MA Steffen Amling, Dipl. Päd. Annegret Warth Abstract Überg

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MA Steffen Amling, Dipl. Päd. Annegret Warth Abstract Überg
Projekt „Sozialer Wandel im internationalen Milieuvergleich“
M.A. Steffen Amling, Dipl. Päd. Annegret Warth
Abstract
Übergeordnete Fragestellung des vorliegenden Projekts 1 ist, wie sich Prozesse sozialen
Wandels beschreiben und erklären lassen. Im Mittelpunkt stehen dabei Formen sozialer
Bindungen/Beziehungen zwischen sozialen Gruppen. Untersucht wurden dazu jugendliche
Peer-Groups in Marzahn-Hellersdorf, einem Berliner Quartier in Deutschland sowie
Tarlabaşı, einem Istanbuler Quartier in der Türkei. Im Einzelnen geht es um folgende Fragen:
a) Welche Formen des Umgangs mit Zugehörigkeit und sozialem Kontext (im Sinne der WirGruppe bzw. ihrer kulturellen Normen) lassen sich in diesen Gruppen nachweisen? b) Was
sind mögliche Ursachen für die Ausbildung der entsprechenden Formen?
Zur Erläuterung:
Die vorliegende Arbeit orientiert sich an der Definition von „Sozialem Wandel“, wie sie bei
Nohl/Pusch (2011) entwickelt wird. Hier beschreibt das Konzept nicht einen „intendiert
herbeigeführten Prozess“ im Sinne einer „Verwestlichung“ (Nohl/Pusch 2011:10), sondern
die „Konsequenz der Verflechtungen von Aktionen viele interdependenter Menschen“ (Elias
2006:161 in Nohl/Pusch 2011:11). Es geht also erstens um komplexe Prozesse mit offenem
Ausgang, die nicht normativ auf ein für universal gehaltenes Ziel gerichtet sind (etwa
„Individualisierung“). Zweitens ermöglicht die Definition eine Kontextualisierung des
allgemeinen Konzepts: Im Fokus stehen jugendliche Subjekte in der konkreten Lebenswelt
ihrer Quartiere, die einschränkende Bedingungs- sowie freisetzenden Ermöglichungsräume
1
Entstanden ist die Arbeit im Kontext von zwei Qualifizierungsarbeiten als Kooperation des Institut Futur, FU Berlin und der Youth
Studies Unit, Istanbul Bilgi University.
sein können (Stauber 2004:28). Drittens werden weniger die Intentionen dieser Subjekte
fokussiert, sondern ihre Handlungspraxis innerhalb der Quartiere.
Datengrundlage der explorativ angelegten Arbeit sind insgesamt vier Gruppendiskussion mit
jugendlichen Peer-Groups, die nach der Dokumentarischen Methode ausgewertet wurden
(vgl. Bohnsack 2008, Bohnsack et al. 2007). „Peer-Groups“ gelten hier als Repräsentanten
eines Milieus: Es liegt die Annahme zugrunde, dass die Mitglieder eines Milieus sich durch
eine gemeinsame Handlungspraxis auszeichnen, die auf strukturidentischen Erfahrungen
beruht (siehe hierzu Bohnsack 1998 und 2008).
Die Untersuchung ist international vergleichend angelegt. Wir folgen damit dem mit dem
skizzierten Milieubegriff verbundenen Kulturbegriff der Dokumentarischen Methode, der sich
einerseits von einer Engführung mit „Ethnizität“ löst (vgl. auch Reckwitz 2006:64-90) und
andererseits zwei Ebenen umfasst: die der kulturellen Repräsentation und die der alltäglichen
Handlungspraxis (siehe Nohl 2006:137-168). Letztlich soll auf diese Weise auch dazu
beigetragen werden, zu einer Überwindung des methodologischen Nationalismus in den
Sozialwissenschaften beizutragen (siehe zu dessen Kritik Berger/Weiß 2008).
Zur Untersuchung der genannten Fragen nach Grundlagen „Sozialen Wandels“ fokussiert die
Arbeit die Orientierungen der Jugendlichen auf Zugehörigkeit und sozialem Kontext. Nicht
zuletzt wurde gerade die Veränderung von sozialen Bindungen als Indikator für
Modernisierungsprozesse in der deutschsprachigen Forschung unter dem Stichwort
„Individualisierung“ sehr kontrovers diskutiert (siehe Beck 1997, Friedrichs 1998, Berger
2010). Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass sich die Formen des Umgangs mit
(Gruppen)Zugehörigkeit und Gemeinschaft der Gruppen in Tarlabaşı und MarzahnHellersdorf trotz ähnlicher Sozial-Strukturdaten erheblich unterscheiden.