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Matthias Fritz
Erfahrungsbericht St. Raymond de
Penafort, Mt. Prospect
Säkulare Jugendkulturen
und der Versuch einer
neuen Konzeption von
youth ministry in der
Erzdiözese Chicago
Zeitraum
08.09. – 14.10.2011
Mentor
Rev. Steven G. Dombrowski
1
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Gliederung
0. Einleitung
1. Soziologische Orientierung:
Was ist eine “Säkulare Jugendkultur”
1.1
Definitionen
1.1.1 Jugendkultur
1.1.2 „säkular“
1.2
Welche Jugendkulturen fallen auf?
2. Die Erzdiözese Chicago
2.1
Der Pastoralplan (Strategic Pastoral Plan) von 2011
2.2
Workshops zum Year of Youth and Young Adult Ministry
2.2.1 Ministry with Millennials mit Frank Mercadante (Chicago Theological Union,
September 2011)
2.2.2 Exploring the possibilities for youth and young adult ministry (Cardinal
Meyer Center, 29. September 2011)
2.3
Material zum Year of Youth and Young Adult Ministry
2.3.1 Gebete
2.3.2 QR-Codes und die “Catholicism”-Reihe von Robert Barron
2.4
Begegnungen mit verschiedenen Akteuren im diözesanen Bereich der
Youth bzw. Young Adult Ministry
2.4.1 Cathy Walz (Assistant director of youth ministry in der Erzdiözese Chicago)
2.4.2 Fr. John Cusick und Dr. Kathy DeVries (Director and assistant director auf
young adult ministry in der Erzdiözese Chicago)
2.5
2.5.3
2.5.4
2.5.5
2.5.6
Begegnungen (mit verschiedenen Akteuren) im pfarrlichen Bereich
der Youth bzw. Young Adult Ministry)
Mary Catherine Nelson (Youth Minister in der Pfarrei St. Raymond de
Penafort, Mount Prospect)
Paul McMahon (Teen and Family Minister in der Pfarrei Holy Family,
Iverness)
Branches-Meeting (St. Raymond de Penafort)
Religious Education in 6th Grade (St. Raymond de Penafort)
Confirmation Retreat (St. Raymond de Penafort)
Youth and Young Adults in den Ministries der Pfarrei St. Raymond de
2
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
2.5.1
2.5.2
Penafort
2.5.7 Ergebnisse
2.6
Schule und Religion
2.6.1 Pre-K, Kindergarden, Elementary and Middle school in der Pfarrei St.
Raymond de Penafort
2.6.2 St. Viator High School, Arlington Hights (Kairos, Fr. Egan)
2.6.3 Public schools
2.6.4 Elterninitiative TREASURE in Virginia
3. Begegnungen mit nichtkatholischen Kirchen und ihrem Zugang
zur Youth Ministry
3.1
3.2
3.3
Urban Village Church (Chris Coon)
Tha House
Willow Creek
4. Auf der Suche nach (säkularen) Jugendkulturen in einer
Großstadt
4.1
4.2
4.3
4.4
Downtown Chicago
Woodfield Mall
Baseball
Museen (Museum of cotemporary arts / Art Institute)
5. Lernchancen für Deutschland
5.1
5.2
5.3
5.4
Ministries
Medien
Gebetspraxis
Social services
6. Nachwort
7. Literatur
7.1
7.2
7.3
Primärliteratur
Sekundärliteratur
Internetnachweise
3
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
0. Einleitung
Mein Arbeitsauftrag für die Zeit meines Aufenthaltes im Rahmen des
CrossingOver-Projektes im Erzbistum Chicago, zielt auf eine Untersuchung der
heute gängigen säkularen Jugendkulturen im Erzbistum Chicago und der
Sichtung, wie das Erzbistum versucht mit dieser sozialen Situation umzugehen.
Gerade mit Blick auf die bisherigen Untersuchungen im Jugendbereich 1 fällt auf,
dass Jugendliche nach dem Besuch der erzbischöflichen Middle-School nur noch
über das Programm der religious education einen direkten Zugang zu einer
Pfarrgemeinde haben bzw. das Programm der religious education der einzige
Zugang zum Leben der Pfarrgemeinde für Kinder und Jugendliche an staatlichen
Schulen ist. Claus Optenhöfel berichtet sehr eindrucksvoll wie, in Deutschland
sehr profilierte Bereiche der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit (Pfadfinder und
Messdiener), nur einen nebensächlichen Stellenwert in der kirchlichen Kinder- und
Jugendarbeit in der katholischen Pfarrgemeinde in den USA haben. Was passiert
aber mit den Kinder- und Jugendlichen, die nicht an dem Programm der religious
education teilnehmen (aus finanziellen Gründen oder auch aus persönlicher
Entscheidung heraus)? Hat das Erzbistum Chicago/Haben die Pfarrgemeinden im
Erzbistum Chicago eine Idee auf genau diese Gruppe von Jugendlichen
zuzugehen, die, so meine Vermutung, in säkularen Jugendkulturen eine
Identifikation bzw. den Ansatz eines Sinnsystems finden?
Erweitern möchte ich meine Sicht auf die Kirche in den USA durch meine
zusätzlichen Erfahrungen im Grenzgebiet von North Carolina und Virginia. Dort
hatte ich die Chance nach meinem Aufenthalt in Chicago Familie zu besuchen. Da
der Süden ja eher für seinen baptistischen Hintergrund bekannt ist, ist dies in
manchen Bereichen vielleicht ein interessantes Gegenbild zum eher katholischen
bzw. lutherisch-protestantischen Norden.
1. Sozilogische Orientierung: Was ist eine “Säkulare
Jugendkultur”
1.1
Definitionen
1
Ich verweise hier auf die Berichte von Ludger Molitor „Religious education is a commitment“:
Beobachtungen und Erfahrungen aus der Gemeinde St. Francis of Assisi, Orland Park“ und Claus
Optenhöfel „Teens growing in faith“? Eine katholische Pfarrei im Erzbistum Chicago und ihre
Bemühungen um Kinder und Jugendliche. Beide enthalten in dem Sammelband von Henkelmann,
Andreas (Hrsg.), „All are welcome!“. Gelebte Gemeinde im Erzbistum Chicago, Münster 2009.
4
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
1.1.1 Jugendkultur
Generell muss einmal erklärt werden, dass es die eine Jugend und Jugendkultur
nicht gibt, sondern beides immer im Plural verstanden werden muss.2 Jugend
existiert nie in nur einer Kultur, vielmehr hat jede/r Jugendliche Anleihen in
mehrere kulturelle Ausformungen hinein und meist eine feste Verortung in eine
bestimmte Jugendkultur. Wie man also nicht von der Jugend im Singular sprechen
kann, kann man dies auch nicht von der Jugendkultur tun.
1.1.2 „säkular“
Unter „säkular“ verstehe ich die Gegenüberstellung zu einer geistig-religiösen Welt
– ein Verhältnis von weltlich und geistlich. „Säkular“ leitet sich dabei vom
lateinischen saeculum ab und bedeutet „Zeitalter“. Religiös wurde das Säkulare
vor allem in der Übergabe von kirchlichen Dingen in die weltliche Hand
verstanden, wie es vor allem seit dem 19. Jh. mit der Säkularisation stattfand.
Gerade durch Zwangsenteignungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen im
Rahmen und Nachspiel der französischen Revolution und der sich in Europa
entwickelnden Staats-Kirchen-Trennung, wurde der Begriff des „Säkularen“
negativ verstanden bzw. in diesem Sinne konnotiert.
1.2
Welche Jugendkulturen fallen auf?
In Deutschland gibt es seit 1998 einen eingetragenen Verein in Berlin, der es sich
zur Aufgabe gemacht hat, Jugendkulturen in Deutschland zu untersuchen und
diese wissenschaftlich zu erfassen: das Archiv der Jugendkulturen e.V.3 Dieser
Verein verweist auf nur wenige Gruppen bzw. Sinnangebote im Bereich der
(deutschen) Jugendkultur, als da wären: Skinheads, Punks, Grufties, Rapper.
Treffen diese „Kulturen“ auch auf das Erzbistum Chicago zu?
Wer erfasst in den USA diese Kulturen? Gibt es ein Ordnungssystem?
In den USA sind vor allem in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
verschiedene Publikationen über dieses gesellschaftliche Phänomen erschienen.
Eine der besten, wenn auch mittlerweile stark veraltete Studie und Darstellung ist
aus dem Jahr 1985.4 Ein Schlüssel in allen Publikationen Jugendkulturen zu
unterscheiden ist die Musik. Ob Punks, Emos, Ravers, Juggalos, Metalheads oder
Gothics, alle haben eine jeweilige Musikrichtung, die eine Kleiderordnung und ein
bestimmtes Moral- bzw. Wertesystem vermittelt. Damit ist der Versuch eine
Subkultur von Jugendkultur zu erforschen immer an symbolischen Ausformungen
orientiert. Hinzu kommen dann weitere Ausformungen und Inhalte wie der
jeweilige sozio-ökonomische Stand des/der Jugendlichen, das Geschlecht, die
Intelligenz bzw. Bildung und die Ethnizität.
3
www.jugendkulturen.de (Stand: 20.November 2011)
Brake, Michael, Comparative Youth Culture: The sociology of youth culture and youth subcultures
in America, Britain and Canada, Routledge, New York 1985.
4
5
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Wikipedia4 führt eine reichhaltige Liste von verschiedenen Subkulturen auf, die
eine guten Überblick geben, welche Subkulturen in den USA auch im
Jugendbereich eine Rolle spielen:
- Alcoholics Anonymous
- Anarcho-punk
- BDSM
- Beat Generation (Beatnik)
- Biker
- Bills
- Bodybuilding
- Bohemianism
- Bōsōzoku
- Brony
- Casuals
- Cosplayers
- Cybergoth
- Dark culture
- Deaf culture
- Demoscene
- Emo
- Fandom
- Fetish subculture
- Freak scene
- Furry fandom
- Gamer
- Glam rock and glam metal
- Gopnik
- Gothics
- Gothic Lolita
- Greaser
- Grunge
- Hacker
- Hardline
- Hip hop culture, B-boy, Graffiti artists
- Hippie/Hippy
- Hipster
- Industrial
- Juggalo
4
6
www.en.wikipedia.org/wiki/List_of_subcultures (Stand: 26. November 2011)
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
- Juggling
- Junglist
- Leather subculture
- LGBT culture
- Mangas
- Mod
- Metalcore
- Heavy Metal
- Military brat
- Nazi punk
- New Age
- New Romanticism
- Nudism/Naturism
- Northern Soul
- Otaku
- Otherkin (Vampire lifestyle and Therianthropy)
- Pachuco
- Pokémon
- Polyamory
- Preppy
- Punk subculture
- Queer culture
- Raggare
- Rave
- Riot Grrrl
- Rivethead
- Rockabilly
- Rocker
- Role-playing gamers
- Rude boy
- Science fiction fandom
- Scooterboy
- Scouting
- Skater
- Skinhead
- Steampunk
- Stilyaga
- Soulboy
- Straight edge
- Surf culture
- Swing Kids
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Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
- Swinging
- Teenybopper
- Teddy Boy
- Trekkie
- Zazou
Welcher dieser Subkulturen kommen in Kirche vor bzw. werden kirchlich erfasst?
2. Die Erzdiözese Chicago
2.1
Der Pastoralplan (Strategic Pastoral Plan) von 2011
Die Erzdiözese Chicago hat, wie viele Diözesen weltweit, nach langer
Vorbereitung im Jahr 2011 einen Pastoralplan erlassen. Mit diesem Pastoralplan
möchte die Erzdiözese folgende Ziele verfolgen:
- Parish transformation/financial stability
- Intensivere Planungsphasen für pastoral Entwicklung
- Jugendliche und junge Erwachsene gezielter erreichen
- Auf die Qualität der Sonntagsmesse, der Bedeutung der Erwachsenenbildung und die Wichtigkeit der Sakramente verweisen
- Mehr Gottesdienstteilnehmer werben (Missionierung)
Dieser Plan schaut zurück auf eine Entwicklung, die alle westlichen Nationen zu
ergreifen scheint und versucht diese mit einem Überdenken des eigenen Handels
aufzugreifen und diesen entgegen zu wirken. Damit reagiert die Erzdiözese auf
folgende Probleme:
- Geringerer Gottesdienstbesuch
- Geringere Priesterzahlen
- Gemeindemitgliederschwund
- Geringere Einnahmen beim tithing
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Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Hinter dem ganzen Plan, steht auch eine Art Jahresplan, durch den die Ziele
näher betrachtet und durchgesetzt werden sollen. Das erste Jahr sieht vor, dass
ganz speziell die Youth und Young Adult Ministry betrachtet werden sollen und
sowohl eine neue Initiative zur Errichtung von neuen Youth und Young Adult
Ministries beginnt, als auch die Vertiefung und Reflexion der bestehenden
betrachtet werden. Im Rahmen dieses Jahresprogramms werden deshalb
verschiedene Materialien (Gebetskarten, Onlinevideozugänge,…), als auch
Workshops, Reflexionstreffen und Beratungen von Seiten der Erzdiözese
angeboten. An verschiedenen dieser Workshops hatte ich die Möglichkeit
teilzunehmen und konnte hier sehr viel lernen. Materialien und Workshops möchte
ich im Folgenden näher vorstellen.
