Predigten zu Jona - Reformierte Kirche Seengen

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Predigten zu Jona - Reformierte Kirche Seengen
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Predigten zu Jona
Die Geschichte des Propheten Jona wird hier als eine Parabel gedeutet, eine gleichnishafte Erzählung, die vom Auftrag des Gottesvolkes handelt (und damit indirekt von
der christlichen Gemeinde): sich mitverantwortlich zu fühlen für das Heil und die Zukunft der bedrohten Welt.
Motto
„Wo ist das Zeugnis eures Herrn, wenn ihr es selbst nicht seid?“
Diastasimos, in: Riverside (Patrick Roth, 1991)
Jona 1,1-2: Die Berufung des Herrn Taube
(03.07.2016 Seengen)
(Die Abenteuer des Herrn Taube 1; nach einer Idee von Kollege
Siegfried Arends in Wilchingen/SH)
Motto
(Spruch Gottes)
Mein Wort wird nicht wieder
leer zu mir zurückkommen,
sondern wird tun,
was mir gefällt,
und ihm wird gelingen,
wozu ich es sende.
Jes 55,11
Das Buch Jona ist, anders als die anderen Prophetenbücher der Hebräischen Bibel, des sogenannten Alten Testaments, als Erzählung über
einen Propheten – den Propheten Jona, den
Sohn des Amittai –, gestaltet.
Der erste Teil der Erzählung (Jona 1; 2) beginnt mit
der göttlichen Beauftragung Jonas, in die Stadt
Ninive zu reisen und die Bosheit der Stadt und
ihrer Einwohner anzuprangern. Jona aber flieht
auf einem Schiff in die entgegengesetzte Richtung nach Tarschisch. Ein von Gott gesandter
Sturm veranlasst die Seeleute, den ausfindig zu
machen, um dessentwillen sie in die lebensbedrohende Situation geraten sind. Daraufhin erzählt Jona ihnen von seiner Flucht vor seinem
Gott und fordert die Seeleute auf, ihn über Bord
zu werfen. Als sie das tun, legt sich der Sturm.
Tief beeindruckt bringen die nichtisraelitischen
Seeleute dem Gott Jonas Opfer dar und legen
ihm Gelübde ab. Jona aber wird von einem
grossen Fisch verschlungen, den Gott gesandt
hat. Im Bauch des Fisches spricht Jona ein
Dankgebet, und bald darauf wird er vom Fisch
aufs Festland gespuckt.
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Der zweite Teil (Jona 3; 4) beginnt wie der erste:
Wiederum schickt Gott Jona nach Ninive, dieses Mal aber macht Jona sich auf den Weg. In
Ninive angekommen, kündigt er der Stadt an,
sie werde in vierzig Tagen zerstört sein. Daraufhin tun die Niniviter, ihr König und sogar die Tiere der Stadt Busse und hoffen, Gott werde das
angekündigte Unheil abwenden. Von ihrer Umkehr berührt, führt Gott seine Drohung tatsächlich nicht aus. Das aber missfällt Jona: Eben
weil er gewusst habe, dass Gott gnädig und
barmherzig ist – so hält er Gott vor –, sei er
nach Tarschisch geflohen. Als Jona trotzig die
Stadt verlässt, um das weitere Geschehen abzuwarten, lässt Gott einen Rizinusstrauch wachsen, der Jona Schatten spendet. Wenig später
aber sendet er einen Wurm, der den Strauch
anfrisst und zum Verwelken bringt. Anschliessend schickt er einen heissen Wind, der Jona
zusammenbrechen lässt. Als Jona daraufhin
zornig wird, erklärt Gott ihm, warum er so gehandelt hat: Nimmt Jona sich das Recht, das
Verwelken des Rizinus zu betrauern, so hat
Gott nicht weniger das Recht, mit Ninive und
seinen Einwohnern und Tieren Mitleid zu haben…
Jona 1,1
Und das Wort Gottes erging an Jona, den
Sohn des Amittai: 2„Mach dich auf, geh nach
Ninive, in die grosse Stadt, und rufe gegen sie
aus, denn ihre Bosheit ist vor mir aufgestiegen“.
Predigt zu Jona 1,1-2 „Die Berufung des Herrn Taube“
Herr Taube und der Auftrag der Gemeinde
Namen sind in der Bibel selten zufällig gewählt.
Meistens oder doch sehr oft haben sie eine tiefere Bedeutung. Das ist bei Jona nicht anders.
Der Name Jona bedeutet wörtlich „Taube“. Das
Buch Jona beschreibt also die Abenteuer des
„Herrn Taube“ mit all seinen Um- und Irrwegen.
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Der Name erinnert uns an eine andere berühmte Geschichte, in der eine Taube vorkommt:
Nach der Sintflut, nach der grossen Flut, in der
die ganze Schöpfung unterzugehen droht, öffnet Noah das Fenster der Arche und schickt
eine Taube los, um zu erkunden, ob die Erde
wieder bewohnbar ist. Da, wo die Taube sich
wohlfühlt, dort werden auch Menschen leben
können.
Jona, die Taube, ist gleichzeitig auch das Symbol des Volkes Israel, des Volkes Gottes und
damit indirekt der christlichen Gemeinde. So
wie Noah die Taube losschickt, um zu erkunden, ob die Erde wieder bewohnbar ist, so soll
das Volk Gottes sich auf die Suche machen
nach Orten, an denen menschliches Leben
möglich ist. Herr Taube – also: Jona – repräsentiert somit das ganze Volk Gottes, das nun
angesprochen wird: „Und das Wort Gottes
erging an Jona...“ (V.1).
In der Bibel werden immer wieder Menschen
gerufen, berufen. Im Alten Testament und im
Neuen.
Diese Spur setzt sich fort – bis heute: „Ecclesia“, das lateinisch-griechische Wort für Kirche,
meint: „diejenigen, die gerufen sind“. Christinnen und Christen sind herausgerufen aus den
Selbstverständlichkeiten. Durch unsere Taufe
sind wir bei unserem Namen gerufen. Wir sind
angesprochen, haben einen Auftrag. Gottes
Wort richtet sich an uns:
Jona 1,1
Und das Wort Gottes erging an Jona, den
Sohn des Amittai: 2„Mach dich auf, geh nach
Ninive, in die grosse Stadt, und rufe gegen sie
aus, denn ihre Bosheit ist vor mir aufgestiegen“.
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Aufstehen für Wahrhaftigkeit
Jona wird uns vorgestellt als der Sohn Amittais:
in dem Namen Amittai steckt das hebräische
Wort für „Wahrheit/Wahrhaftigkeit“. Und um diese Frage geht es letztlich: Ob Jona wirklich ein
„Wahrhaftiger“ ist, einer, der für Wahrheit einsteht. Darum geht es: ob Herr Taube, ob die
Gemeinde, ob wir wahr(haftig)e Zeuginnen und
Zeugen sind.
Das Wort Gottes richtet sich also an Jona. Aber
was bekommt Herr Taube denn zu hören?
„Mach dich auf“ (V.2) heisst es da zuerst einmal –
oder besser: „Steh auf!“ Jona soll aufstehen.
