Compliance beim Tragen von Kontaktlinsen – Teil 3 - DOZ

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Compliance beim Tragen von Kontaktlinsen – Teil 3 - DOZ
COMPLIANCE
Anna Sulley
Compliance beim Tragen
von Kontaktlinsen – Teil 3
Im dritten Teil dieser vierteiligen Fortbildungsserie
erläutert Anna Sulley, ehemalige Vorsitzende des BCLA,
spezielle Bereiche, in denen die Compliance von
Kontaktlinsenträgern beeinflusst werden kann.
I Tragen über Nacht
Neben Ein-Tages-Kontaktlinsen sind Kontaktlinsen zum
verlängerten Tragen eine Kontaktlinsenart, die den praktischen
Nutzen für die Patienten bzw. Kunden signifikant vergrößert.
Die erhöhte Einfachheit kann bei einigen Trägern die Compliance steigern. Aber es gibt beim verlängerten Tragen auch
Aspekte, die der Träger ernst nehmen muss, z. B. die regelmäßige Nachkontrolle.
Alle Patienten bzw. Kunden, die Kontaktlinsen verlängert
tragen, sollten sich an die Anweisungen zu Tragezeit und
Austauschhäufigkeit halten. Personen, die sich nicht daran
halten, sollte man solche Kontaktlinsen nicht anpassen. Alle
Kontaktlinsenträger müssen darauf hingewiesen werden, wie
wichtig es ist, die Kontaktlinsen regelmäßig auszutauschen. Sie
sollten ebenfalls über die Anzeichen und Symptome einer Entzündung oder Infektion informiert werden: Ihre Augen müssen
gut aussehen, sich gut anfühlen und gut sehen können. Die
Träger sollten angewiesen werden, die Kontaktlinsen abzunehmen, sobald auch nur eine dieser Bedingungen nicht mehr erfüllt ist. Je schneller die Kontaktlinsen in solchen Fällen vom
Auge genommen werden, desto besser.1
Obwohl beim verlängerten Tragen kein Pflegesystem erforderlich ist, sollte für den Fall, dass die Kontaktlinsen abgenommen werden müssen, ein geeignetes Pflegemittel empfohlen
werden. Für Kontaktlinseneinsteiger ist es ratsam, zunächst auf
Tagestragebasis zu starten. So wird gewährleistet, dass sie mit
der empfohlenen Linsenpflege und -hygiene gut vertraut sind,
bevor sie auf Kontaktlinsen zum verlängerten Tragen umsteigen. Wie diese Art von Kontaktlinsen beim Wassersport
verwendet werden soll, wird später erläutert.
In einer Studie zur Beurteilung der klinischen Leistung von
Silikon-Hydrogellinsen zum verlängerten Tragen2 hielten sich
86 Prozent der Träger von Hydrogel-Austauschlinsen und
79 Prozent der Träger von Silikon-Hydrogellinsen zum verlängerten Tragen an die verordneten Tragezeiten.
Obwohl die Einfachheit eine starke Motivation zum verlängerten Tragen von Kontaktlinsen sein kann, sollte es nicht der
einzige Grund für die Anpassung dieser Art von Kontaktlinsen
sein. Denn der Wunsch nach Einfachheit kann zu mangelnder
Compliance führen. Die Compliance kann durch schriftliche
Anweisungen, in denen Risiken beschrieben werden, verbessert werden. Auch bei Kontaktlinsen zum Tagestragen besteht
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ein Zusammenhang zwischen mangelnder Compliance und
Komplikationen.3 Damit die Träger die Bedeutung der regelmäßigen Kontrolle und der Einhaltung von Anweisungen besser
verstehen, wird dringend empfohlen, schriftlich festzuhalten,
dass die Träger die Anweisungen zur Kenntnis genommen haben und diesen zustimmen. 4
Nach Meinung von Brennan und Coles5 sollten Informationen und Anweisungen für Patienten bzw. Kunden Folgendes
beinhalten:
• Informationsbroschüre
• Patienten- bzw. Kunden-Kontaktlinsenanpasser-Vereinbarung
• Blatt mit Anweisungen
• Blatt mit Fragen und Antworten
• Kenntnisnahme- und Zustimmungsformular
• Notfalldokumentation mit Informationen über:
– das, was der Patient bzw. Kunde vom Kontaktlinsen
spezialisten erwarten kann
– die Vermeidung von Komplikationen
– mögliche Auswirkungen mangelnder Compliance
und Risikofaktoren
– Verhalten im Notfall
– Pflegehinweis
– die Einwilligung des Patienten bzw. des Kunden für
die Einhaltung der Empfehlungen.
