2007-03-11 Membra Jesu nostri programm 05-09
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2007-03-11 Membra Jesu nostri programm 05-09
11. März 2007 PASSIONSMUSIK Johann Christoph Bach Dieterich Buxtehude zum 300. Todesjahr VON BUXTEHUDE (1642-1703) LAMENTO (1637-1707) KLAG-LIED MEMBRA JESU NOSTRI PATIENTIS SANCTISSIMA Humillima Totius Cordis Devotione Decantata Heiligste Glieder unseres leidenden Jesus von ganzem Herzen in demütigster Verehrung besungen Katia Plaschka Janina Moeller Franz Vitzthum Roland Johannes Martin Weinbrenner Sopran Sopran Altus Tenor Bass Laura Tofetti Vèronique Wartelle Tobias Bonz Antichi Strumenti - Mulhouse Violine Violine Violoncello Suzanne van Os Martin Lubenow Haralt Martens Annemarie Hickethier Mattias Schmidt Heidrun Eggert Franz und Maria Fink MVSICHE VARIE Laute Orgel und Cembalo Violone Capella Lignea - Idstein Violen da gamba Chor St. Martin + Martinis Leitung: Franz Fink Katholische Pfarrei St. Martin Wir danken Ursula und Rainer Klein für das Foto zur Betrachtung (S. 3). Das Rokoko-Cruzifix eines unbekannten Meisters befindet sich in der Marienkapelle (Krypta) der Kirche St. Martin. Wiesbadener Straße 21-31 65510 Idstein Tel. 06126-95190 Wir danken dem Förderkreis Kirchenmusik e.V. Idstein, der Stadt Idstein und dem Kulturring Idstein für ihre Unterstützung. www.st-martin-idstein.de Johann Christoph Bach (1642 - 1703) LAMENTO Ach, dass ich Wassers gnug hätte in meinem Haupte, und meine Augen Tränenquellen wären, dass ich Tag und Nacht beweinen könnte meine Sünde! Meine Sünden gehen über mein Haupt. Wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden, darum weine ich so, und meine beiden Augen fließen mit Wasser. Meines Seufzens ist viel und mein Herz ist betrübet, denn der Herr hat mich voll Jammers gemacht am Tage seines grimmigen Zorns. Dieterich Buxtehude (1637 - 1707) KLAG-LIED auf den Tod seines Vaters, BuxWV 76b Muß der Tod denn auch entbinden, was kein Fall entbinden kann? Muß sich der mir auch entwinden, der mir klebt dem Herzen an? Ach! der Väter trübes Scheiden machet gar zu herbes Leiden, wenn man unsre Brust entherzt, solches mehr als tödlich schmerzt. Unsre Herzen sind die Väter, die bedenken was uns kränkt; Sie sind unsre Seufzer-Beter für das, was kein Kind nicht denkt, Sie erkennen diese Zeiten und der Erde Eitelkeiten; Drum ihr Ach von eitlem Los hält der Höchste teur und groß. Solcher ist mir auch gewesen mein Herr Vater, welcher mir Tausend Segen hat gelesen vor der reichen Himmelstür Durch sein Flehen, dessen Lehren Und sein Sorgen mich verehren Täglich mit Vergnüglichkeit, die nach Gott er mir bereit. Schlafe wohl, du Hochgeliebter, lebe wohl, du seelge Seel; Ich, dein Sohn, nun Hochbetrübter, schreib auf deines Grabes Höhl: „Allhie liegt, des Spielens Gaben selbsten Gott erfreuet haben: Darumb ist sein Geist beglückt zu des Himmels-Chor gerückt.