CX015-09 - Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU

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CX015-09 - Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU
Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung
Untersuchungsbericht
Identifikation
Art des Ereignisses:
Unfall
Datum:
18. November 2009
Ort:
Emden
Luftfahrzeug:
Verkehrsflugzeug
Hersteller / Muster:
Dassault / Falcon 900EX
Personenschaden:
keiner
Sachschaden:
Luftfahrzeug schwer beschädigt
Drittschaden:
leichter Flurschaden
Informationsquelle:
Untersuchung durch BFU
Aktenzeichen:
BFU CX015-09
Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU)
Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.
Oktober 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und
Störungen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung
von Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt.
Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger
Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung
des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.
Herausgeber
Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung
Hermann-Blenk-Str. 16
38108 Braunschweig
Telefon
Telefax
0 531 35 48 - 0
0 531 35 48 - 246
Email:
Internet:
[email protected]
www.bfu-web.de
-2-
Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Inhalt
Seite
Identifikation .............................................................................................................. 1
Abkürzungen ............................................................................................................. 5
Kurzdarstellung ......................................................................................................... 7
1.
Sachverhalt ................................................................................................... 8
1.1
Ereignisse und Flugverlauf ............................................................................. 8
1.2
Personenschaden ......................................................................................... 11
1.3
Schaden am Luftfahrzeug............................................................................. 11
1.4
Drittschaden ................................................................................................. 11
1.5
Angaben zu Personen .................................................................................. 12
1.5.1 Verantwortlicher Luftfahrzeugführer.............................................................. 12
1.5.2 Copilot .......................................................................................................... 12
1.5.3 Kabinenbesatzung ........................................................................................ 12
1.5.4 Flugleiter ....................................................................................................... 12
1.6
Angaben zum Luftfahrzeug ........................................................................... 12
1.6.1 Luftfahrzeug .................................................................................................. 12
1.6.2 Bremsen ....................................................................................................... 13
1.6.3 Schubumkehr................................................................................................ 13
1.7
Meteorologische Informationen .................................................................... 15
1.8
Navigationshilfen .......................................................................................... 17
1.9
Funkverkehr .................................................................................................. 18
1.10
Angaben zum Flugplatz ................................................................................ 18
1.11
Flugdatenaufzeichnung ................................................................................ 19
1.11.1 Flugdatenschreiber ....................................................................................... 18
1.11.2 Cockpit Voice Recorder ................................................................................ 18
1.12
Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug .......................................... 19
1.13
Medizinische und pathologische Angaben.................................................... 22
1.14
Brand ............................................................................................................ 22
1.15
Überlebensaspekte ....................................................................................... 22
1.16
Versuche und Forschungsergebnisse ... ……………………………….………23
1.17
Organisationen und deren Verfahren............................................................ 23
1.18
Zusätzliche Informationen............................................................................. 23
1.19
Nützliche oder effektive Untersuchungstechniken ........................................ 23
-3-
Untersuchungsbericht BFU CX015-09
2.
3.
3.1
3.2
4.
5.
Beurteilung .................................................................................................. 25
Schlussfolgerungen ................................................................................... 31
Befunde ........................................................................................................ 31
Ursachen ...................................................................................................... 32
Sicherheitsempfehlungen .......................................................................... 32
Anlagen ....................................................................................................... 32
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Abkürzungen
AIP
Luftfahrthandbuch
Aeronautical Information
Publication
AFM
Airplane Flight Manual
ATPL
Lizenz für Verkehrspiloten
Airline Transport Pilot License
(Aeroplane)
BFU
Bundesstelle für Flugunfall- Federal Bureau of Aircraft Acciuntersuchung
dent Investigation
CPL
Lizenz für Berufspiloten
Commercial Pilot License (Aeroplane)
CRM
Crew Resource Management
CVR
Cockpit Voice Recorder
DFDR
Digital Flight Data Recorder
DWD
Deutscher Wetterdienst
FlUUG
Flugunfalluntersuchungsgesetz
ISP
Serviceperson an Bord
German Meteorological Service
Provider
Inflight Service Personnel
MCC
Multi Crew Concept
METAR
Routinewettermeldung
Aviation Routine Weather Report
NDB
Ungerichtetes Funkfeuer
Non-directional Beacon
OM
PF
Operating Manual
Luftfahrzeugführer am
Steuer
Pilot Flying
PM
Pilot Monitoring
RWY
Piste
Runway
SIGMET
Signifikante Wetterinformation
Significant Meteorological Information
TAF
Flugplatzwettervorhersage
Aerodrome Forecast
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
TCU
Throttle Control Unit
TRI/TRE
Type Rating Instructor/
Type Ra-ting Examiner
VLP
Uncontrolled Airfield
Verkehrslandeplatz
WAFC
World Area Forecast Center
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Kurzdarstellung
Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) wurde am 18.11.2009 um
11:26 Uhr1 durch den Verkehrslandeplatz Emden (EDWE) informiert, dass eine
Falcon 900EX nach der Landung das Pistenende überrollt hatte und das Bugfahrwerk abgebrochen war. Zwei Mitarbeiter der BFU wurden an die Unfallstelle entsendet. Das Ereignis wurde nach dem Gesetz über die Untersuchung von Unfällen
und Störungen bei dem Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (FlUUG) als Unfall klassifiziert und untersucht.
Der Unfall ist auf folgende Ursachen zurückzuführen:
1

Die längere Landestrecke auf Grund der Erhöhung der Anfluggeschwindigkeit wurde nicht berücksichtigt.

Das Flugzeug setzte zu spät auf der Piste auf.

Ein Durchstarten wurde zu spät erwogen.

Ein Durchstarten wurde nicht durchgeführt.

Die Leistung der Triebwerke wurde zu spät reduziert.

Eine Fehlfunktion der Schubumkehr wirkte der Bremskraft entgegen und
führte zur Verlängerung der Landestrecke.
Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
1.
Sachverhalt
1.1 Ereignisse und Flugverlauf
Um 10:48 Uhr startete die Falcon 900EX mit drei Besatzungsmitgliedern und fünf
Passagieren in Braunschweig (EDVE) zu einem Flug nach Instrumentenregeln
(IFR) nach Emden Für das Flugzeug und die Besatzung war es an diesem Tag
der erste Flugabschnitt.
Der Anflug auf die Piste 25 in Emden wurde als Nichtpräzisionsanflug (NDB)
durchgeführt. Dabei stand das Flugzeug unter Radarführung und in ununterbrochenem Funkkontakt mit den entsprechenden Flugüberwachungssektoren. Zunächst bestand Kontakt mit Bremen Radar. Von dort wurden auch die Wetterdaten
von Emden mitgeteilt: „runway in use is 25, wind… 200 degrees, 15 up to
20 knots, gusts between 25 knots and 30 knots, the visibility 9 kilometers, broken
clouds 1 800 ft, overcast 2 400 ft, temperature 10, dew point 8, QNH 1006.” Die
Besatzung bestätigte den Erhalt der Daten.
Danach wurde das Flugzeug zum Anflug an Wittmund Radar übergeben. Unter
dieser Kontrolle verblieb das Flugzeug bis zur Übergabe an Emden Info. Während
des Kontakts mit Wittmund Radar fragte diese Stelle, ob die Besatzung das Wetter
von Emden bereits habe. Dies wurde durch die Besatzung bestätigt. Das Flugzeug
wurde im weiteren Verlauf mithilfe von Vektoren – angefragt durch die Besatzung – bis zum NDB-Anflug geführt und die Freigabe für den NDB-Anflug auf die
Piste 25 erteilt.
