Der Uhrmacher an der Drehbank
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Der Uhrmacher an der Drehbank
H. Jendritzki M. Stern Der Uhrmacher an der Drehbank 3 Hans Jendritzki wurde am 25. 07. 1907 in Wolmirstedt bei Magdeburg als Sohn des Uhrmachermeisters Johannes Jendritzki geboren. Beim Vater lernte er den Beruf des Uhrmachers und im letzten Lehrjahr in Hamburg-Altona beim Uhrmachermeister Kitzky. Es folgten Jahre in der Schweiz und 1936 wurde in Berlin die Meisterprüfung abgelegt. Nach Jahren als Redakteur der „Uhrmacherkunst“ in Berlin unterrichtete er – unterbrochen durch die Kriegsjahre – als Studienrat an der Staatlichen Uhrmacherschule Hamburg. Er arbeitete in vielen Ausschüssen mit und wurde als liebenswürdiger und gern gesehener Berater beschrieben. Als Autor zahlreicher Abhandlungen in Fachzeitschriften machte er sich schnell einen Namen. Entsprechende Fachbücher folgten, die zur Grundlagenliteratur vieler Uhreninteressenten gehören. Er zeichnete sich durch große Fachkompetenz und gut verständliche Darstellungsweise in Wort und Bild aus. Seine Werke wurden zum Teil in zehn Sprachen übersetzt. Am 17.03.1996 verstarb Hans Jendritzki im Alter von 88 Jahren. Michael Stern, Berlin Jahrgang 1949, lernte den Beruf des Werkzeugmachers, später den des Ingenieurs für Feinwerktechnik. Seit dem Absolvieren eines Hochschulstudiums arbeitete er als Berufsschullehrer in Berlin. Als Fachbuchautor war er früher für den Vieweg-Verlag im Bereich der Steuerungstechnik tätig. Durch seinen Beruf kam er mit der Uhrmacherei in Berührung und dabei besonders mit den Uhrmacherwerkzeugen. Fehlende Literatur in der Uhrmacherausbildung ließ zuerst eine Internetseite (www.info-uhren.de) und dann die „CD-Edition historischer Uhrenbücher zur Förderung des uhrmacherischen Fachwissens“ entstehen. Danach bearbeitete er die Bücher „Der Uhrmacher an der Drehbank“ und „Die Armband- und Taschenuhr in der Reparatur“. Durch seine Mithilfe konnte der Verlag „Historische Uhrenbücher“ bisher fünfzehn Titel herausbringen. Inzwischen ist M. Stern auch für die Zeitschriften „ArmbandUhren“ und „Klassik Uhren“ als Fachautor tätig. Haftungsausschluss Die in diesem Buch enthaltenen Informationen wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und von ihm und dem Verlag mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. Dennoch sind, wie wir im Sinne des Produkthaftungsrechts betonen müssen, inhaltliche Fehler nicht mit letzter Gewissheit auszuschießen. Daher erfolgen die Angaben ohne jede Verpflichtung oder Garantie des Autors bzw. des Verlages. Beide übernehmen keinerlei Verantwortung bzw. Haftung für mögliche Unstimmigkeiten. © Historische Uhrenbücher Verlag: Florian Stern, Berlin 2009 www.uhrenliteratur.de [email protected] 4. aktualisierte Auflage Alle Rechte vorbehalten Nach dem Original Hans Jendritzki: Der Uhrmacher an der Drehbank Scriptar SA und Schweizer Uhren und Schmuck Journal, 1959 und 1982 Mit freundlicher Genehmigung durch Frau Jendritzki Layout u. Satz: Michael Stern Druck: Hubert & Co, Göttingen ISBN 987-3-9809557-0-6 4 Der Uhrmacher an der Drehbank Die Uhrmacher-Drehbank, ihre Anwendung und Pflege Michael Stern nach dem Original von Hans Jendritzki + Marcel Bergeon Berlin 2009 5 6 Inhaltsverzeichnis Vorwort zur Neubearbeitung.............................................................................................................. 11 Anmerkung des Verlegers (Scriptar 1982)........................................................................... 12 Einleitung (Jendritzki 1982)................................................................................................................ 12 Allgemeines über die Drehbank des Uhrmachers................................................. 13 Grundbestandteile • Spindelstock • Reitstock • Stichelauflage • Kreuzsupport • Planscheibe • Wange............................................................................................................................................................... 14 • Befestigung der Aufbauteile auf der Wange • „Vorgebaut“ oder „symmetrisch“ • Spitzenhöhe • Genauigkeit einer Drehbank.......................................................................................................15 • Grundzusammenstellung................................................................................................................16 • Empfehlenswerte Zubehörteile................................................................................................ 17 • Ergänzungen für feinere Arbeiten........................................................................................ 18 Die Uhrmacher-Drehbank................................................................................................................ 19 Der Spindelstock........................................................................................................................................... 21 • Spannschlüssel.......................................................................................................................................... 22 • Mitnahme der Einsätze • Index am Schnurlauf (Teilscheibe)...................................................................................... 23 • Index-Feststeller • Indexteilung Amerikaner Spannzangen, Stufenfutter, Ringfutter......................................... 24 • Auswahl der richtigen Spannzangengröße • Anwendung der Spannzangen.................................................................................................. 25 • Spannzangen mit Stufe • Größe des Durchlasses • Besonders große Spannzangen................................................................................................ 26 • Aufbewahrung der Spannzangen • Stufenfutter.................................................................................................................................................. 