Immer wenn jemand so aufgefordert wird „aufzustehen“, dann geschieht etwas Neues in der
Bibel. Man steht auf, um etwas zu tun. Man
steht nicht auf, um nichts zu tun. Sonst könnte
man genauso gut liegen bleiben. Sonst wäre
man wie tot und gehörte nicht in das Land der
Lebenden. Leben heisst: aufstehen und seinem
Lebensauftrag Gestalt geben.
Wenn es hier heisst: „Steh auf!“, dann sollten
wir also hellhörig werden. Es wird etwas Überraschendes passieren!
Und das Überraschende in Jonas Fall besteht
darin, dass Jona sich ausgerechnet nach Ninive
begeben soll, um dort Gottes Wort zu verkündigen: „Mach dich auf, geh nach Ninive, in die
grosse Stadt, und rufe gegen sie aus, denn ihre
Bosheit ist vor mir aufgestiegen“ (V.2).
Ninive – „Achse des Bösen“
Nun muss man wissen, dass Ninive nicht irgendeine Stadt war. Ninive war die Hauptstadt
Assyriens. Und die Assyrer hatten ihr Bestes
getan, um das Volk Israel vom Erdboden verschwinden zu lassen, es zu vernichten. Jona
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sollte also in das Land gehen, von dem man
sich in Israel am meisten bedroht fühlte. Ninive
– das war der Inbegriff des Bösen, des Gottlosen. Ninive – das Symbol des Verderblichen,
die „Achse des Bösen“ also, wie es in heutiger
Propagandasprache heisst! Wenn es darum
heisst: „Geh nach Ninive, in die grosse Stadt“
(V.2), dann steckt darin bereits etwas von der Bedrohung, die von Ninive ausgeht.
Ausgerechnet dieser Stadt muss Jona ansagen,
dass ihre Bosheit zum Himmel stinkt. Damit ist
klar, dass Gott mit dieser Stadt noch etwas vorhat. Dieser Auftrag zielt nicht auf die Vernichtung Ninives, sondern auf dessen Veränderung
und Umkehr, vielleicht sogar auf dessen Rettung. Sonst wäre der Auftrag ja sinnlos. Wenn
es nur um Zerstörung ginge, dann bräuchte es
keinen Propheten. Jona wird geschickt, damit
Ninive eine Chance bekommt, damit sich dort
etwas ändert. Jona ahnt dies, aber es passt ihm
überhaupt nicht. Er will sich diesem Auftrag entziehen. Herrn Taube, dem Symbol des Friedens, passt es gar nicht, dass dieser Friede,
dass Gottes Friede ausgerechnet dem gottlosen
Ninive gelten soll.
Ein ganz bestimmter Auftrag
Jona erhält also einen ganz präzisen Auftrag
mit einer ganz präzisen Ortsangabe.
Die Frage an uns lautet jetzt für mich, ob es diesen ganz bestimmten Ort auch für uns gibt, für
uns als einzelne und für uns als Gemeinde, als
Kirche, als Gottesvolk. Wie könnte unser ganz
konkreter Auftrag lauten angesichts einer ganzen Welt (nicht nur einer „grossen Stadt“), die vom globalen
Klimawandel bedroht ist, unter dem vor allem
die Schwächsten und Ärmsten schon heute
leiden?
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Jona wird genau dahin bestellt, wo der Name
Gott und alles, wofür er steht, in Frage gestellt
wird. Er wird genau an den Ort gesandt, den er
mit Gott auf keine Weise zusammen denken
kann. Ausgerechnet dort braucht Gott ihn. Dort
will ER sich bewähren, wenn auch anders, als
Jona das erwartet.
Nach Ninive gesandt zu werden, bedeutet also,
dass wir genau dorthin gestellt werden, wo wir
Gott am allerwenigsten erwarten oder vermuen. Dort will ER sich bewähren – vielleicht ganz
anders als wir denken. Und sicher ganz anders
als Jona sich seinen Gott vorgestellt hat.
Anders als wir ihn uns vorstellen. Dort will Gott
Böses zum Guten wenden.
Mit den Füssen glauben
„Mach dich auf – steh auf, geh nach Ninive!“ (V.1)
Für uns heisst das: Es gibt keinen Ort, keinen
Bereich des Lebens, mit dem Gott nichts zu tun
haben will. Er lässt sich nicht heraushalten aus
dem schmutzigen Geschäft der Politik. Er lässt
sich nicht heraushalten aus der Wirtschaft, die
behauptet, ihre eigenen Gesetze zu haben. Er
lässt sich nicht heraushalten aus unseren Familien, auch nicht aus den vermeintlich ewigen
Konflikten und Streitigkeiten. Er lässt sich nicht
heraushalten aus den Dunkelheiten meiner
Seele, den Abgründen in mir selbst.
Und sicher heisst es auch, dass er sich nicht
heraushalten lässt aus der selbstgemachten
Katastrophe, die Klimawandel heisst. Angesichts der drohenden Zerstörung des Lebens
sollen wir festhalten an dem Gott des Lebens
und an seinen Verheissungen – in Wort und
Tat.
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Gott ist da, wo wir ihn am wenigsten erwarten
und kaum etwas von seiner Gegenwart wahrnehmen. Mit dem Kopf ist das schwer zu verstehen. Auch das Herz will es nicht so recht begreifen. Aber Jona soll nicht mit dem Kopf und
dem Herzen glauben – er soll vor allem mit den
Füssen glauben. Er soll sich auf den Weg machen, damit Kopf und Herz am Ende verstehen,
dass Gott grösser ist als Jona sich das vorzustellen vermag.
„Mach dich auf – steh auf, geh nach Ninive!“ (V.1)
Richtig glauben können wir nur mit den Füssen,
wenn wir uns aufmachen und konkrete Schritte
im Sinne Gottes tun… Ivone Gebara, eine brasilianische Befreiungstheologin sagt es so: „In
den Füssen liegt die Hoffnung. Wer aufsteht
und neue Schritte im Leben geht, gewinnt auch
die Zukunft.“
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Jona 1: Der Abstieg des Herrn Taube
(21.08.2016 Seengen, mit Fahnenweihe Turnverein Seengen)
(Die Abenteuer des Herrn Taube 2; nach einer Idee von Kollege
Siegfried Arends in Wilchingen/SH)
Motto
(Spruch Gottes)
Habe ich etwa Gefallen
am Tod eines Ungerechten?
Nicht vielmehr daran,
dass er zurückkehrt
von seinen Wegen
und am Leben bleibt?
Ez 18,23
Jonas Flucht vor Gott
Jona 1,1
Und das Wort Gottes erging an Jona, den
Sohn des Amittai: 2„Mach dich auf, geh nach
Ninive, in die grosse Stadt, und rufe gegen sie
aus, denn ihre Bosheit ist vor mir aufgestiegen“.
3
Jona aber machte sich auf, um vor Gott nach
Tarschisch zu fliehen. Und er ging hinab nach
Jaffa und fand ein Schiff, das nach Tarschisch
fuhr. Und er zahlte sein Fährgeld und stieg hinab in das Schiff, um mit ihnen nach Tarschisch
zu fahren, weg von Gott.
