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Deutsches Notarinstitut
GUTACHTEN
D o k u m e nt n u m m e r :
14294
l e t zt e A k t u a l i s i e r un g / R e c ht s s t a n d: 2 6 . 1 0 . 2 0 0 7
l e t ze S i c h t u n g :
22.11.2011
HINWEIS:
Ab dem 1. April 2011 gilt in der VR China ein neues Gesetz zum IPR
EGBGB Art. 15, 17, 18
China (Volksrepublik): Ehevertrag eines deutsche-chinesischen Ehepaares
I. Sachverhalt
Es geht um den Abschluss eines Ehevertrages. Die Eheleute leben dauerhaft in Deutschland.
Dies war auch schon bei der Eheschließung der Fall. Die Ehefrau stammt aus der Volksrepublik
China und hat ausschließlich die chinesische Staatsangehörigkeit.
Durch Ehevertrag soll nun der Zugewinnausgleich für den Fall der Scheidung ausgeschlossen
werden, ein gegenseitiger Verzicht auf Scheidungsunterhalt – vorbehaltlich des Betreuungsunterhalts – erklärt werden und schließlich auch der Versorgungsausgleich wechselseitig ausgeschlossen werden.
II. Frage
Ist auf das Ehegüterrecht Versorgungsausgleich oder Unterhalt möglicherweise chinesisches
Recht anwendbar?
III. Zur Rechtslage
1.
Modifikation der Zugewinngemeinschaft
a) Anwendbares Recht aus deutscher Sicht (Art. 15 EGBGB)
Die güterrechtlichen Folgen der Ehe, und damit auch die Möglichkeiten, den gesetzlichen Güterstand durch vertragliche Vereinbarung abzudingen oder zu modifizieren,
bestimmen sich nach dem gem. Art. 15 EGBGB bestimmten Güterstatut. Dieses verweist zunächst auf das von den Eheleuten gewählte Recht. Insbesondere könnten sie im
vorliegenden Fall wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehemannes gem.
Art. 15 Abs. 2 Ziff. 1 EGBGB das deutsche Güterrecht vereinbaren.
Vorbehaltlich einer entsprechenden ehevertraglichen Güterrechtswahl, insbesondere
also für die Zeit bis zum Abschluss des Ehevertrages, wäre darauf abzustellen, welche
Staatsangehörigkeit die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung gehabt haben
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(Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB). Haben sie zum Zeitpunkt der
Eheschließung keine gemeinsame Staatsangehörigkeit gehabt, ist entscheidend, in welchem Staat die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung beide ihren gewöhnlichen
Aufenthalt gehabt haben. Dies ist im vorliegenden Fall Deutschland gewesen. Insoweit
gilt daher im vorliegenden Fall auch ohne entsprechende Rechtswahl gem. Art. 15
Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB das deutsche Güterrecht. Die Eheleute leben daher in Zugewinngemeinschaft und können diesen gesetzlichen Güterstand auch
noch nachträglich modifizieren.
b) Anwendbares Recht aus chinesischer Sicht
Sollte im vorliegenden Fall die Ehe scheitern, so scheint es nicht ausgeschlossen, dass
die Ehefrau nach China zurückgeht. Aufgrund der Begründung des Wohnsitzes in der
Volksrepublik China wäre dann auch nach dortigem Recht die Zuständigkeit der dortigen Gerichte gegeben, die Scheidung der Ehe durchzuführen. Es wäre eine solche Entscheidung dann gem. § 328 ZPO im Inland anzuerkennen. Insoweit wäre also auch die
dortige Perspektive zu betrachten.
Das auf die güterrechtlichen Beziehung von Ehegatten anwendbare Recht ist im chinesischen Internationalen Privatrecht nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Gem. Art. 147
der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China vom 12.4.1986
(deutsche Übersetzung in: Kropholler/Krüger/Riering/Samtleben/Siehr, Außereuropäische IPR-Gesetze) wird auf die Scheidung eines Bürgers der Volksrepublik China von
einem Ausländer das Recht des Gerichts, das den Fall annimmt, angewandt. Gemäß den
zu diesem Gesetz ergangenen „Versuchsweise durchgeführten Ansichten des Obersten
Volksgerichts der Volksrepublik China zu einigen Fragen der Anwendung der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China“ vom 26.1.1988 (Übersetzung a. a. O.), Ziff. 188 bedeutet dies, dass in Ehescheidungsfällen mit Auslandsberührung, die von chinesischen Gerichten angenommen werden, auf die Scheidung und die
von der Scheidung herbeigeführte Vermögensteilung chinesisches Recht anzuwenden
ist.