Etwa 6,5 Minuten vor dem Aufsetzen, gegen 11:19 Uhr, erfolgte die Übergabe von
Wittmund Radar an Emden Info (118,6 MHz). Hier meldete sich die Besatzung unter Angabe des durchgeführten Anflugs. Der Flugleiter übermittelte folgende Informationen an die Besatzung: „…runway 25 in use, 1006 QNH“. Nach der Bestätigung durch die Besatzung gab er die Winddaten: „200, 15 up to 20, gusts 25 up
to 30 knots.“ Etwa vier Minuten später, ca. 1,5 Minuten vor dem Aufsetzen, meldete der Flugleiter unaufgefordert eine weitere Windinformation an die Besatzung
„200, 25 knots“, die sie mit ihrem Rufzeichen bestätigte. Weitere Funksprüche
wurden bis zum Stillstand des Luftfahrzeugs nicht getätigt.
Der Anflug verlief nach Aussage der Besatzung ereignislos und stabil, obwohl ein
starker und böiger Wind aus südwestlichen Richtungen vorherrschte. Für die Landung wurde bei einem Gewicht von ca. 14 420 kg eine Anfluggeschwindigkeit
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
(Vref) von 116 Knoten (kt) berechnet. Auf Grund des genannten Windes und der
Böen wurde die Vref auf 128 kt (Vbug) Anfluggeschwindigkeit erhöht. Die Landebahn war für die Besatzung nach eigener Aussage in einer Höhe von etwa 1 700 ft
in Sicht. Laut Flugdatenschreiber (DFDR) war die Entfernung zum Platz ca.
6,1 NM DME.
Die Piste war nach Zeugenaussagen nass; im letzten Viertel waren stellenweise
große Pfützen links und rechts an den Pistenrändern, auf den letzten 200 Metern
befand sich eine größere Pfütze links der Mittellinie.
Der Anflug und die Landung wurden in der Landekonfiguration „slats out, flaps
40°“ durchgeführt. Die „Final“-Checkliste wurde gelesen. Darin enthalten waren
u. a. ein Test des Anti-Skid-Systems und die Überprüfung der Hydraulikanzeigen.
Nach Aussage der Besatzung war beides normal.
Das Flugzeug setzte um ca. 11:26 Uhr auf der Piste 25 auf. Die Dauer vom Aufsetzen bis zum Stillstand des Luftfahrzeugs betrug nach den Aufzeichnungen des
DFDR ca. 26 Sekunden (s).
Nach Zeugenaussagen setzte das Flugzeug etwa 200 m nach der Schwelle auf.
Die Berechnung aus den Daten des DFDR ergab ein Aufsetzen mit dem Hauptfahrwerk bei etwa 214 m hinter der Schwelle. Die Geschwindigkeiten gem. DFDR
betrugen dabei 124 kt kalibrierte Geschwindigkeit (CAS) und 115 kt Geschwindigkeit über Grund (Ground Speed). Weitere Daten des DFDR zeigten, dass beim
Aufsetzen die Leistung auf allen drei Triebwerken bei etwa 56% N1 gesetzt war,
die Leistungshebel standen in einem Winkel von ca. 45°.
Nach dem Aufsetzen wurden die Bremsklappen (airbrakes) durch den nicht steuernden Piloten (PNF) ausgefahren, der DFDR zeigte die ausgefahrene Position
innerhalb ca. 1 s nach dem Aufsetzen. Mit dem Aufsetzen wurden durch den steuernden Piloten (PF) die zwei Leistungshebel der beiden äußeren Triebwerke auf
Leerlauf (Idle) gezogen, die im DFDR aufgezeichneten Winkel der Leistungshebel
zeigten einen Winkel von ca. 26°. Die Idle-Drehzahl auf diesen beiden Triebwerken betrug nach ca. 10 s etwa 28% N1, nach ca. 15 s etwa 26% N1 und nach ca.
20 s etwa 23% N1.
Die Schubumkehr am mittleren Triebwerk wurde ca. 0,5 s nach dem Aufsetzen betätigt. Der DFDR zeigt hierfür eine Übergangsphase von 3,5 s von der Position
„eingefahren (stowed)“ zu „ausgefahren (deployed)“. Die weiteren Aufzeichnungen
ergaben, dass die Schubumkehr nicht den voll ausgefahrenen Zustand erreicht
hatte. Trotzdem zeigten weitere Parameter entsprechend dem Winkel des Trieb-9-
Untersuchungsbericht BFU CX015-09
werkhebels (hier ca. 80°) und Triebwerkleistung (ca. 82% N1), dass die Schubumkehr eingesetzt wurde.
Ca. 8 s nach dem Aufsetzen bei einer zurückgelegten Distanz von ca. 430 m auf
der Piste wurde ein Durchstarten (go-around) durch den PF ausgerufen. Dies
wurde innerhalb von etwa einer Sekunde durch beide Besatzungsmitglieder widerrufen mit den Worten „nee, zu spät“ bzw. „…nee, nicht mehr“.
Etwa 11 s nach dem Einsatz der Schubumkehr wurde diese nach einem Rollweg
von ca. 665 m bei einer Geschwindigkeit (CAS) von etwa 95 kt (ca. 80 kt ground
speed) wieder eingefahren. Der aufgezeichnete Winkel des Leistungshebels zeigte, dass dieser innerhalb von ca. 0,7 s von ca. 80° auf ca. 21° (idle) reduziert wurde. Die Triebwerksleistung benötigte ca. 3 s bis zum Abbau der Leistung auf ca.
36% N1, die Geschwindigkeit betrug zu diesem Zeitpunkt ca. 45 kt CAS und ca.
34 kt Ground Speed. Nach Erreichen dieser Leistung reduzierte sich diese weiter
auf ca. 33% N1, der Triebwerkshebel blieb dabei unverändert.
Beim Einfahren der Schubumkehr verblieben noch ca. 320 m Piste. Auf dieser
Strecke versuchte die Besatzung weiter, das Flugzeug von etwa 95 kt CAS / 80 kt
Ground Speed bis zum Stillstand abzubremsen. Nach insgesamt ca. 900 m zurückgelegter Strecke wurde das Flugzeug nach rechts gesteuert. Laut Aussage
der Besatzung sollte ein Auftreffen auf die Landebahnbefeuerung hinter dem Pistenende vermieden werden. Der DFDR zeigt hier eine Geschwindigkeit von ca.
62 kt CAS / 49 kt Ground Speed. Das Pistenende wurde mit ca. 15 kt Ground
Speed überrollt. 2,40 m nach dem Pistenende stieß das Flugzeug mit dem Bugrad
gegen einen Betonsockel der Anflug-/Pistenbefeuerung der Piste 07/25. Dabei
brach das Bugfahrwerk ab und das Flugzeug kam ca. 1 m dahinter zum Stillstand.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Nach dem Stillstand ordnete der Kapitän das Aussteigen der Passagiere an mit
den Worten: „…Tür auf, Tür auf und raus mit den Leuten, raus“.
Die zusätzliche Besatzungsangehörige öffnete daraufhin die Passagiertür vorne
links. Alle Personen verließen das Flugzeug anschließend über diese Tür, Verletzte gab es keine.
