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28
20. August 2010
Ausflugsziel
MAGAZIN
Faszination Reptilien-Ausstellung: Marc Jaeger und
Lebensgefährtin Patricia Prin leben ihre Passion, planen
sogar einen permanenten Reptilien-Zoo im Tessin –
eine Bereicherung für den Kanton
ATEMRAUBENDE EXOTIK
HAUTNAH ERLEBEN
von Amina Linke
M
arc Jaeger
ist
ein
Mensch,
der fasziniert. Bereits mit
drei Jahren wurde er von seinen
Eltern auf afrikanische Grosswildjagden mitgenommen und
lernte dort die exotische Natur
kennen und lieben. Noch vor
seiner Einschulung konnte er eine Schlange sein Eigen nennen,
die Schulferien überzog er dann
meist – nicht ohne Konsequenzen –, um die jährlichen Afrikareisen voll auskosten zu können.
Er arbeitete auf Krokodil- und
Schlangenfarmen und wollte
immer “was mit Tieren machen”. Sein Umfeld allerdings
befürchtete, dass sei “brotlose
Beschäftigung”. Er diplomierte
als Tourismusfachmann, leitete
diverse Reisebüros, ging dann
aber in den Event- und Marketingbereich. Viereinhalb Jahre
blieb er dort und organisierte
unter anderem die SuisseEMEX
in Zürich. Als er anfing, gab es
nur 60 Aussteller, als er ging
über 600. Von den Kontakten
profitiert er noch heute.
Marc ist angekommen. Er
strahlt von innen heraus wie nur
jemand strahlen kann, der seinen Traum, seine Passion lebt.
Und das tut der 37-Jährige. Mit
der Reptilexpo in Quartino, die
täglich von 12-20 Uhr noch bis
zum 17. Oktober im Tessin verweilt, hat er seine Erfüllung gefunden. Von seinen rund 500
Reptilien, Amphibien und Spinnentieren werden hier über 150
ausgestellt. Besucher können
Riesenschlangen, Krokodile,
Vogelspinnen und vieles mehr
beobachten, bei der Fütterung
zusehen und die Tiere sogar berühren: Ein Erlebnis, bei dem
man dankbar ist, es gemacht haben zu dürfen!
Da wären zum Beispiel die Tigerpythons. Vier bis fünf Meter
lang und 25-60 Kilogramm
schwer, verblüffen die Würgeschlangen mit einer Sanftmütigkeit und Bedächtigkeit, die nicht
nur staunen lässt, sondern auch
abfärbt. Durch Marc lernt man
diese Tiere auf eine Art und
Weise und aus einer Nähe kennen, die vereinnahmend ist.
Man taucht in eine autarke Welt
mit eigenen Regeln und Verhaltensweisen ein und wird plötzlich Teil von ihr.
Zu jeder Art, Unterart und Sonderform, wie beispielsweise die
Die Rotknie-Vogelspinne: Wie ein Hauch Watte auf der Hand
Marc Jaeger mit Tigerpython Britney: Sanftmütigt züngelt sie sich ins Herz eines jeden Besuchers
Albino-Tigerpython “Pamela”
eine ist, weiss der in Kalaharihemd und lederndem IndianaJones-Hut gekleidete Schweizer, Spannendes über Lebensgewohnheit und Verhalten zu erzählen. Manche Tiere sind seit
Generationen bei ihm, die meisten seit ihrer Geburt. Neben der
Reptilien-Ausstellung, die er
gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Patricia Prin, 38, organisiert, betreibt er das Herpetofauna Research Center, welches
Schlangengift zur Serenherstellung bereitstellt und Artenerhaltung durch Auf- beziehungsweise Nachzucht betreibt. Und das
mit grossem Erfolg.
Vierundzwanzig Stunden am
Tag leben Marc und Patricia für
ihre Tiere. Sie bewältigen allein
den zweiwöchigen Aufbau der
Expo, kommen für Gebäude-,
Strom- und Futterkosten auf
und kümmern sich auch noch
mit vollem Einsatz für die
gleichzeitige Ausstellung mit
den restlichen Tieren im Dinosauriermuseum in Aalthal/Zürich. Sponsoren und freiwillige
Mitarbeiter bräuchten die beiden Abenteurer dringend. Zumal sie nächstes Jahr ihr grosses
Ziel eines permanenten Reptilien-Zoos verwirklichen wollen.
