Änderungen bei der IFRS-Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen

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Änderungen bei der IFRS-Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen
Änderungen bei der
IFRS-Bilanzierung von
Pensionsverpflichtungen
Der neue
IAS 19
Oktober 2011
Zum Ende seiner Amtszeit hat der Vorsitzende des Inter­
national Accounting Standard Boards (IASB), Sir David
Tweedie, eines seiner Hauptziele erreicht: Mit der am
16. Juni 2011 veröffentlichten überar­bei­te­ten Version des
International Accounting Standards 19 (IAS 19 rev. 2011)
wurde u. a. das von ihm stets beanstandete Korridorverfah­
ren zur Erfassung versicherungsmathematischer Gewinne
und Verluste abgeschafft.
Was ist neu in IAS 19 rev. 2011?
1. Abschaffung des Korridorverfahrens
Bilanzierungswahlrechte im Sinne einer zeitversetzten Amortisation der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste
gemäß Korridorverfahren oder auch die sofortige Erfassung in
der Gewinn- und Verlustrechnung sind gemäß IAS 19 rev. 2011
zukünftig nicht mehr zulässig. Versicherungsmathematische
Gewinne und Verluste sind sofort und vollständig bei ihrer Entstehung außerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung im „sonstigen Ergebnis“, dem OCI (Other Comprehensive Income), zu
erfassen. Analog BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz)
wird in der IFRS-Bilanz als Pensionsrückstellung zukünftig die
Differenz aus Verpflichtung (Defined Benefit Obligation) und
Pensionsvermögen (Plan Assets) gezeigt. Ca. ¹/³ der DAX-Unternehmen wenden aktuell das Korridorverfahren an. Bei mittelständischen Unternehmen dürfte dieser Anteil jedoch noch sehr
viel größer sein. Für Unternehmen, die bisher das Korridorverfahren
angewendet haben, kann sich die Volatilität in der Bilanz sowie des
Eigenkapitals erhöhen.
2. Dienstzeitaufwand beinhaltet jetzt auch
die Past Service Cost
Effekte aus Änderungen des Leistungsplanes, die auf zurückliegende Dienstjahre entfallen, werden als Past Servi­ce Cost bezeichnet
und im Pensionsaufwand bisher als eigenständiger Posten erfasst. Das IASB hat beschlossen, dass als Dienstzeitaufwand neben dem Aufwand für die in der Berichtsperiode neu hinzuerdienten Ansprüche (Current Service Cost) jetzt auch die Past
Service Cost sofort und vollständig zu erfassen sind. Der Dienstzeitaufwand ist – wie bisher – in der Gewinn- und Verlustrechnung im operativen Ergebnis auszuweisen.
Der neue IAS 19
3. Zinsaufwand/-ertrag als Nettogröße
Neben der Beseitigung von Bilan­zier­ungs­­wahl­rechten für versicherungsmathematische Gewinne und Verluste hat das IASB mit
der Neu­fas­sung des IAS 19 rev. 2011 auch das bisherige Konzept
des Expected Return on Plan Assets (erwarteter Vermögensertrag) abgeschafft. Zukünftig wird ein Nettozinsaufwand bzw.
-ertrag auszuweisen sein, der sich aus der Anwendung des Diskontierungszinssatzes zur Berechnung des Verpflichtungsumfangs auf die leistungsorientierte Nettover­bindlich­keit bzw. das
Nettovermögen (sog. Defined Benefit Liability/Asset als Differenz
zwischen DBO und Plan Assets) ergibt.
Der Ertrag des Pensionsvermögens wird somit – unabhängig von
der Anlagestruktur – verpflichtend auf Basis des Diskontierungszinssatzes für die DBO-Berechnung bestimmt und muss nicht
mehr explizit ermittelt werden. Der Nettozinsaufwand bzw.
-ertrag kann in der Gewinn- und Verlustrechnung auch weiterhin als Teil des operativen Ergebnisses oder separat im Finanzergebnis gezeigt werden. Durch die Vorgabe des Zinssatzes für die
Bestimmung des Nettozinsaufwands/-ertrags bzw. den Wegfall
des erwarteten Ertrags auf das Pensionsvermögen wird sich
zukünftig für die meisten Unternehmen der in der Gewinn- und
Verlustrechnung auszuweisende Pensionsaufwand für leistungsorientierte Pensionspläne erhöhen.
4. Umfangreiche Anhangangaben
Gemäß dem neuen IAS 19 rev. 2011 müssen Unternehmen erstmals auch Angaben bzgl. der Finanzierungsstrategie ihrer Pensionspläne machen und die Finanzierungsrisiken ihrer Pensionspläne nicht nur beschreiben, sondern auch z. B. mittels
Sensitivitätsanalysen für wesentliche versicherungsmathema­
tische Annahmen quantifizieren. Außerdem ist zukünftig die
durchschnittliche Restlaufzeit der Pensionsverpflichtungen auszuweisen. Bezüglich des Detaillierungsgrades der Anhangangaben kann das Unternehmen selbst die Entscheidung treffen,
inwieweit dem Ziel der Offenlegung von Informationen Genüge
getan wird.