“ MEMBRA JESU NOSTRI BuxWV 75 Im Jahr 1680 datierte Dieterich Buxtehude ein für ihn außergewöhnliches Werk, einen groß angelegten Zyklus von sieben in sich geschlossenen Kantaten. Jesus am Kreuz wird liebevoll - voller Liebe - betrachtet. Der Beter schaut von unten auf einzelne verwundete Glieder (membra) von den Füßen bis zum Angesicht. Durchgehende Textgrundlage ist eine mittelalterliche lateinische Andachtsdichtung in zehnzeiligen Strophen, die Buxtehude unter dem Titel "Domini Bernardi Oratio Rhythmica" bekannt war. Sie wird jedoch heute nicht mehr dem heiligen Bernhard von Clairvaux, sondern Arnulf von Löwen (ca. 1200-1250) zugeschrieben. Jede Kantate enthält in der Mitte drei ausgewählte (Halb-)Strophen der Dichtung als Arias für Solisten (zum Beispiel für Sopran 2, abgekürzt: S II). Als ein Rahmen erklingt vorher und nachher ein assoziiertes Bibelwort, als Concerto musiziert meist von allen („tutti“), in dieser Aufführung im Chor. Jede Kantate wird eröffnet durch eine Sonata, eine instrumentale Einleitung. 1. Chor Ad pedes Ecce super montes pedes evangelizantis et annunciantis pacem. Sopran I Salve, mundi salutare, An die Füße (Nahum 2,1) Siehe über die Berge [kommen] die Füße eines guten Boten, der ankündigt: Frieden. salve, salve, Jesu care! Cruci tuae me aptare vellem vere, tu scis quare, da mihi tui copiam. Sei gegrüßt, Heil der Welt, gegrüßt, gegrüßt, lieber Jesus! Deinem Kreuz mich anhängen möchte ich wirklich, du weißt warum, gib mir deine Fülle. S II Clavos pedum, plagas duras et tam graves impressuras circumplector cum affectu, tuo pavens in aspectu, tuorum memor vulnerum. Nägel in den Füßen, harte Schläge und so schwere Striemen umfasse ich mit Ergriffenheit, voll Angst bei deinem Anblick, eingedenk deiner Wunden. Bass Dulcis Jesu, pie deus, ad te clamo licet reus, praebe mihi te benignum, ne repellas me indignum de tuis sanctis pedibus. Süßer Jesus, gnädiger Gott, zu dir rufe ich, wenn auch schuldig, zeige dich mir gnädig, weise nicht zurück mich Unwürdigen von deinen heiligen Füßen . Chor Ecce super montes pedes evangelizantis et annunciantis pacem. Siehe über die Berge kommen die Füße eines guten Boten, der ankündigt: Frieden. Chor Salve, mundi salutare, salve, salve, Jesu care! Cruci tuae me aptare vellem vere, tu scis quare, da mihi tui copiam. Sei gegrüßt, Heil der Welt, gegrüßt, gegrüßt, lieber Jesus! Deinem Kreuz mich anhängen möchte ich wirklich, du weißt warum, gib mir deine Fülle. Die erste und die letzte Kantate sind besonders gewichtig und geben dem Gesamtwerk seinen Rahmen. Das erste Wort, „Ecce“- „Siehe!“ deutet wie ein Zeigefinger, „Ecce super montes“, „Siehe, über die Berge“. Die Dichtung beginnt mit den Worten: „Salve mundi salutare, salve, salve Jesu care ... da mihi tui copiam“ - „Sei gegrüßt, Heil der Welt, gegrüßt, gegrüßt, lieber Jesus ... gib mir deine Fülle“. Diese erste Strophe wird am Ende der Kantate nach dem Concerto von allen wiederholt, wie ein Motto. Die rahmenden Bibelworte hat Buxtehude meist „tutti“ singen lassen, fünfstimmig, und hat sie musikalisch besonders reich gestaltet. Die Worte sind der Dichtung locker assoziativ verbunden, die Erwähnung oder Andeutung des betreffenden Gliedes genügt, um den Zusammenhang zu stiften. Die meisten stammen aus dem Alten Testament und sind betont lebensvoll und sinnlich. Zuerst sehen sie - wie der Prophet Nahum - „die Füße eines Boten, der ankündigt: Frieden.“ „Salve“, so beginnt die Dichtung. Salve (verwandt: salvum, salus, salutifera) ist ein Schlüsselwort für das Werk: Heil. Heute würde man vielleicht „wellness“ sagen für das gemeinte Wohl-Sein für Leib und Seele, - „Lebe wohl“ - Salve. 