Klassische griechische Biografie und Evangelium. Die Frage nach

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Klassische griechische Biografie und Evangelium. Die Frage nach
Mariusz Rosik
Päpstliche Theologische Fakultät
Breslau, Polen
Klassische griechische Biografie und Evangelium.
Die Frage nach literarischer Gattung
Die literarischen Forschungen über die Evangelien gehen auf den Beginn des
Christentums zurück. Zum ersten Mal wagte Justin der Märtyrer ihre Gattung zu bestimmen
und nannte die Evangelien avpomnemoneu,mata („Erinnerungen“; 1Apol. 66,3) 1 . Dasselbe
Substantiv wurde früher von Xenophon (ca. 430-355) in seiner Arbeit über Sokrates
verwendet; diese Arbeit wurde übrigens in gewissem Sinne das Muster der klassischen
Biografien2. Die Bezeichnung des Evangeliums mit demselben Terminus, der sich auf die
klassische Biografie bezieht, ermutigt dazu, die beiden literarischen Formen miteinander zu
vergleichen. Solches komparatistisches Studium hätte die Darstellung der Ähnlichkeiten und
Unterschiede zwischen diesen Formen zum Ziel, diente aber auch der Antwort auf die Frage,
ob man das Evangelium als ein literarisches Werk zur Gattung der klassischen Biografie
zählen kann, oder ob solche Zuordnung nicht begründet ist. Man sollte also zuerst Hauptlinien
der griechischen Biografie beschreiben, wobei die Entwicklungsstufen dieser Gattung
berücksichtigt werden. Dann richtet man seinen Blick auf die Gattung „Evangelium“. Erst
von diesem Hintergrund ist es möglich, die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen
klassischer Biografie und Evangelien aufzuzeigen und eine eventuelle Zuordnung der
Evangelien zur Gattung „Biografie“ zu machen.
1. Beginn der griechischen Biografie
Die Vorliebe der Griechen für die Biografie zeigt sich zuerst im Bereich der anderen
literarischen Gattungen, in denen die biografischen Elemente durch ihre Autoren bewusst
betont sind. Man kann hier nicht die bedeutsame Rolle der griechischen Paideia
verschweigen, die das heldenhafte und ruhmreiche Leben preiste. Man rühmte die Taten
derer, die als Weise oder tapfere Krieger galten; man ehrte die besten und die ersten. Dieses
Vorbild wird in lapidaren Worten von Phönix geschildert, der Achilleus vom „vernünftigen
Rat“, „tapferen Kampf“ und von „der Sprachkunst“ erzählt (Ilias IX, 449-454).
In diesem „vernünftigen Rat“ soll man die Weisheitskunst sehen. Durch den „tapferen
Kampf“ wird die soldatische Kunst befördert, dagegen weist „die Sprachkunst“ auf die
Redekunst. Dies sind die Vorbilder der griechischen Paideia; wer sie hervorragend realisierte,
konnte auf die Niederschrift seiner Taten in einer Biografie rechnen, wer sie weniger
hervorragend realisierte, aber zu einer bekannten Familie gehörte, konnte mit der
Idealisierung seiner Person rechnen. Mit dem Lob der Taten öffentlicher Personen
beschäftigte sich in der Poesie der Rhapsode, Hofdichter. Homer und Hesiod waren sich
bewusst, dass der Rhapsode sich irren oder die Taten seines Herrn hochspielen kann
1
Er tut das aufgrund apologetischer Ziele und wünscht sich, dass die Leser des Evangeliums in ihm einen
ähnlichen Wert sehen, wie sie ihn der hellenistischen biografischen Literatur zuschreiben: W.S. VORSTER,
Gospel Genre, in: ABD 2 (1992) 1080.
2
M. LÀCONI, Vangeli sinottici e Atti degli Apostoli (Logos 5), Torino 1994, 76.
1
(Teogonia 22). Dies schließt jedoch das lebendige Interesse für das historische Schicksal des
Einzelnen nicht aus3.
Einen würdigen Platz in den Biografien der klassischen Autoren nahmen neben den
Herrschern, Königen und Kämpfern (die bei Troia kämpften) die Stadtgründer sowie deren
Arbeitgeber und die olympischen Sieger ein. Die Beschreibung des Schicksals der ersten
wurde oft Funke für die Entstehung der Arbeiten mit historischem Charakter, die die
Geschichte der Polis umfassten. Mit der Zeit wurde ein wichtiges Kriterium für die
Beurteilung des Individuums die Tugend. Man lobte die Männer für ihre Gerechtigkeit und
verurteilte ihre schändlichen Taten. Mit der Entwicklung der biografischen Elemente im
Rahmen anderer literarischer Gattungen ergänzte man den emotionalen Aspekt. Der
Gegenstand der Beschreibung waren nun nicht mehr nur die Taten und Aussagen der Helden,
sondern auch ihre Gefühlwelt.
Im 6. Jh. v. Chr. verbreitete sich die Gewohnheit der Bekanntmachung der Biografie
von Homer vor der Rezitation seiner Werke4. Ein Jahrhundert später datiert die biografische
Legende über Homer und Hesiod, die schon viele Elemente der richtigen Biografie enthält:
Datum und Geburtsort, Herkunft, wichtigste Lebensereignisse, Todesumstände5. Diese ersten
Vertreter der geschriebenen Biografie wurden in verschiedenen Richtungen verbreitet. Von
hier aus kann man über verschiedene Typen der früheren griechischen Biografie reden. Eine
von ihnen ist die anekdotische Biografie, die aus dem Interesse des engagierten Einzelnen für
die Sachen des Staates herauswächst, gemäß dem Gedanken von Perikles, in dessen Mund
Thukydides die Worte legt:
„[...] das Individuum schätzt man nicht aufgrund seiner
Zugehörigkeit zu einer Gruppe, sondern aufgrund des [...] Talents.
[...] Das Individuum, das kein Interesse für das Staatsleben zeigt, hält
man nicht für passiv, sondern für nutzlos. “6
Aus dieser Strömung entstand das Werk des Ion von Chios (ca. 490-423), mit dem
Titel Επιδηµίαι (bekannt als Nachschriften aus der Reise), in dem der Autor sehr viel Platz
den Gestalten von Themistokles, Perikles, Aischylos oder Sophokles widmete. Das Beispiel
der politischen Biografie samt Pamphlet ist die Schrift Über Themistokles, Thukydides,
Perikles von Stesimbrotos von Thasos (ca. 510-449), voll mit Vorwürfen und boshafteren
Anmerkungen, die an berühmte Athener Persönlichkeiten gerichtet wurden (nicht unbedingt
vorgekommenen im Titel). Diese Schrift wurde die Quelle für Plutarch (ca. 50-125). Deshalb
3
Ein Beispiel dieser Tradition kann die Gewohnheit von der Vorstellung der Helden vor dem Kampf sein; auch
hier finden sich biografische Eigenschaften; K. KORUS, Pierwsi biografowie, in: H. Podbielski (Hg.),
Literatura Grecji starożytnej, 2. Teilband: Proza historyczna, krasomówstwo, filozofia i nauka, literatura
chrześcijańska (Źródła i monografie 255), Lublin 2005, 229-230.
4
So durch die Rhapsodie des Teagenes. Mehr zu diesem Thema siehe: I. GALLO, L’origine e lo sviluppo della
biografia greca, in: Quad. Urb. 18 (1974) 173-189.
5
Legendäre Biografien dieser Art sind auch aus späterem Zeitraum bekannt: Homeri vita Herodotea und De
Homero von Plutarch. Die Werke der Rhapsodien bildern den Anfang der informativen Biografien. Glaukos von
Region ist der Autor des Werkes Über die alten Dichter und alten Musiker; Pseudo-Plutarch beschreibt in De
musica das Leben dreier bekannter Musiker; Diogenes Laertios beschreibt das Leben des Empedokles; Damastes
von Sigeion publizierte das Werk Über die Dichter und Sophisten; Kallimachos von Kyrene präsentiert im Werk
Die Bilder die literarischen Errungenschaften der klassischen Autoren und zeigt die wichtigsten Fakten aus ihren
Leben; K. KORUS, Pierwsi biografowie (Anm. 3) 232.
6
Peloponnesischer Krieg II, 37.40.
2
kann man vermuten, dass sie sehr viele wahre historische Informationen beinhaltete. Das
vierte Jahrhundert bringt die Biografien mit apologetischem Charakter hervor. Die ersten
dieser Biografien sind die Apologie des Platon (427-347) und die Apologie des Sokrates von
Xenophon. Diese beiden Werke legen Nachdruck – wenn man es so ausdrücken möchte – auf
ein psychologisches Porträt der Hauptpersonen7.
2. Die ersten Biografien
Der klassische griechische Roman kennt Beispiele von Werken, die über historische
Personen erzählen, aber deren Biografien in bedeutsamem Maß modellieren, und manchmal
sogar ganz verändern8. Die Begründung solcher Änderungen, Zufügungen, Überspitzungen
oder Hyperbeln liegt meist in der Zielsetzung des jeweiligen Werkes. Es ist einfacher, sie
durch die Frage nach den Adressaten des Werkes und dem Ziel zu begründen, welches sich
die Autoren setzten. Die faktischen Elemente, die durch die Autoren zur Biografie
hinzugefügt wurden, hatten ihre Grenze. Zuerst konnten sie die Geburtsbeschreibungen
betreffen, welche oft außergewöhnliche Ereignisse begleiteten und dabei das Schicksal der
Hauptpersonen ankündigten. Die Episoden oder die faktischen Aussagen wurden zugelassen,
soweit sie sich im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsgrenze der anderen historischen Ereignisse
im Leben des Helden bewegten.
