Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten
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Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten
Operative Intensivmedizin 165 Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten Die Mobilisierung von Intensivpatienten ist schwierig – dabei unterstützt eine möglichst frühe Mobilisierung den Heilungsprozess und senkt die Komplikationsrate. Was gibt es für Möglichkeiten und wo sind die Grenzen der Frühmobilisierung? Einleitung sivtherapie. Allerdings ist der pathophysiologische Hintergrund noch nicht ausreichend erforscht. Die Das Risiko für einen Intensivpatienten, eine Muskel- Pathogenese der Critical-illness-Myopathie und Criti- dysfunktion zu entwickeln, ist hoch. Einfluss auf die cal-illness-Polyneuropathie ist komplex und beinhaltet Entwicklung einer Muskelschwäche bei Intensiv- metabolische, inflammatorische und bioenergetische patienten nehmen verschiedene Faktoren, darunter Veränderungen (Infobox 1). Inaktivität, entzündliche Prozesse und Medikamente wie Kortikosteroide, Muskelrelaxanzien oder Antibio- Definition der Critical-illness-Polyneuropathie. Diese tika. Bei 25 – 33 % der beatmeten Patienten kann bereits Form der Polyneuropathie ist eine häufige Erkrankung nach 4 – 7 Tagen klinisch eine Schwäche der peripheren bei Intensivpatienten, verursacht durch akute und pri- Muskulatur nachgewiesen werden; bei Patienten mit märe Schädigung meist motorischer, aber auch senso- ARDS sind es sogar 60 %. 35 – 76 % der septischen rischer Axone. Elektroneurografisch findet man eine Patienten zeigen einen Verlust der Muskelkraft, wel- Reduktion der Amplitude der Nervenaktionspoten- cher sogar mit einem Anstieg der Letalität in Verbin- ziale. Diese Veränderung kann sensorische und moto- dung gebracht werden kann [1]. Aus diesem Grund ist rische Neuronen betreffen. Hiervon unterscheiden eine an den Zustand des Patienten angepasste Mobilisierung für den Genesungsprozess und die Wiederherstellung des funktionellen Status von großer Bedeutung. Infobox 1 Risikofaktoren für Critical-illness-Myopathie und Critical-illness-Polyneuropathie Pathophysiologie Das Auftreten einer generalisierten Muskelschwäche und der damit einhergehenden Funktionseinschränkungen ist ein essenzielles Problem von Intensivpatienten. Um den Folgen der Intensivliegezeit therapeutisch und präventiv entgegenzuwirken und einen schnellen Heilungsprozess zu fördern, rückt die Frühmobilisierung zunehmend in das Interesse der Inten- Intensivmedizin up2date 8 █ Sepsis █ Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS) █ Multiorganversagen █ weibliches Geschlecht █ schweres Asthma Therapie mit Kortikosteroiden █ █ unphysiologische Elektrolytwerte █ Immobilisierung █ Malnutrition ê 2012 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1309875 ê VNR 2760512012137992726 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. Sebastian Weiterer, Birgit Trierweiler-Hauke, Andreas Hecker, Gabor Szalay, Martin Heinrich, Konstantin Mayer, Markus A. Weigand Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten Normaler Nerv Neuropathischer Nerv (Critical-illnessPolyneuropathie) Demyelinisierter Nerv (Guillain-Barré-Syndrom) len Minderstimulation mit sekundärer Myopathie, sondern ein eigenes Krankheitsbild. Pathophysiologie der Critical-illness-Polyneuropathie. Lange Zeit wurde eine Störung der Mikrozirkulation aufgrund einer ausgeprägten Vasodilatation und die Aktivierung von Adhäsionsmolekülen für die Schädigung peripherer Nerven verantwortlich gemacht. Es zeigte sich aber, dass intrazelluläre Mechanismen Nervenaktionspotenzial einen zusätzlichen direkten Einfluss auf die Entstehung einer Critical-illness-Polyneuropathie haben. ▪ normale Amplitude ▪ normale Nervenleitgeschwindigkeit ▪ reduzierte Amplitude ▪ normale Nervenleitgeschwindigkeit ▪ normale Amplitude ▪ verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit Abb. 1 Elektroneurografische Veränderungen bei Critical-illness-Polyneuropathie und Guillain-Barré-Syndrom (nach [3]). Durch inflammatorische Prozesse kommt es bei septischen Patienten im Endothel der die Nerven versorgenden Gefäße zu einer vermehrten Expression von E-Selectin. Dieses ist ein Marker für die Endothelzellaktivität und wird normalerweise in peripheren Mikrogefäßen nicht exprimiert. Entzündungsmediatoren wie TNF-α und IL-1 induzieren eine verstärkte Infobox 2 Freisetzung von E-Selectin. Die Folge ist eine Leukozytenaktivierung im endoneuralen Zwischenraum und Guillain-Barré-Syndrom eine gewebeschädigende lokale Zytokinproduktion. Definition. Demyelinisierende Symptome mit anschließender Außerdem führt der Anstieg der Zytokinkonzentration Polyradikuloneuritis Rückbildung über Monate bis zu einer erhöhten Gefäßpermeabilität und damit zu Inzidenz. 1 – 2 pro 1 Mio. zuvor Jahre einer Passageerhöhung neurotoxischer Substanzen in das Endoneurium. gesunder Menschen █ Prognose meist gut Pathogenese. Wahrscheinlich ver- █ in 30 % der Fälle Beteiligung des ursacht von Autoantikörpern neuromuskulären Respirations- Wahrscheinlich ist das Zusammenspiel aus vaskulären gegen Ganglioside oder Myelin systems mit Intubations- und und zellulären Ereignissen für die Reduktion des Ner- Ätiologie. In zwei Dritteln der Fälle vorausgegangene Infektion mit Beatmungspflichtigkeit Diagnostik: Diarrhö, meist Campylobacter jeju- █ erhöhter Albuminkonzentration) Varizella-zoster-Virus oder in Folge █ █ verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit bei normaler Verlauf: █ funktionale Schwächen führen dann später zu bleibenden Schäden auf zellulärer Ebene [3, 4, 5]. Liquor (normale Zellzahl mit ni, Epstein-Barr-Virus, Zytomegalie, einer Sepsis [2] zytoalbuminäre Dissoziation im venaktionspotenzials verantwortlich. Anfängliche nach 4 Wochen progressive Amplitude im EMG (Abb. 1) Antikörpernachweis: GM1 (GQ1b Miller-Fisher-Syndrom) motorische Schwäche und sensorische Missempfindung █ nach weiteren 2 – 3 maximal Therapie. Physiotherapie, Immun- 4 Wochen Stagnation der globuline, Plasmapherese. Pathophysiologie der Critical-illness-Myopathie. Es gibt verschiedene Theorien über die Ursache der Unerregbarkeit der Muskulatur trotz erhaltener Muskelstruktur. Vermutet wird neben einer unvollständigen Muskelentspannung durch Denervierung eine mangelhafte Herunterregulation des Membranpotenzials für Chlorid, eine Veränderung der spannungsabhängigen Natriumkanäle und eine mitochondriale Dysfunktion. muss man das Guillain-Barré-Syndrom, eine demyeli- Bei einer Sepsis kommt es in der Skelettmuskulatur zu nisierende Polyradikuloneuritis, bei der es zu einer einer mitochondrialen Dysfunktion mit einer Abnahme Verminderung der Nervenleitgeschwindigkeit bei des intrazellulären Glutathions und zu einem Anstieg gleichbleibender Amplitude kommt (Abb. 1, Infobox 2). der NO-Produktion. Damit vermindert sich die Aktivität des Komplexes 1 der Atmungskette und somit auch Definition der Critical-illness-Myopathie. Der Ausdruck die ATP-Gewinnung. Gleichzeitig sinkt die Freisetzung „Critical-illness-Myopathie“ bezeichnet eine akute von Kalzium aus dem sarkoplasmatischen Retikulum [6]. und primäre Muskelerkrankung bei Intensivpatienten, die zu einer Muskelschwäche und zu Paralysen führt. Die sepsisbedingt freigesetzten proinflammatorischen Die Critical-illness-Myopathie ist nicht die Folge einer Zytokine und das gleichzeitige Ungleichgewicht des Critical-illness-Polyneuropathie aufgrund einer nerva- Hormonhaushalts sind Hinweise auf einen übergeord- Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 166 Operative Intensivmedizin tung auswirkt. Die verminderte relative Konzentration anaboler Hormone wie Insulin und „Insulin-likegrowth“-Faktor 1 bei gleichzeitigem Anstieg der kata- Infobox 3 Muskelphysiologie bolen Gegenspieler (Kortisol, Katecholamine und Die Muskulatur besteht aus verschiedenen Muskel- Glucagon) führt zu einem verstärkten proteolytischen fasertypen: Effekt. Die Aktivierung der intrazellulären proteoly- █ fasern (rote Muskulatur, „Slow-twitch“-Fasern) tischen Systeme wie Ubiquitin-Proteasom und lyso- arbeiten oxidativ und sind ermüdungsresistent. somaler und nichtlysosomaler Systeme hat einen Diese Typ-I-Fasern sind reich an Mitochondrien und Abbau der Muskulaturproteine und damit einen Ver- für konstante Belastungen und Ausdauerleistungen lust der „Muskelmasse“ zur Folge [7, 8]. █ Muskeltraining und Inflammation. Zwischen körper- Fasern) arbeiten glykolytisch und sind für kurze besteht eine enge Verbindung. Es ist bekannt, dass Belastungen und eine hohe Kraftentfaltung aus- körperliche Belastung zu einem Anstieg von Adrenalin, gelegt und schnell ermüdbar. Sie bestehen aus Kortisol, Wachstumshormonen, Prolaktin und anderen Typ-IIB-Fasern und besitzen im Vergleich zum Typ I Faktoren führt, die einen immunmodulierenden Effekt zu einer verminderten Expression von „Toll-like“-Re- ausgelegt. schnelle Muskelfasern: Diese myoglobinarmen Muskelfasern (weiße Muskulatur, „Fast-twitch“- licher Aktivität, Inflammation und dem Immunsystem haben. Auf der anderen Seite führt körperliche Aktivität langsame Fasern: Diese myoglobinreichen Muskel- weniger Mitochondrien. █ Zwischentyp: Diese Muskelfasern (Typ IIA) haben sowohl Kraft- als auch Ausdauereigenschaften. zeptoren auf der Oberfläche von Monozyten, wodurch ein Einfluss auf die systemische Inflammation möglich ist. Muskelfibrillen, die eine Hypertrophie der Muskelfibrillen nach sich zieht. Im Gegensatz dazu stimuliert Eine moderate körperliche Belastung hat einen protek- Ausdauertraining Muskelfibrillen vom Typ I und IIA tiven Effekt und dämpft eine chronische Inflammation. bereits durch kleine Mengen Kalzium (Infobox 3). Dagegen fördert ein sehr intensives Training über einen Auch hierbei kommt es zu einer Genexpression und zu langen Zeitraum ohne adäquate Erholungspausen eine einer Synthese von Muskelfibrillen. Das Training akti- systemische Inflammation. viert durch die Kalziumfreisetzung katalytische Untereinheiten der Proteinphosphatase Calcineurin und Ein Grund für diese immunmodulierenden Effekte kör- Proteinkinasen, die von Kalzium/Calmodulin abhängig perlicher Belastung ist die Ausschüttung von Myoki- sind. Folge ist eine Phosphorylierung zahlreicher nen. Dabei handelt es sich um Zytokine, die von Mus- Transkriptionsfaktoren und ihrer Cofaktoren („cyclic kelzellen produziert und ausgeschüttet werden, sodass AMP responsive element binding protein“ [GREB], bei extremer Anstrengung die Blutkonzentration von „myocyte enhancer factor 2C“ [MEF2C] und MEF2 D) IL-6, IL-10 und TNF-α steigt. Zwar hat dieser Anstieg sowie von Mitgliedern der Familie aktivierter T-Zellen akut einen positiven Effekt, z. B. eine erhöhte hepati- (NFAT). Diese Faktoren beeinflussen die Expression sche Glukoneogenese – eine chronische Erhöhung von der belastungsregulierten Muskelgene. IL-6 und TNF-α führt jedoch zu einer Muskelatrophie und einer Hemmung der Muskelregeneration [3, 9]. PGC-1α. Der Einfluss von PGC-1α („peroxisome proliferator-activated receptor γ-Coaktivator-1α“) scheint bei Eine gezielte und maßvolle körperliche Belastung diesen Prozessen von großer Bedeutung zu sein. In ver- ist zur Behandlung und Prävention verschiedener schiedenen Studien hat sich gezeigt, dass der PGC-1α Krankheiten sinnvoll. So hat Ausdauertraining bei- einen Protein- und Muskelabbau verhindert [10, 11, spielsweise einen kardioprotektiven Effekt und 12]. Vermutlich vermindert PGC-1α die Entstehung von Krafttraining reduziert eine Sarkopenie. Entzündungsmediatoren und Myokinen in der Muskelzelle. Die Menge an vorhandenem PGC-1α scheint Genexpression. Eine häufige Stimulation des Motoneu- von der Höhe der körperlichen Belastung abhängig zu rons führt zu einer Anpassung des Skelettmuskels an sein. Gleichzeitig kontrolliert die Menge an PGC-1α die die Belastung. Krafttraining führt zu einer intermittie- Anpassung der Muskelfibrillen an die körperliche renden, starken Freisetzung von Kalzium aus dem sar- Belastung. Letztlich vermindert sich die systemische koplasmatischen Retikulum. Folge ist eine Genexpres- Inflammation bei regelmäßiger körperlicher Belastung. sion und damit eine spezifische Antwort der Typ-IIB- Im Gegensatz dazu führt Inaktivität zu einer Abnahme Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. neten Effekt, der sich letztlich auch auf die Muskelleis- 167 Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten von PGC-1α im Skelettmuskel, wodurch proinflamma- Tabelle 1 torische Faktoren ein Übergewicht erlangen und eine chronische Inflammation verstärkt werden kann. Wie PGC-1α und die inflammatorische Genexpression im Muskel auf molekularer Ebene genau zusammenhängen, ist allerdings noch unklar. Man vermutet eine MRC-Score zur Beurteilung der Muskelkraft. Muskeltest obere Extremität: Kontrolle durch Sauerstoffradikale, da oxidativer Stress und Inflammation bei vielen Skelettmuskelerkrankun- █ Armabduktion █ Ellenbogenflexion █ Handgelenksextension gen in Zusammenhang stehen. Ob der Effekt von PGC1α therapeutisch nutzbar gemacht werden kann, z. B. durch eine Modifikation oder Erhöhung der Konzentration, bleibt offen. PGC-1α scheint allerdings ein großes Potenzial bei der Behandlung von Patienten mit Sarkopenie und dem untere Extremität: █ Hüftflexion █ Knieextension █ Sprunggelenksextension Verlust von Muskelmasse zu haben [13]. Tierexperimentelle Studien zeigten, dass die Induktion von PGC1α in der Skelettmuskulatur zu einer Steigerung der Angiogenese und Reperfusion von bereits ischämischem Gewebe führt. Darüber hinaus beendet es die durch Denervierung getriggerte Atrophie und verbes- Befund Punkte sert den von einer Duchenne-Dystrophie verursachten Muskelschaden [14]. PGC-1α scheint außerdem die █ keine sichtbare Kontraktion 0 █ sichtbare Kontraktion ohne Bewegung 1 █ aktive Bewegung, aber nicht gegen die Schwerkraft 2 █ aktive Bewegung gegen die Schwerkraft 3 █ aktive Bewegung gegen Widerstand 4 █ normale Kraft 5 Insulinresistenz im menschlichen diabetischen Muskelgewebe zu verbessern, ohne eine Hyperglykämie in der Leber herbeizuführen [15]. Beurteilung des funktionellen Status Die Entstehung einer Muskelschwäche bei Intensivpatienten ist ein schleichender Prozess, der leicht übersehen werden kann. Bei Diagnosestellung sind daher die klinischen Zeichen und geeignete Tests wichtig und Jede Extremität wird mit einer Punktzahl von 0 – 15 bewertet Die Gesamtwertung umfasst 0 Punkte (Tetraplegie) bis 60 Punkte (normale Muskelkraft) hilfreich. Befallsmuster. Eine auf der Intensivstation erworbene tion bedarf auch gewisser Erfahrung. Im Gegensatz Muskelschwäche spart normalerweise die faziale Mus- dazu ist die klinische Beurteilung am Krankenbett kulatur aus. Eine während Wachphasen schwache oder leicht durchführbar, allerdings ist hierfür die Aufmerk- fehlende Reizantwort der Extremitätenmuskulatur auf samkeit und Vigilanz des Patienten notwendig. Ein einen nozizeptiven Stimulus in Verbindung mit einer einfacheres, objektives Mittel zur Messung der Muskel- normalen Antwort der Gesichtsmuskulatur ist folglich kraft ist die Handgriff-Dynamometrie, welche sich zur ein nützliches Warnsignal. Der Patient blinzelt, bewegt Bestimmung der globalen Stärke bei neuromuskulären aber weder Arme noch die Beine. Dabei kann die mus- Erkrankungen etabliert hat. kuläre Störung beidseitig und annährend symmetrisch In einer multizentrischen Studie an beatmeten Inten- ausgeprägt sein. sivpatienten war die auf der Intensivstation erworbene Handgriffstärke. Um eine Muskelschwäche frühzeitig Muskelschwäche mit einer erhöhten Krankenhaus- erkennen und therapieren zu können, ist deren sichere sterblichkeit verbunden. Bei dieser Studie hat sich die Erkennung erforderlich. Zwar ist eine Elektromyografie Prüfung der Handgriffstärke als günstig zur Messung relativ einfach durchzuführen, aber deren Interpreta- der Muskelkraft und zur Identifizierung einer auf der Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 168 Operative Intensivmedizin Intensivstation erworbenen Muskelschwäche erwiesen Eine frühe Aktivität und Mobilisierung ist auch für [16]. beatmete Patienten eine sichere und gut durch- 169 führbare Hilfe, um neuromuskulären KomplikatioMRC-Score. Zur Diagnosesicherung und Verlaufsbeob- nen bereits in der kritischen Krankheitsphase vor- achtung kann der MRC-Score (Medical Research Coun- zubeugen [18]. cil Score) einen Überblick über den Zustand der Extremitätenmuskulatur geben. Dazu prüft man die Mus- Zwerchfellatrophie. Die künstliche Beatmung führt kelkraft je Extremität an 3 Gelenken und bewertet sie durch die Inaktivität des Zwerchfells bereits nach einer in jeweils 6 Stufen (Tab. 1). Beatmungszeit von 18 – 69 h zu einer deutlichen Atrophie der Muskelfasern vom Typ I und IIB [19]. Um die Schwäche der Atemmuskulatur möglichst gering zu Frühmobilisierung auf der Intensivstation halten, ist eine frühestmögliche Entwöhnung von der Beatmung und deren konsequente Durchführung wichtig. Während der Entwöhnungsphase sollte man tienten hoch. Entscheidende Faktoren sind Inaktivität, entzündliche Prozesse und verschiedene Medikamente Infobox 4 (Kortikosteroide, Muskelrelaxanzien, Antibiotika). Bei 25 – 33 % der beatmeten Patienten ist bereits nach Hinweise auf eine Atrophie der Atemmuskulatur 4 – 7 Tagen eine Schwäche der peripheren Muskulatur █ nachzuweisen – bei ARDS-Patienten sind es sogar fehlendes Heben der Bauchdecke bei der Inspiration █ 60 %. Auch 35 – 76 % der septischen Patienten zeigen paradoxe Atmung █ beim Atmen im Liegen größere Schwierigkeiten als einen Verlust der Muskelkraft, der sogar mit einem in sitzender Position Anstieg der Letalität in Verbindung gebracht werden █ geschwächter oder fehlender Hustenstoß kann [1]. █ notwendig: Ausschluss medikamentöser Ursachen Ein verlängerter Intensivaufenthalt beeinträchtigt den funktionellen Status und die Lebensqualität eines Langzeitbeatmete Patienten sind auch nach der Verle- Patienten oft bis zu mehreren Jahren über den eigent- gung auf eine Normalstation körperlich noch erheblich lichen Krankenhausaufenthalt hinaus. Die Muskelkraft geschwächt. Für den gesundheitlichen Verlauf ist die und nicht die Leistungsfähigkeit der Lungen ist das Entwicklung der Atemmuskulatur von entscheidender entscheidende Element für die Wiederherstellung der Bedeutung. Die Patienten können aber häufig auch Leistungsfähigkeit [1]. Der Verlust von Muskelmasse ist einfache Dinge wie Sitzen, Stehen und Tätigkeiten des in den ersten 2 – 3 Wochen am höchsten. Deshalb ist täglichen Lebens nicht eigenständig durchführen. Es auch bei kritisch kranken Intensivpatienten bereits in bedarf daher einer physiotherapeutischen Versorgung der Frühphase eine aktive und passive physiothera- über Wochen, bei der nicht nur die Atemmuskulatur, peutische Intervention sinnvoll. Eine Bettlägerigkeit sondern der gesamte Körper trainiert und Kraft und muss nicht zwangsläufig eine Inaktivität und Passivität Ausdauer wiederhergestellt werden [21]. bedeuten. Durch aktive Elemente wie das Bettfahrrad oder ein flexibles Übungsband können Patienten mit ARDS. Eine Critical-illness-Polyneuropathie und -Myo- schwerer COPD oder während der Hämodialyse trotz- pathie sind bei ARDS-Patienten eine häufige Kompli- dem aktiv sein. Ein individuell auf den Patienten und kation. Neben der klinischen Beurteilung sind zum seine Möglichkeiten zugeschnittenes Trainingsschema Einschätzen der Erkrankungsschwere auch elektro- kann sowohl die funktionelle Trainingskapazität als physiologische Tests relevant. Eine retrospektive Studie auch die gemessene Kraft (z. B. M. quadriceps) bei Ent- zeigte bei 93 % der ARDS-Patienten elektrophysiologi- lassung aus dem Krankenhaus und somit den funktio- sche Veränderungen mit einer Abnahme der Amplitude nellen Status des Patienten mit den entsprechenden des Nervenaktionspotenzials [22]. Die Entwöhnung Nachwirkungen über den Krankenhausaufenthalt beatmeter ARDS-Patienten kann aufgrund einer anhal- hinaus verbessern [17]. tenden Schwäche der Atemmuskulatur problematisch sein. Spontanatmungsversuche, die in ihrer Häufigkeit und Dauer nicht an den Zustand des Patienten angepasst sind, können zu einer Überlastung führen, was Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. auf eine muskuläre Schwäche achten (Infobox 4) [20]. Das Risiko einer Muskeldysfunktion ist bei Intensivpa- Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten zu einem zusätzlichen Muskelschaden führen kann [22, 23]. Daher ist eine individuelle Anpassung der Pflegerische und physiotherapeutische Maßnahmen Frühmobilisierung und Entwöhnung von besonderer Bedeutung, um einer Überforderung des Patienten Die Mobilisierung ist nach der Lageveränderung von vorzubeugen. Patienten die zweithäufigste Pflegehandlung und dient der Förderung und Erhaltung der Bewegungsfähigkeit. Sepsis. Eine Sepsis kann nicht nur zum Versagen Dies beinhaltet jede Bewegung, jede Lageveränderung parenchymatöser Organe, sondern auch zu einer Schä- und jeden Transfer. Jede Lageveränderung, jede Ganz- digung peripherer Nerven und Muskeln führen. Die körperwäsche kann man als Mobilisierung verstehen. unphysiologischen Veränderungen haben auf vielfälti- Dagegen kann man den regungslos im Stuhl sitzenden ge Weise Einfluss auf die subzellulären Mechanismen Patient nicht als mobilisiert ansehen. Bewegung ein- in der Kontraktionsphase der Muskulatur. Beschrieben schließlich der Bewegungsvorbereitung und -nachbe- wurden eine Verminderung der Membranerregbarkeit, reitung im Sinne von Aufwärmen und Entspannen eine Verletzung der Sakrolemm-Membran und eine gewinnt im Rahmen der Frühmobilisierung an Bedeu- Störung der Kalziumhomöostase. Die während einer tung. Sepsis entstandene Muskelschwäche entsteht infolge der sepsisinduzierten Critical-illness-Polyneuropathie Um pflegerische und physiotherapeutische Maßnah- und -Myopathie. men der Mobilisierung auf einer Intensivstation nachhaltig zu etablieren, sind eine ausreichende personelle Die septische Störung der Mikrozirkulation führt zu Ausstattung, gute Fachkenntnisse, eine kooperierende, einer neuromuskulären Schädigung und ist eine ernst berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit und ein zu nehmende Komplikation der Sepsis [24]. Im Ratten- gemeinsam festgelegtes Mobilisierungskonzept erfor- modell induzieren eine Inflammation und eine Immo- derlich. bilisierung unabhängig voneinander eine Muskelschwäche [25]. Nachfolgende degenerative Prozesse Notwendigkeit und Nutzen der Frühmobilisierung. sind nicht auf die Extremitätenmuskulatur beschränkt. Pflegekräften und Physiotherapeuten auf der Intensiv- Die Abnahme der Kraft des Zwerchfells beginnt sogar, station ist der positive Effekt mobilisierender Maßnah- bevor ein Rückgang der Muskelmasse messbar ist men bekannt (Infobox 5). 90 % der Intensivpflegenden [9, 26]. unterstützen regelmäßige, zweistündliche Lageveränderungen. Gleichzeitig gibt die Hälfte des Personals an, Die Entwöhnung und Mobilisierung muss man in der dass der Standard nur zu 50 % erreicht wird [28]. akuten Phase der Sepsis bei bestehender Critical-ill- Unterbleibt eine Mobilisierung, erhöht sich das Risiko ness-Polyneuropathie und -Myopathie individuell für beatmungsbedingte Pneumonien, Sekretverhalt, anpassen. Ein individuelles Stufenschema unter verzögerte Entwöhnung, Dekubitalulzera, Muskelab- Berücksichtigung des individuellen Fortschritts ist für bau, Kontrakturen, Bewegungseinschränkungen, die Frühmobilisierung unabdingbar. Müdigkeit und eine Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit [29, 1]. Eine sorgfältige Lagerung der Extremitäten in gelenksschonender Position und eine regelmäßige passive Bewegungstherapie kann weitere nervale Schäden vermeiden. Muskelrelaxanzien, Kortikosteroide und andere Medikamente mit Auswirkungen auf die neuromus- Infobox 5 Definition der Mobilisierung kuläre Übertragung sollte man zurückhaltend einset- Mobilisierung ist: zen, um eine zusätzliche Schwächung der Muskulatur █ jede aktive Bewegung █ jede aktive Bewegung, die partiell unterstützt wird █ jede passive Bewegung, die aktivierend angeleitet in der Trainingsphase zu vermeiden [24, 27]. wird █ das Werkzeug jeglicher pflegerischen Tätigkeit und unterstützt alle Aktivitäten des täglichen Lebens █ Ziel der Mobilisierung ist es, die Mobilisierungsstufe 0 und die Transferklasse 1 (Tab. 2 und Tab. 3) zu erreichen, sofern dies aufgrund der Erkrankung und der Ausgangssituation des Patienten möglich ist. Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 170 Operative Intensivmedizin Tabelle 2 171 Infobox 6 Transferklassen. Als Transfers werden Positions- Klasse 1 2 Transfer Der Patient macht eigene Anstrengungen, um sich von einem Ort an den anderen zu bewegen, ggf. mit Anleitung eines Pflegenden (Gewicht bleibt beim Patienten) Der Pflegende übernimmt einen Teil der Anstrengung, um den Patienten von einem Ort an den anderen zu bewegen (Gewicht bleibt beim Patienten) Mobilisierungsbedingungen Wann kann mobilisiert werden: █ PEEP < 10 mmHg █ FiO2 < 0,6 █ stabile Hämodynamik █ ausreichende Analgesie Einen Teil des Gewichts des Patienten übernimmt der Pflegende, wobei die Anstrengung von beiden übernommen werden kann Gründe für eine mangelhafte Mobilisierung: Mobilisierung: █ Schmerzfreiheit unter Mobilisie- Mobilisierungsstufen. patientenbedingte Gründe █ Voraussetzungen nicht vorhan- █ Nutzen nicht bekannt █ Zuständigkeiten nicht geklärt Zugängen/Beatmung █ Mangel an Können oder Technik Motivation zur Mobilisierung, █ Gefahr von Sturz, Dekonnektion z. B. Essen, Fernsehen, Besuch, █ den (Personal, Material) mangelnde Kenntnisse, direkter Sicherung von essenziellen Atemtherapie, Wahrnehmung Tabelle 3 █ rung █ Umgebungsanpassung, z. B. Veränderung des Betts im Raum Voraussetzungen zur █ 3 █ fördern für Sicherheit sorgen, z. B. von Beatmung oder Kathetern █ „Es wird immer schwerer“ (übergewichtige Patienten, Leistungsverdichtung) Schuhe, Zähne, Brille, Hörgerät, ATS, Inkontinenzschutz Stufen Mobilisierung 4 Patient ist im Bett mobil oder kann im Bett mobilisiert werden, z. B. Lagerung Gründe für mangelnde Frühmobilisierung. Typische 3 Patient ist bis Pilotsitz und/oder Bettkante mobil dynamische Instabilität oder Angst, die sich in Anspan- 2 Patient kann bis in den Stuhl mobilisiert werden, kann/lernt einige Schritte zu gehen patientenbedingte Gründe sind Schmerzen, hämonung, Abwehr, Tachykardie oder Hypertonie äußern 1 Patient kann bis auf den Stuhl mobilisiert werden, geht einige Schritte 0 Patient geht selbstständig kann. Aber auch Scham, ungenügende Wahrung der Intimsphäre, Stuhl- oder Harndrang, Unwohlsein oder eine eingeschränkte Beweglichkeit können Hindernisse sein. Eine Frühmobilisierung ist nur möglich, wenn auch die personellen und materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Eine höhere Personalausstattung geht zudem Voraussetzungen für die Frühmobilisierung. Die Früh- einher mit einer reduzierten Sterblichkeit der Patien- mobilisierung ist nicht nur Aufgabe der Physiotherapie, ten [1]. Geeignete Materialien wie Mobilisierungs- sondern muss als wichtiger Bestandteil in die Arbeit stühle, Schuhe oder Trainingmaterialien verbessern der Pflege integriert sein. Um dies zu erreichen, können die Mobilisierungsrate. Mangelnde Kenntnisse oder ein Pflegende z. B. einen Kinästhetikkurs absolvieren, um nicht bekannter Patientennutzen der Maßnahmen die Patienten bei der Ganzkörperwäsche oder beim können durch eine falsch verstandene Aufgabenteilung Drehen gezielt zu Bewegungen anzuregen. Damit die entstehen. So geben Pflegende oft an, dass Atemthera- Frühmobilisierung konsequent durchgeführt werden pie und Mobilisierung alleinige Themen der Physio- kann, benötigen alle Beteiligten neben einer guten therapeuten seien. Ausbildung auch ausreichend Zeit und Raum zum gemeinsamen Lernen, Handeln und Reflektieren. Aber Um alle Akteure auf die Alltagsanforderungen vorzu- jede Station benötigt ihre eigene Philosophie und jede bereiten, bedarf es gemeinsamer Schulungen. Kurse, Station hat ihre eigenen Erfahrungen. Im Alltag müssen die von Physiotherapeuten und Pflegenden besucht sich alle Akteure immer wieder sorgfältig überprüfen werden und entsprechende Bewegungskonzepte und hinterfragen, warum nicht oder nicht ausreichend unterrichten, fördern und entwickeln die Kompetenz. mobilisiert wurde (Infobox 6). Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. oder Ortswechsel bezeichnet. Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten jede Bewegung mobilisierend, orientierungsfördernd Tabelle 4 und kräftigend sein kann, fördert therapeutisches und Geräteübungen. pflegerisches Handeln. Gerät Ziel Kamm █ █ Zahnbürste █ █ Igelball █ █ █ █ Knautschball █ █ █ Flexibles Übungsband (unterschiedliche Stufen) █ █ Eine der wichtigsten Schulungsmaßnahmen der gezieltes Training der Handgriffstärke intensives Training der Schulter-Arm-Partie – (anfangs vorsichtig führen – Patient benötigt viel Zeit – Übung kann stark frustrieren) gezieltes Training der Handgriffstärke intensives Training der Schulter-Arm-Partie – (anfangs vorsichtig führen – Patient benötigt viel Zeit – Übung kann stark frustrieren) Wahrnehmungsförderung – kann auch sehr gut von Angehörigen angewendet werden gezieltes Training der Handgriffstärke (kleine Bälle verwenden) gezieltes Training des Fußdrucks (kleine Bälle) durchblutungsfördernd gezieltes Training der Handgriffstärke (kleine Bälle verwenden) gezieltes Training des Fußdrucks durchblutungsfördernd gezieltes Training der Handgriffstärke, Halten der Bänder gezieltes Training der Muskulatur durch Dehnung des Bandes, Wiederholungen planen Kinästhetik ist z. B. die bewusste Verlangsamung des Pflegealltags während jeder Bewegungsarbeit. Jede schnell durchgeführte Bewegung führt beim Patienten zu einer Erhöhung der Körperspannung. Dies führt oft zu einer erschwerten Bewegungsarbeit, da ein angespannter Patient wesentlich mehr Kraft vom Bewegenden fordert. Nicht selten benötigen zu schnell bewegte Patienten mehr Analgosedierung. Eine zweite sehr wichtige Maßnahme ist das gezielte Bewegungshandeln während der Ganzkörperwaschung. Jedem Patienten soll die Fußsohle auf die Unterstützungsfläche aufgestellt werden, der Druck soll – ohne Schmerz auszulösen – dreimal konzentriert wiederholt werden. Die so angestellten Beine werden jeweils dreimal leicht parallel nach vorne unten gedehnt und dreimal leicht nach innen diagonal gedehnt (cave: Einschränkungen in der Hüfte). Die Hände werden ähnlich intensiv durchbewegt. Während der Maßnahmen wird der Patient intensiv beobachtet, Reaktionen seinerseits, die sich oft in nur kleinen Bewegungsäußerungen zeigen, werden erkannt und dokumentiert. Diese vorbereitenden Bewegungen Bettfahrrad passiv (motorbetrieben) █ █ █ Durchbewegen der Gelenke zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit Lockerung der Muskulatur durchblutungsfördernd erleichtern den Aufbau und die Planung weiterer Bewegungen. Dieses Bewegungshandeln wird in der ersten Mobili- Bettfahrrad passiv + aktiv (motorunterstützt) █ █ █ █ █ Bettfahrrad aktiv – mit eigener Muskelkraft █ █ geringe, auch nur impulsartige Aktivität der Beine oder Arme wird durch die Funktion „Servo-Treten“ erkannt und verstärkt Durchbewegen der Gelenke zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit Lockerung der Muskulatur durchblutungsfördernd Kräftigung der Muskulatur aktive Bewegung gegen 20 fein dosierbare Bremswiderstände – von ganz leicht bis schwer Kräftigung der Muskulatur sierungsstufe – also der Stufe 4 – schon konsequent durchgeführt (Tab. 3). Stufe 3 strebt den Pilotsitz oder den Sitz an die Bettkante an. Sitzt der Patient im Pilotsitz, dann ist es wichtig zu beobachten, ob er diese Position ohne seitliche Unterstützung halten kann. Günstig ist es, wenn der Patient – sofern er keine neurologische Problematik hat – für diese Position Schuhe angezogen bekommt, damit er sein Körperende besser wahrnehmen kann. Deutlich mehr Vorbereitung und Kraft benötigt die Durchführung des Sitzens eines Intensivpatienten an der Bettkante. Da kinästhetisches Bewegen das Heben und Tragen von Patienten vermei- Mobilisierungskonzept. Eine berufsgruppenübergrei- det, wird der Patient nicht an die Bettkante gehoben, fende Verständigung, was für welchen Patienten zu sondern über eine spiralige Bewegung über seine eige- welchem Zeitpunkt notwendig ist, ist dringend erfor- nen Knochen an die Bettkante geführt. Sitzt der Patient, derlich. Neben einer täglichen Übergabe und Zielbe- dann wird die Stabilisierung des Rumpfes nicht vom sprechung ist ein „Mobilisierungsstandard“ notwendig, Kopf her aufgebaut, sondern vielmehr erst das Becken der festlegt, was unter Bewegung, Mobilisierung und und dann der Rumpf stabilisiert. Damit es nicht zu Transfer verstanden wird. Ein solcher Mobilisierungs- unkontrollierten Kopfbewegungen kommt, sollte der standard gibt im Alltag Orientierung und bietet auch Kopf in Stufe 4 während des Waschens sowohl gedreht gezielte Dokumentationshilfen an. Der Hinweis, dass als auch gebeugt und gestreckt werden. Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 172 Operative Intensivmedizin Die beste Voraussetzung, die nächste Stufe einnehmen aktive Mobilisierung und funktionelle Tätigkeiten zu können, ist, dass der Patient ohne Unterstützung erweitert. 173 sitzen kann. Auch ohne diese Voraussetzung kann man den Patienten für 30 – 60 min in den Stuhl setzen. Der primäre Endpunkt war definiert als unabhängiger Wenn dies noch über seine eigenen Knochenstruktu- funktioneller Status bei Entlassung aus dem Kranken- ren geschieht, also ohne ihn zu heben, sondern nach- haus. Dies wurde definiert als die Fähigkeit, 6 ver- vollziehbar jeden Schritt mit ihm vorbereitet und ihn schiedene Aktivitäten des täglichen Lebens zu erfüllen dann Schritt für Schritt von der Bettkante über einen und eigenständig gehen zu können. gewinnt der Patient in doppelter Hinsicht. Erstens weil In dieser Studie konnten 59 % der frühmobilisierten die Schritte bei dieser Vorgehensweise nachvollziehbar Patienten einen unabhängigen funktionellen Status sind und ihm Orientierung geben. Zweitens, weil er erreichen, während dies in der Kontrollgruppe nur bei diese Körperarbeit wahrnimmt, dies als Erfolg wertet 35 % der Patienten der Fall war. Zusätzlich hatten und seine Zufriedenheit steigt. Neben dem stufenori- Patienten der Interventionsgruppe eine kürzere Delir- entierten Mobilisierungsplan werden auch noch mus- phase und mehr beatmungsfreie Tage. Darüber hinaus kelkräftigende, taktil fördernde und motivierende haben weitere Studien gezeigt, dass Intensivpatienten Bewegungselemente eingeplant (Tab. 4). von einer angepassten, intensivierten Mobilisierung unter Berücksichtigung der funktionellen Fähigkeiten Die Übung mit dem Bettfahrrad in allen möglichen profitieren [18, 17]. Stufen ist ein wesentlicher Baustein im Bewegungslernen des Patienten. Neben der Verbesserung der Beweglichkeit sehen wir ein intensiveres mimisches Spiel der Patienten, was wir mit einer erhöhten kognitiven Regung assoziieren. Zudem wird das Bettfahrrad Frühmobilisierung in der Allgemeinchirurgie von Angehörigen sehr geschätzt. Mit dem Fahrrad wird Vorwärtskommen verbunden. Die Gespräche der Der viszeralchirurgische Intensivpatient stellt bezüg- Angehörigen nach Beendigung der Therapie gegenüber lich der Mobilisation in vielerlei Hinsicht eine Heraus- dem Patienten sind sehr motivierend, lobend, begeis- forderung dar: Eine bauchchirurgische Operation führt ternd und hoffnungsvoll. Stellt doch ein einfaches zu einem erhöhten Risiko von Thromboembolien, Fahrrad, auch wenn es als Bettfahrrad fungiert, doch pulmonalen Komplikationen und eines postoperativen etwas sehr Vertrautes dar. Ileus. Eine Frühmobilisierung kann diesen Risiken effektiv begegnen. Eine frühe Mobilisierung gerade Nicht nur die Mobilisierung, sondern auch die Lage- intensivmedizinischer Patienten schlägt sich in einer rung des Patienten ist für den Erhalt bzw. die Wieder- verbesserten pulmonalen Situation, einer verringerten herstellung des funktionellen Status von Bedeutung Morbidität und einem geringeren Katabolismus nieder (z. B. Spitzfußprophylaxe). An dieser Stelle soll aber [31]. Studien zur Frühmobilisierung im Rahmen der auch auf Indikationen zum „minimal handling“ hinge- Erforschung moderner Fast-track-Konzepte zeigten wiesen werden, bei denen (z. B. bei einer Subarachnoi- jedoch, dass – bei allen Vorteilen der Mobilisierung – dalblutung) eine frühe Mobilisierung nicht indiziert ist. auch sonst gesunde chirurgische Patienten postoperativ eine Phase der orthostatischen Intoleranz durch- Studien. In einer randomisierten Studie hat die Früh- laufen [32]. Diese tritt nur nach großen abdominalen mobilisierung