2. Ad genua An die Knie (Jesaja 66,12) Chor Ad ubera portabimini, et super genua blandientur vobis. An den Brüsten werdet ihr getragen, und auf den Knien wird man euch liebkosen. Tenor Salve, Jesu, rex sanctorum, Alt spes votiva peccatorum, crucis ligno tanquam reus pendens homo, verus deus, caducis nutans genibus! Sei gegrüßt, Jesus, König der Heiligen, willkommene Hoffnung der Sünder, am Holz des Kreuzes wie ein schuldiger Mensch hängend, wahrer Gott, schwankend, mit fallenden Knien! Quid sum tibi responsurus, actu vilis, corde durus? Quid rependam amatori, qui elegit pro me mori, ne dupla morte morerer? Was soll ich dir antworten, im Handeln schwach, im Herzen hart? Wie soll ich dem Liebenden vergelten, der wählte, für mich zu sterben, damit ich nicht zweifachen Todes sterbe? SSB Ut te quaeram mente pura, sit haec mea prima cura, non est labor nec gravabor, sed sanabor et mundabor, cum te complexus fuero. Chor Dass ich dich suche mit reinem Sinn, das sei meine erste Sorge. es ist keine Mühe noch Beschwerde, sondern ich werde geheilt und gereinigt, wenn ich dich umfangen werde. Ad ubera portabimini ... Jesaja erschaut in seinem visionären letzten Kapitel das Bild eines Säuglings, der auf den Knien der Mutter liebkost wird. In der Übersetzung von Martin Luther, die Buxtehude, dem Organisten an der evangelischen Hauptkirche St. Marien zu Lübeck wahrscheinlich vertrauter war als Latein, heißt es: „Da werdet ihr saugen. Ihr sollt auf der Seiten getragen werden, und auf den Knien wird man euch freundlich halten.“ In den Noten stehen sinnigerweise seit dem intensiven Probentag im evangelischen Gemeindehaus Notizen: „immer fließen lassen - schwerelos - intim - genießen.“ Ein Bibelkenner zu Buxtehudes Zeit kannte vermutlich den Zusammenhang: „Siehe, ich breite aus den Frieden bei ihr (Jerusalem) wie einen Strom ...“ Ein schreiender Säugling, der angelegt und gestillt wird, ist ein jedem einleuchtendes Bild des Friedens. Den anschließenden Satz des Propheten nahm Brahms in sein Deutsches Requiem auf: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." In der Dichtung bleibt der Beter - bleibe ich - ebenfalls nicht bei der Betrachtung scheinbar toter Glieder stehen. Wichtig ist meine individuelle Reaktion: ,Was soll ich dir antworten, im Handeln schwach, im Herzen hart?“ Später werden sogar die eigenen Glieder in lebendigem Zusammenhang gesehen, zum Beispiel in der sechsten Kantate: „Per medullam cordis mei“: „In das Innerste meines Herzens, eines Schuldigen, übertrage deine Liebe, da ich dein Herz zerrissen habe.“ Interessanterweise wissen wir über den individuellen Menschen Buxtehude fast nichts, nicht einmal genau, wann und wo er geboren wurde, vielleicht 1637 in Helsingborg, heute Schweden, damals Dänemark, wo sein Vater Organist war. Es gibt kein gesichertes Bild von ihm, und nur eines, auf dem vermutlich er zu sehen ist, fein gekleidet in einer Gruppe von häuslich Musizierenden, die sich dabei sichtlich wohl fühlen. 