LMV Tübingen 2012
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LMV Tübingen 2012
Landesmitgliederversammlung in Tübingen 25. November 2012 BESCHLUSS „Land der Vollidioten“ Identitätsrock schaffen! Sensibilität für nationalistischen Rechtes Gedankengut ist in der Mitte der Gesellschaft inzwischen salonfähig. Das zeigt sich nicht nur in neusten Studien, sondern lässt sich auch durch einen Blick auf die aktuelle Chartliste erkennen: Die Band Frei.Wild, die aus der norditalienischen Provinz Südtirol stammt, ist mit ihrem Album „Feinde deiner Feinde” im Oktober 2012 direkt auf Rang 2 der deutschen Albumcharts gelandet. Und das, obwohl ihre Texte rechtslastiger nicht sein könnten: „Wo soll das hinführen, wie weit mit uns gehen, selbst ein Baum ohne Wurzeln kann nicht bestehen. Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen, wenn ihr euch Ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen. […] Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat, ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk. […] Bräuche, Geschichten, Kunst und Sagen, sehe schon die Nachwelt klagen und fragen: Warum habt ihr das verkommen lassen?“ Mittlerweile sind Frei.Wild mit ihrem Identitätsrock in bester Onkelz Tradition so erfolgreich, dass sie bereits vor tausenden von Zuschauer_innen singen. Und das stets in den begehrtesten Hallen der Großstädte: Sowohl in der Maimarkthalle in Mannheim, der Schleyerhalle in Stuttgart, der O2 Arena in Hamburg oder in der Dortmunder Westfalenhalle spielte die Band. Ende Juni 2010 trat sie sogar beim FIFA-Fanfest zur Fußball WM am Berliner Olympiastadion auf. Was bedeutet das für die Gesellschaft und für politisches Handeln, wenn eine Band wie Frei.Wild derart erfolgreich ist? Einmal mehr muss uns bewusst werden: Rechte Einstellungen werden nicht erst da sichtbar, wo Nazis gewalttätig werden – sondern da, wo Textzeilen, die vor Nationalismen, identitätsstiftenden Abgrenzungen und „wir-Ideologie” nur so strotzen, mehrheitsfähig werden. Die Kommunikationsstrategie von Frei.Wild ist so einfach wie blöd – und darum gefährlich: Von ihrer rechtsradikalen Vergangenheit distanzieren sie sich nach dem Motto „Jeder macht mal Fehler”. Und stellen sich nun lieber gegen „Extremismus jeglicher Couleur”. Dass ihre Fans aber vor allem aus dem rechtsradikalen Spektrum kommen, scheinen die Musiker zu tolerieren. In einschlägigen nationalistischen Foren werden Frei.Wild wie selbstverständlich als Bandtipp aufgeführt und als ‘Erbe’ der Böhsen Onkelz bezeichnet. Klar ist damit: Frei.Wild bedient insbesondere das rechtsradikale Spektrum, was auch durch Kleidung und Verhalten der Konzertbesucher_innen deutlich wird. Die Fans stilisieren ihre Idole zu politischen Märtyrern, die stets unter politischem Rechtfertigungsdruck stehen und nicht aussprechen können, was sie eigentlich wollen und sozusagen unter der „political correctness“ leiden. Das ist brisant und unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von der Kommunikationsart der Neuen Rechten. Dem Vorwurf, politisch rechts zu stehen, entgegnet Frei.Wild, dass sie „unpolitisch“ seien. Doch Themen wie Nation und Herkunft, Patriotismus und Kultur haben natürlich auch eine politische Komponente. Diese als unpolitisch zu verkaufen, war schon immer ein Erfolgsgeheimnis der politischen Rechten. Dabei ist wohl nichts politischer als das patriotische Gerede von Heimat, Volk und Nation. Patriotismus ist nicht unpolitisch, weil es eben nicht die konkrete Liebe zu einem Ort und Menschen meint, dem bzw. denen man sich verbunden fühlt, sondern die