Zur Unterscheidung der beiden Themengruppen sei noch folgendes erwähnt: Die
Altersgruppe für die Youth Ministry sind Jugendliche zwischen 9 und 19, für die
Young Adult Ministry zwischen 20 und 39 Jahren. Der Focus während meines
Aufenthaltes in Chicago lag lediglich auf der Gruppe der 9- bis 19-Jährigen. Diese
Altersgruppe endet in der Regel mit dem Abschluss der High School, der
Graduation. Da vom Themenjahr her sich beide Altersgruppen vermischen, habe
ich Gespräche mit Akteuren in beiden Altersgruppen geführt, wovon ich einen
weiteren Blickwinkel auf diese Zielgruppen erhoffte. Die meisten (Gesprächs)Ergebnisse belaufen sich zudem auf caucasians in dieser Altersklasse und
weniger auf die Anteile der hispanic, asian oder afroamerican Youth and Young
Adults in der Erzdiözese. Da die deutsche Kirche eine solche Unterscheidung
nicht vornimmt, ist die Übertragung von pastoralen Ideen nicht ganz leicht. Diesem
Punkt möchte ich mich aber im letzten Kapitel widmen.
2.2
Workshops zum Year of Youth and Younf Adult Ministry
2.1.1 Ministry with Millennials mit Frank Mercadante (Chicago Theological
Union, September 2011)
Frank Mercadante hat nach eigener Erfahrung im pfarrlichen Bereich der youth
ministry einen Forschungsschwerpunkt eingenommen und berät jetzt Pfarren und
Diözesen im Bezug auf ihren Umgang mit den heutigen Jugendgenerationen und
–kulturen. Dazu wertet er nicht nur die Erfahrungen aus seiner eigenen Zeit als
youth minister und die Erfahrungen mit seinen eigenen Kindern aus (wie er gerne
humorvoll hervorhebt), sondern auch zahlreiche Fachliteratur und Statistiken. In
Folge dieser Ergebnisse unterteilt er die heute lebenden Generation in folgende
grobe Gruppen:
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Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Generation Name
G.I. Generation
Silent
Baby Boomers
Baby Busters/Generation X
Millennials/Gen Y
iGeneration/Gen Z
Birth Years
1901-1924
1925-1942
1943-1960
1961-1981
1982-2002
2003-…
Jede dieser Gruppen hat ihre eigenen Spezifika und Geschichte. Auf Grund dieser
Eigenheiten müssen alle Gruppen pastoraltheologisch gesondert betrachtet
werden. Frank betont zudem, dass diese Gruppen für die westliche Welt fast
überall so zu finden sind. Einen möglichen Rückschluss auf die Pastoral mit
Jugendlichen in Deutschland kann hier zu einem späteren Zeitpunkt auch versucht
werden. Für das Forschungsthema dieser Arbeit ist besonders die letztgenannte
Generation, die „Millennials“, interessant. Deswegen soll auch ein tieferer Eindruck
in diese Generation, an Hand der Forschungen von Frank Mercadante, gewährt
werden. Dabei wird zudem der Blick auf alle vier ethnischen Gruppierungen in der
Gegend von Chicago gelenkt: kaukasische, afroamerikanische, hispanische und
asiatische Jugendliche.
2.2.2 Exploring the possibilities for youth and young adult ministry
(Cardinal Meyer Center, 29. September 2011)
Im Rahmen des year of youth and young adult ministry des neuen Pastoralplans
fanden zahlreiche Fortbildungen für active Minister in diesen beiden Bereichen
statt. Die oben genannte Fortbildung sollte einen Blick auf beide Generationen für
neue Minister in einem der beiden Bereiche werfen und wie eine
Einführungsveranstaltung dienen.
Die millennial-Generation wurde hier als eine von zwei besonderen Elementen
beeinflusste Generation beschrieben: Technologie und Hip-Hop. Jugendkulturen
suchen sich immer Wege, um sich selbst bzw. die eigene Entwicklung
auszudrücken. Zudem ist diese Generation die erste voll verbundene Generation
(first totally connected generation). Technologie wird so zu einem weiteren
Körperteil, denn mit Technologie kann heute jede Funktion des Lebens erreicht
und erklärt werden, sogar der Glaube. Deswegen läuft auch ein heißer
wirtschaftlicher Konkurrenzkampf um diese Generation, wenn es um Technologie
geht.
Darin formt säkulare Kultur in jeder erdenklichen Form (Technologie, Musik,
TV,…) diese Generation fundamental. Sie ist voller Komsumdruck, hoch
sexualisiert, voller Erwartungen das Kinder und Jugendliche jetzt schon
Erwachsene sein müssen und Einbezug dieser Generation in die
Erwachsenenwelt ohne dies in Glaubensdingen zu verlangen.
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Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Ein Grund warum Hip-Hop neben der Technologie bei dieser Fortbildung ein solch
hohes Maß an Wertschätzung zugemutet wird ist, dass Hip-Hop im Kern eine
Sprachmöglichkeit ist um Geschichten zu erzählen (storytelling). Geschichten
entwerfen eine Identität und geben die Möglichkeit sich und die eigene Kreativität,
wie auch die eigene Lebensgeschichte auszudrücken. Der Mangel heutiger youth
ministry ist es, so Timone Davis, Moderatorin der Fortbildung, dass Kirche nicht in
den Dialog des Geschichtenerzählens einsteigt. Social networks wie Facebook
erhalten so zahlreiche Zuläufe, da Verbundensein und Erzählen eine der
Kernthemen sind. Die zentrale Frage für youth in aller Verbundenheit und in allem
Austausch ist die Frage nach dem „Where do I belong?“ – Wo gehöre ich hin?
Religiös gedeutet ist die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt eine Frage der
Transformation. Youth sucht nach Transformation des eigenen, jetzigen Ich hin zu
einem neuen Ich, was auch religiös begleitet werden kann. Somit kommt die
anthropologische Frage nach den Eigenschaften einer suchenden youth auf, die
auf der Veranstaltung mit oral und hörend beschrieben wurde. Videos,
Videospiele, Fotos, Musik, Hörbücher usw. sind Beispiele für eine hochgradig
orale und hörende Generation.
Wenn also hinter jedem Entwicklungsprozess auch ein religiöses Element liegt,
dann kann dieses am ehesten mit dem Begriff „Vocation“ (Berufung) beschrieben
werden. Damit wird hier wieder das Modell des Stewardship aufgegriffen, in dem
jeder Mensch eine Verwalterrolle für den Glauben und das Gemeindeleben
übernimmt. Diese Berufung fällt mit einer Prägung heutiger Jugendkultur, die die
Erfahrungsmöglichkeit einer Berufung unterstützt, viel unterschiedlicher aus, als
noch in vorherigen Generationen. Eine Grundthese im Bezug auf heutige
Berufung, die von Jugendkultur unterstützt wird, ist, dass beide viel weniger
homogen ausfallen, als noch in den vorherigen Generationen. Eine solche
Berufungsfrage entscheidet sich, im US-amerikanischen Kontext, in der Regel im
Alter von 24 Jahren. Auf diese grundlegende Berufungsentscheidung folgt in den
weiteren Lebensjahren ein lebenslanger Lernprozess, der diese Berufung vertieft
oder variiert. Ein Vorschlag dieses Workshops ist es deshalb Firmung erst im Alter
um 24 Jahre zu feiern. Dann ist Firmung wirklich eine Lebensentscheidung und
besiegelt eine Lebenswende, die für die Zukunft eines Menschen bedeutsam wird.
In der heutigen Firmpraxis gehen Jugendliche nach der erfolgten sakramentalen
Feier in der Regel verloren. So muss sehr viel Energie in die Aufrechterhaltung
von Kontakten und in die Investition eines Vorweggenommenen sakramentalen
Transformationsprozesses investiert werden. Es ist wird so eine andere Idee von
leadership in youth ministry gesucht. Sie müssen eher als gebrauchte Menschen
beworben werden. Youth and young adult ministry wird somit zu einer peer
ministry.
In der heutigen Situation der US-amerikanischen Kirche kann, aus Sicht der Leiter
des Workshops, nur die katholische Kirche das biblische Wort und eine Struktur
bieten. Das steht vor allem dem Bild der nondenominational Kirchen gegenüber.
Millennials suchen allerdings Struktur in konkreten Dingen, zum Beispiel Bibel und
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Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Tat (service). In allen Angeboten muss immer die Offenheit gegenüber
Jugendlichen stehen, dass sie für die Einstellungen mit denen sie zu einer
kirchlichen Veranstaltung kommen nicht verurteilt werden: „Judgement is left to
God“. Es soll immer die Freiheit vermittelt werden, dass ein Mensch den
bisherigen gemeinsamen Weg verlassen kann, aber immer wieder willkommen ist.
2.3
Material zum Year of Youth and Young Adult Ministry
2.3.1 Gebete
Diese Gebetskarten sind für die Aktion rund um das year of youth and young
adults entstanden, mit dem die Implementierung und Umsetzung des
Pastoralplans der Erzdiözese begonnen wurde.
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Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
2.3.2 QR-Codes und die “Catholicism”-Reihe von Robert Barron
Ursprünglich als Gimmick gedacht, erhielten alle Teilnehmer der Erzdiözese
Chicago, die am Weltjugendtag in Madrid oder am diözesanen Parallelprogramm
in Chicago teilnahmen einen QR-Code, der einen freien Zugang zu verschiedenen
Videos und Youtube-Videos von Fr. Robert Barron ermöglichte. QR steht für Quick
Response und soll eben diese im Fall der Videos von Fr. Barron auch liefern.
Cardinal George bat Fr. Barron vor gut 3 Jahren in das Video-Medium
einzusteigen und auf diese Weise über Youtube eine neue Möglichkeit zur
Evangelisierung bzw. Neu-Evangelisierung zu eröffnen.5 Damit ist Fr. Barron
allerdings nicht der erste katholische Priester, der im visuellen Medienbereich eine
Evangelisierung versucht. Dieser Bereich wird besonders im evangelikalen
Bereich bereits gut bedient. In den 1950er Jahren gab es allerdings schon Bischof
Fulton Sheen, der in den USA durch seine Radio- und Fernsehsendungen
bekannt geworden ist.
5
Fr. Barron hat mittlerweile einen eigenen Kanal auf Youtube:
http://www.youtube.com/user/wordonfirevideo (Stand: 20. November 2011)
13
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Im US-amerikanischen Fernsehen läuft gerade ein Teil der zehnteiligen
„Catholicism“-Reihe von Fr. Barron.6 In 10 einzelnen Videos legt er den Reichtum
und die Schönheit des katholischen Glaubens dar. Einer der Schwerpunkte liegt
wirklich auf der Schönheit, wie er uns in einem Interview in seinem Bürotrakt der
Produktionsfirma „Word on fire“7 erklärte. Die Schönheit betrachtet er als eine der
besten Quellen um mit Menschen heutzutage über den Glauben ins Gespräch zu
kommen. Diese Idee entnimmt er der Theologie von Balthasars, die er als eine der
Grundlagen seiner eigenen Theologie betrachtet.
