Dialog-Predigt zu Jesaja 44,1-6

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Dialog-Predigt zu Jesaja 44,1-6
Dialog-Predigt zu Jesaja 44,1-6
Datum:
Prediger/in:
03.07.2005
Hedwig Geske und Dr. Holger Kaffka
Jetzt aber höre, Jakob, mein Knecht, / Israel, den ich erwählt habe!
So spricht der Ewige, der dich gemacht hat, / der dich gebildet hat, von Mutterleibe an, / der dir hilft:
„Fürchte dich nicht, Jakob, mein Knecht, / und du Israel, den ich erwählt habe!
Denn ich will Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das dürre Land.
Meinen Geist gieße ich aus über deine Nachkommen / und meinen Segen über deine Kinder, / dass sie wachsen
wie Gras zwischen Wassern, / wie Weidenbäume an Wasserbächen.
Diese wird sagen: 'Ich gehöre Gott.'
Ein anderer wird sich auf Jakobs Namen berufen.
Eine wird auf ihre Hand schreiben: 'Gott zu eigen.'
Ein anderer wird sich auszeichnen mit Israels Namen.
Es war eine der schlimmsten Erfahrungen unseres Volkes in vielen Jahrhunderten. Dabei war
es noch gar nicht so lange her, dass wir erfahren hatten, was es heißt, in einem Land zu
wohnen, in dem sprichwörtlich Milch und Honig fließen. Israel war groß unter den Völkern. Und
wir wussten, dass wir das unserem Gott zu verdanken hatten. ER, unser Gott, sein Name sei
gepriesen.
Ja, freilich, es gab auch schwierigere Zeiten. Wir mussten Tribute an fremde Völker zahlen.
Unsere Mächtigen hatten Gott verlassen. Sie waren Götzen nachgelaufen, haben auf Reichtum
und Macht gesetzt. Aber immerhin, wir hatten den Tempel in Jerusalem und wir wussten, dass
Gott bei uns wohnt. Eigentlich waren wir sicher, dass kommen kann, was will: Gott würde uns
nie verlassen.
Aber dann kam das! Wieder einmal fiel ein feindliches Heer in unser Land ein. Diesmal ging es
nicht nur um Tribut. Das wäre schon schwer genug gewesen. Nein, die Babylonier machten
Ernst. Sie zerschmetterten unsere Städte. Und, was das Schlimmste war: Sie zerstörten den
Tempel. Bis zum Schluss hatten wir gehofft, dass Gott eingreifen würde. Er könnte doch nicht
zulassen, das die Heiden Sein Haus kaputt machten. Aber offensichtlich hatte Gott uns
verlassen. Offensichtlich hatte er seinen Bund mit uns vergessen. Ungestraft trieben die
Babylonier ihr Unwesen. Am Ende nahmen sie alle mit. Alle, die irgendetwas zu sagen hatten,
alle Gebildeten, jeden, der irgendwie auffiel. Und in großen Trecks wurden wir deportiert,
hierher nach Babylon.
Hier sind wir jetzt seit Jahrzehnten. Wir wissen kaum, wo wir uns hinwenden sollen. Wer
bewässert die Wüste, die wir in uns spüren? Gottverlassen, von Menschen geschunden. Fremd
und ohne einen Ort, an dem wir Gott anrufen könnten. Die Fremdheit in diesem Land lässt
unsere Herzen verdorren. Wir dürsten nach Heimat. Wir dürsten nach einem Zeichen von Gott,
gepriesen sein sein Name. Schließlich hatte ER doch einen Bund mit uns geschlossen. Wenn
doch nur ER uns nicht verlassen hätte, hier im Exil...
Mit so viel Mut und Lust sind wir aufgebrochen in das Leben, das wie ein blühender Garten vor uns lag:
Wir leben in einem demokratischen, freien Land - ich habe die Wendezeit und den Zusammenbruch der DDR als junge Erwachsene erlebt und mit viel
Hoffnung versucht, einen neuen Weg mitzugestalten. Und dann gab es diesen Ausverkauf, und wir konnten gar nichts mitgestalten, weil das Geld überall
regiert. Jetzt fühle ich mich manchmal wie in der Wüste: wir leben mit den Millionen Arbeitslosen, mit der Zukunftsangst um Arbeitsplatz und Rente, mit
dem dadurch entstehenden unglaublichen Leistungsdruck und Überlastung bei denen, die Arbeit haben, und der Hoffnungslosigkeit bei den andern. Ich
sehe so viele Kinder und Jugendliche, die voller Frust aus der Schule kommen, denen durch Leistungsdruck und überforderte Pädagogen und vielleicht
auch überforderte Eltern die natürliche Neugier und Lust zum Lernen und ihr Selbstvertrauen längst abhanden gekommen sind, und die für sich auch keine
erstrebenswerte Zukunft sehen. Dadurch nehmen Gewaltbereitschaft und Drogenmissbrauch zu.
