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Vogelfutter. In Gemüsegärten dient er als Schutzpflanze, indem die Schmetterlinge sowie die Raupen, welche die Kultur der
Gemüse und Kohlgewächse sehr beeinträchtigen, den narkotischen Geruch der Hanfpflanze ungemein scheuen. Der Hanf liebt ein
feuchtes und wärmeres Klima als der Flachs und ist gegen Kälte und Spätfröste ungemein empfindlich. Da er jedoch nur eine
Vegetationsdauer von 90-105 Tagen hat, so läßt er sich in Europa bis 60° nördl. Br. noch in den Küstenländern der Ostsee
kultivieren.
Ferner baut man ihn in Nordafrika, in Asien, in Nordamerika, in Chile, Peru und Brasilien. Am besten gedeiht der Hanf in einem
fruchtbaren, geschützt liegenden, humösen Boden von mittlerer Gebundenheit und genügender Tiefgrundigkeit. Als Dünger eignen
sich besonders Hanfölkuchen, Hanfschäben und Hanfröstwasser, Superphosphat und Kalisalze, Seifensiederasche, Ölkuchenmehl
neben Kalk oder Mergel; ferner Geflügelmist, Guano, Kloakendünger, auch gut vergorne Jauche, Stalldünger in möglichst gut
vergornem, am besten kompostiertem Zustand.
Zur Saat verwendet man nur einjährigen Samen, besonders aus der Umgegend von Cremona, dem Breisgau und dem Elsaß.
Gern benutzt man den Samen aus nördlichen Gegenden, der in wärmern Ländern einen vorzüglichen Hanf erzeugt. Da die
männlichen Pflanzen, welche auch Sommerhaus oder Hemp, im Niederdeutschen und Holländischen Gelge, Hemp, in Preußen
Hanfhahn, am Rhein Semmelhanf, sonst auch Hanfbahr, Staubhanf, Femmel, Fimmel, Sünderhanf, tauber Hanf genannt werden, bei
dünnerm Stengel eine feinere Faser liefern als die weiblichen Pflanzen, die man auch Hanf in, in Niedersachsen Helling, im
Österreichischen Bösling, Bästling, in Preußen Hanfhenne oder Hanfhinne, sonst auch Winterhanf, Büßling, grünen Hanf, späten
Hanf, Kopfhanf, Maskel, Mastel, auch Saathanf zu nennen pflegt: so liegt das Streben nahe, um eine möglichst qualitätreiche Faser
zu produzieren, vorzüglich männliche Pflanzen heranzuziehen.
Indes bieten weder Form, Farbe, Schwere und Größe des Samens Anhaltspunkte für Erkenntnis des Geschlechts des
Individuums, noch vermag man durch Düngung oder Kulturverfahren auf das Dominieren des einen oder des andern Geschlechts
Einfluß auszuüben. Man säet, wenn keine Spätfröste mehr zu befürchten stehen, breitwürfig oder in Reihen und, um eine feine Faser
zu gewinnen, so dicht, daß nach dem Aufgehen jede Pflanze eine Vegetationsfläche von 18-20 qcm hat.
Von gutem Saatgut genügen für diesen Fall 4 hl pro Hektar. Sollen dagegen starke Stengel zu Seilwerk, Tauen und starker
Leinwand erzielt werden, so säet man pro Hektar nur 1,5-2 hl. Ist der Hanf aufgegangen, so wird er bei Reihenkultur mit der
Handhacke bearbeitet. Steht er auf 15 cm Höhe, so wird möglichst sorgfältig gejätet und, wo die Pflanzen zu dicht stehen, gelichtet.
Mit sehr günstigem Erfolg wird bisweilen eine Bewässerung und eine Überdüngung mit Gips angewendet.
Sobald nach stattgehabter Befruchtung die Blätter der männlichen Hanfpflanzen gelb werden, beginnt man mit dem Ziehen der
männlichen Hanfpflanzen, um die Entwickelung der Frucht auf den weiblichen Pflanzen zu fördern und die Güte der Faser in dem
Femelhanf durch längeres Stehenlassen nicht zu beeinträchtigen. Der ausgezogene Femelhanf wird an Bäumen angelehnt oder auch
in Kapellen aufgestellt und nach dem Trocknen in Bunden zur Röste gebracht. Beginnen nach weitern 4-6 Wochen auch die Blätter
und Stengel der weiblichen Pflanzen gelb zu werden, so werden sie ebenfalls sorgfältig gezogen, in kleine Bündel eingebunden und
pyramidenartig zusammengestellt, damit der Same gut nachreifen kann. Da der zur Nachreife aufgestellte Hanf von dem Vogelfraß
sehr leicht leidet, ist das Feld während dieser Zeit gut zu hüten.