27 • Ringfutter Bohr-, Dreibacken-, Kranzspann- und............................................................................... 28 Achtschraubenfutter................................................................................................................................ 29 Die Arbeit mit den Lackscheiben.............................................................................................. 30 • Schellack • Auflacken • Lackscheiben • ausgesparte Lackscheibe.................................................................................................................31 • Zentrieren des Arbeitsstückes • Ablacken des Arbeitsstückes...................................................................................................... 32 • Auskochen in Spiritus Der Reitstock.................................................................................................................................................... 34 • Broschen • Mitnehmerrolle • Anordnung der Trichterscheibe............................................................................................... 35 • Funktion der Universalbrosche • Bohrreitstock 7 Die Stichelauflage........................................................................................................................................ 36 • Form der Stichelauflage • abklappbare Stichelauflage • Fangkästchen.............................................................................................................................................. 37 • Drehbanklupe • einfache Feilrolle.................................................................................................................................... 38 • verstellbare Feilauflage • Aufnahme der Sägetische Das Drehen zwischen Spitzen........................................................................................................ 39 • Mitnehmer..................................................................................................................................................... 40 • Einsatzspitzen und Hohlspitzen • Zentrierbohrer............................................................................................................................................ 41 • Zapfenschoner • Andrehen dünner Zapfen • exzentrisches Drehen..........................................................................................................................42 Technologie des Drehens.....................................................................................................................44 • Zustell-, Schnitt- und Vorschubbewegung • Frei-, Keil- und Spanwinkel (Winkel an der Schneide) • Flächen an der Werkzeugschneide....................................................................................... 45 • Schnittgeschwindigkeit – Drehzahl..................................................................................... 46 • Drehzahlverstellung............................................................................................................................. 47 Die Stichel............................................................................................................................................................. 48 • Handstichel • Stichelanschliff......................................................................................................................................... 49 • Stichelauflage.............................................................................................................................................50 • Dreharbeiten mit dem Handstichel....................................................................................... 51 Der „feste Stichel“ im Kreuzsupport.................................................................................... 53 • Meißeleinspannung • Schmiermittel............................................................................................................................................. 54 • Formen der Drehmeißel • Meißelmaterial (Schneidstoff).................................................................................................. 55 • Kreuzsupport (Werkzeugschlitten)...................................................................................... 56 • Zylindrisch und konisch drehen.............................................................................................. 57 • Kegeldrehen................................................................................................................................................. 58 Die Planscheibe...............................................................................................................................................59 Messgeräte für die Drehbank........................................................................................................ 61 Sonderarbeiten mit der Drehbank.......................................................................................... 62 • Flachsenker • Stiftsenker (Flachsenker mit Stift) • Zapfenfräsen................................................................................................................................................63 • Geradlinige Ausfräsungen • Schleifen • Sonnenschliff.............................................................................................................................................. 64 • Fräsapparat/Höhensupport............................................................................................................ 65 • Räderfräsen • Polieren von Schraubenköpfen.................................................................................................67 • Holz-Arbeiten • Wickeln einer Wendelfeder • Drähte gerade richten • Drehen von Hülsen und Buchsen Drehen einer Unruhwelle................................................................................................................... 69 Drehen einer Aufzugwelle................................................................................................................. 