Fallstudie zur neuen Bilanzierung von
Pensionsverpflichtungen gemäß IAS 19
Die wesentlichsten Änderungen und Auswirkungen des neuen
IAS 19 rev. 2011, die verpflichtend bereits für Wirtschaftsjahre, die
am oder nach dem 1. Januar 2013 beginnen, anzuwenden sind,
werden nachfolgend in Form einer Fallstudie für das Musterunternehmen Blaupause AG erläutert (Abbildung 1).
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Abbildung 1: Die IFRS-Bilanz der Blaupause AG
zum 31.12.2012
Aktiva
Passiva
Vermögen50
Eigenkapital10
Pensionsrückstellungen0
Fremdkapital40
Bilanzsumme50
Bilanzsumme50
Eigenkapital-Quote: 20 %
DBO-10
Plan Assets
+10
„Korridor“
+/- 0
(nicht amortisierte versicherungsmathematische
Gewinne und Verluste (AGL))
Pensionsrückstellungen0
Die IFRS-Bilanz der Blaupause AG
zum 31.12.2013
Für das Geschäftsjahr 2013 berechnet der Aktuar prospektiv
einen Dienstzeitaufwand (Service Cost) sowie einen Zinsaufwand (Interest Cost) jeweils in Höhe von 0,5 Geldeinheiten. Der
erwartete Ertrag des Pensionsver­mögens (Expected Return on
Plan Assets) wird mit 0,6 Geldeinheiten angesetzt.
Zum Ende des Geschäftsjahres 2013 steigt die Pensionsverpflichtung (DBO) der Blaupause AG aufgrund eines um 1 Prozentpunkt niedrigeren Rechnungs­zinses um 1 Geldeinheit an. Turbulenzen am Kapitalmarkt führen zu einer Reduzierung des
Pensionsvermögens (Plan Assets) um 1 Geldeinheit. Die Rentenzahlungen in Höhe von 0,5 Geldeinheiten werden vollständig
dem Pensionsvermögen entnommen.
Die Ermittlung der Pensionsrückstellung zum 31.12.2013 würde
sich gemäß IAS 19 alt, d. h. unter Anwendung des Korridorverfahrens wie in Abbildung 2 dargestellt gestalten. Bei Anwendung des
Korridorverfahrens würden die versicherungsmathematischen
Verluste in Höhe von 2 Geldeinheiten (zunächst) nicht bei der
Rückstellungsberechnung berücksichtigt. Obwohl zum
31.12.2013 eine Finanzierungslücke in Höhe von 2,4 Geldeinheiten besteht, würde nur eine Pensionsrückstellung in Höhe von
0,4 Geldeinheiten ausgewiesen. Die restlichen 2 Geldeinheiten
gingen in den Anhang der Bilanz ein – und der den Korridor
übersteigende Teil würde ab dem folgenden Geschäftsjahr
amortisiert werden.
Der neue IAS 19
Abbildung 2: Pensionsrückstellung zum 31.12.2013
gemäß Korridorverfahren
DBO
Plan Assets
Rückstellung
alt
Wert zum 31.12.2012
-10
+10
0
Service Cost
-0,5
-0,5
Interest Cost
-0,5
-0,5
Expected Return on Plan Assets
Rentenzahlungen
Versicherungsmathematische
Gewinne/Verluste (AGL)
Wert zum 31.12.2013
+0,6
+0,5
-0,5
-1
-1
-11,5
+9,1
+0,6
-0,4
Abbildung 3: Pensionsrückstellung zum 31.12.2013
gemäß IAS 19 rev. 2011 (OCI-Methode)
DBO
Plan Assets
Rückstellung
neu
Wert zum 31.12.2012
-10
+10
0
Service Cost
-0,5
-0,5
Interest Cost
-0,5
-0,5
Expected Return on Plan Assets
Rentenzahlungen
Versicherungsmathematische
Gewinne/Verluste (AGL)
Wert zum 31.12.2013
+0,6
+0,6
+0,5
-0,5
-1
-1
-2
-11,5
+9,1
-2,4
Wendet man jedoch die in IAS 19 rev. 2011 vorgeschriebene
OCI-Methode, d. h. die direkte Verbuchung der versicherungsmathematischen Ge­winne und Verluste im Eigenkapital an,
­verändert sich die auszuweisende Pensionsrückstellung der
Blaupause AG zum 31.12.2013 (ohne Berücksich­ti­gung der Umstellung auf die Netto­­zins­me­tho­de, Abbildung 3). IAS 19 rev.
2011 sieht keinerlei Bilanzierungswahlrechte für versicherungs­
mathematische Gewinne und Verluste vor. Sämtliche Veränderungen des Verpflichtungsumfangs (DBO) sowie des Pensionsvermögens (Plan Assets) werden in der IFRS-Bilanz zukünftig
sofort und vollständig erfasst. Die neue Pensionsrückstellung der
Blaupause AG in Höhe von 2,4 Geldeinheiten ergibt sich als (Netto-)Differenz zwischen Verpflichtungsumfang (DBO) und Pensionsvermögen (Plan Assets). Die versicherungsmathematischen
Gewinne und Verluste in Höhe von 2 Geldeinheiten werden außerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung über das OCI direkt
im Eigenkapital verbucht.