1.2 Personenschaden
Es kamen keine Personen zu Schaden.
1.3 Schaden am Luftfahrzeug
Das Luftfahrzeug wurde schwer beschädigt
1.4 Drittschaden
Es entstand geringer Flurschaden.
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1.5 Angaben zu Personen
1.5.1 Verantwortlicher Luftfahrzeugführer
Der 55-jährige verantwortliche Luftfahrzeugführer, am Ereignistag PF, war im Besitz einer Lizenz für Verkehrspiloten (ATPL), ausgestellt nach den Regelungen
JAR-FCL deutsch. Er war berechtigt, das Muster Falcon 900EX als verantwortlicher Luftfahrzeugführer zu führen und als Lehrer für typenbezogene Ausbildung
(TRI) auf diesem Muster tätig zu sein. Er war lizenziert für Flüge nach Instrumentenflugregeln und Landungen nach Kategorie I (CAT I). Seine Gesamtflugerfahrung belief sich auf ca. 18 400 Stunden, davon wurden ca. 8 500 Stunden auf
dem betroffenen Muster geflogen. Das letzte Simulatortraining war im Juni 2009.
Das Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war bis zum 13.01.2010 gültig.
1.5.2 Copilot
Der 27-jährige zweite Luftfahrzeugführer, am Ereignistag PM, war im Besitz einer
Lizenz für Berufspiloten (CPL), ausgestellt nach den Regelungen JAR-FCL
deutsch. Er war berechtigt, das Muster Falcon 900EX als Copilot zu führen und
war lizenziert für Flüge nach Instrumentenflugregeln und Landungen nach CAT I.
Seine Gesamtflugerfahrung betrug ca. 700 Stunden (mit Flugsportgerät ca. 3 500
Stunden), davon wurden ca. 420 Stunden auf dem betroffenen Muster geflogen.
Das letzte Simulatortraining war im August 2009. Das Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war bis 03.01.2010 gültig.
1.5.3 Kabinenbesatzung
Die 33-jährige zusätzliche Besatzungsangehörige verfügte über eine Gesamtflugerfahrung von 1 523 Stunden, sämtliche auf dem Muster Falcon 900EX. Sie
war als sog. „Inflight Service Personnel“ (ISP) eingesetzt.
1.5.4 Flugleiter
Der 40-jährige Flugleiter war seit 14.04.2000 am Verkehrslandeplatz Emden tätig.
1.6 Angaben zum Luftfahrzeug
1.6.1 Luftfahrzeug
Bei der Falcon 900EX handelt es sich um einen Tiefdecker mit zwei Hauptfahrwerken und einem Bugfahrwerk. Das Flugzeug verfügt über 14 Sitzplätze. Alle drei
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Triebwerke sind am Rumpfheck angebracht, davon ist das mittlere Triebwerk mit
einer Schubumkehr ausgestattet.
Das Luftfahrzeug hat eine Länge von 20,21 m, eine Spannweite von 19,33 m und
eine Höhe von 7,55 m. Es ist nach ICAO-Richtlinien in die Feuer- und Rettungskategorie4 eingeordnet.
Luftfahrzeug-Hersteller:
Dassault Aviation
Muster:
Falcon 900EX
Werknummer:
65
Baujahr:
2000
höchstzulässige Startmasse:
49 000 lbs
höchstzulässige Landemasse:
44 500 lbs
Gesamtflugzeit Zelle:
6 619 Stunden
Cycles gesamt:
2 746
Triebwerkmuster:
Honeywell TFE 731-60-1C
Das Luftfahrzeug wurde am 01.07.2008 auf den Kaimaninseln zum Verkehr zugelassen und seitdem in einem Unternehmen im nichtgewerblichen Werksverkehr
betrieben.
Die Bescheinigung über die Prüfung der Lufttüchtigkeit (Certificate of Airworthiness) wurde am 01.07.2009 durch die zivile Luftfahrtbehörde (CAA) der Kaimaninseln ausgestellt und war bis zum 30.06.2010 gültig.
Die letzte „Basic Inspection“ wurde am 22.09.2009 bei 6 526 Flugstunden und
2 650 Landungen (Flight Cycles) durchgeführt.
1.6.2 Bremsen
Die Bremsen an den vier Hauptfahrwerken können manuell mit den Pedalen gesteuert werden. Das Bremssystem wird im Normalfall vom Hydraulik-System 1 und
das Notbremssystem wird vom Hydraulik-System 2 versorgt. Zudem verfügen die
Bremsen über ein Anti-Skid-System.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Im Cockpit gibt es einen Wahlschalter mit drei Stellungen:
Position 1: “on #1“ – normal braking with antiskid system
Position 2: “off #2” – emergency braking with no antiskid system
Position 3: “off #1” – normal braking with no antiskid system
(Quelle: Dassault Aviation – Falcon 900EX, Operating Manual)
Bei der Begehung des Luftfahrzeugs durch die BFU stand der Schalter auf Position 1.
1.6.3 Schubumkehr
Das Flugzeug verfügt über eine Schubumkehr am mittleren Triebwerk, die ausschließlich für die Benutzung am Boden zugelassen ist. Die Benutzung gem.
Flughandbuch (Dassault Aviation) soll erfolgen, nachdem alle drei Fahrwerke am
Boden und die Luftbremsen ausgefahren sind, und kann mit voller Leistung bis
zum kompletten Stillstand des Flugzeuges eingesetzt werden.
Am DFDR wurden zwei Parameter aufgezeichnet:
- „in transit“: die Schubumkehrtüren am Triebwerk fahren auf, währenddessen
kann der Schubumkehrhebel im Cockpit nicht weiter als „idle“ gezogen werden
- „deployed“: die Schubumkehrtüren sind voll geöffnet, der Schubumkehrhebel im
Cockpit wird freigegeben und die Leistung kann auf mehr als „idle“ erhöht werden
Sind beide Parameter auf „-“ ist die Schubumkehrung deaktiviert und die Türen am
Triebwerk sind eingefahren.
Die Funktionsweise der Schubumkehr wird im Maintenance Manual des Herstellers wie folgt beschrieben:
C. Throttle Control Unit
Aircraft on the ground:
(1.) Deployment
Deployment is obtained by setting engine No. 2 throttle control lever to IDLE position and retarding the thrust reverser control lever.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
The throttle control lever is then mechanically latched in IDLE position. During
TR door movement, the TR control lever is electrically self-held in position.
NOTE: When the TR doors are fully deployed, the TR control lever can be
moved to modify engine No. 2 power, thus creating the desired aircraft "deceleration effect".
(2.) Stow
As soon as the TR doors are fully deployed, the TR control lever can be advanced for TR doors stowing.
Engine No. 2 throttle control lever is unlatched when the TR doors are completely stowed.
Weiterführend in der detaillierten Darstellung der Funktionsweise ist die Sequenz
wie folgt beschrieben:
(a.) Sequence initiation, overstow
The aircraft on the ground, TR doors stowed, and engine No. 2 throttle lever at
IDLE, the TRCU (Thrust Reverser Control Unit) is connected to the ground
through ground/flight relay and "engine No. 2 throttle lever at IDLE" signal from
proximity sensor. The TR control lever on engine No. 2 throttle control lever may
then be activated.
