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Matthias Fritz Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Säkulare Jugendkulturen und der Versuch einer neuen Konzeption von youth ministry in der Erzdiözese Chicago Zeitraum 08.09. – 14.10.2011 Mentor Rev. Steven G. Dombrowski 1 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Gliederung 0. Einleitung 1. Soziologische Orientierung: Was ist eine “Säkulare Jugendkultur” 1.1 Definitionen 1.1.1 Jugendkultur 1.1.2 „säkular“ 1.2 Welche Jugendkulturen fallen auf? 2. Die Erzdiözese Chicago 2.1 Der Pastoralplan (Strategic Pastoral Plan) von 2011 2.2 Workshops zum Year of Youth and Young Adult Ministry 2.2.1 Ministry with Millennials mit Frank Mercadante (Chicago Theological Union, September 2011) 2.2.2 Exploring the possibilities for youth and young adult ministry (Cardinal Meyer Center, 29. September 2011) 2.3 Material zum Year of Youth and Young Adult Ministry 2.3.1 Gebete 2.3.2 QR-Codes und die “Catholicism”-Reihe von Robert Barron 2.4 Begegnungen mit verschiedenen Akteuren im diözesanen Bereich der Youth bzw. Young Adult Ministry 2.4.1 Cathy Walz (Assistant director of youth ministry in der Erzdiözese Chicago) 2.4.2 Fr. John Cusick und Dr. Kathy DeVries (Director and assistant director auf young adult ministry in der Erzdiözese Chicago) 2.5 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 Begegnungen (mit verschiedenen Akteuren) im pfarrlichen Bereich der Youth bzw. Young Adult Ministry) Mary Catherine Nelson (Youth Minister in der Pfarrei St. Raymond de Penafort, Mount Prospect) Paul McMahon (Teen and Family Minister in der Pfarrei Holy Family, Iverness) Branches-Meeting (St. Raymond de Penafort) Religious Education in 6th Grade (St. Raymond de Penafort) Confirmation Retreat (St. Raymond de Penafort) Youth and Young Adults in den Ministries der Pfarrei St. Raymond de 2 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 2.5.1 2.5.2 Penafort 2.5.7 Ergebnisse 2.6 Schule und Religion 2.6.1 Pre-K, Kindergarden, Elementary and Middle school in der Pfarrei St. Raymond de Penafort 2.6.2 St. Viator High School, Arlington Hights (Kairos, Fr. Egan) 2.6.3 Public schools 2.6.4 Elterninitiative TREASURE in Virginia 3. Begegnungen mit nichtkatholischen Kirchen und ihrem Zugang zur Youth Ministry 3.1 3.2 3.3 Urban Village Church (Chris Coon) Tha House Willow Creek 4. Auf der Suche nach (säkularen) Jugendkulturen in einer Großstadt 4.1 4.2 4.3 4.4 Downtown Chicago Woodfield Mall Baseball Museen (Museum of cotemporary arts / Art Institute) 5. Lernchancen für Deutschland 5.1 5.2 5.3 5.4 Ministries Medien Gebetspraxis Social services 6. Nachwort 7. Literatur 7.1 7.2 7.3 Primärliteratur Sekundärliteratur Internetnachweise 3 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 0. Einleitung Mein Arbeitsauftrag für die Zeit meines Aufenthaltes im Rahmen des CrossingOver-Projektes im Erzbistum Chicago, zielt auf eine Untersuchung der heute gängigen säkularen Jugendkulturen im Erzbistum Chicago und der Sichtung, wie das Erzbistum versucht mit dieser sozialen Situation umzugehen. Gerade mit Blick auf die bisherigen Untersuchungen im Jugendbereich 1 fällt auf, dass Jugendliche nach dem Besuch der erzbischöflichen Middle-School nur noch über das Programm der religious education einen direkten Zugang zu einer Pfarrgemeinde haben bzw. das Programm der religious education der einzige Zugang zum Leben der Pfarrgemeinde für Kinder und Jugendliche an staatlichen Schulen ist. Claus Optenhöfel berichtet sehr eindrucksvoll wie, in Deutschland sehr profilierte Bereiche der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit (Pfadfinder und Messdiener), nur einen nebensächlichen Stellenwert in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit in der katholischen Pfarrgemeinde in den USA haben. Was passiert aber mit den Kinder- und Jugendlichen, die nicht an dem Programm der religious education teilnehmen (aus finanziellen Gründen oder auch aus persönlicher Entscheidung heraus)? Hat das Erzbistum Chicago/Haben die Pfarrgemeinden im Erzbistum Chicago eine Idee auf genau diese Gruppe von Jugendlichen zuzugehen, die, so meine Vermutung, in säkularen Jugendkulturen eine Identifikation bzw. den Ansatz eines Sinnsystems finden? Erweitern möchte ich meine Sicht auf die Kirche in den USA durch meine zusätzlichen Erfahrungen im Grenzgebiet von North Carolina und Virginia. Dort hatte ich die Chance nach meinem Aufenthalt in Chicago Familie zu besuchen. Da der Süden ja eher für seinen baptistischen Hintergrund bekannt ist, ist dies in manchen Bereichen vielleicht ein interessantes Gegenbild zum eher katholischen bzw. lutherisch-protestantischen Norden. 1. Sozilogische Orientierung: Was ist eine “Säkulare Jugendkultur” 1.1 Definitionen 1 Ich verweise hier auf die Berichte von Ludger Molitor „Religious education is a commitment“: Beobachtungen und Erfahrungen aus der Gemeinde St. Francis of Assisi, Orland Park“ und Claus Optenhöfel „Teens growing in faith“? Eine katholische Pfarrei im Erzbistum Chicago und ihre Bemühungen um Kinder und Jugendliche. Beide enthalten in dem Sammelband von Henkelmann, Andreas (Hrsg.), „All are welcome!“. Gelebte Gemeinde im Erzbistum Chicago, Münster 2009. 4 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 1.1.1 Jugendkultur Generell muss einmal erklärt werden, dass es die eine Jugend und Jugendkultur nicht gibt, sondern beides immer im Plural verstanden werden muss.2 Jugend existiert nie in nur einer Kultur, vielmehr hat jede/r Jugendliche Anleihen in mehrere kulturelle Ausformungen hinein und meist eine feste Verortung in eine bestimmte Jugendkultur. Wie man also nicht von der Jugend im Singular sprechen kann, kann man dies auch nicht von der Jugendkultur tun. 1.1.2 „säkular“ Unter „säkular“ verstehe ich die Gegenüberstellung zu einer geistig-religiösen Welt – ein Verhältnis von weltlich und geistlich. „Säkular“ leitet sich dabei vom lateinischen saeculum ab und bedeutet „Zeitalter“. Religiös wurde das Säkulare vor allem in der Übergabe von kirchlichen Dingen in die weltliche Hand verstanden, wie es vor allem seit dem 19. Jh. mit der Säkularisation stattfand. Gerade durch Zwangsenteignungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen im Rahmen und Nachspiel der französischen Revolution und der sich in Europa entwickelnden Staats-Kirchen-Trennung, wurde der Begriff des „Säkularen“ negativ verstanden bzw. in diesem Sinne konnotiert. 1.2 Welche Jugendkulturen fallen auf? In Deutschland gibt es seit 1998 einen eingetragenen Verein in Berlin, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Jugendkulturen in Deutschland zu untersuchen und diese wissenschaftlich zu erfassen: das Archiv der Jugendkulturen e.V.3 Dieser Verein verweist auf nur wenige Gruppen bzw. Sinnangebote im Bereich der (deutschen) Jugendkultur, als da wären: Skinheads, Punks, Grufties, Rapper. Treffen diese „Kulturen“ auch auf das Erzbistum Chicago zu? Wer erfasst in den USA diese Kulturen? Gibt es ein Ordnungssystem? In den USA sind vor allem in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verschiedene Publikationen über dieses gesellschaftliche Phänomen erschienen. Eine der besten, wenn auch mittlerweile stark veraltete Studie und Darstellung ist aus dem Jahr 1985.4 Ein Schlüssel in allen Publikationen Jugendkulturen zu unterscheiden ist die Musik. Ob Punks, Emos, Ravers, Juggalos, Metalheads oder Gothics, alle haben eine jeweilige Musikrichtung, die eine Kleiderordnung und ein bestimmtes Moral- bzw. Wertesystem vermittelt. Damit ist der Versuch eine Subkultur von Jugendkultur zu erforschen immer an symbolischen Ausformungen orientiert. Hinzu kommen dann weitere Ausformungen und Inhalte wie der jeweilige sozio-ökonomische Stand des/der Jugendlichen, das Geschlecht, die Intelligenz bzw. Bildung und die Ethnizität. 3 www.jugendkulturen.de (Stand: 20.November 2011) Brake, Michael, Comparative Youth Culture: The sociology of youth culture and youth subcultures in America, Britain and Canada, Routledge, New York 1985. 4 5 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Wikipedia4 führt eine reichhaltige Liste von verschiedenen Subkulturen auf, die eine guten Überblick geben, welche Subkulturen in den USA auch im Jugendbereich eine Rolle spielen: - Alcoholics Anonymous - Anarcho-punk - BDSM - Beat Generation (Beatnik) - Biker - Bills - Bodybuilding - Bohemianism - Bōsōzoku - Brony - Casuals - Cosplayers - Cybergoth - Dark culture - Deaf culture - Demoscene - Emo - Fandom - Fetish subculture - Freak scene - Furry fandom - Gamer - Glam rock and glam metal - Gopnik - Gothics - Gothic Lolita - Greaser - Grunge - Hacker - Hardline - Hip hop culture, B-boy, Graffiti artists - Hippie/Hippy - Hipster - Industrial - Juggalo 4 6 www.en.wikipedia.org/wiki/List_of_subcultures (Stand: 26. November 2011) Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect - Juggling - Junglist - Leather subculture - LGBT culture - Mangas - Mod - Metalcore - Heavy Metal - Military brat - Nazi punk - New Age - New Romanticism - Nudism/Naturism - Northern Soul - Otaku - Otherkin (Vampire lifestyle and Therianthropy) - Pachuco - Pokémon - Polyamory - Preppy - Punk subculture - Queer culture - Raggare - Rave - Riot Grrrl - Rivethead - Rockabilly - Rocker - Role-playing gamers - Rude boy - Science fiction fandom - Scooterboy - Scouting - Skater - Skinhead - Steampunk - Stilyaga - Soulboy - Straight edge - Surf culture - Swing Kids 7 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect - Swinging - Teenybopper - Teddy Boy - Trekkie - Zazou Welcher dieser Subkulturen kommen in Kirche vor bzw. werden kirchlich erfasst? 