72 • Anfeilen des Vierkants..................................................................................................................... 73 • Nachschleifen des Vierkants Das Eindrehen eines Triebes.......................................................................................................... 74 8 Anfertigen einer Steinfassung....................................................................................................... 76 Anfertigen der Metallfutter/-lager...........................................................................................77 Das Einbohren von Zapfen...............................................................................................................79 • verschiedene Methoden • Anlassen der Welle • Bohrer • Bohrloch.......................................................................................................................................................... 80 • Der neue Zapfen • Zapfen-Bohrmaschinen.................................................................................................................... 81 Die Schrauben................................................................................................................................................. 82 • Schneideisen • Gewindebohrer • NHS-Gewinde • Metrisches Gewinde........................................................................................................................... 83 • Linksgewinde anfertigen................................................................................................................83 • Wie fertigen wir eine Schraube an? • Schraubenende • Arrondierung.............................................................................................................................................. 84 • Schraubenschlitz • Kopfpolitur • Ansatzschraube........................................................................................................................................ 85 Anordnung und Antrieb der Drehbänke......................................................................... 86 • Elektromotor, Triebriemen, biegsame Welle Micromotor Anwendungsbeispiele der Uhrmacher-Drehbank................................................. 89 Erhältliche Drehmaschinen............................................................................................................. 93 • Bergeon 50 mit Zubehör • Bergeon A, B, C, D, E, F................................................................................................................94 • VECTOR.......................................................................................................................................................................................95 • Leinen WW.................................................................................................................................................. 99 • Schaublin 70.............................................................................................................................................101 Maschinenwartung................................................................................................................................. 102 • Korpus • Schnurlauf – Riemen • Wange und Aufbauteile • Gleitlagerspindel/Spindelstock • Ölen.................................................................................................................................................................. 105 • Spannschlüssel • Dreibackenfutter und Aufbauteile • Kreuzsupport...........................................................................................................................................107 • Der „BOLEY-Drehstuhl FM“............................................................................................... 108 • Überprüfen der Drehmaschine..............................................................................................110 • Antriebsmotore..................................................................................................................................... 111 Nachwort............................................................................................................................................................ 113 Literaturhinweise..................................................................................................................................... 114 Bezugsquellen............................................................................................................................................... 115 Anzeigenteil................................................................................................................................................................................... 116 9 10 Vorwort zur Neubearbeitung Bis zum ersten Weltkrieg stellten Uhrenfabriken/Manufakturen ausschließlich „Rohwerke“ her, die vom Uhrmacher entgratet, mit Lagern versehen und in Gang gesetzt wurden. So waren diese noch Uhrmacher im Wortsinn und benötigten ihren Drehstuhl tagtäglich. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts lieferten die ersten Uhrenmanufakturen fertig montierte Uhren mit „Werkgarantie“ unter eigenem Namen aus. Bis zum 2. Weltkrieg steigerte sich die Vermarktung dieser Uhren so, dass die Uhrmacher zunehmend fertig montierte Werke kauften bzw. komplett fertige Uhren. Die Uhrenproduktion stellte sich in dieser Zeit von der Taschen- zur Armbanduhr sprunghaft um. Bis zum 2. Weltkrieg war die Dreharbeit des Uhrmachers ganz auf Zupassen nach Gefühl und fachlichem Verständnis ausgerichtet. Erst im letzten Drittel des abgelaufenen Jahrhunderts ist nicht mehr „das Einpassen“ so wichtig als vielmehr die maßgenaue Fertigung. Dies hat nicht die schon immer geringen Maßtoleranzen geändert, sondern „nur“ die Kommunikation über eine Zeichnung, Maßangaben und deren Kontrolle mit Messgeräten. Wurde bis in die 20er Jahre noch mit dem „Fiedelbogen“ das Werkstück im