Xenophon ließ den persischen König Kyros in seinem Werk Κύρου Παιδεία erheblich
edler erscheinen. Der Autor gibt die Kriterien bekannt, durch die er sich in der Auswahl des
Materials führen ließ: Bewunderung für diesen Mann, sein Stamm, sein Umfeld, seine
Ausbildung. Er zögerte nicht nur nicht mit Änderungen in den Fakten, sondern fügte sogar
neu erfundene hinzu. Die fiktiven Ereignisse aus der Kindheit und Erwachsenenzeit bildeten
den Hintergrund für die Darstellung der Tugenden des Kyros, des ausgezeichneten
Herrschers. Es scheint, dass Xenophon bei der Schaffung der fiktiven Biographie mehr am
Appell eines edelmütigen Charakters für seine Leser lag als an ihrer Überzeugung für die
Tugenden des Herrschers. Der Autor bediente sich des in der Antike bekannten Grundsatzes
fabula docet, obwohl es in diesem Fall nicht um ein bloßes Märchen geht, sondern um einen
7
Die Schreibtätigkeit des Xenophon bringt einen weiteren Fortschritt in diesem Bereich. Die Erinnerungen an
Sokrates stellen die literarische Tagebuchgattung dar, in der sich der Autor nur für die Persönlichkeit des
einzelnen Menschen interessiert. Es gibt sehr viele Informationen, die aus persönlichen Kontakten des Autors
mit den Helden stammen; K. KORUS, Pierwsi biografowie (Anm. 3) 235.
8
Versuche, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den klassischen Biografien und den Evangelien
aufzuzeigen, gibt es schon über hundert Jahre. Es lohnt sich, an die diesbezüglichen Standardwerke zu erinnern:
M. HADAS, M. SMITH, Heroes and Gods. Spiritual Biographies in Antiquity, New York 1965; S. SCHULTZ,
Die Stunde der Botschaft. Einführung in die Theologie der vier Evangelisten, Hamburg 1967; C.H. TALBERT,
What is a Gospel? The Genre of the Canonical Gospel, Philadelphia 1977; P.L. SHULER, A Genre for the
Gospels. The Biographical Character of Matthew, Philadelphia 1982; D.E. AUNE, The New Testament in Its
Literary Environment, Philadelphia 1987; D. DORMEYER, Evangelium als literarische und theologische
Gattung, Darmstadt 1989; R.A. BURRIDGE, What Are the Gospels? A Comparison with Greco-Roman
Biography, Cambridge 1992; D. DORMEYER, Das Neue Testament im Rahmen der antiken
Literaturgeschichte, Darmstadt 1993; M.L. WILLS, The Quest of the Historical Gospel. Mark, John and the
Origins of the Gospel Genre, London 1997; M. WOJCIECHOWSKI, Ewangelie jako biografie, in: RBL 3
(1998) 168-180; D.S. DODSON, Dreams, the Ancient Novels, and the Gospel of Matthew: An Intertextual
Study, in: PRS 29 (2002) 1, 39-52; M. SKIERKOWSKI, Ewangelie jako biografie kerygmatyczne, in: RBL 3
(2003) 175-190; L. ALEXANDER, New Testament Narrative and Ancient Epic, in: Y. Bourquin (Hg.),
Raconter, interpréter, announcer. Parcours de Nouveau Testament, Genéve 2003, 239-249; Die antike
Historiographie und die Anfänge der christlichen Geschichtsschreibung, E.-M. Becker (Hg.) (BZNW 129),
Berlin 2005; Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt, T. Schmeller (Hg.)
(NTOA 69), Göttingen 2009.
3
Roman9. Aus diesem Grund änderte er ohne Zögern sowohl Informationen, als auch die
individuellen Umrisse der Eroberer Babylons. Durch die Idealisierung der Eigenschaften der
Wesensart des Kyros zeigte er ihn als einen idealen Herrscher, dessen Werke in den Gebieten
des Nahen Ostens zu Legenden erweitert wurden. Das sokratische Streben nach
Vollkommenheit kennzeichnete das Ziel in jeder Periode des persischen Tyrannen. Das
didaktisch – moralistische Element ist allumfassend im Werk des Xenophon. Von hier aus ist
die häufige Überspitzung der Charaktere zu sehen, die entweder als schwarz oder weiß
erscheinen. Man beobachtet das vor allem bei den Reden, die den Personen in den Mund
gelegt werden, oder in Disputen mit Widersachern. Es ist bemerkenswert, dass sowohl Reden
als auch Dispute oft ausgenutzte literarische Stoffe sind, nicht nur im biografischen Sinne der
klassischen griechischen Literatur, sondern auch in den Evangelien.
Agesilaos des Xenophon ist ein biografisches Werk, in dem der Autor seinen Freund,
einen Spartaner, glorifiziert, gleichzeitig dies beiseite lassend, was die Beeinträchtigung des
Königs verursachen konnte. Die militärischen und diplomatischen Erfolge schreibt er den
moralischen Vorteilen der Wesensart des Agesilaos zu. Zu den wichtigsten avretai des
Herrschers kann man rechnen: Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Mut, Umsicht und Sorge um die
anderen. Alle diese Tugenden haben eher einen konventionellen Charakter als einen
individualisierten. Die Hauptperson der Narration wird fast Idol, und dadurch auch ein
Vorbild der idealen Herrscher und Führer (optima regis et ducis imago). Agesilaos entstand
kurze Zeit nach dem Tod des Königs und wurde nach dem Vorbild des Werkes von Isokrates
Euagoras geschrieben10. Euagoras ist ein posthumes Lob des Herrschers von Zypern, des
Vaters Nikokles. Alle Taten des Verstorbenen fließen aus seinen Tugenden (avretai) heraus.
Die Bestimmung des Ideals des Herrschers beseitigt etwas den historischen Hintergrund oder
die Persönlichkeit des Toten. Man muss aber sagen, dass diese Form der Biografie sich in der
Tätigkeit der späteren Schreiber ausdrückte11. Zum ersten Mal beobachtet hier der Leser den
Verzicht auf das gängige Schema: Geburt – Lebensereignisse – Tod, zu Gunsten der
Gruppierung des Stoffes in bestimmte thematische Motive. Das Aufteilungskriterium sind die
einzelnen Tugenden der Hauptpersonen. In den Evangelien hat die Aufteilung eine ganz
andere Basis, trotzdem funktioniert sie. Aus diesem Grund stellt man sie auf die gleiche Linie
der Erstellung und der Systematisierung des narrativen Stoffes. Auf ähnlicher Basis
konstruiert obgenannter Xenophonseine Laudatiobiografie, Agesilaos. Die übermäßige
Betonung der Vorzüge des Königs beraubt das Werk in hohem Maß der Qualität einer
historischen Quelle.
Aristoxenos von Tarent (ca. 360-300) gilt als Gründer der peripatetischen Biografie.
Er verwendete zum ersten Mal im Titel seines Werkes den Terminus bi,oj, wodurch er auf die
Biografie, den Lebenslauf, hinwies. Plutarch lobte die Schönheit seines Werkes Bi,oi
avndrw/n, das nur noch fragmentarisch erhalten ist. Durch die Auffindung eines Papyrus aus
9
N. HOLZBERG, Powieść antyczna. Wprowadzenie, Kraków 2003, 29-32. Die Literaturwissenschaftler sind
nicht einig bei der Bestimmung der Gattung dieses Werkes. Man sah in ihm verschiedene Arten der Erzählung
(historische, politische, pädagogische), historische, erziehende Romanze, sokratischen Dialog, romanhafte oder
belletristisch verarbeitete Biografie, und sogar eine Skizze im Bereich der strukturellen Theorie.
10
R. TURASIEWICZ, Historiografia: Herodot, Tukidydes, Ksenofont i historycy IV wieku przed Chr., in: H.
Podbielski (Hg.), Literatura Grecji starożytnej, 2. Teilband: Proza historyczna, krasomówstwo, filozofia i nauka,
literatura chrześcijańska (Źródła i monografie 255), Lublin 2005, 45.
11
R. TURASIEWICZ, Mówcy attyccy, in: H. Podbielski (Hg.), Literatura Grecji starożytnej, 2. Teilband: Proza
historyczna, krasomówstwo, filozofia i nauka, literatura chrześcijańska (Źródła i monografie 255), Lublin 2005,
191.
4
Oxyrhynchos wurde ein Fragment der Schrift Bi,oj VEuripidou. bekannt, welche als Dialog
zwischen drei Personen abgefasst ist. Die Anekdote endet mit dem Tod des durch Hunde
zerrissenen Euripides. Dieser Erzählung gehen andere Anekdoten und Episoden voraus, die
auf der Grundlage von herumlaufenden, in hohem Maße fiktiven Meinungen aufgebaut
wurden. Ein bisschen jünger sind Bi,oi des Hermippos aus Smyrna (ca. 289-208), die das
Leben von Pythagoras, Aristoteles, Gorgias oder Isokrates umfassen. Die charakteristische
Eigenschaft der Schrift ist die starke Verwendung der Rhetorik in den Beschreibungen des
Todes der Helden12. Auch hier greift der Autor, neben der literarischen Fiktion, auf viele
historische Stoffe zurück. Die Βίοι φιλοσόφων des Antigonos von Karystos (ca. 250-197)
erinnern aber in ihrer Form ein wenig an die Philosophiegeschichte, die um das Leben der
griechischen „Klugheitsfreunde“ bereichert wurde. Mit derselben Qualität zeichnet sich das
berühmte Werk des Diogenes Laertios (3. Jahrhundert) Βίοι φιλοσόφων aus, das in zehn
Büchern über die Ansichten der berühmten Philosophen berichtet. Als Philosophiehistoriker
ist Diogenes Laertios ein Sammler und Kompilator. Als Biograf zögerte er aber nicht, auch
auf anekdotische und legendäre Stoffe zurückzugreifen, dadurch auch mehrfach ohne
historischen Wert.