Die ständige Kriegsgefahr zwischen Ostblock und West-Staaten ist gebannt, aber die Welt ist überhaupt nicht friedlicher geworden dadurch - und ich habe
auch keinen Einfluss darauf. Die Ungerechtigkeit in der Welt zwischen den Ländern mit Hunger und Analphabetismus und uns – „so satt, dass man
manchmal fast friert“ – nimmt eher zu als ab.
Hat uns Gott verlassen in dieser Welt?
Oder seht unsere Partnerschaften und Familien an: Manchmal ist es wie in der Wüste - Ich schaffe es nicht, allen gerecht zu werden: meinem Partner,
meinen Kindern, meinem Beruf - die Zeit und die Kräfte reichen einfach nicht. Ich verliere die Geduld, wir kränken uns völlig unnötig und sind dann
abends zu müde, um uns noch zu versöhnen.
Dabei sind wir doch mit Gottes Zusage in diese Familie aufgebrochen – hat er uns verlassen?
In unserer Kirche erlebe ich oft so eine Enge und Trostlosigkeit, ein zähes Festhalten an Traditionen um der Tradition willen - wir sind oft so wenig
einladend für Leute, die ihre eigenen Fragen und ihre eigene Art zu glauben mit einbringen wollen. Unsere Mitgliederzahlen sinken, dadurch können wir
weniger hauptamtliche Mitarbeiter einstellen - und dadurch breiten sich Resignation und Frust aus.
Hat uns Gott verlassen in dieser Kirche?
'Wenn doch nur ER uns nicht verlassen hätte, hier im Exil...' So haben wir uns manches Mal
gedacht. Aber wie sollte Gott bei uns sein, wenn er uns der Fremde preisgibt, der Wüste? Wie,
wenn der Tempel zerstört ist, Gottes Haus?
Doch dann war ausgerechnet ich es, der Gott hörte. Beschreiben kann ich es kaum, aber Gott
sprach zu mir. Ich wusste es plötzlich. Ich hatte auf einmal erkannt: Auch ohne den Tempel
kann Gott uns nahe sein. Er war verborgen für uns, aber er hat uns nie verlassen. Und Gott
wollte uns Hoffnung zusprechen.
Ich sah es vor mir: unser Volk, wie es zurückkehrt ins fruchtbare Land, zurück ins üppige Grün
der Heimat.
Und plötzlich gingen mir die Augen auf: auch hier in der Fremde war nicht nur Wüste. Gott
hatte uns begleitet durch all die Zeit. Er hatte seinen Bund nicht aufgelöst, so sehr wir ihn auch
vergessen haben mögen. Überall sah ich es. Es war nicht nur Wüste. Es gab auch üppige
Oasen.
Ich wusste, dass ich es weiter sagen musste. Ich wollte, dass es alle erfahren. Das war nicht
einfach, aber ich konnte es nicht für mich behalten. Gott hatte zu uns gesprochen, gepriesen
sei sein Name:
„Höre Israel. Ich habe dich erwählt und nicht verlassen. Ich habe dich gemacht, und schon im
Mutterleibe bist du mein Werk gewesen. Fürchte dich nicht! Ich werde dir helfen in deiner Not.
Ich habe deinen Durst gesehen und ich werde Wasser geben die Fülle. Ich werde das Dürre
tränken mit Strömen lebendigen Wassers, dass das Leben nur so sprießt. Und ihr und eure
Kinder: Ihr sollt meinen Geist spüren. Über dieses, mein Volk will ich meinen Segen ausgießen
in alle Generationen. Wachsen sollt ihr. Wachsen sollen eure Kinder und Kindeskinder - wie
Gras zwischen Wassern, wie Weidenbäume an Wasserbächen.
Dann werdet ihr erkennen, dass ihr zu mir gehört. Und ihr werdet wieder wissen, dass ihr Israel
seid - das Volk, das erwählt ist von mir. Das Volk, mit dem ich meinen Bund geschlossen
habe.“
So hatte ich es gehört. Und ich wusste, dass wieder Hoffnung ist. Und ich wollte es weiter
sagen.