Selection by the pilot of the TR control lever to TR IDLE, initiates the following
deployment sequence:
With the throttle control lever at 23°, proximity sensor is activated thus energizing relay through TRCU. Energized relay directly supplies (self-hold) electromagnet from bus B2 through circuit breaker. Electro-magnet locks engine No. 2
throttle control lever in IDLE position. TRCU controls display of "TRANS" indication on EID through DAU 2 and energization of isolation electric valve of hydraulic control valve.
With the throttle control lever at 25°, proximity sensor is activated thus energizing the "stow" electric valve of hydraulic control valve from bus B2, through circuit breaker, unlatching proximity sensors in latched position and TRCU. TRCU
energizes relay and the "unlatching" electric valve of hydraulic control valve. Relay energizes electro-magnet from bus B2. TR doors are in "overstow" cycle.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
As soon as proximity sensors trip to "unlatched" position, the "stow" electric
valve is de-energized and the "deploy" electric valve of hydraulic control valve is
energized. TR doors are in "deploy" cycle.
(b.) Deploy
The "deploy" electric valve of hydraulic control valve is energized until the TR
doors receive a stow command. When the TR doors are fully deployed, thrust
reverser "deploy" proximity sensor tilts to "deploy" position (closed contact).
TRCU cancels display of "TRANS" indication and triggers display of "DEPLOY"
indication on EID through DAU 2.
The thrust reverser control lever may be advanced to TR FULL POWER position.
Auszug aus Falcon 900EX, Operating Manual – Procedures, Normal Procedures,
after landing checklist mit Nutzung der Schubumkehr:
1.7 Meteorologische Informationen
Der Besatzung stand bei Flugantritt eine Wettervorhersage (TAF) für den militärischen Flughafen Wittmund (ETNT) zur Verfügung, welcher sich ca. 50 km nordöstlich von Emden befindet. Dieser war zu entnehmen:
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Wind aus 210° mit 25 kt, in Böen bis 45 kt, Sichtweite mehr als 10 km, aufgelockerte Bewölkung (SCT) in 700 ft, aufgebrochene Bewölkung (BKN) in 3 000 ft,
zeitweise zwischen 10:00 und 18:00 Uhr ein Wind aus 210° mit 25 kt, in Böen bis
50 kt, 7 000 m Sichtweite, leichter Regen, BKN in 700 ft und bedeckt (OVC) in
1 500 ft.
Zudem informierte sich die Besatzung über das Internet über die Wettervorhersage für die Stadt Emden, welche folgende Werte zeigte: morgens 9°, mittags 10°,
Wind aus Südwest mit 41 km/h in Böen 72 km/h, 95% Risiko von Niederschlag mit
5 – 15 l/qm, Luftfeuchtigkeit 87%.
Die amtliche Wetterauskunft des Deutschen Wetterdienstes (DWD) enthielt folgende Informationen:
1. Flugmeteorologische Wettervorhersagen
Im GAMET vom 18.11.2009 für Bremen FIR mit der Ausgabezeit 09:00 UTC gültig für 09:00 UTC bis 15:00 UTC wurden für den nordwestlichen Teil des Gebietes 30 Knoten bis 35 Knoten Wind, 4 000 m horizontale Sichtweite am Boden
und Regen oder Sprühregen vorhergesagt. Signifikante Wolken wurden in 600 ft
AGL bis 800 ft AGL für die Zeit von 09:00 UTC bis 12:00 UTC erwartet.
Es wurde eine mäßige, an der Küste starke Turbulenz unterhalb von 3 000 ft
AGL prognostiziert. In der Flugwetterprognose von 06:00 UTC, gültig von
12:00 UTC bis 18:0 UTC für den Bereich Nord wurden bis zum Mittag Böen bis
55 Knoten angesprochen. Das GAFOR-Gebiet 05 (Nordwestliches Niedersachsen) war von 08:00 UTC bis 10:00 UTC mit DELTA 1 eingestuft, das entspricht
einer horizontalen Sichtweite am Boden über 8 km und/oder einer Wolkenuntergrenze zwischen 1 000 ft AGL und 2 000 f AGL.
In der Zeit von 10:00 UTC und 12:00 UTC war die Einstufung DELTA 4. Das
entspricht einer horizontalen Sichtweite am Boden von 5 km bis 8 km und/oder
einer Wolkenuntergrenze zwischen 1 000 ft AGL und 2 000 ft AGL. Ein SIGMET
gab es zu dieser Zeit nicht. Die Flugplatzwetterwarnung für Emden und die
Flugwetterwarnung für das GAFOR-Gebiet 05 (Nordwestliches Niedersachsen)
ausgegeben um 07:57 UTC waren gültig von 08:30 UTC bis 18:00 UTC. Sie
warnten vor starkem Wind aus Südwest mit Böen 40 Knoten bis 45 Knoten, im
Küstenbereich um 50 Knoten.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
2. Wetterlage
Am 18.11.09 entwickelte sich ein Tief über den Britischen Inseln zu einem kleinen aber intensiven Orkantief, da über die Nordsee nach Jütland zog. Das Tief
brachte an der Nordsee verbreitet orkanartige Böen. Mit der Warmfront war ein
ausgedehntes Regengebiet verbunden, das Emden im Laufe des Vormittags erreichte.
3. Wetter-, Sicht- und Bewölkungsverhältnisse im Flugraum
Die Wettermeldestelle Emden (EDWE) meldete um 10:00 UTC 19 Knoten Mittelwind und 33 Knoten in Böen aus 200 Grad, um 11:00 UTC betrug der Mittelwind 21 Knoten mit 35 Knoten in Böen aus 200 Grad.
Die vorliegenden Daten zeigen, dass in den unteren Luftschichten bis 3 000 ft
AGL sehr wahrscheinlich mäßige Turbulenz auftrat.
1.8 Navigationshilfen
Für Anflüge auf die Piste 25 nach Instrumentenflugregeln (IFR) stand ein ungerichtetes Funkfeuer (NDB) zur Verfügung.
1.9 Funkverkehr
Der Funkverkehr wurde mit den jeweils zuständigen Kontrollstellen in englischer
Sprache geführt. Die Aufzeichnungen des Funkverkehrs standen für die Untersuchung zur Verfügung.
1.10 Angaben zum Flugplatz
Der Verkehrslandeplatz Emden (EDWE) liegt in einer Höhe von 2 ft über Meereshöhe. Er verfügt über eine Start-/ Landepiste für die Richtungen 07 und 25. Die
Asphaltpiste ist 1 300 m lang und 30 m breit. Die Schwelle der Piste 25 ist um
100 m versetzt, daraus ergibt sich eine zur Verfügung stehende Landestrecke von
1 200 m.
Beide Landerichtungen verfügen über einen NDB-Anflug. Zum Zeitpunkt des Unfalles war die Piste 25 in Betrieb und stand ebenso wie das NDB ohne Einschränkungen zur Verfügung.
Der Verkehrslandeplatz ist zugelassen für Flugzeuge mit einer Höchstmasse von
14 000 kg. Für die Falcon 900EX galt eine Ausnahmegenehmigung für Landung
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
und Start, erteilt durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und
Verkehr, Geschäftsbereich Oldenburg. Sie war gültig bis 30.06.2010 und enthielt
u. a. folgende Auflagen:
- Flüge aufgrund dieser Erlaubnis sind nur zulässig, wenn sie nach den Angaben und Betriebsgrenzen im Flugbetriebshandbuch für die o. g. Luftfahrzeuge durchführbar sind
- ausreichender Feuerschutz ist sicherzustellen
- Das tatsächliche Abfluggewicht darf 14 000 kg nicht überschreiten
Die Feuerlösch- und Rettungseinrichtungen am Landeplatz entsprachen der
ICAO-Kategorie 3, auf Anfrage wird diese auf Kategorie 4 erhöht. Die Feuerwehr
Emden stellte ab 10:45 Uhr ein Sonderlöschfahrzeug bereit, um die Kategorie 4
sicherzustellen.