Es gibt zahlreiche Publikationen, welche die Risikofaktoren
einer mikrobiellen Keratitis (MK) beim Kontaktlinsentragen
beschreiben. Alle stimmen darin überein, dass das Tragen von
Hydrogellinsen über Nacht zu einem signifikanten MK-Risiko
führen kann, wobei das Risiko beim verlängerten Tragen
weicher Kontaktlinsen fünfmal höher ist als beim Tagestragen
weicher Kontaktlinsen.6 Des Weiteren wurde nachgewiesen,
dass das Risiko mit der Dauer des Tragens über Nacht steigt.7
Dazu wurde analysiert, wie sich die Anzahl aufeinander folgender Tage auswirkt, an denen Kontaktlinsen ununterbrochen
getragen worden sind, bevor sie abgenommen wurden. Das
Ergebnis: Das relative Risiko stieg proportional zur Tragezeit in
Tagen.
Beim verlängerten Tragen stieg das Risiko mit jedem Tag,
den die Kontaktlinse vor der Reinigung getragen wurde, um
mindestens fünf Prozent. Die Studie zeigte auch, dass 38 Prozent der Träger von Kontaktlinsen zum verlängerten Tragen ihre Linsen nur tagsüber verwendeten, während 11 Prozent dieser Träger ihre Kontaktlinsen zumindest gelegentlich auch über
Nacht trugen. Daher hängt das relative MK-Risiko stark davon
ab, ob die Kontaktlinsen tatsächlich auch über Nacht getragen
werden. In der Untersuchung wurde auch betont, dass das
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Tragen von Kontaktlinsen über Nacht nicht der einzige Risikofaktor für kontaktlinsenbedingte MK ist. Schlechte Compliance
ist ein ebenso wichtiges Thema, denn die Kontaktlinsenhygiene ist bei vielen Kontaktlinsenträgern mangelhaft.
Jüngst untersuchten Radford et al.8 die Risikofaktoren für
kontaktlinsenbedingte MK in der englischen MoorfieldsAugenklinik und stellten fest, dass das Tragen über Nacht
unabhängig vom Kontaktlinsentyp ein großer Risikofaktor ist.
Edwards et al. haben nachgewiesen, dass das verlängerte
Tragen von Hydrogellinsen und Silikon-Hydrogellinsen im
Vergleich zu Ein-Tages-Kontaktlinsen zu einem Anstieg des
relativen Risikos für kontaktlinsenbedingte MK um 24 bzw.
25,5 Prozent führt.9
Sie hoben hervor, dass das Über-Nacht-Tragen von Hydrogellinsen und Silikon-Hydrogellinsen trotz der Einführung von
Silikon-Hydrogellinsen mit hoher Sauerstoffdurchlässigkeit zu
einem höheren Risiko schwerer Infektionen führt, als das
Tagestragen. Die sonstigen Risikofaktoren stimmten mit den
Befunden anderer Studien überein und umfassten das Kontaktlinsentragen beim Duschen (2,7-faches Risiko), Rauchen
(2,5-faches Risiko), gelegentliches Tragen von Kontaktlinsen
zum Tagestragen über Nacht (4,7-faches Risiko) und falschen
Umgang mit den Kontaktlinsen beim Schwimmen (1,3-faches
Risiko).