4
Gott aber warf einen gewaltigen Wind auf das
Meer, und über dem Meer zog ein schwerer
Sturm auf, und das Schiff drohte auseinander
zu brechen. 5Und die Seeleute fürchteten sich,
und jeder schrie zu seinem Gott. Und die Ladung, die auf dem Schiff war, warfen sie ins
Meer, um es davon zu erleichtern. Jona aber
war hinabgestiegen in die hintersten Winkel des
Schiffs und hatte sich niedergelegt und war eingeschlafen.
6
Da kam der Kapitän auf ihn zu und sagte zu
ihm: Was ist mir dir? Du schläfst ja! Mach dich
auf, rufe zu deinem Gott, vielleicht erinnert Gott
sich unser, und wir gehen nicht zugrunde. 7Und
sie sagten, ein jeder zu seinem Nächsten:
Kommt und lasst uns Lose werfen, wir wollen
erfahren, um wessen willen uns dieses Unglück
trifft. Und sie warfen Lose, und das Los fiel auf
Jona.
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8
Da sagten sie zu ihm: Sag uns doch, um wessen willen uns dieses Unglück trifft. Was ist dein
Gewerbe, und woher kommst du, welches ist
dein Land, und aus welchem Volk bist du? 9Und
er sagte zu ihnen: Ich bin ein Hebräer, und ich
fürchte den Gott des Himmels, der das Meer
und das Trockene gemacht hat. 10Da gerieten
die Männer in grosse Furcht und sagten zu ihm:
Was hast du da getan! Denn die Männer wussten, dass er vor Gott floh, er hatte es ihnen gesagt. 11Und sie sagten zu ihm: Was sollen wir
mit dir machen, damit das Meer sich beruhigt
und von uns ablässt?, denn das Meer wurde
immer stürmischer. 12Und er sagte zu ihnen:
Packt mich und werft mich ins Meer, damit das
Meer sich beruhigt und von euch ablässt! Denn
ich weiss, dass dieser schwere Sturm meinetwegen über euch gekommen ist.
13
Die Männer aber ruderten verbissen, um das
Schiff zurück ans Trockene zu bringen, aber sie
schafften es nicht, denn das Meer wurde immer
stürmischer gegen sie. 14Da riefen sie Gott und
sprachen: Ach Gott, bitte lass uns nicht zugrunde gehen, wenn wir diesem Mann das Leben
nehmen, und rechne uns unschuldiges Blut
nicht an, denn du, Gott, hast gehandelt, wie es
dir gefallen hat.
15
Dann nahmen sie Jona und warfen ihn ins
Meer, und das Meer wurde still und tobte nicht
mehr. 16Da kam grosse Furcht vor Gott über die
Männer, und sie schlachteten ein Opfer für Gott
und legten Gelübde ab.
Predigt zu Jona 1 „Der Abstieg des Herrn Taube“
Falscher Schlaf zur falschen Zeit
Der Mensch braucht Schlaf. Schlafen ist gesund, jeder Mensch braucht Schlaf… Nur welchen Schlaf? – Es gibt ja viele verschiedene Arten von Schlaf. Es gibt den Tiefschlaf und den
Halbschlaf, es gibt den Sekundenschlaf und
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den Mittagsschlaf, es gibt den Winterschlaf und
sogar den Kirchenschlaf… Es gibt auch den
Schlaf des Gerechten, also desjenigen, der sich
nichts vorzuwerfen hat und nicht von seinem
Gewissen geplagt wird. „Den Seinen gibt’s der
Herr im Schlaf“, heisst es in den Psalmen, womit gesagt sein soll, dass uns das Entscheidende ohne unser Zutun geschenkt wird. Glücklich
also, wer gut schlafen kann!
Es gibt aber auch den falschen Schlaf zur falschen Zeit. Jona schläft zur falschen Zeit am
falschen Ort. Der Schlaf, den er schläft, ist ein
falscher Schlaf.
Ein unmöglicher Auftrag
Am Anfang steht Gottes Auftrag, der lautet:
"Mach dich auf – steh auf, geh nach Ninive!" (V.1)
Ninive – das ist nicht irgendeine Stadt. Ninive,
das ist der Inbegriff der Welt, wie sie nicht sein
soll. Ninive reimt sich auf Ungerechtigkeit und
Gewalt, auf Korruption und zerstörte Beziehungen. Ninive steht für die Welt, wie Gott sie nie
gewollt hat.
Ausgerechnet dorthin soll Jona gehen!? Warum? Offenbar hat Gott keinen Frieden damit,
wenn Menschen sich das Leben zur Hölle machen. Das muss anders werden!
Jona dagegen hat überhaupt keine Lust auf
dieses Abenteuer. Warum soll er sich freiwillig
in die Höhle des Löwen begeben? Ausserdem:
Wer wartet in Ninive schon auf so einen wie Jona? Wer interessiert sich schon dafür, was so
einer wie Jona zu sagen hat?
Kann also sein, dass Jona Angst hat. Kann
sein, dass er keine Lust hat. Aber das ist noch
nicht alles. Später wird sich zeigen, dass das ei-
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gentliche Problem, das Jona mit diesem Auftrag
hat, ein anderes ist: Jona sieht überhaupt nicht
ein, warum Gott sich ausgerechnet um das verdorbene Ninive kümmern sollte. Und dementsprechend sieht er auch nicht ein, warum ausgerechnet er, Jona, sich um dieses Ninive
kümmern sollte.
Doch Gottes Auftrag bleibt, und er lautet trotz
alledem immer noch: "Mach dich auf – steh auf,
geh nach Ninive!" (V.1) Und tatsächlich: Jona steht
auf und geht, aber nicht nach Ninive – dazu hätte er nach Osten gehen müssen. Jona geht genau in die entgegengesetzte Richtung – nach
Westen. Er löst ein Schiffsbillet, einfache Fahrt
ohne Rückweg, nach Tarschisch, Richtung Spanien. Das war damals der äusserste westliche
Rand der Erde. So weit wie möglich also weg
von Ninive!
Weiss Jona denn nicht, dass man Gott so einfach nicht entkommt, dass er Gott nirgends entkommt? … Das ist hier nicht die Frage…
Immer tiefer
Jona flieht also. Er soll nach Osten, aber er geht
nach Westen. Wörtlich heisst es, dass er hinabsteigt nach Jaffa, denn von Jerusalem aus
steigt man ab, wenn man in die Hafenstadt Jaffa geht. Dort angekommen, steigt er hinab in ein
Schiff. Und in diesem Schiff steigt Jona dann hinab in den untersten Schiffsraum. Und dort im
untersten Schiffsraum steigt er nochmals hinab,
dort lässt er sich fallen und zwar in einen tiefen
Schlaf. Jona taucht also völlig unter, er taucht
ab. Fast möchte man meinen: tiefer geht’s nicht;
doch wir werden hören, dass er noch tiefer sinken kann; der Schlaf ist ja nur der kleine Bruder
des Todes – des Todes, der auf dem Meeresgrund wartet. Dort ist Jona zwar noch nicht an-
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gekommen, aber vorläufig ist er so tief gesunken, wie es ihm menschenmöglich war. Er hat
sich in den Schlaf geflüchtet. Deswegen muss
ich sagen: Jona schläft einen falschen Schlaf
zur falschen Zeit am falschen Ort.