2. Die Erzdiözese Chicago 2.1 Der Pastoralplan (Strategic Pastoral Plan) von 2011 Die Erzdiözese Chicago hat, wie viele Diözesen weltweit, nach langer Vorbereitung im Jahr 2011 einen Pastoralplan erlassen. Mit diesem Pastoralplan möchte die Erzdiözese folgende Ziele verfolgen: - Parish transformation/financial stability - Intensivere Planungsphasen für pastoral Entwicklung - Jugendliche und junge Erwachsene gezielter erreichen - Auf die Qualität der Sonntagsmesse, der Bedeutung der Erwachsenenbildung und die Wichtigkeit der Sakramente verweisen - Mehr Gottesdienstteilnehmer werben (Missionierung) Dieser Plan schaut zurück auf eine Entwicklung, die alle westlichen Nationen zu ergreifen scheint und versucht diese mit einem Überdenken des eigenen Handels aufzugreifen und diesen entgegen zu wirken. Damit reagiert die Erzdiözese auf folgende Probleme: - Geringerer Gottesdienstbesuch - Geringere Priesterzahlen - Gemeindemitgliederschwund - Geringere Einnahmen beim tithing 8 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Hinter dem ganzen Plan, steht auch eine Art Jahresplan, durch den die Ziele näher betrachtet und durchgesetzt werden sollen. Das erste Jahr sieht vor, dass ganz speziell die Youth und Young Adult Ministry betrachtet werden sollen und sowohl eine neue Initiative zur Errichtung von neuen Youth und Young Adult Ministries beginnt, als auch die Vertiefung und Reflexion der bestehenden betrachtet werden. Im Rahmen dieses Jahresprogramms werden deshalb verschiedene Materialien (Gebetskarten, Onlinevideozugänge,…), als auch Workshops, Reflexionstreffen und Beratungen von Seiten der Erzdiözese angeboten. An verschiedenen dieser Workshops hatte ich die Möglichkeit teilzunehmen und konnte hier sehr viel lernen. Materialien und Workshops möchte ich im Folgenden näher vorstellen. Zur Unterscheidung der beiden Themengruppen sei noch folgendes erwähnt: Die Altersgruppe für die Youth Ministry sind Jugendliche zwischen 9 und 19, für die Young Adult Ministry zwischen 20 und 39 Jahren. Der Focus während meines Aufenthaltes in Chicago lag lediglich auf der Gruppe der 9- bis 19-Jährigen. Diese Altersgruppe endet in der Regel mit dem Abschluss der High School, der Graduation. Da vom Themenjahr her sich beide Altersgruppen vermischen, habe ich Gespräche mit Akteuren in beiden Altersgruppen geführt, wovon ich einen weiteren Blickwinkel auf diese Zielgruppen erhoffte. Die meisten (Gesprächs)Ergebnisse belaufen sich zudem auf caucasians in dieser Altersklasse und weniger auf die Anteile der hispanic, asian oder afroamerican Youth and Young Adults in der Erzdiözese. Da die deutsche Kirche eine solche Unterscheidung nicht vornimmt, ist die Übertragung von pastoralen Ideen nicht ganz leicht. Diesem Punkt möchte ich mich aber im letzten Kapitel widmen. 2.2 Workshops zum Year of Youth and Younf Adult Ministry 2.1.1 Ministry with Millennials mit Frank Mercadante (Chicago Theological Union, September 2011) Frank Mercadante hat nach eigener Erfahrung im pfarrlichen Bereich der youth ministry einen Forschungsschwerpunkt eingenommen und berät jetzt Pfarren und Diözesen im Bezug auf ihren Umgang mit den heutigen Jugendgenerationen und –kulturen. Dazu wertet er nicht nur die Erfahrungen aus seiner eigenen Zeit als youth minister und die Erfahrungen mit seinen eigenen Kindern aus (wie er gerne humorvoll hervorhebt), sondern auch zahlreiche Fachliteratur und Statistiken. In Folge dieser Ergebnisse unterteilt er die heute lebenden Generation in folgende grobe Gruppen: 9 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Generation Name G.I. Generation Silent Baby Boomers Baby Busters/Generation X Millennials/Gen Y iGeneration/Gen Z Birth Years 1901-1924 1925-1942 1943-1960 1961-1981 1982-2002 2003-… Jede dieser Gruppen hat ihre eigenen Spezifika und Geschichte. Auf Grund dieser Eigenheiten müssen alle Gruppen pastoraltheologisch gesondert betrachtet werden. Frank betont zudem, dass diese Gruppen für die westliche Welt fast überall so zu finden sind. Einen möglichen Rückschluss auf die Pastoral mit Jugendlichen in Deutschland kann hier zu einem späteren Zeitpunkt auch versucht werden. Für das Forschungsthema dieser Arbeit ist besonders die letztgenannte Generation, die „Millennials“, interessant. Deswegen soll auch ein tieferer Eindruck in diese Generation, an Hand der Forschungen von Frank Mercadante, gewährt werden. Dabei wird zudem der Blick auf alle vier ethnischen Gruppierungen in der Gegend von Chicago gelenkt: kaukasische, afroamerikanische, hispanische und asiatische Jugendliche. 2.2.2 Exploring the possibilities for youth and young adult ministry (Cardinal Meyer Center, 29. September 2011) Im Rahmen des year of youth and young adult ministry des neuen Pastoralplans fanden zahlreiche Fortbildungen für active Minister in diesen beiden Bereichen statt. Die oben genannte Fortbildung sollte einen Blick auf beide Generationen für neue Minister in einem der beiden Bereiche werfen und wie eine Einführungsveranstaltung dienen. Die millennial-Generation wurde hier als eine von zwei besonderen Elementen beeinflusste Generation beschrieben: Technologie und Hip-Hop. Jugendkulturen suchen sich immer Wege, um sich selbst bzw. die eigene Entwicklung auszudrücken. Zudem ist diese Generation die erste voll verbundene Generation (first totally connected generation). Technologie wird so zu einem weiteren Körperteil, denn mit Technologie kann heute jede Funktion des Lebens erreicht und erklärt werden, sogar der Glaube. Deswegen läuft auch ein heißer wirtschaftlicher Konkurrenzkampf um diese Generation, wenn es um Technologie geht. Darin formt säkulare Kultur in jeder erdenklichen Form (Technologie, Musik, TV,…) diese Generation fundamental. Sie ist voller Komsumdruck, hoch sexualisiert, voller Erwartungen das Kinder und Jugendliche jetzt schon Erwachsene sein müssen und Einbezug dieser Generation in die Erwachsenenwelt ohne dies in Glaubensdingen zu verlangen. 10 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Ein Grund warum Hip-Hop neben der Technologie bei dieser Fortbildung ein solch hohes Maß an Wertschätzung zugemutet wird ist, dass Hip-Hop im Kern eine Sprachmöglichkeit ist um Geschichten zu erzählen (storytelling). Geschichten entwerfen eine Identität und geben die Möglichkeit sich und die eigene Kreativität, wie auch die eigene Lebensgeschichte auszudrücken. Der Mangel heutiger youth ministry ist es, so Timone Davis, Moderatorin der Fortbildung, dass Kirche nicht in den Dialog des Geschichtenerzählens einsteigt. Social networks wie Facebook erhalten so zahlreiche Zuläufe, da Verbundensein und Erzählen eine der Kernthemen sind. Die zentrale Frage für youth in aller Verbundenheit und in allem Austausch ist die Frage nach dem „Where do I belong?“ – Wo gehöre ich hin? Religiös gedeutet ist die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt eine Frage der Transformation. Youth sucht nach Transformation des eigenen, jetzigen Ich hin zu einem neuen Ich, was auch religiös begleitet werden kann. Somit kommt die anthropologische Frage nach den Eigenschaften einer suchenden youth auf, die auf der Veranstaltung mit oral und hörend beschrieben wurde. Videos, Videospiele, Fotos, Musik, Hörbücher usw. sind Beispiele für eine hochgradig orale und hörende Generation. Wenn also hinter jedem Entwicklungsprozess auch ein religiöses Element liegt, dann kann dieses am ehesten mit dem Begriff „Vocation“ (Berufung) beschrieben werden. Damit wird hier wieder das Modell des Stewardship aufgegriffen, in dem jeder Mensch eine Verwalterrolle für den Glauben und das Gemeindeleben übernimmt. Diese Berufung fällt mit einer Prägung heutiger Jugendkultur, die die Erfahrungsmöglichkeit einer Berufung unterstützt, viel unterschiedlicher aus, als noch in vorherigen Generationen. Eine Grundthese im Bezug auf heutige Berufung, die von Jugendkultur unterstützt wird, ist, dass beide viel weniger homogen ausfallen, als noch in den vorherigen Generationen. Eine solche Berufungsfrage entscheidet sich, im US-amerikanischen Kontext, in der Regel im Alter von 24 Jahren. Auf diese grundlegende Berufungsentscheidung folgt in den weiteren Lebensjahren ein lebenslanger Lernprozess, der diese Berufung vertieft oder variiert. Ein Vorschlag dieses Workshops ist es deshalb Firmung erst im Alter um 24 Jahre zu feiern. Dann ist Firmung wirklich eine Lebensentscheidung und besiegelt eine Lebenswende, die für die Zukunft eines Menschen bedeutsam wird. In der heutigen Firmpraxis gehen Jugendliche nach der erfolgten sakramentalen Feier in der Regel verloren. So muss sehr viel Energie in die Aufrechterhaltung von Kontakten und in die Investition eines Vorweggenommenen sakramentalen Transformationsprozesses investiert werden. Es ist wird so eine andere Idee von leadership in youth ministry gesucht. Sie müssen eher als gebrauchte Menschen beworben werden. Youth and young adult ministry wird somit zu einer peer ministry. In der heutigen Situation der US-amerikanischen Kirche kann, aus Sicht der Leiter des Workshops, nur die katholische Kirche das biblische Wort und eine Struktur bieten. Das steht vor allem dem Bild der nondenominational Kirchen gegenüber. Millennials suchen allerdings Struktur in konkreten Dingen, zum Beispiel Bibel und 11 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Tat (service). In allen Angeboten muss immer die Offenheit gegenüber Jugendlichen stehen, dass sie für die Einstellungen mit denen sie zu einer kirchlichen Veranstaltung kommen nicht verurteilt werden: „Judgement is left to God“. Es soll immer die Freiheit vermittelt werden, dass ein Mensch den bisherigen gemeinsamen Weg verlassen kann, aber immer wieder willkommen ist. 2.3 Material zum Year of Youth and Young Adult Ministry 2.3.1 Gebete Diese Gebetskarten sind für die Aktion rund um das year of youth and young adults entstanden, mit dem die Implementierung und Umsetzung des Pastoralplans der Erzdiözese begonnen wurde. 12 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 2.3.2 QR-Codes und die “Catholicism”-Reihe von Robert Barron Ursprünglich als Gimmick gedacht, erhielten alle Teilnehmer der Erzdiözese Chicago, die am Weltjugendtag in Madrid oder am diözesanen Parallelprogramm in Chicago teilnahmen einen QR-Code, der einen freien Zugang zu verschiedenen Videos und Youtube-Videos von Fr. Robert Barron ermöglichte. QR steht für Quick Response und soll eben diese im Fall der Videos von Fr. Barron auch liefern. Cardinal George bat Fr. Barron vor gut 3 Jahren in das Video-Medium einzusteigen und auf diese Weise über Youtube eine neue Möglichkeit zur Evangelisierung bzw. Neu-Evangelisierung zu eröffnen.5 Damit ist Fr. Barron allerdings nicht der erste katholische Priester, der im visuellen Medienbereich eine Evangelisierung versucht. Dieser Bereich wird besonders im evangelikalen Bereich bereits gut bedient. In den 1950er Jahren gab es allerdings schon Bischof Fulton Sheen, der in den USA durch seine Radio- und Fernsehsendungen bekannt geworden ist. 5 Fr. Barron hat mittlerweile einen eigenen Kanal auf Youtube: http://www.youtube.com/user/wordonfirevideo (Stand: 20. November 2011) 13 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Im US-amerikanischen Fernsehen läuft gerade ein Teil der zehnteiligen „Catholicism“-Reihe von Fr. Barron.6 In 10 einzelnen Videos legt er den Reichtum und die Schönheit des katholischen Glaubens dar. Einer der Schwerpunkte liegt wirklich auf der Schönheit, wie er uns in einem Interview in seinem Bürotrakt der Produktionsfirma „Word on fire“7 erklärte. Die Schönheit betrachtet er als eine der besten Quellen um mit Menschen heutzutage über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Diese Idee entnimmt er der Theologie von Balthasars, die er als eine der Grundlagen seiner eigenen Theologie betrachtet. Das Schöne spricht, laut Fr. Barron, heute viele Jugendliche an. Religiös suchende Jugendliche sind nicht an Dogmen interessiert, sondern an der Verbindung von kontemporärer Kultur und dem Glauben. Die USA nimmt Barron als religiös pluralistisch wahr und erkennt gemäß der lebenslangen Suche nach Gott, wie sie von Theologen wie Augustinus schon früh in der Kirche vertreten wurde, auch heute noch eine Suche nach Gott wahr. Wenn Jugendliche auf Youtube nach dem Video eines neuen Kinofilms suchen, kommen sie per Zufall auch auf die Kommentare