Der um die Jahrhundertwende vom 3. zum 2. Jahrhundert lebende Satyros aus Kallatis
(3 Jahrhundert v. Chr.) am Schwarzen Meer ist der Autor des Werkes Peri. bίοn, das die
Biografien von Philosophen, Poeten und Staatsmännern enthält. Heute sind ca. zwanzig
Fragmente dieses Werkes bei anderen Poeten erhalten, die kostbarsten Fragmente finden sich
in der Biografie des Euripides, welche im Jahre 1912 herausgegeben wurde. Sie hat die Form
eines Dialogs, aber enthält auch Elemente der Literaturkritik13.
Die Philippika des um ein Jahrhundert früher lebenden Theopompos sind zur
Historiographie zu rechnen, und nicht zur Biografie, obwohl der biografische Stoff über „den
größten Mann (…), den es jemals in Europa gab“, (Frag. 27) sehr imposant ist. Die
Literaturwissenschaftlern sprechen von einer neuen Strömung der hellenistischen Geschichte,
der biografischen Strömung, die durch Theopompos (ca. 378-305) gegründet wurde14. Das
Werk enthält 58 Bücher und beschreibt die kaum 24 Lebensjahr des Herrschers (360-336 v.
Chr.)15. Im Gegensatz zur idealisierten Biografie lobt Theopompos Philipp für seine guten
Eigenschaften, aber tadelt ihn für Alkoholismus, sexuelle Gier, Tücke und Intrigen. Er behält
also ein Gleichgewicht in der Personsbeschreibung, was das Werk sehr zur heutigen
Historiographie und Biografie annähert: die historische Wahrheit geht der Apotheose voran.
Anders ist es mit der Biografie Alexanders des Großen. Die Gestalt des Eroberers der
Gebiete von Makedonien, durch die Türkei, Ägypten, Syrien und nach Asien hinein bis zum
Himalaya wurde schon zu Lebzeiten der Gegenstand von Legenden, worauf schnell ein
Prozess der Heroisierung einsetzte. Kallisthenes von Olynth (ca. 360-327) war der Begleiter
des Führers im Kampf gegen Persien. Eben er ist der Autor des Werkes Αλεξάνδρου Πράξεις,
welches suggeriert, dass in dem mächtigen Führer fast göttliche Kräfte wirkten. Die
Apotheose der Person des Alexander verwundert ein bisschen, besonders das Fakt, dass
Kallisthenes, allen Vermutungen gemäß, im Jahre 327 aufgrund einer Verschwörung gegen
12
Für eine genaue Analyse der Helden siehe: K. KUMANIECKI, De Satyro peripatetico, Kraków 1929.
J. MAŃKOWSKI, Satyros, in: A. Świderkówna (Hg.), Słownik pisarzy antycznych, Warszawa 1982, 409.
14
R. CONNOR, Theopompus and the Fifth-Century Athens, Cambridge 1968, 13.
15
K. GŁOMBIOWSKI, Theopompos, in: A. Świderkówna (Hg.), Słownik pisarzy antycznych, Warszawa 1982,
458.
13
5
das Leben des Herrschers zum Tode verurteilt wurde. Der Nachfolger des Kallisthenes wurde
der Steuermann am Flaggboot am Ägäischen Meer – ein gewisser Onesikristos aus Astypalaia
(4. Jahrhundert v. Chr.), der das Werk Pως Άλεξανδρος ήχθή („Über die Erziehung des
Alexander“) schrieb. Er zeichnete ihn als einen philosophischen König. Die Schrift hat
Kennzeichen des moralisierten Romans, dem die fantastischen Elemente nicht weggenommen
wurden 16 . Nearchos aus Kreta (ca. 360-300) beschrieb die Geschichte seines Freundes
Alexander schon kurz nach seinem Tod. Zuerst als Statthalter von Lykien und Pamphylien,
und später als Oberbefehlshaber der Flotte Alexanders, hatte er die Möglichkeit ihn gut
kennenzulernen. Sein Werk Pερίπλους (das Schwimmen entlang der Küstenlinie) hat
hauptsächlich geografischen Charakter. Durch große Objektivität zeichnet sich die Biografie
Alexander des Großen aus, die durch den Satrapen und Begründer der ptolemäischen
Dynastie, Ptolemaios (367-282), Sohn des Lagos geschrieben wurde. Das Werk, dessen Titel
nicht erhalten ist, gründet auf eigenen Erinnerungen und Stabsnotizen. Deshalb ist es frei von
Phantasie und Rhetorik. Als Gattung gleicht es mehr einem Militärtagebuch als einer
Biografie im eigentlichen Sinne des Wortes. Unbekannt ist auch der Titel des Werkes des
Aristobulos von Kassandreia (ca. 375-301), der nach dem Modell der ionischen Logografen
oft zu Anekdoten und Parabeln griff17. Biografische Notizen über Alexander erhalten wir
auch aus dem Hoftagebuch des Chares von Mytilene (4/3 Jahrhundert v. Chr.), der in zehn
Büchern die höfischen Episoden aus dem privaten Leben des Herrschers notierte. Ta
katVAlexa,ndrou ist aber im strengen Sinne keine Biografie. Eine wunderbare Erzählung, die
der Biografie nahe steht, ist jedoch VAlexa,ndrou i`storiai, die von Kleitarchos von
Alexandrien (4/3 Jahrhundert v. Chr.) geschrieben wurde. Er kannte den Herrscher nicht
persönlich, baute jedoch auf die Werke seiner Vorgänger auf. Der historische Bericht
wechselt sich dort mit der Rhetorik ab, die von den trockenen Fakten abweicht, wodurch sie
durch den Vorteil der Objektivität weniger geprägt ist.
Hieronymus von Kardia (ca. 360-272) wurde der Historiker der Diadochen. Die
Nachfolger des im Jahre 323 in Babylon plötzlich verstorbenen Alexander erlebten eine
redliche Bearbeitung ihrer Geschichten im Werk VΑι περί Διαδόχων Ιστορίαι. Die
unvoreingenommene Beschreibung der Ereignisse verbindet sich mit der durch den Autor
vermiedenden, später modernen Wortausschmückung. Der Schüler des Hieronymus, Duris
von Samos (ca. 340-270), widmete sein Werk einem der Diadochen, Agathokles. Der Mangel
an Kritik war ausschlaggebend dafür, dass Duris Geschichte und Mythologie nicht trennen
konnte. Das Vorhaben, die Leser zu bewegen, musste sich auf die Objektivität der berichteten
Ereignisse auswirken18.
3. Die späteren Biografien
Das Leben des Äsop (Bi,oj tou VAisopou.) des anonymen Autors, das ins 1. Jhd. nach
Chr. zu datieren ist, zeichnet sich durch eine dreiteilige Struktur des Werkes aus. Es schildert
zuerst das richtige Verhalten der Titelperson, danach das nicht richtige Verhalten und endlich
den Tod des Äsop selbst. Der Wert der in Form der Erzählung gefassten Biografie liegt in den
16
T.S. BROWN, Onesicritus. A Stydy in Hellenistic Historiography, Berkeley 1949, 6-10.
R. TURASIEWICZ, Historiografia hellenistyczna, in: H. Podbielski (Hg.), Literatura Grecji starożytnej, 2.
Teilband: Proza historyczna, krasomówstwo, filozofia i nauka, literatura chrześcijańska (Źródła i monografie
255), Lublin 2005, 63-65.
18
R. TURASIEWICZ, Historiografia (Anm. 17) 66-68.
17
6
kurzen Episoden, die dazu beitragen, dass der Stil des Werkes sehr lebendig ist. Ein wenig
später ist das Leben des Alexander (Bi,oj kai pράξεις tou VΑλεξάνδρου) von PseudoKallisthenes (1. Jahrhundert n. Chr.). Der größte der griechischen Herrscher wird nicht nur
aufgrund seines Führertalentes besungen, sondern auch wegen seiner Fähigkeit, sich in
verschiedenen Abenteuern zurechtzufinden, auf die er zur Zeit seiner Wanderung in der Welt
stoßt.
Philon, ein Jude aus Alexandria (ca. 25 v. Chr.-50 n. Chr.), entschloss sich, mit seinen
Schriften den Heiden die jüdische Religion zu erklären 19 . Er selbst stammte aus einer
aristokratischen, priesterlichen Familie. Sein Bruder, Alexander, war ein Offiziell in
Alexandria, sein Neffe (Sohn des Alexander) heiratete Berenike, die Tochte des Agrippa I.
Das Priestertum des Philon war sehr stark hellenisiert; die griechische Sprache war seine
Muttersprache, und das Judentum lernte er durch die Septuaginta kennen (wahrscheinlich
konnte er nicht Hebräisch). Die Kenntnisse von Komödienschreibern, Tragikern und
Philosophen (besonders von Platon, Aristoteles und den Stoikern) ließ ihn durch Gelehrtheit
in seinen Schriften glänzen. Er stand an der Spitze einer Gesandtschaft, die im Jahre 40 nach
Chr. nach Rom mit der Bitte geschickt wurde, dass Caligula die antijüdischen Dekrete
zurückzieht. In seiner allegorischen Exegese der jüdischen Heiligen Schriften greift Philon
mehrfach auf die von Platon und den Stoikern geschaffenen Interpretationsregeln zurück20.