Daher ist zu vermuten, dass die chinesischen Gerichte bei einer Scheidung stets ihr eigenes, mithin das chinesische Güterrecht anwenden (vgl. Süß, Grundzüge des chinesischen IPR, 1991, S. 144; von Senger, in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht, Volksrepublik China, S. 46, jeweils m. w. N.).
c) Wirksamkeit der güterrechtlichen Vereinbarung nach chinesischem materiellem
Recht
Gesetzlicher Güterstand ist im chinesischen Recht gem. Art. 17 ff. des am 28.4.2001 reformierten und erheblich erweiterten Ehegesetzes der VR China vom 12.4.1980 die Errungenschaftsgemeinschaft. D. h., dass das von den Eheleuten in die Ehe eingebrachte
Vermögen zwar ihr jeweils eigenes Eigentum bleibt, während der Dauer der Ehe von
den Eheleuten entgeltlich erworbenes Vermögen wie insbesondere Arbeitslohn, Erträge
aus wirtschaftlicher Tätigkeit und auch durch Erbfolge oder Schenkung erworbenes
Vermögen aber gemeinschaftliches Vermögen der Eheleute wird, welches ihnen in gesamthänderischer Verbundenheit zusteht. Es können gem. Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes
die Eheleute vereinbaren, dass das während der Ehe erworbene Vermögen sowie das
vor der Ehe erworbene Vermögen dem jeweiligen Ehegatten gehört, also die Errungenschaftsgemeinschaft ausschließen und eine Gütertrennung vereinbaren. Die Vereinbarung ist in schriftlicher Form abzuschließen. Die gesetzlichen Regeln über die Errun-
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genschaftsgemeinschaft finden erst dann Anwendung, wenn die Eheleute nichts vereinbart haben oder die Vereinbarung nicht eindeutig ist. Eine derartige Vereinbarung hat
gem. Art. 19 Abs. 2 EheG für beide Eheleute Bindungswirkung. Dementsprechend wäre
die hier getroffene Vereinbarung über die Gütertrennung für den Fall der Scheidung der
Ehe einschließlich einer Kompensation wohl auch unter Zugrundelegung chinesischen
Güterrechts wirksam.
Eine Einschränkung der Wirkungen der Gütertrennung ergibt sich im chinesischen
Recht allerdings daraus, dass gem. Art. 40 chin. EheG bei Vereinbarung der Gütertrennung, der Ehegatte, der Kinder erzogen oder alte Leute betreut hat bzw. dem anderen
Ehegatten bei der Arbeit geholfen hat oder auf andere Weise erhebliche Verpflichtungen übernommen hat, gegen den anderen Ehegatten bei Scheidung einen Anspruch auf
angemessenen Ausgleich geltend machen kann. Dies dürfte insb. den Fall der typischen
„Hausfrauenehe“ umfassen. Da im vorliegenden Fall gemeinsame Kinder geplant sind
und die Ehefrau keine eigene Berufstätigkeit aufnehmen wird, dürfte die Vereinbarung
der kompletten Gütertrennung für den Fall der Scheidung hier aus chinesischer Sicht
wohl nicht uneingeschränkt anerkannt werden. Die hier beabsichtigte Vereinbarung
hätte freilich aus chinesischer Sicht den Nachteil, dass sie auf der Anwendbarkeit der
Regelung des deutschen Rechts zur Zugewinngemeinschaft beruht und sich daher nicht
direkt auf den chinesischen gesetzlichen Güterstand übertragen lässt. Es müsste daher
ggf. klargestellt werden, dass die Eheleute für den Fall der Scheidung beabsichtigen,
dass sie sich so stellen, als ob sie von Anfang an im Güterstand der Gütertrennung gelebt haben, sie müssten also jegliche Art von Beteiligung des einen Ehegatten an den
während der Ehe erzielten Vermögenszuwächsen des anderen ausdrücklich ausschließen.
2.
Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs
a) Aus deutscher Sicht anwendbares Recht
Die Wirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung über den Versorgungsausgleich unterliegt dem gemäß Art. 17 Abs. 3 EGBGB bestimmten Statut des Versorgungsausgleichs. Dieses wiederum bestimmt sich gem. Art. 17 Abs. 3 S. 1, Art. 17 Abs. 1 S. 1,
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB im vorliegenden Fall, da die Eheleute keine gemeinsame
Staatsangehörigkeit haben dem Recht des Staates, in dem sie zum Zeitpunkt der
Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben
werden bzw. zuletzt gehabt haben werden. Diese Verweisung wird im vorliegenden Fall
auf das deutsche Recht führen, da die Eheleute beabsichtigen, beide in Deutschland zu
leben und damit zu rechnen ist, dass selbst dann, wenn nach Scheitern der Ehe die Ehefrau nach China zurückkehrt, zumindest der Ehemann seinen Wohnsitz in Deutschland
beibehalten wird.