Das Schöne spricht, laut Fr. Barron, heute viele Jugendliche an. Religiös
suchende Jugendliche sind nicht an Dogmen interessiert, sondern an der
Verbindung von kontemporärer Kultur und dem Glauben. Die USA nimmt Barron
als religiös pluralistisch wahr und erkennt gemäß der lebenslangen Suche nach
Gott, wie sie von Theologen wie Augustinus schon früh in der Kirche vertreten
wurde, auch heute noch eine Suche nach Gott wahr. Wenn Jugendliche auf
Youtube nach dem Video eines neuen Kinofilms suchen, kommen sie per Zufall
auch auf die Kommentare zu diesem Filmen, die Fr. Barron produziert. Durch
verschiedene Umfragen konnte ermittelt werden, dass gerade Menschen unter 40
an den Videos von Fr. Barron interessiert sind.
Fr. Barron unterscheidet einen US-amerikanischen und einen europäischen
Säkularismus in den jeweiligen Gesellschaften. Während der europäische
Säkularismus, in seiner Betrachtung, eher philosophisch begründet werden kann
(Reformation, französische Revolution, Kommunismus), entspringt der USamerikanische eher einer Haltung der Langeweile. Säkulare Tendenzen kommen
hier in den religiösen und privaten Alltag für ein Gefühl des Unerfülltsein und einer
inhaltlichen Leere des eigenen Glaubens. Den Gläubigen in den USA werden in
den traditionellen Kirchen, wie der römisch-katholischen oder der lutherischprotestantischen Tradition, keine Inhalte mehr vermittelt, die für den Glauben
wesentlich sind. Fragen nach einer möglichen Leseweise der Bibel, der Person
und des Wesens Gottes, dem Verhältnis von Wissenschaft und Religion oder dem
Verhältnis von Gewalt und Religion sind heute virulent und müssen für die
Menschen beantwortet werden. Dies versucht Fr. Barron mit einem biblischen
Impuls durch seine Videos auf Youtube.
Eins der größten Hindernisse bzw. Herausforderungen sieht Fr. Barron in der
Erziehung von heutigen Jugendlichen. Religion wird immer noch als ein System
verstanden, dass viele Forderungen an Menschen stellt, die als Forderungen
verstanden werden, da sie nicht mehr natürlicher Bestandteil der westlichen
Gesellschaft sind. Begegnen Jugendlichen nun dem Glauben und der Kirche
treffen sie nicht nur im familiären und schulischen Rahmen auf Forderungen der
Familie und der Gesellschaft, sondern auch auf zusätzliche Forderungen der
Kirche, die den Glauben betreffen. Dies kommt einer Überforderung von
6
7
http://www.catholicismseries.com/ (Stand: 20. November 2011)
http://www.wordonfire.org/ (Stand: 20. November 2011)
14
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Jugendlichen gleich, die den Glauben erst einmal audiovisuell wahrnehmen
wollen. Forderungen stellen damit eine große Bedrohung in der heutigen (Neu-)
Evangelisierung dar und müssen, genauso wie eine vordergründige Begegnung
mit den Dogmen vermittelt werden. Vielmehr muss der heutigen Pop-Kultur
entgegen gehalten werden, dass eine Vermittlung von vollkommener Autonomie,
wie es die Pop-Kultur vermittelt, nicht möglich ist. Menschen sind immer wieder
auf andere Menschen und Institutionen verwiesen und als Institution kommt auch
die Kirche als Gemeinschaft von Menschen hier mit ins Spiel. In dieser Pop-Kultur,
ist laut Fr. Barron, selbst Gott nicht mehr bekannt und muss wieder ins Gespräch
gebracht werden, um den Menschen zu zeigen, dass ein autonomes Leben ohne
Gott nicht möglich ist.
Im Konzept von Fr. Barron treffen folglich die Sehnsucht nach Erfüllung und ein
Wissensdurst auf die Möglichkeit der Kirche über Schönheit und persönlichen
Kontakt zu sprechen und damit Gott ins Gespräch zu bringen, der die kirchliche
Antwort auf die Sehnsucht der Menschen darstellt. Für eine audiovisuelle
Generation, wie die Millennials, scheint die Glaubensvermittlung über YoutubeVideos und DVDs eine geeignete Möglichkeit zu sein (Neu-)Evangelisierung zu
praktizieren.
2.4.1 Cathy Walz (Assistant director of youth ministry in der Erzdiözese
Chicago)
Cathy Walz hat uns als Vizerektorin des Büros für youth ministry einen kurzen
Einblick in die gesetzliche und organisatorische Struktur von youth ministry in der
Erzdiözese Chicago gewährt. Sie bemängelte in dem Gespräch, dass den
heutigen Jugendlichen weniger Freiheiten gewährt werden, als noch vor 20
Jahren. Das gesetzliche Netz ist viel enger geworden und dies liegt nicht nur an
den Missbrauchsfällen, die in den letzten Jahren in den USA publik geworden
sind.
Generell unterscheidet das Gesetz zwischen youth (9-18 Jahre) und young adults
(19-39 Jahre). Damit liegt das Grenzalter genau im Übergang von der graduation
in der Highschool zur Ausbildung bzw. zum Wechseln auf ein college oder eine
university. Für die Altersgruppe der youth verlangt die Erzdiözese folgende Inhalte
in jedem Bereich der youth ministry: spiritual experience, goof experience of liturgy
und community service bzw. service experience. Cathy betonte, dass sich damit
die Anforderungen an eine youth ministry der 80er Jahre zu einer youth ministry
gewandelt habe. Zu ihrer aktiven Zeit als youth minister in einer Gemeinde der
Erzdiözese wurden folgende drei Ziele verlangt. Diese werden als die drei S (three
s´) bezeichnet: spirit, service, social. Der Wandel liegt in der Wegnahme von
sozialer Kompetenz und der Hinzufügung der liturgy. Damit wurde das System der
drei S hin zu einer liturgisch-sakramentalen Dimension verschoben.
Cathy betonte zudem, dass dadurch ein Schwerpunkt auf der youth liturgy liege,
die in vielen Punkten den Verlust der Jugendlichen durch die konventionelle
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Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Eucharistie bzw. Liturgie entgegenwirken soll. Mit wachem Verstand kritisierte sie
die heutige Praxis der Erzdiözese: „we only delay the loss of the millennial
generation with youth liturgy.“ Sie erklärte, dass alle Versuche Jugendliche
zwanghaft länger in der Kirche zu halten gute Ergebnisse bringen können, aber
auch von viel Frust begleitet werden, wenn diese die Kirche wieder verlassen.
Ihrer Meinung nach wäre es vielleicht ehrlicher Jugendliche ziehen zu lassen und
stattdessen ihnen stets eine offene Tür zu bieten. Diese Idee treffe aber nicht auf
all zu offene Ohren in der Leitung der Erzdiözese.
2.4.2 Fr. John Cusick und Dr. Kathy DeVries (Director and assistant director
auf young adult ministry in der Erzdiözese Chicago)
Ähnliche Gesprächsergebnisse ergaben sich auch in dem Gespräch mit Fr. John
Cusick und Dr. Cathy DeVries, den beiden leitenden Personen der young adult
ministry in der Erzdiözese. Vor allem John bemängelte drei Fakten, die den
Übergang von der Altersklasse der youth zu den young adults heutzutage
gestalten. Erstens, dass heutige young adults eher als spiritual denn religious
bezeichnet werden könnten. Deshalb fehlen viele Glaubensgrundlagen und der
Zugang auf young adults müsse ganz neu gestaltet werden. Zweitens müsse
überhaupt ein neuer Zugang zu dieser Generation der young adults gefunden
werden, denn die US-amerikanische Kirche sei besessen („obsessed“) mit
Familien und Kindern. Drittens existieren heute keine geeigneten Pastöre mehr,
die die young adult ministry unterstützen können. Die heutigen Pastöre wären
lediglich an Liturgie und Karriere interessiert und hätten keine kontemporären
Zugangsweisen zu dieser Generation.
Aus ihrer eigenen Erfahrungen aus der Arbeit der vergangenen Jahre im Bereich
der young adult ministry konnten beide gute Ratschläge geben, wie man der
heutigen Generation der youth und der young adults begegnen müsse, um ihnen
eine willkommende Gemeinde zu bieten. Zentral sei dabei der persönliche
Kontakt. Viel Kommunikation läuft über social networks wie Twitter oder
Facebook, aber die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt bilde die beste
Grundlage für direkte Glaubenserfahrung. Der Fokus für diesen persönlichen
Kontakt müsse auf den Sonntagen liegen. Jugendliche und young adults haben
heutzutage viele Termine unter der Woche, dass ein persönlicher Kontakt an den
anderen Tagen als Sonntags nur per social networks möglich sei. Dies ist, laut
Catie, die heutige Grundlage für eine Arbeit mit beiden Personengruppen, denn
youth und young adults können durch die Kirche nicht in allen Bereichen ihrer
Kultur verändert werden.
Kontaktaufnahme und der Erhalt dieser Kontakte müsse heute über eine eigene
Homepage, über einen E-Mail-Verteiler oder über ein social network laufen. Nur
über eine dauerhafte Kontaktaufnahme kann eine virtuelle Einladung erfolgen.
Laut John ist eine heutige Grunderwartung von youth und young adults eingeladen
zu werden. Herzlichkeit und das Gefühl eingeladen zu sein sind die Grundpfeiler
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Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
einer jeden pastoralen Arbeit. Unter Gastfreundschaft bzw. Herzlichkeit fällt auch
die stete Erinnerung, wie wir mit Anfragen dieser Generationen umgehen, wie die
Sekretärin jemand zur Taufanmeldung empfängt, wie eine Ehevorbereitung läuft,
wie persönliche Anfragen beantwortet werden. Der Charakter des
Dienstleistungsbetriebs sei heutzutage einfach das Bild der Kirche.
Aus Sicht einer Pfarrgemeinde muss die ministry an beiden Gruppen eine sehr
offene sein. Grundregel ist dabei diesen Generationen Raum zur Veränderung zu
bieten. Veränderung ist heute ein Grundbild für menschliche Entwicklung und trifft
auf die Idee des Prozesses im religiösen und privaten Leben eines jeden
Menschen. Die Pfarre muss also lernen, dass junge Menschen sich nicht mehr
direkt oder exklusiv an eine Gemeinde, manchmal sogar an eine Religion binden.
Gemeinde/Pfarrgemeinde muss sich einer solchen Altersgruppe wirklich widmen
und diese nicht als alleinige Zukunftsreserve für den Glauben betrachten.
2.5
Begegnungen (mit verschiedenen Akteuren) im pfarrlichen Bereich
der Youth bzw. Young Adult Ministry)
2.5.1 Mary Catherine Nelson (Youth Minister in der Pfarrei St. Raymond de
Penafort, Mount Prospect)
Mein erstes Gespräch in Chicago im Bereich der Youth Ministry fand statt mit der
Beauftragten für youth ministry in der Pfarre St. Raymond de Penfort, Mary
Catherine Nelson. Mary Catherine ist den modernen Jugendkulturen sehr
aufgeschlossen und versucht diese regelmäßig in ihre Arbeit zu integrieren.
Allerdings, so sagt sie, scheitert dieser Versuch oft an den Erwachsenen in einer
Pfarrei oder an den offiziellen Stellen der Diözese. Ihr Wunsch ist es Firmmessen
moderner zu gestalten, wenn schon die Vorbereitung auf viele Elemente moderner
Jugendkulturen zurückgreift. Beispiele für Versuche moderne Jugendkultur in die
Firmvorbereitung sind: Szenen aus Harry Potter und verschiendenen Vampire
stories, sowie Leseproben daraus, als auch Musik von Bands und Interpret/inn/en
wie Korn oder Lady Gaga.
Ein Versuch die Firmvorbereitung jung zu halten beinhaltet vor allem junge
Menschen als Katechet/inn/en aus dem vorherigen Firmjahrgang mit in die neue
Vorbereitung einzubeziehen. Diese können dann viele Elemente an eigener
Jugendkultur einbringen, allerdings nur im Rahmen der gesteckten Themen, die
bearbeitet werden müssen. Ein Problem dabei ist vor allem eine genügend große
Anzahl an Freiwilligen zu finden. In St. Raymond melden sich jährlich gut 120
Jugendliche im Alter der Highschool-Stufe der freshmen (erstes Jahr Highschool)
an. Um eine katechetisch und pädagogisch sinnvolle Gruppengröße zu finden,
werden pro Jahrgang mindestens 10-12 Katechet/inn/en gesucht. Elemente einer
solchen Firmvorbereitung sind: missiontrips, retreats (Kurzexerzitien), Messen,
Gespräche und auf einer freiwilligen Basis Branches-meetings (diese werde ich zu
einem späteren Zeitpunkt noch erklären).