Die Gestalten, Traditionen, Erzählungen und Ereignisse aus der Geschichte Israel bekommen
bei Philon oft einige Eigenschaften der genealogischen griechischen Mythen. Im Werk De
vita Mosis wird Mose fast in den Kategorien der griechischen „Gottesmänner“ (qeio,j avnh.r)
gezeigt21. Die Außergewöhnlichkeit der Schriften des Philon liegt darin, dass der Autor sehr
sensibel im Bezug auf die Konflikte zwischen hellenistischer und jüdischer Traditionen war.
Obwohl er mit ganzem Herzen dem Monotheismus anhing, wurzelte seine Kultur im
Gedanken der griechischen Philosophie. Er unternahm also den Versuch einer
Systematisierung des jüdischen Denkens in griechischen Kategorien22. Er stellte sogar fest,
19
Trotzdem zögerte C.D. Moldenhawer, als er den Katalog der Königsbibliothek in Kopenhagen schuf, nicht,
die Werke des Philon als ersten Band unter die Patres Graeci zu stellen. Er tut das aufgrund des ähnlichen
Verständnisses des Alten Testaments bei Philon und im Christentum; S. GIVERSEN, The Covenant – theirs or
ours?, in: P. Borgen / S. Giversen (Hg.), The New Testament and Hellenistic Judaism, Peabody 1997, 15.
20
Die philosophische Theologie der Stoiker und der Anhänger Platons war zur damaligen Zeit sehr kritisch
gegenüber dem Erbe der hellenistischen Kultur. Die jüdischen Theologen, die in der griechischen Diaspora
wohnten, waren kritisch gegenüber dem Erbe der Griechen. Die Hauptdenker in Alexandria zur Zeit Philons
waren mehr Demagogen als Philosophen; sie hielten sich nicht von einem Nationsalitätsantagonismus fern.
Wenn also die Juden sich mit Vorwürfen konfrontiert sahen, schöpften sie mehr Trost aus der biblischen
Exodusgeschichte als aus dem philosophischen Gedanken der Griechen. Das Versprechen der Befreiung gab
ihnen mehr Hoffnung als ein unklarer Bezug auf „einen alltäglichen Geist“. Letztlich aber erfüllten sich die
Versprechungen nicht, wenigstens nicht in vollem Umfang: weder die universalistische Theologie der Weisen
noch die biblischen Versprechen konnten einige Gemeinschaften der Diaspora retten, als der Konflikt mit Rom
seinen Höhenpunkt erreichte; J.J. COLLINS, Natural Theology and Biblical Tradition: The Case of Hellenistic
Judaism, in: CBQ 60 (1998) 14.
21
Das jüdische Volk ist aber in den Augen von Philon „für die ganze bewohnte Welt das, was der Priester für
den Staat ist“ (De specialibus legibus 2,29).
22
Die Erzählungen des Alten Testaments waren verschieden von den philosophischen Strömungen
Griechenlands und ihre Parallelen sind eher in der vorphilosophischen Periode zu suchen, als die Mythen eine
herausragende Rolle bei der Erklärung der Welt und der menschlichen Lebensnatur spielten. Dadurch dass er auf
den Griechen (z.B. Homer) und den jüdischen Vorläufern der Diaspora in Alexandria basierte, interpretierte
Philon die biblischen Erzählungen auf allegorische Weise. Ein Beispiel kann seine Interpretation der biblischen
Legende aus dem Buch Genesis sein, in der Adam für Philon die Wesensart der Vernunft ist, Eva aber die
Personifikation der Sinne. Die Schlange symbolisiert das Begehren. Der Fall der Stammeltern zeigt die Kraft des
7
dass die griechischen Philosophen durch denselben Gott inspiriert wurden, wie die
inspirierten Autoren des Gesetzes und der Schriften und die Propheten. Die Wahrheit, die auf
dem Weg des logischen Verstehens entdeckt wurde, wurde als die offenbarte Wahrheit in die
heiligen Schriften geschrieben23. Mose selbst wurde durch Philon als Vorbild der griechischen
Philosophen dargestellt24.
Sehr interessant für die vorliegenden Überlegungen könnte sich die Analyse der
Werke des Plutarch aus Chaironeia (ca. 50-125 n. Chr.) erweisen, nämlich dadurch, dass er
fast gleichzeitig mit Lukas ist. Die zeitlich ziemlich nahe liegende Schrift des Plutarch und
das Werk des Lukas könnten damalige biografische Trends widerspiegeln. Wenn es so ist,
dann kann die Forschung von Schriften des Plutarch auch Licht auf die literarische Gattung
des lukanischen Werkes werfen. Plutarch ist der Autor einer imposanten Anzahl von
Lebensgeschichten. Leider sind nicht alle bis heute erhalten geblieben. Zu den
interessantesten kann man die Lebensgeschichten des Herakles und Hesiod von Askra in
Böotien, des Pindar von Teb und Krates aus derselben Stadt, der Kaiser Galba und Otho, aber
auch das Leben der 23 griechischen und römischen Helden rechnen, die alle in Βίοι
Παράλληλοι („Paralelle Lebensgeschichten“) veröffentlicht wurden. Plutarch setzte sich ein
hohes Ziel. Er wollte die Wahrheit über den Menschen zeigen, ohne dabei gute und schlechte
Seiten auszulassen. Er vermeidet die Neigung zur Idealisierung und Apotheose. Das Motiv
der so angenommenen Konzeption der Biografie ist, dem Leser zu ermöglichen, einen Blick
aus der Perspektive der Lebensgeschichte von bekannten Personen auf sein eigenes Leben zu
werfen. Die künstlerischen Annahmen sind den didaktischen Zielen untergeordnet, aber
Didaktik bedeutet nicht das Greifen nach der Fiktion. Der Leser, der durch die Beispiele der
kämpfenden Personen um die Fortbildung der Tugenden berührt ist, soll sich bemühen, seinen
Lebensstill zu ändern25. Plutarch ordnet die Biografien gemäß des peripatetischen Schemas:
Geburt (Herkunft, Erziehung, Ausbildung) - Taten - Tod (Umstände)26.
Das Leben eines Philosophen, dessen Name im Titel des Werkes Apollonios von
Tyana steht, wurde durch Philostratos (2. Jahrhundert n. Chr.) beschrieben. Er brachte es in
die Form einer historischen Reiseromanze. Die Hauptperson wird als pilgernder Wundertäter
vorgestellt, dessen Tun außergewöhnliche Zeichen begleiten: nämlich Heilungen und
Auferweckungen. Dieses Werk stammt aber aus der Wende vom 2. ins 3 Jahrhundert n. Chr.
Man kann also höchstens die These aufstellen, dass die hier verwendete Gattung der Biografie
Begehrens, das zuerst die Sinne attackiert, und letztlich auch die Vernunft bekämpft; R.C. SOLOMON / K.M.
HIGGINS, A Short History of Philosophy, Oxford 1996, 151-152.
23
Die platonischen Ideen werden für Philon Gottesgedanken, und die Seele unterscheidet sich - gemäß der
Überzeugung Platons - substanziell vom Leib. Gott selbst ist das Individuum, das am Grund der
Verschiedenheit liegt. Nach den Gedanken des Pythagoras ist er die Substanz, die die Welt erfüllt, so wie bei den
Stoikern. Prinzipiell aber ist das Zustandekommen der Gotteserkenntnis nach Philon nur in Form der via
negativa möglich; es ist für den Menschen einfacher zu sagen, was Gott nicht ist, als seine Natur zu
beschreiben.
24
D. DEMBIŃSKA-SIURY, Literatura filozoficzna za cesarstwa, in: H. Podbielski (Hg.), Literatura Grecji
starożytnej, 2. Teilband, Proza historyczna, krasomówstwo, filozofia i nauka, literatura chrześcijańska (Źródła i
monografie 255), Lublin 2005, 846.
25
Die Lebensgeschichte 2; W. TYSZKOWSKI, Plutarchos, in: A. Świderkówna (Hg.), Słownik pisarzy
antycznych, Warszawa 1982, 378.
26
K. KORUS, Plutarch z Cheronei, in: H. Podbielski (Hg.), Literatura Grecji starożytnej, 2. Teilband: Proza
historyczna, krasomówstwo, filozofia i nauka, literatura chrześcijańska (Źródła i monografie 255), Lublin 2005,
241-270.
8
viel früher ist und es kann sein, dass diese Strömung dem Evangelisten in irgendeiner Weise
bekannt war.
Diesen Teil unserer Erwägungen zusammenfassend soll man feststellen, dass zu den
grundlegenden Merkmalen der antiken Biografien gehören: das Zeigen von lediglich
positiven Eigenschaften der Helden, Idealisierung ihrer Haltungen und Glorifizierung ihrer
Taten, das Auslassen der Ereignisse aus dem Leben und dieser Eigenschaften, die sie ins
falsche Licht rücken oder ihnen Unehre machen könnten. Man hat auch fiktive Elemente in
die Biografie eingeführt, immer jedoch solche, die als wahrscheinlich erschienen. Die
Anfangsbiografien wurden gewöhnlich nach dem folgenden Schema gebaut: Geburt des
Helden – rühmliche Taten und Ereignisse – Tod. Im Laufe der Zeit hat sich dieses Schema
geändert: die Ereignisse aus dem Leben des Helden begann man in thematische Motive zu
gruppieren. Man hat auch mit der ständigen Apotheose der Helden aufgehört und begonnen,
auch negative Seiten deren Charakters und Handelns zu schildern.