einen positiven Einfluss auf den gesam- Eingriffen auf [33] und wird mit einer Störung des ten Heilungsprozess [30]. Bei 104 langzeitbeatmeten Barorezeptor-Reflexes und einer autonomen sympa- Patienten wurde in einer Sedierungspause entweder thisch-parasympathischen Dysregulation erklärt [34]. eine „Standardphysiotherapie“ durchgeführt oder frühmobilisiert mit einer physiotherapeutischen und Atemtherapie. Durch eine intensive Mobilisierung ergotherapeutischen Therapie mit aktiver Bewegung. können postoperative pulmonale Komplikationen nach Bei Patienten, die nicht auf Ansprache reagierten, Oberbaucheingriffen erwiesenermaßen vermieden bewegte man jeden Morgen alle Extremitäten passiv. werden [35]. Besonders nach Oberbaucheingriffen Sobald ein Patient eine Reaktion zeigte, ging man zu muss man wachen Patienten einen Atem-Coach als aktiven manuellen und unabhängigen Bewegungen minimale Form der Atemtherapie geben. Wir lassen über. Die Therapie wurde je nach Toleranz um eine unseren viszeralchirurgischen Intensivpatienten Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. Oberschenkeldrucktransfer auf den Stuhl bewegt, dann Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten Atemtherapie durch Physiotherapeuten zukommen. Frühmobilisierung in der Unfallchirurgie Darmparalyse. Eine weitere Besonderheit des viszeral- Die Mobilisierung unfallchirurgischer Patienten hängt chirurgischen Intensivpatienten ist die postoperative naturgemäß von Art und Ausmaß der Verletzungen Darmparalyse, die im Gegensatz zum Patienten auf und von der durch eine Osteosynthese erreichten bio- einer peripheren Station oft durch Opioide, parenterale mechanischen Stabilität ab. Einfluss haben aber Ernährung und einliegende Sonden verstärkt wird. zusätzlich die individuellen Möglichkeiten des Patien- Neben einer Reduzierung der Opioiddosis und ggf. ten, an einer differenzierten Mobilisierung teilzuneh- deren Ersatz durch andere Methoden (Periduralkathe- men, außerdem Begleiterkrankungen, der allgemeine ter, lokale Wundinfiltration) sowie einem frühen Kost- Patientenzustand und auch etwaige Einschränkungen aufbau kann vermutlich auch die Frühmobilisierung durch Begleitverletzungen. All diese Faktoren muss eine postoperative Darmparalyse vermindern [36]. man im Team aller Mitbehandler beurteilen und ein Dieser positive Effekt war jedoch in der einzigen bisher individuelles, gemeinsames Mobilisierungskonzept verfügbaren Studie von Waldhausen et al. aus den erstellen. bereits am ersten postoperativen Tag eine intensive 1990er Jahren nicht nachzuweisen [36, 37]. Ob die Frühmobilisierung moderner Fast-track-Konzepte in Konservative Frakturbehandlung. Bei der konservati- der Viszeralchirurgie einen postoperativen Ileus ver- ven Frakturbehandlung wird die betroffene Extremität hindern kann, wurde bisher nicht untersucht [36]. in der Regel im Gipsverband oder in einer Schiene ruhiggestellt [39, 40]. Für die Dauer der Ruhigstellung Sekundärer Bauchdeckenverschluss. Bei viszeralchirur- ist eine Beübung oder Belastung des verletzten Extre- gischen Patienten mit sekundärer (z. B. nach Hohl- mitätenabschnitts nicht möglich. Nach Beendigung der organperforation) oder postoperativer Peritonitis Ruhigstellung kann eine Beübung und schrittweise sowie nach schwerstem Abdominaltrauma ist ein pri- Belastungssteigerung begonnen werden, wobei eine märer Verschluss der Bauchhöhle oft unmöglich. Dank volle Belastungsstabilität meist nach 8 – 12 Wochen moderner Verfahren wie der Vakuumversiegelung erreicht ist. können (und müssen) auch diese Patienten frührehabilitativen Maßnahmen zugeführt werden, um einen Bei nicht dislozierten, eingestauchten und übungs- Muskelabbau durch Immobilisierung zu vermeiden stabilen Frakturen kann man bei entsprechender [38]. Analgesie nach Maßgabe der Beschwerden ohne primäre Ruhigstellung direkt mit einer funktionel- Einschränkungen. Abgesehen von intensivmedizini- len Übungsbehandlung beginnen. schen Kontraindikationen (z. B. Beatmung, Kreislaufinstabilität) können viszeralchirurgische Intensivpa- Beispiele solcher Fälle sind die nicht dislozierte Radi- tienten postoperativ rasch und frühestmöglich mobili- usköpfchenfraktur, die einfache Wirbelkörperkom- siert werden. In der Regel bestehen keinerlei Kontrain- pressionsfraktur ohne signifikante Höhenminderung dikationen seitens des Viszeralchirurgen, die eine und ohne neurologische Ausfallerscheinungen sowie Mobilisierung am ersten postoperativen Tag verbieten. eine vordere Beckenringfraktur [39]. Ein Sonderfall sind traumatische Einblutungen in das Belastung nach operativer Frakturbehandlung. Hat eine Parenchym von Leber und Milz, da zweizeitige Ruptu- operative Frakturstabilisierung stattgefunden, legt der ren auch im Rahmen einer Mobilisierung auftreten Operateur die Stabilität des postoperativen Ergebnisses können. Hierbei kann sich – je nach Ausmaß des bild- in 3 Kategorien fest: lagerungs-, übungs- oder belas- gebenden Befundes – eine Mobilisierung verbieten und tungsstabil. Je höher die Belastungsstabilität, desto absolute Bettruhe indiziert sein. besser ist eine Mobilisierung des Patienten möglich. Im Gegensatz zu anderen, nicht viszeralchirurgischen Gelenkkontrakturen und Muskelatrophien, aber Operationen muss der behandelnde Intensivmediziner auch Komplikationen einer Ruhigstellung wie Lage- bei Eingriffen an Oberbauchorganen mit einem „sym- rungsschäden, Thrombosen und Pneumonien tre- pathischen“ Pleuraerguss rechnen, seinen Patienten ten umso seltener auf, je früher und umfangreicher regelmäßig diesbezüglich untersuchen (körperliche der Patient mobilisiert werden kann. Untersuchung, Sonografie) und ggf. drainieren. Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 174 Operative Intensivmedizin Fixateur externe. Als Faustregel kann gelten, dass eine der vordere Beckenring teilweise durchbrochen und Frakturversorgung an Extremitäten mit einem Fixateur daher partiell instabil. Die Typ-C-Verletzungen weisen externe zumindest als lagerungsstabil gilt. Bei mono- einen durchbrochenen vorderen und hinteren Becken- lateralen, ventralen Fixateur-externe-Osteosynthesen ring auf und gelten daher als dreidimensional instabil. 175 von Tibiafrakturen treten unter einer Teilbelastung von ca. 300 N (30 kg) interfragmentäre Bewegungen von Bei Beckenverletzungen vom Typ A besteht nur im 1 ± 3 mm auf. Muskelaktivitäten im Bett erzeugen ver- Ausnahmefall die Indikation zur operativen Stabilisie- gleichbare Belastungen und damit auch ähnliche inter- rung. Bei konservativer Therapie ist nach kurzzeitiger fragmentäre Bewegungen. Somit sollte eine Teilbelas- Immobilisierung eine schmerzadaptierte Vollbelastung tung einer mit Fixateur externe versorgten Femur- möglich. Stabile, undislozierte Typ-B-Verletzungen schaftfraktur mit 20 kg vertretbar sein (Infobox 7) werden ebenfalls konservativ behandelt. In den ersten [41, 42]. 6 Wochen ist eine Teilbelastung erlaubt, die innerhalb weiterer 6 Wochen schrittweise bis zur Vollbelastung Platten- und Schraubenosteosynthese. Nach einer Plat- gesteigert wird. meist übungsstabil und in geringem Umfang auch Eine dislozierte Typ-B-Fraktur stabilisiert man operativ belastungsstabil. Bei einer mit Plattenosteosynthese mit einer ventralen Fixation. Eine zwingende Indikati- versorgten Femurfraktur ist z. B. eine Belastung von on zur operativen Stabilisierung besteht außerdem bei 20 kg möglich. Nach 4 – 6 Wochen und radiologisch multidirektional instabilen Typ-C-Verletzungen des nachgewiesener beginnender knöcherner Konsolidie- Beckenrings. Patienten mit operativ versorgter rung kann man die Belastung schrittweise bis zur Beckenringfraktur können postoperativ unter Teilbe- Vollbelastung steigern (Infobox 7) [41]. lastung mobilisiert werden. Die schrittweise Aufnahme der Vollbelastung ist in der Regel nach 8 – 12 Wochen Teilbelastung möglich. Infobox 7 Grobe Richtwerte für die Belastbarkeit nach Eine Mobilisierung bei instabiler Beckenverletzung vor der operativen Versorgung ist kontraindiziert. Osteosynthese bei Femurfrakturen Fixateur externe: Patienten mit operativ versorgter Azetabulumfraktur █ zumindest lagerungsstabil können ab dem 1. postoperativen Tag mit einer Hüft- █ meist Teilbelastung mit 20 – 30 kg möglich bewegungsschiene (z. B. CPM-Schiene) mit Beugung bis zur Schmerzgrenze behandelt werden. Nach Entfer- Platten- und Schraubenosteosynthese: █ meist übungsstabil nung der Redon-Drainagen ist eine aktive krankengymnastische Übungsbehandlung möglich. Dabei █ meist Teilbelastung mit 20 kg möglich begrenzt man auf der verletzten Seite die Belastung für █ nach 4 – 6 Wochen schrittweise Steigerung bis zur 6 – 8 Wochen auf 15 kg [44, 45, 46]. Vollbelastung Wirbelkörperfrakturen. Wirbelkörperfrakturen der BWS und LWS behandelt man konservativ, sofern eine Radiusfraktur. Radiusfrakturen versorgt man heute stabile Fraktur ohne größere Deformität vorliegt. In überwiegend mit einer palmaren, winkelstabilen Plat- diesen Fällen ist nach einer kurzen Ruhephase und tenosteosynthese, die postoperativ ebenfalls als unter adäquater Schmerztherapie eine frühe Mobili- übungsstabil anzusehen ist. Lediglich bis zur gesicher- sierung unter krankengymnastischer