3. Ad manus An die Hände (Sacharja 13,6) Chor Quid sunt plagae istae in medio manuum tuarum? Was sind das für Wunden inmitten deiner Hände? SI Salve, Jesu, pastor bone, fatigatus in agone, qui per lignum es distractus et ad lignum es compactus expansis sanctis manibus. Sei gegrüßt, Jesus, guter Hirte, erschöpft im Todeskampf, der du durch das Holz gemartert und an das Holz geschlagen bist mit ausgespannten heiligen Händen. S II Manus sanctae, vos amplector et gemendo condelector, grates ago plagis tantis, clavis duris, guttis sanctis, dans lacrimas cum oculis. Heilige Hände, euch umfasse ich, und klagend erfreue ich mich, Dank sage ich solchen Schlägen, harten Nägeln, heiligen Blutstropfen, unter Tränen in den Augen. ATB In cruore tuo lotum me commendo tibi totum, tuae sanctae manus istae me defendant, Jesu Christe, extremis in periculis. Von deinem Blut genetzt, vertraue ich mich dir ganz an, deine heiligen Hände, sie mögen mich verteidigen, Jesus Christus, in äußersten Gefahren. Chor Quid sunt plagae istae ... Im Buch des Propheten Sacharja stand bereits die bohrende Frage: „Was sind das für Wunden inmitten deiner Hände?“ Dissonante Harmonien, scharfe Reibungen in quälend langsamem Tempo - hier schrieb Buxtehude Musik, die unter die Haut geht. Für seine Zeit dürften solche Klänge revolutionär gewesen sein. Sein Orgelspiel war phantasievoll und kühn, und sein Ruhm verbreitete sich weit über seine Wirkungsstätte hinaus. Als junger Mann „pilgerte“ Johann Sebastian Bach von Arnstadt in Thüringen nach Lübeck - wie Hape Kerkeling auf dem Jakobsweg -, um Buxtehude zu hören und zu studieren. Er überzog sogar diesen Bildungsurlaub eigenmächtig und riskierte dafür seine Anstellung. Über sein freies Orgelspiel nach Buxtehudes Vorbild beklagte sich die Arnstädter Kirchengemeinde: Bach habe „in dem Choral viele wunderliche Variationes gemachet“ und „viele frembde Thone mit eingemischet“. Dadurch sei die Gemeinde „confundiret worden“. Weite Wege nahmen zum Teil auch die Solisten der heutigen Passionsmusik auf sich, für Inhalt und Musik der Werke. Wir Idsteiner Laienmusiker danken ihnen von Herzen für die Zusammenarbeit, die uns bereichert. Der Chor St. Martin wird gleich nach der Passionsmusik auf die Karfreitagsliturgie und die Feier der Osternacht hin proben, der Jugendchor Martinis für das Hochamt am Ostersonntag. Singen in Gottesdiensten verstehen wir als unsere wesentliche Aufgabe. Singen in dieser Passionsmusik verstehen wir im Grunde auch als Gottes-Dienst. Mehr dazu und zur Capella Lignea findet sich auf der Web-Seite der Pfarrgemeinde. Ein persönlicher Dank: in die Übersetzung sind die Vorschläge der Verlage Merseburger und Carus und namentlich Anregungen von P. Dr. Radbert Kohlhaas (1980 Kloster St. Hildegardis, Eibingen) eingeflossen. 4. Ad latus An die Seite (Hoheslied 2,13-14) Chor Surge, amica mea, speciosa mea, et veni, columba mea in foraminibus petrae in caverna maceriae. Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm, meine Taube in den Felsklüften, in den Steinritzen. SI Salve latus salvatoris, in quo latet mel dulcoris, in quo patet vis amoris, ex quo scatet fons cruoris, qui corda lavat sordida. Sei gegrüßt, Seite des Heilands, in der Honigsüße liegt, in der Kraft der Liebe sich offenbart, aus der eine Quelle des Blutes hervorbricht, das befleckte Herzen reinigt. ATB Ecce tibi appropinquo, parce, Jesu, si delinquo, verecunda quidem fronte ad te tamen veni sponte Scrutari tua vulnera. Siehe, dir nähere ich mich, schone mich, Jesus, wenn ich fehle, mit beschämtem Gesicht komme ich doch von selbst zu dir, zu erforschen deine Wunden. S II Hora mortis meus flatus intret, Jesu, tuum latus, hinc expirans in te vadat, ne hunc leo trux invadat, sed apud te permaneat. In der Stunde des Todes möge meine Seele eintreten, Jesus, in deine Seite, hier aushauchend in dich eingehen, dass nicht ein grimmiger Löwe sie überfalle, sondern sie immer bei dir bleibe. Chor Surge, amica mea ... „Surge, amica mea“ wird aus dem „Lied der Lieder“ zitiert (Hoheslied 2, 13-14). Nikolaus Geberth überträgt die Verse in der Rheingau-Bibel so: „Jetz komm doch emo bei mich, mein Schatz, mei goldisch Meedsche. Mei Täubsche, komm aus deim Versteck, aus deim Eckelsche in de Felswand.“ Die Liebeslyrik der Bibel sagt klar: „Komm an meine Seite“. Man könnte auch die Wunde in der Seite Jesu mit der Ritze in der Felswand vergleichen. Doch selbst die mittelalterliche Dichtung spricht von liebevoller Vereinigung: „möge meine Seele eintreten in deine Seite.“ Das Hohe Lied ist auch Quelle für den Rahmen der sechsten Kantate: „Vulnerasti cor meum, soror mea, sponsa“ - „Du hast mein Herz verwundet, meine Schwester, Braut.“. Das Herz, das man im Gegensatz zu den anderen Gliedern nicht sehen und berühren kann, ist - wie jeder Liebende weiß - das Wesentliche. Buxtehude zeichnete die Kantate an das Herz durch den innigen Glanz eines Gambenchors aus. Sonst bestimmen Laute und Violinen das kammermusikalisch feine Klangbild. Das Lied der Lieder enthält einen Satz, der unterschwellig MEMBRA JESU NOSTRI durchzieht: „Stark wie der Tod ist die Liebe“ (Hoheslied 8,6). 5. Ad pectus An die Brust (1. Petrus 2,2-3) ATB Sicut modo geniti infantes rationabiles, et sine dolo concupiscite, ut in eo crescatis in salutem. Si tamen gustastis, quoniam dulcis est dominus. Wie die neugeborenen Kinder seid nach der vernünftigen, unverfälschten [Milch] begierig, dass ihr durch sie zunehmt an Heil. So werdet ihr schmecken, wie süß der Herr ist. A Salve, salus mea, deus, Jesu dulcis, amor meus, salve pectus reverendum, cum tremore contingendum, amoris domicilium. Sei gegrüßt, mein Heil, Gott, süßer Jesus, meine Liebe, gegrüßt, verehrungswürdige Brust, mit Zittern zu berühren, der Liebe Wohnsitz. T Pectus mihi confer mundum, ardens, pium, gemebundum, voluntatem abnegatam, tibi semper conformatam, iuncta virtutum copia. Die Brust mache mir rein, glühend, fromm, voll Seufzen, dem Eigenwillen abgeneigt, dir immer gleich geformt, verbunden mit der Tugenden Fülle. B Ave, verum templum dei, precor miserere mei, tu totius arca boni, fac electis me apponi, vas dives, deus omnium. Sei gegrüßt, wahrer Tempel Gottes, ich bitte, erbarme dich meiner. du Schrein alles Guten, lass zu den Erwählten mich gehören, kostbares Gefäß, Gott aller. ATB Sicut modo geniti infantes Die fünfte Kantate greift das Bild der Mutterbrust wieder auf: „Wie die neugeborenen Kindlein seid begierig nach der vernünftigen, lautern Milch ...