4. Evangelium als literarische Gattung
Auf den Seiten des Neuen Testaments bedeutet der Terminus euvaggeli,on ursprünglich
die mündliche Tradierung einer guten Botschaft zurück. Weder die Briefe, noch die
Evangelien als literarische Werke sind mit diesem Terminus bestimmt. Aufgrund der
Tatsache aber, dass er auf die Erlösungsbotschaft bezogen ist, die am Anfang des
Christentums in mündlicher Form, dann in kleinen literarischen Formen und schließlich in
Büchern weitergegeben wurde, begann man mit der Zeit mit diesem Terminus eben auch
diese Bücher zu bezeichnen27. Ihre Endredaktion war durch einige Faktoren beeinflusst. Sehr
deutlich erkennbar ist auf den Seiten dieser Werke ein apologetisches Element, das auf die
Zeit der mündlichen Weitergabe zurückgeht, in der die gute Botschaft vor allem gegen den
Widerstand judaistischer Milieus verteidigt werden musste. Sowohl die Christen als auch die
Juden bezogen sich auf das Alte Testament. Die Juden interpretierten manche Teile jedoch
anders als die Christen, welche sie messianisch deuteten (besonders einige Psalmen und
Deuterojesaja). In dieser Strömung sind viele christliche Berichte zu sehen, die die Dispute
zwischen Jesus und den Führern seines Volkes aufzeigen. Bei der ursprünglichen Weitergabe
spielte überdies auch der soziale Faktor eine Rolle. Die in den ersten Gemeinden
aufgetauchten Probleme forderten die Intervention der Kirchenvorsteher. Die Bekennenden
bildeten eine neue Gemeinschaft aus Leuten unterschiedlicher Rassen, Sprachen, religiöser
und sozialer Herkunft. Das größte Dilemma brachte die Aufnahme von Personen heidnischer
Herkunft in die Gemeinschaft; es entstand damals die Frage nach dem Maß, in dem sie die
jüdischen Bräuche annehmen sollten. Nicht ohne Bedeutung war auch die Verbreitung des
Christentums im Römischen Kaiserreich. Zuletzt auch nicht ohne Bedeutung für die Endform
des Evangeliums ist der liturgische Faktor, der, wie es scheint, am meisten in der
Leidensgesichte zum Ausdruck kommt28.
Als Gründer der literarischen Gattung „Evangelium“ gilt Markus. Ihn sollten die
anderen als Vorbild nehmen. Was den Inhalt betrifft, enthält das Evangelium die Botschaft
27
„Da die Predigt von Christus zeugt, von seinem Worten und Taten handelt und dieses das Wesen des
Evangeliums ausmacht, so erhalten auch die schriftlichen Aufzeichnungen, die das Leben Jesu und seine Worte
enthalten, den Namen Evangelium”; B. FRIEDRICH, Art. eu.agge,lion, in: ThWNT 2 (1935) 733.
28
V. O’KEEFE, The Gospels Read as Gospels, in: J.J. Heaney (Hg.), Faith; Reason and the Gospels, Maryland
1963, 247-251.
9
über das Heilswerk Jesu. Dieses wurde gemäß folgendem Schema dargestellt: Der Auftritt
Johannes des Täufers als Vorbereitung auf das Wirken Jesu – das öffentliche Wirken Jesu,
das hauptsächlich Unterweisungen und Heilungen beinhaltet – die Leidens-, Todes- und
Auferstehungsgeschichte. Zwei der vier Evangelien enthalten auch die Kindheitsgeschichte
Jesu (Mt 1-2; Lk 1-2)29. Können die Werke, die auf diesem Schema beruhen zur Gattung der
klassischen Biografien gerechnet werden? Sind die spezifischen Eigenschaften der Gattung
der Biografie in den Evangelien in ausreichendem Maße präsent, dass man diese
Eigenschaften als einheitlich literarisch anerkennt?
Die oben durchgeführte Durchsicht durch die grundlegenden biografischen Werke und
an sich nicht biografische Werke, die aber einzelne Motive der Biografie enthalten, führen zu
einem doppelten Schluss: Erstens ist anzunehmen, dass die klassische Biografie in den
breiteren Bereich der Historiographie gehört 30 ; zweitens weist sie charakteristische
Eigenschaften auf, die zum Bereich der klassischen Gattung bi,oj gezählt werden können. Wie
sieht in dieser Perspektive die Frage nach den Evangelien aus? Es gibt ein paar Eigenschaften,
die die klassischen Biografien und die griechischen Erzählungen mit der Gattung der
Evangelien verbindet: die Verbindung von historischen und biografischen Elementen mit
kerygmatischen Eigenschaften, das Herausstellen der typischsten Eigenschaften der
Hauptperson und der wichtigsten Ereignisse aus ihrem Leben, der Mangel an systematischer
und chronologischer Darstellung der Entwicklung der Hauptperson, die Benutzung
mythischer, kultischer oder apologetischer Elemente als Ausdrucksform31.
Die Aussagen der Forscher der letzten Jahre gehen in dieselbe Richtung. C.H. Talbert
erforschte die Biografien der klassischen Philosophen, Herrscher und Weisen. Er meinte, dass
man die Evangelien ähnlich klassifizieren kann, da sie von „einem Mann Gottes“ erzählen,
der sich als Mensch zeigte, aber nach seinem Tod zur göttlichen Sphäre zurückkehrte32. P.L.
29
Zwei thematische Blöcke, die eine Beschreibung der Ereignisse der Kindheit Jesu enthalten, wurden durch
Matthäus (Mt 1-2) und Lukas (Lk1-2) geschrieben. Sie kommen wahrscheinlich aus zwei unterschiedlichen
Traditionen. Die matthäische wird die Betlehemer Tradition genannt. Die Beschreibungen konzentrieren sich
nämlich um die Stadt Davids. Die lukanische Tradition trägt den Namen nazarenische, obwohl für sie auch
Jerusalem eine wichtige Rolle spielt, das für den Evangelisten das Zentrum der Heilsereignisse ist. Es scheint,
dass Matthäus auf die Geburt und Kindheit Jesu mit den Augen Josefs schaut. Lukas setzt sein Hauptaugenmerk
dagegen auf das Erleben Mariens. Beide Evangelisten lesen jedoch die Ereignisse aus der nachösterlichen
Perspektive. Das Faktum der Auferstehung stellt nämlich die Situationen aus der Kindheit Jesu in der
heilsgeschichtlichen Licht; E. SZYMANEK, Wykład Pisma Świętego Nowego Testamentu, Poznań 1990, 4748; M. ROSIK, Jezus i Jego misja. W kręgu orędzia Ewangelii synoptycznych (SB 5), Kielce 2003, 35.
30
V. O’Keefe stellt fest, dass das Evangelium vor allem und über alles historisch ist. Sein Zeugnis, seine
Sendung stützt sich auf die Fakten, die in Palästina am Anfang unserer Epoche stattfanden. Es ist aber auch noch
etwas mehr. Es ist eine Prophezeiung, eine von Gott kommende Erklärung, Interpretation und Offenbarung des
göttlichen Kommens in unsere Welt des Raumes und der Zeit. Dies begann im Moment der Inkarnation, die sich
schrittweise im irdischen Leben und in der Lehre Jesu Christi entwickelte, um sich in seinem Leiden und in
seiner Auferstehung zu erfüllen; V. O’KEEFE, The Gospels (Anm. 28) 249-250. Der biblische Begriff der
Geschichte gründet auf dem Glauben, dass Gott sich in spezieller Weise - für die Menschen verständlich - in der
Gegenwart offenbarte; D. STANLEY, The Gospel as Salvation History, in: J.J. Heaney (Hg.), Faith; Reason and
the Gospels, Maryland 1963, 255. Siehe auch E. GALBIATI / A. PIAZZA, Pagine difficili della Bibbia, Milano
1966, 56-58.
31
J. CZERSKI, Księgi narracyjne Nowego Testamentu. Wprowadzenie historyczno-literackie i teologiczne,
Opole 2003, 75.
32
C.H. TALBERT, What is a Gospel? (Anm. 8) 133-135. Siehe auch: D.E. AUNE, The Problem of the Genre of
the Gospel: A Critique of C.H. Talbert ‘What is a Gospel?’, in: R.T. France / D. Wenham (Hg.), Gospel
Perpectives. 2. Teilband: Studies of History and Tradition of the Four Gospels, Sheffield 1981, 6-90.
10
Shuler hielt die Evangelien für „Biografien mit Laudatiocharakter“33. Seine These begründete
er im lobenden Ton gegenüber der Person Jesu 34 . Zu ähnlichen Schlüssen kommt D.
Dormeyer, wenn er die Evangelien als „erzählende Idealbiographie“ bezeichnet35. H. Cancik
zögert nicht, die Evangelien direkt zur griechischen Gattung bi,oj zu rechnen36. Ähnlicher
Meinung ist N. Casalini37.
A.M. Tolbert meint, dass die Ähnlichkeiten zwischen den Evangelien und
Volkserzählungen über das Schicksal der berühmten Männer entweder durch einen direkten
Einfluss erklärt werden können, oder durch die Zugehörigkeit zur selben literarischen
Tradition, aus der beide Arten von Werken herauswuchsen38. M. Làconi ist der Meinung,
dass man den Evangelien die Gattungsbezeichnung „Biografie“ unter der Bedingung
zuschreiben kann, dass man diesen Terminus in einem sehr breiten Sinne versteht, nämlich als
Bezug auf alle Werke, die Ereignisse aus dem Leben ihrer Helden beschreiben39.
Nach Nikolas Holzberg, „[...] sind die Evangelien durch die episodische Struktur und
den wenige Anforderungen stellenden Stil nicht nur mit jüdisch-hellenistischen Erzählungen
wie Judit oder Tobit verwandt, sondern auch mit den fiktiven Biografien im Stil der
Lebensgeschichten von Äsop und Alexander“40. Man könnte hinzufügen, dass die Evangelien
mit der hellenistischen Historiografie verwandt sind, die manchmal durch die Autoren mit frei
erfundenen Episoden ausgeschmückt wurde. Dieser Ähnlichkeit geht es nicht – wie einige es
sich wünschen würden – um die Zufügung gänzlich fiktiver Episoden zur Erzählung, sondern
um eine bewusste Auswahl der Episoden, um sie so darzustellen, dass sie das vorgenommene
Ziel erreicht, im Fall der Evangelien – das theologische Ziel41.
