Brasilien – so bunt wie das Rheinland
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Brasilien – so bunt wie das Rheinland
R-K11 EXTRA FAKTEN RHEINISCHE POST FREITAG, 26. JULI 2013 B5 SERIE Grün für die Natur, Gelb für Reichtum Brasilien – so bunt wie das Rheinland Die Welt schaut auf Brasilien, den Gastgeber der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Spiele 2016. In einer Serie stellen wir Land und Leute vor. Teil 1 verrät, was am Rheinland brasilianisch ist – und warum sich Brasilianer hier so wohlfühlen. VON DENIZ KARIUS UND JÖRG MEHL Brasilien ist der fünftgrößte Staat der Erde: Mehr als 192 Millionen Einwohner leben auf über 8,5 Millionen Quadratkilometer Fläche – fast die Hälfte des südamerikanischen Kontinents. Kleiner Flächenvergleich: Deutschland passt rund 24-mal in Brasilien hinein. In Nordrhein-Westfalen leben laut Ausländerzentralregister rund 6700 Brasilianer – die meisten in den Regierungsbezirken Köln (2450) und Düsseldorf (2000). Brasiliens Küste hat eine Länge von etwa 7500 Kilometern – sie ist damit die längste Südamerikas. Die Farben der brasilianischen Flagge symbolisieren das Land selbst: Grün steht für Waldreichtum, Gelb für den Reichtum an Gold und anderen Bodenschätzen und die weißen Sterne in der blauen Himmelskugel vertreten die einzelnen Bundesstaaten. Das Schriftband trägt das Motto „Ordem e Progresso“, Ordnung und Fortschritt. In Brasilien wird gerne Bier getrunken, vielfach gebraut in deutschen Anlagen. Es läuft allerdings viel kälter durch die Kehlen als hierzulande: eiskalt. Mitunter werden die Gläser vor dem Einschenken sogar noch gefrostet. Seit 1818 sind mehr als 300 000 Deutsche nach Brasilien ausgewandert. So wurde 1850 von Deutschen Einwanderern die Stadt Blumenau gegründet, in der noch heute Deutsch für viele Einwohner Umgangssprache ist. 1983 wurde das erste Oktoberfest in Blumenau gefeiert. Heute ist es mit über 600 000 Besuchern zweitgrößte Volksfest Brasiliens – nach dem Karneval in Rio. Deutsch-brasilianische Handelsbeziehungen haben eine große Tradition. So haben sich allein im Großraum Sao Paulo rund 1200 deutsche Firmen niedergelassen – mehr als in jeder anderen Stadt in der Welt. FOTO: WHITAKER Die Macherin Iramaia Kotschedoff ist das vielleicht charmanteste Gesicht Brasiliens im Rheinland. Schon 1980 organisierte sie als Mitarbeiterin der Lufthansa in Brasilien Reisen zur Messe Düsseldorf und begleitete ihre Landsleute an den Rhein. Hier ist sie geblieben, heiratete, zog drei Kinder groß – und ist seit 1989 Geschäftsführerin ihrer „Iramaia Business Solutions“. Ihre Berufung: Brasilianischen Geschäftsleuten zu helfen, in Deutschland Fuß zu fassen. Sie knüpft Kontakte, löst sprachliche und organisatorische Probleme, hilft beiderseits über kulturelle Barrieren hinweg – und ist mit ganzem Herzen Botschafterin ihrer beiden Heimatländer, Deutschland und Brasilien. Im Rheinland, sagt Iramaia, sind die Brasilianer glücklich. Die Menschen hier und daheim sind sich ähnlich – offen, freundlich, sie lachen viel. Besondere Seiten Brasiliens lassen sich in der Messe Düsseldorf entdecken, empfiehlt Iramaia: Bei der Schuhmesse GDS (11. bis 13. September), der Kunststoffmesse K vom 16. bis 23. Oktober oder auch dem Weltforum für Medizin „Medica“ (20. bis 23. November). Und