„Wir investieren auch in Immobilien und Unternehmensanleihen“

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„Wir investieren auch in Immobilien und Unternehmensanleihen“
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BZB Juni 13
Politik
KZVB
„Wir investieren auch in Immobilien
und Unternehmensanleihen“
Die Bayerische Ärzteversorgung trotzt der Niedrigzinsphase
BZB: Der SPIEGEL berichtet, dass einige Versorgungswerke aufgrund der Niedrigzinspolitik Schwierigkeiten
haben. Sie können die nötigen Kapitalrenditen nicht
mehr erzielen. Wie ist die Situation bei der Bayerischen
Ärzteversorgung?
Förster: Die Bayerische Ärzteversorgung hat das Geschäftsjahr 2012 gut gemeistert. Eine Nettorendite
von 4,3 Prozent kann sich angesichts des angespannten gesamtwirtschaftlichen Marktumfelds
durchaus sehen lassen. Das Gesamtvolumen der
Kapitalanlagen ist weiter gewachsen und beträgt
auf Buchwertbasis rund 17,9 Milliarden Euro. Die
Bayerische Ärzteversorgung ist daher trotz anhaltender Kapitalmarktturbulenzen und niedriger Zinsen – von denen übrigens alle Marktteilnehmer
(Versicherungen wie Privatanleger) gleichermaßen
betroffen sind – gut aufgestellt. Dass die Finanzierung gesichert ist, wird jährlich durch das versicherungsmathematische Gutachten, unabhängige Wirtschaftsprüfer sowie durch die Versicherungs- und
Rechtsaufsicht des Freistaats Bayern mit eigenen
Aktuaren bestätigt.
Schneider: Für die Bayerische Ärzteversorgung ist
entscheidend, dass die erzielte Rendite nicht über einen längeren Zeitraum unter dem Rechnungszins
liegt, der für die versicherungsmathematischen Berechnungen der Anwartschaften und Renten des
Versorgungswerks verwendet wird. Aktuelle Hochrechnungen haben gezeigt, dass selbst bei einem
kontinuierlich niedrigen Marktzinsniveau über die
nächsten Jahre der Rechnungszins des Versorgungswerks noch lange erreicht werden kann. Dies hat
das Versorgungswerk im Wesentlichen der Zusammensetzung des Kapitalanlagenbestands, den in den
letzten Jahren gebildeten Sicherheitspuffern sowie
Foto: Bayerische Ärzteversorgung
Die Zinsen auf den Kapitalmärkten kennen derzeit
nur eine Richtung: nach unten. Für kurzfristige Anlagen gibt es mittlerweile gar keine Rendite mehr.
Auch die Versorgungswerke leiden unter der Zinsflaute. Wir sprachen mit Dr. Michael Förster und
Dr. Günter Schneider von der Bayerischen Ärzteversorgung darüber, wie das Versorgungswerk dennoch die notwendigen Renditen erwirtschaftet.
Dr. Günter Schneider (l.) und Dr. Michael Förster vertreten die Zahnärzte im Verwaltungsausschuss der Bayerischen Ärzteversorgung.
seinem elastischen Finanzierungsverfahren, dem
offenen Deckungsplanverfahren, zu verdanken.
BZB: In welche Anlageformen haben Sie die Beiträge
Ihrer Mitglieder hauptsächlich investiert?
Förster: Das Basisinvestment besteht derzeit zu
62 Prozent aus verzinslichen Anlagen und wird ergänzt durch Immobilien (fünf Prozent) und Investmentfonds (33 Prozent), wobei die Aktienquote bei
rund neun Prozent liegt. Nun kann sich natürlich
auch die Bayerische Ärzteversorgung dem schwierigen Kapitalmarktumfeld nicht entziehen. Es müssen deshalb Anlagen gefunden werden, die einerseits sicher sind und eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit haben, und andererseits auch eine
Rendite bieten, die den Rechnungszins erreicht beziehungsweise übersteigt. Das Versorgungswerk hat
daher sehr frühzeitig eine Neufokussierung in der
Anlagestrategie eingeleitet. So wurden vermehrt
Unternehmensanleihen erstklassiger Bonität erworben, die Zinserträge oberhalb des Rechnungszinses erbringen. Zudem investiert die Bayerische Ärzteversorgung besonders in hochwertige Immobilien,
die konstante Mieteinnahmen gewährleisten. Beispielsweise wird derzeit in München-Bogenhausen
die Errichtung eines Bürokomplexes mit einer Fläche von rund 26 000 Quadratmetern vorgenommen. In einem weiteren freistehenden Bau entsteht
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ein Wohngebäude mit 28 Wohnungen, verteilt auf
acht Etagen. Bereits weit vor der Fertigstellung
konnte eine der größten europäischen Patent- und
Rechtsanwaltskanzleien als Hauptmieter gewonnen werden. Im Blickpunkt steht ferner die Ausweitung der sogenannten alternativen Anlagen.