17
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Nach der Firmvorbereitung werden die freshmen eingeladen im Sinn der
Theologie des Stewardship Ministries in der Gemeinde zu übernehmen. Nach der
Firmung besteht für alle Gefirmten die Möglichkeit im Chor, in der Band, als Lektor
oder als eucharistic minister in der Gemeinde mit zu arbeiten – oder natürlich als
Firmkatecht/in. Das Training für diese Ministries übernimmt die Pfarre selber und
wird durch den associate Pastor oder durch den/die Verantwortliche/n für youth
ministry geleistet.
Ein wichtiges Element im Bereich der Firmvorbereitung, aber auch für die gesamte
youth ministry ist die Liturgie. In den USA wird in der Regel ein großer Wert auf
eine dem Messbuch getreue Liturgie gelegt. In Raymond wurde damit etwas
anders umgegangen. Musikalisch gestaltete der Director of Music die Liturgie sehr
kontemporär. Liturgische Gebet, bis auf das Hochgebet, wurden dem Anlass
angepasst, die Katechese war lockerer als in einer üblichen Liturgie,
Firmkandidat/inn/en übernahmen verschiedene liturgische Dienste und die
allgemeine Sprache wurde der Jugendgruppe angepasst. Dabei fällt Mary
Catherine auf, dass es eine große Sehnsucht der Jugendlichen nach Ritualen gibt
und viel „comfort“ (Trost, Behaglichkeit, Wohnlichkeit) gesucht wird. Dabei wird
viel Wert auf die Eucharistie gelegt. Dies unterscheidet die katholische Kirche im
christlich-pluralen Umfeld der Kirchen in den USA von den anderen
Denominationen. Denn in der katholischen Kirche steht mit der
Transsubstantiationslehre und der Lehre von der Realpräsenz eine andere
eucharistische Theologie im Vordergrund einer jeden sakramentalen Feier, als in
anderen Kirchen. Diese Unterscheidung wurde in den 5 Wochen meines
Aufenthalts immer wieder betont, auch von Mary Catherine.
Diese Wahrnehmung täuscht nicht darüber hinweg, dass viele Jugendliche an der
Firmvorbereitung nur teilnehmen, weil ihre Eltern das möchten. Selbst der Versuch
das Firmalter auf das letzte Highschooljahr, das senior year, zu erhöhen, stieß vor
allem bei Eltern auf Missgunst. Diese wollen, laut Mary Catherine, ihre Kinder
unbedingt früh gefirmt sehen. Hintergrund dieses Wunsches ist die Tauftheologie,
die vor allem seit dem 2. Vatikanischen Konzil in der US-amerikanischenkatholischen Kirche vertreten wird. Die Taufe wird als Beauftragung, als
Übernahme des Steward-/Verwaltergedankens in der Kirche betrachtet. Vollendet
wird die Beauftragung durch die Firmung. Eine solche charismatische
Beauftragung kann sich im Laufe eines Lebens mehrmals ändern, aber die
Firmung ist so etwas wie die Besiegelung dieses Stewardship-Gedankens, den
Gott in einen jeden Menschen gelegt hat. Nur die kirchlichen Dienste werden
damit extra besiegelt und bestärkt. Viele Eltern haben diesen Gedanken
internalisiert und streben einfach nach einer Vervollkommnung der Initiation. Unter
den unmotivierten Firmkandidat/inn/en hat, laut Mary Catherine, die ganze
Vorbereitung eines Jahres dann zu leiden.
Neben der Firmvorbereitung ist ein wichtiges Element der youth ministry in St.
Raymond das Programm mit den mission trips. Jugendliche fahren in Gruppen in
7-tägige Camps, in denen sie Gemeinschaft erfahren, religiöse Gespräche führen,
18
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Messen und Versöhnungsfeiern feiern und auch gemeinsam in sozialen Projekten
Menschen helfen, denen es nicht so gut geht wie Ihnen. Ein Beispiel für eine
solches Programm bietet die folgende Organisation:
http://heartworkcamp.com/index.html
Wenn eine Pfarre einen Mission trip nicht selbst organisieren kann, greift sie auf
professionelle Programme zurück, die ein solches Programm organisieren. Mary
Catherine hat mehrmals bemängelt, dass die Theologie hinter diesen
Organisationsfirmen immer konservativer und theologisch eintöniger wird.
Grundgedanke ist immer noch die Erfahrung des Dienstes am Anderen, wie Jesus
es schon getan und den Menschen aufgetragen hat, aber es taucht immer mehr
die Fragestellung nach Schuld und Buße auf, die nicht mehr allein durch
Gottesdienste und Gespräche eine Lösung/Veränderung finden soll, sondern
immer mehr durch das Sakrament der Beichte den Jugendlichen mehr als ans
Herz gelegt wird. Bisweilen sollen Jugendliche über das Gefühl geklagt haben,
Zwang zum Sakrament der Versöhnung gespürt zu haben. Auf Grund dieser
Erfahrung soll das Programm der mission trips in den kommenden Jahren
geändert werden. Es wird noch eine passende Organisation gesucht.
Ein letztes Element, welches Mary Catherine für ihre Arbeit als youth minister
besonders wichtig ist, ist der Gebrauch des sozialen Netzwerkes von Facebook.
Mary Catherine unterscheidet hier stark zwischen privaten und dienstlichen
Kontakten und unter die dienstlichen Kontakte fällt jede „Befreundung“ von
Jugendlichen aus der Gemeinde. Die Erzdiözese Chicago hat nach den
zahlreichen Vorfällen von Kindesmissbrauch durch Mitarbeiter im pastoralen und
kirchlichen Dienst eine Grundordnung erlassen, die eigentlich den Gebrauch
dieses Mediums verbietet.8 Allerdings scheint Facebook, so Mary Catherine, eine
der wenigen Plattformen zu sein, über die Jugendliche heute noch gut erreicht
werden können. Die Nachrichten erscheinen meist sofort auf dem Smartphone der
Jugendlichen und können so auch sofort beantwortet werden.
2.5.2 Paul McMahon (Teen and Family Minister in der Pfarrei Holy Family,
Iverness)
Bevor ich etwas Genaueres zu Paul McMahon und seiner Rolle als
Verantwortlicher für die Teen und Family Ministry in der Pfarre Holy Family in
Inverness sage, möchte ich kurz eine Beschreibung der Theologie dieser Pfarre
geben. Das ist, meiner Meinung nach, wichtig, um das Programm der Ministries in
dieser Pfarre zu verstehen. Die Pfarre Holy Family in Inverness wurde im Jahre
1988 erhoben und als Gegenprogramm zur, für die Chicagoarea bedeutsame,
nondenominational Willow-Creek-Kirche konzipiert. Willow Creek setzt sehr stark
auf
eine
technisch-modernes,
ministry-reiches
und
kontemporäres
Kirchenprogramm bzw. auf eine solche Vision für die Kirche. Besonders unter der
Leitung des ehemaligen Pfarrers Fr. Patrick Brennan ist die katholische Kirche
8
Diese Grundordnung ist im Anhang dieser Arbeit einzusehen.
19
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Holy Family stark angewachsen und hat ein Konzept entwickelt, in dem alle
Ministries und das ganze Pfarrleben im Sinne der kleinen christlichen
Gemeinschaften leben (small christian communities). Patrick Brennan hat diese
Theologie bzw. das Erbe, das er in Holy Family hinterlassen hat sehr eindrücklich
in seinem Buch „The mission driven parish“9 dargestellt.
Diese Theologie der kleinen christliche Gemeinden wird auch für das Konzept der
youth ministry übernommen, dass aber in eine Ministry der Teen und Adults
übernommen wird. Besonders wichtig ist es folglich, dass beide Bereiche der
Pfarrmitglieder miteinander verbunden wird. Das Konzept für die Youth Ministry in
diesem Bereich des Pfarrlebens wird grundgelegt in dem Buch von Fr. Patrick
Brennan mit dem Titel „Full-cycle youth evangelization“10.
Das Konzept dieser vollzyklischen Ministry ist ein teleologisches, dass auf ein
„commitment“11 (Bindung, Einsatz, Engagement) zielt. Brennan vertritt die
Position, dass jede Pfarre ihr eigenes Jugendprogramm organisch entwickeln
sollte und das vorliegende Konzept sei ein Versuch für die Pfarre Holy Family, sei
aber auch anzupassen an andere Pfarren.
Grundlage für seine Jugendarbeit ist das RCIA (rite of christian initiation for
adults). Damit legt Brennan immer noch viel Wert auf die bisherige und
konventionelle Sakramentenpastoral, er baut sein Konzept von Jugendpastoral
allerdings zyklisch um den Sakramentenempfang. Das Katechument, wie wir es
heute für die Initiation von Erwachsenen kennen, wird bei Brennan auf alle Kinder
und Jugendlichen übertragen, so dass der rite of acceptance mehrmals jährlich mit
der gesamten Gemeinde gefeiert werden kann. Damit gibt es mehrere
Möglichkeiten, wann ein Taufbewerber selbst entscheiden kann, den Prozess des
Katechumenats zu beginnen. Ein Prä-Katechumenat wird damit das ganze Jahr
hindurch ermöglicht und nicht nur im Herbst.
Das von Brennan so genannte FLAME-Modell für Jugendevangelisation umfasst
dann 5 Stufen12:
1.) Discovery (Evangelization)
- outreach to teens through social events and activities
- involvement of adult and peer social ministers
2.) Advance (Catechesis)
- social ministries continue
- learning modules that involve adult catechists
9
Brennan, Patrick, The mission driven parish, Maryknoll, 2007.
Brennan, Patrick, Full-cycle youth evangelization, Allen, 1998.
11
Brennan, Full-cycle, 59.
12
Brennan, Full-cycle, 64f.
10
20
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
3.) Discipleship (Spiritual Direction)
- social ministries continue
- catechesis continues
- one-on-one meetings with adult spiritual directors
4.) Celebration (Confirmation)
- social ministries continue
- catechesis continue
- one-on-one-meetings with spiritual directors continue
- public celebration of Confirmation, which involves liturgical ministries
- or some other public ritual of owning one’s faith
5.) Continuing the journey (Follow-up)
- all previous ministries continue
- ongoing formation and nurturance
- active ministry in the Christian community
Inhalt dieses Konzeptes sind nicht nur religiöse Themen. Brennan geht sehr offen
mit weiteren jugendspezifischen Themen um und erwähnt ihn seinem Buch
folgende Problemthemen, die sensibel behandelt werden müssen: Alkohol und
Drogengebrauch, Kulte und Sekten, Selbstmord, Sexualverhalten, Rockmusik und
Popkultur und Essverhalten.13 Zudem sollen Jugendliche so zu vier praktischen
Glaubenszielen befähigt werden: die religiösesen Traditionen kennenlernen
(intellectual faith), eine Verbindung mit Gott aufbauen (relational faith), Glauben in
Aktion umsetzen (performative faith) und Werte erlernen, die mehr bibelbasierend
sind (imaginative faith).
Um all diese Ziele und Anforderungen zu erreichen, braucht man laut Brennan
viele unterschiedliche Menschen, die alle eine moderne Sprache sprechen und
echte Zeugen des Evangeliums und des Glaubens sind. Diese Menschen, die mit
den Jugendlichen eine Gruppe vergleichbar mit kleinen christlichen
Gemeinschaften bilden, laden die Jugendlichen zu einer wöchentlichen
Abendveranstaltung ein, die aus drei Elementen bestehen: „business in each
small community; fun or social experiences among the various communities; and a
closing religious experience consisting of Scripture, drama, music, and witness
talks done by adults and teens.“14
Brennan betont stets, dass der Grundgedanke eine Reise oder ein Prozess ist, der
einen Menschen zu Gott führt.15 Man kann Gott nicht mit einem empfangenen
Sakrament für sich in Anspruch nehmen und damit seinen Lebensweg mit Gott
endgültig besiegeln. Deswegen geht es auch um einen full-cycle, der nach der
Initiation nicht einfach endet sondern noch weiter führt. Grundprinzip ist es, dass
13
Vgl. Brennan, Full-cycle, 75-86.
Brennan, Full-cycle, 37.
15
Brennan, Full-cycle, 41.