im März verwöhnen brasilianische Winzer bei „Pro Wein“ und „Pro Wein goes city“ ihr Publikum mit ihren Weinen. Der Vermittler Max Krieger ist Kulturmanager – und seit vergangenem Oktober Honorarkonsul von Brasilien mit Sitz in Düsseldorf, zuständig für die Regierungsbezirke Düsseldorf, Münster und Detmold. „Das riesige Land mit seinen unterschiedlichen Kulturen, aber auch mit seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten, ist für mich eine Herzensangelegenheit“, sagt er. Brasilien habe die Riesenchance, zu einem wirklich modernen Land zu werden – wenn es Europas Erfahrungen und Know-how nutzt, ohne seine Fehler zu wiederholen. Und so ist es Krieger eine Ehre, Kontakte zu knüpfen auf kultureller und wirtschaftlicher Ebene, zusammenzubringen, was zusammen gehört – schließlich lieben die Brasilianer die rhei- Honorarkonsul Max Krieger Gesund: Sucos-Chef Marcus Thelen mit erfrischendem Drink nische Art. Ihnen bedeutet Geselligkeit viel – sie ist der Anfang eines Geschäftes, meint Krieger. Deutsche Geschäftsleute sollten sich bemühen, die Sympathien und Gefühle der Brasilianer zu erobern – das Vertragliche komme später. Gerade hilft der Honorarkonsul, ein Projekt der Peter Dehnen Rechtsanwälte zu etablieren: Das GermanBrazilianBusinessForum GBBF – eine Plattform für NRW-Unternehmer mit Brasilien-Erfahrung zum Ideen- und Erfahrungsaustausch. Was sich Deutsche bei Brasilianern abschauen können? „Die Leichtigkeit“, sagt Max Krieger. Andererseits finden die Brasilianer toll, wie akribisch und zuverlässig die Deutschen sind. Brasilianer und Deutsche ergänzen sich also perfekt. Die Künstler Unter dem Titel „Avante Brasil“ präsentiert das KIT im Tunnel unter der Düsseldorfer Rheinuferpromenade noch bis zum 8. September die modernen Arbeiten von acht jungen brasilianischen Künstlern – Fotografien, Videos und Installationen. „KIT steht für junge internationale Kunst“, erklärt dessen künstlerische Leiterin Gertrud Peters. „Und Brasilien und seine Kunst sind schon lange nicht mehr das, was man sich landläufig darunter vorstellt.“ Stattdessen arbeiten die acht Künstler, die von ihr und der deutsch-belgischen Künstlerin Felicitas Rohden – sie lebte und arbeitete ein halbes Jahr Charmant: Iramaia Kotschedoff Kunst im Tunnel – KIT – zeigt zeitgenössische brasilianische Kunst. Wie Maurício Ianês Performance Ansichten PROGRESSO. FOTO: KIT TIPPS Brasilien entdecken Buchempfehlung: Unterwegs in Brasilien – 5 Kinder, 5 Regionen, 1 Abenteuer Cristina Schulze-Hofer, Danuzza Mendonça-Leuters, Irlenise de Magalhães Lange und Maria Terezinha Ferreira Schönauer sind Autorinnen eines besonderen Buches, das Brasilien zweisprachig und in vielen Facetten aus der Sicht der Kinder beschreibt, die immer in den großen Ferien in das Heimatland der Mütter reisen. Erinnerungen, Geschichten und viele Illustrationen stecken in dem Buch – und das Resultat alltäglicher Auseinandersetzung mit zwei Kulturen, die sich gut ergänzen können. Gardez!Verlag, ISBN978-389796-232-3, Preis: 24,90 Deutsch-Brasilianische Gesellschaft Seit 1960 gibt es die DBG, die deutschlandweit vertreten und in Regionalgruppen unterteilt ist. Sie veranstaltet Vortragsabende, Filmvorführungen, Konzerte, Sprachunterricht, Lesungen, Ausstellungen, Symposien, Seminare. Die