Prädikat "Göttlich": "Lieder von Liebe und Tod" von Bobo gibt der

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Prädikat "Göttlich": "Lieder von Liebe und Tod" von Bobo gibt der
Verstaerker
Prädikat "Göttlich": "Lieder von Liebe und Tod" von Bobo gibt der Romantik Feuer
Beigesteuert von Steffen Roye
Sunday, 12. October 2008
Prädikat "Göttlich" – unter diesem Titel möchte ich in loser Folge Musikalben vorstellen, die für mich von nachhaltiger
Bedeutung sind. In Teil 3 geht es um Bobos "Lieder von Liebe und Tod".
Bobo In White Wooden Houses galten Anfang der 90er als große Hoffnung der (ost)deutschen Rock- und Popmusik, also,
zugespitzt gesagt, eine seriöse Ausgabe der Prinzen. Ein Hang zur Melancholie schon damals, und diese zerbrechliche
Stimme! Dann starb Gitarrist Frank Heise, brachte sich wohl gar um, und mit dem Projekt ging es bergab, jahrelang war
es vergessen, und jetzt! Plötzlich taucht Bobo wieder auf, und zwar dort, wo ich sie nicht vermutet hätte: in Folk-Sendungen
und beim Tanz- und Folkfest in Rudolstadt (wo sie 2008 sehr verdient die RUTH verliehen bekam, quasi den deutschen
Folk-Grammy).
Und VERDIENT ist gar kein Ausdruck. Auch im sehr vielseitigen Weltmusik-Bereich und gerade bei deutscher Folkmusik
ist es durchaus nicht häufig, dass ein Album so fesselt wie dieses. Dank an die perfekte Produktion: sie nimmt den Hörer
ganz hinein, ganz nah an Sängerin und Musiker (wobei diese Liste übersichtlich ist: Sebastian Herzfeld spielt präpariertes
Klavier und Akkordeon, Anne Kavtan Klarinette und Saxophon, und bei “Der schwere Traum” gibt sich ExRainbird Ulrike Haage die Ehre).
“Tradition”, wird Gustav Mahler im Booklet zitiert, “ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die
Weitergabe des Feuers.” Und das sollte sich mal jede Band auf ihre Fahnen schreiben, die mit Folklore oder
Volksliedgut hantiert. Volkslied – wie das schon klingt! So kontaminiert durch den ganzen Quark, den der
Musikantenstadl absondert. Sich andererseits ein solches Motto zu verpassen, ist starker Tobak und zeugt von
Selbstbewusstsein. Doch Bobo & Co. nehmen die Münder nicht zu voll. Es ist wohl kaum übertrieben, wenn ich behaupte,
dass die Gedichte Goethes, Eichendorffs und Zuccalmaglios selten so frisch und heutig präsentiert wurden, ohne die
Atmosphäre der deutschen Romantik zu zerstören. Das liegt zum einen an Bobos Stimme: sie lebt, was sie singt, ist
glockenklar und brüchig und überhaupt nicht lieblich und vermeidet so auch jede Kitschigkeit oder Rührseeligkeit; es liegt
aber zum anderen auch an der sparsamen und doch effizienten Instrumentierung. Insbesondere Sebastian Herzfeld
wagt hier Experimente, indem er sein Klavier präpariert, und die Experimente gelingen auch ohne Krawall. Hier haben
sich Magier gesucht und gefunden. Ergebnis ist eine feine und verblüffende Auswahl von “Liedern über Liebe und
Tod”, ein stilles, ein intimes Album (das übrigens auch live hervorragend funktioniert), das trotzdem die Begriffe
Folk, Romantik, Melancholie und Schönheit entgrenzt und keine Peinlichkeit provoziert, wenn man DIE GEDANKEN SIND
FREI oder AM BRUNNEN VOR DEM TORE oder ES WAREN ZWEI KÖNIGSKINDER hört. Der Mut und die Konsequenz,
ein solches Album zu realisieren, sollte kommerziell belohnt werden, doch ich fürchte, dass Bobo damit trotz partieller
Aufmerksamkeit eher ein Geheimtipp bleiben wird. Aber was für einer!
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Bobo: Lieder von Liebe und Tod, CD Traumton (Indigo), erschienen 2007
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