Vergleicht man die IFRS-Bilanzen der Blaupause AG gemäß IAS
19 alt vs. IAS 19 rev. 2011, so ergibt sich zum 31.12 2013 das in
Abbildung 4 darge­stellte Szenario. Bedingt durch die Umstellung
von der Korridor- auf die OCI-Methode sinkt die Eigenkapitalquote der Blaupause AG um 4 Prozentpunkte ab. Bei höheren Rechnungszinsen und positiven Ka­pit­almarktentwicklungen hätte
sich die Eigenkapitalquote in diesem Beispiel genauso um ca. 4
Prozentpunkte erhöhen können. Die Eigenkapitalquote kann
somit in einer Bandbreite von ca. 15 %–25 % schwanken (→ Volatilität des Eigenkapitals).
In der Fallstudie wurde aus Verein­fach­ungsgründen der „Korridor“
noch nicht amortisierter versicherungsmathematischer Gewinne
und Verluste der Blaupause AG zum 31.12.2012 auf 0 gesetzt. In der
Praxis sind jedoch oft aus den vorangegangenen Geschäftsjahren
versiche­rungs­mathe­ma­tische Gewinne und Verluste aufgelaufen,
die die Auswirkungen der Umstellung von der Korridor- auf die
OCI-Methode und die damit verbundene Volatilität des Eigenkapitals zusätzlich verstärken können.
Abbildung 4: IFRS-Bilanz zum 31.12.2013 gemäß IAS 19 alt vs. IAS 19 rev. 2011
IAS 19 alt
IAS 19 rev. 2011
Aktiva
Passiva
Aktiva
Passiva
Vermögen50
Eigenkapital9,6
Vermögen50
Eigenkapital7,6
Bilanzsumme50
Pensionsrückstellungen0,4
Pensionsrückstellungen2,4
Fremdkapital40
Fremdkapital40
Bilanzsumme50
Eigenkapital-Quote: 19,2 %
Bilanzsumme50
Bilanzsumme50
Eigenkapital-Quote: 15,2 %
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Der neue IAS 19
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Abschaffung des Korridorverfahrens und die Modifikation im Expected Return on Plan
Assets die Unterneh­men veranlassen, die An­lagestrate­gie ihres
Pensionsvermögens zu überprüfen und ggf. zu verändern. Lösungsmöglichkeiten im Sinne eines Liability Driven Investments
(LDI) sehen z. B. eine entsprechende Auswahl von Wertpapieren
vor, die die rechnungszinsbedingten Effekte auf die Verpflichtung im Pensionsvermögen „nachzeichnen“. Im Ergebnis können
so unerwünschte Eigenkapitaleffekte kompensiert werden.
Fazit und Ausblick:
Die Vorschriften des neuen IAS 19 rev. 2011 finden verpflichtend Anwendung für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar
2013 beginnen. Es gibt keine speziellen Übergangsvorschriften, wie sie z. B. das BilMoG vorsieht.
Das IASB hat mit dem neuen IAS 19 rev. 2011 ein wesentliches Hauptziel erreicht: Kontrovers diskutierte Bilanzierungswahlrechte,
insbesondere zur Erfassung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste (→ Korri­dorverfahren), werden abgeschafft und
somit die Verständlichkeit, Transparenz und Vergleichbarkeit der IFRS-Rechnungs­legung bzgl. Leistungen an Arbeitnehmer verbessert. Die Änderungen werden sich auf die meisten Unternehmen auswirken, die IAS 19 anwenden.
Bei ihrer Veröffentlichung in 2004 ursprünglich als Zwischenlösung vorgestellt, hat die OCI-Methode im neuen IAS 19 rev. 2011 alle
anderen Me­thoden überlebt. Für Unternehmen wie z. B. die Blaupause AG, die die ver­sicherungsmathematischen Gewinne und Verluste bislang gemäß dem Korridorverfahren zeitversetzt amortisiert haben, kann deren zwingende und unmittelbare Erfassung eine
größere Volatilität der Pensionsrückstellung und des Eigenkapitals nach sich ziehen. Bedingt durch die Modifikation des ­E xpected
Return on Plan Assets sollten Unternehmen die Anlagestrate­gie ihres Pensionsvermögens überprüfen und ggf. im Sinne eines
­Liability Driven Investment-Ansatzes stärker auf Schwankungen des Verpflichtungs­umfangs ausrichten.
Die Neufassung des IAS 19 rev. 2011 ist ein wichtiger Schritt im Rahmen der Annäherung von IFRS und US-GAAP. Es ist jedoch davon
auszugehen, dass auch der neue IAS 19 rev. 2011 „nur“ eine temporäre Zwischenlösung in der (sehr) langen Pension-Story des IASB
darstellen wird.
Impressum
Herausgeber: Allianz Global Investors
Kapitalanlagegesellschaft mbH, Pension Markets
Autor: Telefon: Email: Michael Heim
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Quelle: Allianz Global Investors, Stand: Oktober 2011.
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