Anleitung mög- ten Wundheilung und zur initialen Schmerztherapie lich. Radiologische Verlaufskontrollen sind aber zum nach der Osteosynthese belässt man eine palmare Ausschluss einer sekundären Nachsinterung erforder- Schiene (kein zirkulärer Gips!). Aus dieser heraus ist lich. Prinzipiell sollte man tiefes Sitzen und Beugen frühzeitig eine physiotherapeutische Beübung ohne vermeiden. Eine Kräftigung der autochthonen Rücken- Belastung möglich [40, 43]. muskulatur erhöht die Stabilität der Wirbelsäule. Beckenfrakturen. Beckenfrakturen werden nach der Häufig ergänzt man die funktionelle Therapie mit AO-Klassifikation in die Typen A, B und C unterschie- einem Korsett (3 – oder 4-Punkt-Stützkorsett). Da es den. Beim Typ A ist der Beckenring intakt, sodass diese keine evidenzbasierten Empfehlungen zugunsten einer Verletzungen als stabil zu werten sind. Beim Typ B ist äußeren Ruhigstellung mit Mieder oder Korsett gibt, Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. ten- und Schraubenosteosynthese ist die Extremität Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten sind diese Hilfsmittel mehr als „Gedankenstütze“ für Empfehlung zur Belastung nicht zementierter Prothe- den Patienten anzusehen, um z. B. tiefes Bücken zu ver- sen. Neben einer 6-wöchigen Teilbelastung wird von meiden. einigen Autoren auch eine sofortige, schmerzadaptierte Vollbelastung empfohlen [51, 43]. Bei uns gilt eine Die Mobilisierung operativ versorgter Wirbelkörper- schmerzadaptierte Vollbelastung sowohl bei unze- frakturen ist frühfunktionell bereits ab dem 1. – 2. mentierter wie zementierter Prothesenversorgung. postoperativen Tag nach Drainageentfernung möglich. Eine intra- oder postoperative radiologische Kontrolle Aufgrund der Vielzahl an Herstellern und Prothesenty- sollte jedoch den korrekten Sitz des Osteosynthese- pen (z. B. konventionelle Schaftprothese, Kurzschaft- materials dokumentieren. Ein postoperativ angelegtes prothese, Oberflächenersatz, Kappenprothese) sollte 3-Punkt-Stützkorsett dient auch hierbei lediglich als der Operateur die Belastbarkeit und das Vorgehen bei Erinnerung– wir verwenden bei der Nachbehandlung der Mobilisierung festlegen. keine Korsetts. Übermäßiges Beugen und tiefes Sitzen sollte der Patient in der frühen postoperativen Phase Schaftfrakturen der unteren Extremität. Die intrame- vermeiden [47, 48, 49]. dulläre Osteosynthese der unteren Extremität erreicht überwiegend eine voll belastbare Stabilität. Ausge- Eine Mobilisierung von Patienten mit instabiler, nommen hiervon sind instabile Frakturen (z. B. Trüm- noch nicht operativ versorgter Fraktur der BWS merfrakturen) oder eine ausgeprägte Osteoporose. In oder LWS ist nicht möglich. den Ausnahmefällen kann zumindest eine Teilbelastung während der Mobilisierungsphase durchgeführt Proximale Femurfrakturen. Bei den hüftgelenksnahen werden. Die Belastungssteigerung legt dann der Ope- Frakturen ist eine konservative Behandlung nur selten rateur unter radiologischen Verlaufskontrollen indivi- indiziert. Dabei handelt es sich um nicht dislozierte, ein- duell fest. gestauchte Schenkelhalsfrakturen vom Typ Garden 1, wobei jedoch das Risiko einer sekundären Dislokation Nach Plattenosteosynthesen der unteren Extremitäten besteht [50]. In diesen Fällen kann man die Mobilisie- mobilisiert man mit 20 kg Teilbelastung. Ein drohendes rung – soweit schmerzbedingt möglich – unter Voll- Kompartmentsyndrom ist jedoch eine absolute belastung und Röntgenverlaufskontrollen sofort begin- Kontraindikation gegen eine frühe Mobilisierung [41, nen. 52, 53, 43]. Nach der kopferhaltenden Versorgung einer medialen Schenkelhalsfraktur mit kanülierter Schraubenosteosynthese oder dynamischer Hüftschraube beginnt die Mobilisierung in der frühen postoperativen Phase Medikamentöse Therapie bei langfristiger Immobilisierung zunächst unter physiotherapeutischer Anleitung, später alleine an 2 Unterarmgehstützen. Bei entsprechen- Eine medikamentöse Therapie zur Minderung und der Knochenqualität, korrekter Lage und gutem Halt Therapie der Folgen einer längerfristigen Immobilisie- der Implantate ist grundsätzlich die Vollbelastung von rung bedarf stets einer individuellen Nutzen-Risiko- Beginn an erlaubt. Überwiegend wird allerdings eine Abwägung. Je nach Patientensituation und alternativen vorsichtige Mobilisierung mit Teilbelastung über 6 – 8 Therapiemöglichkeiten ist eine ergänzende Therapie Wochen empfohlen [43]. zu erwägen. Zur Reduktion des Risikos einer sekundären Hüftkopf- Testosteron. Sportler setzen zur Förderung der Trai- nekrose insbesondere beim jungen Menschen und zur ningsergebnisse häufig leistungssteigernde Medika- Vermeidung einer sekundären Dislokation empfehlen mente ein. Eine Steigerung der Muskelkraft und eine wir die Teilbelastung mit 20 kg für 6 Wochen mit daran erhöhte Regenerationsfähigkeit machen die Athleten anschließendem Belastungsaufbau. leistungsfähiger. Nach prothetischer Versorgung hüftgelenksnaher Frak- Trotz möglicher Risiken – speziell bei unkontrollier- turen ist eine Mobilisierung direkt postoperativ mög- ter Applikation – scheinen einige Substanzen eine lich. Bei zementierten Prothesen ist die schmerzadap- Verbesserung der Behandlung von Intensivpatien- tierte Vollbelastung am Rollator oder an Unterarmgeh- ten zu bewirken. stützen möglich. Uneinheitlich in der Literatur ist die Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 176 Operative Intensivmedizin Es ist bekannt, dass bei Patienten, die starke Verbren- kenhausverweildauer verlängert und die Sterblichkeit nungen erlitten haben, der Testosteronspiegel auch erhöht [57]. 177 über den Krankenhausaufenthalt hinaus niedrig bleibt. Durch die Substitution des synthetisch hergestellten Verzweigtkettige Aminosäuren. Verzweigtkettige Ami- Testosteron-Analogons Oxandrolon kann neben einer nosäuren haben einen stimulierenden Effekt auf die Steigerung der hepatischen Proteinsynthese und einer Muskelproteinsynthese und wirken positiv auf eine verbesserten Körperkonstitution auch eine Verkürzung vermehrte Phosphorylierung der Schlüsselenzyme der der Krankenhausverweildauer erreicht werden. Oxan- Translation. Der Effekt scheint sowohl präventiv als drolon zeigt im Vergleich zu Testosteron weniger auch therapeutisch zur Unterstützung des Muskelauf- Nebenwirkungen. Bei längerfristiger Anwendung baus wirksam zu sein. Eine spezielle Rolle nimmt kommt es zu einem Transaminasenanstieg, doch eine offenbar die Aminosäure Leucin ein. In Versuchen mit Einschränkung der Leberfunktion oder eine Leber- Ratten induzierten Proteine mit höherem Leucingehalt vergrößerung tritt nicht auf [54]. das höchste Muskelwachstum [58]. Tatsächlich profizweigtkettiger Aminosäuren – wahrscheinlich durch patienten – auch wenn keine verbrennungsbedingte einen erhöhten Plasmaspiegel von Arginin, Valin, Leu- SIRS vorgelegen hat – von einer Testosterontherapie cin und Isoleucin [59]. Das Muskelwachstum ist aller- profitieren. Allerdings scheint eine Substitution erst in dings dann am effektivsten, wenn der Körper durch der Erholungsphase, also nach dem Abklingen der Ent- körperliche Stimulation gefordert wird [55]. zündungsparameter sinnvoll zu sein [55]. Grund hierfür ist die immunmodulierende Komponente der ana- Verzweigtkettige Aminosäuren sind folglich nur bolen Substanzen. Bei unkontrollierter Applikation effektiv, wenn eine angepasste Mobilisierung kann dieser Mechanismus schwere Konsequenzen gewährleistet ist. nach sich ziehen. In einem Fallbericht von 2002 wird von einem 30-jährigen Bodybuilder berichtet, der Kreatin. Kreatin führt zu einer Verschiebung des Phos- infolge eines glutealen Spritzenabszesses einen septi- phatangebots vom Zytosol in die Mitochondrien. schen Schock mit fulminantem ARDS entwickelte – Dadurch steigt die intrazelluläre Kreatin- und Phos- wahrscheinlich durch die immunmodulierende Wir- phokreatinkonzentration. Phosphokreatin ist notwen- kung der intramuskulär injizierten anabolen Steroide dig, um die Phosphorylierung von ADP zu ATP zu [56]. Der Fallbericht zeigt die Notwendigkeit einer gewährleisten. Das Ansprechverhalten von Kreatin streng kontrollierten Therapie und die Beachtung variiert wahrscheinlich mit der Konzentration des möglichen Risiken. Dennoch ist ein therapeutischer NaCl-abhängigen Kreatintransporters [60]. Bei Sport- Effekt anaboler Substanzen bei der Intensivtherapie lern, die ihre Muskulatur regelmäßig trainieren, nicht auszuschließen und kann zur Regeneration in der bewirkt Kreatin sowohl eine Zunahme der Muskel- Erholungsphase nach schweren Verläufen unterstüt- masse als auch der Kraft. 