33
Zu den grundlegenden Eigenschaften des Enkomions gehören: die Einführung, die Herkunft der Hauptperson,
Ausbildung, Beschäftigungen, Lebensstil, Gewohnheiten und Taten. Der prinzipielle Unterschied zur Biografie
liegt darin, dass die Biografien das ganze Leben der Hauptperson darstellen. Im Enkomion unterstreicht man die
ausgewöhnlichen Taten; J. CZERSKI, Ewangelie synoptyczne w aspekcie literackim, historycznym i
teologicznym, Opole 1996, 27.
34
C.H. SHULER, The Genre(s) of the Gospels, in: D.L. Dungan (Hg.), The Interrelations of the Gospels,
Leuven 1990, 451-483. Ähnlich: M. REISER, Die Stellung der Evangelien in der antiken Literaturgeschichte, in:
ZNW 90 (1999) 1-27.
35
D. DORMEYER, Das Neue Testament (Anm. 8) 199-228.
36
H. CANCIK, Die Gattung Evangelium. Markus im Rahmen der antiken Historiographie, in: B. Cancik (Hg.),
Markus-Philologie, Tübingen 1984, 85-113. Aus dem Gesichtspunkt der jüdischen Welt konnten die Evangelien
als „Prophetenbücher” klassifiziert werden.
37
„[...] l’ipotesi che i vangeli siano ‘biografie’ di Gesù di Nazareth è effettivamente prevalente al momento
attuale. Se si segue quindi questa tendenza esegetica, bisognerebbe concludere che anche il vangelo [...] sia una
semplice ‘vita di Gesù Cristo’, scritta secondo le consuetudini letterarie del tempo in cui fu composto, con tratti
stilistici tipici della letteratura popolare, che lo rendono simile per forma ad ‘un romanzo’ (o racconto) storico,
secondo un genere molto diffuso nel mondo ellenistico, in cui la verità storica è così strettamente congiunta alle
immagini della credenza religiosa che non è più possibile distinguerla da essa”; N. CASALINI, Marco e il
genere letterario degli annunci (o vangeli), in: Liber Annus 53 (2003) 50.
38
A.M. TOLBERT, The Gospels in Greco-Roman Culture, in: R. Schwartz (Hg.), The Book and the Text. The
Bible and Literature, Oxford 1990, 258-275.
39
„Se anche il termine biografia viene usato in un senso larghissimo, per disegnare qualsiasi scritto che vuol
narrare la vita di una persona esistita, allora non c’è dubbio, che anche i Vangeli lo siano”; M. LÀCONI, Vangeli
(Anm. 2) 78.
40
N. HOLZBERG, Powieść (Anm.9) 38.
41
Aus diesem Grund meint Aune, dass man das lukanische Evangelium und die Apostelgeschichte hinsichtlich
der Gattung zu den typischen historischen Werken zählen muss. Die naheliegenden Werke bezüglich der
Gattung sind hellenistische allgemeine Geschichten, die die Geschichte eines Volkes darstellen. Im lukanischen
Werk kommen auch Kleinstformen vor, die der klassischen Historiografie wohlbekannt waren: rhetorische
Prologe, dramatische Episoden, Digression mit Erklärungen, Reisebeschreibungen, vor allem aber die Reden,
die, wie man weiß, nicht stenografische Eintragungen waren. Das betrifft jedoch eher die Apostelgeschichte als
11
In der Exegese zählt man in der Regel zum Evangelium als literarischen Gattung die
Erzählungen über Jesus und seine Lehre, den Bericht über sein Leiden und seinen Tod und die
Ereignisse nach der Auferstehung. Das Wirken Jesu wurde durchgehend in Form der
Narration beschrieben von der Verheißung Johannes des Täufers bis zur Auferstehung und
Christophanie. Aus ebendiesem Grund sprach Justin der Märtyrer um das Jahr 150 n. Chr.
von den Evangelien als „Tagebüchern der Apostel“, was suggeriert, dass nach ihm das
Evangelium die Geschichte Jesu ist, also der Bericht über Sein Leben und Seine Lehre42. F.
Neirynck beruht auf dieser Feststellung und untersucht die Beziehungen zwischen dem
Evangelium und der hellenistischen Literatur. Er wehrt sich nicht gegen die Behauptung, dass
„die Evangelien Biografien im breiten Sinne sind“. Es kehrt aber die Tendenz zurück, die
Übereinstimmungen mit anderen Gattung zu suchen und besonders die Verbindungen zu
verschiedenen Formen der hellenistischen biografischen Literatur zu entdecken: zur
populären Biografie; zu einer Biografie, die aufgrund einer Korrektur eines falschen Bildes
des Lehrers geschrieben wurde und das richtige Vorbild zum Nachahmen präsentiert; zur
lobenden Biografie; zur Biografie mit demonstrativem Typ43.
Wie sieht auf diesem allgemeinen Hintergrund die Spezifität des lukanischen
Evangeliums aus? Es ist erstaunlich, dass im lukanischen Werk der Terminus eu.agge,lion kein
einziges Mal vorkommt. Der Autor der Apostelgeschichte bezeichnet mit ihm sein erstes
Werk nicht, aber ein paar Mal benützt er Formen des Verbes eu.agge,lizomai (Lk 1, 19; 2, 10;
3, 18; 4, 18.43; 7, 22; 8, 1; 9, 6; 16, 16; 20, 1)44. Die Erforschung der Bedeutung dieses
Terminus hilft nicht bei der Bezeichnung der literarischen Gattung des Werkes, obwohl sie
hilfreich bei der Präzisierung des Inhalts der frohen Botschaft ist (es ist das eine Botschaft, die
Jesus Christus verkündet oder die Botschaft über Jesus Christus, die durch seine Jünger
verkündet wird; in diesem Sinne ist das Evangelium sowohl ein Buch als literarisches Werk
die Botschaft von Jesus selbst enthält, als auch die Botschaft über ihn). Hilfreich kann aber
der Terminus diegesi.j sein, den Lukas im Bezug auf sein Werk (Lk 1, 1) verwendet45. Er
bedeutet im allgemeinen Sinne „Erzählung“. In dieser Bedeutung wurde er von Platon46,
Aristoteles (384-322) und Polybios (ca. 200-118) verwendet; im Bezug auf die Evangelien als
das Evangelium. Z. B. die Worte Jesu in den Evangelien beruhen auf der Tradition bezüglich der Sentenzen des
Meisters begründet, wie das auch in den Biografien geschah und nicht durch den Autor des Buches geschrieben,
wie das im Fall der Reden aus der historischen Monografie von der Art des Thykydides oder des Flavius
Josephus war; M. WOJCIECHOWSKI, Ewangelie (Anm. 8) 175.
42
F. NEIRYNCK, Gospel, in: B.M. Metzger / M.D. Coogan (Hg.), The Oxford Companion tot he Bible, Oxford
1993, 258-259.
43
F. NEIRYNCK, Gospel (Anm. 42)259.
44
W.F. MOULTON / A.S. GEDEN, A Concordance to the Greek Testament according to the Texts of Westcott
and Hort, Tischendorf and the English Revisers, Edinburgh5 1978, 396.
45
In der Apostelgeschichte bezieht sich Lukas auf sein erstes Werk und bezeichnet es ganz einfach als „Buch“
(lo,goj); Diese Formulierung sagt nicht viel über die literarischen Gattung dieses Buches; siehe Apg 1, 1.
46
Die Forschungen über die Texte Platons führten zur Bestimmung der drei Typen von diegesi.j, die man als
diegesi.j simple bestimmt: diegesi.j simple: „Las acciones verbales y no verbales de los personajes son referidas
por el poeta. Hay una drástica reducción de la información escénica y una total hegemonía de la voz de un
informante que absorbe y traduce en su registro todos los discursos de sus personajes; diegesi.j a traves de la
mimesi.j: Las acciones verbales y no verbales de los personajes son ejecutadas por éstos sin mediación de las
palabras del poeta; diegesi.j mixta: Alternan los relatos de acciones (diegesi.j simple) con la presentación
inmediata de las acciones de los personajes (discurso directo de la diegesi.j a través de la mimesi.j)”;
http://www.apuntes.org/materias /cursos/clit/generos_literarios.html.
12
literarische Werke bediente sich seiner Eusebius von Caesarea (264-340) 47 . Platon und
Aristoteles verwendeten den Terminus diegesi.j als Antonym zu mimesi.j. Sie meinten, dass die
mimesi.j eher die Ereignisse schildert und sie illustriert48, in der diegesi.j erfährt man von ihnen
entweder vom Autor, oder direkt von den Hauptpersonen, oder vom allwissenden Erzähler.
Das Evangelium nach Lukas ist ohne Zweifel diegesi.j in dem Sinne, dass es die Erzählung
über die Ereignisse aus der Perspektive des Autors schildert. Die klassische Diegese nahm
meistens eine von beiden Formen an: die biografische oder die historiografische49.
Die Methoden der Form- und Redaktionsgeschichte arbeiteten die allgemein
angenommene Rekonstruktion der Bildung des lukanischen Evangeliums heraus (übrigens
jedes synoptischen Evangeliums) und zeigte dabei die weiteren Etappen seiner Entstehung
auf. Dem lukanischen Werk liegen ipsissima verba et facta Jesu, also historische Ereignisse
zugrunde: die Person Jesu, seine Worte und Taten (erste Etappe).
