Zu hoher Ladedruck durch ständigen Overboost
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Zu hoher Ladedruck durch ständigen Overboost
Zu hoher Ladedruck durch ständigen Overboost Ein Ford Transit 2,4 L TDCi mit 103 KW von Baujahr 2008 mit einer Fahrtleistung von 82.068 km brachte einen Berufskollegen zur Verzweiflung. Schon etliche Bauteile wurden ausgetauscht und viele Arbeitsstunden für die Fehlersuche investiert und trotzdem wurde die Ursache für die Kundenbeanstandung bisher nicht gefunden. Die Kundenbeanstandung lautete plötzlicher Leistungsmangel, vorwiegend bei Autobahnfahrten im sechsten Gang sowie gelegentliches Aufleuchten der MIL-Leuchte (Motorstörungsleuchte). Um den Fehler zu finden wurde zuerst das Diagnosegerät „FordEtis IDS“ an den Diagnosestecker des Fahrzeugs angeschlossen und eine „Symptom Basierte Diagnose (SBD)“ durchgeführt, die von FORD für alle elektrischen und mechanischen Garantiereparaturen vorgeschrieben ist. Wird dieser Prozess nicht eingehalten, kann der Garantievergütungsantrag abgelehnt werden. Bei der SBD werden Kundensymptome und aus dem Fahrzeug ausgelesene Fehlercodes (DTC) miteinander verglichen und entsprechende Diagnoseverfahren angeboten, um bei der Diagnose der Beanstandung Hilfestellung zu leisten. Da die SBD in diesem Fall keine Unterstützung bei der Diagnose anbot, wurde die manuelle Diagnose aufgerufen. Dabei las der Berufskollege als erstes den Fehlerspeicher aus. Im Fehlerspeicher befand sich der Fehlercode P0234 - Turbolader zu hoher Ladedruck. Er beschloss als erstes eine Probefahrt mit dem Diagnosegerät durchzuführen, dabei hatte er im Menü „Datalogger“ (Messwertaufnehmer), die für ihn relevanten Signale im Bereich der Ladedruckregelung ausgewählt (Bild 1). Bild 1 Die Auswahl den Messwert des Ladedrucks in Balkenform anzuzeigen, zeigt deutlich dass der Sollund Istwert des Ladedrucks nicht übereinstimmen. MIL = Fehlfunktion Anzeigeleuchte; SELTESTDTC = Fehlercodes; MAP = Ansaugkrümmerdruck-Sensor; MAP_DMD = Saugrohrabsolutdruck angefordert; APP = Fahrpedalstellung; VGTPOS = VGT-Stellung; VGTDC = Turbolader mit variabler Turbinengeometrie; MFDES = Gewünschte Kraftstoffmenge in Milligramm; VGT_F = Status des Turboladers mit variabler Turbinengeometrie; VSS = Fahrgeschwindigkeit; B+ = Positive Batteriespannung. Bei der Autobahnfahrt im sechsten Gang mit voll betätigtem Fahrpedal und bei etwa 120 km/h (Endgeschwindigkeit wurde auf Kundenwunsch im Steuergerät auf 120 km/h festgelegt) kann man auf der Aufzeichnung deutlich sehen, dass der geforderte Ladedruck (MAP_DMD – 1,98 bar) vom Motorsteuergerät und der tatsächliche Ladedruck (MAP – 2,48 bar), der vom MAP-Sensor gemessen wird, sich stark unterscheiden. In dieser Situation versucht das Motorsteuergerät den Ladedruck des Turboladers mit variabler Turbinengeometrie, über den elektronischen Ladedruckversteller (VGTDC) durch Positionsänderung der Leitradschaufeln, zu senken. Da der Turbolader keinerlei Veränderung zeigt, sieht man dass der Anzeigebalken für den Status der Leitradverstellung (VGT_F) auf „Fehler“ (Bild 2) umschaltet, woraufhin das Motorsteuergerät in den Notlauf schaltet, was dann zu einer deutlichen Leistungseinbuße führt. Bild 2 Da der Ladedruck des Turboladers mit