Schlafen im Sturm
Aber kann man denn schlafen – mitten im
Sturm? Ein „gewaltiger Sturm“ tobt und das
Schiff droht unterzugehen. Kann man denn
schlafen, wenn ringsherum die Welt unterzugehen droht? – Doch, offensichtlich kann
man das. Jona kann das… Viele können das…
Das gibt es ja: dass die Kirche nicht nur eine
völlig andere Richtung einschlägt, weg von
ihrem Auftrag, sondern dass sie dann auch
noch schläft. Dass sie ruhig weiterschläft, während die Welt unterzugehen droht. Das ist das
schlimmste, was man von der Kirche, von der
Gemeinde, von uns sagen kann: dass wir einen
falschen Schlaf schlafen. Dass wir keine schlaflosen Nächte haben, wenn die Welt in Flammen
steht oder unterzugehen droht. Dass wir seelenruhig schlafen, während der Sturm tobt.
Dass wir schlafen, während die Gletscher
schmelzen, die Regenwälder abgeholzt werden,
die Wüsten wachsen, der Meeresspiegel steigt,
Menschen verschleppt und gefoltert werden...
Alle beten – ausser Jona
Es ist dann eine wirklich ironische, eine komische Szene, die sich auf dem Schiff abspielt:
Die ganze Mannschaft, alle beten zu ihrem
Gott. Es heisst sogar: Jeder schreit zu seinem
Gott. Oben an Deck flehen die Menschen zu
ihren Göttern in ihrer Verzweiflung und in ihrer
Panik, nur Jona, der Mann Gottes, schläft, anstatt zu beten. Menschen schreien um Hilfe,
schreien nach Rettung, doch die Kirche schläft!
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Die Kirche heute schläft zum Beispiel, wenn sie
die Stimme der bedrohten Kreatur nicht in der
Frömmigkeit anderer Religionen entdeckt. Religionen, in denen oft mehr Achtsamkeit im Umgang mit der Natur gepflegt wird.
Die Kirche heute schläft zum Beispiel, wenn sie
die Stimme der bedrohten Kreatur nicht in der
Ethik anderer Lebensentwürfe entdeckt. Lebensentwürfe, in denen oft mehr auf die Würde
der Natur geachtet wird als bei uns….
Es ist ja komisch, dass ausgerechnet der Kapitän, der doch genau wie die anderen Seeleute
gar nicht zum Gottesvolk gehört, Jona an seinen Auftrag erinnern muss: „Was fällt dir ein zu
schlafen? Auf, rufe deinen Gott an; vielleicht
hilft er uns, dass wir nicht verderben“ (vgl. V.6).
Manchmal muss die Gemeinde offenbar erst
geweckt werden aus ihrem Kirchenschlaf:
„Wenn ihr Christen seid, dann tut etwas! Betet
für uns, sagt etwas, steht auf! Warum seid ihr
nicht solidarisch mit uns?“
Es ist wirklich eine verkehrte Welt dort auf dem
Schiff: Jona sollte die Ungläubigen in Ninive zur
Umkehr bewegen. Jetzt müssen die Andersgläubigen den Mann Gottes zur Umkehr bewegen. Sie tun alles, um Jona zu retten. Sie rudern mit Leibeskräften, weil sie Jona nicht über
Bord werfen wollen, auch als längst klar ist,
dass Jona das Problem ist. Die Menschen auf
dem Schiff tun alles, um Jona zu retten, während Jona nichts tut, um die Menschen in Ninive
zu retten!
Lebensmüde
Auch als Jona endlich aus seinem falschen
Schlaf erwacht ist, bleibt er ein hartnäckiger
Fall. Natürlich, an seinem Bekenntnis ist nichts
auszusetzen. Das klingt wunderbar: „Ich bin ein
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Hebräer“, stellt er sich vor, „und ich verehre den
Gott des Himmels, der das Meer und das Trokkene gemacht hat“ (vgl. V.9).
Gut gesagt, Jona! Das hast du gut auswendig
gelernt! Du kennst deinen Katechismus, aber
was nützt das, wenn die Menschheit dir egal
ist? Was nützt das, wenn dir auch jetzt nichts
anderes einfällt als zu sagen: „Werft mich über
Bord!“ (vgl. V.12) Jona macht sich auch jetzt wieder
lächerlich. Statt sich endlich seinem Auftrag zu
stellen, will er sich aufgeben, sich aufopfern. Als
ob es Gott darum ginge! Als ob es Gott um
Menschenopfer ginge! Als ob Gottes Zorn
gestillt werden müsste!
Narrenspiegel
Dabei dient der Sturm doch nur dazu, diesen
„Frommen“ wachzurütteln, damit er sich endlich
auf seinen Auftrag besinnt. Sein Auftrag, der
lautet, Ninive – die Welt – vor der Zerstörung zu
bewahren. Alles in dieser Geschichte – der
Sturm, der grosse Fisch –, alles zielt auf Rettung und nicht auf Zerstörung oder Rache. Wer
gibt uns Menschen dann noch das Recht, bei
der drohenden ökologischen Katastrophe von
göttlichem Gericht zu sprechen? Wenn es doch
diesem Gott um das Leben geht und um Rettung!? Naturkatastrophen, wie sie sich in den
vergangenen Jahren zu häufen scheinen, sollten in uns nicht Fatalismus und Weltuntergangsstimmung wecken, sondern uns aufrütteln
aus dem falschen Schlaf, um uns wieder „auf
Kurs zu bringen.“
Die Geschichte von Jona ist wie ein Spiegel: ein
Spiegel, in dem wir uns selbst erkennen können. Wir dürfen lachen über diesen lächerlichen
Propheten, der keiner sein will. Dabei sollten wir
aber auch gleichzeitig über uns selbst lachen
und uns klar machen: Oft sind wir wie Jona:
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- Wir sind wie Jona, wenn wir selbst auf der
Flucht sind vor unserem Lebensauftrag
und vor den Herausforderungen dieser
Zeit.
- Wir sind wie Jona, wenn wir schlafen, anstatt an der Seite derer wach zu sein, die
unseren Einsatz brauchen.
- Wir sind wie Jona, wenn wir fatalistisch
dem Untergang entgegensehen, statt unseren Auftrag für Gottes Schöpfung zu erfüllen.
Gott hat wirklich alle Hände voll zu tun mit seinem Personal. Er hat wirklich alle Hände voll zu
tun, um seine Kirche, seine Boten – um uns! –
genau dorthin zu bringen, wo wir hingehören.
Um uns zu wecken aus unserem falschen
Schlaf zur falschen Zeit am falschen Ort. Weil
er uns braucht, am richtigen Ort, zur rechten
Zeit – hellwach!
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Jona 2: Herr Taube wird fromm
(28.08.2016 Boniswil)
(Die Abenteuer des Herrn Taube 3; nach einer Idee von Kollege
Siegfried Arends in Wilchingen/SH)
Motto
(Spruch Gottes)
Ich habe kein Gefallen
am Tod dessen, der sterben muss!
Kehrt um und bleibt am Leben!