40 % des Effekts auf die Kraft zend wirken. ist laut Studien aber unabhängig vom körperlichen Training [61]. Wachstumshormone. Als Folge der katabolen Situation ist bei kritisch kranken Intensivpatienten der Protein- Kreatin könnte also bei Intensivpatienten den Auf- abbau erhöht und die Stickstoffbilanz negativ. Dies bau der Muskelkraft unterstützen, die bestätigen- führt zu Struktur- und Funktionsveränderungen spe- den Studien stehen allerdings noch aus. ziell der Skelettmuskulatur mit der Folge einer Schwäche der Atemmuskulatur, einer verlängerten Beat- Cannabis. Neben der antiemetischen Eigenschaft von mungsdauer und einer verzögerten Mobilisierung. Die Tetrahydrocannabinol (THC) wird bei kachektischen negative Stickstoffbilanz bei kritisch kranken Intensiv- AIDS-Patienten auch dessen appetitanregende Wir- patienten ist zumindest teilweise auf eine Resistenz kung therapeutisch genutzt. THC wirkt über das Endo- gegenüber Wachstumshormonen und einen Abfall der cannabinoid-System durch eine Verbesserung der Produktion und Wirkung des „Insulin-like-growth“- positiven Energiebilanz, was einerseits eine Verbesse- Faktor zurückzuführen. Dementsprechend war in ver- rung der Energiezufuhr an sich bedeutet, aber gleich- schiedenen Studien unter hochdosierter Wachstums- zeitig auch das Körpergewicht erhöht und somit Ener- hormongabe die Stickstoffbilanz verbessert. Allerdings giereserven sichert [62, 63]. waren gleichzeitig die Beatmungszeit und die Kran- Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. tierten septische Patienten von höheren Dosen verAufgrund der Studienlage ist es denkbar, dass Intensiv- Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten Intensivierte Insulintherapie. Um eine frühe Mobilisie- Besonders bei der Frühmobilisierung muss man Hypo- rung ermöglichen zu können, ist ein schneller Gene- glykämien und starke Schwankungen des Glukosespie- sungsverlauf und eine strukturierte Intensivbehand- gels vermeiden. Eine konstante Energiebilanzierung lung unabdingbar. Frühe Interventionen und nachhal- und eine ausgeglichene Ernährung – angepasst an die tige Therapiestrategien verbessern die Möglichkeiten tägliche Belastung der mobilisierten Patienten – sind der zügigen Beübung. Ein angepasstes Ernährungs- für den Erfolg der Frühmobilisierung notwendig. management ist ein wichtiges Element zum Ausgleich der steigenden Belastung bei wachsender Aktivität im Rahmen der Mobilisation. Eine entsprechend ange- Elektrische Muskelstimulation passte Insulintherapie hilft, die Folgen einer kritischen Erkrankung zu kontrollieren. Die Frühmobilisierung von Intensivpatienten hat einen immer höheren Stellenwert erlangt. Im Zuge dessen Die Kontroverse um die intensivierte Insulintherapie werden neue Therapiekonzepte entwickelt, ausgebaut mit dem Ziel eines Glukosespiegels zwischen 4,4 und oder aus anderen Bereichen integriert. Beispielsweise 6,6 mmol/l (80 – 120 mg/dl) haben in der Vergangenheit wurde die elektrische Muskelstimulation (EMS) für viele Diskussionen und Studien gesorgt. Eine Studie ursprünglich entwickelt, um die Muskelkraft gesunder von 2001 fand eine Reduktion der Morbidität und Menschen zu stärken. Prinzipiell ist diese Technik Mortalität bei einem Glukosespiegel unter 6,6 mmol/l jedoch auch in der Intensivtherapie möglich. (120 mg/dl) [64]. Diese Aussage wurde 2006 von einer weiteren Studie relativiert. Zwar senkte hierbei eine Beinmuskulatur. In einer Studie mit 20 gesunden Pro- intensivierte Insulintherapie bei allen Intensivpatien- banden wurde der M. quadriceps über 8 Wochen mit ten die Morbidität, aber nur bei Patienten mit einem der EMS beübt. Das Training bestand aus 4 Terminen Aufenthalt auf der Intensivstation von über 3 Tagen war pro Woche, insgesamt 32-mal 18 Minuten. Jeder Trai- die Sterblichkeit vermindert [65]. Beide Studien waren ningstermin bestand aus wiederholten, 6,25 s langen, Single-Center-Studien und nicht strikt verblindet, was mit der EMS erzeugten isometrischen Kontraktionen in das Durchführen weiterer Multi-Center-Untersuchun- 60° Knieflexion, getrennt durch Pausen von 20 s Dauer. gen erforderte [66]. Als Aufwärmphase wurde vor jeder Trainingseinheit über 5 min eine submaximale Stimulation verabreicht. Ein eindeutiger Vorteil einer intensivierten Insulintherapie war also nicht zu belegen. Abschließend ergab sich eine Steigerung der Muskelaktivität. Sonografisch waren signifikante Veränderungen Die geringere Toleranz gegenüber etwas erhöhten Glu- der Muskelfaserstruktur nachweisbar. Ein Trainingsef- kosewerten und das strikte Einhalten eines sehr fekt war insbesondere am M. vastus medialis und late- schmalen Konzentrationsbereichs birgt das Risiko ralis erkennbar. Ein Einfluss auf den M. rectus femoris hypoglykämer Krisen – was mitunter sogar zu Studien- war allerdings nicht nachzuweisen. abbrüchen geführt hat [67]. Die 2009 veröffentlichte internationale NICE-SUGAR-Studie kam zu dem An dieser Untersuchung nahmen zwar nur gesunde Schluss, dass das Risiko der Hypoglykämie einen mög- Probanden teil, aber dennoch ist der Trainingsfort- lichen Vorteil der intensivierten Insulintherapie über- schritt auf immobilisierte Patienten übertragbar. Die wiegt. Ein Zielblutglukosespiegel unter 9,9 mmol/l (180 Stimulation führte zu einem Trainingseffekt über das mg/dl) führte zu einer niedrigeren Letalität als ein Maß der normalen Aktivität hinaus, obwohl die Pro- Zielwert zwischen 4,5 und 6 mmol/l (81 – 108 mg/dl), banden schon eine durchschnittlich trainierte Musku- zusätzlich war aber die Zahl hypoglykämer Ereignisse latur vorweisen konnten [70]. deutlich geringer [68, 69]. Bauchmuskulatur. Eine Fallbeschreibung von 2007 In einer retrospektiven Single-Center Studie ergab betrifft einen Patienten mit einer hohen Tetraplegie sich, dass Intensivpatienten mit einer begleitenden (inkomplette C4-Tetraplegie, klassifiziert nach der Critical-illness-Polyneuropathie oder -Myopathie American Spinal Injury Association. C = motorische eher zu einem hyperglykämen Blutzuckerspiegel Funktion unterhalb des neurologischen Niveaus ist neigen [22]. erhalten, mehr als die Hälfte der Kennmuskeln unterhalb des neurologischen Niveaus haben einen Muskelkraftgrad unter 3). Dieser Patient hatte aufgrund mangelnder Atemarbeit und zu schwacher Hustenstöße Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 178 Operative Intensivmedizin 179 Die Entwicklung einer generalisierten Zur frühzeitigen Erkennung einer Muskel- Komplikationen nach Oberbaucheingrif- Muskelschwäche und die damit einhergehenden Funktionseinschränkungen sind schwäche eignet sich die Handgriff-Dynamometrie als einfacheres objektives Mittel fen zu vermeiden. Die Möglichkeiten der Mobilisierung unfallchirurgischer Intensiv- ein essenzielles Problem von Intensiv- zur Messung der Handgriffstärke, welche patienten hängt von der Art und dem Aus- patienten. Inaktivität, entzündliche Pro- Rückschlüsse auf die globale Kraft erlaubt. maß der Verletzungen sowie der Stabilität zesse (Sepsis, ARDS) und auch Medika- Auch bei beatmeten Patienten kann die der Osteosynthesen ab. Doch auch die mente sind die wichtigsten Ursachen Frühmobilisierung neuromuskulären Kom- individuellen Möglichkeiten des Patienten muskulärer Schwächen bei Intensivpatien- plikationen vorbeugen. Um bei beatmeten und dessen Begleiterkrankungen nehmen ten. Die Entstehung der Critical-illness- Patienten die Belastung angepasst zu Einfluss auf seine Mobilisierung. Myopathie und -Polyneuropathie ist komplex und beinhaltet metabolische, inflam- dosieren, sind neurophysiologische Tests wie die Elektromyografie und eine klini- Der Einsatz von Medikamenten zur Therapie der Folgen einer längerfristigen matorische und bioenergetische Verände- sche Verlaufsbeobachtung (MRD-Score) Immobilisierung bedarf einer individuel- rungen. Für den Genesungsprozess und hilfreich. len Nutzen-Risiko-Abwägung. Die elektri- zur Wiederherstellung des funktionellen Bei Eingriffen an Oberbauchorganen muss sche Muskelstimulation ist eine Methode Status ist eine an den Zustand des Patien- man mit einem sympathischen Pleura- mit viel Potenzial und eine gut tolerierte ten angepasste Mobilisierung von großer ergusses rechnen. Eine intensive Mobilisie- Methode zur Prävention der Muskelatro- Bedeutung. rung erlaubt es, postoperative pulmonale phie. rezidivierende Pneumonien. Dies verhinderte die Entfernung der Trachealkanüle und die Einleitung einer Rehabilitation. Durch ein Training der Bauchmuskulatur mit EMS über die Haut entwickelte er schließlich einen effektiver Hustenstoß, sodass eine Dekanülierung möglich wurde [71]. Über die Autoren Sebastian Weiterer Dr. med. Jahrgang 1978. 2001–2007 Studium der Humanmedizin an der Justus-Liebig Universität Gießen. Seit Symptomatische Neuropathie. Die EMS scheint auch 2008 Assistenzarzt an der Klinik für ein effektives therapeutisches Mittel zur Behandlung Anaesthesiologie, operative Intensiv- einer symptomatischen Neuropathie bei Typ-2-Diabe- medizin und Schmerztherapie; tes zu sein, wobei Patienten mit besonders stark aus- UKGM, Standort Gießen. Seit 2009 geprägten Symptomen am stärksten profitieren [72]. Forschung im Bereich Sepsis in der Klinik für Anaesthesiologie, operative Intensivpatienten. Die EMS ist auch bei Intensivpatien- Intensivmedizin und Schmerztherapie; UKGM, Standort ten eine Methode mit viel Potenzial. In einer Untersu- Gießen. 2011–2012 Einsatz auf der operativen Intensiv- chung an Intensivpatienten (Apache II ≥ 13) führte eine station, Klinik für Anaesthesiologie, operative Intensiv- tägliche Stimulation über 8 Tage mit einer Stimula- medizin und Schmerztherapie; UKGM, Standort Gießen. tionszeit von je 55 min nach jeweils 5 min Aufwärmphase zu einem signifikanten Ergebnis. Obwohl der Birgit Trierweiler-Hauke sonografisch gemessene Querschnitt der untersuchten Muskeln (M. rectus femoris und M. vastus intermedius) Fachkrankenschwester für Intensiv- sowohl in der Kontrolle als auch in der stimulierten und Anästhesiepflege. Jahrgang Gruppen abnahm, war der Muskelverlust in der EMS 1963. 