Drehstuhl bewegt, so setzte sich sehr schnell das in eine Richtung drehende Schnurzugrad durch, das ab den 30er Jahren durch einen externen Elektromotor abgelöst wurde. Dieser ist dann seit den 60er Jahren integrierter Bestandteil der Drehmaschine geworden. Doch alles „Alte“ ist noch heute einsetzbar und wird auch in den Werkstätten verwendet. Nach dem 2. Weltkrieg gab es „Rohwerke“ nur noch fertig montiert und reguliert. Seither entfielen viele Dreharbeiten und bezogen sich „nur noch“ auf die Teileherstellung zur Reparatur. Da der Preis fertiger Gebrauchsuhren seither ununterbrochen fällt, wurden auch immer weniger aufwändige Dreharbeiten/Reparaturen durchgeführt. Diese verlagerten sich immer mehr in den Bereich der Restaurierungen und der Sonder- und Einzelanfertigungen. Durch den eingeschränkten Bedarf reduzierte sich entsprechend das Werkzeugangebot, machte Dreharbeiten aufwändiger und damit teurer. Doch seit den 70er Jahren führten Sammler und „Bastler“ – allgemein als Uhrenliebhaber bezeichnet – zu einer Aufwertung der Fertigkeiten in der Uhrmacherdreherei. Zusammengefasst: Die Uhrmacherdrehmaschinen sind bis auf den Antrieb weitgehend unverändert geblieben, technische Innovationen der letzten 20 Jahre hatten kaum Einfluss auf diese Maschinen. Alle Fertigkeiten und Werkzeuge werden gebraucht, nur viel seltener als früher. Hier wird ausschließlich die handwerkliche Drehmaschine mit ihrem Sonderzubehör behandelt. Beschriebene Arbeitsweisen entstanden aus der Technik des „Uhrenfertigmachens“. Werden sie heute für Reparatur, Restaurierungsarbeiten und Sonderanfertigungen benötigt, sind sie, soweit möglich, berücksichtigt. So soll dem Wunsch vieler Uhrmacher und Freunden der Uhrentechnik gefolgt werden, das Buch „Der Uhrmacher an der Drehbank“ wieder in gedruckter Form herauszubringen. Der „alte“ Inhalt bleibt weitgehend unangetastet, kleinere Fehler sind korrigiert, Ergänzungen eingefügt worden. Das Werk von Hans Jendritzki bleibt so auch künftigen „Uhrmacher-Generationen“ erhalten. Bei den Begrifflichkeiten wurde versucht, sowohl die alten als auch die neuen aufzunehmen. Es wird immer wieder kleine sprachliche Probleme geben, wenn ein Uhrmacher mit einem Mechaniker über das Drehen spricht – dieser Dialog ist aber immer für beide Seiten fruchtbar. In Hinblick auf die Uhrmacherausbildung wurde ein Kapitel „Technologie des Drehens“ aufgenommen, so lernt der Auszubildende nicht nur nach „alten Maßstäben“. Zusätzlich wird noch auf die Wartung und Pflege der Maschine eingegangen. Bezugsquellen und Literaturverweise sind ergänzt worden, das Inhaltsverzeichnis ist detaillierter angelegt. Ständige Ergänzungen und Aktualisierungen dieses Buches finden Sie im Internet auf der Verlagsseite www. uhrenliteratur.de Das Layout des Buches orientiert sich an praktischen „Werkstattgesichtspunkten“. Bilder und Text sind möglichst auf einer Seite platziert worden. Frau Jendritzki hat diese Neuauflage (jetzt vorliegend in der 4. Auflage) in freundlicher Weise genehmigt, die Fa. Bergeon & Cie hat vieles an Bildmaterial beigetragen – herzlichen Dank. Dieser gilt auch Alwin Schütze, Uhrmachermeister in Berlin und Christian Pfeifer-Belli für die kritische Durchsicht des Manuskripts sowie Volker Vyskocil (www.uhrentechnik.de), dem es von der ersten Stunde an ein Anliegen war, die „Historische UhrenbuchEdition zur Förderung uhrmacherischen Fachwissens“ zu unterstützen. Anregungen und Kritik sind jederzeit unter E-Mail: [email protected] willkommen. Michael Stern Berlin 2009 11 Anmerkungen des Verlegers (1982) Der ersten, im Jahre 1959 erschienenen Auflage des Bandes „ Der moderne Uhrmacher und seine Drehbank“ war großer Erfolg beschieden. Diese Abhandlung erwies sich für zahlreiche Uhrmacher/Reparateure als sehr nutzreich, bot sie ihnen doch die Möglichkeit, ihre Kenntnisse zu vervollständigen und zugleich ihren Kundendienst zu verbessern. Parallel zu der Evolution in der Uhrenherstellung büßte die Arbeit an der Drehbank an Bedeutung ein, denn man nahm in der Praxis in stets zunehmendem Maße die Dienste der Furnituristen in Anspruch. Seit einigen Jahren kann indessen eine sehr fühlbare Revalorisierung der Restaurationsarbeiten für alte Uhren und Pendulen beobachtet werden. Dieses Phänomen kann auf diverse wirtschaftliche Faktoren zurückgeführt werden, wie namentlich das starke Ansteigen der von Sammlern und Investoren auf Auktionen angebotenen Preise. Die glücklichen Besitzer alter Uhren sind sich inzwischen bewusst geworden, dass sie Schätze besitzen. Heute sollte der Uhrmacher-Restaurator, der auf die Ausführung einer einwandfreien Arbeit Wert legt, wiederum sämtliche von der Drehbank gebotenen Möglichkeiten kennen und nutzen. Aus diesem Grunde haben wir uns – einem vielfach geäußerten Wunsch zufolge – entschlossen, einen neuen Band mit dem Titel „Der Uhrmacher an der Drehbank“ herauszubringen; auf der Grundlage der seinerzeitigen Auflage aufgebaut, wurde der Text von seinem Autor, Herrn Jendritzki sowie von Herrn Marcel Bergeon, welchem wir an dieser Stelle für seine Mitarbeit recht herzlich danken, vollständig überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. H. Marquis Der Verleger (Scriptar 1982) Einleitung Unsere Uhrmacher-Drehbank ist ein völlig selbstständiges und für uns recht wichtiges Werkzeug, insbesondere für den Uhrmacher, der noch gewohnt (oder genötigt) ist, bestimmte Teile anzufertigen. Nicht selten habe ich im Verlaufe der Lehrzeit festgestellt, dass zahlreiche Lehrlinge und junge Meister die Drehbank-Zubehörteile nicht mit der nötigen Sorgfalt und Geschicklichkeit einsetzen, so dass die moderne Drehbank bei ihrem hohen Preis nicht optimal genutzt wird. Alle jungen Kollegen mit unterschiedlichem Talent haben nicht immer die Ausbildung der alten Uhrmacher, welche Lehrlinge ausbilden und die der Verwendung der Drehbank und der Werkzeuge nicht die gleiche Aufmerksamkeit angedeihen lassen wie der Ausführung der Arbeiten. So entstehen Schäden, die nicht bloß Zeit und Geld kosten, sondern