zu diesem Filmen, die Fr. Barron produziert. Durch verschiedene Umfragen konnte ermittelt werden, dass gerade Menschen unter 40 an den Videos von Fr. Barron interessiert sind. Fr. Barron unterscheidet einen US-amerikanischen und einen europäischen Säkularismus in den jeweiligen Gesellschaften. Während der europäische Säkularismus, in seiner Betrachtung, eher philosophisch begründet werden kann (Reformation, französische Revolution, Kommunismus), entspringt der USamerikanische eher einer Haltung der Langeweile. Säkulare Tendenzen kommen hier in den religiösen und privaten Alltag für ein Gefühl des Unerfülltsein und einer inhaltlichen Leere des eigenen Glaubens. Den Gläubigen in den USA werden in den traditionellen Kirchen, wie der römisch-katholischen oder der lutherischprotestantischen Tradition, keine Inhalte mehr vermittelt, die für den Glauben wesentlich sind. Fragen nach einer möglichen Leseweise der Bibel, der Person und des Wesens Gottes, dem Verhältnis von Wissenschaft und Religion oder dem Verhältnis von Gewalt und Religion sind heute virulent und müssen für die Menschen beantwortet werden. Dies versucht Fr. Barron mit einem biblischen Impuls durch seine Videos auf Youtube. Eins der größten Hindernisse bzw. Herausforderungen sieht Fr. Barron in der Erziehung von heutigen Jugendlichen. Religion wird immer noch als ein System verstanden, dass viele Forderungen an Menschen stellt, die als Forderungen verstanden werden, da sie nicht mehr natürlicher Bestandteil der westlichen Gesellschaft sind. Begegnen Jugendlichen nun dem Glauben und der Kirche treffen sie nicht nur im familiären und schulischen Rahmen auf Forderungen der Familie und der Gesellschaft, sondern auch auf zusätzliche Forderungen der Kirche, die den Glauben betreffen. Dies kommt einer Überforderung von 6 7 http://www.catholicismseries.com/ (Stand: 20. November 2011) http://www.wordonfire.org/ (Stand: 20. November 2011) 14 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Jugendlichen gleich, die den Glauben erst einmal audiovisuell wahrnehmen wollen. Forderungen stellen damit eine große Bedrohung in der heutigen (Neu-) Evangelisierung dar und müssen, genauso wie eine vordergründige Begegnung mit den Dogmen vermittelt werden. Vielmehr muss der heutigen Pop-Kultur entgegen gehalten werden, dass eine Vermittlung von vollkommener Autonomie, wie es die Pop-Kultur vermittelt, nicht möglich ist. Menschen sind immer wieder auf andere Menschen und Institutionen verwiesen und als Institution kommt auch die Kirche als Gemeinschaft von Menschen hier mit ins Spiel. In dieser Pop-Kultur, ist laut Fr. Barron, selbst Gott nicht mehr bekannt und muss wieder ins Gespräch gebracht werden, um den Menschen zu zeigen, dass ein autonomes Leben ohne Gott nicht möglich ist. Im Konzept von Fr. Barron treffen folglich die Sehnsucht nach Erfüllung und ein Wissensdurst auf die Möglichkeit der Kirche über Schönheit und persönlichen Kontakt zu sprechen und damit Gott ins Gespräch zu bringen, der die kirchliche Antwort auf die Sehnsucht der Menschen darstellt. Für eine audiovisuelle Generation, wie die Millennials, scheint die Glaubensvermittlung über YoutubeVideos und DVDs eine geeignete Möglichkeit zu sein (Neu-)Evangelisierung zu praktizieren. 2.4.1 Cathy Walz (Assistant director of youth ministry in der Erzdiözese Chicago) Cathy Walz hat uns als Vizerektorin des Büros für youth ministry einen kurzen Einblick in die gesetzliche und organisatorische Struktur von youth ministry in der Erzdiözese Chicago gewährt. Sie bemängelte in dem Gespräch, dass den heutigen Jugendlichen weniger Freiheiten gewährt werden, als noch vor 20 Jahren. Das gesetzliche Netz ist viel enger geworden und dies liegt nicht nur an den Missbrauchsfällen, die in den letzten Jahren in den USA publik geworden sind. Generell unterscheidet das Gesetz zwischen youth (9-18 Jahre) und young adults (19-39 Jahre). Damit liegt das Grenzalter genau im Übergang von der graduation in der Highschool zur Ausbildung bzw. zum Wechseln auf ein college oder eine university. Für die Altersgruppe der youth verlangt die Erzdiözese folgende Inhalte in jedem Bereich der youth ministry: spiritual experience, goof experience of liturgy und community service bzw. service experience. Cathy betonte, dass sich damit die Anforderungen an eine youth ministry der 80er Jahre zu einer youth ministry gewandelt habe. Zu ihrer aktiven Zeit als youth minister in einer Gemeinde der Erzdiözese wurden folgende drei Ziele verlangt. Diese werden als die drei S (three s´) bezeichnet: spirit, service, social. Der Wandel liegt in der Wegnahme von sozialer Kompetenz und der Hinzufügung der liturgy. Damit wurde das System der drei S hin zu einer liturgisch-sakramentalen Dimension verschoben. Cathy betonte zudem, dass dadurch ein Schwerpunkt auf der youth liturgy liege, die in vielen Punkten den Verlust der Jugendlichen durch die konventionelle 15 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Eucharistie bzw. Liturgie entgegenwirken soll. Mit wachem Verstand kritisierte sie die heutige Praxis der Erzdiözese: „we only delay the loss of the millennial generation with youth liturgy.“ Sie erklärte, dass alle Versuche Jugendliche zwanghaft länger in der Kirche zu halten gute Ergebnisse bringen können, aber auch von viel Frust begleitet werden, wenn diese die Kirche wieder verlassen. Ihrer Meinung nach wäre es vielleicht ehrlicher Jugendliche ziehen zu lassen und stattdessen ihnen stets eine offene Tür zu bieten. Diese Idee treffe aber nicht auf all zu offene Ohren in der Leitung der Erzdiözese. 2.4.2 Fr. John Cusick und Dr. Kathy DeVries (Director and assistant director auf young adult ministry in der Erzdiözese Chicago) Ähnliche Gesprächsergebnisse ergaben sich auch in dem Gespräch mit Fr. John Cusick und Dr. Cathy DeVries, den beiden leitenden Personen der young adult ministry in der Erzdiözese. Vor allem John bemängelte drei Fakten, die den Übergang von der Altersklasse der youth zu den young adults heutzutage gestalten. Erstens, dass heutige young adults eher als spiritual denn religious bezeichnet werden könnten. Deshalb fehlen viele Glaubensgrundlagen und der Zugang auf young adults müsse ganz neu gestaltet werden. Zweitens müsse überhaupt ein neuer Zugang zu dieser Generation der young adults gefunden werden, denn die US-amerikanische Kirche sei besessen („obsessed“) mit Familien und Kindern. Drittens existieren heute keine geeigneten Pastöre mehr, die die young adult ministry unterstützen können. Die heutigen Pastöre wären lediglich an Liturgie und Karriere interessiert und hätten keine kontemporären Zugangsweisen zu dieser Generation. Aus ihrer eigenen Erfahrungen aus der Arbeit der vergangenen Jahre im Bereich der young adult ministry konnten beide gute Ratschläge geben, wie man der heutigen Generation der youth und der young adults begegnen müsse, um ihnen eine willkommende Gemeinde zu bieten. Zentral sei dabei der persönliche Kontakt. Viel Kommunikation läuft über social networks wie Twitter oder Facebook, aber die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt bilde die beste Grundlage für direkte Glaubenserfahrung. Der Fokus für diesen persönlichen Kontakt müsse auf den Sonntagen liegen. Jugendliche und young adults haben heutzutage viele Termine unter der Woche, dass ein persönlicher Kontakt an den anderen Tagen als Sonntags nur per social networks möglich sei. Dies ist, laut Catie, die heutige Grundlage für eine Arbeit mit beiden Personengruppen, denn youth und young adults können durch die Kirche nicht in allen Bereichen ihrer Kultur verändert werden. Kontaktaufnahme und der Erhalt dieser Kontakte müsse heute über eine eigene Homepage, über einen E-Mail-Verteiler oder über ein social network laufen. Nur über eine dauerhafte Kontaktaufnahme kann eine virtuelle Einladung erfolgen. Laut John ist eine heutige Grunderwartung von youth und young adults eingeladen zu werden. Herzlichkeit und das Gefühl eingeladen zu sein sind die Grundpfeiler 16 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect einer jeden pastoralen Arbeit. Unter Gastfreundschaft bzw. Herzlichkeit fällt auch die stete Erinnerung, wie wir mit Anfragen dieser Generationen umgehen, wie die Sekretärin jemand zur Taufanmeldung empfängt, wie eine Ehevorbereitung läuft, wie persönliche Anfragen beantwortet werden. Der Charakter des Dienstleistungsbetriebs sei heutzutage einfach das Bild der Kirche. Aus Sicht einer Pfarrgemeinde muss die ministry an beiden Gruppen eine sehr offene sein. Grundregel ist dabei diesen Generationen Raum zur Veränderung zu bieten. Veränderung ist heute ein Grundbild für menschliche Entwicklung und trifft auf die Idee des Prozesses im religiösen und privaten Leben eines jeden Menschen. Die Pfarre muss also lernen, dass junge Menschen sich nicht mehr direkt oder exklusiv an eine Gemeinde, manchmal sogar an eine Religion binden. Gemeinde/Pfarrgemeinde muss sich einer solchen Altersgruppe wirklich widmen und diese nicht als alleinige Zukunftsreserve für den Glauben betrachten. 2.5 Begegnungen (mit verschiedenen Akteuren) im pfarrlichen Bereich der Youth bzw. Young Adult Ministry) 2.5.1 Mary Catherine Nelson (Youth Minister in der Pfarrei St. Raymond de Penafort, Mount Prospect) Mein erstes Gespräch in Chicago im Bereich der Youth Ministry fand statt mit der Beauftragten für youth ministry in der Pfarre St. Raymond de Penfort, Mary Catherine Nelson. Mary Catherine ist den modernen Jugendkulturen sehr aufgeschlossen und versucht diese regelmäßig in ihre Arbeit zu integrieren. Allerdings, so sagt sie, scheitert dieser Versuch oft an den Erwachsenen in einer Pfarrei oder an den offiziellen Stellen der Diözese. Ihr Wunsch ist es Firmmessen moderner zu gestalten, wenn schon die Vorbereitung auf viele Elemente moderner Jugendkulturen zurückgreift. Beispiele für Versuche moderne Jugendkultur in die Firmvorbereitung sind: Szenen aus Harry Potter und verschiendenen Vampire stories, sowie Leseproben daraus, als auch Musik von Bands und Interpret/inn/en wie Korn oder Lady Gaga. Ein Versuch die Firmvorbereitung jung zu halten beinhaltet vor allem junge Menschen als Katechet/inn/en aus dem vorherigen Firmjahrgang mit in die neue Vorbereitung einzubeziehen. Diese können dann viele Elemente an eigener Jugendkultur einbringen, allerdings nur im Rahmen der gesteckten Themen, die bearbeitet werden müssen. Ein Problem dabei ist vor allem eine genügend große Anzahl an Freiwilligen zu finden. In St. Raymond melden sich jährlich gut 120 Jugendliche im Alter der Highschool-Stufe der freshmen (erstes Jahr Highschool) an. Um eine katechetisch und pädagogisch sinnvolle Gruppengröße zu finden, werden pro Jahrgang mindestens 10-12 Katechet/inn/en gesucht. Elemente einer solchen Firmvorbereitung sind: missiontrips, retreats (Kurzexerzitien), Messen, Gespräche und auf einer freiwilligen Basis Branches-meetings (diese werde ich zu einem späteren Zeitpunkt noch erklären). 