Nach seiner Auferstehung wurde die frohe Botschaft auf dem Weg der mündlichen
Tradition weitergegeben; es entstanden damals sog. kleine literarischen Formen, also ziemlich
kleine Versuche der Aufzeichnung der Lehre Jesu und der Beschreibung der Ereignisse aus
seinem Leben (zweite Etappe). In der zweiten Etappe der Bildung des Evangeliums sind zwei
Prozesse wesentlich: (1) Interpretation der Lehre und der Taten Jesu, als auch anderer
Ereignisse aus seinem Leben unter dem Paschagesichtspunkt; (2) Akkommodation
(Adaptation) dieser Lehre auf die Bedürfnisse der ersten christlichen Gemeinden hin. Die
Formgeschichte arbeitete die Kriterien heraus, durch die man zu ipsissima verba et facta Jesu
kommen kann. Zu den wichtigsten von ihnen gehören: das Kriterium der mehrmaligen
Tradition (authentisch sind Worte Jesu, die durch vielfältige Traditionen bezeugt sind); das
Kriterium der Kontinuität (authentisch sind Worte Jesu, die durch palästinisches und
aramäisches Kolorit gefärbt sind); das Kriterium der Übereinstimmung mit dem Kern der
Botschaft Jesu (authentisch sind Worte Jesu, die mit den wichtigen Inhalten seiner Botschaft
übereinstimmen, vor allem mit dem messianischen und eschatologischen Aspekt); das
Kriterium der Diskontinuität (authentisch sind Worte Jesu, die von den verbreiteten Ideen des
damaligen Judentums und der Lehrer der ursprünglichen Kirche unterschieden sind); das
Kriterium der Übereistimmung der Worte und Taten Jesu (authentisch sind Worte Jesu, die in
der gegenseitigen Harmonie bleiben).
Die dritte Etappe, die durch die Redaktionsgeschichte erforscht wurde, ist die
Endredaktion des Evangeliums, die u.a. durch folgende Faktoren beeinflusst wurde:
Bedürfnisse der Autoren, theologische Annahmen der Autoren, Strukturkonzeption,
verwendete kompositorische und stilistische Mittel. Lukas selbst gibt einen guten Grund zur
Forschung auf diesem Feld im Prolog zu seinem Werk (Lk 1, 1-4), in dem er schreibt, dass er
es „unternommen [hat], einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet
und erfüllt hat“ (erste Etappe), und dass er sich dabei „an die Überlieferung derer, die von
Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren[, gehalten hat]“ (zweite Etappe), und
47
J.H. THAYER, Thayer’s Greek-English Lexicon of the New Testament. Coded with Strong’s Concordance
Numbers, Peabody 1996, 148.
48
In der Meinung des Michael Davis, „Convinced by the idea that the gospel were folk literature and not
biographies, as some maintained, some scholars asserted that the gospel developed from cult legends and
narratives, or the basic outline of the Christian kerygma”; The Poetry of Philosophy. On Aristotle’s Poetics,
South Bend 2004, 3.
49
J.B. GREEN, The Gospel of Luke (NICNT), Grand Rapids / Cambridge 1997, 2.
13
er erwählt auch viele, die „es unternommen [haben], einen Bericht [diegesi.j] über all das
abzufassen“ (dritte Etappe).
5. Das Evangelium als klassische Biografie?
Nachdem nun die Grundzüge der klassischen Biografie und ihre Gegenüberstellung
mit den Kennzeichen des Evangeliums als eines literarischen Werkes aufgezeigt wurden,
muss man die Frage stellen, ob die These zutrifft, beim Evangelium handle es sich um eine
Untergattung der klassischen Biografie. Dass die Evangelien bezüglich der Form prinzipiell
Biografien sind, kann man im klassischen Sinne als bewiesen ansehen. Es bleibt aber die
Konkretisierung dieser These. Welcher Typ von Biografien waren sie? - diese klassische
Gattung ist nicht einheitlich50. Diese These steht im Gegensatz zu den Behauptungen der
letzten Jahrzehnte51. Es ist keine formale Analogie zwischen der hellenistischen Biografie und
den Evangelien ausgeschlossen. Man muss aber bemerken, dass die Evangelisten mit dem
Alten Testament sehr verbunden waren, deswegen muss man mit Einflüssen der Biografien
der Propheten oder der großen Persönlichkeiten des Alten Bundes rechnen. Die Analogien
zwischen den Evangelien und den heidnischen Biografien sind eher auf formale und
strukturelle Elementen begrenzt52.
In der heutigen Exegese hat diese These immer mehr Anhänger. Als Biografie
vermittelt das Evangelium einen theologischen Inhalt53. De facto gibt es sehr wenige Werke,
die sich absolut sauber einer einzigen Gattung zuordnen lassen. Diese Situation ist
anzutreffen, wenn der Autor sich bewusst an eine literarische Form halten will. Mit den
Evangelien ist es anders: ihre Autoren beabsichtigten, ein Werk über Jesus von Nazareth zu
schreiben, und bedienten sich dabei mitunter der Form der Biografie54, wobei die Neuigkeit
des Themas an neue Ausdruckformen gebunden wurde 55. Es gibt ein paar gemeinsame
Eigenschaften der Evangelien und der klassischen Biografien. Diese lassen sich im Großen
und Ganzen wie folgt auflisten:
1. Das Festhalten an der Chronologie im Schema der Präsentation der Ereignisse aus
dem Leben der Helden hat für die Autoren prinzipiell keine Priorität. Die chronologische
Abfolge der Ereignisse wird oft verlassen und den angenommenen ideologischen
(theologischen) Voraussetzungen angepasst56. Die Autoren wählen Ereignisse aus dem Leben
50
M. WOJCIECHOWSKI, Ewangelie (Anm. 8)179-180.
„Convinced by the idea that the gospel were folk literature and not biographies, as some maintained, some
scholars asserted that the gospel developer from cult legends and narratives, or the basic outline of the Christian
kerygmat”; W.S. VORSTER, Gospel Genre (Anm. 1)1080.
52
J. KUDASIEWICZ, Ewangelie synoptyczne dzisiaj, Warszawa 1986, 71.
53
Burridge setzte sich den Beweis des Gegenteils zum Ziel. Er versuchten ach zuweisen, dass die Evangelien
mit der klassischen Biografie nichts zu tun haben. Die genaue Vergleichsanalyse brachte ihn zu den
gegenteiligen Schlussfolgerungen; R.A. BURRIDGE, What Are the Gospels? (Anm. 8) 105.
54
„Luke intends to write a narrative, and in so describing his work he identifies his project as a long narrative, of
many events, for which the chief prototypes were the early Greek histories of Herodotus and Thucydides”; J.B.
GREEN, The Gospel (Anm. 49) 5.
55
„The increasing tendency among New Testaments Scholars to refer to the Gospels as ‘biographic’ is
vendicated; indeed the time has come to go on from the adjective ‘bio-graphical’, for the Gospels are bios”; R.A.
BURRIDGE, What Are the Gospels? (Anm. 8) 243.
56
J. Kudasiewicz bemerkt, dass es gegen die Intention der Evangelisten wäre, wenn ihre Werke für historische
Referate gehalten würden, die nach dem Muster des Protokolls redigiert und im Licht der Regeln der
gegenwärtigen Historiographie beurteilen wurden. Eine derartige Forderung wäre ein typischer Anachronismus
und Apriorismus, eine Missachtung der historischen Distanz und der grundlegenden hermeneutischen Regeln.
51
14
der Helden ihrer Werke aus und präsentieren sie manchmal in veränderter Reihenfolge. Die
Reihenfolge des Inhalts ihrer Werke läuft nicht unbedingt entlang der chronologischen Linie
der Episoden der Lebensgeschichte der Helden. Über die Ausgestaltung der Narration
entscheiden oft didaktische Motive.
2. Auch die Präsentation des Stoffs, die die Taten und Aussagen der Helden
einschließt, ist
den ideologischen Zielen untergeordnet. Dieser Stoff ist
meist
zusammengestellt und nach früher angenommenen Voraussetzungen systematisiert; die auf
diesem Wege entstandenen Blöcke haben thematischen Charakter.
3. Sowohl die klassischen Schreiber, als auch die Evangelisten stellen sich didaktische
Ziele und berücksichtigen dabei die Situation der Adressaten. Es geht nicht nur um
Information, sondern um das Lob des Helden, die Darstellung seiner Person als eines
Vorbildes und die Festigung seines Andenkens. Natürlich sind in den griechischen Biografien
die großen Männer als Vorbilder der Handlung in moralischen und intellektuellen Fragen, in
regierenden Positionen oder bei der Erfüllung ihrer soldatischen Pflichten dargestellt. Etwas
andere Vorbilder werden dagegen in den Evangelien gezeigt. Obwohl sich Jesus selbst als
Lehrer schildert, dem man nachfolgen soll, kommt hier auch der Erlösungsaspekt hinzu: Jesus
ist nicht nur ein Lehrer, dem man gehorchen soll, sondern auch Retter, an den man glauben
soll.
4. Die klassischen Schreiber, ähnlich wie die Evangelisten, schätzten die mündliche
Übermittlung höher als geschriebene Quellen. Trotzdem erscheinen innerhalb der Biografien
auch andere literarische Gattungen. Diese sind meist kleine Erzählungen, Logien oder
Sprichworte. Sowohl in den klassischen Biografien als auch in den Evangelien trifft man eine
große Vielfalt an kleinen Gattungen oder literarischen Formen, die durch ihre Autoren
verwendet wurden, an. Einige von diesen kleinen literarischen Formen können lediglich durch
mündliche Berichte weitergegeben werden, andere in schriftlicher Form.