auch eine verhängnisvolle psychologische Auswirkung haben. Verschiedene, an das „Schweizer Uhrenjournal“ gerichtete Schreiben aus sehr unterschiedlichen Ländern ließen den Plan reifen, einen Lehrgang über dieses Thema aufzustellen, das in der Fachliteratur bloß in Form vereinzelter technischer Artikel behandelt wird. Die Suche nach einer Lösung dieses Problems führte zu einer Reihe sehr aktueller Berichte, denn die Rationalisierung und die Wirtschaftlichkeit dürfen nicht außer Acht gelassen werden, sobald man von der Drehbank spricht. Obwohl der moderne Uhrmacher aus ökonomischen Überlegungen die Drehbank möglichst vollständig auszuschalten sucht und nur Fertig-Ersatzteile verwenden will, wird die Drehbank immer und überall den ihr vom Uhrmacher zugewiesenen Platz bewahren. Die Wertschätzung der Drehbank hängt jedoch vom Ort ab: in Gegenden, wo ein schneller Furniturendienst besteht, ist eine Drehbank weniger nötig als in Ländern, die weit entfernt von den Herstellungszentren sind. Der wahre Uhrmacher, der Teile der Uhr selbst herstellen kann, schätzt immer ihren Wert. Der Kunde, wo immer er auch lebt, wünscht nicht, wochenlang auf Ersatzteile des Uhrmachers zu warten. Dieser letztere schätzt seine Drehbank und sein Werkzeug ganz besonders, ohne die jegliche gepflegte Arbeit unmöglich ist. Die Zusammenfassung von Artikeln über die unterschiedlichen Drehbank-Gattungen, das Zubehör, ihre Anwendung und Pflege, die Verfahren und neuesten Entwicklungen sollten die Arbeit unserer Kollegen erleichtern und fruchtbarer gestalten. Dieses Werk will einen Ausgleich schaffen für eine mangelhafte Ausbildung. Wer sich der ernsthaften und manchmal beinahe hoffnungslosen Anstrengungen zur Verbesserung der Uhrmacherarbeit in anderen Ländern bewusst wird, findet, dass keine Mühe zu groß ist, jenen zu helfen, die sich zu vervollkommnen wünschen. Wenn diese Berichte den Uhrmachern Erleichterung und Fortschritt bringen, fühlen sich Verfasser und Verleger reichlich entschädigt. Hans Jendritzki (1982) 12 Der „feste Stichel“ im Kreuzsupport Drehmeißel auf Mitte spannen: Während wir beim Handstichel die Möglichkeit besitzen, die richtige und günstigste Schneidstellung bei der Arbeit auszuprobieren, erfordert der Drehmeißel (feste Stichel, Supportstichel, Drehstahl) seine unveränderlichen Schneidenwinkel. Und da die verschiedenen Materialien mehr oder weniger hart oder spröde sind, muss auch der Stichel mit seinen Winkeln dementsprechend darauf Rücksicht nehmen. Für diese Winkel gibt es Richtlinien, um möglichst rationell arbeiten zu können (s. S. 44f). Meißeleinspannung Kommen wir zuerst zur Meißeleinspannung im Support (Werkzeugschlitten). Prinzipiell wird der Meißel auf Mitte gestellt! Weicht man von dieser Regel ab, verändern sich die Winkel (Wirkwinkel αe, βe). Manchmal ist es aber doch sinnvoll, ganz leicht über Mitte zu drehen – speziell bei sehr dünnen Drehteilen. So kann sich das Werkstück nicht so leicht über den Meißel schieben und abbrechen. Wichtig ist dabei, den nun verkleinerten Freiwinkel schon vorher größer zu schleifen, damit der Meißel nicht drückt. Unter Mitte wird der Meißel nie gestellt. Beim Plandrehen muss der Meißel auf Mitte stehen! Der Meißel wird natürlich immer so kurz wie möglich eingespannt, damit er nicht in Schwingungen gerät. Diese erzeugen „Rattermarken“. Auch darunter liegende Drehspäne verhindern eine starre Einspannung des Meißels. Andererseits ist es nicht notwendig, den Meißel unter Anwendung roher Kräfte festzuschrauben, denn es darf nicht vergessen werden, dass der Supportschlitten aus Gusseisen hergestellt ist, das schnell ausplatzt. Ferner verzieht sich der Schlitten doch minimal, und da er luftlos eingestellt sein muss, reicht dies geringe Verziehen, um ein Klemmen des Schlittens hervorzurufen. Hierunter leidet nicht nur auf die Dauer die Gewindespindel des Supports, sondern es ist auch keine glatte Oberfläche zu erzielen, weil die Spindel nur ruckweise gedreht werden kann. Einige Abbildungen geben grundsätzliche Hinweise zum Umgang mit dem Drehmeißel. Um allen Anforderungen zu genügen, sind die Meißelhalter der Kreuzsupporte auf die verschiedenste Art verstellbar eingerichtet. Meißel sind oft in der „Kerze“ gehalten, bei der sie mittels gewölbter Unterlage in einer Kugelschale auf- und abgestellt werden können. Damit jedoch die Schneidenwinkel nicht zu sehr verändert werden, sollte nur minimal verstellt werden. Günstiger sind aber Anordnungen, bei denen der Meißel seine waagerechte Stellung beibehalten kann, wenn er höher oder tiefer gestellt wird, um auf „Mitte“ ausgerichtet zu werden. Entweder ist an der Stelle der konischen Unterlegscheibe eine Stufenscheibe mit verschieden hohen Auflagen angewendet, oder die Unterlage ist durch Gewinde in der Höhe zu verstellen. Bei dem Supportblock ist die Höhenlage des Meißels nur durch Unterlegen von sauberen planparallelen Blechstreifen zu verändern; eine Maßnahme, die auch anzuwenden ist, wenn bei den anderen Arten die Korrektur nicht ausreicht. Für runde Drehmeißel kann man sich eine Prismenauflage selber anfertigen oder einen Spezialhalter beziehen. 53 Die Spitze gibt dabei eine Hilfe. Noch schneller geht es mit einer selbstgefertigten Lehre, zumal das Werkstück beim Stichelwechsel nicht ausgespannt werden muss! FALSCH Kurz, gerade und sicher Spannen mit möglichst wenig Blech-Unterlagen Stets waagerecht durch Schraubunterlage (Boley) – Meißel hier zu lang eingespannt Die „Kerze“ als Meißelhalter Höherstellen nur durch Unterlegen von Blechstreifen Schmiermittel beim Drehen sind bei unseren niedrigen Umdrehungszahlen selten nötig. Lediglich zur Verbesserung der Oberflächengüte ist es manchmal empfehlenswert, das Arbeitsstück nicht trocken zu bearbeiten. Insbesondere Aluminium reißt sehr leicht, lässt sich jedoch mit Spiritus tadellos drehen, feilen und Gewindeschneiden. Auch bei Stahl und Eisen ist oft die Anwendung von Schneidöl (z. B. Neoval Oil Rubin G-8) oder Terpentin brauchbar. 