17 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Nach der Firmvorbereitung werden die freshmen eingeladen im Sinn der Theologie des Stewardship Ministries in der Gemeinde zu übernehmen. Nach der Firmung besteht für alle Gefirmten die Möglichkeit im Chor, in der Band, als Lektor oder als eucharistic minister in der Gemeinde mit zu arbeiten – oder natürlich als Firmkatecht/in. Das Training für diese Ministries übernimmt die Pfarre selber und wird durch den associate Pastor oder durch den/die Verantwortliche/n für youth ministry geleistet. Ein wichtiges Element im Bereich der Firmvorbereitung, aber auch für die gesamte youth ministry ist die Liturgie. In den USA wird in der Regel ein großer Wert auf eine dem Messbuch getreue Liturgie gelegt. In Raymond wurde damit etwas anders umgegangen. Musikalisch gestaltete der Director of Music die Liturgie sehr kontemporär. Liturgische Gebet, bis auf das Hochgebet, wurden dem Anlass angepasst, die Katechese war lockerer als in einer üblichen Liturgie, Firmkandidat/inn/en übernahmen verschiedene liturgische Dienste und die allgemeine Sprache wurde der Jugendgruppe angepasst. Dabei fällt Mary Catherine auf, dass es eine große Sehnsucht der Jugendlichen nach Ritualen gibt und viel „comfort“ (Trost, Behaglichkeit, Wohnlichkeit) gesucht wird. Dabei wird viel Wert auf die Eucharistie gelegt. Dies unterscheidet die katholische Kirche im christlich-pluralen Umfeld der Kirchen in den USA von den anderen Denominationen. Denn in der katholischen Kirche steht mit der Transsubstantiationslehre und der Lehre von der Realpräsenz eine andere eucharistische Theologie im Vordergrund einer jeden sakramentalen Feier, als in anderen Kirchen. Diese Unterscheidung wurde in den 5 Wochen meines Aufenthalts immer wieder betont, auch von Mary Catherine. Diese Wahrnehmung täuscht nicht darüber hinweg, dass viele Jugendliche an der Firmvorbereitung nur teilnehmen, weil ihre Eltern das möchten. Selbst der Versuch das Firmalter auf das letzte Highschooljahr, das senior year, zu erhöhen, stieß vor allem bei Eltern auf Missgunst. Diese wollen, laut Mary Catherine, ihre Kinder unbedingt früh gefirmt sehen. Hintergrund dieses Wunsches ist die Tauftheologie, die vor allem seit dem 2. Vatikanischen Konzil in der US-amerikanischenkatholischen Kirche vertreten wird. Die Taufe wird als Beauftragung, als Übernahme des Steward-/Verwaltergedankens in der Kirche betrachtet. Vollendet wird die Beauftragung durch die Firmung. Eine solche charismatische Beauftragung kann sich im Laufe eines Lebens mehrmals ändern, aber die Firmung ist so etwas wie die Besiegelung dieses Stewardship-Gedankens, den Gott in einen jeden Menschen gelegt hat. Nur die kirchlichen Dienste werden damit extra besiegelt und bestärkt. Viele Eltern haben diesen Gedanken internalisiert und streben einfach nach einer Vervollkommnung der Initiation. Unter den unmotivierten Firmkandidat/inn/en hat, laut Mary Catherine, die ganze Vorbereitung eines Jahres dann zu leiden. Neben der Firmvorbereitung ist ein wichtiges Element der youth ministry in St. Raymond das Programm mit den mission trips. Jugendliche fahren in Gruppen in 7-tägige Camps, in denen sie Gemeinschaft erfahren, religiöse Gespräche führen, 18 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Messen und Versöhnungsfeiern feiern und auch gemeinsam in sozialen Projekten Menschen helfen, denen es nicht so gut geht wie Ihnen. Ein Beispiel für eine solches Programm bietet die folgende Organisation: http://heartworkcamp.com/index.html Wenn eine Pfarre einen Mission trip nicht selbst organisieren kann, greift sie auf professionelle Programme zurück, die ein solches Programm organisieren. Mary Catherine hat mehrmals bemängelt, dass die Theologie hinter diesen Organisationsfirmen immer konservativer und theologisch eintöniger wird. Grundgedanke ist immer noch die Erfahrung des Dienstes am Anderen, wie Jesus es schon getan und den Menschen aufgetragen hat, aber es taucht immer mehr die Fragestellung nach Schuld und Buße auf, die nicht mehr allein durch Gottesdienste und Gespräche eine Lösung/Veränderung finden soll, sondern immer mehr durch das Sakrament der Beichte den Jugendlichen mehr als ans Herz gelegt wird. Bisweilen sollen Jugendliche über das Gefühl geklagt haben, Zwang zum Sakrament der Versöhnung gespürt zu haben. Auf Grund dieser Erfahrung soll das Programm der mission trips in den kommenden Jahren geändert werden. Es wird noch eine passende Organisation gesucht. Ein letztes Element, welches Mary Catherine für ihre Arbeit als youth minister besonders wichtig ist, ist der Gebrauch des sozialen Netzwerkes von Facebook. Mary Catherine unterscheidet hier stark zwischen privaten und dienstlichen Kontakten und unter die dienstlichen Kontakte fällt jede „Befreundung“ von Jugendlichen aus der Gemeinde. Die Erzdiözese Chicago hat nach den zahlreichen Vorfällen von Kindesmissbrauch durch Mitarbeiter im pastoralen und kirchlichen Dienst eine Grundordnung erlassen, die eigentlich den Gebrauch dieses Mediums verbietet.8 Allerdings scheint Facebook, so Mary Catherine, eine der wenigen Plattformen zu sein, über die Jugendliche heute noch gut erreicht werden können. Die Nachrichten erscheinen meist sofort auf dem Smartphone der Jugendlichen und können so auch sofort beantwortet werden. 2.5.2 Paul McMahon (Teen and Family Minister in der Pfarrei Holy Family, Iverness) Bevor ich etwas Genaueres zu Paul McMahon und seiner Rolle als Verantwortlicher für die Teen und Family Ministry in der Pfarre Holy Family in Inverness sage, möchte ich kurz eine Beschreibung der Theologie dieser Pfarre geben. Das ist, meiner Meinung nach, wichtig, um das Programm der Ministries in dieser Pfarre zu verstehen. Die Pfarre Holy Family in Inverness wurde im Jahre 1988 erhoben und als Gegenprogramm zur, für die Chicagoarea bedeutsame, nondenominational Willow-Creek-Kirche konzipiert. Willow Creek setzt sehr stark auf eine technisch-modernes, ministry-reiches und kontemporäres Kirchenprogramm bzw. auf eine solche Vision für die Kirche. Besonders unter der Leitung des ehemaligen Pfarrers Fr. Patrick Brennan ist die katholische Kirche 8 Diese Grundordnung ist im Anhang dieser Arbeit einzusehen. 19 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Holy Family stark angewachsen und hat ein Konzept entwickelt, in dem alle Ministries und das ganze Pfarrleben im Sinne der kleinen christlichen Gemeinschaften leben (small christian communities). Patrick Brennan hat diese Theologie bzw. das Erbe, das er in Holy Family hinterlassen hat sehr eindrücklich in seinem Buch „The mission driven parish“9 dargestellt. Diese Theologie der kleinen christliche Gemeinden wird auch für das Konzept der youth ministry übernommen, dass aber in eine Ministry der Teen und Adults übernommen wird. Besonders wichtig ist es folglich, dass beide Bereiche der Pfarrmitglieder miteinander verbunden wird. Das Konzept für die Youth Ministry in diesem Bereich des Pfarrlebens wird grundgelegt in dem Buch von Fr. Patrick Brennan mit dem Titel „Full-cycle youth evangelization“10. Das Konzept dieser vollzyklischen Ministry ist ein teleologisches, dass auf ein „commitment“11 (Bindung, Einsatz, Engagement) zielt. Brennan vertritt die Position, dass jede Pfarre ihr eigenes Jugendprogramm organisch entwickeln sollte und das vorliegende Konzept sei ein Versuch für die Pfarre Holy Family, sei aber auch anzupassen an andere Pfarren. Grundlage für seine Jugendarbeit ist das RCIA (rite of christian initiation for adults). Damit legt Brennan immer noch viel Wert auf die bisherige und konventionelle Sakramentenpastoral, er baut sein Konzept von Jugendpastoral allerdings zyklisch um den Sakramentenempfang. Das Katechument, wie wir es heute für die Initiation von Erwachsenen kennen, wird bei Brennan auf alle Kinder und Jugendlichen übertragen, so dass der rite of acceptance mehrmals jährlich mit der gesamten Gemeinde gefeiert werden kann. Damit gibt es mehrere Möglichkeiten, wann ein Taufbewerber selbst entscheiden kann, den Prozess des Katechumenats zu beginnen. Ein Prä-Katechumenat wird damit das ganze Jahr hindurch ermöglicht und nicht nur im Herbst. Das von Brennan so genannte FLAME-Modell für Jugendevangelisation umfasst dann 5 Stufen12: 1.) Discovery (Evangelization) - outreach to teens through social events and activities - involvement of adult and peer social ministers 2.) Advance (Catechesis) - social ministries continue - learning modules that involve adult catechists 9 Brennan, Patrick, The mission driven parish, Maryknoll, 2007. Brennan, Patrick, Full-cycle youth evangelization, Allen, 1998. 11 Brennan, Full-cycle, 59. 12 Brennan, Full-cycle, 64f. 10 20 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 3.) Discipleship (Spiritual Direction) - social ministries continue - catechesis continues - one-on-one meetings with adult spiritual directors 4.) Celebration (Confirmation) - social ministries continue - catechesis continue - one-on-one-meetings with spiritual directors continue - public celebration of Confirmation, which involves liturgical ministries - or some other public ritual of owning one’s faith 5.) Continuing the journey (Follow-up) - all previous ministries continue - ongoing formation and nurturance - active ministry in the Christian community Inhalt dieses Konzeptes sind nicht nur religiöse Themen. Brennan geht sehr offen mit weiteren jugendspezifischen Themen um und erwähnt ihn seinem Buch folgende Problemthemen, die sensibel behandelt werden müssen: Alkohol und Drogengebrauch, Kulte und Sekten, Selbstmord, Sexualverhalten, Rockmusik und Popkultur und Essverhalten.13 Zudem sollen Jugendliche so zu vier praktischen Glaubenszielen befähigt werden: die religiösesen Traditionen kennenlernen (intellectual faith), eine Verbindung mit Gott aufbauen (relational faith), Glauben in Aktion umsetzen (performative faith) und Werte erlernen, die mehr bibelbasierend sind (imaginative faith). Um all diese Ziele und Anforderungen zu erreichen, braucht man laut Brennan viele unterschiedliche Menschen, die alle eine moderne Sprache sprechen und echte Zeugen des Evangeliums und des Glaubens sind. Diese Menschen, die mit den Jugendlichen eine Gruppe vergleichbar mit kleinen christlichen Gemeinschaften bilden, laden die Jugendlichen zu einer wöchentlichen Abendveranstaltung ein, die aus drei Elementen bestehen: „business in each small community; fun or social experiences among the various communities; and a closing religious experience consisting of Scripture, drama, music, and witness talks done by adults and teens.“14 Brennan betont stets, dass der Grundgedanke eine Reise oder ein Prozess ist, der einen Menschen zu Gott führt.15 Man kann Gott nicht mit einem empfangenen Sakrament für sich in Anspruch nehmen und damit seinen Lebensweg mit Gott endgültig besiegeln. Deswegen geht es auch um einen full-cycle, der nach der Initiation nicht einfach endet sondern noch weiter führt. Grundprinzip ist es, dass 13 Vgl. Brennan, Full-cycle, 75-86. Brennan, Full-cycle, 37. 