variabler Turbinengeometrie trotz Regelung ständig zu hoch ist, meldet die Ladedrucküberwachung einen Fehler worauf das Motorsteuergerät in den Notlauf schaltet. Die Aufzeichnungen mit dem Datalogger zeigen deutlich den Grund für die Kundenbeanstandung. Doch jetzt ging es darum den Übeltäter für den zu hohen Ladedruck zu finden. Der Berufskollege berichtete, dass bisher der Absolutdruck-Sensor (MAP), der Luftmassenmesser (MAF), der Turbolader samt elektronischer Regelung, der Auslasskollektor, das Motorsteuergerät und der Motorkabelstrang erneuert wurden. Jetzt konnte ich verstehen, dass dieser Fall ihn zur Verzweiflung brachte. In solchen Fällen ist es immer ratsam ein Brainstorming mit Kollegen zu führen um durch eine andere Sichtweise die Störung zu finden. Nach Studium der professionellen Aufzeichnungen des Berufskollegen, entschloss ich mich als Erstes den Schaltplan (Bild 3) näher zu betrachten. Auf dem Schaltplan erkennt man, dass der Gleichstrommotor der elektronischen Ladedruckregelung durch das Motorsteuergerät angesteuert wird. Deshalb kontrollierte ich die Spannungsversorgung (plus- und minusseitig) des Motorsteuergerätes mit einer 21-Watt-Prüflampe um sicherzustellen, dass die Spannungsversorgung nicht zusammenbricht wenn die elektronische Ladedruckregelung angesteuert wird. Da Spannungsversorgung einwandfrei war kontrollierte ich die Ansteuerung des Stellmotors der elektronischen Ladedruckregelung. Bei einem Tastverhältnis von 0% zeigte das Multimeter eine einwandfreie Spannungsversorgung an. Diese Messungen und das Wissen, dass alles was mit der Ladedruckregelung im Zusammenhang steht schon erneuert wurde, entschloss ich mich zu einer Probefahrt. Wie mein Kollege benutzte ich dazu die Funktion Datalogger des Diagnosegeräts. Mir viel auf, dass der Ford Transit eine enorme Beschleunigung hatte, die ich so bei den Fahrzeugmodellen nicht kannte. Messungen bei Fahrt ergaben dieselben Messwerte, die schon mein Kollege erfasst hatte. Trotzdem fiel mir ein etwas unrunder Motorlauf und ein leichtes Nageln bei Volllastfahrt auf. In diesem Augenblick dachte ich direkt an eine OverboostFunktion. Unter „Overboost“ versteht man eine kurzzeitige Überhöhung des Ladedrucks zum Beschleunigen, die für kurze Zeit eine Anhebung des maximalen Motordrehmoments ermöglicht. Der Overboost wird in der Regel durch eine Verstellung der Leitradschaufeln und zusätzlich eingespritztem Kraftstoff erreicht. Ich wählte, an einem Parkplatz angekommen, ein zusätzliches Signal für die Kraftstoffmenge im Datalogger aus. Bei der Fortsetzung der Probefahrt konnte ich trotz erhöhtem Ladedruck keine Erhöhung der Einspritzmenge durch das Motorsteuergerät feststellen, deshalb war ich mir ziemlich sicher, dass ein tropfender Injektor für den ständig zu hohen Ladedruck verantwortlich sein musste. Bild 3 Nachdem wir alle Injektoren erneuert hatten, führten wir eine anschließende Probefahrt durch. Das Fahrzeug war jetzt im Anzug weniger spritzig und der Ladedruck stieg nicht mehr über 2,2 bar, außerdem folgte jetzt der angezeigte Istwert immer schön dem vom Motorsteuergerät vorgegebenen Sollwert. Diesen Fall fand ich besonders Interessant, zeigte er doch was eine tropfende Einspritzdüse bei diesem Fahrzeug für Folgen hatte.