14
21
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
ein junger Mensch einen anderen Menschen trifft, die/der das Evangelium in sich
selbst inkarniert.
Brennans Grundprinzip bleibt damit, dass man die Entscheidung zum Empfang
eines Sakramentes im Sinne eines full-cycles, der auf dem RCIA-Programm
beruht, nicht zu einem festen Zeitpunkt festlegen kann. Vielmehr soll jeder
Bewerber für ein Sakrament die Freiheit haben selbst zu entscheiden, wann sie/er
dieses empfangen möchte.
2.5.3 Branches-Meeting (St. Raymond de Penafort)
Die Branches sind eine Gruppe, die es mit ähnlichem Namen und ähnlichem
Konzept in fast jeder katholischen Pfarren und sogar in vielen anderen
Denominationen gibt. Grundgerüst für das Pfarrleben sind in der Regel zwei
Wochentage, an denen die meisten Pfarrgruppen und katechetischen Programme
ihre Treffen durchführen. Ein Treffen im Bereich der Jugendarbeit sind die
Branches-Meetings an den Sonntagabenden und die Religious Education-Treffen
mittwochs.
Branches-Meetings sind Treffen von Jugendlichen derselben Altersklasse, die von
einem erwachsenen Päarchen aus der Gemeinde eingeladen werden und dort mit
einem Jahresprogramm über ihren Glauben sprechen. Dabei können
Jugendthemen, wie Moral, Musik, Sexualität, Freundschaft, Probleme mit der
Kirche usw. einen Ort finden. Die Gruppen werden immer mit einem neuen
Freshman-Jahrgang gegründet und man meldet sich formal bei der/dem
Beauftragten für youth ministry in der Pfarre an. Dieses Modell ähnelt dem
Konzept der kleinen christlichen Gemeinschaften bei Brennan.
Das Curriculum, was hier besprochen wird, wird bei jedem Treffen mit Gebet oder
Liedern umrahmt. Wichtige Elemente im Curriculum sind die Soziallehre der
katholischen Kirche, die Morallehre der katholischen Kirche, die Sakramente, der
Gedanke des Stewardship, die Planung von mission trips, der katholische Blick
auf die Welt und die Weltgeschehnisse, usw. Es hängt, laut Mary Catherine
Nelson, der youth minister von St. Raymond, stark davon ab, wie offen die
Erwachsenen sind, die ein solches Branches-Meeting leiten. Wenn sie
Jugendlichen die Chance geben ihre eigene Musik mitzubringen, frei über ihren
Glauben zu sprechen, Vertrauen in die Gruppe zu gewinnen und sich für den
Glauben zu öffnen, kommt es schon einmal vor, dass diese Branches-Gruppen,
die für alle 4 Jahr der Highschoolzeit zusammen bleiben, sich zu Hochzeiten,
Taufen oder anderen Familienfeiern wiedertreffen.
Eine Ausschreibung für die Branches kann man auf der Seite der katholischen
Pfarrgemeinde St. Raymond de Penafort unter
http://www.st-raymond.org/youth_branches.asp finden.
22
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
2.5.4 Religious Education in 6th Grade (St. Raymond de Penafort)
Die Gruppen für religious education treffen sich wöchentlich mit Katecheten
während der Klassen 1 bis 8. Da nur Kinder auf katholischen Schulen
Religionsunterricht erhalten, wird dieses Programm für alle angeboten, die nicht
auf eine private katholische Grund- oder Middleschool gehen. Die religious
education findet immer im Großverband statt. Ich selber konnte an einem Abend
der Klasse 6 teilnehmen. Hier saßen dann gut 70 Kinder in einem großen Kreis
zusammen und bekamen von einem Katecheten einen Vortrag über
„Glaubenswahrheiten“ gehalten. Dazu sollten sie sich Notizen machen und für das
nächste Treffen ein Essay darüber schreiben, was referiert wurde. Die Runde
wurde ab und zu in Murmelgruppen unterteilt, in die ein/e Katechet/in ging und mit
den Schüler/inne/n, die Relevanz des Vorgetragenen für ihr Leben und ihren
Glauben erörterte. Dieses System erinnerte inhaltlich sehr stark an einen reinen
Katechismusunterricht und methodisch eher an den für die Schüler/innen
vertrauten Schulunterricht. Pädagogische Spiele, Icebreaker o.ä. ähnliche
Methoden waren auch nach Nachfrage den Katecht/inn/en nicht bekannt.
2.5.5 Confirmation Retreat (St. Raymond de Penafort)
Die Firmvorbereitung wurde in St. Raymond mit verschiedenen Elementen
gestaltet. Eines der Elemente waren 3 sogenannte Retreats, die so etwas wie
halbtägige Exerzitien darstellen sollten. Die Firmkandidat/inn/en wurden in
Gruppen unterteilt und bekamen je eine/n jugendliche/n Katecheten bzw.
Katechetin zugewiesen. Diese diskutierten an dem Retreat, an dem ich teilnahm,
mit ihnen These der katholischen Soziallehre und versuchten Beziehungen
zwischen diesen Thesen und dem eigenen Glauben und Leben zu finden. Dies
kam mir sehr schwerfällig vor, da die Katechet/inn/en selber erst im vergangenen
Jahr zur Firmung gegangen sind und selber wenig über kirchliche Erfahrung
verfügten und die Jugendlichen in dieser Masse in der schuleigenen Turnhalle
keine ansprechende Gesprächsatmosphäre hatten.
Sehr ansprechend war das abschließende sogenannte „washing of the feet“. Die
Firmkandidat/inn/en wurden aufgefordert einander beide Füße zu waschen, wie es
in manchen Gemeinden am Gründonnerstag die Tradition ist. Die verantwortliche
youth minister sagte mir, dass dies noch einmal die Perspektive zu den anderen
Kandidat/inn/en ändert und man so noch einmal nach der Diskussion über die
Soziallehre in den Ursprung allen diakonischen und sozialen Handelns im
christlichen Sinne eintauchen könne. Danach wurden alle Kandidat/inn/en in die
Kirche geführt, wo eine Abendmesse mit den Eltern und weiteren
Familienmitgliedern zu dem Thema „Einander dienen“ stattfand.
2.5.6 Youth and Young Adults in den Ministries der Pfarrei St. Raymond de
Penafort
Mit der Firmung hat ein Christ der Tauftheologie gemäß alle Initiationssakramente
herhalten und kann nun als vollgültiges Gemeindemitglied an dem Dienst am Leib
23
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Christi partizipieren. Deshalb gibt es in den USA nach der Firmung einen direkten
Aufruf steward im Sinne des Evangeliums zu werden und die eigene Gemeinde
mit zu gestalten. Es gab daher in St. Raymond eine große Zahl an ehrenamtlichen
Katechet/inn/en im high school-Alter, altar server, junge Mitglieder im parish
council und auch an eucharistic minister.
Für viele wurde es als eine Selbstverständlichkeit verstanden, sich in der eignen
Gemeinde zu engagieren und am Aufbau des Leibes Christi mitzuwirken. Die
youth minister von St. Raymond sagten, dass gut 30% der gefirmten Jugendlichen
in der Gemeinde nach der Firmung aktiv bleiben. Für deutsche Verhältnisse fand
ich das eine sehr hohe Zahl. In St. Raymond wurde dies als selbstverständlich
betrachtet.
Es gab aber auch eine große Offenheit dahingehend, dass selbst Jugendliche
bzw. young adults im Laufe ihrer Tätigkeit in den diversen ministries der
Gemeinde ihr ministry wechseln, da sie sich selber biografisch verändert haben.
Diese Offenheit habe ich sehr angenehm und wohltuend wahrgenommen – im
Gegensatz zu der deutschen Praxis ein Ehrenamt bis zum eigenen Tod ausführen
zu müssen.
2.5.7 Ergebnisse
Alle Vertreter eines Bereiches der youth bzw. young adult ministry, egal ob auf
diözesaner oder pfarrlicher Ebene habe ich nach modernen Jugendkulturen,spiritualitäten bzw. -liturgien befragt. Manche (Cathy Walz, John Cusick, Mary
Catherine Nelson) waren sich derer bewusst, andere kannten sie kaum oder
waren sich ihrer Existenz auf Diözesan- oder Pfarrebene nicht bewusst. Mein
Eindruck ist, dass kontemporäre Jugendkulturen mit ihren Fragen, Werten und
Ideen nur in einer Gesellschaft bzw. Pfarrei auffallen, wo nicht mehr genügend
Jugend da ist, um den Eindruck einer gesicherten Zukunft zu vermitteln. Danach
erst weitet sich der Blick auf die Jugend auf der Straße oder an anderen Orten der
Gesellschaft. Missionstechnisch ist das der falsche Zugang ein Angebot in die
Welt zu tragen. In einer Pfarrei wie Holy Family, in der fast 80% aller gefirmten
Jugendlichen an einer Ministry teilnehmen, kommt die Frage nach Mission in
verschiedene Jugendkulturen nicht so schnell auf, wie in einer Pfarrei, die immer
mehr Jugendliche verliert.
Eine weitere Wahrnehmung ist, dass die Erfahrung dieser Gesprächspartner/innen
mit den eigenen Kindern und deren Jugendkulturen weniger als kirchenferne
erfahren wurde. Wenn die eigenen Kinder recht regelmäßig mit zur Kirche
gegangen sind und am weiteren Pfarrleben partizipiert haben, wurde eine weitere
Jugendkultur, die anscheinend durch äußerliche Veränderung nicht aufgefallen ist,
nicht oder nicht als bedrohlich wahrgenommen. Jugendkulturen und
jugendkulturelle Angebote, die mir vor allem in der Downtownarea von Chicago
aufgefallen sind, wurden hier nicht wahrgenommen. Eine weitere Möglichkeit ist
zudem, dass diese einfach als gegeben hingenommen werden.
24
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
2.6
Schule und Religion
2.6.1 Pre-K, Kindergarden, Elementary and Middle school in der Pfarrei St.
Raymond de Penafort
Als private katholische Schule dominierten auf den
Fluren der St. Raymond school die religiösen
Bekenntnisse (s. Foto). In der Schule fand ein gut
ausgearbeitetes religious education programm statt,
dass von der hauptamtlichen Koordinatorin für
Katechese und der Frau für die youth ministry in St.
Raymond an Hand von Standards der Erzdiözese
erarbeitet und mit den Lehrer/innen zusammen
durchgeführt
wird.
Somit
findet
in
allen
Kindergartenjahren und in jedem Schuljahr religious education in Verbindung mit
Schulmessen statt. Die verantwortliche Frau für die youth ministry hatte dabei
ihren Schwerpunkt in den Bibelstudien, die sie jede Woche mit den Schülern
durchführt und die Koordinatorin für die Katechese sorgte dabei für die
Organisation und Vorbereitung der liturgischen Ebene.
Ungleich unserem Schulsystem und dem Standort des Faches Religion in diesem
System, gab es hier wenig religionspädagogisches Material und wenn solches
existierte, dann nur auf einem Stand, den deutsche Religionspädagogik in den
70er und 80er Jahren entwickelte. Schwerpunkt bleibt auch hier eine Grundlage
an Katechismusweisheiten, die mit anderen Dingen angereichert werden. Es
machte auf mich immer den Eindruck, einen Schwerpunkt in der diakonischen
Selbstverpflichtung der Schüler/innen zu evozieren und zudem einen, europäisch
betrachtet, naiven Glauben zu vermitteln. Es wurde (s. Foto) sehr viel mit
Symboltheorie gearbeitet und die Schüler/innen brachten wenig an eigener
Lebenserfahrung mit in den Unterricht ein. Mir wurde sogar mitgeteilt, dass diese
persönliche Glaubenserfahrung vermehrt in den Branchesgruppen diskutiert
werden sollte.
2.6.2 St. Viator High School, Arlington Hights (Kairos, Fr. Egan)
Die St. Viator High School16 in Arlington Heights ist für die Region rund um die
Pfarre St. Raymond de Penafort in Mount Prospect die einzige katholische High
School. Getragen vom Orden der Viatorianer stellt sie eine wichtige Größe in der
privaten Schullandschaft in den suburbs von Chicago dar. Hier wird viel Wert auf
die Unterstützung und Entwicklung der christlichen Spiritualität der Schüler/innen
gelegt. Fr. Egan, Viatorianer und Schulrektor, ist sehr stolz, dass neben einer
statistischen Größe von gut 25% an Katholiken die Sonntags zur Messe gehen,
40% seiner Schüler aktiv in der parish ministry mitwirken und ebenso regelmäßig
die Sonntagsliturgie ihrer Gemeinden besuchen. Zudem scheint die Schule ihre
16
http://www.saintviator.com/ns/ (Stand: 25.November 2011)
25
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Schüler/innen gut auf das nachschulische Leben vorzubereiten, da gut 98% der
Schüler/innen nach dem Schulabschluss ein Hochschulstudium aufgreifen.