15 Brennan, Full-cycle, 41. 14 21 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect ein junger Mensch einen anderen Menschen trifft, die/der das Evangelium in sich selbst inkarniert. Brennans Grundprinzip bleibt damit, dass man die Entscheidung zum Empfang eines Sakramentes im Sinne eines full-cycles, der auf dem RCIA-Programm beruht, nicht zu einem festen Zeitpunkt festlegen kann. Vielmehr soll jeder Bewerber für ein Sakrament die Freiheit haben selbst zu entscheiden, wann sie/er dieses empfangen möchte. 2.5.3 Branches-Meeting (St. Raymond de Penafort) Die Branches sind eine Gruppe, die es mit ähnlichem Namen und ähnlichem Konzept in fast jeder katholischen Pfarren und sogar in vielen anderen Denominationen gibt. Grundgerüst für das Pfarrleben sind in der Regel zwei Wochentage, an denen die meisten Pfarrgruppen und katechetischen Programme ihre Treffen durchführen. Ein Treffen im Bereich der Jugendarbeit sind die Branches-Meetings an den Sonntagabenden und die Religious Education-Treffen mittwochs. Branches-Meetings sind Treffen von Jugendlichen derselben Altersklasse, die von einem erwachsenen Päarchen aus der Gemeinde eingeladen werden und dort mit einem Jahresprogramm über ihren Glauben sprechen. Dabei können Jugendthemen, wie Moral, Musik, Sexualität, Freundschaft, Probleme mit der Kirche usw. einen Ort finden. Die Gruppen werden immer mit einem neuen Freshman-Jahrgang gegründet und man meldet sich formal bei der/dem Beauftragten für youth ministry in der Pfarre an. Dieses Modell ähnelt dem Konzept der kleinen christlichen Gemeinschaften bei Brennan. Das Curriculum, was hier besprochen wird, wird bei jedem Treffen mit Gebet oder Liedern umrahmt. Wichtige Elemente im Curriculum sind die Soziallehre der katholischen Kirche, die Morallehre der katholischen Kirche, die Sakramente, der Gedanke des Stewardship, die Planung von mission trips, der katholische Blick auf die Welt und die Weltgeschehnisse, usw. Es hängt, laut Mary Catherine Nelson, der youth minister von St. Raymond, stark davon ab, wie offen die Erwachsenen sind, die ein solches Branches-Meeting leiten. Wenn sie Jugendlichen die Chance geben ihre eigene Musik mitzubringen, frei über ihren Glauben zu sprechen, Vertrauen in die Gruppe zu gewinnen und sich für den Glauben zu öffnen, kommt es schon einmal vor, dass diese Branches-Gruppen, die für alle 4 Jahr der Highschoolzeit zusammen bleiben, sich zu Hochzeiten, Taufen oder anderen Familienfeiern wiedertreffen. Eine Ausschreibung für die Branches kann man auf der Seite der katholischen Pfarrgemeinde St. Raymond de Penafort unter http://www.st-raymond.org/youth_branches.asp finden. 22 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 2.5.4 Religious Education in 6th Grade (St. Raymond de Penafort) Die Gruppen für religious education treffen sich wöchentlich mit Katecheten während der Klassen 1 bis 8. Da nur Kinder auf katholischen Schulen Religionsunterricht erhalten, wird dieses Programm für alle angeboten, die nicht auf eine private katholische Grund- oder Middleschool gehen. Die religious education findet immer im Großverband statt. Ich selber konnte an einem Abend der Klasse 6 teilnehmen. Hier saßen dann gut 70 Kinder in einem großen Kreis zusammen und bekamen von einem Katecheten einen Vortrag über „Glaubenswahrheiten“ gehalten. Dazu sollten sie sich Notizen machen und für das nächste Treffen ein Essay darüber schreiben, was referiert wurde. Die Runde wurde ab und zu in Murmelgruppen unterteilt, in die ein/e Katechet/in ging und mit den Schüler/inne/n, die Relevanz des Vorgetragenen für ihr Leben und ihren Glauben erörterte. Dieses System erinnerte inhaltlich sehr stark an einen reinen Katechismusunterricht und methodisch eher an den für die Schüler/innen vertrauten Schulunterricht. Pädagogische Spiele, Icebreaker o.ä. ähnliche Methoden waren auch nach Nachfrage den Katecht/inn/en nicht bekannt. 2.5.5 Confirmation Retreat (St. Raymond de Penafort) Die Firmvorbereitung wurde in St. Raymond mit verschiedenen Elementen gestaltet. Eines der Elemente waren 3 sogenannte Retreats, die so etwas wie halbtägige Exerzitien darstellen sollten. Die Firmkandidat/inn/en wurden in Gruppen unterteilt und bekamen je eine/n jugendliche/n Katecheten bzw. Katechetin zugewiesen. Diese diskutierten an dem Retreat, an dem ich teilnahm, mit ihnen These der katholischen Soziallehre und versuchten Beziehungen zwischen diesen Thesen und dem eigenen Glauben und Leben zu finden. Dies kam mir sehr schwerfällig vor, da die Katechet/inn/en selber erst im vergangenen Jahr zur Firmung gegangen sind und selber wenig über kirchliche Erfahrung verfügten und die Jugendlichen in dieser Masse in der schuleigenen Turnhalle keine ansprechende Gesprächsatmosphäre hatten. Sehr ansprechend war das abschließende sogenannte „washing of the feet“. Die Firmkandidat/inn/en wurden aufgefordert einander beide Füße zu waschen, wie es in manchen Gemeinden am Gründonnerstag die Tradition ist. Die verantwortliche youth minister sagte mir, dass dies noch einmal die Perspektive zu den anderen Kandidat/inn/en ändert und man so noch einmal nach der Diskussion über die Soziallehre in den Ursprung allen diakonischen und sozialen Handelns im christlichen Sinne eintauchen könne. Danach wurden alle Kandidat/inn/en in die Kirche geführt, wo eine Abendmesse mit den Eltern und weiteren Familienmitgliedern zu dem Thema „Einander dienen“ stattfand. 2.5.6 Youth and Young Adults in den Ministries der Pfarrei St. Raymond de Penafort Mit der Firmung hat ein Christ der Tauftheologie gemäß alle Initiationssakramente herhalten und kann nun als vollgültiges Gemeindemitglied an dem Dienst am Leib 23 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Christi partizipieren. Deshalb gibt es in den USA nach der Firmung einen direkten Aufruf steward im Sinne des Evangeliums zu werden und die eigene Gemeinde mit zu gestalten. Es gab daher in St. Raymond eine große Zahl an ehrenamtlichen Katechet/inn/en im high school-Alter, altar server, junge Mitglieder im parish council und auch an eucharistic minister. Für viele wurde es als eine Selbstverständlichkeit verstanden, sich in der eignen Gemeinde zu engagieren und am Aufbau des Leibes Christi mitzuwirken. Die youth minister von St. Raymond sagten, dass gut 30% der gefirmten Jugendlichen in der Gemeinde nach der Firmung aktiv bleiben. Für deutsche Verhältnisse fand ich das eine sehr hohe Zahl. In St. Raymond wurde dies als selbstverständlich betrachtet. Es gab aber auch eine große Offenheit dahingehend, dass selbst Jugendliche bzw. young adults im Laufe ihrer Tätigkeit in den diversen ministries der Gemeinde ihr ministry wechseln, da sie sich selber biografisch verändert haben. Diese Offenheit habe ich sehr angenehm und wohltuend wahrgenommen – im Gegensatz zu der deutschen Praxis ein Ehrenamt bis zum eigenen Tod ausführen zu müssen. 2.5.7 Ergebnisse Alle Vertreter eines Bereiches der youth bzw. young adult ministry, egal ob auf diözesaner oder pfarrlicher Ebene habe ich nach modernen Jugendkulturen,spiritualitäten bzw. -liturgien befragt. Manche (Cathy Walz, John Cusick, Mary Catherine Nelson) waren sich derer bewusst, andere kannten sie kaum oder waren sich ihrer Existenz auf Diözesan- oder Pfarrebene nicht bewusst. Mein Eindruck ist, dass kontemporäre Jugendkulturen mit ihren Fragen, Werten und Ideen nur in einer Gesellschaft bzw. Pfarrei auffallen, wo nicht mehr genügend Jugend da ist, um den Eindruck einer gesicherten Zukunft zu vermitteln. Danach erst weitet sich der Blick auf die Jugend auf der Straße oder an anderen Orten der Gesellschaft. Missionstechnisch ist das der falsche Zugang ein Angebot in die Welt zu tragen. In einer Pfarrei wie Holy Family, in der fast 80% aller gefirmten Jugendlichen an einer Ministry teilnehmen, kommt die Frage nach Mission in verschiedene Jugendkulturen nicht so schnell auf, wie in einer Pfarrei, die immer mehr Jugendliche verliert. Eine weitere Wahrnehmung ist, dass die Erfahrung dieser Gesprächspartner/innen mit den eigenen Kindern und deren Jugendkulturen weniger als kirchenferne erfahren wurde. Wenn die eigenen Kinder recht regelmäßig mit zur Kirche gegangen sind und am weiteren Pfarrleben partizipiert haben, wurde eine weitere Jugendkultur, die anscheinend durch äußerliche Veränderung nicht aufgefallen ist, nicht oder nicht als bedrohlich wahrgenommen. Jugendkulturen und jugendkulturelle Angebote, die mir vor allem in der Downtownarea von Chicago aufgefallen sind, wurden hier nicht wahrgenommen. Eine weitere Möglichkeit ist zudem, dass diese einfach als gegeben hingenommen werden. 24 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 2.6 Schule und Religion 2.6.1 Pre-K, Kindergarden, Elementary and Middle school in der Pfarrei St. Raymond de Penafort Als private katholische Schule dominierten auf den Fluren der St. Raymond school die religiösen Bekenntnisse (s. Foto). In der Schule fand ein gut ausgearbeitetes religious education programm statt, dass von der hauptamtlichen Koordinatorin für Katechese und der Frau für die youth ministry in St. Raymond an Hand von Standards der Erzdiözese erarbeitet und mit den Lehrer/innen zusammen durchgeführt wird. Somit findet in allen Kindergartenjahren und in jedem Schuljahr religious education in Verbindung mit Schulmessen statt. Die verantwortliche Frau für die youth ministry hatte dabei ihren Schwerpunkt in den Bibelstudien, die sie jede Woche mit den Schülern durchführt und die Koordinatorin für die Katechese sorgte dabei für die Organisation und Vorbereitung der liturgischen Ebene. Ungleich unserem Schulsystem und dem Standort des Faches Religion in diesem System, gab es hier wenig religionspädagogisches Material und wenn solches existierte, dann nur auf einem Stand, den deutsche Religionspädagogik in den 70er und 80er Jahren entwickelte. Schwerpunkt bleibt auch hier eine Grundlage an Katechismusweisheiten, die mit anderen Dingen angereichert werden. Es machte auf mich immer den Eindruck, einen Schwerpunkt in der diakonischen Selbstverpflichtung der Schüler/innen zu evozieren und zudem einen, europäisch betrachtet, naiven Glauben zu vermitteln. Es wurde (s. Foto) sehr viel mit Symboltheorie gearbeitet und die Schüler/innen brachten wenig an eigener Lebenserfahrung mit in den Unterricht ein. Mir wurde sogar mitgeteilt, dass diese persönliche Glaubenserfahrung vermehrt in den Branchesgruppen diskutiert werden sollte. 