Ez 18,32
Jonas Gebet. Seine Rettung
Jona 2,1
Und Gott liess einen grossen Fisch kommen, der Jona verschlingen sollte. Und drei Tage und drei Nächte lang war Jona im Bauch des
Fisches. 2Und aus dem Bauch des Fisches betete Jona zu seinem Gott, 3und er sprach:
„Als ich in Not war, rief ich zu Gott,
und er hat mich erhört.
Aus dem Innern des Totenreichs rief ich um
Hilfe,
du hast meine Stimme gehört.
4
Du hattest mich in die Tiefe geworfen,
mitten ins weite Meer,
und die Strömung umspülte mich,
all deine Wogen und deine Wellen gingen
über mich hinweg.
5
Und ich, ich sprach: Ich bin verstossen,
deinen Augen entzogen!
Doch ich werde wieder aufblicken
zu deinem heiligen Tempel!
6
Das Wasser stand mir bis zum Hals,
die Flut umspülte mich,
Schilf hatte sich um meinen Kopf gewickelt.
7
Zum Fuss der Berge war ich hinabgefahren,
die Erde – ihre Riegel schlossen sich hinter
mir für immer.
Da hast du mein Leben aus der Grube gezogen,
Du, mein Gott!
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8
Als meine Lebenskraft sich mir versagte,
erinnerte ich mich Gottes,
und mein Gebet kam zu Dir
in Deinen heiligen Tempel.
9
Die nichtige Götzen (wörtlich: „Nichtse des Nichts“) verehren,
lassen ihre Gnade fahren.
10
Ich aber will dir Opfer schlachten mit lautem
Danken,
was ich gelobt habe, will ich erfüllen!
Die Hilfe ist bei Gott!“
11
Und Gott sprach zum Fisch, und dieser spie
Jona aufs Trockene.
Das Gebet von Jona bzw. das ganze 2. Kapitel des Jonabuches) findet sich auch als Nummer 147 im Reformierten Kirchengesangbuch (RG).
Gedankensplitter
Wenn einem Das Wasser bis zum Hals steht,
sollte man den Kopf nicht hängen lassen!
Predigt zu Jona 2 „Herr Taube wird fromm“
Magenschmerzen
Die Seeleute werfen Jona ins Meer. Und statt
unterzugehen in den Fluten des Meeres, wird
Jona von einem grossen Fisch verschluckt. Drei
Tage verbringt er im Bauch des Fisches, bis
dieser ihn wieder ausspuckt. Offenbar lag der
Prophet dem Fisch zu schwer auf dem Magen,
denn Jona findet sich unversehrt am Ufer
wieder...
Umgekehrt hat diese Geschichte vom Fisch
Menschen über Generationen hinweg auch
schwer auf dem Magen gelegen. Wie soll man
sich das vorstellen: ein Mensch, der drei Tage
im Bauch eines Fisches verbringt? Das gibt es
doch gar nicht! Und ausserdem: Solch grosse
Fische kommen im Mittelmeer doch gar nicht
vor! Manche haben eifrig nach Erklärungen gesucht, um zu beweisen, dass das alles doch
irgendwie möglich sein müsste. Der Phantasie
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waren bei diesen Erklärungsversuchen kaum
Grenzen gesetzt. Den Vogel – um nicht zu sagen: die Taube (deutsch für „Jona“) – abgeschossen hat dabei vielleicht der fromme Kommentator, der meint, dass Jona von einem
Schiff aufgegabelt wurde, das den Namen „Der
Walfisch“ trug!
Uns sollte dieser Fisch wirklich nicht zu schwer
auf dem Magen liegen. Wir wissen nämlich,
dass es sich bei der Jona-Geschichte um eine
gleichnishafte Erzählung handelt. Jona steht für
das Volk Israel, das Volk Gottes, und damit
indirekt für die christliche Gemeinde, die alle
einen Auftrag haben: ihre Verantwortung zu
übernehmen für eine bedrohte Welt; hinzugehen, in die Zentren der Macht und der Gottlosigkeit, um den Finger auf die Wunden zu legen
und Nein zu sagen.
So wie Jona, der Prophet, flieht, so flieht die Kirche, fliehen wir nur allzu gern vor diesem Auftrag. Und so wie Jona wieder eingeholt wird von
seinem Auftrag, so wird auch die Kirche, werden auch wir immer wieder eingeholt von diesem Auftrag – denn Gott bleibt hartnäckig.
Der Abstieg
Nun sitzt also Jona, die Taube, im Fisch. Dieser
Fisch steht für den absoluten Tiefpunkt, an den
ein Mensch gelangen kann. Die Taube, die auffliegen sollte mit ihrem Auftrag, ist hinabgesunken in die tiefsten Tiefen. Der ganze Weg des
Jona war ja bisher ein einziger Abstieg.
Heisst es doch, dass Jona hinabgestiegen war
in die Hafenstadt Jaffa; dass er dort in ein Schiff
hinabstieg und in diesem Schiff in den untersten Schiffsraum hinabstieg. Und dort unten
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liess er sich nochmals fallen, nämlich in einen
tiefen Schlaf.
Fast hat man das Gefühl: Tiefer geht es nicht.
Doch es geht noch tiefer: Jona landet in den
Tiefen des Meeres, im Bauch des riesigen
Fisches. Das Meer im Allgemeinen und dieser
Fisch als Meeresungeheuer im Speziellen ist in
der Hebräischen Bibel der Inbegriff der Gefahr,
des Untergangs, ja des Totseins. Dort unten
geht wirklich nichts mehr!
Das sind starke Bilder, starke Symbole für das,
was Menschen erfahren, was sie durchmachen
können in ihrem Leben. Wenn es dunkel um
mich wird; wenn mir der Boden unter den Füssen schwindet; wenn alles über mir zusammenzustürzen droht; wenn ich nicht mehr weiter
weiss und das Gefühl habe: Tiefer kann ich
kaum fallen. Wenn Krankheit oder Tod oder der
Verlust meines Arbeitsplatzes, der Verlust eines
geliebten Menschen mein Leben bedrohen.
Wenn die Zukunft der bewohnten Erde mir
unsicher erscheint.
Jona wird fromm
Was macht ein Mensch in solch einer Situation?
Nun, wir wissen, was Jona macht: Jona fängt
an zu singen. Jona fängt dort im Bauch des Fisches an, Psalmen zu singen! Die Lieder hallen
nur so im Bauch des Fisches. Die Psalmgebete
kommen ihm wieder in den Sinn. Endlich, muss
man vielleicht sagen. Endlich betet Jona! Nachdem er sich bislang hartnäckig geweigert hat,
mit Gott zu kommunizieren. Als Gott Jona rief,
machte er sich aus dem Staub. Als das Schiff in
einen Sturm geriet, schlief er. Als alle, aber
auch alle Seeleute, anfingen, zu ihren Göttern
zu beten, schlummerte Jona. Hartnäckig hatte
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Jona sich der Kommunikation mit Gott verweigert. Doch nun endlich findet Jona seine Sprache wieder.