Berichte über eine weitere aktuelle Studie zur Häufigkeit von
MK in Australien10 zeigen, dass das Risiko bei herkömmlichen
Hydrogellinsen ähnlich hoch ist wie in der zuvor genannten
Studie. Auch wird betont, dass das Tragen von Kontaktlinsen aller Art über Nacht ein höheres Risiko bedeutet als das Tagestragen. Überdies wird gezeigt, dass beim verlängerten Tragen
von Silikon-Hydrogellinsen und Hydrogellinsen kein signifikanter Unterschied bezüglich der Häufigkeit einer MK besteht, obwohl es Unterschiede in Bezug auf die Schwere und Dauer geben kann. Zum Vergleich: Eine Untersuchung zum Auftreten
schwerer und leichter Keratitis bei Kontaktlinsenträgern11 zeigte, dass eine schwere Keratitis bei Trägern, die mit Kontaktlinsen schliefen, signifikant häufiger ist. Gleichzeitig wurde jedoch
bei Silikon-Hydrogellinsen ein fünfmal niedrigeres Risiko für
schwere Keratitis festgestellt als bei Hydrogellinsen: Pro
10.000 Kontaktlinsenträger gab es beim verlängerten Tragen
von Silikon-Hydrogellinsen im Jahr 19,8 Fälle einer schweren
Keratitis gegenüber 96,4 Fällen beim verlängerten Tragen herkömmlicher Hydrogellinsen.
I Hygiene und Händewaschen
Es ist erwiesen, dass 16 bis 50 Prozent der Träger ihre Hände
vor dem Umgang mit den Kontaktlinsen nicht waschen. Bei
einer in der Augenklinik Moorfields laufenden Studie zur Beurteilung der Risikofaktoren für kontaktlinsenbedingte MK12 wurde nachgewiesen, dass das Risiko für MK um das Doppelte
steigt, wenn die Hände vor dem Umgang mit Kontaktlinsen
nicht gewaschen werden (p = 0,011). Die Träger sollten dazu
angehalten werden, immer ihre Hände zu waschen, bevor sie
die Linsen berühren. Auch sollten die Kontaktlinsenspezialisten in Anwesenheit ihrer Kunden mit gutem Beispiel vorangehen. Die Empfehlung lautet daher, nicht-parfümierte, antibakterielle, nicht rückfettende Seife aus einem Spender zu
verwenden. Anschließend sollte man die Hände gründlich
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abspülen und mit einem faserfreien Tuch abtrocknen. Man
sollte die Patienten bzw. Kunden auch darauf hinweisen, dass
ihre Kontaktlinsen unter keinen Umständen in Kontakt mit Leitungswasser kommen dürfen, weil das zu möglicherweise
schweren, wenn auch seltenen Komplikationen führen kann.
I Verwendung von
Hand-Desinfektionsmitteln
Kontaktlinsenspezialisten sollten ihre Hände vor und nach
jedem Kontakt mit einem Patienten bzw. Kunden waschen. In
einem stark frequentierten Geschäft kann jedoch ein häufiges
Händewaschen die Haut schädigen. In diesem Fall sollte man
die Verwendung von Hand-Desinfektionsmitteln (auf Glyzerinbzw. Alkoholbasis) in Betracht ziehen. Wenn die Hände nicht
sichtbar verschmutzt sind, ist die Verwendung eines HandDesinfektionsmittels ein wirksamer Ersatz für das Händewaschen. Hinsichtlich der Anpassung von Kontaktlinsen gibt es
keine Kontraindikationen für die Verwendung von Hand-Desinfektionsmitteln. Es ist allerdings wichtig, darauf zu achten, dass
die Hände vollkommen trocken sind, bevor man die Kontaktlinsen (oder Augen) berührt. Kommt ein Hand-Desinfektionsmittel oder Seife versehentlich ins Auge, sollte es als Erste-Hilfe-Maßnahme mit reichlich Kochsalzlösung ausgespült werden. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass es aufgrund eines
solchen Vorfalls zu schweren Augenverletzungen kommen
kann. Inzwischen empfehlen viele Krankenhäuser, Hibiscrub
oder Alkoholgele zu verwenden. Chirurgische Desinfektionsmittel wie Chlorhexidin einzusetzen, ist in der alltäglichen Kontaktlinsenpraxis hingegen nicht erforderlich. Ausnahmen sind
Situationen, in denen es zu Schäden an der Augenoberfläche
kommen könnte. Chlorhexidin ist in der Regel nicht toxisch für
das Auge und ist in niedriger Konzentration in zahlreichen
Kontaktlinsen-Pflegeprodukten enthalten. Wird es jedoch aus
Versehen ins Auge geträufelt, sollte dieses mit normaler
Kochsalzlösung ausgespült werden.