1.11 Flugdatenaufzeichnung
1.11.1 Flugdatenschreiber
Das Flugzeug war mit einem Flugdatenschreiber Solid State Flight Data Recorder
(SSFDR), P/N 980-4700-025, des Herstellers Allied Signal ausgerüstet. Es werden
90 Parameter aufgezeichnet; für die Untersuchung standen die Daten der letzten
zwölf Flüge zur Verfügung.
1.11.2 Cockpit Voice Recorder
Es war ein Solid State Cockpit Voice Recorder (SSCVR), P/N 980-6022-011, des
Herstellers Allied Signal installiert. Der SSCVR verfügte über eine Aufzeichnungskapazität von zwei Stunden. Die Daten der gesamten Aufzeichnungsdauer standen für die Untersuchung zur Verfügung.
1.12 Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Die Falcon 900EX kam mit dem Bugfahrwerk hinter dem Ende der Piste 25 im
Gras zum Stillstand; die Rumpfspitze war dabei ca. 8 m vom Pistenende entfernt.
Der vordere Rumpf lag auf einer Länge von ca. 2,70 m auf dem Gras auf dem
Bugfahrwerk. Die beiden Hauptfahrwerke befanden sich auf der Landebahn, das
linke ca. 1,5 m vor dem Ende der Piste. Die Rumpflängsachse war etwa 12° nach
rechts gedreht und befand sich rechts der Mittellinie der Bahn.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Ca. 2,40 m hinter dem Pistenende befanden sich eine Lampenreihe der Anflugbefeuerung für die Piste 07 sowie Lampen, die das Ende der Piste 25 anzeigten. Von
diesen Lampen war eine mit dem Betonsockel aus dem Fundament nach hinten
gedrückt und befand sich nach dem Stillstand des Flugzeugs hinter dessen Eingangstür. Die Lampe blieb funktionstüchtig.
Lage des Luftfahrzeugs nach Stillstand
Foto: Flugleitung Emden
Das unter dem Rumpf liegende Bugfahrwerk war abgebrochen und zeigte Spuren
eines Anpralls. Die Bugfahrwerksklappen waren teilweise abgerissen bzw. schwer
beschädigt. Der vordere Rumpf war im unteren Bereich hinter dem Fahrwerkschacht eingedrückt und wies auf beiden Seiten bis knapp unter die Cockpitfenster
Dellen (horizontal und vertikal) auf. Die darunterliegende Struktur war zum Teil
beschädigt.
Nach dem Aufprall am Betonsockel und dem Fall des Bugs auf den Boden war
das Flugzeug hauptsächlich im unteren Teil des Rumpfes von der Rumpfnase
über Spant 0 bis Spant 8 beschädigt.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Im Einzelnen wurden folgende Schäden festgestellt:
- Rahmen A verzogen und gebrochen an der Unterseite; Bugprofil verzogen, nicht
mehr passend an Rahmen 0
- Rahmen 0 gebogen im Aufhängungsbereich, Verschluss des Radoms verbogen,
Aufhängung und Verschlusspin an der Unterseite gebrochen
- TAT-Fühler defekt
- Große Deformation im unteren Bereich zwischen Rahmen 2 und 4
- Bugfahrwerkaufhängung gebrochen
- Unterer Teil von Rahmen 4 durchgebrochen
- Gesamter Bereich Bugfahrwerk ist zu überprüfen und zu vermessen
- Klappen des Bugfahrwerks abgerissen
- Querträger von Rahmen 4 bis 7 verbogen
- Bodenstruktur im Bereich von Rahmen 4 bis 8 verbogen bzw. durchgebrochen
Beschädigungen Bugfahrwerk und vorderer Rumpf
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Fotos (2): BFU
Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Bahnbefeuerung
Foto: Flugleitung Emden
Bahnbefeuerung auf Betonsockel
Foto: BFU
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
1.13 Medizinische und pathologische Angaben
entfallen
1.14 Brand
Ein Brand entstand nicht.
1.15 Überlebensaspekte
Die Falcon 900EX verfügt über eine Passagiertür ohne Fenster vorne links. Eine
Treppe ist fester Bestandteil der Türstruktur. Ein Notausgang befindet sich auf der
rechten Seite der Kabine über der Fläche.
Ein Sitz für zusätzliche Besatzungsangehörige ist direkt hinter dem Copilotensitz
auf der rechten Seite platziert und quer zur Flugrichtung angebracht. Die ISP hatte
diesen Sitz zum Landeanflug eingenommen. Eine Tür zum Cockpit gibt es nicht.
Der Sitz lässt den Blick sowohl ins Cockpit als auch in die Passagierkabine zu.
Die Tür konnte nicht vollständig geöffnet werden. Sie lag halb geöffnet in fast
waagrechter Position auf dem Boden. Die Treppe bildete in dieser Lage eine Form
ähnlich Dreiecken mit der Spitze nach oben.
Lage der Passagiertür
Foto: BFU
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
1.16 Versuche und Forschungsergebnisse
entfallen
1.17 Organisationen und deren Verfahren
entfallen
1.18 Zusätzliche Informationen
Auszug aus der „Dienstanweisung für die Luftaufsicht an Flugplätzen ohne Flugverkehrskontrolle in Niedersachsen“
Punkt 19.2 Landungen:
[…] Der verantwortliche Luftfahrzeugführer ist in geeigneter Weise (z. B. über
Funk) über die vorherrschenden Bedingungen zu unterrichten, damit er über die
beabsichtigte Landung in eigener Verantwortung entscheiden kann. Die Hinweise
sind aktenkundig zu machen.
1.19 Nützliche oder effektive Untersuchungstechniken
Der Sequenz nach muss der Schubumkehrhebel, der Teil der Throttle Control Unit
(TCU) ist, zunächst durch eine mechanische Sperre in der Leerlaufposition blockiert bleiben, bis die Schubumlenktüren am Triebwerk vollständig aufgefahren
sind. Anschließend kann der Hebel komplett für die volle Leistung der Schubumkehr ausgefahren werden.
Bei mehreren Versuchen an der TCU – zunächst im eingebauten Zustand und
später ausgebaut auf einem Prüfstand in einem Testlabor – konnte der Schubumkehrhebel immer direkt in die voll ausgefahrene Position gefahren werden.
Bei beiden Untersuchungen wurde festgestellt, dass die erste mechanische Sperre nicht korrekt arbeitete und es sichtbare hohe Abnutzungsspuren an der Sperre
gab. Bei den Untersuchungen auf dem Prüfstand war es jederzeit möglich den
Schubumkehrhebel bei einem Kraftaufwand von 500 gF (gemessen mit einem Dynamometer) direkt in den voll ausgefahrenen Zustand zu bringen.
Nach korrekter Justierung der Mechanik wurde gemessen, dass mit einem Kraftaufwand von über 11,5 kgF die mechanische Sperre wirksam blieb.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Mechanische Sperre an TCU
Foto: BEA
Mechanische
Sperre
Throttle Control Unit
Quelle: Dassault
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
2.