Nach vollendetem Trocknen wird der Same abgedroschen. Da die Faser, welche vom Samenhanf erhalten wird, nur noch zu
Seilerarbeit verwendet werden kann und das Femeln nicht unbedeutende Mehrkosten durch doppelte Ernte und doppelte Röste
verursacht, so ist es meist vorteilhafter, entweder nur den Samen oder nur die Faser zu gewinnen. Um eine möglichst qualitätreiche
Faser zu gewinnen, muß man den Hanf nach vollendeter Blüte und sobald die männlichen Pflanzen anfangen, gelb zu werden,
ziehen.
Beim Seilerhanf werden die Stengel mit einer Sichel oder Hippe kurz über dem Boden abgeschnitten und zwei, auch drei Tage
lang ausgebreitet auf dem Acker liegen gelassen; darauf werden die Blätter abgeschlagen und die Stengel eingefahren, nach der
Länge sortiert und in Bündel gebunden. Mehrere dünne, gleich lange Bündel werden dann zu einem großen Bund
zusammengegeben und zur Röste gebracht. Beim Spinnhanf werden die Pflanzen bei entsprechender Reife gezogen, entblättert, in
kleine Bündel, dann in stärkere vereinigt, an beiden Enden mittels eines breiten Beils abgehackt und in noch grünem Zustand zur
Röste gebracht.
Als Mittelertrag rechnet man pro Hektar in Baden 1000-1100 kg, in Rußland 800 kg, in Frankreich 1000 kg, in Italien (Bologna)
1200 kg und in Österreich 500-800 kg gebrochenen Hanf. Der Samenertrag schwankt pro Hektar von 1-20 hl. Zur Gewinnung der
Faser wird der Hanf geröstet. Bei der Tau-, Rasen- oder Feldröste werden die Hanfstengel auf einer Wiese ausgebreitet, bis sich die
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Faser nach 4-6 Wochen vollständig von dem Stengel trennen läßt. Vorteilhafter ist die Wasserröste in fließendem oder stehendem
Wasser.
Sie liefert ein weit wertvolleres Produkt von weißgelber Farbe, auch geht der Prozeß rascher vor sich. Im allgemeinen muß der
weibliche Samenhanf länger rösten als der männliche. Nicht selten vereinigt man mit Vorteil die Wasser- mit der Rasenröste, oder es
wird in warmem Wasser mit oder ohne Zusatz verschiedenartiger Substanzen geröstet, ähnlich der Kunströste des Flachses. Die
neuern Bestrebungen gehen, wie bei der Gewinnung der Flachsfaser, darauf hinaus, die Faser auch ohne Röste zu gewinnen. So
wollen Leoni und Coblenz in Vaugenlieu bei Compiègne gute Resultate erzielt haben, indem sie den Hanfstengel zweimal 24 Stunden
in Trockenkammern dörrten und dann zwischen Brech- und Schwingmaschinen aufarbeiteten. Es sollen dabei aus dem Rohhanf um
10 Proz. mehr Faser erhalten werden als nach dem gewöhnlichen Röstverfahren.
Nach anderweitigen Erfahrungen, besonders in Ungarn (Csepin), liefert der Hanf, welcher ohne Rösten auf der Narbuthschen
Maschine rein gearbeitet wurde, eine Faser, welche sich für feinere Fabrikationszwecke weit weniger eignet und in der Nässe viel
leichter verdirbt. Der geröstete Hanfstengel wird an der Sonne oder in Röstgruben oder in Dörröfen und Dörrhäusern oder in
Backöfen getrocknet und dann gebrochen. Seilerhanf, dessen Stengel eine bedeutende Länge hat und sehr dick ist, wird vorerst mit
der Hanfreibe gequetscht und mürbe gemacht. Diese besteht aus zwei senkrecht stehenden, walzenförmigen Sandsteinen, die durch
eine Achse miteinander und mit einer stehenden Welle verbunden sind und sich in doppelter Bewegung auf der horizontalen
Auflagefläche drehen. Unter
Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte
Auflage, 1885-1892;8. Band, Seite 121 im Internet seit 2005; Text geprüft am 24.7.2007; publiziert von Peter Hug; Abruf am
20.1.2017 mit URL:
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