Hier brauen die Frauen

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Hier brauen die Frauen
Aktuell
Friederike Strate
ist morgens der
„erste Knecht im
Stall“, sagt sie
von sich selbst
Die beiden
Schwestern
Friederike (l., 51)
und Simone (46)
mit Mutter
Renate Strate (80)
aus Detmold
Ein ganz moderner Familienbetrieb
Hier brauen
die Frauen
Von wegen Männerbranche: Bei „Detmolder Pilsener“
haben zwei Schwestern und ihre Mutter das Sagen
Text: Uta Dietsch Fotos: Melanie Dreysse
D
as Anwesen der Strates liegt auf
einem kleinen Hügel mitten im
Wohngebiet im westfälischen
Städtchen Detmold. Das neugotische Gemäuer ist umgeben von
einem wunderschön angelegten Park. Niemand würde ahnen, dass hier Bier gebraut
wird – wenn nicht einige Schankwagen,
die man von Schützenfesten kennt, mit der
Aufschrift „Detmolder Pilsener“ auf dem
Hof parken würden. Außerdem steht eine
überlebensgroße „Thusnelda“-Bierflasche
vor dem Eingang. Fröhlich mit dem
Schwanz wedelnd kommt uns Czess, ein
brauner Jagdhund, entgegen. Friederike
Strate (51), eine der drei Bierbrauerinnen,
folgt ihm ganz bodenständig im Blaumann.
Im Sudhaus treffen wir auch Mutter Renate
(80) und Schwester Simone (46).
Die drei sind ein eingespieltes
Team. Das merkt man schnell. Familiäre
Nähe und berufliche Professionalität bringen sie zusammen. „Für uns ist Bier pure
Leidenschaft“, sagt Renate Strate mit tiefer
Stimme und einem deutlichen westfälischen Akzent. Ihr Lachen ist herzhaft. „Dies
ist das einzige Sudhaus in Deutschland, das
mit Marmor ausgekleidet ist“, sagt sie nicht
ohne Stolz. Es riecht malzig und ein bisschen nach Getreide. Drei riesige Kupferkes46
arbeiter hatte gekündigt. Er vermutete wohl
einen Zickenkrieg zwischen uns.“ Simone
fällt ihrer Schwester ins Wort: „Erinnert ihr
euch, als wir damals auf der Brauereimesse
waren? Wir sind dort zu dritt hingefahren,
und niemand wollte uns beraten. ‚Wir warten, bis Ihr Braumeister da ist‘, hieß es immer wieder. Bierbrauen ist bis heute eine
Männerdomäne.“ Vier große Bierkonzerne
stellen 70 Prozent des deutschen Biers her.
Da ist es für die kleineren Brauereien
schwierig. „Klasse statt Masse“ lautet das
Motto der Strates und ihrer 30 Mitarbeiter.
„Wir vertreiben unser Bier nur im Umkreis
von 120 Kilometern rund um den Schornstein der Brauerei“, sagt Friederike. Überhaupt setzt die Familie auf Regionalität.
„Wo das Geld verdient wird, soll es auch
ausgegeben werden. Deshalb beziehen wir
alle Rohstoffe aus der Umgebung.“
sel sind auf Hochglanz poliert. „Darin werden Wasser, Malz und Hopfen miteinander
vermischt und erhitzt“, erklärt Friederike.
„Das, was dabei herauskommt, nennt man
Maische.“ Die älteste Tochter wusste schon
als junges Mädchen, dass sie später im
Immer wieder erfinden die Frauen
­elterlichen Betrieb arbeiten würde. Mit
neue Sorten, oder sie überlegen, was
19 Jahren war sie Deutschlands jüngste
man mit Bier noch alles machen kann.
Braumeisterin. „Ich war das einzige MädFriederike präsentiert mit leuchtenden Auchen, habe 75-Liter-Fässer gestapelt und
gen den „Royal“. „Das ist ein Perlwein mit
die Jungs locker mit links und rechts im
Pfirsichlikör und Weizenbier gemischt. In
Armdrücken geschlagen“, erinnert sie sich.
Elf Meter tiefer, im Keller unter dem Sud- einer Proseccoflasche mit Plopp-Verschluss
abgefüllt sieht das Getränk edel aus, oder?“
haus, sind die silbernen Biertanks und die
Laufbänder für die Flaschenabfüllung. „Ich Es ist nicht die einzige Kreation der Strates.
Sie vertreiben auch eigene Bierseife, die
wollte keine Silos vor dem Haus“, erklärt
herrlich duftet, Badesalz mit
Renate Strate. „Wir sind doch
Hopfen, Kirschgelee mit Bier,
keine Bierfabrik.“ Im Keller
Bierbrand oder Glühbier.
lagern 18 000 Hektoliter Bier,
­„Viele wundern sich, aber die
am Tag werden hier 150 000
Sachen schmecken gut.“
Flaschen abgefüllt – insgeOb sie auch mal einen Wein
samt zwölf verschiedene Sortrinken? Renate Strate muss
ten. Es ist den drei starken
lachen. „Als ich damals meiFrauen zu verdanken, dass
nen Mann kennenlernte, sagte
sich das kleine Unternehmen
ich ihm, dass ich Bier nie
auf dem hart umkämpften
­mögen werde. Später habe ich
Markt durchsetzen konnte.
sogar mehr getrunken als er.
„Als unser Vater 1995 starb,
Nur zur Weihnachtsgans
war es erst mal schwierig für
Das beste Bier Deutschkommt bei uns eine Flasche
uns“, erinnert sich Friederike
lands kommt aus
Detmold, sagen Strates
Rotwein auf den Tisch.“ n
Strate. „Ein langjähriger Mit-