1983 Abschluss an der Kran- Gruppe signifikant geringer. Die EMS-Therapie ist kenpflegeschule Wittlich. 1983–1991 damit eine gut tolerierte Methode zur Prävention der Tätigkeit in verschiedenen Abteilungen der Universitätsklinik Heidelberg. Muskelatrophie bei Intensivpatienten [73, 74, 75]. 1991–2003 stellvertretende Stationsleitung der Anästhesiologischen Intensivstation Heidelberg. Ab 1993 freiberufliche Dozententätigkeit. Ab 2003 Leitung einer Viszeralchirurgischen Allgemeinstation. Seit 2004 Leitung der Intermediate Care und Transplantationstation der Chirurgischen Klinik Heidelberg. Seit 2007 zusätzlich Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. Kernaussagen Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten Leitung des Akutschmerzdienstes der Anästhesiologi- Konstantin Mayer schen Klink und der Dialyseabteilung Innere I der Universitätsklinik. Prof. Dr. med. Konstantin Mayer ist Oberarzt der Medizinischen Klinik II Andreas Hecker für Innere Medizin, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin am Dr. med. Jahrgang 1981. Assistenz- Universitätsklinikum Gießen und arzt an der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax-, Kinder- und Transplan- Marburg, Standort Gießen. tationschirurgie des UKGM, Standort Gießen. Forschungsschwerpunkte: Transplantationsimmunologie, Sepsis, Intensivmedizin. Markus A. Weigand Prof. Dr. med. Jahrgang 1967. Studium an der Universität Ulm und Gabor Szalay der LMU-München. Seit 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Jahrgang 1971. Studium der Human- Anaesthesiologischen Universitäts- medizin in Budapest, Innsbruck und klinik Heidelberg. 1993 Promotion. Gießen. 1998–2006 Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie am akademi- 1994–1995 Arzt im Praktikum. 1995 Approbation. 2001 Facharzt für Anaesthesiologie. 2002 Oberarzt. schen Lehrkrankenhaus in Lich. Seit 2006 an der Klinik und Poliklinik für 2002 Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. 2003 Spezielle Unfallchirurgie des Universitätsklini- Anästhesiologische Intensivmedizin. 2004 Habilitation. kum Giessen und Marburg. 2008 2004 Anästhesiologischer Leiter der Intensivmedizin. Zusatzbezeichnung Handchirurgie. 2005 Geschäftsführender Oberarzt. 2007 Leitender 2009 Zusatzbezeichnung Proktologie. 2012 Zusatzbe- Oberarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor der zeichnung spezielle Unfallchirurgie. Klinik für Anaesthesiologie der Universität Heidelberg. Martin Heinrich 2008 Außerplanmäßiger Professor, Universität Heidelberg. 1. 10. 2008 Berufung zum W3-Professor für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin und Leiter der Jahrgang 1978. 1999–2005 Studium der Humanmedizin an der Universität Klinik für Anaesthesiologie, Operative Intensivmedizin Regensburg und der Ruhruniversität und Marburg, Standort Gießen. und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Gießen Bochum. 2005–2008 Assistenzarzt an den Bundeswehrkrankenhäusern Hamm und Koblenz. 2008 Ausbildung Korrespondenzadresse zum Schiffs- und Taucherarzt bei der Prof. Dr. med. Markus A. Weigand Marine. Seit 2008 am Universitätskli- Justus-Liebig-Universität Gießen Klinik für Anaesthesiologie, Operative Intensivmedizin nikum Gießen und Marburg GmbH. Seit 2009 an der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie und Schmerztherapie Universitätsklinikum Gießen und Marburg, am Standort Gießen. Standort Gießen Rudolf-Buchheim Straße 7 35392 Gießen Tel. +49-641-985 44401 Fax: +49-641-985 44409 E-Mail: [email protected] Die Literatur zu diesem Beitrag finden Sie unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1309875. Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 180 Operative Intensivmedizin CME-Fragen █ 1 Welche Aussage zur Epidemiologie und Pathogenese der Muskelatrophie unter einer Intensivtherapie ist richtig? A Das Risiko, eine Muskeldysfunktion zu entwickeln, ist bei nicht beatmeten Intensivpatienten vernachlässigbar gering. B Kortikosteroide und Antibiotika hemmen durch die Dämpfung proinflammatorischer Zytokine die Entwicklung einer Muskelschwäche. C Zu einem Verlust der Muskelkraft kommt es nur im Rahmen entzündlicher Prozesse. █ 2 Welche Aussage zur Critical-illnessMyopathie ist richtig? A Bei körperlicher Belastung sinkt der Plasmaspiegel von Adrenalin, Kortisol und Wachstumshormonen. B Myokine werden bei körperlicher Aktivität vermehrt ausgeschüttet und haben einen immunmodulierenden Effekt. C Die Critical-illness-Myopathie ist die Folge einer Critical-illness-Polyneuropathie. D Die Critical-illness-Myopathie führt zu einer Muskelschwäche, im Gegensatz zur Critical-illnessPolyneuropathie aber nicht zu Paralysen. E Eine chronische Erhöhung von Zytokinen wie IL-10 und TNF-α fördert den Muskelaufbau und die Muskelregeneration. █ 3 Welche Antwort zur Muskelphysiologie ist richtig? A Langsame Muskelfasern (Typ I) enthalten wenige Mitochondrien. B Schnelle Muskelfasern (Typ IIB) arbeiten glykolytisch. C Schnelle Muskelfasern (Typ IIB) sind für Ausdauerleistungen ausgelegt. D Langsame Muskelfasern (Typ I) bezeichnet man auch als „weiße Muskulatur“. E Kraftvolle, schnelle Bewegungen basieren auf einem oxidativen Muskelstoffwechsel. █ 4 Welche Aussage zum medikamentösen Einfluss auf die immobilitätsbedingte Muskelatrophie ist richtig? A Anabole Substanzen bedürfen aufgrund gravierender Risiken einer strengen Indikationsstellung. B Verzweigtkettige Aminosäuren wirken präventiv einem Muskelabbau entgegen, unterstützen aber nicht den Muskelaufbau. C Kreatin erhöht die Muskelkraft nur zusammen mit einem gleichzeitigen intensiven körperlichen Training. D Eine hochdosierte Gabe von Wachstumshormon verbessert die Stickstoffbilanz, verkürzt die Klinikverweildauer und senkt die Sterblichkeit. E Eine Testosterontherapie ist am effektivsten, wenn sie frühestmöglich in der inflammatorischen Phase beginnt. █ 5 Welcher Befund ist in der Entwöhnungsphase nicht als Hinweis auf eine Atrophie der respiratorischen Muskulatur zu werten? A fehlender Hustenstoß B fehlendes inspiratorisches Heben der Bauchdecke C im Sitzen größere Schwierigkeiten beim Atmen als im Liegen D paradoxe Atmung E mangelnde Muskelarbeit in Sedierungspause CME Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. D Eine klinisch nachweisbare Schwäche der peripheren Muskulatur findet man frühestens nach etwa 10 Tagen bei nahezu einem Viertel der beatmeten ARDS-Patienten. E Der Verlust der Muskelkraft bei septischen Patienten ist mit einem Anstieg der Letalität verbunden. Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten CME-Fragen Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten Welche Aussage zur Mobilisierung viszeralchirurgischer Patienten ist richtig? A Eine Frühmobilisierung ist kontraindiziert bei Patienten, bei denen ein primärer Verschluss der Bauchhöhle nicht möglich ist. B Die signifikante Senkung der Rate eines postoperativen Ileus durch die Frühmobilisierung ist durch mehrere Muliticenter- Studien abgesichert. C Eine intensive Atemtherapie nach großen abdominalchirurgischen Operationen kann die Wundheilung gefährden und sollte daher frühestens am 10. postoperativen Tag beginnen. D Bei viszeralchirurgischen Intensivpatienten ist eine Mobilisierung frühestens ab dem 3. – 5. postoperativen Tag möglich. E Bei der ersten Mobilisierung ist eine orthostatische Reaktion möglich. █ 7 Was gehört nicht zu den Risikofaktoren einer Critical-illness-Myopathie und -Polyneuropathie? A Sepsis B Multiorgandysfunktions-Syndrom C schweres Asthma D weibliches Geschlecht E antibiotische Langzeittherapie █ 8 Welche Aussage zur Mobilisierung viszeralchirurgischer Intensivpatienten ist richtig? A In der Regel verstärkt die Frühmobilisierung eine postoperative Darmparalyse. B Die Frühmobilisierung vermindert den Katabolismus nach einer viszeralchirurgischen Operation. C Nach einem stumpfen Bauchtrauma mit traumatischer Einblutung ins Parenchym ist eine frühzeitige intensivierte Mobilisierung zur Verhinderung einer Thromboembolie erforderlich. D Eine Frühmobilisierung erhöht nach Darmeingriffen das Risiko einer Anastomoseninsuffizienz. E Nach Oberbauchoperationen ist die Atmung durch eine Zwerchfellirritation abgeschwächt und mit atemtherapeutischen Maßnahmen nicht zu beeinflussen. █ 9 Nach welchem Eingriff ist nicht mit einem „sympathischen“ Pleuraerguss zu rechnen? A Hemihepatektomie links B erweiterte Hemikolektomie rechts C partielle Duodenopankreatektomie D Leistenherniotomie links nach Lichtenstein E Splenektomie █ 10 Wann muss man von einer eingeschränkten Übungsstabilität ausgehen? A Stabilisierung einer Extremitätenfraktur mit Fixateur externe B Stabilisierung einer Extremitätenfraktur mit Platten- oder Schraubenosteosynthese C Radiusfraktur, versorgt mit palmarer, winkelstabiler Plattenosteosynthese D Typ-A-Beckenverletzung E Typ-C-Beckenverletzung CME Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. █ 6