„Not lehrt Beten“, so lautet ein alter Spruch, der
die Erfahrung ausdrücken soll, dass Menschen
sich in Krisensituationen plötzlich wieder auf
Gott besinnen. „Not lehrt Beten“ – der Spruch
stimmt aber nur zum Teil. Und deshalb stimmt
er eigentlich überhaupt nicht. Not lehrt nämlich
nicht das Beten! Die Not erzeugt in uns vielleicht das Bedürfnis, etwas herauszuschreien.
Das mag ein erster Schritt des Betens sein.
Doch was wir beten können, lehrt uns die Not
nicht. Die Schiffsleute im Sturm wussten auch
nicht, an wen sie sich wenden sollten; sie
schrien nur irgendwie ihre Verzweiflung heraus.
Wer es nicht vorher gelernt hat, der lernt das
Beten wahrscheinlich auch nicht in der Not.
Jona kann nämlich nur das beten, was er früher
gelernt hat. Weil er vertraut ist mit der Sprache
der Psalmen, findet er jetzt Worte für seine Situation. Das Gebet des Jona ist eine Aneinanderreihung von Psalmzitaten. Brocken, die er
kennt und die ihm jetzt wieder in den Sinn kommen: „Die Wasser gingen mir bis an die Seele
(V.6)...; da zogst du mein Leben empor aus der
Grube (V.7)...“
Jona im Walfisch erinnert mich daran, wie wichtig es ist, dass wir uns und unsere Kinder vertraut machen mit dem Schatz von Geschichten
und Liedern, von Bildern und Gebeten aus der
biblischen Tradition, damit wir einen Halt haben
und über eine Sprache verfügen, die in den
schwierigen Augenblicken des Lebens – und
des Todes! – trägt.
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Liturgie im Bauch des Fisches
Was aber betet Jona nun eigentlich?
Erstaunlicherweise ein Loblied! Dort unten,
ganz unten: Was gibt es da zu loben?
Jona feiert eine Art Liturgie – ganz im klassischen Sinne: mit Kyrie und Gloria, mit „Herr,
erbarme dich“ und „Ehre sei Gott“. Klage und
Dank in einem Atemzug. Und so wird die Liturgie, werden die Psalmgebete zu einer Art Rettungsring. Daran sollen und können wir uns wie
Jona festhalten.
Und so nimmt Jona singenderweise seine Rettung vorweg. Denn um Errettung geht es ja.
Das ist ja die zentrale Erfahrung in der Bibel:
dass es einen Weg durch das Wasser des Todes hindurch gibt. Das hat Noah erfahren inmitten der Sintflut. Das hat der kleine Mose erfahren, als er aus dem Nil gefischt wurde. Das hat
das Volk Israel erfahren, als es durch das
Schilfmeer zog – und das wird auch Jona erfahren. Am dritten Tag wird der Fisch ihn wieder
ausspucken. Immer wieder gibt es diese Erfahrung des dritten Tages, die Erfahrung der Wende, die Erfahrung der Befreiung. Am dritten Tag
kehrt auch Jesus aus dem Totenreich zurück…
Die Bibel ist eine Sammlung von Befreiungsgeschichten und Befreiungsliedern. Deswegen
kann Jona hier unten von Befreiung, von Rettung und Hilfe singen.
Lieder, die zum „Kotzen“ sind?
Es bleibt mir aber ein gewisses Unbehagen:
dass dieser dickköpfige Jona, der sich vor seinem Auftrag drückt, nun plötzlich so fromm daher kommt. Er, dem das Schicksal seiner Mitmenschen so egal war, ausgerechnet er spuckt
nun so fromme Töne. Was sind diese frommen
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Lieder wert? Wird Jona seinen Auftrag nun anpacken?
Wir werden sehen, dass Jona auch nach seiner
Rettung ein Dickkopf bleibt. Auch danach führt
er seinen Auftrag, wenn überhaupt, nur sehr widerwillig aus. Vielleicht spuckt der Fisch Jona ja
auch deshalb aus, weil er die frommen, die
scheinheiligen Töne in seinem Inneren nicht
länger ertragen kann. Weil er sie „zum Kotzen“
findet und sie ihm schwer auf dem Magen
liegen…
Was sind uns unsere frommen Lieder, Feiern
und Gottesdienste wert? Sind sie verbunden mit
tatsächlicher Umkehr und wirklichem Engagement? – Nur eine Liturgie, nur Gottesdienste
und Feiern die im Dienst der praktischen Nachfolge stehen, die Gottes Auftrag in die Welt und
den Alltag hinaustragen, haben Bestand. Denn
Gott will Zukunft und Leben für diese Welt. Das
müssen wir – und Herr Taube – immer wieder
neu lernen.
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Jona 3-4: Herr Taube – die Karikatur eines Propheten
(04.09.2016 Egliswil mit Besuch Gemeindeausflug Diessenhofen TG)
(Die Abenteuer des Herrn Taube 4; nach einer Idee von Kollege
Siegfried Arends in Wilchingen/SH)
Motto zu Kap 3
(Spruch Christi)
So wird man sich auch im Himmel
mehr freuen über einen Sünder,
der umkehrt,
als über neunundneunzig Gerechte,
die keiner Umkehr bedürfen.
Lk 15,7
Motto zu Kap 4
Das Geheimnis des Lebens
besteht darin,
Gottes Verrücktheit
zu teilen.
John Cowper Powys
Jonas Entsendung nach Ninive. Die Wirkung seiner Busspredigt
Jona 3,1
Und das Wort Gottes erging zum zweiten
Mal an Jona: 2Mach dich auf, geh nach Ninive,
in die grosse Stadt, und rufe ihr die Botschaft
zu, die ich dir sage.
3
Und Jona machte sich auf, und dem Wort Gottes gemäss ging er nach Ninive. Ninive aber
war selbst für Gott eine grosse Stadt, man benötigte drei Tagesreisen, um sie zu durchqueren. 4Und Jona begann die Stadt zu durchwandern, eine Tagesreise weit, und er rief und
sprach: Noch vierzig Tage, dann ist Ninive
zerstört! 5Da glaubten die Menschen von Ninive
an Gott und riefen ein Fasten aus und legten
Trauergewänder an, ihre Grössten wie ihre
Kleinsten.
6
Und das Wort gelangte zum König von Ninive,
und er erhob sich von seinem Thron und legte
seinen Mantel ab. Dann hüllte er sich in ein
Trauergewand und setzte sich in den Staub.
7
Und er liess in Ninive ausrufen und sprach: Auf
Befehl des Königs und seiner Grossen: Mensch
und Tier, Rind und Schaf sollen nichts zu sich
nehmen, nicht weiden und kein Wasser trinken.
8
Und sie sollen sich in Trauergewänder hüllen –
Mensch und Tier – und mit Inbrunst zu Gott rufen, und sie sollen sich abkehren, ein jeder von
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seinem bösen Weg und von der Gewalt an
ihren Händen. 9Wer weiss: Der Gott könnte umkehren, es könnte ihm leidtun, und er könnte
sich abkehren von seinem glühenden Zorn.
Dann gehen wir nicht zugrunde.
10
Und Gott sah, was sie taten, dass sie zurückgekehrt waren von ihrem bösen Weg. Und ihm
tat das Unheil leid, das über sie zu bringen er
angekündigt hatte, und er führte es nicht aus.