“Wir haben fast die ganze Welt
bereist und Unmengen von
Zoos gesehen und analysiert,”
erklärt Marc. “Jetzt wollen wir
die Rosinen von allen in einem
grossen, modernen Reptilienpark im Tessin umsetzen, gerade hier ist das Klima optimal für
die Tiere.” Eine Bereicherung
für das Kanton wäre dies allemal, fehlt es doch an etwas nur
annähernd Vergleichbarem.
Aber auch ohne Hilfe werden
die beiden den hohen Ansprüchen der Tiere und auch der Besucher gerecht. Speziell angefertigte mit Sicherheitsglas umrandete Terrarien, die grösser
sind als es die gängige Norm
vorgibt, bieten den Reptilien eine naturgetreue Nachbildung ihres Lebensraumes und den Anwesenden ausreichend Schutz.
Die Ausstellung ist zudem videoüberwacht und europaweit
in puncto Sicherheit führend.
Für den Notfall parat steht ausserdem ein mit unter anderem
Seren, Adrenalin und Antihistaminika bestens ausgestatteter
Medizinkoffer.
Etwaige
Berührungsängste
Reptilien unerfahrener Städter
sind also grundlos. Auch die anfängliche Skepsis gegenüber
des glimpflichen Ausgangs eines hautnahen Reptilienerlebnisses ist unbegründet und verfliegt mit dem ersten Kontakt.
Marcs Passion ist nicht nur ansteckend, sein Wissen über die
Tiere überzeugt letztendlich jeden. Selbst seine Mutter, die zunächst mit Unbehagen zusehen
musste, wie die exotische Tiersammlung im trauten Heim immer mehr anwuchs, arbeitete
Marc so gut ein, dass sie mittlerweile mit ebenso grossem Herzen die Tiere pflegt und bekümmert wie er selbst. Eben dieser
originären Hemmungen, bedingt durch mangelndes Wissen
und Vorurteilen gegenüber der
von vielen ungeliebten Tiere,
wollen Marc und Patricia entgegenwirken. “Alle Tiere sind
Schnappy und Samantha: Hören, wenn Marc sie ruft
grundsätzlich friedfertig”, klärt
Marc auf. “Verhält sich der
Mensch jedoch falsch, verteidigen sie sich oder halten ihn für
Beute.” Doch auch in solch einem Fall greifen Tiere nicht sofort und nie wahl- oder grundlos
an. Bestes Beispiel hierfür ist
wohl die Kobra, dessen auffälligstes Merkmal ihr spreizbares
Nackenschild ist. Fühlt sie sich
bedroht, versucht sie erstmal zu
fliehen. Wird ihr das verwehrt,
nimmt sie ihre typische Drohstellung ein, indem sie ihren
Oberkörper aufrichtet und den
Hals spreizt. Sie fixiert den potentiellen Angreifer, schwenkt
den Kopf hin und her und stösst
zischende, fast fauchende Drohlaute aus. Wer diese Botschaft
immer noch nicht versteht, dem
gibt die Kobra ein weiteres Zeichen. Sie dreht sich um und
zeigt ihr auf dem Nackenschild
befindliches “Auge”, das anderen Tieren in einem solchen Moment suggerieren soll, sie haben
es mit einem weitaus grösseren
Gegner zu tun als angenommen.
Nützt dies auch nicht, greift sie
an. Zu Marcs Reptilien zählen
ebenso die Skorpione und Vogelspinnen im hinteren Teil der
600 Quadratmeter grossen Halle. Auch hier sind Vorurteile und
fehlendes Wissen trügerisch.
Die Rotknie-Vogelspinne lässt
sich so behutsam und zaghaft
auf dem Handrücken nieder,
dass man ihr zu flüstern möchte,
sie könne einem vertrauen. Und
auch die beiden Brauen-Glattstirn-Kaimane, Schnappy und
Samantha, sind zutraulicher als
angenommen. Hören sie Marcs
Stimme, kommen sie in ihrem
sonderangefertigtem 2 000 Liter
Tank angeschwommen und beäugen ihn. Obwohl man Tiere
nicht mit menschlichen Attributen verwörtern sollte, entzieht
sich aber ihre Beschreibung anderer Möglichkeiten. Die Reptil-Expo gibt jedoch ein Gefühl
dafür, wie diese andere unbekannte Welt mit ihren faszinierenden Geschöpfen funktioniert
und zieht einen in ihren Bann –
ohne viel Worte.
Eintrittspreise: Erwachsene 15,
Kinder 10, Studenten 12 CHF.