Beurteilung
Bei dem Flug von Braunschweig nach Emden handelte es sich um einen Flug im
Werksverkehr. Die Strecke wurde im Unternehmen regelmäßig geflogen.
Im Mittelpunkt der Untersuchung des Unfalls stand die Klärung warum es zu einem Überrollen des Bahnendes kam. In diesem Zusammenhang wurden die operationellen Verfahren sowie technische Aspekte untersucht.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass nicht ein Faktor ausschlaggebend für das
Überrollen war, sondern ein Zusammenwirken von mehreren Faktoren.
2.1 Operationelle Aspekte und Flugverlauf
Örtliche Gegebenheiten
Bei Flugantritt standen der Besatzung ausreichend Informationen zur Verfügung.
Der Landeplatz ist von beiden Piloten schon angeflogen worden, damit waren die
infrastrukturellen Gegebenheiten, wie die kurze Piste, bekannt. Flugplatzseitig gab
es keine Einschränkungen, die Piste stand in voller Länge von 1 200 m für die
Landung zur Verfügung.
Die Vorbereitungszeit vor dem Flug war ausreichend, um die Wetter- und Infrastrukturbedingungen zu beurteilen und in die Berechnungen einfließen zu lassen.
Meteorologische Informationen
Am Ereignistag standen ausreichend offizielle Wetterinformationen zur Verfügung.
Da für den VLP Emden nur eine Vorhersage von einem Internetportal zu erhalten
war, holte sich die Besatzung die TAF/METAR vom militärischen Flughafen Wittmund (ETNT). Auf Grund der Nähe des Flughafens zu Emden und der SIGMETKarte des WAFC London, konnte davon ausgegangen werden, dass das Wetter
am VLP Emden sehr ähnlich wie in ETNT sein würde.
Während des Fluges im Kontakt mit Bremen Radar holte die Besatzung frühzeitig
das aktuelle Wetter von EDWE ein.
Die Wetterangaben von ETNT waren mit 25 kt sehr zutreffend. Die Böen, mit 45 kt
vorhergesagt, lagen während des Anflugs und zur Landung dagegen unterhalb
dieses Wertes bzw. gab es nach der letzten Meldung des Flugleiters nicht mehr.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Die eingeholten Wetterangaben zur Region Emden über ein Internetportal entsprachen der Vorhersage des Flughafens ETNT, leichter Regen war in beiden
Vorhersagen angekündigt.
Die Wetterinformationen waren für die Durchführung des Fluges ausreichend und
auch zutreffend. Sie zeigten für die Landung in Emden keine Einschränkungen.
Aus den Wetterinformationen war zu entnehmen, dass es zur Landung böig sein
würde und mit einer nassen Piste zu rechnen sei. Während des Fluges gab es
keine weiteren Informationen zum Zustand der Piste.
Bremsen
Der Wahlschalter auf Position 1 „normal braking with antiskid system“ war gemäß
„Before Take Off“ Checkliste geschaltet und auch zur Landung auf dieser Position
belassen worden. Die Aufzeichnungen des CVR bestätigen die Überprüfung der
Schalterposition.
Das Hydrauliksystem 1 und das Anti-Skid-System wurden beim Lesen der „Final“
Checkliste überprüft, die Anzeigen waren nach Aussage der Besatzung normal,
Warnungen gab es nicht. Die Aufzeichnungen des CVR belegen die Abarbeitung
der Checkliste, der DFDR bestätigte keine Warnanzeigen für das Hydraulik- oder
Bremssystem. Unter diesen Voraussetzungen konnte die Besatzung davon ausgehen, dass ein reguläres Bremsen möglich war ist.
Anflug/Landung
Der Flug sowie der Anflug verliefen nach Aussage der Besatzung bis zum Aufsetzen stabil. Die Aufzeichnungen des DFDR bestätigten dies, sie zeigten keine Abweichungen oder Unregelmäßigkeiten. Die Arbeitsbelastung war bis kurz vor dem
Aufsetzen gering, Crew Ressource Management (CRM) und Multi Crew Concept
(MCC) wurden sehr gut umgesetzt und angewandt. Der NDB-Anflug – einziges
IFR-Anflugverfahren – wurde von der Besatzung durchgeführt, was unter den gegebenen Wetterbedingungen richtig war.
Die Landegeschwindigkeit Vref wurde in Übereinstimmung mit dem Performance
Manual für F900EX bei einem Gewicht von ca. 14 420 kg mit 116 kt berechnet.
Die sich daraus ergebende benötigte Landestrecke betrug 745 m, die Berechnung
basierte auf einer trockenen Piste. Auf Grund der zu erwartenden Böen wurde die
Vref durch die Besatzung korrekterweise um 12 kt erhöht.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Dass die Piste – wie Zeugen beschrieben hatten – nass war und sich im letzten
Viertel stellenweise große Pfützen befanden, hätte von der Besatzung durchaus
erkannt werden können, da sie nach eigenen Angaben die Piste während des
NDB-Anflugs in einer Höhe von etwa 1 700 ft (Entfernung zum Platz ca. 5 NM) in
Sicht hatte. Der Pistenzustand wurde jedoch nach den Aufzeichnungen des CVR
nicht kommuniziert und wurde nach Aussagen der Besatzung während des Anflugs auch nicht erkannt.
Das Aufsetzen erfolgte bei ca. 214 m hinter der Schwelle. Dies ist für die kurze
Bahn und eng kalkulierten Leistungsdaten auch unter idealen Umständen sehr
spät, um das Flugzeug noch bis zum Stillstand auf der Bahn abbremsen zu können.
Ein Durchstarten wurde vor dem Aufsetzen weder ausgerufen noch durchgeführt.
Nach dem Aufsetzen wurden die Bremsklappen wie vorgeschrieben durch den Pilot Monitoring ausgefahren. Gleichzeitig erfolgte durch den Pilot Flying das Zurückziehen der Leistungshebel von Triebwerk Nr. 1 und 3 auf Leerlauf. Bei Triebwerk Nr. 2 wurde aus ca. 51% N1 (Schub für die Landung) direkt die
Schubumkehr betätigt, welche innerhalb von ca. 2 s auf voller Leistung war.
Auf Grund der kurzen Landebahn musste die Schubumkehr so früh wie möglich
betätigt werden, was durch den PF direkt nach dem Aufsetzen durchgeführt wurde. Da der mechanische Stopp der Schubumkehr jedoch nicht einwandfrei arbeitete, konnte der Hebel direkt bis zur vollen Schubumkehr gezogen werden. Dies folgert aus den zusammentreffenden Umständen einer defekten Schubumkehr und
dem Nichtbeachten der Checkliste, die die Überprüfung der Anzeigen „TRANSIT“
und „DEPLOY“ verlangt, bevor die Schubumkehr uneingeschränkt eingesetzt werden kann.
Das Ausrufen „Go-Around“ erfolgte ca. 8 s nach dem Aufsetzen durch den PF. Auf
Grund der kurzen Pistenlänge erfolgte diese Ansage jedoch zu spät, um noch sicher durchzustarten. Zu diesem Zeitpunkt betrug die verfügbare Pistenlänge noch
etwa 550 m, die Landeklappen standen auf 40° und die Schubumkehr auf voller
Leistung.
Dies wurde vom PM und auch vom PF sofort erkannt, der „Go-Around“ verworfen
und das Bremsmanöver weiter durchgeführt. Dies entsprach auch den Vorgaben
des Operating Manual, Normal Procedures, „Thrust Reverser Operation“.