Mit so viel Mut und Lust sind wir aufgebrochen in das Leben, das wie ein blühender Garten vor uns lag:
Wir leben in einem demokratischen, freien Land - ich habe die Wendezeit und den Zusammenbruch der DDR als junge Erwachsene erlebt und mit viel
Hoffnung versucht, einen neuen Weg mitzugestalten. Und dann gab es diesen Ausverkauf, und wir konnten gar nichts mitgestalten, weil das Geld überall
regiert. Jetzt fühle ich mich manchmal wie in der Wüste: wir leben mit den Millionen Arbeitslosen, mit der Zukunftsangst um Arbeitsplatz und Rente, mit
dem dadurch entstehenden unglaublichen Leistungsdruck und Überlastung bei denen, die Arbeit haben, und der Hoffnungslosigkeit bei den andern. Ich
sehe so viele Kinder und Jugendliche, die voller Frust aus der Schule kommen, denen durch Leistungsdruck und überforderte Pädagogen und vielleicht
auch überforderte Eltern die natürliche Neugier und Lust zum Lernen und ihr Selbstvertrauen längst abhanden gekommen sind, und die für sich auch keine
erstrebenswerte Zukunft sehen. Dadurch nehmen Gewaltbereitschaft und Drogenmissbrauch zu.
Die ständige Kriegsgefahr zwischen Ostblock und West-Staaten ist gebannt, aber die Welt ist überhaupt nicht friedlicher geworden dadurch - und ich habe
auch keinen Einfluss darauf. Die Ungerechtigkeit in der Welt zwischen den Ländern mit Hunger und Analphabetismus und uns – „so satt, dass man
manchmal fast friert“ – nimmt eher zu als ab.
Hat uns Gott verlassen in dieser Welt?
Oder seht unsere Partnerschaften und Familien an: Manchmal ist es wie in der Wüste - Ich schaffe es nicht, allen gerecht zu werden: meinem Partner,
meinen Kindern, meinem Beruf - die Zeit und die Kräfte reichen einfach nicht. Ich verliere die Geduld, wir kränken uns völlig unnötig und sind dann
abends zu müde, um uns noch zu versöhnen.
Dabei sind wir doch mit Gottes Zusage in diese Familie aufgebrochen – hat er uns verlassen?
In unserer Kirche erlebe ich oft so eine Enge und Trostlosigkeit, ein zähes Festhalten an Traditionen um der Tradition willen - wir sind oft so
wenig einladend für Leute, die ihre eigenen Fragen und ihre eigene Art zu glauben mit einbringen wollen. Unsere Mitgliederzahlen sinken,
dadurch können wir weniger hauptamtliche Mitarbeiter einstellen - und dadurch breiten sich Resignation und Frust aus.
Hat uns Gott verlassen in dieser Kirche?
Ich hatte Gott gehört. Und ich wusste, dass wieder Hoffnung ist. Und ich wollte es weiter sagen.
Das ist jetzt einige Jahre her. Leicht war es nicht, unsere Landsleute anzustecken. Leicht war
es nicht, ihnen Vertrauen einzuflößen auf diese vage Verheißung hin. Aber inzwischen sieht
jede und jeder die deutlichen Zeichen. Ja das Wasser fängt bereits an zu fließen, das uns die
Dürre lebendig macht. Hier in Babylon hat sich viel getan. Wir sind wieder eine Gemeinschaft:
die Gemeinschaft derer, die mit Gott rechnen. Die Gemeinschaft derer, die in Seinem Geist
leben. Wir haben unseren Weg gefunden, hier in dieser Fremde nach Gott zu fragen und ihn zu
preisen. Und wir sind bereit aufzubrechen. Zurückzukehren in die Heimat. Und wir werden es
spüren. Wir werden erleben, wie die Wüste erblüht, weil das Wasser strömt. Wir werden
erleben, wie Gott unseren Durst stillt.
Mit dem Blick auf die kleinen Hoffnungszeichen und die große Verheißung lasst uns aufbrechen in Gottes neue Welt. Wir müssen Schritte tun aus der Wüste
heraus, und die sind manchmal ganz klein. Der erste Schritt aber ist das Mut fassen, der zweite das Mut machen für andere. Mit Vertrauen auf Gott, der uns
Kraft und Fantasie für seinen Weg gibt, werden wir nicht so schnell zu entmutigen sein. Darin können wir uns gegenseitig stärken, damit wir auch
Durststrecken überstehen.
AMEN!