5. Die Hauptperson des Werkes wird schon auf den ersten Seiten erwähnt. Das ganze
Werk konzentriert sich hauptsächlich auf seine Person; es ist kein Abgehen vom Hauptthema
zu notieren. Der größte Teil wird der erfolgreichen oder ruhmbringenden Lebensgeschichte
des Helden gewidmet. Breit beschrieben werden auch die Todesumstände. Die Präsentation
des Helden vollzieht sich grundsätzlich durch die Beschreibung seiner Taten und die
Anführung der Aussagen, und nicht durch die Beschreibung des Erzählers57.
6. Der historische Hintergrund des Lebens des Helden wird wirklichkeitsgemäß
präsentiert. Es kommen tatsächliche geografische Namen und Herrschernamen vor. Es
kommt auch der zeitliche Rahmen der beschriebenen Ereignisse vor. Die Erwähnung der
Genealogie der Hauptpersonen ist eine der Eigenschaften der klassischen Biografie; die
Genealogie ist auch in den Evangelien präsent.
Diese Betrachtungsweise trifft man noch bei den traditionellen katholischen Apologeten und den extremen nicht
geistlichen Religionswissenschaftlern; Ewangelie (Anm. 52) 68.
57
Die Begründer der Formgeschichte teilen die Evangelien in zwei prinzipielle Komplexe der Tradition auf:
mündliche Überlieferung (Worttradition) und Berichte über das Handeln Jesu (Geschichtstradition). Die erste
Gruppe der Aussagen bezeugt, was Jesus lehrte, wie er zu leben vorschreibt, die zweite - wer er war oder für
wen er sich hielt, was er mit seinem eigenen Wirken begründete. Diese Aufteilung hätte die Aufgabe – nach der
Meinung M. Dibelius – bewusst an die zweigliedrige Aufteilung der jüdischen Tradition anzuknüpfen, die in der
Form der sog. Halacha und Haggada fixiert wurde; K. ROMANIUK, Morfokrytyka i historiaredakcji czyli Form
- i Redaktionsgeschichte, Warszawa 1983, 36.
15
7. Die Reisebeschreibung und mit ihr verbundene Ereignisse ist ein öfter verwendetes
Element der klassischen Biografie; sie spielt auch eine wichtige Rolle in der Komposition des
Evangeliums.
Neben der Liste mit Ähnlichkeiten, die die Evangelien der Gattung der klassischen
griechischen Biografie annähern, sind auch die Unterschiede zu erwähnen. Es scheint, dass
man die wichtigsten wie folgt aufzählen kann:
1. Die Evangelien – im Gegensatz zur klassischen Biografie – geben keine
Beschreibung der äußeren Erscheinung Jesu (höchstens bei der Beschreibung der
Verklärungsszene, und das nur um der theologischen Motive willen). Dieses Faktum zeigt die
herausragende Priorität seiner Taten und Lehre. Für die Evangelisten war die äußere
Erscheinung der Hauptperson nicht so wichtig wie seine Unterweisung und sein Wirken. Die
klassischen griechischen Biografien gaben dieser Beschreibung hingegen manchmal sehr viel
Raum, besonders, wenn es um das Schicksal der Mutigen im Kampf der Krieger ging.
2. Die Evangelien enthalten kein psychologisches Bild Jesu. Sie sind vor allem
Glaubensbücher, Zeugnis über Leben und Taten Jesu. Den Autoren geht es nicht um eine
genauere Beschreibung der Charaktereigenschaften und der Wesensart Jesu, sondern um die
Weitergabe seiner Botschaft. Das Ziel des Evangeliums ist es, den Leser zum Glauben (oder
zu seiner Vertiefung) zu führen, und nicht vor allem das Streben nach der Nachahmung des
Wirkens und der Haltungen Jesu. Die Nachfolge folgt aus dem angenommenen Glauben. Die
klassischen Biografien der großen Personen wurde dazu geschrieben, dass der Blick des
Lesers auf die Hauptperson ihm hilft, ein Vorbild zur Nachfolge zu finden; die Evangelien
wurden dazu geschrieben, um den Leser zu einem tieferen, persönlichen Verhältnis zu Gott zu
führen, der die Heilung bringt.
3. Der große Einfluss der jüdischen Literatur, der sich weniger in der Form als im
Inhalt des Evangeliums zeigt, unterscheidet es von den klassischen griechischen Biografien.
Die Septuaginta, auf die die Evangelisten zurückgreifen, gehört, obwohl sie auf Griechisch
geschrieben ist, zum Schatz der jüdischen Literatur.
4. Die Evangelien sind mehr als die klassischen Biografien oder Historiografien von
der mündlichen Tradition abhängig. Die Evangelien sind zum Teil schriftlich festgehaltene
Katechese, die schon in einer festgelegten Form vermittelt wird. Durch die Übermittlung
derselben Worte und Beschreibungen der Ereignisse in der mündlichen Lehre formulierte sich
die Tradition, die später vom Aramäischen ins Griechische übersetzt wurde und zwar in zwei
Ausprägungen: juden- und heidenchristlich. Nach der Auferstehung tauchten unter den
Christen die sog. Hellenisten auf, die griechisch sprachen. Die mündliche Tradition über Jesus
begann sich also in zwei Sprachen, der griechischen und der aramäischen, herauszubilden
(obwohl sogar in der griechischen Übermittlung einige von den aramäischen Wörtern ihren
originalen Klang behielten)58. In der mündlichen Tradition haben sich bald bestimmte Formen
der Überlieferung der Ereignisse aus dem Leben Jesu herausgebildet.
58
Das älteste Evangelium basiert nach der Meinung von J.G Herder auf der mündlichen Tradition und wurde in
ebendieser Form der Weitergabe an die Missionare und Verkündiger des Evangeliums überliefert. Auf diesem
Grund entstand das älteste Werk des Markus, aber auch das aramäische Evangelium, das nicht erhalten ist, auf
das sich Matthäus stützte; E. LINNEMANN, Is there a Synoptic Problem? Rethinking the Literary Dependence
of the First Three Gospels, Grand Rapids 1992, 29-30. Ähnliches behaupteten G. Heinrici, F. Godet und P.
Fiebig (Schüler des Heinrici). Sie nahmen als These an, dass die synoptischen Evangelien dieses Evangelium
„verbuchten“, das von den Pilgerlehrern verkündet wurde. E. Jacquier behaupte hingegen, dass die Evangelisten
schriftliche Skizzen der mündlichen Katechese benützten; R. BARTNICKI, Problem synoptyczny dawniej i
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5. Die klassischen Biografien wurden über Tote geschrieben, deren Taten auf immer in
die Volksgeschichte eingetragen werden sollten oder deren Gedanken auf die Entwicklung
der Philosophie, Poesie oder Kunst Einfluss gehabt hatten; die geschriebenen Evangelien über
das Leben Jesu, von dem die Autoren überzeugt waren, dass er lebe. Sie sind also nicht nur
Biografien über den toten Jesus, sondern auch über den auferstandenen Christus, der noch
wirkt und in der Gemeinschaft der Gläubigen anwesend ist, an welche das Werk gerichtet ist.
Trotz der oben genannten Unterschiede scheint es, dass die Evangelien in die Gattung
der klassischen Biografien gerechnet werden können; sie sind Biografien, die in ihrem
Bereich durch die Verwendung anderer Gattungen, Formen und Ausdrucksmittel modifiziert
wurden. Sie sind Biografien, die durch das Osterlicht interpretiert wurden. Wenn aber die
Evangelisten mit den klassischen griechischen Biografien in Berührung kamen (was bei
Lukas sehr wahrscheinlich scheint), besteht kein Zweifel, dass das jüdische Denken und die
jüdische Literatur großen Einfluss auf die Endgestalt ihrer Werke hatte.
ZUSAMMENFASSUNG
Bis vor kurzem hat man in den Studien über die Bibel fast allgemein angenommen, dass das
„Evangelium” literarische Gattung sui generis ist. In den Forschungen der letzten Jahre hat
man diese Ansicht in Frage gestellt, indem man vergleichende Studien mit literarischen
Gattungen aufgenommen hat, welche in der antiken griechischen Literatur anwesend waren.
Die Ergebnisse dieser Forschungen sind überraschend: es hat sich herausgestellt, dass wir das
Evangelium heute als eine Untergattung des antiken biografischen Romans betrachten
können. Der Autor des Aufsatzes stellt grundlegende Merkmale der antiken biografischen
Romane dar, indem er sie mit literarischen Eigenschaften der kanonischen Evangelien
zusammenstellt.
SUMMARY
Greek’s Antique Biography and the Gospel: The Issue of Literary Genre
In biblical studies until a few years ago it was largely admitted that the gospel is a particular
literary genre. Some biblical scholars challenged this statement, beginning research in this
field. Their research consisted mainly in studium comparativum with the literary genres in
ancient Greek literature. The conclusion of these studies is quite fascinating: today we can
assume that the gospel is sub-genre of ancient biographical narrative. The article presents
main characteristics of ancient narratives, comparing them with literary characteristics of the
four canonical gospels.
dzisiaj, in: STV 27 (1989) 58-59. J.K.L. Gieseler behauptet, dass das Evangelium ursprünglich in Aramäisch
überliefert wurde. Mit der Zeit begann man, die griechische Sprache zu verwenden und diese Überlieferung
wurde dann die Quelle für die kanonischen Evangelien; M. ROSIK, Ku radykalizmowi Ewangelii. Studium nad
wspólnymi logiami Jezusa w Ewangeliach według św. Mateusza i św. Marka, Wrocław 2000, 39-42.
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