9 1 Die Formen der Drehmeißel sind gemäß den Anforderungen der Arbeitsstücke in unseren Uhren geformt. Schruppmeißel haben statt der schnell abnutzenden Spitze eine besser stehende runde Schneide und dienen nur zum Drehen von Wellen oder Flächen ohne Ansätze. Seitenmeißel sind für die Arbeit rechts oder links in zweifacher Ausführung nötig, sie sind mit ihrem spitzen Winkel so einzustellen, dass sowohl an der Welle als auch am Ansatz nur die Spitze arbeitet und niemals eine Schneide mit ihrer ganzen Länge. Ausdrehmeißel besitzen eine schlanke Spitze, die es ihnen erlaubt, auch in Löcher einzudringen, um deren Wandung glatt zu drehen oder den Durchmesser zu vergrößern. 2 3 4 5 6 7 8 Drehmeißelformen in der Mechanik: Jeder Meißel besitzt seinen Anwendungsbereich. Der Meißel Nr. 2 ist am universellsten einsetzbar (Längsund Plandrehen). Schruppmeißel Seitenmeißel links Seitenmeißel rechts Ausdrehmeißel 66 1 2 3 4 5 Drehmeißelformen in der Uhrmacherei (runde Ausführung, System Gümmer): 1. Stirndrehmeißel spitz links 6. Stirndrehmeißel abgerundet rechts 2. Stirndrehmeißel spitz rechts 7. Nutdrehmeißel 3. Stirndrehmeißel abgerundet links 8. Innendrehmeißel 1, 2, 3, 4 Längs- und Plandrehen; 5 Nutendrehen und Abstechen; 7 Innenlängs- und Innenplandrehen Ausschlaggebend ist stets die Forderung der Arbeit – nach ihr hat sich die Meißelform zu richten. Beachtet werden müssen nur die „Gesetze der Schneidengeometrie“. Aus den Darstellungen (Ansicht von oben auf das Werkstück) ist die Arbeitsweise einiger Meißel zu erkennen. Die Nebenschneiden müssen unbedingt einen Freiwinkel besitzen. Besonders beim Stich- oder Nutendrehmeißel wird das deutlich. Die Seitenflächen würden unweigerlich „drücken“, wenn sie nicht in allen Richtungen „frei“ wären. Supportdrehen ist nicht so einfach. In den Abbildungen sind einige Arbeitsbewegungen für Dreharbeiten angegeben. Viele Drehmeißel können mit einem Halter auch gut als Handstichel eingesetzt werden. Längs – und Plandrehen mit einem linken und rechten Meißel Gerader und gebogener rechter Stechdrehmeißel in Arbeitsstellung 54 Innen- und Hakendrehmeißel in Arbeitsstellung Das Meißelmaterial (Schneidstoff) ist ein Problem besonderer Art. Für Eisen, Messing und weichen Stahl reichen die gewöhnlichen Werkzeugstähle zwar einige Zeit aus, wenn ihre Schneide nur eben gelb angelassen wurde; besser ist, wenn der Stichel gar keine Farbe bekam, sondern ein Stück aufgelegtes Papier leicht bräunt. Blauharter Stahl – also Unruhwellen und Triebe – ist selten mit den üblichen Sticheln längere Zeit zu bearbeiten. Die speziallegierten HSS-Stähle stellen hier einen Fortschritt dar und sollten ausschließlich benutzt werden. Bergeon bringt zwei Sortimente (HSS-Stahlschneiden/ Hartmetallschneiden) von Drehstählen mit quadratischem Profil von 5 x 5 mm in den Handel, die auf dem Stichelhalter befestigt werden können: Diese Sortimente im Holzetui bestehen aus je 5 Stählen. Preiswerter sind runde HSS-Drehstahlrohlinge, die ab 1 mm Durchmesser handelsüblich sind. Runde Drehmeißel sind etwas schwerer auf Mitte zu stellen. Mit quadratischem Querschnitt sind Rohlinge ab 4 mm Kantenlänge erhältlich. Diese preiswerten Rohlinge kann man sich für jeden Zweck selber anschleifen – so ist immer der passende Meißel parat. Für spezielle Meißel lohnt immer mal ein Blick in die Kataloge der Werkzeuggroßhandlungen (z. B. Perschmann u. a.). Die dort erhältlichen Rohlinge sind recht lang, man kann aus einem gleich zwei Drehmeißel fertigen und jeweils beide Seiten anschleifen. Man halbiert die Rohlinge in der Länge, indem man in der Mitte eine kleine Kerbe einschleift, spannt den Rohling in den Schraubstock, legt einen Lappen über (Unfallverhütung) und teilt ihn dann mit einem Hammerschlag. Wer schon einmal mit Hartmetall-Meißeln gedreht hat, wird diese nicht mehr missen wollen. Selbst Durchmesser von 0,2 mm lassen sich optimal drehen, sinnvolle Schnittgeschwindigkeit vorausgesetzt. Aber Achtung: Drehen mit Hartmetall-, aber auch mit Oxidkeramik- und Diamantmeißeln setzt einen ununterbrochenen Drehfluss voraus, Schläge auf die Schneide vertragen diese Schneidstoffe nicht. Wer HM benutzen möchte, sollte unbedingt in die Werkzeugkataloge schauen – die Furniturenhandlungen sind in ihrem Angebot sehr beschränkt. Es lassen sich aber auch alte Gravierfräser mit Erfolg als Stichelmaterial einsetzen. Während wir beim Handstichel die Möglichkeit besitzen, die richtige und günstigste Schneidstellung bei der Arbeit auszuprobieren, erfordert der Drehmeißel seinen festen Anschliff. Und da die verschiedenen Drehteile mehr oder weniger hart oder spröde sind, muss auch der Meißel mit seinen Winkeln dementsprechend darauf Rücksicht nehmen. Der Freiwinkel α, der Keilwinkel β und der Spanwinkel γ sind den o. g. Richtlinien entsprechend anzuschleifen. Die Reihenfolge beim Anschleifen ist nebenstehend beispielhaft dargestellt. Auch hier werden die Schneidkanten mit dem Abziehstein nachgearbeitet und die Schneidenecke leicht verrundet. Auf der nächsten Seite sind die Meißel noch einmal im Eingriff zu sehen. Dies hilft sicher, den richtigen Anschliff zu bewerkstelligen. Die den Uhrmacher-Drehbänken beigegebenen Support-Meißel sind selten so angeschliffen, wie es in der Technik sonst üblich ist; sie besitzen oft überhaupt keinen Spanwinkel, son55 Sortiment HM-Meißel HSS-Meißel Garant Vollhartmetall-Drehmeißel vorgeschliffen Diese Meißel ab Ø 2 x 40 mm (ca. 3,- € / St.) muss man selber nachschleifen (Diamant- oder Edelkorundscheibe). Die nicht vorgeschliffene Ausführung kauft man zu 10 Stück wesentlich preiswerter (ca. 1,- € / St.), man muss aber mehr schleifen. Der Kobaltgehalt sollte deshalb nicht unter ca. 20% liegen – sonst wird das Schleifen sehr anstrengend. Verfahrmöglichkeiten beim „Schlichten“ mit Eckmeißel Anschleifreihenfolge HSS-Eckdrehmeißel dern ihre Spanfläche ist von der oberen Waagerechten gebildet. Auch sollen die Meißel universell für alle Metalle verwendet werden, wenngleich dies eher selten von Erfolg begleitet ist. Meißel beim