaub
zusammen um die Welt. Das günstigste
Angebot, eine Städtetour, kostet derzeit
222 Euro, inklusive zweier Übernachtungen und Frühstück in einem Vier-SterneHotel, Stadtführung und Abendessen. Eines der teuersten Produkte im Katalog
des Hamburger Veranstalters ist eine
zwölftägige Kuba-Rundreise für 2.700 Euro. 90 Prozent aller Gäste buchen online.
„Unser klassischer Gast ist zwischen 35
und 55 Jahre alt, hat ein Durchschnittsalter von 42, Mann wie Frau gleichermaßen, und wohnt in den urbanen Räumen
wie Hamburg, Berlin, dem Ruhrgebiet,
der Münchner Region, Stuttgart und
Karlsruhe“, sagt Witten. Auch sei ein
mittlerer bis höherer Bildungsabschluss
ebenso typisch wie ein mittleres oder höheres Einkommen. Sehr beliebt sind die
Pauschalreisen nach Andalusien und Sardinien. Gut gehen auch die Boot & BikeTouren durch Kroatien. Zwischen 60 und
70 Prozent der Gäste sind Wiederholungstäter, reisen also mehrmals.
Für Paula war es das erste Mal. Sieben
Tage auf Kreta. Im Juli. „Ich hatte schon
lange keinen Urlaub gemacht“, sagt sie.
Auch wird sie, seit sie Single ist, mit einem typischen Problem konfrontiert:
„Die verheirateten Freunde können nicht
mehr mitkommen, und alleine mag man
nicht fahren“, begründet sie ihre Entscheidung für eine organisierte Singlereise. Allerdings, so gesteht sie, hatte sie
nach all den schlechten Erfahrungen in
der Vergangenheit keine großen Erwartungen mehr an diesen Urlaub.
Den meisten Angeboten für Singles
fehlt eine professionelle Organisation,
Animation und Moderation durch die
Reiseleitung und das gezielte Eingehen
auf die Wünsche der Alleinstehenden.
„Man wird sozusagen sich selbst überlassen. Wenn man bedenkt, dass nicht weniANZEIGE
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BERTOLD FABRICIUS
Hoffnung
im Gepäck
Hat die Marktnische erkannt: Sunwave-Geschäftsführer Otto Witten
ge Singles ihren Alltag sowieso schon
recht isoliert verbringen, vielleicht sogar
depressiv geworden sind durchs ständige
Alleinsein, sind solche Erlebnisse mehr
als demotivierend und zu oberflächlich,
um ernsthaft jemanden kennenzulernen“,
erklärt die 35-Jährige diese Art der
„Schnellabfertigung“.
Den häufig auftauchenden Vorwurf,
dass mit den einsamen Herzen ein Geschäft gemacht werde, im Stil von „abzocken, aber kaum etwas dafür bieten“,
kann Paula weitgehend bestätigen. „Man
gibt sehr viel Geld aus und wendet viel
Zeit auf, bleibt jedoch mit einem schlechten Gefühl zurück, und das Selbstvertrauen leidet auch.“ Die Suche nach anderen
Singles werde daher eher zur Qual als zur
Freude. „Dass dann aber im Laufe der
Woche in Griechenland meine Stimmung
immer mehr stieg, lag wohl hauptsächlich
am tollen Gesamtkonzept“, sagt Paula.
Witten setzt nicht auf das übliche Kennenlernen voller zwanghafter Spielaktionen. Stattdessen fügt der Veranstalter erlebnisreiche Programmpunkte aus Sport,
Unterhaltung, Kultur und Kulinarischem
so zusammen, dass die Gäste entsprechend ihres Alters automatisch ins Gespräch kommen. „Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Singles
wohlfühlen – sei es tagsüber bei Ausflügen oder abends beim romantischen Essen mit Sonnenuntergang“, erklärt er und
betont: „Man muss sich bei uns nicht näher kommen, aber man kann und darf.“
Für Paula hat sich in der Woche ein intensiver Kontakt zu den anderen Teilnehmern ergeben. „Als Single sitzt man in
der Freizeit ja nicht selten alleine zu Hause herum und verlernt immer mehr den
sozialen Umgang mit anderen Menschen“, erklärt die Schweizerin. Durch
das tägliche Zusammensein auf Kreta seien Fähigkeiten wie Kommunizieren, Teilen oder sich um andere kümmern wieder
trainiert worden, „was wohl jedem Single
gut tut“. Fern von schnellen Affären und
einem simplen „Flirt- und Anbagger-Urlaub“, wie es Paula ausdrückt.
50.000 Singles sind seit 2002 mit Sunwave gereist. Das Hamburger Unternehmen verzeichnet Umsatzzuwächse zwischen drei und sieben Prozent pro Jahr.
„Wir sind sehr zufrieden mit der Nische,
in der wir arbeiten“, sagt Geschäftsführer
Witten. So ist es ein Vorteil für sein Unternehmen, dass es für die großen Veranstalter TUI Deutschland, Thomas Cook,
DER Touristik, FTI, Alltours, Aida Cruises und Schauinsland zu umständlich ist,
Hotel, Mietwagen und Abendessen für eine jeweils 20-köpfige Gruppe zu buchen.
Jene sieben Konzerne hatten 2013 laut
Deutschem Reise-Verband (DRV) einen
Marktanteil von 64,6 Prozent am Gesamtumsatz (25,3 Milliarden Euro) der
deutschen Reiseveranstalter.
„Wir haben Glück, dass sich diese Großen nicht im Bereich der Singlereisen
tummeln“, sagt Witten. Dafür jedoch ist
der Wettbewerb unter den kleinen Spezialisten intensiver geworden. War Sunwave 2002 noch allein auf dem Markt,
gibt es mit SKR, Adamare, Solos, E-Top
Tours, Lebensfreude50 sowie Studiosus
me and more heute noch sechs weitere
echte Veranstalter von Singlereisen
im deutschsprachigen Raum. Allesamt
mittelständische Unternehmen zwischen
drei und 20 Mitarbeiter, die laut
Witten insgesamt bis zu 40.000 Gäste
pro Jahr bewegen.
„Die eine Hälfte unserer Gäste möchte
einen neuen Partner finden. Die andere
möchte nur unser Angebot als Einzelgast
nutzen, um nicht allein zu sein“, sagt
Witten. Bei wie vielen es gefunkt hat, erfasst der Veranstalter nicht. „Das ist Privatsphäre. Aber natürlich bekommen wir
Rückmeldungen. Und so wissen wir, dass
sich pro Reise im Schnitt ein Paar findet“,
verrät der Geschäftsführer. Auch gäbe es
bereits einige „Sunwave-Babys“.
Paula hat sich während der einen Woche in Griechenland nicht verliebt. Und
dennoch spürt sie eine Veränderung.
Nicht nur, dass die 35-Jährige mit „vielen
neuen Kontakten im Gepäck“ zu „ein
paar tollen Männern“ wieder zu Hause
gelandet ist. Auch hat sie in dieser entspannten Urlaubsatmosphäre Tipps und
Rückmeldungen zu ihrem Verhalten bekommen und gelernt, sich selbst zu reflektieren. „Ich bin braun gebrannt, er-
holt und gut gelaunt zurückgekehrt und
werde plötzlich überall angesprochen,
wie toll und glücklich ich aussehen würde“, schwärmt die 35-Jährige, die über eine weitere Singlereise nachdenkt. Die Erlebnisse mit anderen Singles hätten sie
motiviert und etwas Positives in ihr ausgelöst. „Jetzt schauen wir mal, was daraus
wird“, sagt Paula.
(* Name von der Redaktion geändert)
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