2.6.2 St. Viator High School, Arlington Hights (Kairos, Fr. Egan) Die St. Viator High School16 in Arlington Heights ist für die Region rund um die Pfarre St. Raymond de Penafort in Mount Prospect die einzige katholische High School. Getragen vom Orden der Viatorianer stellt sie eine wichtige Größe in der privaten Schullandschaft in den suburbs von Chicago dar. Hier wird viel Wert auf die Unterstützung und Entwicklung der christlichen Spiritualität der Schüler/innen gelegt. Fr. Egan, Viatorianer und Schulrektor, ist sehr stolz, dass neben einer statistischen Größe von gut 25% an Katholiken die Sonntags zur Messe gehen, 40% seiner Schüler aktiv in der parish ministry mitwirken und ebenso regelmäßig die Sonntagsliturgie ihrer Gemeinden besuchen. Zudem scheint die Schule ihre 16 http://www.saintviator.com/ns/ (Stand: 25.November 2011) 25 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Schüler/innen gut auf das nachschulische Leben vorzubereiten, da gut 98% der Schüler/innen nach dem Schulabschluss ein Hochschulstudium aufgreifen. Katholische High Schools können hier als Erfolgs- oder auch Karriereschmieden verstanden werden und spiegeln sozial nicht unbedingt den US-amerikanischen Durchschnitt wieder. Gut 25% der Eltern der Schüler/innen an St. Viator können die jährliche Tuition von ca 11.000$ nicht mehr aufbringen und sind auf Unterstützung des Ordens angewiesen. Dennoch verschulden sich noch viele Eltern bei Banken, um ihren (katholisch getauften) Kindern eine solche Schulbildung und Zukunft zu ermöglichen. Die Schule bietet aber nicht nur schulische Bildung, sondern setzt auch sehr stark auf die spirituelle und geistige Entwicklung der Schüler/innen. Aus diesem Grund gibt es über das ganze Jahr verteilte Programm und spirituelle Angebote, die von einem 3-köpfigen Team vorbereitet werden und guten Zulauf finden. - Bridges (Junior-retreat) - Kairos (Senior-retreat) - Messen (offene Messen für alle an den Freitagen und eine gesonderte, verpflichtende Schulmesse für alle 4 Stufen in der Turnhalle der Schule einmal monatlich) - Bestimmte am Kirchenjahreskreis orientierte Liturgien (Roratemessen,…) - Solidaritätsaktionen (Kollekten, Kleiderspenden, Süßwarenverkauf,…) In allen Bereichen der campus ministry findet vor allem Musik einen Schwerpunkt. Fr. Egan berichtete begeistert von den musikalischen Talenten seiner Schüler und zog direkt eine kulturelle Verbindung zu einer momentan in den USA sehr bekannten Serie: Glee. Musik ist so etwas wie die Lebensenergie Jugendlicher und ermöglicht ihnen eine Ausdrucksmöglichkeit für Gefühle und Erfahrungen, die sie in der direkten Rede nicht finden können. Deshalb werden Jugendliche bewusst aufgefordert zu allen Retreats „ihre“ Musik mitzubringen. Am Ende eines Retreats werden dann die Musikstücke alle zu einer CD zusammengefasst und jede/r Teilnehmer/in bekommt diese dann mitgegeben. Betsy Font betonte am Ende unseres Gespräches, dass die Qualität der campus ministry aber sehr stark von der vorherigen und begleitenden Arbeit der youth minister auf der Pfarrebene abhänge. Deshalb sollen hier auch in Zukunft noch weitere Verknüpfungen aufgebaut werden. 26 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 2.6.3 Public schools In den public schools ist es in dem starken Trennungssystem zwischen Staat und Kirche in den USA nicht erlaubt Religionsunterricht zu erteilen. Bekannte Streitfragen über Evolution und Kreationismus spiegeln in der Presse bis heute den unterschiedlichen Horizont von Konfessionen bzw. Denominationen und lassen erkennen, dass ein einheitlicher Religionsunterricht allein deswegen schon nicht möglich ist. Die Schüler der public schools gehen vielmehr in pfarrliche Programme um dort eine religious education zu erfahren.17 2.6.4 Elterninitiative TREASURE in Virginia Eine Möglichkeit das schlechte public school System zu umgehen und das Geld für die teuren private schools zu sparen, ist die gesetzliche Freiheit die eigenen Kinder aus dem Schulsystem abzumelden und im sogenannten home schooling selbst zu unterrichten. Dies habe ich beim Besuch von Freunden in Virginia erfahren, wo eine Bekannte ihre Tochter aus dem Schulsystem abgemeldet hat und selbst unterrichtet. Da sie aber selber in ihren Fähigkeiten (z.B. Musik und Kunst) eingeschränkt ist, hat sie sich einer baptistischen Schulbewegung angenommen, die sich TREASURE nennt. Verschiedene Eltern bieten für einen geringen Jahresbeitrag unterschiedliche Kurse an, die der eigene Elternteil nicht lehren kann. So können Kinder hier musikalische und künstlerische, aber auch naturwissenschaftliche, geschichtliche oder auch haushaltstechnische Kurse besuchen. Ich selber durfte an einem solchen Schultag teilnehmen und war fasziniert vom Engagement und ein Einsatz der jeweiligen Eltern. Getragen von einer bestimmten baptistischen Strömung, war der Unterricht allerdings „ideologisch“ gefärbt. In einer Klasse zur Pflanzenkunde sagte die sehr belesene und erfahrene Mutter, dass man nur biologisch korrekte Nahrung zu sich nehmen solle. Alle Nahrung, die genetisch verändert sei, müsste verbrannt werden, da Gott diese so nicht wollte. Meine Bekannten nahmen dies so hin und schicken ihre Tochter lediglich für die Qualität der Bildung in diesen Kreis. Dennoch kann mit einem aufgehobenen Schulsystem Religion noch einmal eine viel weitere weltdeutende Rolle im Bildungssystem Schule spielen. 3. Begegnungen mit nichtkatholischen Kirchen und ihrem Zugang zur Youth Ministry 3.1 Urban Village Church (Chris Coon) Im Rahmen der methodistischen Weltkirche gründete Chris Coon vor wenigen Jahren die Urban Village Church mit den Schlagworten: Bold. Inclusive. 17 s. Kap. 3.e.iv 27 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Relevant.18 Eher eine Kirche für die Altersgruppen der young adults und der adults, schaut er auch auf eine Seelsorge mit Jugendlichen. Gerade im Rahmen der downtown Chicago Region nimmt er verschiedene Jugendkulturen wahr, die er selber nicht richtig anzusprechen vermag. Mit verschiedenen Werbepostkarten und einer ansprechenden Homepage versucht er Jugendliche für diese Art von Kirche zu interessieren. Denn die drei Schlagworte der Urban Village Church sollen auch wirklich Programm der Kirche sein: Mutig mit der Botschaft des Glaubens in die Welt zu gehen, alle Menschen zu inkludieren und anzunehmen und dabei Menschen eine Relevanz für ihr Leben zu bieten. Bei allem Mut und aller Inklusivität scheint er gerade aber an zwei Fakten seiner Begegnung mit der jungen Generation in Chicago nicht weiterzukommen. Erstens scheint inklusiv noch lange nicht alle Menschen einzuladen, da nur zögerlich Menschen in die Gesprächsgruppe und Gottesdienste der Urban Village Church kommen und sich z. B. in einem allgemein offenen Rahmen als Homosexuelle/r oder Transgender zu bekennen. Chris folgert, dass Kirche immer negativ auf solch veranlagte Personen reagiert hat. Manche müssen es sich mehrmals überleben, ob sie noch einmal eine Kirche betreten. Zweitens hat, in seiner Sicht, keine der christlichen Kirchen eine Möglichkeit gefunden eine Single-Kultur biblisch zu begleiten. Was gesellschaftlich vielleicht (schweigend) bereits anerkannt ist, findet im biblischen Kontext und damit auch im kirchlichen Kontext keine anerkennende Würdigung. Singlepersonen können sich so in vielen Punkte von Kirche nicht wiederfinden und sehen sich oft als Christen zweiter Klasse, da sie nicht dem familiären Idealbild von Bibel und Kirche entsprechen. Hier möchte er in Zukunft neue Wege suchen. 3.2 Tha House Tha house19 ist eine auf Jugendliche zugeschnittene methodistische Jugendkirche, die vor allem afroamerikanische Jugendliche im Rahmen von HipHop-Kultur in einem bestimmten Stadtteil von Chicago anspricht. Rund um Pastor Phil Jackson wird hier versucht eine Gottesdienstkultur aus einem speziellen Musik- und Lebenssegment von Jugendkultur anzubieten: dem Hip-Hop. Zwei Mal findet hier monatlich ein stark bibelbasierter Gottesdienst für Jugendliche und junge Erwachsene statt, die ihre Kultur in dieser Musik finden. Somit findet hier eine Symbiose von Musikform und Theologie/Rede von Gott statt, die heute nicht überall anerkannt wird. Zudem können hier Jugendliche und junge Erwachsene unter Wiedererkennung ihrer eigenen Kultur Glauben ausüben und erkennen über den Alltagscharakter der Musik eine alltägliche Relevanz für ihren Glauben. Zudem hat sich diese Kirche in ihre Programm geschrieben, dass sie gerade in einem sozial schwierigen Teil der Stadt Chicago Jugendlichen einen 18 19 http://www.newchicagochurch.com/ (Stand: 25. November 2011) www.thahouse.org (Stand: 25. November 2011) 28 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Ausweg aus dem sozialen Abstieg ermöglichen möchte. Hip-Hip hat eine gewisse Nähe zum Rap, hat dem Rap gegenüber aber auch noch einige Erweiterungen, denn Hip-Hop hat ein ausgeprägteres Bewegungs- bzw. Tanzelement und ein stark narrative Komponente (story-telling). Hip-Hop könnte man so im Vergleich zum Rap als ausdrucksstärker und erzählender beschreiben. Da beide Elemente gerade für Jugendliche wichtig sind (sich selbst auszudrücken und von sich zu erzählen), war die Erfahrung eines Gottesdienstes in Tha house sehr beeindruckend. 3.3 Willow Creek Willow Creek hat ein sehr reichhaltiges youth ministry program, welches auch sehr gut über die Homepage der ministry dargestellt wird. 20 Unter dem Schlagwort „student impact“ wird die youth ministry von Willow Creek einerseits auf der kirchlichen Ebene ausgeführt, andererseits auch in die Schulen der jeweiligen Schüler/innen getragen. Denn Schüler/innen werden aufgefordert an ihren Schulen sogenannte „Uprisings“ zu gründen, die eine Art Nachmittagskurs sind, die von Schülern geleitet Glauben weitergeben sollen. Beeindruckend ist die Präsenz von diesen Uprisings an verschiedenen Schulen, die sich alle auf der Homepage mit Video vorstellen. Daneben findet im Areal von Willow Creek und auf privater Ebene ein vergleichbares Programm wie in St. Raymond und anderen Kirchen statt. Die sogenannten branchesmeetings in St. Raymond heißen hier house groups und spezielle Gottesdienste werden unter dem Sammelbegriff worship gathering aufgeführt. Gut zu erkennen war, bei unserer Teilnahme an verschiedenen Gottesdiensten in Willow Creek, dass Jugendliche fast gar nicht in den regulären Gottesdiensten präsent sind. Dies erklärt sich, da Sonntags immer eine gesonderte Veranstaltung im sogenannten Lakeside Auditorium für Jugendliche stattfindet. Jugend wird hier also ein eigenes Programm geboten, dass von seiner Struktur her dem Gottesdienst der Erwachsenen im anderen Auditorium entspricht, aber in Sprache und Auftreten des Pastors eher der Jugendkultur entspricht. Faszinierend an Willow Creek im Bereich der youth ministry ist die hervorragende Homepage mit vielen Bildern, Blogs, Videos und persönlichen Darstellungen von Jugendlichen und ministern, als auch die hohe Zahl an Hauptamtlichen, die hier für eine funktionierende Jugendarbeit sorgen. Wie auch im katholischen Rahmen, bilden Gottesdienst und sozialer Dienst die beiden Grundfundamente von Willow Creek im Bereich der youth ministry. 20 www.studentimpact.com (Stand: 25. November 2011) 29 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect 4. Auf der Suche nach (säkularen) Jugendkulturen in einer Großstadt Die Suche nach säkularen Jugendkulturen ist weniger eine wissenschaftliche Suche, als vielmehr eine Wahrnehmungsübung im Bereich der Großstadt Chicago. Dabei ging es mir vor allem darum, „die Augen offen zu halten“ und erst einmal zu sehen, wo Jugendliche mit ihren kulturellen Ausprägungen erscheinen. Verschiedene Orte sind mir dabei aufgefallen, die ich im Folgenden darstellen möchte. 