Zuneigung zu einer wie immer auch gedachten Abstraktion, die mit Kitsch über Volksmythen und territorialer Verbundenheit aufgepeppt wird. Für den großen Erfolg der Band spricht, dass viele der Hörer_innen offensichtlich ignorieren, dass es sich um nationalistisches und gewaltverherrlichendes Gedankengut handelt. Ein Songtext wie „Das ist das Land der Vollidioten, die denken, Heimatliebe ist gleich Staatsverrat, wir sind keine Neonazis und keine Anarchisten, wir sind einfach gleich wie Ihr, von hier“, scheint alle diejenigen, die die Texte doch etwas kritischer überdenken, zu besänftigen. Nach der Devise: Sie sagen ja selbst, dass sie keine Nazis sind, dann sind sie das auch nicht. Doch 1 auch offen nationalistische Musikgruppen wie Landser singen zuweilen Texte wie: „Rassismus liegt uns völlig fern, alle Neger¹ ham’ wir gern, wir sind gar nicht rechtsradikal” An ihrer eigentlichen politischen Einstellung ändert das aber rein gar nichts. Genau durch diese unterschwellig nationalistische Musik wird einer mittlerweile großen Masse Zugang zur rechten Szene verschafft. Musik als Köder – das wird nicht erst seit heute von rechten Gruppierungen bewusst genutzt, um junge Menschen für ihre neonazistischen Ideen zu begeistern. Als GRÜNE JUGEND sehen wir es als notwendig an, dass ein öffentlicher Diskurs entsteht, der thematisiert, wie eine Band wie Frei.Wild mit derart nationalistischen Texten in Deutschland so enorm erfolgreich sein kann. In diesem Zuge müssen auch die gesellschaftlichen und politischen Strukturen hinsichtlich ihrer Rechtslastigkeit hinterfragt werden. Nur so kann gesamtgesellschaftlich eine höhere Sensibilität für dieses Problem geschaffen werden. Verantwortungsträger_innen in Politik und Gesellschaft fordern wir dazu auf, sich klar gegen Rechtsradikalismus zu bekennen. Das geht nur dann glaubwürdig, wenn Rechts- und Linksextremismus nicht länger gleichgesetzt werden. Denn dies schwächt die Gefahr, die vom Rechtsradikalismus ausgeht, massiv ab. Mit ihrer Politik der Gleichgültigkeit und Gleichsetzung sowie mit einem Innenminister, der mit menschenfeindlichen Äußerungen Asylsuchende stigmatisiert, befeuert die Schwarz-Gelbe Bundesregierung den Rechtsradikalismus hier im Land. In diesem Zuge appellieren wir nochmals an die Bundesregierung, sich von der demokratiefeindlichen „Extremismusklausel” zu verabschieden. All diejenigen, die in den Stadtverwaltungen und Konzertbüro in direkter Verantwortung stehen und darüber entscheiden, ob und wo eine Musikgruppe in einer Stadt auftritt, fordern wir als GRÜNE JUGEND auf, Rechtsrock-Bands keine Bühne zu geben. Bands wie Frei.Wild darf nirgendwo die Gelegenheit gegeben werden, aus ihren menschenverachtenden Texten Profit zu schlagen. Außerdem fordern wir eine Überprüfung der Songtexte von Frei.Wild durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Alle Plattenläden und Musikabteilungen von Geschäften fordern wir deshalb dazu auf, Frei.Wild-Alben nicht mehr zu bewerben und vorerst aus dem Verkauf zu nehmen – zumindest, bis eine entsprechende Prüfung abgeschlossen ist. 1: Wir sind uns bewusst, dass dies ein Ausdruck ist, der mindestens seit dem Ende des Kolonialismus im vergangenen Jahrhundert allzu oft gebraucht wurde, um Menschen zu diskriminieren, zu verletzen und zu beleidigen. Dennoch haben wir uns dazu entschieden, den Begriff nicht zu streichen. Denn damit zeigt sich einmal mehr, welch rassistische Ideologie hinter den Texten von Bands wie Landser und Frei.Wild steht. Grundsätzlich sollte vermieden werden, solche rassistischen Wörter zu reproduzieren. 2