Die Schubumkehr wurde ca. 14 s nach dem Aufsetzen wieder eingefahren. Obwohl diese in die Leistungsberechnung in der Zulassung und Flugplanung nicht
mit einbezogen wird, ist sie als eine Hauptkomponente beim Verzögern auf nasser
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Bahn zu sehen. Das Einfahren der Schubumkehr hätte nach den Vorgaben des
AFM nicht stattfinden müssen, da die Nutzung der Schubumkehr bis zum Stillstand zugelassen ist und dementsprechend - vor allem auf kurzen sowie nassen
Pisten - benutzt werden sollte.
Auf Grund der Fehlfunktion der Schubumkehr wirkte diese jedoch nicht in vollem
Umfang und entgegen der regulären Verzögerung von Schubumkehr und Radbremsen. Die gewünschte Verzögerung wurde daher nicht erreicht. Das Einfahren
der Schubumkehr entgegen der Vorgabe im AFM ist daher als positiv zu werten,
da in diesem Fall die Bremswirkung erhöht wurde.
Als die Besatzung davon ausging, dass ein Überrollen nicht mehr zu vermeiden
war, lenkte der Kapitän das Flugzeug nach rechts, um ein Auftreffen auf die Landebahnbefeuerung (7 Lampen auf Betonsockeln) zu vermeiden. Durch das Lenkmanöver wurde nur der äußerste rechte Betonsockel der Pistenbefeuerung mit
dem Bugfahrwerk getroffen, was zum Stillstand des Flugzeugs führte. Obwohl das
Bugfahrwerk dabei abbrach, konnte durch das Manöver verhindert werden, dass
das Flugzeug mit den Hauptfahrwerken und beiden Tragflächen die Lampen/Betonsockel berührte und dadurch ein eventuelles Abbrechen der Hauptfahrwerke
und damit verbundenes Aufreißen der Tanks vermieden werden.
Geschwindigkeit/Landestrecke
Die Landegeschwindigkeit Vref wurde in Übereinstimmung mit dem AFM für
F900EX bei einem Gewicht von ca. 14 420 kg mit 116 kt berechnet. Die sich daraus ergebende benötigte Landestrecke war 745 m auf trockener Piste. Unter Berücksichtigung der Wettervorhersage musste aber davon ausgegangen werden,
dass die Piste zur Landung nass sein würde und damit die Landestrecke gemäß
Performance Manual in der Berechnung um 15% erhöht werden musste. Mit diesem Aufschlag ergibt sich eine korrigierte Landestrecke von 857 m.
Die Vref wurde auf Grund der zu erwartenden Böen durch die Besatzung um 12 kt
erhöht, was den Verfahren gem. Operating Manual, Normal Procedures entspricht.
Das Performance Manual gibt an, dass sich bei einer Erhöhung der Geschwindigkeit über der Schwelle pro 10 kt die Landestrecke um 15% verlängert. Daraus
ergibt sich bei einer berechneten Landestrecke von 745 m eine Strecke von 857 m
bei trockener Piste.
Rechnet man mit der erhöhten Geschwindigkeit und einer nassen Piste, resultiert
daraus eine Landestrecke von 986 m. Beide Faktoren – nasse Bahn und Erhöhung der Vref – wurden während des Anflugs nach den Aufzeichnungen des CVR
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
nicht berücksichtigt. Nach Aussagen der Besatzung wurde dies im Briefing erörtert
und sie rechneten mit einer lediglich feuchten Bahn, da die Schauer, wie auf dem
Radarbild im Briefing schon zu erkennen war, erwartungsgemäß nach Nordosten
abgezogen waren.
Das Landegewicht überschritt mit ca. 420 kg das zulässige Gesamtgewicht für den
Flugplatz Emden, blieb aber innerhalb der Ausnahmegenehmigung der Landesbehörde, die nur ein beschränktes Gewicht für den Abflug enthält. Bei einer Landung mit 14 000 kg wäre die aktuelle Landestrecke auf trockener Bahn ca. 725 m
und nach Anwendung der Faktoren etwa 958 m gewesen. Dies berücksichtigt
nicht die defekte Schubumkehr.
Aufsetzpunkt
Das späte Aufsetzen resultiert aus Sicht der BFU aus verschiedenen Faktoren.
- Die Anfluggeschwindigkeit war durch die Erhöhung für das aktuelle Landegewicht zu hoch. Bei 50 ft über Grund betrug die CAS ca. 132 kt. Eine zusätzliche
Geschwindigkeit von nochmals 4 kt, die zur Landung abgebaut werden musste.
- Die Leistungshebel wurden bei 50 ft nicht auf Leerlauf zurückgezogen, um die
Geschwindigkeit zum Aufsetzen zu verringern. Beim Passieren von 50 ft Höhe
über Grund zeigten die Daten eine Leistung von ca. 61% N1, beim Aufsetzen ca.
57% N1.
- Der Seitenwind herrschte mit ca. 15 kt stark vor.
2.2 Technische Aspekte
Schubumkehr
Die Schubumkehr wurde direkt nach dem Aufsetzen aktiviert und die maximale
Leistung nach ca. 4,5 s erreicht. Nach den Aufzeichnungen des DFDR erreichte
diese aber zu keinem Zeitpunkt den voll ausgefahrenen Zustand „deployed“, trotzdem die Besatzung den Schubumkehrhebel auf volle Leistung gezogen hatte.
Ca. 6 s nach Betätigung der Schubumkehr kam eine „Master Warning“ an. Die
Aufzeichnungen des DFDR zeigten außer der langen Übergangsphase der
Schubumkehr „in transit“ und dem Nichterreichen des Zustands „deployed“ keine
weiteren Fehlfunktionen des Luftfahrzeugs. Der Zustand „not deployed“ und die
Betätigung der Schubumkehr weiter als Position „idle“ brachten die „Master Warning“.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Die angezeigte „Master Warning“ ist daher eindeutig der Fehlfunktion der Schubumkehr zuzuordnen, da alle anderen Systeme einwandfrei funktionierten. Die
Zeitverzögerung von ca. 5 s resultiert aus der Arbeitsweise des Systems. Die Besatzung hatte die „Master Warning“ wahrgenommen, die Ursache dafür aber nicht
identifizieren können, was auf die erhöhte Arbeitsbelastung während des Ausrollens zurückzuführen ist.
Bei der Landung blieben die Umlenktüren im Übergang aus der Position „stowed“
zu „deployed“. Durch die hohe Leistung am Triebwerk konnten diese auch nicht
mehr den ausgefahrenen Zustand erreichen. Die „Master Warning“ ist daher auf
den Zustand „reverser out, doors not deployed“ zurückzuführen.
Beim vermeintlichen Einsatz der Schubumkehr wurde somit nicht nur der Schub
zum Bremsen nach vorne gelenkt, sondern das Flugzeug gleichzeitig wie bei normaler Erhöhung der Leistung beschleunigt. In welcher Höhe der Vorwärtsschub
und der Umkehrschub wirkten, ließ sich nicht ermitteln.
