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Synergy Gepoolte Analyse europäischer Fall-Kontroll-Studien zur Untersuchung der Synkanzerogenese von beruflichen Karzinogenen bei der Entwicklung von Lungenkrebs Isabelle Groß, Beate Pesch, Kurt Straif, Thomas Brüning Inwieweit Gefahrstoffe bei der Krebsentstehung zusammenwirken, ist bisher nur unzureichend untersucht. Das Ziel des Projektes „SYNERGY – Gepoolte Analyse europäischer Fall-Kontroll-Studien zur Untersuchung der Synkanzerogenese von beruflichen Karzinogenen bei der Entwicklung von Lungenkrebs“ ist die systematische Untersuchung von Kombinationswirkungen beruflicher Expositionen bei der Entstehung von Lungenkrebs. Zu diesem Zweck werden die Originaldaten aus mehreren großen epidemiologischen Studien zusammengefasst und neu ausgewertet. Das Projekt wird vom BGFA in Kooperation mit der International Agency for Research on Cancer (IARC, Frankreich) koordiniert. Beteiligt sind verschiedene namhafte europäische Forschungsinstitute. Für die Entstehung von beruflich verursachten Krebserkrankungen werden die Expositionen am Arbeitsplatz im Rahmen von Berufskrankheitenverfahren meist nur monokausal bewertet. Dabei wird für jeden Stoff einzeln geprüft, ob er als mögliche Ursache für die Krebsentstehung in Frage kommt. Das bedeutet eine Berufserkrankung wird anerkannt, wenn die vorgegebenen Belastungskriterien für mindestens einen der betrachteten Stoffe als erfüllt gelten. Bei diesem Vorgehen wird außer Acht gelassen, dass sich bei Mischexpositionen die Effekte der beteiligten Substanzen in ihrer karzinogenen Wirkung summieren oder durch Wechselwirkungen sogar noch verstärken können. Eine Krebsinduktion wäre dann schon bei deutlich geringeren Belastungen möglich. Gängige Mischexpositionen an Arbeitsplätzen sind beispielsweise Asbest und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Quarz und Strahlung oder Nickel und Chrom. Zur Erforschung des Zusammenwirkens von beruflichen Lungenkarzinogenen startete zu Beginn diesen Jahres das Projekt „SYNERGY – Gepoolte Analyse europäischer FallKontroll-Studien zur Untersuchung der Synkanzerogenese von beruflichen Karzinogenen bei der Entwicklung von Lungenkrebs“. Im Rahmen des Projektes werden die Originaldaten großer epidemiologischer Studien aus Europa zum Lungenkrebs der letzten zehn Jahre zu einer gemeinsamen Datenbasis zusammengefasst (gepoolt) und unter dem Aspekt der Kombinationswirkungen ausgewertet. Durch das Poolen der Einzelstudien erhält man eine ausreichend große Datenbasis, die eine belastbare statistische Untersuchung von Kombinationswirkungen ermöglicht. Kaum Erkenntnisse über das Zusammenwirken Anstoß für das Projekt war die mangelnde wissenschaftliche Kenntnis über die Art des Zusammenwirkens beruflicher Lungenkarzinogene und die große unfallversicherungsmedizinische Relevanz der Thematik. Lungenkrebs ist die häufigste berufsbedingte Krebserkrankung, und Mischexpositionen von Lungenkarzinogenen treten in der Arbeitswelt häufiger auf. Die Ergebnisse von SYNERGY können helfen, eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die Bewertung von Mischexpositionen im Berufskrankheiten-Recht bereit zu stellen und effektivere Präventionsprogramme gegen Lungenkrebs zu etablieren. Auf Initiative der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wurde bereits Anfang 2006 vom Internationalen Krebsforschungszentrum der WHO, der International Agency for Research on Cancer (IARC) in Lyon und dem BGFA ein Forschungskonzept für das Projekt entwickelt. An dem Projekt sind führende Epidemiologen aus fünf europäischen Ländern beteiligt. Gefördert wird das Projekt mit Mitteln der Forschungsförderung der DGUV. Abb. 1: Projektstruktur von SYNERGY 20 BGFA-Info 02/2007 FORSCHUNG Dem internationalen Forschungsverbund gehören folgende Institute an: aus Frankreich die International Agency for Research on Cancer (IARC), aus den Niederlanden das Institute for Risk Assessment (IRAS), aus Schweden das Karolinska Institut, aus Italien die Universität Turin und die mailändische Clinica del Lavoro „L. Devoto“ sowie aus den USA das National Cancer Institute der U.S. National Institutes of Health (NIH). Aus Deutschland sind das Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) in Neuherberg, das Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) der Universität Essen und das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) involviert. Ferner beteiligen sich als Institute der DGUV neben dem BGFA das Institut für Gefahrstoffforschung (IGF) der Bergbau-Berufsgenossenschaft aus Bochum und das BGIA – Institut für Arbeitsschutz der DGUV aus Sankt Augustin. Koordiniert wird das Projekt vom BGFA in Zusammenarbeit mit der IARC. Die Aufgaben von SYNERGY sind in vier Arbeitspakete untergliedert, die eng miteinander verknüpft sind. Das erste Arbeitspaket (WP 1 – Work Package 1) beinhaltet die Zusammenführung der epidemiologischen Daten aus den ausgewählten Studien in eine gemeinsame Datenbank. Eine wesentliche Aufgabe in diesem Zusammenhang ist die einheitliche Kodierung der Berufstitel und Branchenzugehörigkeiten der Studienteilnehmer. Aufgabe des zweiten Arbeitspaketes (WP 2) ist es, die Datengrundlage für die quantitative Expositionsbewertung der Studienteilnehmer bezüglich der ausgewählten Karzinogene zu liefern. Zu diesem Zweck werden Expositionsmesswerte aus verschiedenen Datenbanken wie beispielsweise MEGA der DGUV am BGIA oder COLCHIC vom Institut National de Recherche et de Sécurité (INRS) zusammengetragen und Expertenwissen einbezogen. Im Rahmen des dritten Arbeitspaketes (WP 3) wird die statistische Analyse der gepoolten Daten durchgeführt. Kernaufgabe ist die Schätzung der Dosis-Wirkungsbeziehung für die ausgewählten Gefahrstoffe in Bezug auf Lungenkrebs und die Quantifizierung der Wechselwirkungen für die ausgewählten Expositionskombinationen. Wichtiger Bestandteil der statistischen Analysen wird die Berücksichtigung und Abschätzung des Einflusses von Rauchen sein. Das vierte Arbeitspaket (WP 4) beinhaltet die administrative Koordinierung von SYNERGY und wird von der IARC in Lyon durchgeführt. Eine schematische Darstellung der Arbeitspakte mit ihren Vernetzungen findet sich in Abbildung 1. BGFA-Info 02/2007 Abb. 2: Teilnehmer des ersten gemeinsamen Arbeitstreffens in Lyon Studien und Vorgehensweisen werden vorgestellt Das erste gemeinsame Arbeitstreffen der Projektpartner von SYNERGY fand vom 18. bis zum 19. Januar 2007 in Lyon, Frankreich, statt. Ausrichter war die IARC unter Vorsitz von Dr. Kurt Straif und Dr. Paolo Boffetta. Ziel des Arbeitstreffens war die detaillierte Vorstellung der ausgewählten epidemiologischen Studien und die Erörterung der konkreten Vorgehensweisen im Rahmen der drei wissenschaftlichen Arbeitspakete WP 1 bis 3. Vor dem ersten Arbeitstreffen wurden bereits sechs epidemiologische Studien zum Lungenkrebs identifiziert, die für das Poolen in Frage kommen und zusammen etwa 10 000 Fälle und mindestens genauso viele Kontrollen aufweisen. Zwei der Studien wurden in Deutschland durchgeführt, zwei in Italien, eine in Schweden und eine als multizentrische Studie in sechs Ländern Osteuropas sowie in Großbritannien. Fünf weitere Lungenkrebsstudien aus Frankreich, den Niederlanden und Italien, die für die Zielsetzung von SYNERGY geeignet sind, wurden auf dem Treffen in Lyon vorgestellt. Für die Auswahl der auszuwertenden Lungenkarzinogene im Rahmen von SYNERGY wurde auf dem ersten Arbeitstreffen ein Katalog mit Kriterien zusammengestellt. Basierend auf diesen Auswahlkriterien und der verfügbaren Datengrundlage wird auf dem zweiten Arbeitstreffen eine endgültige Entscheidung über die auszuwertenden Lungenkarzinogene getroffen. Das zweite Arbeitstreffen ist für Anfang November dieses Jahres bei der IARC in Lyon geplant. Wesentliche Arbeitsschritte bis zum diesem Treffen umfassen die Extraktion der benötigten Informationen für SYNERGY aus den Datenbanken der teilnehmenden Studien, die Rekodierung der Variablen und die Zusammenführung der Daten in eine gemeinsame Datenbank. Die Autoren: Prof. Thomas Brüning, Dipl.-Stat. Isabelle Groß, Dr. Beate Pesch, BGFA Dr. Kurt Straif IARC 21