“, - diesen anschaulichen Vergleich fand Petrus für die reine Lehre und fuhr fort: „damit ihr durch sie wachset im Heil und so schmeckt, wie süß (lieblich, gut, freundlich) der Herr ist“. Angepaßt an das intime Bild singen in der fünften und sechsten Kantate je drei Solisten das Concerto. Die drei tiefen Stimmen malen das Wachsen, die zwei hohen Stimmen und der kontrastierende Bass beseelen in stilisierten Seufzern das verwundete Herz. In der siebten Kantate ist danach das Schauen „von Angesicht zu Angesicht" möglich: „Illustra faciem tuam - laß dein Angesicht leuchten ...“. In der ersten Kantate erklang die erste Strophe der Dichtung in allen Stimmen, entsprechend ist es in der letzten Kantate die letzte Strophe: „Cum me iubes emigrare“. Paul Gerhardt nahm ihre Gedanken auf in seinen Liedvers „Wenn ich einmal soll scheiden“, den Bach bedeutungsvoll als letzten Choral seiner Matthäuspassion eingesetzt hat. Dieterich Buxtehude starb am 9. Mai 1707, vor 300 Jahren. Mein Blick wendet sich von der Betrachtung des Gekreuzigten auf meinen eigenen Tod. Danach verbietet sich jede Wiederholung. „Jesu care, tunc appare - Lieber Jesus, dann erscheine ...“, - nach dieser Bitte, in dieser Hoffnung kann die Musik enden mit einem ausschwingenden Amen. Gerda Arendt 6. Ad cor An das Herz (Hoheslied 4,9) SSB Vulnerasti cor meum, soror mea, sponsa. Du hast mein Herz verwundet, meine Schwester, Braut. SI Summi regis cor, aveto, te saluto corde laeto, te complecti me delectat et hoc meum cor affectat, ut ad te loquar, animes. Des höchsten Königs Herz, dich grüße ich mit frohem Herzen, dich zu umfangen entzückt mich und mein Herz verlangt danach, dass du mich beseelst, zu dir zu sprechen. S II Per medullam cordis mei, peccatoris atque rei, tuus amor transferatur, quo cor tuum rapiatur languens amoris vulnere. In das Innerste meines Herzens, eines Sünders und Schuldigen, werde deine Liebe übertragen, wodurch dein Herz zerrissen wird, ermattend durch der Liebe Wunden. B Viva cordis voce clamo, dulce cor, te namque amo, ad cor meum inclinare, ut se possit applicare devoto tibi pectore. Mit lebhafter Stimme des Herzens rufe ich, süßes Herz, dich nämlich liebe ich, zu meinem Herzen neige dich, dass es sich anschmiegen kann demütig an deine Brust. SSB Vulnerasti cor meum ... 7. Ad faciem An das Angesicht (Ps. 31,17) Chor Illustra faciem tuam super servum tuum; salvum me fac in misericordia tua. Lass leuchten dein Angesicht über deinem Knecht; mach mich heil in deiner Barmherzigkeit. ATB Salve, caput cruentatum, totum spinis coronatum, Conquassatum, vulneratum, arundine verberatum, facie sputis illita. Sei gegrüßt, blutüberströmtes Haupt, ganz mit Dornen gekrönt, entstellt, verwundet, mit dem Rohr geschlagen, das Gesicht bespien und besudelt. A Dum me mori est necesse, noli mihi tunc deesse, in tremenda mortis hora veni, Jesu, absque mora, tuere me et libera. Wenn ich einmal sterben muss, dann fehle du mir nicht, in der angstvollen Todesstunde komm, Jesus, ohne Aufschub, schütze mich und befreie. Chor Cum me iubes emigrare, Jesu care, tunc appare, o amator amplectende temet ipsum tunc ostende in cruce salutifera. Wenn du mich einmal heimgehen heißt, lieber Jesus, dann erscheine, o Liebender, den ich umarmen will, zeige dich selbst dann im Kreuz, das Heil trägt. Amen