I Pflegesysteme
Es gibt zahlreiche Studien, die eine ganze Bandbreite von
Zahlen zur Compliance bei der Verwendung von Pflegesystemen für Kontaktlinsen enthalten. Es wurde daraus geschlossen, dass sich 36 Prozent der Träger (bei einer Bandbreite von
neun bis 66 Prozent) bei der Reinigung falsch verhalten.13
Untersuchungen zeigen, dass 40 bis 91 Prozent der Träger
zumindest in einigen Bereichen der Kontaktlinsenpflege und hygiene eine mangelnde Compliance aufweisen (Tabelle 1).
Tabelle 1: Compliance in der Kontaktlinsenpflege
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COMPLIANCE
Viele Träger verstehen die Anleitung zur Kontaktlinsenpflege
nicht genau und pflegen ihre Kontaktlinsen daher nicht angemessen. Viele reinigen die Linsen vor dem Desinfizieren nie,
spülen sie nicht ab, gebrauchen Kochsalzlösung oder Leitungswasser zur Desinfektion oder verwenden Desinfektionslösungen mehrfach. Im Rahmen einer Studie zur gewohnten Kontaktlinsenhygiene bei Kontaktlinsenträgern an Universitäten,
war Unaufmerksamkeit im Hinblick auf die Reinigung des Kontaktlinsenbehälters der häufigste Fehler (72 Prozent), insbesondere bei Trägern weicher Kontaktlinsen; die Wiederverwendung von Desinfektionslösungen war hingegen bei Trägern
harter Kontaktlinsen viermal wahrscheinlicher (Abbildung 1).17
Abb. 1: Fehler bei der Kontaktlinsenpflege
Kontaktlinsenträger geben häufig zu, dass sie Pflegelösungen nach dem Öffnen länger als empfohlen bzw. über das Verfallsdatum hinaus verwenden. Dadurch steigt das Kontaminationsrisiko. Collins et al. haben die Verunreinigung von Flaschen mit Desinfektionslösung durch die Kontaktlinsenträger
untersucht.14 Sie haben nachgewiesen, dass die Flaschen in
sieben Prozent der Fälle verunreinigt waren, wobei sich zahlreiche unterschiedliche Mikroorganismen bildeten. Das Ergebnis
war weder besonders abhängig von den Trägern noch von deren Erfahrung mit Kontaktlinsen oder deren Compliance beim
Händewaschen. Die Kontaminationsrate der Flaschen mit
Desinfektionslösung war vielmehr von der Art der Desinfektionslösung abhängig.