4.1 Downtown Chicago In der Downtownregion von Chicago (im Loop und den ihn umgebenden Straßenblocks) fand ich reichlich wenig Sammelorte für Jugendkultur. Da der Innenstadtkern von Chicago sehr stark von Banken und Konsumbereichen erfüllt war, waren die Shoppingzentren die ehesten Orte um Jugendkulturen zu erfahren. Dabei stellte ich fest, dass sich viele der kulturellen Erscheinungen mit den kulturellen Modeerscheinungen der europäischen bzw. deutschen Jugendkultur decken. Es gab auch hier zentrale Modemarken wie Nike, H&M, Puma, etc. Auch beherrschten Fastfood-Ketten das Restaurantbild und waren Sammelorte für Jugendliche mit dem System des All-you-can-drink-Automaten. Vor allem Starbucks und andere Coffeeketten stellen hier eine Alternative dar. Hier kann man zu chilliger Musik entspannen und zudem kostenlos ins Internet. Eine Auffälligkeit von der man im gesamten Innenstadtbereich von Chicago sehr gut profitieren kann. An fast jeden Blockecke erhält man zahlreiche neue oder zusätzliche WiFi-Anbieter, deren Dienste man kostenlos in Anspruch nehmen kann. Internet und Social Media sind so via Smartphones immer präsent und bestimmen auch hier den Alltag. Neben diesen regulären Shoppingzentren, gab es noch solche Orte, die ich eher als „Shoppingtempel im Hochpreissegment“ bezeichnen möchte. Auf der Michigan Avenue und besonders im Water Tower Place an der Michigan Avenue gibt es die besonders teuren Modeläden, die auch viele Jugendliche anziehen, die dort gerne gucken gehen oder einfach vor den Schaufenstern stehen bleiben. Vor allem Läden wie „Abercrombie & Fitch“ oder das Niedrigpreissegment dieser Marke „Hollister“ und die noch preiswertere Variante eines mexikanischen Modeherstellers „Aeropostale“ bringen Mode auf den Markt, die stark an Verschließ erinnert, vor allem ein sehr modebewusstes und körperbewusstes Publikum anspricht und mit lauter Musik und starken und aromatischen Düften im Verkaufsraum einen Shoppingtempel schon auf ihrer gesamten Etage dominieren. Neben Mode und Essen stellte ich erstaunt fest, dass die gesamte Innenstadtregion nur noch einen einzigen Bücherladen aufweist, der sich im südlichen Universitätsbereich befindet und dass CD- und DVD-Läden recht selten 30 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect sind. Der Bereich der multimedialen Versorgung wird mehr und mehr durch Läden wie den Apple-Store dominiert, wo Jugendliche auch frei ins Internet kommen können und mit neuester Technik, die sie sich vielleicht nicht leisten können, erste Erfahrungen sammeln. Ganz anders sah es aus auf den Straßen, in den U-bahn-Bahnhöfen und in den Parks. Im Millennium-Park traf ich nur selten auf Jugendgruppen, die hier „abhängen“ wollten und selbst zwischen den Hochhäusern war für mich nur einmal eine Skatergruppe zu erkennen, die mit einer Mülltonne verschiedene Stunts ausprobierten. Ich vermute, dass es vor allem am guten Überwachungssystem eines jeden Hauses lag, dass diese Jugendgruppen hier keinen guten Ort zum Aufhalten fanden. Jugendliche waren eher, wie auch bei uns, in Bussen und Bahnen präsent und haben dort mit ihrer Musik und Jugendsprache den Geräuschpegel des jeweiligen Transportmittels dominiert. Eher in den südlichen Suburbs, die stark afroamerikanisch geprägt waren, gab es verschiedene Gruppen, die sich auf den Straßen trafen und verschiedene Plätze, Parks und andere Orte für sich in Anspruch nahmen. Ein Blick auf Werbestrategien zeigte mir, dass gerade das Jugendverhalten mit Hilfe von Smartphones und der ständigen Versorgung mit WiFi eine Werbung mit direktem Internetkontakt möglich war. So gab es in der Downtownregion zahlreiche beleuchtete Plakatwände mit eingebautem Sensor, ob den Menschen sich kostenlos Musik oder andere Apps runterladen können, quasi eine Schnittstelle für eine Verlinkung zur Homepage des Anbieters. Außerdem fielen hier auch die sogenannten QRCodes auf, die schon bei der Jugendaktion um Fr. Barron und seine Internetpräsenz für Teilnehmer des Weltjugendtages 2011 in Madrid beschrieben wurde. Eine Auffälligkeit war der sogenannte National Hug Day im Oktober. Hier traf ich auf eine große Gruppe von Schülern, die auf der Straße kostenlose Umarmungen verteilten um den Tag etwas aufzuheitern. Viele motivierte Schülerinnen und Schüler boten diese Umarmungen an, ohne sich aufzudrängen und lockerten das sonst so hektische Stadtbild etwas auf und sorgten für Entschleunigung im Alltag. Jugendkultur erschien hier als konsumorientiert, mit dem Ansatz die Welt etwas glücklicher zu machen, besonnen auf ihre eigene Sprache, mit Musik versorgt und vor allem im Stadtbereich modebewusst oder durch das Bild von Skatern geprägt. 4.2 Woodfield Mall Die Woodfield Mall war bis zur Errichtung der sogenannten Mall of America in Minneapolis im Jahr 1992 die größte Mal der USA. Auch hier findet man, wie in der Downtownregion von Chicago alle möglichen Shoppingläden, von denen eine große Zahl auch in Deutschland zu finden sind. Allerdings war schon sehr 31 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect auffällig, dass in der Woodfield Mall mehr Jugendliche präsent waren, als in der Downtownregion. Hier konnte sie vielleicht ungehinderter abhängen und mussten um zu bummeln nicht extra in die Innenstadt fahren, sondern konnten hier kostenlos parken und waren so evlt. auch näher an ihrem eigenen Suburb dran. Die Innenstadt ist wohntechnisch, so berichteten verschiedene Personen, nicht gerade jugendfreundlich und vor allem auch von den Lebenshaltungskosten für Jugendliche nicht geeignet. 4.3 Baseball Eine ganz besondere Erfahrung war die Teilnahme an einem Baseballspiel der Chicago Cubs in Wrigley Field. Die Grundatmosphäre fand ich mit einem deutschen Fussballspiel vergleichbar. V.a. Jungen im Kreis ihrer Peergroup oder mit ihren Vätern, Onkeln o.ä. waren hier zu sehen, die bei Hotdog und Soda für ihre Mannschaft fieberten. Sportveranstaltungen haben in den USA generell auch einen recht patriotischen Charakter und sind von Gruppenverhalten dominiert (gemeinsames Essen, herumstehen und diskutieren, Fanshopbesuch,…). Gruppensport fördert Gruppenverhalten – wäre eine mögliche These. Der Verhaltenskodex unter den Jugendlichen ist hier sehr kameradschaftlich und auch körperbetont. Die Identifikation mit einem Verein wird hier, wie auch bei uns im Fussball über gemeinsame Kleidung geschärft und die sogenannten cheers (Zurufe) sind wie in unserer Fussballkultur stark lokal geprägt (im Blick auf Slang und Botschaft). Jugendkultur im Baseball habe ich somit als stark gemeinschaftlich, kumpelhaft und ausfallend bzw. laut erlebt. 4.4 Museen (Museum of cotemporary arts / Art Institute) Erstaunlich war für mich, dass gerade die Museen in der Innenstadt sich mit speziellen jugenddidaktischen Veranstaltungen profilierten. Hier wird meiner Einschätzung nach, ein anderes Klientel angesprochen, als z.B. im Baseballstadion. Die Führungen und die museumspädagogischen Einheiten sind allein sprachlich schon auf eine elitärere und intellektuell gebildete Jugendkultur angelegt. Allein der Anblick, welche Klientel sich an diesen Führungen beteiligt bzw. teilgenommen hat, zeigt mir, dass hier vor allem US-Amerikaner mit kaukasischem bzw. asiatischem Hintergrund angesprochen wurden. Jugendliche mit afroamerikanischer Hautfarbe oder hispanics waren hier nicht zu finden. Das MCA (museum of contemporary arts) hat ein eigenes Profil für Teens, im Alter von 15-19 Jahren, für die besondere Touren durch das Museum und verschiedene Aktionen angeboten werden. Dabei gibt es regelrechte Programme, um Teens Kunst zu erklären und es soll sogar eine direkte Verbindung zwischen dem Leben 32 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect der Teens und der Kunst hergestellt werden.21 Zu Informationszwecken setzt das MCA auf Twitter, um Teens so auf dem neuesten Stand über Kunst und Leben zu halten. Auch das Art Institute Chicago setzt auf eine direkte Teen-Pädagogik mit Workshops, einem Lab und verschiedenen anderen Aktionen. Hier gilt es auch, dass Teens durch andere Teens Kunst und den Bezug zum Leben entdecken können. Mehrmals monatlich finden hier Veranstaltungen statt, die diese Zielgruppe ansprechen sollen. Einen guten Überblick findet man auch über die Unterseite des Museums mit dem Programm für Teens. Dieses Haus hat allerdings keine Verbindung zu Teens über spezielle webpages und Social Networks gesucht.22 5. Lernchancen für Deutschland 5.1 Ministries Im liturgischen Bereich eröffnen sich für den Bereich der youth ministry verschiedene neue Aspekte, die auch für Deutschland, wohl aber in angepasster Form, eine Relevanz haben können. Zum einen steht für mich die Frage an, ob man im Jugend-, aber auch für alle Generationen in einer Kirchengemeinde eine Bedeutung der body-of-christTheologie verdeutlichen kann und soll. Dies hat für mich enorme Auswirkung auf das eigene Verständnis im Bereich der Ministries. In Deutschland wird wenig betont, dass alle Mitglieder der Gemeinde, diese auch mit aufbauen. Wir leisten uns in Deutschland ein Dienstleistungssystem, dass vieles an Hauptamtler delegiert, die dazu noch professionell studierte Hauptamtler sind. Diese gibt es in der USA auch, aber der Grad der Ausbildung an den universities ist ein ganz anderer. In dem Verständnis, dass wir alle den einen Leib Christi mit auferbauen, kann jeder zu dem Verständnis gelangen, dass meine individuelle Aufgabe auch eine Relevanz für andere hat und deswegen auch geschätzt wird. Messdiener tun ihren Dienst z.B. nicht nur für sich, sondern, weil sie mit ihrem Dienst der Gemeinde Vorbild und Charakter sein wollen. Gerade aus diesem Grund halte ich es für unumgänglich, dass viele der Dienste in der Gemeinde durch alle Generationen durchgeführt werden. Es ist in Deutschland häufig ein erschreckendes Bild, wenn der Kreis der Lektoren und Kommunionhelfer nur aus den älteren Generationen besetzt wird. Die Möglichkeit jungen Menschen diese Dienste zu eröffnen, die ja direkte participatio der ganzen Gemeinde an der Liturgie des einen Leibes sind, verdeutlicht, dass keine Dienste für bestimmte Personen reserviert sind. Jeder kann so seinen Dienst tun, wie er 21 22 www.mcachicago.org/education/teens/overview (Stand: 21.April 2012) www.artic.edu/aic/education/teens/ (Stand: 21.Februar 2012) 33 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect dazu berufen ist. Dies ergänzt sich gerade auch mit der music ministry, da gerade junge Menschen eine sehr guten Zugang zu Musik haben und auch sehr musikalisch sind. In der deutschen Liturgie, verdrängt die Orgel viele Talente, die nur zu besonderen Feierlichkeiten und zu meist nur im gesanglichen Bereich eine Wertschätzung erfahren. Wo ist die jugendliche Combo mit Saxophon, Querflöte, Djembe oder auch Bodypercussion, die den Sonntagsgottesdienst einmal anders gestaltet. Das Ganze zeigt sich für mich dann gerade in dem Teilen der eucharistischen Gaben. Wenn jeder seinen Anteil an der gemeinsamen Liturgie geben soll, kann dies nicht allein über eine geldliche Zuwendung passieren. Ein Sinnbild ist es für mich, wenn vor dem Gottesdienst, alle die Möglichkeit haben eine Hostie in die Schale zu legen, die dann konsekriert wird und damit ausgedrückt wird, dass wir alle zusammen an dem einem Brot gearbeitet haben, dass uns selber Gabe sein soll. Diese Gabe wird dann im gemeinsam geteilten Brot und Kelch wieder empfangen, als Leib Christi, der wir alle selber sein sollen. Gerade Jugendliche und junge Erwachsene, wissen diese Zeichen sehr zu schätzen. 