Katholische High Schools können hier als Erfolgs- oder auch Karriereschmieden
verstanden werden und spiegeln sozial nicht unbedingt den US-amerikanischen
Durchschnitt wieder. Gut 25% der Eltern der Schüler/innen an St. Viator können
die jährliche Tuition von ca 11.000$ nicht mehr aufbringen und sind auf
Unterstützung des Ordens angewiesen. Dennoch verschulden sich noch viele
Eltern bei Banken, um ihren (katholisch getauften) Kindern eine solche
Schulbildung und Zukunft zu ermöglichen.
Die Schule bietet aber nicht nur schulische Bildung, sondern setzt auch sehr stark
auf die spirituelle und geistige Entwicklung der Schüler/innen. Aus diesem Grund
gibt es über das ganze Jahr verteilte Programm und spirituelle Angebote, die von
einem 3-köpfigen Team vorbereitet werden und guten Zulauf finden.
- Bridges (Junior-retreat)
- Kairos (Senior-retreat)
- Messen (offene Messen für alle an den Freitagen und eine gesonderte,
verpflichtende Schulmesse für alle 4 Stufen in der Turnhalle der Schule einmal
monatlich)
- Bestimmte am Kirchenjahreskreis orientierte Liturgien (Roratemessen,…)
- Solidaritätsaktionen (Kollekten, Kleiderspenden, Süßwarenverkauf,…)
In allen Bereichen der campus ministry findet vor allem Musik einen Schwerpunkt.
Fr. Egan berichtete begeistert von den musikalischen Talenten seiner Schüler und
zog direkt eine kulturelle Verbindung zu einer momentan in den USA sehr
bekannten Serie: Glee. Musik ist so etwas wie die Lebensenergie Jugendlicher
und ermöglicht ihnen eine Ausdrucksmöglichkeit für Gefühle und Erfahrungen, die
sie in der direkten Rede nicht finden können. Deshalb werden Jugendliche
bewusst aufgefordert zu allen Retreats „ihre“ Musik mitzubringen. Am Ende eines
Retreats werden dann die Musikstücke alle zu einer CD zusammengefasst und
jede/r Teilnehmer/in bekommt diese dann mitgegeben.
Betsy Font betonte am Ende unseres Gespräches, dass die Qualität der campus
ministry aber sehr stark von der vorherigen und begleitenden Arbeit der youth
minister auf der Pfarrebene abhänge. Deshalb sollen hier auch in Zukunft noch
weitere Verknüpfungen aufgebaut werden.
26
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
2.6.3 Public schools
In den public schools ist es in dem starken Trennungssystem zwischen Staat und
Kirche in den USA nicht erlaubt Religionsunterricht zu erteilen. Bekannte
Streitfragen über Evolution und Kreationismus spiegeln in der Presse bis heute
den unterschiedlichen Horizont von Konfessionen bzw. Denominationen und
lassen erkennen, dass ein einheitlicher Religionsunterricht allein deswegen schon
nicht möglich ist. Die Schüler der public schools gehen vielmehr in pfarrliche
Programme um dort eine religious education zu erfahren.17
2.6.4 Elterninitiative TREASURE in Virginia
Eine Möglichkeit das schlechte public school System zu umgehen und das Geld
für die teuren private schools zu sparen, ist die gesetzliche Freiheit die eigenen
Kinder aus dem Schulsystem abzumelden und im sogenannten home schooling
selbst zu unterrichten. Dies habe ich beim Besuch von Freunden in Virginia
erfahren, wo eine Bekannte ihre Tochter aus dem Schulsystem abgemeldet hat
und selbst unterrichtet. Da sie aber selber in ihren Fähigkeiten (z.B. Musik und
Kunst) eingeschränkt ist, hat sie sich einer baptistischen Schulbewegung
angenommen, die sich TREASURE nennt. Verschiedene Eltern bieten für einen
geringen Jahresbeitrag unterschiedliche Kurse an, die der eigene Elternteil nicht
lehren kann. So können Kinder hier musikalische und künstlerische, aber auch
naturwissenschaftliche, geschichtliche oder auch haushaltstechnische Kurse
besuchen. Ich selber durfte an einem solchen Schultag teilnehmen und war
fasziniert vom Engagement und ein Einsatz der jeweiligen Eltern. Getragen von
einer bestimmten baptistischen Strömung, war der Unterricht allerdings
„ideologisch“ gefärbt. In einer Klasse zur Pflanzenkunde sagte die sehr belesene
und erfahrene Mutter, dass man nur biologisch korrekte Nahrung zu sich nehmen
solle. Alle Nahrung, die genetisch verändert sei, müsste verbrannt werden, da Gott
diese so nicht wollte. Meine Bekannten nahmen dies so hin und schicken ihre
Tochter lediglich für die Qualität der Bildung in diesen Kreis. Dennoch kann mit
einem aufgehobenen Schulsystem Religion noch einmal eine viel weitere
weltdeutende Rolle im Bildungssystem Schule spielen.
3. Begegnungen mit nichtkatholischen Kirchen und ihrem Zugang
zur Youth Ministry
3.1
Urban Village Church (Chris Coon)
Im Rahmen der methodistischen Weltkirche gründete Chris Coon vor wenigen
Jahren die Urban Village Church mit den Schlagworten: Bold. Inclusive.
17
s. Kap. 3.e.iv
27
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Relevant.18 Eher eine Kirche für die Altersgruppen der young adults und der
adults, schaut er auch auf eine Seelsorge mit Jugendlichen. Gerade im Rahmen
der downtown Chicago Region nimmt er verschiedene Jugendkulturen wahr, die
er selber nicht richtig anzusprechen vermag. Mit verschiedenen Werbepostkarten
und einer ansprechenden Homepage versucht er Jugendliche für diese Art von
Kirche zu interessieren. Denn die drei Schlagworte der Urban Village Church
sollen auch wirklich Programm der Kirche sein: Mutig mit der Botschaft des
Glaubens in die Welt zu gehen, alle Menschen zu inkludieren und anzunehmen
und dabei Menschen eine Relevanz für ihr Leben zu bieten. Bei allem Mut und
aller Inklusivität scheint er gerade aber an zwei Fakten seiner Begegnung mit der
jungen Generation in Chicago nicht weiterzukommen. Erstens scheint inklusiv
noch lange nicht alle Menschen einzuladen, da nur zögerlich Menschen in die
Gesprächsgruppe und Gottesdienste der Urban Village Church kommen und sich
z. B. in einem allgemein offenen Rahmen als Homosexuelle/r oder Transgender
zu bekennen. Chris folgert, dass Kirche immer negativ auf solch veranlagte
Personen reagiert hat. Manche müssen es sich mehrmals überleben, ob sie noch
einmal eine Kirche betreten. Zweitens hat, in seiner Sicht, keine der christlichen
Kirchen eine Möglichkeit gefunden eine Single-Kultur biblisch zu begleiten. Was
gesellschaftlich vielleicht (schweigend) bereits anerkannt ist, findet im biblischen
Kontext und damit auch im kirchlichen Kontext keine anerkennende Würdigung.
Singlepersonen können sich so in vielen Punkte von Kirche nicht wiederfinden und
sehen sich oft als Christen zweiter Klasse, da sie nicht dem familiären Idealbild
von Bibel und Kirche entsprechen. Hier möchte er in Zukunft neue Wege suchen.
3.2
Tha House
Tha house19 ist eine auf Jugendliche zugeschnittene methodistische
Jugendkirche, die vor allem afroamerikanische Jugendliche im Rahmen von HipHop-Kultur in einem bestimmten Stadtteil von Chicago anspricht. Rund um Pastor
Phil Jackson wird hier versucht eine Gottesdienstkultur
aus einem speziellen Musik- und Lebenssegment von
Jugendkultur anzubieten: dem Hip-Hop. Zwei Mal findet
hier monatlich ein stark bibelbasierter Gottesdienst für
Jugendliche und junge Erwachsene statt, die ihre Kultur
in dieser Musik finden. Somit findet hier eine Symbiose
von Musikform und Theologie/Rede von Gott statt, die
heute nicht überall anerkannt wird. Zudem können hier Jugendliche und junge
Erwachsene unter Wiedererkennung ihrer eigenen Kultur Glauben ausüben und
erkennen über den Alltagscharakter der Musik eine alltägliche Relevanz für ihren
Glauben. Zudem hat sich diese Kirche in ihre Programm geschrieben, dass sie
gerade in einem sozial schwierigen Teil der Stadt Chicago Jugendlichen einen
18
19
http://www.newchicagochurch.com/ (Stand: 25. November 2011)
www.thahouse.org (Stand: 25. November 2011)
28
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Ausweg aus dem sozialen Abstieg ermöglichen möchte. Hip-Hip hat eine gewisse
Nähe zum Rap, hat dem Rap gegenüber aber auch noch einige Erweiterungen,
denn Hip-Hop hat ein ausgeprägteres Bewegungs- bzw. Tanzelement und ein
stark narrative Komponente (story-telling). Hip-Hop könnte man so im Vergleich
zum Rap als ausdrucksstärker und erzählender beschreiben. Da beide Elemente
gerade für Jugendliche wichtig sind (sich selbst auszudrücken und von sich zu
erzählen), war die Erfahrung eines Gottesdienstes in Tha house sehr
beeindruckend.
3.3
Willow Creek
Willow Creek hat ein sehr reichhaltiges youth ministry program, welches auch sehr
gut über die Homepage der ministry dargestellt wird. 20 Unter dem Schlagwort
„student impact“ wird die youth ministry von Willow Creek einerseits auf der
kirchlichen Ebene ausgeführt, andererseits auch in die Schulen der jeweiligen
Schüler/innen getragen. Denn Schüler/innen werden aufgefordert an ihren
Schulen sogenannte „Uprisings“ zu gründen, die eine Art Nachmittagskurs sind,
die von Schülern geleitet Glauben weitergeben sollen. Beeindruckend ist die
Präsenz von diesen Uprisings an verschiedenen Schulen, die sich alle auf der
Homepage mit Video vorstellen. Daneben findet im Areal von Willow Creek und
auf privater Ebene ein vergleichbares Programm wie in St. Raymond und anderen
Kirchen statt. Die sogenannten branchesmeetings in St. Raymond heißen hier
house groups und spezielle Gottesdienste werden unter dem Sammelbegriff
worship gathering aufgeführt.
Gut zu erkennen war, bei unserer Teilnahme an verschiedenen Gottesdiensten in
Willow Creek, dass Jugendliche fast gar nicht in den regulären Gottesdiensten
präsent sind. Dies erklärt sich, da Sonntags immer eine gesonderte Veranstaltung
im sogenannten Lakeside Auditorium für Jugendliche stattfindet. Jugend wird hier
also ein eigenes Programm geboten, dass von seiner Struktur her dem
Gottesdienst der Erwachsenen im anderen Auditorium entspricht, aber in Sprache
und Auftreten des Pastors eher der Jugendkultur entspricht.
Faszinierend an Willow Creek im Bereich der youth ministry ist die hervorragende
Homepage mit vielen Bildern, Blogs, Videos und persönlichen Darstellungen von
Jugendlichen und ministern, als auch die hohe Zahl an Hauptamtlichen, die hier
für eine funktionierende Jugendarbeit sorgen. Wie auch im katholischen Rahmen,
bilden Gottesdienst und sozialer Dienst die beiden Grundfundamente von Willow
Creek im Bereich der youth ministry.
20
www.studentimpact.com (Stand: 25. November 2011)
29
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
4. Auf der Suche nach (säkularen) Jugendkulturen in einer
Großstadt
Die Suche nach säkularen Jugendkulturen ist weniger eine wissenschaftliche
Suche, als vielmehr eine Wahrnehmungsübung im Bereich der Großstadt
Chicago. Dabei ging es mir vor allem darum, „die Augen offen zu halten“ und erst
einmal zu sehen, wo Jugendliche mit ihren kulturellen Ausprägungen erscheinen.