Plandrehen Meißel beim Längsdrehen Der Kreuzsupport (Werkzeugschlitten) arbeitet nur dann einwandfrei, wenn er in Ordnung ist. Ein fabrikneuer Support ist zwar zu Beginn tadellos, aber er wird durch unüberlegte und schlechte Behandlung auch schnell verdorben. Die Gewindespindeln müssen gleichmäßig leicht drehbar sein, sollen jedoch möglichst kein Spiel aufweisen. Das Gleiche gilt für die Schlittenführungen. Dass dabei der Support auf der Wange oder auf seinem Sockel absolut fest und ohne zu wackeln sitzen muss, ist selbstverständlich. Man sollte sich bemühen, den Support über seinen gesamten Bereich zu nutzen, nicht immer nur an einer Stelle – dies führt zu unnötigem ungleichmäßigem Verschleiß. Sauberkeit und Schmierung schenken auch dem Support eine lange Lebensdauer (s. S. 103f). Schleifstaub ist unbedingt fernzuhalten! Die Drehung der Spindel will auch geübt sein, wenn es gilt, eine einwandfreie Oberfläche des Drehstückes zu erzielen. Der lange Zapfen der Kurbel verführt zwar dazu, dass man mit zwei Fingern anfasst und daran dreht; der Erfolg ist aber – besonders bei streng gehender Spindel – dass der Supportschlitten mal nach rechts, mal nach links „gerissen“ wird. Man bemühe sich, die Kurbel mit den Fingern beider Hände so zu drehen, dass die Kraft praktisch immer in ihrer Mittelachse bleibt und dass ferner ihre Drehung so gleichmäßig erfolgt, als ob sie mit einer „Leitspindel“ betrieben würde. Da selbst die feinstpolierte Schneide noch feinste Drehrillen hinterlässt, kann es zweckmäßig sein, mit gleicher Einstellung die Fläche nochmals oder gar mehrmals zu überdrehen. Selbst das geringste Schlittenspiel wirkt sich durch Drehrillen auf dem Arbeitsstück aus. Die Steigung der Gewindespindeln am Kreuzsupport sollte man kennen! Sie schwankt je nach Fabrikat zwischen P = 0,5 bis 1 mm. Ihre Skalentrommeln sind mit Einteilungen versehen, die je nach Größe entweder nach 1/10 mm oder auch nach 1/100 mm rechnen. Diese Einteilung einer Umdrehung erspart manches Messen, da man ja nur einmal das Ausgangsmaß festzustellen hat, die Skalentrommel auf „0“ stellt und dann an der Kurbel nur noch die gewünschten Zehntelmillimeter dazuzudrehen hat, um das „Sollmaß“ zu erreichen. Leider sind die Skalentrommeln recht klein – eine Ablesung wird erschwert. Mit etwas Geschick lassen sich aber neue größere Trommeln selbst fertigen – aber natürlich mit einer prak56 Planschlitten Längsschlitten Kreuzsupport mit großen Skalentrommeln Rechte und linke Hand wechseln sich beim Kurbeln ab – so entsteht ein gleichmäßiger Vorschub. Lorch-Gewindespindeln für Plan- und Längszug tischen Einteilung. Auch bei Ausdrehungen oder Ansätzen ist diese Einrichtung sehr praktisch, da man sich die Zahl merken kann, bei der der Meißel am Ende angelangt ist. Die Skalentrommeln müssen relativ stramm gehen – ein versehentliches Verstellen muss verhindert sein. Allerdings ist gegebenenfalls „totes Spiel“ der Spindel (Unterschied beim Verstellen des Schlittens zwischen Links- und Rechtsdrehung der Kurbel) zu berücksichtigen. Oder man dreht zunächst in die Gegenrichtung, bis das Spiel heraus ist, und dann erst wieder zurück. Wichtig ist aber, sich genau die Drehrichtung zu merken. Auch gilt es zu bedenken, dass einige Fabrikate bei Rechtsdrehung zustellen, andere bei Linksdrehung. Noch praktischer ist es, sich einen Messuhrhalter zu bauen, der die Verstellung des Schlittens genau anzeigt. Der Halter sollte aber vor unabsichtlicher Verstellung gesichert sein. Beim Plandrehen ergibt der Index auf der Skalentrommel das Zustellmaß zur Längenänderung des Drehteils. Beim Längsdrehen von Wellendurchmessern ergibt sich jedoch bei verschiedenen Systemen eine Schwierigkeit, die zu beachten ist: Wenn wir von der Welle 0,1 mm abdrehen wollen und den Supportschlitten um 0,1 mm vorschieben (Zustellung), dann hat unser Stichel an der Welle sowohl „hüben als auch drüben“ 0,1 mm fortgenommen – unsere Welle ist also um 0,2 mm dünner geworden. Manche Systeme berücksichtigen diesen Umstand und geben diesem Index die entsprechende Teilung (empfehlenswert). Bei anderen hingegen darf man nur den halben gewünschten Wert „einkurbeln“. Wenn während der Arbeit der Support abgenommen werden muss, empfiehlt es sich, vorher einen Feststeller (Eigenbau) oder notfalls die Handstichelauflage als Anschlag aufzusetzen, damit die gleichen Einstellungen ihre Gültigkeit behalten. Zylindrisch und konisch drehen Wenn wir eine längere Welle mit dem Support gleichmäßig zylindrisch drehen wollen und sie einmal mit der Bügelmessschraube nachmessen, werden wir fast immer feststellen, dass sie nicht zylindrisch, sondern leicht kegelig ist. Entweder vorn dünner oder hinten dünner. Woher kommt dies? Der Längsschlitten sitzt drehbar auf dem Planschlitten; durch einen seitlichen Exzenterhebel oder Ähnliches wird die Kopplung gelöst und der obere Schlitten ist gemäß der Gradteilung verdrehbar, um „konisch“ zu drehen. Da aber die Gradteilung entweder nicht immer ganz genau auf „Null“ stimmt und wir andererseits nicht so fein genau auf „Null“ einstellen können, müssen wir notfalls bei höheren Anforderungen den oberen Supportschlitten sorgsam einjustieren und durch Nachmessen kontrollieren, ob die Welle jetzt zylindrisch oder wenigstens die Toleranz tragbar ist. Hier kann der Haarwinkel wertvolle Dienste leisten. Wenn man die „zylindrische Stellung“ gefunden hat, sollte man diese eindeutig markieren bzw. durch einen selbstgefertigten Zylinderansatzstift sichern. Selbstverständlich muss die 2 mm-Bohrung gerieben werden (H7). „Sicherungsstift“ Bei der Spanabnahme wirkt die Zustellung doppelt Feststeller für runde Wange Selbstgebauter Feststeller für runde Wange mit Einstellschraube Feststeller für prismatische Wange Oberschlittenverstellung Kegeldrehen durch Verstellen des oberen Schlittens 57 Das Kegeldrehen Der Oberschlitten am Support lässt sich verdrehen. Eine Gradteilung gibt an, um wieviel Grad der Längszug von der Richtung der Drehachse abweicht. Dieser Winkel entspricht dem halben