5.2 Medien In Amerika kann man lernen, dass es wichtig ist, gerade auf moderne Medien zu setzen und das bedeutet für den Bereich der Teens und der jungen Erwachsenen, auf Social Networks, und Sharing Dienste. Kaum eine Institution in den USA, die mit dieser Zielgruppe arbeiten möchte, arbeitet ohne Facebook und Co. Sogar Videos werden auf Youtube verankert und von dort mit Social Networks verknüpft. Dabei zeigen diese Auftritte immer ein hohes Maß an Qualität und Kreativität, wenn man sich einmal sie Ergebnisse der Arbeit von Fr. Barron oder Willow Creek betrachtet (s.o.). Konnektivität braucht die Offenheit für ein gläsernes und globales Denken, in dem man sich präsentiert und sich selbst ein öffentliches Profil gibt. Der Umgang mit neuen Medien hat sich mir in den USA gerade in der Deutung durch die soziologischen Aufarbeitungen neu eröffnet. Vor allem die Darstellungen von Frank Mercadante (s.o.) waren für mich sehr aufschlussreich. Gerade ein differenzierter Blick auf Jugendliche und junge Erwachsene kann für ein weiteres pastorales Planen sehr aufschlussreich sein. 5.3 Gebetspraxis Eine zutiefst emotionale und spirituelle Sache ist es, ein Treffen mit dem Gebet zu eröffnen. Ob man ein vorformuliertes Gebet spricht oder zu freien Bitten einlädt, ob man Namen von Menschen sammelt, für die man beten möchte oder mit einem gemeinsamen Lied einsteigt, es zählt immer die Verbundenheit mit Gott, der jedes Treffen begleitet. Das bedeutet für die deutsche Pastoral einen noch intensiveren Aspekt auf das Thema Spiritualität zu setzen. Wenn ein Treffen mit der Frage eröffnet wird „Wo habe ich Gott seit dem letzten Treffen erfahren?“, dann wird eine spirituelle Lebensweise angefragt, die bisher, so mein Eindruck, in unserem pastoralen Dasein vernachlässigt wurde. Gerade Jugendlichen und jungen 34 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Erwachsenen könnte so eine Möglichkeit gegeben werden, ihr Leben einmal kritisch religiös zu bedenken und nicht direkt in eine zweiflerische Haltung zu verfallen, die sagt, dass es Gott nicht gibt, weil er mein Leben nicht berührt. 5.4 Social services Neben diesen liturgischen und spirituellen Lebensweisen des Glaubens, hat mich der Aspekt der social services in der Schule und im Gemeindeleben fasziniert. Damit lernen Jugendliche und junge Erwachsene schon früh, dass Glaube nichts eigenes und rein auf die Gottesdienstgemeinde bezogenes ist, sondern etwas mit der ganzen Welt und allen Menschen zu tun hat, so wie es in Gaudium et Spes 1 heißt. 23 Die „Jünger Christi“ können sich bei den Menschen von heute immer daran wiederfinden, dass sie deren Lebensfragen und Lebensituationen aus ihrem eigenen Leben heraus teilen können. Gerade im Bereich der social services am Beispiel der High Schools oder auch der Pfarrgemeinden in den USA, wird dieser Auftrag Jesu an die Menschen erkannt und verwirklicht. Deswegen ist uns Menschen als Jünger Christi auch keine Erfahrung, die alle Menschen dieser Welt machen, fremd.24 Menschen in zerrütteten und brenzligen Lebensituationen zu begegnen und sie ein Stück ihres Lebensweges zu begleiten, ist damit eine vornehmliche Aufgabe, die auch für deutsche Jugendliche und junge Erwachsene wichtig sein kann. 6. Nachwort Ich bin, mit diesem Nachwort zu meinem Erfahrungsbericht, vielen Menschen zum Dank verpflichtet, die mir diese Zeit der Erfahrungen in Chicago ermöglicht haben. Allen in meiner Heimatdiözesen, an der Ruhr-Universität in Bochum, den Menschen in Chicago und vor allem auch „meiner“ Crossing-Over-Gruppe von 2011. Aus vielen anregenden Gesprächen habe ich Informationen und Reflexionen mitgenommen und habe für mich viel gelernt. 23 Rahner, Karl/Vorgrimler, Herbert, Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums, Freiburg i. Br. ²4 1994, 449. 24 Vgl. GS 1 35 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Besonders beeindruckt hat mich die Möglichkeit für viele Wochen frei durch eine Metropole mich bewegen zu dürfen und einmal nur dort zu leben und zu entdecken – wo die Menschen sind, wie sie sind und was alles geschieht. Zudem habe ich viele Menschen getroffen, die viel von sich erzählt und von ihrem Leben und Glauben geöffnet haben. Nur so, konnte ich selber mich weiterentwickeln, aber auch ein paar Gedanken mit zurück nach Deutschland bringen, die hier hoffentlich für meine zukünftige Arbeit fruchtbar sein werden. Das vorherige Kapitel hat einige dieser Gedanken bereits anklingen lassen. Ich schaue aber besonders dankbar darauf zurück, dass ich eine Erfahrung machen durfte, die viele nicht haben können und wollen – dass unsere Kirche eine weltweite Gemeinschaft ist, die einander gerne Gastgeber sein möchte. Wir können voneinander lernen und müssen es lediglich wollen. CrossingOver muss deshalb nicht nur zwischen Deutschland und Chicago stattfinden, sondern kann auch in anderen Bahnen und mit anderen Nationen und Kontinenten verlaufen. Allerdings glaube ich, dass die amerikanische Leitkultur für unsere westeuropäische Welt immer noch die größte Bedeutung hat. Damit scheinen wir, meiner Meinung nach, gerade im Austausch mit Chicago, einen Aspekt zu fördern, der für unsere katholische, aber auch für eine christliche Theologie immer bedeutender wird – dass wir eine Theologie brauchen, die lernen will und sich damit entwickelt und im Prozess befindet, die aber damit auch immer versucht einen kosmologischen Deutungswert zu finden, der unseren Glauben auf eine globale Dimension erhebt. Dann wird der body of christ auch als eine weltweite Angelegenheit betrachtet und nicht nur als etwas, dass sich vor Ort entwickeln und wachsen muss. Neben diesen positiven Erfahrungen für mich, ist es recht ernüchternd zu sehen, was die Erzdiözese Chicago mit den Veranstaltungen zum Jahr der Jugend umsetzt. Die Teilnahmezahlen, der von mir besuchten Veranstaltungen waren recht gering und eine Wertschätzung der Ergebnisse dieser Tage von Seiten der Vertreter der Diözese, fand nicht statt. Außerdem nehmen selbst die Veranstalter und Offiziellen der Erzdiözese nur Teile der Jugendkultur war – vielleicht auch nur die, die direkter in das bestehende System passen. Das pastorale Denken des neuen Pastoralplans für Chicago, zieht im Bereich der youth and young adults auf den klassischen „heiligen Rest“, der in das gegeben System passt: katholisches Profil durch einen Schwerpunkt auf Eucharistie, Berufungen finden und fördern und die Pflege der Sonntagskultur als liturgischen Schwerpunkt. Wenig umgesetzt werden die Erkenntnisse, die gerade Frank Mercadante in seinem Vortrag präsentiert hat und die nach neuen pastoral Gedanken und Entwicklungen fragen und die auch die anderen pastoralen Grunddienste respektieren. Mein Eindruck ist es, dass der neue Pastoralplan dringend Menschen gewinnen will, die sich als katholisch erweisen und diese dann vor allem über die sakramental-liturgische Dimension binden möchte. Ein Denken in weiteren Kreisen mit einer Pastoral der Schwellenmenschen zwischen Distanz und Nähe wird nicht betrachtet. Lediglich auf der Gemeinde- und Schulebene findet der 35 36 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect Versuch statt Jugendkulturen religiös zu deuten und ihnen eine Heimat und Berechtigung zu geben. Damit sind allerdings Konflikte mit der Diözese vorprogrammiert, wie es auch einzelne Vertreter auf Schul- und Gemeindeebene sehen. Der neue Pastoralplan zeigt somit eine eklatante Differenz in der Sichtweise auf youth und young adults, die nicht in ein Gespräch gebracht werden. Letztendlich ist diesem Pastoralplan, auch im Blick auf diese Zielgruppe vorzuwerfen, dass er nur auf Gottesdienstbesucher bzw. Katholikenzahlen, empfangene Sakramente und Gelder zielt. Dahinter steht meiner Vermutung nach der Versuch ein System zu erhalten, ohne es in einem Prozess der Transformation durch und mit Menschen auf einen neuen Weg zu bringen. 7. Literatur 7.1 Primärliteratur Brake, Michael, Comparative Youth Culture: The sociology of youth culture and youth subcultures in America, Britain and Canada, Routledge, New York 1985. Hayes, Mike, Googling God. The religious landscape of People in their 20s and 30s, Mahwah 2007. Henkelmann, Andreas (Hrsg.), „All are welcome!“. Gelebte Gemeinde im Erzbistum Chicago, Münster 2009. Howe, Neil and Strauss, William, Millennials rising. The next great generation, New York 2000. Rahner, Karl/Vorgrimler, Herbert, Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums, Freiburg i. Br. 241994. Rainer, Thom S. and Rainer, Jess W., the millennials. Connecting to America´s Largest Generation, Nashville 2011. Smith, Christian, Soul searching. The Religious and Spiritual Lives of American Teenagers, New York 2005. Smith, Christian, Souls in transition. The Religious and Spiritual Lives of Emerging Adults, New York 2009. Strommen, Merton P. and Hardel, Richard A., Passing on the faith. A radical Model for Youth and Family Ministry, Winona 2008. 37 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect United States Conference of Catholic Bishops, Sons and daughters of the Light. A Pastoral Plan for Ministry with Young Adults, Washington D.C. 2010. 7.2 Sekundärliteratur Brennan, Patrick, Full-cycle youth evangelization, Allen 1998. Brennan, Patrick, The mission driven parish, Maryknoll 2007. Cusick, Jon and DeVries, Katherine F., The basic guide to young adult ministry, Maryknoll 2001. Muldoon, Tim, Seeds of hope. Young adults and the catholic church in the United States, Mahwah 2008. 7.3 Internetnachweise www.archchicago.org/strategicpastoralplan (Stand: 30. November 2011) www.catholicismseries.com (Stand: 19. Oktober 2011) www.en.wikipedia.org/wiki/List_of_subcultures (Stand: 26. November 2011) www.newchicagochurch.com (Stand: 25. November 2011) www.heartworkcamp.com (Stand: 18. Oktober 2011) www.jugendkulturen.de (Stand: 18. Oktober 2011) www.mcachicago.org/education/teens/overview (Stand: 21. April 2012) www.saintviator.com/ns/ (Stand: 25. November 2011) www.st-raymond.org/youth_branches.asp (Stand: 18. Oktober 2011) www.studentimpact.com (Stand: 25. November 2011) www.thahouse.org (Stand: 25. November 2011) www.wordonfire.org (Stand: 19. Oktober 2011) www.youtube.com/user/wordonfirevideo (Stand: 19. Oktober 2011) 38 Säkulare Jugendkulturen Erfahrungsbericht St. Raymond de Penafort, Mt. Prospect