Jonas Hader mit Gott. Die Antwort Gottes
4,1*
Da kam grosser Unmut über Jona, und er
wurde zornig. 2*Und er betete zu Gott und
sprach: Ach, Gott, war nicht eben das meine
Rede, als ich in meiner Heimat war? Darum bin
ich zuvor nach Tarschisch geflohen! Denn ich
wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger
Gott bist, langmütig und reich an Gnade, und
einer, dem das Unheil leidtut. 3Und nun, Gott,
bitte nimm mir mein Leben, denn besser als
mein Leben ist mein Tod. 4Da sprach Gott: Ist
es recht, dass du zornig bist?
5
Und Jona ging aus der Stadt, und östlich der
Stadt liess er sich nieder. Und dort baute er sich
eine Hütte, und er sass darin im Schatten, bis er
sehen würde, was in der Stadt geschah. 6Und
Gott, liess einen Rizinus wachsen, und dieser
wuchs über Jona empor, um seinem Kopf
Schatten zu geben und ihn von seinem Unmut
zu befreien. Und Jona freute sich sehr über den
Rizinus. 7Als aber am nächsten Tag der Morgen
dämmerte, liess Gott einen Wurm kommen, und
dieser stach den Rizinus, und er verdorrte. 8Und
als die Sonne aufgegangen war, liess Gott einen sengenden Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, und er brach zusammen. Da wünschte er zu sterben und
sprach: Besser als mein Leben wäre mein Tod.
9
Gott aber sprach zu Jona: Ist es recht, dass du
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des Rizinus wegen zornig bist? Und er sagte:
Es ist recht, dass ich zornig bin bis auf den Tod!
10
Da sprach Gott: Dir tut es leid um den Rizinus,
um den du dich nicht bemüht und den du nicht
grossgezogen hast, der in einer Nacht geworden und in einer Nacht zugrunde gegangen ist.
11
Und da sollte es mir nicht leidtun um Ninive,
die grosse Stadt, in der über hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht unterscheiden können zwischen ihrer Rechten und ihrer
Linken, und um die vielen Tiere?
* zu V 4,1f:
Für mich die härtesten Sätze der Hebräischen Bibel – dass man(n) Gott seine Barmherzigkeit vorwerfen kann!!
Müsste bei der Lesung eigentlich wiederholt werden, damit bewusst wird, was da geschrieben steht!!
Predigt zu Jona 3-4 „Herr Taube – die Karikatur eines
Propheten“
Warten auf die Katastrophe
Da sitzt er auf seinem Hügel und wartet ab, was
passiert. Jona hat sich ausserhalb von Ninive
installiert, mit guter Aussicht über die Stadt. Von
diesem Logenplatz aus kann er sich in aller Ruhe den Untergang von Ninive anschauen, den
Feldstecher in der Hand. Die 40 Tage sind bald
vorbei. Der Countdown läuft!!
Man könnte über Jona lachen – und das darf
man auch. Das soll man vielleicht sogar. Wenn
wir dabei nur nicht vergessen, dass wir selbst
nur allzu oft sind wie dieser Jona. Statt Feldstecher haben wir unseren Fernseher, vor dem wir
es uns gemütlich machen und zusehen, wie die
Welt draussen unterzugehen droht!!
Hoffnungsloser Fall
Jona sieht seinen Auftrag als erfüllt an. Das hat
er schnell erledigt. Ninive, so heisst es, ist eine
sehr grosse Stadt. Es dauert drei Tage sie zu
durchqueren. Aber was macht Jona? Er geht
nur einen Tag lang, und dann reicht es ihm
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auch schon. Er gibt sich keine Mühe, die Stadt
wirklich zu durchqueren. Er versucht gar nicht
erst, bis ins Zentrum vorzudringen. Er gibt sich
keine Mühe, diese Menschen irgendwie kennenzulernen. – Wozu auch?
Sein Urteil steht doch schon längst fest: „Hoffnungslose Sache! Hopfen und Malz verloren.“
Das Urteil über andere ist manchmal schnell
gefällt. Da reicht ein Blick und wir wissen Bescheid…!!
Sieben knappe Worte
Nach einem Tag also stellt Jona sich in Ninive
hin und hält eine Predigt, die gerade sieben
Wörter umfasst: „Noch vierzig Tage, dann ist
Ninive zerstört.“ (V.3,4c) Im Hebräischen sind es
sogar nur fünf Wörter. Kürzer und knapper geht
es wirklich nicht! Kürzer geht es nicht und härter
geht es auch nicht. „Noch 40 Tage und ihr seid
weg vom Fenster!“ Ist das wirklich alles, was
Jona zu sagen hat? Ist das alles, was ihm einfällt? Ist das alles, was er selbst mit Gott erlebt
hat? Hat Jona nicht gerade erlebt, dass Gott ihn
aus der Tiefe des Meeres, aus dem Tod errettet
hat?
Wie schön fromm konnte Jona dort unten im
Bauch des Fisches beten: „Die Wasser gingen
mir bis an die Seele (V.2,6)...; da zogst du mein
Leben empor aus der Grube (V.2,7)...“
Wunderbar hatte da Jona von seiner Errettung
gesungen. Und jetzt hat er nicht mehr als fünf
Wörter übrig für seine Zuhörer. Kein Wort von
Errettung! Kein Wort von möglicher Umkehr!
Jona tut, als sei die Katastrophe unabwendbar
und das Schicksal von Ninive besiegelt. Liebloser geht es wirklich nicht. Da ist keine Spur von
Mitleid zu spüren. Keine Spur von Hoffnung,
dass sich etwas ändern könnte. Als seien die 40
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Tage nicht eine Zeit der Lehre; eine Zeit, um zur
Besinnung zu kommen und sich zu ändern.
Erstaunliche Bekehrung
Umso erstaunlicher ist, was nun in Ninive passiert. Jona hat die Rechnung ohne die Menschen in Ninive gemacht. Diese Niniviten glauben dem Jona nämlich nicht! „Sie glaubten
Gott“, heisst es in der Geschichte. Zum Glück
glaubten sie Gott und nicht Jona! Sie widersprechen Jonas Predigt. Für Jona ist alles schon gelaufen. Aber die Leute von Ninive hoffen darauf,
dass die Sache für Gott noch nicht gelaufen ist.
Ganz Ninive – so heisst es –, Gross und Klein,
Mensch und Tier(!), alle tun sie Busse. Alle kehren um von ihren Bosheiten. Allen voran der König.
Man beachte, dass es hier nicht um eine religiöse Bekehrung geht. Es geht nicht darum, dass
diese Leute nun einen anderen Glauben annehmen oder dass sie nun alle in die Kirche gehen.
Es geht nicht um eine religiöse Bekehrungserfahrung, sondern sie kehren um von ihren Bosheiten, von der Ungerechtigkeit, der Gewalt. Es
geht um konkrete soziale, politische, auch ökologische Veränderung. Es geht darum, wie die
Menschen miteinander umgehen. Dass es endlich gerecht zugeht, dass Menschen Respekt
zeigen voreinander, auch vor den anderen, den
Andersdenkenden, den Minderheiten, denen,
die anders leben, den Fremden. Solch eine Bekehrung ist hier gemeint, und nicht irgendwelche „gefühlsdusseligen frommen Herzensregungen“. Es geh also um unser konkretes Verhalten gegenüber Umwelt und Mitmenschen…
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Wer ist das Problem?