Die mangelnde Compliance in den frühen 1990er-Jahren
bei der Verwendung von Tabletten, die Chlor freisetzen, stand
in Zusammenhang damit, dass das Risiko einer MK anstieg.15
Häufig wurde der Reinigungsschritt zur Entfernung von organischen Ablagerungen auf der Linse ausgelassen. Zudem wurde
oftmals Leitungswasser bzw. unsterile Kochsalzlösung verwendet und der Kontaktlinsenbehälter war in vielen Fällen nicht
sauber. Das führte damals zu einer Zunahme an Acanthamoeba-Keratitis-Fällen und zu Sensationsmeldungen in nicht-fachlichen Print-Medien. Die Hersteller von Chlor freisetzenden
Desinfektionssystemen änderten zunächst die Gebrauchsanweisungen, um die Compliance zu steigern. Schließlich wurden jedoch beide Produkte vom Markt genommen. Wahrscheinlich hätte es in vielen Fällen geholfen, in Verbindung mit
diesen Kontaktlinsen-Pflegeprodukten kein Leitungswasser zu
verwenden. Dies ist ein Schlüsselfaktor, um die Acanthamoeba-Keratitis einzudämmen.
Im Laufe der Jahre wurden die Pflegesysteme stark verändert, um die antimikrobielle und reinigende Wirkung zu verbessern, den Komfort zu steigern, den Aufwand zu reduzieren
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und so zu größerer Compliance beizutragen. Diese Neuerungen resultierten ebenfalls daraus, dass sich sowohl die
Kontaktlinsentypen als auch -materialien verändert haben.
Pflegesysteme, die mehrere Schritte beinhalten, sind für die
Träger kompliziert und viele versuchen, einzelne Schritte zu
überspringen, um Zeit oder Kosten zu sparen. Je mehr Schritte
erforderlich sind, desto niedriger ist daher die Compliance.
Radford et al. haben die Tendenz beschrieben, dass die Compliance während der ersten beiden Jahre des Kontaktlinsentragens stark abnimmt (p<0,01), wobei dieses Phänomen sich
im weiteren Verlauf abschwächt. Dabei betrifft die mangelnde
Compliance bei erfahrenen Kontaktlinsenträgern weicher
Linsen besonders die Bereiche Reinigung und Enzymentfernung. Sobald das Tragen von Kontaktlinsen selbstverständlich
wird, werden Pflegeschritte ausgelassen, insbesondere solche,
deren Nutzen nicht sofort offensichtlich ist.
Dieser Aspekt der Compliance bei der Kontaktlinsenpflege
wurde jedoch im Laufe der Jahre zunehmend unwichtiger, da
immer häufiger Kontaktlinsen zum regelmäßigen Austausch
sowie Ein-Tages-Kontaktlinsen angepasst wurden. Außerdem
wurden enzymatische Reiniger entwickelt, die zusammen mit
der Desinfektionslösung verwendet werden können.
Bei formstabilen sauerstoffdurchlässigen Kontaktlinsen
haben sich die Komplexität und der Zeitaufwand für die Pflegesysteme im Laufe der letzten Jahrzehnte nicht wesentlich
verändert. Es sind in diesem Zeitraum jedoch viele Träger
formstabiler sauerstoffdurchlässiger Kontaktlinsen auf häufigeren regelmäßigen Austausch umgestellt worden. Das bedeutet, dass eine schlechte Compliance bei der Verwendung von
enzymatischen Reinigern heutzutage weniger Problemfälle
aufgrund von Proteinablagerungen verursacht, weil die Kontaktlinsen im Durchschnitt häufiger ausgetauscht werden. Die
wichtigsten Bereiche, in denen bei Trägern formstabiler sauerstoffdurchlässiger Kontaktlinsen eine mangelnde Compliance
festgestellt wurde, sind die Wiederverwendung von Lösungen
und die Verwendung kontaminierter Kontaktlinsenbehälter.