Darunter fallen unter anderem Investitionen in die
Bereiche Transport, Versorgung, regenerative Energie und soziale Infrastruktur. Die Bayerische Ärzteversorgung identifiziert darüber hinaus langfristige
Trends, die einen systemrelevanten Hintergrund
haben und tätigt Investitionen, die weitestgehend
unabhängig von der Kapitalmarktentwicklung sind
und somit auch in volatilen Zeiten stabile Cashflows aufweisen.
Schneider: Die Komplexität der Märkte und die
rasante Geschwindigkeit der Veränderungen erfordern gründliche Analysen, hohe Aufmerksamkeit
und Entschlossenheit. Ein Beispiel ist das Verständnis von „Sicherheit“, das sich im Zuge der Finanzund Staatsschuldenkrise fundamental gewandelt
hat. Wer hätte es zum Beispiel vor einigen Jahren
für möglich gehalten, dass Brasilien ein besseres
Rating als die Ex-Kolonialmacht Portugal haben
könnte oder Anleger sogar negative Renditen akzeptieren, um in deutsche Staatsanleihen zu investieren? Die Kapitalanlagepolitik wird daher kontinuierlich an das veränderte Umfeld angepasst.
Ganz wichtig ist hierbei vor allem Solidität, aber
auch Bescheidenheit. Wir haben keine Glaskugel,
mit der wir die Zukunft voraussehen können, daher ist ein Ansatz mit spekulativen Entscheidungen
definitiv unangebracht. Gefragt sind vielmehr eine
sorgfältige Analyse und eine nachvollziehbare, gut
diversifizierte Anlagestrategie. Es bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe, die gestiegenen Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
BZB: Sind unter Ihren Investments Risikopapiere von
EU-Krisenstaaten?
Förster: Die Bayerische Ärzteversorgung hält in
ihrem Anlagevermögen keine Staatsanleihen aus
den europäischen Krisenländern.
BZB: Sind Sie ausreichend auf die demografische Entwicklung vorbereitet?
Schneider: Die Lebenserwartung hat in den letzten
Jahren stark zugenommen. So ist sie bei den männlichen Mitgliedern der Freien Berufe von 1991 bis
2012 um mehr als fünf Jahre angestiegen. Dies
ist natürlich sehr erfreulich, doch für die Versiche-
rungsträger, die lebenslange Renten zahlen, ist es
eine Herausforderung, denn sie haben dadurch höhere Aufwendungen als es bisher der Fall war. Das
Versorgungswerk musste angesichts dieser Situation
ein Konzept erarbeiten, um die Finanzierung der
höheren Lebenserwartung sicherzustellen. Durch
rechtzeitiges Handeln konnten die Belastungen
der Biometrie – übrigens aus eigener Finanzkraft –
bereits vollständig abgearbeitet werden. Auch die
durch die Anhebung der Regelaltersgrenze auf
67 Jahre freiwerdenden Mittel wurden für die Anpassung der biometrischen Rechnungsgrundlagen
verwendet. Dieser Beschluss war verständlicherweise nicht populär, leistete aber einen entscheidenden Beitrag, die berufsständische Altersversorgung für kommende Jahrgänge auf eine sichere
Basis zu stellen.
BZB: Was sagen Sie zu der These, die Euro-Krise und
die niedrigen Zinsen haben das umlagefinanzierte Rentensystem gestärkt?
Förster: Bei den aktuellen Zahlen und Prognosen
der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es
sich lediglich um eine Momentaufnahme. Die derzeitig positive Entwicklung hängt daher am seidenen Faden. Denn der Aufschwung in der Rentenkasse stützt sich nicht etwa auf eine rasante Bevölkerungszunahme oder ähnliche demografische
Faktoren, sondern auf eine relativ stabile Wirtschaft sowie einen robusten Arbeitsmarkt. Es wäre
jedoch zu einfach, darauf zu vertrauen, dass dieser
Aufschwung noch viele Jahre anhalten wird. Ob
es neue Erschütterungen im Zuge der Finanz- und
Staatsschuldenkrise, andere globale Verwerfungen
sind oder ein Stimmungswandel in der deutschen
Bevölkerung, der nächste Wirtschaftseinbruch ist
nicht auszuschließen. Und dann werden die Prognosen der gesetzlichen Rentenversicherungen wieder ganz anders ausfallen. Mit allzu einfachen
Aussagen ist also Vorsicht geboten. Das offene Deckungsplanverfahren der Bayerischen Ärzteversorgung mischt Elemente der Umlage einerseits
und der Kapitaldeckung andererseits. Die Kapitaldeckung steht im Vordergrund. Dennoch verbleibt
Raum für einen Umlageanteil. Im Ergebnis bieten
Mischverfahren durch mehrere Einflussfaktoren
und Flexibilität in der Steuerung den Vorteil, robuster gegenüber extremen Entwicklungen zu sein.
BZB: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Leo Hofmeier.