Kegelwinkel, der dann am Werkstück entsteht. Der Kegel wird nach dem Verhältnis der Durchmesser zur Länge angegeben. Zum Beispiel Kegel 1 : 70 bedeutet, dass die Welle bei einer Länge von 70 mm sich in ihrem Durchmesser um 1 mm verjüngt hat. Der Reibahlenkonus oder Reibahlenkegel des Uhrmachers beträgt 1 : 70. Die Bezeichnung 1 : 70 bedeutet Durchmesser geteilt durch Länge des Kegels. Löcher in Platten werden mit diesen Reibahlen nachgearbeitet. Eine Welle, die genau hineinpassen soll, muss nun ebenfalls diesen Reibahlenkegel aufweisen. Der Oberschlitten muss um knapp 0,5º verdreht werden. Die Berechnung der genauen Werte geschieht nach folgender Formel: α D−d tan = 2 2 × L Prinzip des Kegeldrehen durch das Verstellen des oberen Schlittens wobei D = großer Kegeldurchmesser, d = kleiner Kegeldurchmesser und L die Länge des Kegels bedeutet. Der Winkel α/2 ist der halbe Kegelwinkel. Für die Einstellung des Oberschlittens seien für einige Kegel die Zahlen angegeben. Die Tabelle gibt weitere Werte an. Supportverstellung 0º 25' 0º 28' 0º 30' 0º 34' 1º 2º 3º Kegelverhältnis 1 : 70 1 : 60 1 : 57,3 1 : 50 1 : 30 1 : 20 1 : 10 Supportverstellung 3º 30' 10º 18º 30' 22º 30' 30º 45º Kegelverhältnis 1:8 1:3 1 : 1,5 1 : 1,21 1 : 0,86 1 : 0,5 Die Verstellung wird mit viel Feingefühl oder mit Hilfe eines Universal-Winkelmessers vorgenommen. Nach dem Kegeldrehen ist der Schlitten wieder exakt auf zylindrisches Drehen zu stellen. Verstellen des oberen Schlittens mit Hilfe eines Universal-Winkelmessers 58 Schaublin Als etwas größere Maschine bietet sich die Schaublin 70 mit ihrem umfangreichen Zubehör an. Spannzangen sind ab 0,2 mm steigend um 0,1 mm erhältlich. Schaublin 70 Spitzenhöhe in mm Spitzenweite in mm Wangenlänge in mm Spannzangen in mm 70 275 600 W12 Schaublin 70 mit Zubehör 101 Maschinenwartung Der Korpus Vernickelte Teile bei alten Drehbänken dürfen unter keinen Umständen abgeschmirgelt werden, wenn sie im Laufe der Zeit eine dunkle Farbe angenommen haben sollten. Durch eine so scharfe Behandlung würde der galvanische Schutzüberzug bald entfernt sein, so dass die Teile zu rosten beginnen. Wer mit Schweißfingern behaftet ist, sollte sein Werkzeug jeden Abend mit öligem (Neoval Oil Rubin G-8) Tuch abreiben. Lackierte Teile benötigen im Prinzip keinerlei Pflege – ansonsten weiß jeder, was zu tun ist. Alles, was für die anstehende Arbeit nicht gebraucht wird, befindet sich in gut zugänglichen Aufbewahrungskästen. Niemals Messgeräte und Drehmaschinenzubehör unnötig dem beim Drehen entstehenden „Schmutz“ aussetzen. Alle benutzten Teile sind nach Gebrauch gesäubert zurückzulegen. Alte Boley-Drehbank Der Schnurlauf, die Riemen Wichtig ist, die Spannung des „Riemens“ nicht zu hoch zu wählen. Dieses hätte Lagerverschleiß zur Folge! Der Schurlauf soll nur durch die Friktion – die Reibung zwischen Riemen und Schnurlauf – mitgenommen werden. Demnach ist die Riemenspannung nur so hoch zu wählen wie nötig. Steht die Maschine längere Zeit still, ist der Riemen vom Schnurlauf zu lösen. (s. auch S. 88) Alte Boley-Drehbank mit Elektromotorantrieb Wange und Aufbauteile Schleifstaub ist zu vermeiden bzw. dieser sofort zu entfernen. Auch die Wange mit ihren direkt geführten Aufbauteilen sollte hin und wieder mit öligem (Neoval Oil Rubin G-8) Tuch abgerieben werden. Schnurlauf (Riemenscheibe) Klemm-Mutter mit Klemmschraube Die Gleitlagerspindel/Spindelstock Eine gründliche Reinigung des Spindelstockes sollte immer wieder einmal vorgenommen werden. Er ist in wenigen Minuten zerlegt und gereinigt – vorausgesetzt, diese Arbeit wird regelmäßig durchgeführt. Der Spindelstock dankt die geringe Pflegearbeit durch eine unverhältnismäßig längere Lebensdauer. Spindelstöcke mit Wälzlagern benötigen keinerlei Wartung, es ist nur zu prüfen, ob der Schnurlauf noch sicher befestigt ist. Das Prinzip aller Spindelstöcke mit zwei Gleitkonuslagern ist ähnlich. Zunächst soll ein Blick auf einen Bergeon-Spindelstock die Verhältnisse verdeutlichen – auf der nächsten Seite sehen wir ihn dann in Schnittdarstellung. 2x Öler 4x Lagerschutzkappen Spindel Index-Feststeller Spannexzenter zum Befestigen Bergeon 50 Spindelstock 102 Lagerschutzkappe Lagerschutzkappe hinterer Konus mit Führungsstift Spannschlüssel Lagerschutzkappe 3 x Madenschraube am Schnurlauf Öler Lagerschutzkappe Öler Spindel Spannzange Klemm-Mutter mit Klemmschraube Spannexzenter Schnitt durch Bergeon 50 Spindelstock mit Gleitlagerspindel Demontage Zunächst ist die Schraubenbefestigung des Schnurlaufes zu lösen. Dies sind in der Regel 3 Madenschrauben (Gewindestifte). Danach ist die Maden- bzw. Klemmschraube der Klemm-Mutter am hinteren Teil der Spindel zu lockern und diese abzuschrauben. Mit einem Holzhammer oder einem anderen hölzernen Werkzeug wird dann die Spindel nach vorn vorsichtig herausgeschlagen, falls sie sich nicht herausdrücken lässt. Da die Spindel aber fast glashart ist, darf sie nicht mit dem Hammer selbst geschlagen werden; auch würde ein Fall auf den Fußboden ihr Ende bedeuten können – darum vorsichtig dicht über dem Werktisch zerlegen. Zunächst entfernt man die vier Lagerschutzkappen. Diese fehlen manchmal und sollten dann durch Eigenbau ersetzt werden. Die Lagerstellen, Lagerschutzkappen, Spindel und Öler werden mit Benzin gereinigt. Die Laufflächen eines jeden Konus werden überprüft. Hat die Welle schon einmal gefressen, sollten sie vorsichtig (und sehr selten, da sie teilweise nur oberflächenhart sind) nachgeläppt werden. Dazu wird etwas Polierpaste (Läpp-Paste) aufgetragen und die Spindel wieder ins Lager gesteckt. Mit der Hand wird die Welle unter Druck hin- und herbewegt, bis die Lagerung wieder gleichmäßig trägt. Jetzt muss selbstverständlich gründlich gereinigt werden. Es dürfen auf keinen Fall Schleifmittelreste etwa in den Ölbohrungen verbeiben! 103 hinterer Konus mit Führungsstift Spindelstock Spannschlüssel Spindel Klemm-Mutter mit Klemmschraube 4 x Lagerschutzkappen Schnurlauf (Riemenscheibe) Alter Lorch-Spindelstock – schnell zerlegt