Zu den Faktoren, die die Compliance beim Umgang mit Pflegesystemen beeinflussen, gehören Aufwand, Kosten und Dauer der Pflege. Im Laufe der Jahre gab es diesbezüglich viele
Fortschritte zur Verbesserung der Compliance. Dies gilt insbesondere für Hydrogellinsen: Hier wurde die Anzahl der erforderlichen Schritte reduziert. Ein-Schritt-Reinigungs-und-Desinfektionssysteme wurden Mitte der 1990er-Jahre eingeführt
und werden ständig verbessert, um ihre antimikrobielle Wirkung sowie den Komfort zu erhöhen und den Aufwand weiter
zu verringern. Seit 1991 sind Systeme erhältlich, bei denen
man die Kontaktlinsen nicht reiben muss. Alle Möglichkeiten
sind willkommen, die Compliance durch Verringerung des Aufwands von Pflegesystemen zu steigern. Allerdings wurde auch
von Lösungen, deren Zusammensetzung nicht verändert worden war, behauptet, es sei „kein Reiben und kein Abspülen“ erforderlich. Ob der Träger dazu angehalten wird, seine Kontaktlinsen zu reiben und abzuspülen, wenn er eine Lösung verwendet, bleibt dem Kontaktlinsenspezialisten überlassen. Die
klinische Leistung von Kontaktlinsen ist jedoch besser, wenn
diese bei der Reinigung und vor der Desinfektion gerieben und
abgespült werden. Träger mit guter Compliance, die dies
bereits tun, sollten ermutigt werden, das auch beizubehalten
(Tabelle 2).
DOZ 4-2008 KONTAKTLINSE
Tabelle 1: Hinweise zur Kontaktlinsenpflege
I Kontaktlinsenbehälter
Kontaktlinsenbehälter sind erwiesenermaßen eine wesentliche Quelle bakterieller Kontamination. Es wurde festgestellt,
dass über 40 Prozent der Behälter mit Mikroben verseucht
sind.16, 17
Bei 28 bis 86 Prozent der Träger ist die Kontaktlinsenbehälter-Hygiene mangelhaft. Bei 42 Prozent der Träger mit guter
Compliance kann man im Behälter dennoch Mikrobenbefall
feststellen. Wird der Kontaktlinsenbehälter nicht trocken gelagert, steigt das Risiko einer kontaktlinsenbedingten MK um
das 2,4-fache.18 Die Verwendung von Ein-Tages-Kontaktlinsen
verringert das Kontaminationsrisiko beträchtlich, da die Aufbewahrung im Behälter entfällt.
Die Kontaktlinsenbehälter wurden weiterentwickelt, um die
Leistung, Sauberkeit und antimikrobielle Wirkung zu steigern.
Die Hersteller von Lösungen bieten neue Kontaktlinsenbehälter im Paket mit ihren Lösungen an, um die Träger zur Compliance und zum regelmäßigen Behältertausch anzuspornen. Die
Behälter selbst wurden zum Teil mit antibakteriellen Eigenschaften ausgestattet.
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I Empfehlungen zu Pflegesystemen
Es gibt eine große Bandbreite von Bereichen, in denen die
Träger die Anweisungen nicht richtig befolgen, teils unabsichtlich oder aufgrund von Missverständnissen, zum Teil aber auch
absichtlich, z. B. um Kosten zu sparen.
Viele Studien haben gezeigt, dass den Trägern auch falsche
Anweisungen zum Umgang mit Pflegesystemen und zur Reinigung der Kontaktlinsenbehälter gegeben werden. Z. B. werden
sie nicht auf Oberflächenreiniger und Pflegemittel hingewiesen, obwohl das erforderlich wäre, oder die Methoden zur
Kontaktlinsenbehälter-Hygiene werden ihnen nicht gezeigt. Es
wurde festgestellt, dass nur 60 Prozent der Patienten bzw.
Kunden schriftliche Anweisungen ganz durchlesen und 17 Prozent nur einige Informationen lesen. 21 Prozent erhalten
überhaupt keine Informationen über die möglichen Risiken
von Kontaktlinsen.20 Viele Träger kannten den Namen ihrer
Pflegelösungen nicht und die große Mehrheit kann sich nicht
erinnern, irgendwelche schriftlichen Informationen von ihrem
Kontaktlinsenspezialisten erhalten zu haben.