Gesellschaft vermittelt Kontakte zwischen Brasilianern und Deutschen und organisiert Treffen. Ansprechpartner der Sektion Rhein-Ruhr ist der Krefelder Hans-Georg Irrgang, Telefon 02151 540967. SPray One World Vom 12. bis zum 18. Oktober findet in MönchengladbachHehn ein Graffiti-Event statt: Künstler aus Deutschland, Italien, Russland und Brasilien (Binho), Jugendliche und Borussen-Fans besprühen unter dem Motto „Fair Spray und Fair Play“ die Wände der Turnhalle der Kirchengemeinde St. Mariä Heimsuchung. Am Samstag, 19. Oktober, wird dann zu Party & SPrayGottesdienst geladen. www.facebook.com/sprayone-world FOTOS (2): HANS-JÜRGEN BAUER, BSS, PRIVAT in Brasilien – für „Avante Brasil“ ausgewählt wurden, auf internationalem Niveau. „Die brasilianischen Wurzeln spürt man jedoch in jedem Werk“, sagt Gertrud Peters. Zur Ausstellung wird ein begleitendes Programm geboten. Zum Beispiel zeigt die Filmwerkstatt, Birkenstraße 47, am 1. und 8. August jeweils um 19 Uhr Spiel- und Dokumentarfilme. Die Sparda-Bank West lädt für den 17. August von 11 bis 20 Uhr zum Sommerfest mit Workshops, Familienführungen und Überraschungen ins KIT ein, und am 8. September gibt es eine kostenlose Führung für Kinder. KIT – Kunst im Tunnel, Mannesmannufer 1b, Düsseldorf, www.kunst-im-tunnel.de Der Saftladen Gerade hat Marcus Thelen ein paar gelb-weiß gestreifte Liegestühle an den Musikbrunnen im Innenhof des Wilhelm-Marx-Hauses in Düsseldorf gestellt. Schön retro, schön stylish, schön brasilianisch. „Fehlt nur noch der Sand“, strahlt der Chef des „Sucos do Brasil“ – dem (übersetzten) Namen nach ein echter Saftladen und doch ein veritables Restaurant, das Spezialitäten wie das Nationalgericht Feijoada anbietet. Das Sucos ist seit Jahren ein Treffpunkt für Freunde alles Brasilianischen – so ziemlich jeder brasilianische Fußballstar, der im Rheinland kickt, war schon Gast. Und bei Liveübertragungen etwa von WM-Spielen feiern schon mal Tausende Gäste Fußballtrainer Jeremias Lopes rund um den Musikbrunnen vor großen Bildschirmen die Teams und sich selbst. Klar, im Sucos gibt’s am Wochenende Samba und Live-Musik, und an jedem Tag wird Caipirinha serviert – und Ipanema; schmeckt so ähnlich, ist aber ohne Alkohol. An heißen Sommertagen empfiehlt Thelen Mate-Tee; eisgekühlt, versteht sich. Der Trainer Jeremias Lopes liebt und lebt Fußball. Und als Jugendtrainer mit DFB-Lizenz hat der Brasilianer nach dem Ende seiner Profifußballerkarriere seine Berufung gefunden. „Ich möchte deutschen Kindern die brasilianische Fußballtechnik beibringen“, sagt er. „Und das geht am besten mit Futsal“. Denn das Hallenspiel mit dem kleineren, harten und damit auch sehr schnellen Ball trainiere Ballgefühl, -behandlung und -mitnahme, Koordination sowie Beidfüßigkeit. „Alle großen brasilianischen Fußballer, etwa Ronaldinho und Ronaldo, haben jahrelang mit dem kleinen Ball gearbeitet. Die Brasilianer sind hervorragende Techniker“, sagt Lopes, der seit 16 Jahren in Deutschland lebt. „Das ist hierzulande anders: Der Zusammenhalt der Teams ist einfach super, es wird viel taktisch gespielt und die Spieler sind sehr diszipliniert.“ Lopes’ Vision: „Die brasilianischen und deutschen Qualitäten zu kombinieren, denn das ergäbe einfach nur sensationellen Fußball.“ www.brazilian-soccer.de