Da mithin der Versorgungsausgleich nach deutschem Recht zu beurteilen sein wird,
wird auch die Wirksamkeit seiner Beschränkung nach den Vorschriften des deutschen
Rechts zu beurteilen sein. Danach ist die Beschränkung grundsätzlich möglich. Zu beachten sind hier allerdings die Beschränkungen der ehevertraglichen Vertragsfreiheit
durch die Rechtsprechung seit der Entscheidung des BGH vom 11.2.2004. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass der BGH auch den Versorgungsausgleich zum Kernbereich der
ehelichen Rechtsfolgen zählt, in diesem Bereich also eine gerichtliche Inhaltskontrolle
und Ausübungskontrolle intensiver vollzogen wird. Die für die Durchführung der
Kontrolle maßgeblichen Parameter (Einkommens- und Vermögensverhältnisse der
Eheleute, Ausbildung und berufliche Karrierechancen, persönliche Situation etc.) sind
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hier nicht erkennbar, so dass von hier aus die Situation nicht beurteilt werden kann.
Allerdings könnte man daran denken, wie beim Unterhaltsverzicht auch beim
Versorgungsausgleich die Kindererziehungszeiten vom gegenseitigen Verzicht
auszunehmen. Wir verweisen insoweit auf die einschlägige Literatur.
b) Wirksamkeit des Verzichts aus chinesischer Sicht
Dem chinesischen Recht ist der Versorgungsausgleich unbekannt. Folglich fehlen auch
kollisionsrechtliche Bestimmungen über das auf den Versorgungsausgleich anzuwendende Recht. Am wahrscheinlichsten ist es wohl, dass der Versorgungsausgleich unter
die vermögensrechtliche Auseinandersetzung in Ziff. 188 der Ansichten des Obersten
Volksgerichts (s. o.) subsumiert werden würde, so dass im Falle der Scheidung durch
ein chinesisches Gericht chinesisches Recht anzuwenden wäre. Aus chinesischer Sicht
würde also ohne Rücksicht auf eine Vereinbarung der Eheleute kein Versorgungsausgleich durchgeführt werden.
3.
Unterhaltsvereinbarung
a) Aus deutscher Sicht anwendbares Recht
Die Wirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung bestimmt sich nach dem auf den Unterhalt anzuwendenden Recht. Der nacheheliche Unterhalt unterliegt gem. Art. 8 Abs. 1
des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht
vom 2.10.1973 (BGBl. II 1986, S. 137), der in Art. 18 Abs. 4 EGBGB inkorporiert
worden ist, dem auf die Ehescheidung angewandten Recht. Maßgeblich ist dabei nicht
das gem. Art. 17 Abs. 1 EGBGB anzuwendende Scheidungsstatut, sondern das tatsächlich auf die Scheidung angewandte Recht (vgl. Palandt/Heldrich, a. a. O., Art. 18
EGBGB Rn. 8, 12). Soweit der Scheidungsantrag in Deutschland gestellt werden wird,
wird dies gem. Art. 17 Abs. 3 Ziff. 1 EGBGB das gewählte deutsche Recht sein.
Sollte die Ehefrau vor der Scheidung die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wäre
bereits aufgrund von Art. 17 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB deutsches Recht
Scheidungsstatut. Auch in diesem Fall käme deutsches Recht auf die anschließende Bestimmung des Scheidungsunterhalts an.
Sollte die Ehe in China geschieden werden, wird das chinesische Gericht das chinesische Scheidungsrecht auf die Scheidung anwenden, so dass anschließend ein deutsches
Gericht den Scheidungsunterhalt und die Wirksamkeit einer hierauf bezogenen vertraglichen Vereinbarung nach dem chinesischen Recht zu beurteilen hätte – unabhängig davon, ob die Ehe vom deutschen Gericht nach deutschem oder chinesischem Recht hätte
geschieden werden müssen. Etwas anderes gilt allein dann, wenn die chinesische Entscheidung – ausnahmsweise – nicht anerkennungsfähig wäre.
b) Aus chinesischer Sicht anwendbares Recht
Gem. Art. 148 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China (a.
a. O.) wird auf den Unterhalt das Recht des Staates angewandt, mit dem der Unterhaltene die engste Verbindung hat. Gem. Ziff. 189 S. 2 der Ansichten des Obersten Volksgerichts der Volksrepublik China (s. o.) hierzu kommen als engste Verbindung des Unterhaltenen die Staatsangehörigkeit und der Wohnsitz des Unterhaltenden wie des Unterhaltenen sowie der Ort des Vermögens in Betracht, aus dem der Unterhalt geleistet
wird. In der Praxis der chinesischen Gerichte wird diese Bestimmung bei Bestimmung
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des auf den nachehelichen Unterhalt anzuwendenden Rechts zumeist so ausgelegt, dass
chinesisches Recht zur Anwendung gelangt (s. Süß, Gründzüge des chinesischen IPR,