Verschiedene Orte sind mir dabei aufgefallen, die ich im Folgenden darstellen
möchte.
4.1
Downtown Chicago
In der Downtownregion von Chicago (im Loop und den ihn umgebenden
Straßenblocks) fand ich reichlich wenig Sammelorte für Jugendkultur. Da der
Innenstadtkern von Chicago sehr stark von Banken und Konsumbereichen erfüllt
war, waren die Shoppingzentren die ehesten Orte um Jugendkulturen zu erfahren.
Dabei stellte ich fest, dass sich viele der kulturellen Erscheinungen mit den
kulturellen Modeerscheinungen der europäischen bzw. deutschen Jugendkultur
decken. Es gab auch hier zentrale Modemarken wie Nike, H&M, Puma, etc. Auch
beherrschten Fastfood-Ketten das Restaurantbild und waren Sammelorte für
Jugendliche mit dem System des All-you-can-drink-Automaten. Vor allem
Starbucks und andere Coffeeketten stellen hier eine Alternative dar. Hier kann
man zu chilliger Musik entspannen und zudem kostenlos ins Internet. Eine
Auffälligkeit von der man im gesamten Innenstadtbereich von Chicago sehr gut
profitieren kann. An fast jeden Blockecke erhält man zahlreiche neue oder
zusätzliche WiFi-Anbieter, deren Dienste man kostenlos in Anspruch nehmen
kann. Internet und Social Media sind so via Smartphones immer präsent und
bestimmen auch hier den Alltag.
Neben diesen regulären Shoppingzentren, gab es noch solche Orte, die ich eher
als „Shoppingtempel im Hochpreissegment“ bezeichnen möchte. Auf der Michigan
Avenue und besonders im Water Tower Place an der Michigan Avenue gibt es die
besonders teuren Modeläden, die auch viele Jugendliche anziehen, die dort gerne
gucken gehen oder einfach vor den Schaufenstern stehen bleiben. Vor allem
Läden wie „Abercrombie & Fitch“ oder das Niedrigpreissegment dieser Marke
„Hollister“ und die noch preiswertere Variante eines mexikanischen
Modeherstellers „Aeropostale“ bringen Mode auf den Markt, die stark an
Verschließ erinnert, vor allem ein sehr modebewusstes und körperbewusstes
Publikum anspricht und mit lauter Musik und starken und aromatischen Düften im
Verkaufsraum einen Shoppingtempel schon auf ihrer gesamten Etage dominieren.
Neben Mode und Essen stellte ich erstaunt fest, dass die gesamte
Innenstadtregion nur noch einen einzigen Bücherladen aufweist, der sich im
südlichen Universitätsbereich befindet und dass CD- und DVD-Läden recht selten
30
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
sind. Der Bereich der multimedialen Versorgung wird mehr und mehr durch Läden
wie den Apple-Store dominiert, wo Jugendliche auch frei ins Internet kommen
können und mit neuester Technik, die sie sich vielleicht nicht leisten können, erste
Erfahrungen sammeln.
Ganz anders sah es aus auf den Straßen, in den U-bahn-Bahnhöfen und in den
Parks. Im Millennium-Park traf ich nur selten auf Jugendgruppen, die hier
„abhängen“ wollten und selbst zwischen den Hochhäusern war für mich nur einmal
eine Skatergruppe zu erkennen, die mit einer Mülltonne verschiedene Stunts
ausprobierten. Ich vermute, dass es vor allem am guten Überwachungssystem
eines jeden Hauses lag, dass diese Jugendgruppen hier keinen guten Ort zum
Aufhalten fanden. Jugendliche waren eher, wie auch bei uns, in Bussen und
Bahnen präsent und haben dort mit ihrer Musik und Jugendsprache den
Geräuschpegel des jeweiligen Transportmittels dominiert. Eher in den südlichen
Suburbs, die stark afroamerikanisch geprägt waren, gab es verschiedene
Gruppen, die sich auf den Straßen trafen und verschiedene Plätze, Parks und
andere Orte für sich in Anspruch nahmen.
Ein Blick auf Werbestrategien zeigte mir, dass gerade das Jugendverhalten mit
Hilfe von Smartphones und der ständigen Versorgung mit WiFi eine Werbung mit
direktem Internetkontakt möglich war. So gab es in der Downtownregion
zahlreiche
beleuchtete
Plakatwände
mit
eingebautem Sensor, ob den Menschen sich
kostenlos Musik oder andere Apps runterladen
können, quasi eine Schnittstelle für eine
Verlinkung zur Homepage des Anbieters.
Außerdem fielen hier auch die sogenannten QRCodes auf, die schon bei der Jugendaktion um
Fr. Barron und seine Internetpräsenz für
Teilnehmer des Weltjugendtages 2011 in Madrid
beschrieben wurde.
Eine Auffälligkeit war der sogenannte National Hug Day im Oktober. Hier traf ich
auf eine große Gruppe von Schülern, die auf der Straße kostenlose Umarmungen
verteilten um den Tag etwas aufzuheitern. Viele motivierte Schülerinnen und
Schüler boten diese Umarmungen an, ohne sich aufzudrängen und lockerten das
sonst so hektische Stadtbild etwas auf und sorgten für Entschleunigung im Alltag.
Jugendkultur erschien hier als konsumorientiert, mit dem Ansatz die Welt etwas
glücklicher zu machen, besonnen auf ihre eigene Sprache, mit Musik versorgt und
vor allem im Stadtbereich modebewusst oder durch das Bild von Skatern geprägt.
4.2
Woodfield Mall
Die Woodfield Mall war bis zur Errichtung der sogenannten Mall of America in
Minneapolis im Jahr 1992 die größte Mal der USA. Auch hier findet man, wie in
der Downtownregion von Chicago alle möglichen Shoppingläden, von denen eine
große Zahl auch in Deutschland zu finden sind. Allerdings war schon sehr
31
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
auffällig, dass in der Woodfield Mall mehr Jugendliche präsent waren, als in der
Downtownregion. Hier konnte sie vielleicht ungehinderter abhängen und mussten
um zu bummeln nicht extra in die Innenstadt fahren, sondern konnten hier
kostenlos parken und waren so evlt. auch näher an ihrem eigenen Suburb dran.
Die Innenstadt ist wohntechnisch, so berichteten verschiedene Personen, nicht
gerade jugendfreundlich und vor allem auch von den Lebenshaltungskosten für
Jugendliche nicht geeignet.
4.3
Baseball
Eine ganz besondere Erfahrung war die Teilnahme an einem Baseballspiel der
Chicago Cubs in Wrigley Field. Die Grundatmosphäre fand ich mit einem
deutschen Fussballspiel vergleichbar. V.a. Jungen im Kreis ihrer Peergroup oder
mit ihren Vätern, Onkeln o.ä. waren hier zu sehen, die bei Hotdog und Soda für
ihre Mannschaft fieberten. Sportveranstaltungen haben in den USA generell auch
einen recht patriotischen Charakter und sind von Gruppenverhalten dominiert
(gemeinsames Essen, herumstehen und diskutieren, Fanshopbesuch,…).
Gruppensport fördert Gruppenverhalten – wäre eine
mögliche These. Der Verhaltenskodex unter den
Jugendlichen ist hier sehr kameradschaftlich und
auch körperbetont. Die Identifikation mit einem Verein
wird hier, wie auch bei uns im Fussball über
gemeinsame
Kleidung
geschärft
und
die
sogenannten cheers (Zurufe) sind wie in unserer
Fussballkultur stark lokal geprägt (im Blick auf Slang
und Botschaft).
Jugendkultur im Baseball habe ich somit als stark gemeinschaftlich, kumpelhaft
und ausfallend bzw. laut erlebt.
4.4
Museen (Museum of cotemporary arts / Art Institute)
Erstaunlich war für mich, dass gerade die Museen in der Innenstadt sich mit
speziellen jugenddidaktischen Veranstaltungen profilierten. Hier wird meiner
Einschätzung nach, ein anderes Klientel angesprochen, als z.B. im
Baseballstadion. Die Führungen und die museumspädagogischen Einheiten sind
allein sprachlich schon auf eine elitärere und intellektuell gebildete Jugendkultur
angelegt. Allein der Anblick, welche Klientel sich an diesen Führungen beteiligt
bzw. teilgenommen hat, zeigt mir, dass hier vor allem US-Amerikaner mit
kaukasischem bzw. asiatischem Hintergrund angesprochen wurden. Jugendliche
mit afroamerikanischer Hautfarbe oder hispanics waren hier nicht zu finden.
Das MCA (museum of contemporary arts) hat ein eigenes Profil für Teens, im Alter
von 15-19 Jahren, für die besondere Touren durch das Museum und verschiedene
Aktionen angeboten werden. Dabei gibt es regelrechte Programme, um Teens
Kunst zu erklären und es soll sogar eine direkte Verbindung zwischen dem Leben
32
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
der Teens und der Kunst hergestellt werden.21 Zu Informationszwecken setzt das
MCA auf Twitter, um Teens so auf dem neuesten Stand über Kunst und Leben zu
halten.
Auch das Art Institute Chicago setzt auf eine direkte Teen-Pädagogik mit
Workshops, einem Lab und verschiedenen anderen Aktionen. Hier gilt es auch,
dass Teens durch andere Teens Kunst und den Bezug zum Leben entdecken
können. Mehrmals monatlich finden hier Veranstaltungen statt, die diese
Zielgruppe ansprechen sollen. Einen guten Überblick findet man auch über die
Unterseite des Museums mit dem Programm für Teens. Dieses Haus hat
allerdings keine Verbindung zu Teens über spezielle webpages und Social
Networks gesucht.22
5. Lernchancen für Deutschland
5.1
Ministries
Im liturgischen Bereich eröffnen sich für den Bereich der youth ministry
verschiedene neue Aspekte, die auch für Deutschland, wohl aber in angepasster
Form, eine Relevanz haben können.
Zum einen steht für mich die Frage an, ob man im Jugend-, aber auch für alle
Generationen in einer Kirchengemeinde eine Bedeutung der body-of-christTheologie verdeutlichen kann und soll. Dies hat für mich enorme Auswirkung auf
das eigene Verständnis im Bereich der Ministries. In Deutschland wird wenig
betont, dass alle Mitglieder der Gemeinde, diese auch mit aufbauen. Wir leisten
uns in Deutschland ein Dienstleistungssystem, dass vieles an Hauptamtler
delegiert, die dazu noch professionell studierte Hauptamtler sind. Diese gibt es in
der USA auch, aber der Grad der Ausbildung an den universities ist ein ganz
anderer. In dem Verständnis, dass wir alle den einen Leib Christi mit auferbauen,
kann jeder zu dem Verständnis gelangen, dass meine individuelle Aufgabe auch
eine Relevanz für andere hat und deswegen auch geschätzt wird. Messdiener tun
ihren Dienst z.B. nicht nur für sich, sondern, weil sie mit ihrem Dienst der
Gemeinde Vorbild und Charakter sein wollen.
Gerade aus diesem Grund halte ich es für unumgänglich, dass viele der Dienste in
der Gemeinde durch alle Generationen durchgeführt werden. Es ist in
Deutschland häufig ein erschreckendes Bild, wenn der Kreis der Lektoren und
Kommunionhelfer nur aus den älteren Generationen besetzt wird. Die Möglichkeit
jungen Menschen diese Dienste zu eröffnen, die ja direkte participatio der ganzen
Gemeinde an der Liturgie des einen Leibes sind, verdeutlicht, dass keine Dienste
für bestimmte Personen reserviert sind. Jeder kann so seinen Dienst tun, wie er
21
22
www.mcachicago.org/education/teens/overview (Stand: 21.April 2012)
www.artic.edu/aic/education/teens/ (Stand: 21.Februar 2012)
33
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
dazu berufen ist. Dies ergänzt sich gerade auch mit der music ministry, da gerade
junge Menschen eine sehr guten Zugang zu Musik haben und auch sehr
musikalisch sind. In der deutschen Liturgie, verdrängt die Orgel viele Talente, die
nur zu besonderen Feierlichkeiten und zu meist nur im gesanglichen Bereich eine
Wertschätzung erfahren. Wo ist die jugendliche Combo mit Saxophon, Querflöte,
Djembe oder auch Bodypercussion, die den Sonntagsgottesdienst einmal anders
gestaltet.