Ninive kehrt also um, und zwar radikal und ausnahmslos. Natürlich ist das übertrieben. Alles ist
übertrieben in dieser Geschichte. Aber mit diesen Übertreibungen will die Geschichte etwas
deutlich machen: Das eigentliche Problem ist
nicht die Stadt Ninive, das eigentliche Problem
ist nicht unbedingt immer die „böse Welt“, sondern das eigentliche Problem ist manchmal der
Mann Gottes, ist die Gemeinde, sind wir!
Denn am Ende haben sich alle bekehrt: Ganz
Ninive hat sich bekehrt und auch Gott hat sich
bekehrt! Gott „kehrt um“ heisst es wörtlich im
Hebräischen!
Am Ende bereuen alle: Ninive bereut und Gott
bereut. Nur einer bekehrt sich nicht und bereut
nichts – nämlich Herr Taube, der Prophet Jona,
der Gläubige!
Jona schmollt
Denn Herr Taube sitzt da und wartet auf den
Untergang und schmollt: „Hab ich es nicht geahnt?! Ich habe mich lächerlich gemacht mit
meiner Predigt. Nichts passiert!“ Und jetzt bricht
es aus Jona heraus: „Ich wusste doch, dass du
ein gnädiger und barmherziger Gott bist... und
dass du Mitleid hast mit diesen Menschen.“ (vgl
V.4,2) Jetzt endlich ist es raus! Endlich wird klar,
was Herrn Taubes Problem ist: Dass Gottes
Liebe auch den anderen gilt. Das war von Anfang an sein Problem. Dass Gottes Fürsorge
nicht nur ihm gilt, sondern sogar diesen „Unmenschen“, diesen „Heiden“, diesen Ausländern, den Tätern und den Schuldigen... Dass
Gott es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte. Dass er seine Sonne scheinen lässt
über Gute und über Böse. Deswegen ist Herr
Taube geflohen. Und deshalb sitzt er nun in
seiner Hütte auf dem Hügel und schmollt.
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Die kleine und die grosse Katastrophe
Für mich das Allerschönste an dieser Geschichte ist nun, dass Gott nicht nur Ninive trotz allem
lieb hat, sondern dass er auch seinen Herrn
Taube lieb hat – trotz allem. Gott versucht alles,
um den Propheten für sich zu gewinnen. Herr
Taube soll sich auch bekehren, nachdem Ninive
und sogar Gott selbst sich bekehrt haben. Jona
soll sich nun auch endlich freuen.
„Wie mach ich das bloss?“, scheint Gott sich zu
überlegen. Und dann versucht er es noch einmal auf die pädagogische Art, auf humorvolle
Weise. Er lässt eine Rizinuspflanze wachsen,
die dem Propheten Schatten spendet, so dass
er seinen Ärger ein wenig vergisst.
„He, ‚taubes Täubchen!’ Schau doch nicht so
missmutig drein. Lach doch mal! Ich, dein Gott,
bin doch auch für dich da. Ich hab dich nicht
vergessen. Jetzt schau doch nicht so beleidigt!
Ich meine es doch gut mit dir!“
Ob Jona es jetzt kapiert? – Nein! Es klappt wieder nicht. Jona freut sich zwar über die Pflanze,
die ihm Schatten spendet, aber das ist alles. Er
freut sich noch immer nicht über die Rettung
von Ninive.
Experiment misslungen! – Und so schnell wie
die Pflanze gewachsen ist, lässt Gott sie auch
wieder verschwinden, so dass Herr Taube von
neuem in der prallen Sonne sitzt und sich noch
mehr bemitleiden kann. Sogar den Tod wünscht
er herbei!!
Der Mann Gottes jammert über „seine“ kleine
„ökologische Katastrophe“, den verlorenen
Schattenspender, zeigt aber kein Mitgefühl angesichts der grossen Katastrophe, die alle betrifft…
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Offenes Ende
Und wieder hält Gott keine Standpauke, sondern stellt nur eine Frage: „‚Meine Taube’, du
jammerst um den Rizinus, für den du nichts getan hast und den du nicht selber hast wachsen
lassen – und ich sollte kein Mitleid haben mit
dieser grossen Stadt voller Menschen, die nicht
rechts und links unterscheiden können? (V. 4,11f) –
Dir tut es leid um diese Pflanze, die du nicht
einmal selber hast wachsen lassen, und ich
sollte kein Mitleid haben mit diesen vielen
Tausenden von Menschen? Du brauchst den
Strauch – und ich brauche diese Menschen. Dir
tut es weh, wenn die Pflanze kaputt geht. Aber
mir sollte es nicht wehtun, wenn all diese Menschen kaputt gehen?“
Mit dieser Frage endet die Geschichte – übrigens die einzige Geschichte der Bibel, die mit
einer Frage endet. – Es ist ein offenes Ende.
Wir wissen darum nicht, wie es weitergeht. Ob
Herr Taube seine Meinung geändert hat? Ob er
über sich selbst lachen kann? Oder ob der Prophet noch immer dort sitzt und schmollt?
Dieses offene Ende dünkt mich wunderbar!
Denn es entlässt auch uns mit dieser Frage:
He, Ihr da in Egliswil, in Bonsiwil, in Hallwil, in
Seengen, in Diessenhofen oder anderswo!?!?
Wie ist es mit Euch? Könnt Ihr es ertragen,
dass Gottes Güte so wie Euch auch allen anderen gilt – ohne Unterschied!? – Oder sitzt Ihr in
Euren Kirchen und schmollt und macht ein
griesgrämiges Gesicht? Könnt Ihr Euch mit all
den anderen freuen? Oder wollt auch Ihr Euch
der grossen und humorvollen Liebe Gottes verschliessen, die ausnahmslos – ausnahmslos!! –
all seinen Geschöpfen gilt???
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Schlussgedanke
Wenn Sie über diese Frage in den kommenden
Tagen nachdenken (wollen), hilft Ihnen vielleicht
der folgende Gedanke von John Cowper Powys
weiter: „Das Geheimnis des Lebens besteht
darin, Gottes Verrücktheit zu teilen.“ …
John Cowper Powys
John Cowper Powys wurde 1872 in Shirley/Derbyshire geboren. Um die Jahrhundertwende begann er
literarische Vortragsreisen in Europa, später auch in
den USA, wo er bis 1934 lebte. 1935 liess er sich in
Wales nieder und starb dort im Jahr 1963. Auf
Deutsch erschienen der Roman Wolf Solent (1930),
die Autobiographie (1990) und Glastonbury Romance
(Roman, 1995).
Sie als Gemeinde, Sie als Christinnen und
Christen sind von Gott selbst eingeladen, eine
Antwort zu finden…
Ueli Kindlimann
Stellvertreter im Pfarramt
Oberburgstrasse 14
5210 Windisch
Tel/Fax 056 441 56 66
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