Am DFDR zeigten sich nach dem Einfahren der Schubumkehr deutlich erhöhte
Verzögerungswerte. Auch beschrieb die Besatzung, dass nach dem Aufsetzen eine Verzögerung kaum zu spüren war, was sich im Vergleich mit den Daten des
DFDR bestätigt. In der Phase, in der die Schubumkehr genutzt wurde, pendelte
die negative Beschleunigung etwa um den Wert – 0,16 g. Dieser Verzögerungswert wurde ca. 3 s nach dem Aufsetzen erreicht und blieb für weitere ca. 11 s auf
diesem Durchschnittswert. Mit dem Einfahren der Schubumkehr stieg dieser Verzögerungswert während ca. 4 s bis auf ca. -0,31 g und blieb dann bei diesem Mittelwert bis zum Überrollen der Bahn. Die schlechtere Verzögerung ist daher auf
die Schubumkehr zurückzuführen, da die Bahnbedingungen zum Großteil gleichbleibend waren und nur auf den etwa letzten 200 m größere Pfützen vorhanden
waren. Nach Berechnungen der BFU hätte bei sofortigem Ansteigen der Verzögerung auf ca. -0,31 g nach ca. 6 s das Flugzeug etwa 231 m weniger Distanz zurückgelegt und ein Überrollen des Bahnendes wäre somit vermieden worden. Bereits bei einem Verzögerungswert von durchgehend nur ca. -0,21 g hätte das
Flugzeug auf der Bahn bis zum Stillstand abgebremst werden können.
Die Untersuchungen und Tests haben bestätigt, dass zur Überwindung der mechanischen Sperre nur ein minimaler Kraftaufwand von 500 gF nötig war, und somit die Schubumkehr direkt auf volle Leistung gebracht werden konnte, bevor die
Umlenktüren vollständig geöffnet waren.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Abriebspuren an der mechanischen Sperre wurden gefunden. Diese Spuren zeigten, dass der Zustand der Sperre bereits längere Zeit bestanden hatte und diese
bereits öfter überwunden worden war. Eine Fremdeinwirkung konnte bei Untersuchungen unter dem Mikroskop nicht bestätigt werden.
Schäden am Luftfahrzeug
Der schwere Schaden am Flugzeug ist zum einen dadurch entstanden, dass das
Bugfahrwerk nach dem Anprall am Betonsockel der Lampe abbrach. Weitere
Schäden an Zelle und Struktur entstanden durch den Aufprall des Rumpfes auf
das abgebrochene Bugfahrwerk, welches in Längsrichtung unter dem Flugzeug
lag.
Wesentlich zur Höhe des entstandenen Schadens haben die Betonsockel der
Bahnbefeuerung beigetragen. Die Sockel waren nicht ebenerdig im Boden eingelassen, sondern standen bis zu ca. 15 cm über der Bodenoberfläche. Die Sollbruchstellen an den Lampen waren somit zweck- und wirkungslos.
Beim Auftreffen auf eine Lampe wäre diese an der Sollbruchstelle abgeknickt und
größerer Schaden am Flugzeug wäre verhindert worden. Bei ordnungsgemäßer
Installation der Lampen wären diese beim Anprall erwartungsgemäß abgeknickt,
die Stromzufuhr abgeschaltet und die Gefahr der Entzündung von eventuell auslaufendem Treibstoff wäre damit vermindert worden.
Überlebensaspekte
Das schnelle Aussteigen der Passagiere über die Einstiegstür – ähnlich einer
Evakuierung, die aber so nicht angesagt wurde – ist in diesem Fall ein geeignetes
Verfahren, da kein Brand entstanden war.
Die Lage der Einstiegstür barg beim Aussteigen jedoch ein Risiko, da eine richtige
Trittfläche nicht vorhanden ist. Ein Stolpern oder Stürzen beim Aussteigen oder
bei einer Evakuierung und damit eine eventuelle Blockierung des Ausstiegs für
nachfolgende Personen ist hier als Gefahr anzusehen.
Im Falle einer Evakuierung und unter der Voraussetzung, dass sich auf der rechten Seite kein Brand entwickelt hat, sollte die Evakuierung primär über den Notausstieg über der Tragfläche erfolgen, da dieser ein ungehindertes Aussteigen
ermöglicht.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
3.
Schlussfolgerungen
3.1 Befunde
Die Besatzung war für die Durchführung des Fluges lizenziert und qualifiziert. Der
Kapitän hatte durch seine langjährige Flugpraxis und Qualifizierung als TRI/TRE
ausreichend Erfahrung. Der Copilot war für seine Aufgabe hinreichend qualifiziert.
Die ISP und der Flugleiter waren für ihre jeweilige Aufgabe qualifiziert.
Der Verkehrslandeplatz Emden stand am Ereignistag ohne Einschränkungen zur
Verfügung. Die Piste war auf voller Länge nutzbar und die Ausnahmegenehmigung für die Landung des Luftfahrzeugs war gültig. Auch wurden die Auflagen
der Genehmigung eingehalten.
Aus den Daten des DFDR konnten mehrere Parameter zur Auswertung sowie die
Fehlfunktion der Schubumkehr ermittelt werden. Diese Daten trugen somit wesentlich zur Ursachenfeststellung bei.
Aus den Aufzeichnungen des CVR ist die Arbeitsbelastung speziell im kurzen
Endanflugteil bis zum Stillstand nach der Landung zu entnehmen. Die Kommunikation sowie gefällte Entscheidungen waren damit nachvollziehbar und deckten
sich mit den Aussagen der Besatzung.
Der Anflug war stabilisiert und entsprach den Vorgaben im Operating Manual,
Procedures, des Herstellers.
Die Erhöhung der Anfluggeschwindigkeit auf Grund der Böen entsprach den Vorgaben des AFM.
Die längere Landedistanz, resultierend aus der Erhöhung der Anfluggeschwindigkeit, wurde für die Landung nicht berücksichtigt.
Das Aufsetzen erfolgte für die kurze Pistenlänge zu weit hinter der Schwelle.
Die Leistungshebel der Triebwerke wurden zu spät auf Leerlauf gezogen.
Der Zustand der Piste hätte ein vollständiges Abbremsen nach dem Aufsetzen ermöglicht.
Die Fehlfunktion der Schubumkehr wirkte der Bremskraft entgegen.
Der hohe Schaden am Flugzeug entstand durch den Anprall auf die nicht ebenerdigen Betonpfeiler der Lampen.
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Die Lampen hätten sofort abgeschaltet werden müssen, um ein Entzünden von
eventuell auslaufendem Treibstoff zu verhindern.
3.2 Ursachen
Der Unfall ist auf folgende Ursachen zurückzuführen:

Die längere Landestrecke auf Grund der Erhöhung der Anfluggeschwindigkeit wurde nicht berücksichtigt.

Das Flugzeug setzte zu spät auf der Piste auf.

Ein Durchstarten wurde zu spät erwogen.

Ein Durchstarten wurde nicht durchgeführt.

Die Leistung der Triebwerke wurde zu spät reduziert.

Eine Fehlfunktion der Schubumkehr wirkte der Bremskraft entgegen und
führte zur Verlängerung der Landestrecke.
4.
Sicherheitsempfehlungen
keine
Untersuchungsführer:
Andreas Bresky
Mitwirkung:
U. Berndt, D. Ritschel, H. W. Hempelmann,
D. Nehmsch, K. Himmler
Untersuchung vor Ort:
A. Bresky, U. Berndt
5.
Anlagen
Anlage 1: Auszug aus Flugdatenschreiber
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Untersuchungsbericht BFU CX015-09
Anlage 1
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