Zusätzlich zu den mündlichen Anweisungen, die viele Kontaktlinsenträger wieder vergessen, sind also schriftliche Informationen unerlässlich, um die Anweisungen dauerhaft zu untermauern und auf die Risiken mangelnder Compliance hinzuweisen.
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KONTAKTLINSE DOZ 4-2008
NUR FÜR KONTAKTLINSENSPEZIALISTEN
COMPLIANCE
I Schwimmen mit Kontaktlinsen
Beim Schwimmen ist ebenfalls die mangelnde Compliance
von Kontaktlinsen-Trägern festzustellen. Das kann allerdings
daran liegen, dass Kontaktlinsenspezialisten sich nicht klar dazu äußern, ob die Patienten bzw. Kunden mit Kontaktlinsen
schwimmen dürfen. Die Vorteile von Kontaktlinsen beim
Wassersport und anderen Aktivitäten sind für den Träger offensichtlich. Doch während ihnen oft das Risiko bewusst ist, die
Kontaktlinsen beim Schwimmen zu verlieren, denken sie
kaum an das erhöhte Infektionsrisiko. Laut einer Studie dachten 56 Prozent der Kontaktlinsenträger, es sei in Ordnung, die
Kontaktlinsen im Whirlpool zu tragen.21
Bei einer vergleichenden Untersuchung zu den Risiken für
Kontaktlinsenträger beim Schwimmen22 wurde festgestellt,
dass beim Schwimmen das Risiko einer Acanthamoeba-Keratitis (AK) bei Kontaktlinsenträgern 17-mal so hoch ist wie bei
Personen, die ohne Kontaktlinsen schwimmen. Die Chance,
sich durch das Schwimmen eine AK zuzuziehen, ist damit 114mal höher als bei der staatlichen Lotterie zu gewinnen!
Der Kontaktlinsenspezialist sollte seine Patienten bzw. Kunden auf das erhöhte Risiko einer schweren kontaktlinsenbedingten Infektion hinweisen. Oft steht in den Beipackzetteln,
dass man entweder beim Schwimmen keine Kontaktlinsen
tragen, zusätzlich eng sitzende Schwimmbrillen tragen oder
seinen Kontaktlinsenspezialisten um Rat fragen soll. Die Entscheidung wird dem Träger überlassen. Aber er sollte sie nur
treffen, wenn er alle Vorteile und Risiken hinsichtlich Kontaktlinsen und Wassersport kennt und berücksichtigt. Einem Träger
von Ein-Tages-Kontaktlinsen könnte man z. B. raten, eine eng
sitzende Schwimmbrille zu tragen und die Linsen nach dem
Schwimmen auszutauschen. Ein Träger von Austausch-Kontaktlinsen sollte angewiesen werden, diese nach dem
Schwimmen mit einer Lösung, die gegen Acanthamoeba
wirkt, zu reinigen und zu desinfizieren.
Je häufiger Silikon-Hydrogellinsen zum verlängerten Tragen
verwendet werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass die
Träger die Kontaktlinsen vor dem Schwimmen nicht abnehmen. Jüngste Zahlen zum Auftreten einer MK zeigen, dass die
falsche Verwendung von Kontaktlinsen beim Schwimmen einen Risikofaktor darstellt (1,3-faches Risiko), aber auch, dass
beim Duschen mit Kontaktlinsen ein 2,7-faches Risiko einer
MK besteht.18
Im vierten Teil dieser Serie beschreibt Anna Sully Strategien,
wie die Compliance bei Kontaktlinsenträgern bzw. Kunden verbessert werden kann. Die Anpasser erfahren zudem, wie wichtig eine gute Patientenkommunikation für die Compliance ist.
Über die Autorin:
Anna Sulley ist Professional Affairs Consultant bei
Johnson & Johnson Vision Care, arbeitet in Teilzeit in
ihrer eigenen Privatpraxis und ist die ehemalige Vorsitzende der British Contact Lens Association (BCLA).
Zuerst veröffentlicht in: Optician, May 6, 2005, No 6000,
VOL 229
86
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