S. 154).
c) Wirksamkeit nach chinesischem materiellen Recht
Gem. Art. 42 chin. EheG hat nach der Scheidung der geschiedene Ehegatte, der bedürftig ist, gegen den anderen Ehegatten Anspruch auf Hilfe, etwa in der Weise, dass er von
der Wohnung und dem persönlichen Vermögen einen Teil erhält. Die Art und Weise, in
der dieser Anspruch erfüllt wird, ist vorrangig von den Beteiligten zu vereinbaren. Erst
wenn keine Vereinbarung erreicht wird, entscheidet das Gericht durch Urteil. Hierbei
stellt sich dann allerdings die Frage, ob eine Vereinbarung schon bei Beginn der Ehe
möglich ist. Selbst wenn man dieses bejaht, ist es jedoch fraglich, ob eine derartige Vereinbarung dann auch noch bis zur Scheidung bindend ist und nicht widerrufen werden
kann.
Jedenfalls aber ist die „wirtschaftliche Unterstützung“ des geschiedenen Ehegatten auf
den Fall beschränkt, dass er „Schwierigkeiten beim Leben“ hat. Dies bedeutet, dass anders als beim ehelichen Unterhalt der geschiedene Ehegatte in China lediglich Anspruch
darauf hat, dass ihm ein gewisses Grundniveau ermöglicht wird und das zum Leben
Notwendige verlangen kann. Er darf auch auf der Basis des eigenen Vermögens sowie
des aufgrund der Scheidung zugeteilten Vermögens das nach den örtlichen Verhältnissen grundlegende Lebensniveau aufrecht erhalten. Dies ist z. B. der Fall, wenn er keinerlei Wohnung hat (s. Wang Hong, Ehe-, Familien- und Erbrecht, Peking 2005,
S. 132).
d) Wirksamkeit der Unterhaltsvereinbarung nach deutschem materiellem Recht
Die Frage, inwieweit den Scheidungsunterhalt begrenzende Vereinbarungen getroffen
werden können, zählt u. E. zu den wohl noch dunkelsten Bereichen bei der Frage nach
der Möglichkeit ehevertraglicher Vereinbarungen. Durch eine neuere Entscheidung vom
22.11.2006 (DNotZ 2007 Heft 4 S. 302) hat der BGH in einer deutsch-russischen Ehe
noch einmal ausdrücklich den Grundsatz der „nachehelichen Solidarität“ betont. Bereits
aus dem Umstand, dass die Braut ohne langfristiges Visum und ohne Arbeitserlaubnis
nach Deutschland gekommen war und ohne Eheschließung wieder in ihre Heimat hätte
zurückkehren müssen, folgerte der BGH eine „deutlich schwächere Verhandlungsposition“ (DNotZ 2007, 302, 303). Insoweit ist bei entsprechenden Ehen also schon aus der
objektiven Situation die von § 138 Abs. 2 BGB verlangte „Zwangslage“ zu bejahen.
Hinzu käme im entschiedenen Fall, dass die Braut, die weder die deutsche Sprache
kennt noch Einblick in die Verhältnisse in Deutschland hat, sich auch intellektuell in
einer Unterlegenheitssituation befinde.
Ein weiteres Moment, auf das der BGH in dem ihm vorgenannten Fall die Sittenwidrigkeit stütze, war der Umstand, dass die Ehefrau aus ihrer Heimat nach Deutschland gekommen war und damit ihre Arbeitsstellung in Russland aufgegeben hatte. Hieraus bereits folgerte der BGH einen ehebedingten einseitigen Nachteil der Ehefrau. Dem BGH
genügte dies zur Bejahung der Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichts. Da es sich bei
dieser Entscheidung unseres Wissens nach um die bislang erste Entscheidung des BGH
zu den falltypischen ehevertraglichen Verzichtsvereinbarungen mit aus dem Ausland
eingereisten Frauen deutscher Ehemänner handelt, lässt sich kaum absehen, wie sich der
hier vorliegende Fall von dem dort entschiedenen Fall des BGH abgrenzen lässt.
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Auf der Basis der sog. Kernbereichslehre ist der Kinderbetreuungsunterhalt die Form
des Unterhalts, die der Disposition der Eheleute am wenigsten zugänglich ist (vgl.
Münch, Die Unternehmerehe, 2007, Rn. 566). Insoweit ist im vorliegenden Fall allerdings der Betreuungsunterhalt vom Unterhaltsverzicht bereits ausgenommen worden.
Darüber hinaus ist aber auch der Krankheitsunterhalt, der Altersunterhalt und der Vorsorgeunterhalt zum Kernbereich zu zählen, auch wenn er nicht auf der ersten, sondern
erst auf der zweiten Stufe der Disponibilitätsrangfolge steht (vgl. BGH NJW 2004,
930).