Das Ganze zeigt sich für mich dann gerade in dem Teilen der eucharistischen
Gaben. Wenn jeder seinen Anteil an der gemeinsamen Liturgie geben soll, kann
dies nicht allein über eine geldliche Zuwendung passieren. Ein Sinnbild ist es für
mich, wenn vor dem Gottesdienst, alle die Möglichkeit haben eine Hostie in die
Schale zu legen, die dann konsekriert wird und damit ausgedrückt wird, dass wir
alle zusammen an dem einem Brot gearbeitet haben, dass uns selber Gabe sein
soll. Diese Gabe wird dann im gemeinsam geteilten Brot und Kelch wieder
empfangen, als Leib Christi, der wir alle selber sein sollen. Gerade Jugendliche
und junge Erwachsene, wissen diese Zeichen sehr zu schätzen.
5.2
Medien
In Amerika kann man lernen, dass es wichtig ist, gerade auf moderne Medien zu
setzen und das bedeutet für den Bereich der Teens und der jungen Erwachsenen,
auf Social Networks, und Sharing Dienste. Kaum eine Institution in den USA, die
mit dieser Zielgruppe arbeiten möchte, arbeitet ohne Facebook und Co. Sogar
Videos werden auf Youtube verankert und von dort mit Social Networks verknüpft.
Dabei zeigen diese Auftritte immer ein hohes Maß an Qualität und Kreativität,
wenn man sich einmal sie Ergebnisse der Arbeit von Fr. Barron oder Willow Creek
betrachtet (s.o.). Konnektivität braucht die Offenheit für ein gläsernes und globales
Denken, in dem man sich präsentiert und sich selbst ein öffentliches Profil gibt.
Der Umgang mit neuen Medien hat sich mir in den USA gerade in der Deutung
durch die soziologischen Aufarbeitungen neu eröffnet. Vor allem die Darstellungen
von Frank Mercadante (s.o.) waren für mich sehr aufschlussreich. Gerade ein
differenzierter Blick auf Jugendliche und junge Erwachsene kann für ein weiteres
pastorales Planen sehr aufschlussreich sein.
5.3
Gebetspraxis
Eine zutiefst emotionale und spirituelle Sache ist es, ein Treffen mit dem Gebet zu
eröffnen. Ob man ein vorformuliertes Gebet spricht oder zu freien Bitten einlädt,
ob man Namen von Menschen sammelt, für die man beten möchte oder mit einem
gemeinsamen Lied einsteigt, es zählt immer die Verbundenheit mit Gott, der jedes
Treffen begleitet. Das bedeutet für die deutsche Pastoral einen noch intensiveren
Aspekt auf das Thema Spiritualität zu setzen. Wenn ein Treffen mit der Frage
eröffnet wird „Wo habe ich Gott seit dem letzten Treffen erfahren?“, dann wird eine
spirituelle Lebensweise angefragt, die bisher, so mein Eindruck, in unserem
pastoralen Dasein vernachlässigt wurde. Gerade Jugendlichen und jungen
34
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Erwachsenen könnte so eine Möglichkeit gegeben werden, ihr Leben einmal
kritisch religiös zu bedenken und nicht direkt in eine zweiflerische Haltung zu
verfallen, die sagt, dass es Gott nicht gibt, weil er mein Leben nicht berührt.
5.4
Social services
Neben diesen liturgischen und spirituellen Lebensweisen des Glaubens, hat mich
der Aspekt der social services in der Schule und im Gemeindeleben fasziniert.
Damit lernen Jugendliche und junge Erwachsene schon früh, dass Glaube nichts
eigenes und rein auf die Gottesdienstgemeinde bezogenes ist, sondern etwas mit
der ganzen Welt und allen Menschen zu tun hat, so wie es in Gaudium et Spes 1
heißt.
23
Die „Jünger Christi“ können sich bei den Menschen von heute immer daran
wiederfinden, dass sie deren Lebensfragen und Lebensituationen aus ihrem
eigenen Leben heraus teilen können. Gerade im Bereich der social services am
Beispiel der High Schools oder auch der Pfarrgemeinden in den USA, wird dieser
Auftrag Jesu an die Menschen erkannt und verwirklicht. Deswegen ist uns
Menschen als Jünger Christi auch keine Erfahrung, die alle Menschen dieser Welt
machen, fremd.24 Menschen in zerrütteten und brenzligen Lebensituationen zu
begegnen und sie ein Stück ihres Lebensweges zu begleiten, ist damit eine
vornehmliche Aufgabe, die auch für deutsche Jugendliche und junge Erwachsene
wichtig sein kann.
6. Nachwort
Ich bin, mit diesem Nachwort zu meinem Erfahrungsbericht, vielen Menschen zum
Dank verpflichtet, die mir diese Zeit der Erfahrungen in Chicago ermöglicht haben.
Allen in meiner Heimatdiözesen, an der Ruhr-Universität in Bochum, den
Menschen in Chicago und vor allem auch „meiner“ Crossing-Over-Gruppe von
2011. Aus vielen anregenden Gesprächen habe ich Informationen und
Reflexionen mitgenommen und habe für mich viel gelernt.
23
Rahner, Karl/Vorgrimler, Herbert, Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten
Vatikanums, Freiburg i. Br. ²4 1994, 449.
24
Vgl. GS 1
35
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Besonders beeindruckt hat mich die Möglichkeit für viele Wochen frei durch eine
Metropole mich bewegen zu dürfen und einmal nur dort zu leben und zu
entdecken – wo die Menschen sind, wie sie sind und was alles geschieht. Zudem
habe ich viele Menschen getroffen, die viel von sich erzählt und von ihrem Leben
und Glauben geöffnet haben. Nur so, konnte ich selber mich weiterentwickeln,
aber auch ein paar Gedanken mit zurück nach Deutschland bringen, die hier
hoffentlich für meine zukünftige Arbeit fruchtbar sein werden. Das vorherige
Kapitel hat einige dieser Gedanken bereits anklingen lassen.
Ich schaue aber besonders dankbar darauf zurück, dass ich eine Erfahrung
machen durfte, die viele nicht haben können und wollen – dass unsere Kirche eine
weltweite Gemeinschaft ist, die einander gerne Gastgeber sein möchte. Wir
können voneinander lernen und müssen es lediglich wollen. CrossingOver muss
deshalb nicht nur zwischen Deutschland und Chicago stattfinden, sondern kann
auch in anderen Bahnen und mit anderen Nationen und Kontinenten verlaufen.
Allerdings glaube ich, dass die amerikanische Leitkultur für unsere
westeuropäische Welt immer noch die größte Bedeutung hat. Damit scheinen wir,
meiner Meinung nach, gerade im Austausch mit Chicago, einen Aspekt zu fördern,
der für unsere katholische, aber auch für eine christliche Theologie immer
bedeutender wird – dass wir eine Theologie brauchen, die lernen will und sich
damit entwickelt und im Prozess befindet, die aber damit auch immer versucht
einen kosmologischen Deutungswert zu finden, der unseren Glauben auf eine
globale Dimension erhebt. Dann wird der body of christ auch als eine weltweite
Angelegenheit betrachtet und nicht nur als etwas, dass sich vor Ort entwickeln und
wachsen muss.
Neben diesen positiven Erfahrungen für mich, ist es recht ernüchternd zu sehen,
was die Erzdiözese Chicago mit den Veranstaltungen zum Jahr der Jugend
umsetzt. Die Teilnahmezahlen, der von mir besuchten Veranstaltungen waren
recht gering und eine Wertschätzung der Ergebnisse dieser Tage von Seiten der
Vertreter der Diözese, fand nicht statt. Außerdem nehmen selbst die Veranstalter
und Offiziellen der Erzdiözese nur Teile der Jugendkultur war – vielleicht auch nur
die, die direkter in das bestehende System passen. Das pastorale Denken des
neuen Pastoralplans für Chicago, zieht im Bereich der youth and young adults auf
den klassischen „heiligen Rest“, der in das gegeben System passt: katholisches
Profil durch einen Schwerpunkt auf Eucharistie, Berufungen finden und fördern
und die Pflege der Sonntagskultur als liturgischen Schwerpunkt. Wenig umgesetzt
werden die Erkenntnisse, die gerade Frank Mercadante in seinem Vortrag
präsentiert hat und die nach neuen pastoral Gedanken und Entwicklungen fragen
und die auch die anderen pastoralen Grunddienste respektieren. Mein Eindruck ist
es, dass der neue Pastoralplan dringend Menschen gewinnen will, die sich als
katholisch erweisen und diese dann vor allem über die sakramental-liturgische
Dimension binden möchte. Ein Denken in weiteren Kreisen mit einer Pastoral der
Schwellenmenschen zwischen Distanz und Nähe wird nicht betrachtet. Lediglich
auf der Gemeinde- und Schulebene findet der 35
36
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
Versuch statt Jugendkulturen religiös zu deuten und ihnen eine Heimat und
Berechtigung zu geben. Damit sind allerdings Konflikte mit der Diözese
vorprogrammiert, wie es auch einzelne Vertreter auf Schul- und Gemeindeebene
sehen. Der neue Pastoralplan zeigt somit eine eklatante Differenz in der
Sichtweise auf youth und young adults, die nicht in ein Gespräch gebracht
werden. Letztendlich ist diesem Pastoralplan, auch im Blick auf diese Zielgruppe
vorzuwerfen, dass er nur auf Gottesdienstbesucher bzw. Katholikenzahlen,
empfangene Sakramente und Gelder zielt. Dahinter steht meiner Vermutung nach
der Versuch ein System zu erhalten, ohne es in einem Prozess der
Transformation durch und mit Menschen auf einen neuen Weg zu bringen.
7. Literatur
7.1
Primärliteratur
Brake, Michael, Comparative Youth Culture: The sociology of youth culture and
youth subcultures in America, Britain and Canada, Routledge, New York 1985.
Hayes, Mike, Googling God. The religious landscape of People in their 20s and
30s, Mahwah 2007.
Henkelmann, Andreas (Hrsg.), „All are welcome!“. Gelebte Gemeinde im
Erzbistum Chicago, Münster 2009.
Howe, Neil and Strauss, William, Millennials rising. The next great generation,
New York 2000.
Rahner, Karl/Vorgrimler, Herbert, Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte
des Zweiten Vatikanums, Freiburg i. Br. 241994.
Rainer, Thom S. and Rainer, Jess W., the millennials. Connecting to America´s
Largest Generation, Nashville 2011.
Smith, Christian, Soul searching. The Religious and Spiritual Lives of American
Teenagers, New York 2005.
Smith, Christian, Souls in transition. The Religious and Spiritual Lives of Emerging
Adults, New York 2009.
Strommen, Merton P. and Hardel, Richard A., Passing on the faith. A radical
Model for Youth and Family Ministry, Winona 2008.
37
Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect
United States Conference of Catholic Bishops, Sons and daughters of the Light. A
Pastoral Plan for Ministry with Young Adults, Washington D.C. 2010.
7.2
Sekundärliteratur
Brennan, Patrick, Full-cycle youth evangelization, Allen 1998.
Brennan, Patrick, The mission driven parish, Maryknoll 2007.
Cusick, Jon and DeVries, Katherine F., The basic guide to young adult ministry,
Maryknoll 2001.
Muldoon, Tim, Seeds of hope. Young adults and the catholic church in the United
States, Mahwah 2008.
7.3
Internetnachweise
www.archchicago.org/strategicpastoralplan (Stand: 30. November 2011)
www.catholicismseries.com (Stand: 19. Oktober 2011)
www.en.wikipedia.org/wiki/List_of_subcultures (Stand: 26. November 2011)
www.newchicagochurch.com (Stand: 25. November 2011)
www.heartworkcamp.com (Stand: 18. Oktober 2011)
www.jugendkulturen.de (Stand: 18. Oktober 2011)
www.mcachicago.org/education/teens/overview (Stand: 21. April 2012)
www.saintviator.com/ns/ (Stand: 25. November 2011)
www.st-raymond.org/youth_branches.asp (Stand: 18. Oktober 2011)
www.studentimpact.com (Stand: 25. November 2011)
www.thahouse.org (Stand: 25. November 2011)
www.wordonfire.org (Stand: 19. Oktober 2011)
www.youtube.com/user/wordonfirevideo (Stand: 19. Oktober 2011)
38
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